Liebe Freunde!
Mit großem Interesse habe ich die Beiträge hier über die Evolutionstherie verfolgt!
Dazu paßt vielleicht sehr gut nachfolgender Beitrag aus dem MAGNIFICAT-STUNDENBUCH - VERLAG BUTZON & BERCKER:
BEGEGNUNG MIT DER MODERNEN WISSENSCHAFT
AM BEISPIEL DER EVOLUTIONSTHEORIE
Die Begegnung des biblischen Schöpfungsglaubens mit den Ergebnissen einer Wissenschaft, die die Entstehung des Universums und des Menschen evolutiv erklärt, fand faktisch als oft unversöhnliche Konfrontation statt. Schöpfung und Evolution - ein harter Gegensatz. "Die Fundamentalisten auf beiden Seiten verharren in ideologisch erstarrten Fronten", stellt der Frankfurter Systematische Theologe Hans Kessler fest, der als Sprecher eines mehr als 20 Jahre bestehenden universitären Arbeitskreises von Physikern, Biologen, Philosophen und Theologen die bedrohte Dialogfähigkeit zwischen modernen Naturwissenschaften und Glauben fördert und fordert.
AN DAS FUNDAMENT, NICHT FUNDAMENTALISTISCH GLAUBEN
Daß der Glaube an einen Schöpfer und das Verständnis der Welt als Schöpfung grundlegend sind für Bibel und Christentum, steht außer Frage. Fehlt der Glaube an eine Instanz, die dem ganzen unserer Welt und uns selbst Grund legt, so ist der christliche Glaube seines Fundaments beraubt. Das Problem liegt Hans Kessler zufolge wesentlich in einem Mißverständnis des Gottes- und Schöpfungsglaubens bei religiösen christlichen Fundamentalisten, den sogenannten "Kreationisten". Ihrem Selbstmißverständnis entspricht bei militant anti-religiösen Szientisten, also Wissenschafts-Fundamentalisten, die Verwechslung eines kreationistisch, also buchstäblich gelesenen und so fehlgedeuteten Schöpfungsglauben mit der authentischen biblisch-christlichen Schöpfungserfahrung.
"Kreationismus und atheistischer Naturalismus sind feindliche Zwillinge", die sich gegenseitig hochschaukeln und deren schlichte Schlagwörter und plane Deutungen geradezu auf einen solchen Gegner angewiesen sind. Doch weder ist moderne Naturwissenschaft mit militantem Naturalismus und Atheismus schlicht identisch, noch der biblische Schöpfungsglaube mit seinem kreationistischen Zerrbild. Doch wie so oft, scheint es verführerisch zu sein und höchst beruhigend, vermeintlich klare Fronten und ein ordentliches Feindbild zu haben. Sich auf gedankliche Anstrengung einzulassen, ein differenziertes Bild zu erarbeiten, sich zu informieren, die Gegenseite ausreden zu lassen, die Grenzen der eigenen Sichtweise zu erkennen, dazu gehört offenbar Mut.
MANGELNDE UNTERSCHEIDUNG ZWISCHEN TIEFENAUSSAGEN UND WELTBILDLICHER EINKLEIDUNG
Die Kreationisten, vermeintlich bibeltreue Schöpfungsgläubige, die die Evolutionstheorie radikal ablehnen und ihren buchstabengetreuen Schöpfungsglauben als die einzig mögliche Haltung des Glaubens inszenieren, verzichten darauf, zwischen den religiösen Inhalten der Bibel und den weltbildlichen Vorstellungen zu unterscheiden, in die jene eingebettet sind. Gen 1 und 2 sind in ihren Augen wörtliche Tatsachenberichte, naturwissenschaftlich zu verstehende Antworten. Nicht die in den Schöpfungserzählungen enthaltenen Tiefenaussagen über das Zueinander und Miteinander von Gott, Welt und Mensch, sondern der Wortlaut der Schöpfungserzählung seien auf der Ebene der historischen Faktizität irrtumslos.
