Zu ersten Mal stellt sich ein Papst im Fernsehen den Fragen der Menschen zu wesentlichen Themen des Christentums. Von Armin Schwibach
Rom (kath.net/as)
Zum ersten Mal in der Geschichte hat ein Papst an einer Fernsehsendung teilgenommen.
Im religiösen Programm des ersten Kanals des italienischen Staatsfernsehens „A sua immagine“ („Nach seinem Ebenbild“) antwortete Benedikt auf sieben Fragen von Menschen aus Japan, dem Irak, der Elfenbeinküste und Italien.
Die erste Frage stellte das siebenjährige Mädchen Elena aus Japan, deren Vater Italiener ist.
Das Kind hielt sich während des jüngsten Erdbebens in Japan auf und hatte erfahren, dass dabei auch viele Kinder gestorben sind. Aufgrund des Bebens, das die Häuser in den Grundfesten erschütterte, hatte das Mädchen große Angst ausgestanden. Elena fragte Benedikt XVI. nach dem Warum dieses Leidens.
Der Papst erklärte, dass auch er nicht wisse, warum dieses Leiden die Menschen überkomme: „Warum müsst ihr so viel leiden, während andere in Bequemlichkeit leben? Darauf haben wir keine Antwort. Doch wir wissen, dass Jesus wie ihr gelitten hat, als Unschuldiger, dass der wahre Gott, der sich in Jesus zeigt, auf eurer Seite steht“.
„In diesem Augenblick scheint es mir wichtig zu sein, dass ihr wisst: ‚Gott liebt mich’, auch wenn es den Anschein hat, dass er mich nicht kennt“. Man müsse sich bewusst werden, dass „ich eines Tages verstehe, dass dieses Leid nicht leer, nicht umsonst war, sonder dass dahinter ein guter Plan steht, ein Plan der Liebe.“
„Sei sicher“, so der Papst an das Mädchen gewandt, „dass wir mit dir sind, mit allen japanischen Kindern, die leiden; wir wollen euch mit dem Gebet helfen, mit unseren Taten, und seid dessen gewiss, dass Gott euch beisteht.“
Die zweite Frage stellte eine italienische Mutter, deren Sohn seit zwei Jahren in einem Wachkomazustand lebt, und betraf die Seele im leidenden Leib.
Die Frau wendet sich an Benedikt XVI. vom Krankenbett ihres Sohnes aus, der sich seit Ostern 2009 in einem vegetativen Komazustand befindet.
Maria Teresa, so der Name der Frau, berichtet dem Papst von ihrem Leidensweg und fragt: „Heiligkeit, hat die Seele meines Sohnes Francesco seinen Leib verlassen, da er nicht mehr bei Bewusstsein ist, oder ist sie noch bei ihm?“
„Gewiss ist die Seele noch im Leib anwesend“, so Benedikt XVI. in seiner Antwort. „Die Situation ist vielleicht wie jene einer Gitarre, deren Saiten gerissen sind, so dass man nicht mehr auf ihr spielen kann. So ist auch das Instrument des Leibes gebrechlich, es ist verletzlich, und die Seele kann es sozusagen nicht mehr spielen, doch sie bleibt anwesend. Ich bin auch sicher, dass diese verborgene Seele in der Tiefe eure Liebe verspürt, auch wenn sie nicht die Einzelheiten begreift, die Worte usw. Doch die Gegenwart einer Liebe spürt sie.“
„Und deshalb, liebe Eltern, liebe Mama, ist eure Gegenwart an seiner Seite, Stunde um Stunde jeden Tag, ein Akt der Liebe von großem Wert, da diese Gegenwart in die Tiefe dieser verborgenen Seele eintritt, und somit ist euer Akt der Liebe auch ein Zeugnis für den Glauben an Gott, den Glauben an den Menschen, sagen wir: den Glauben an den Einsatz für das Leben, der Achtung für das menschliche Leben, auch in den traurigsten Situationen.“
„Ich ermutige euch also, weiterzumachen, zu wissen, dass ihr der Menschheit mit diesem Zeichen des Vertrauens, mit diesem Zeichen der Achtung für das Leben, mit dieser Liebe zu einem gebrochenen Leib, zu einer leidenden Seele einen großen Dienst erweist“.
Sieben Jugendliche aus dem Irak fragten den Papst nach der Zukunft der Christen in einem Land, in dem sie Verfolgungen und Diskriminierungen ausgesetzt sind.