DER EVOLUTIONSGEDANKE HAT RAUM IM SCHÖPFUNGSGLAUBEN
Es beunruhigt, daß in den USA eine Art Renaissance dieser Position zu erleben ist, seit 1992 unter dem neuen Etikett "Intelligent Design" (intelligenter Bauplan). Die Komplexität der Lebewesen verweise auf einen intelligenten Planer oder Designer, eine evolutive Entstehung der Arten sei abwegig. Auch wenn im katholischen Raum diese Gedanken kaum Fuß fassen konnten, scheint der radikale Abschied von den Zumutungen der modernen Naturwissenschaften für nicht wenige Menschen anziehend zu sein. Der Theologe Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., hat hingegen das ureigene Recht der Naturwissenschaften und ihres methodischen Naturalismus hervorgehoben. So betont Ratzinger, "daß die Fragestellung des Evolutionsgedankens enger ist als diejenige des Schöpfungsglaubens". Zugleich müsse die Evolutionslehre "die Frage offenlassen, ob nicht die weitere Problemstellung des Glaubens an sich berechtigt und möglich sei". Sie dürfe ihrerseits kein Frageverbot erlassen. "Im Gegenteil: Solche Letztfragen werden für den Menschen, der selbst im Angesicht des Letzten existiert und nicht auf das wissenschaftlich Belegbare reduziert werden kann, immer unerläßlich sein." Und Joseph Ratzinger fügt hinzu, daß "der Schöpfungsgedanke als das Weitere seinerseits in seinen Raum den Evolutionsgedanken aufnehmen kann."
Hier wird Entscheidenes angesprochen. Die methodische Ausklammerung der Schöpfungsfrage ist in den Naturwissenschaften legitim; allerdings müssen sie darauf verzichten, als Naturwissenschaften zu diesen Fragen Stellung zu nehmen.
Umgekehrt vermag aber der christliche Schöpfungsglaube den Evolutionsgedanken in sich zu integrieren, womit nicht die Vermischung der beiten Antworten und der Wirklichkeitsschichten, die sie treffen, gemeint ist.
EVOLUTIONSTHEORIE - KEINE TOTALDEUTUNG DER WIRKLICHKEIT
Wer die Evolutionstheorie zur Master Theorie von allem, zur Totaldeutung der Wirklichkeit mißbraucht, begreift die eingeschränkte Reichweite seiner Methode ebensowenig wie der "Kreationist", der den biblischen Schöpfungstexten als naturkundlichen Darlegungen Glauben verschaffen will. Die Bibel möchte Gott als schöpferischen, liebenden Urgrund von allem, was ist, was war und was sein wird, aussagen und uns nahebringen. Alles, was weltlich ist, hat nur durch Gottes beständige Gegenwart und seine Schöpfungsenergie (Gen 1,2b) Sinn, wird allein durch Gottes Walten im Dasein erhalten und befreiend neu geschaffen.
DEN TEUFELSKREIS UNTERBRECHEN
Es ist bedauerlich, ja fatal, daß sowohl religiöse als auch naturwissenschaftliche Fundamentalisten Schöpfung und Evolution als Antworten auffassen, die sich gegenseitig ausschließen müssen, und so einen Teufelskreis der wechselseitigen Abwertung von Glaube und Naturwissenschaft in Gang halten. Schon der Sachverhalt, daß zwei voneinander stark differierende Schöpfungserzählungen am Anfang der Bibel stehen, sollte den Gedanken nahelegen, daß es dem Redaktor, der etwa 500 v. Chr. die beiden Texte aneinanderfügte, im Letzten nicht auf die weltbildlichen Aussageformen ankommt, sondern um die tiefen Glaubensaussagen der beiden Texte, die sich auf der Ebene der religiösen Aussagen eben nicht widersprechen, sondern ergänzen.
Wie geht es weiter? Man sollte nicht vergessen, daß zahlreiche Theologen und Zeitgenossen Darwins keine zerreißende Spannung zwischen der christlichen Schöpfungstheologie und der von Darwin vorgetragenen Entwicklungslehre sahen. Der Herausgeber der einflußreichen christlichen Zeitschrift "The Outlook" bemerkte vielmehr: "Evolution is God's method to create the world."
Zu solch frommer Gelassenheit zurückzufinden, darum geht es wohl, zu einer respektvollen Begegnung von Glauben und moderner Naturwissenschaft.
Susanne Sandherr
Literatur: Hans Kessler, Evolution und Schöpfung in neuer
Sicht, Butzon&Bercker, Kevelaer 3.
Herzliche Grüße, amos