Benedikt XVI. versicherte die Christen im Irak seiner Nähe und der Hilfsbereitschaft aller Christen, auch wenn sie das Land verlassen wollen. Gleichzeitig erklärte er, dass es Aufgabe der Institutionen sei, in deren Möglichkeit es stehe, etwas für den Irak zu tun, dies auch zu tun. „Der Heilige Stuhl steht in ständigem Kontakt nicht nur mit den katholischen und den anderen christlichen Gemeinden, sondern auch mit den muslimischen Brüdern und Schwestern, sowohl mit den Sunniten als auch mit den Schiiten“. Ziel sei es, eine Arbeit der Versöhnung und des gegenseitigen Verständnisses auf dem schwierigen Weg der Wiederherstellung einer zerrissenen Gesellschaft zu leisten. Es müsse das Bewusstsein aufgebaut werden, dass es bei aller Unterschiedlichkeit eine gemeinsame Geschichte gebe.
Die vierte Frage stellte eine muslimische Frau von der Elfenbeinküste, die betonte, dass seit zehn Jahren das friedliche Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen im Land nicht mehr gegeben sei und Gewalt und Spaltung bis in die Familien hinein herrsche. Der Papst forderte daher erneut alle auf, auf die Gewalt zu verzichten und Wege des Friedens zu suchen. „Ihr könnt der Befriedung eures Volkes nicht mit Mitteln der Gewalt dienen, auch wenn ihr meint, im Recht zu sein“, so Benedikt XVI. Der einzige Weg sei der Verzicht auf Gewalt, der Beginn eines Dialogs, um gemeinsam den Frieden zu finden, verbunden mit einer neuen Aufmerksamkeit füreinander.
Was geschieht mit der Seele nach dem Tod? Steigt sie wie Jesus in das Reich des Todes hinab, bevor sie in den Himmel kommt?
Benedikt XVI. erklärte das Geheimnis der Erlösung so:
„Dieses Wort vom Hinabstieg Jesu in das Reich des Todes bedeutet vor allem, dass auch die Vergangenheit von Jesus erreicht wird, dass die Wirksamkeit der Erlösung nicht im Jahr Null oder 30 beginnt, sondern auch die Vergangenheit umfasst, alle Menschen aller Zeiten“.
Das Leben der Christen sei anders, so Benedikt XVI.: „Wir sind schon vom Herrn erlöst, und wir gelangen vor das Antlitz des Richters, nach unserem Tod, unter dem Blick Jesu, und dieser Blick wird seinerseits reinigend sein: Ich denke, dass wir alle mehr oder minder der Reinigung bedürfen“.
Die sechste Frage stellte ein italienischer Arzt. Sie betraf das Sein des verherrlichten Auferstehungsleibes Christi und aller Menschen.
Es sei nicht möglich, den verherrlichten Leib zu definieren, da dieser jenseits unserer Erfahrungen stehe, so der Papst. Doch Jesus habe dem Menschen Zeichen gegeben, in welcher Richtung diese Wirklichkeit zu suchen sei.
„Jesus hat seinen Leib nicht der Verwesung preisgegeben, er hat uns gezeigt, dass auch die Materie für die Ewigkeit bestimmt ist, dass er wirklich auferstanden ist.“ Daher gebe es ein neues, anderes Sein, „das wir nicht kennen, das sich uns jedoch in Jesus zeigt“. Dies sei die große Verheißung für alle Menschen: „dass es eine neue Welt gibt, ein neues Leben, zu dem wir unterwegs sind“. Jesus ist „ein wirklicher Mensch, kein Gespenst, ein Mensch, der ein wahres, doch neues Leben lebt, das nicht dem Tode unterworfen und unsere große Verheißung ist“.
Die siebte und letzte Frage stellte der Moderator der Sendung zur Rolle Marias, die Jesus am Kreuz dem Johannes anvertraut hatte.
Dabei habe es sich zunächst und vor aller Theologie um einen sehr menschlichen Akt der Fürsorge für eine alleinstehende Frau gehandelt. Gleichzeitig aber vertraue Christus die Menschheit aller Zeiten seiner Mutter an, die so Mutter eines jeden Menschen werde.
„Wir können nicht allein Christen sein, mit einem nach meiner Vorstellung konstruiertem Christentum. Die Mutter ist Bild der Kirche, der Mutter Kirche, und indem wir uns Maria anvertrauen, müssen wir uns auch der Kirche anvertrauen, die Kirche leben, zusammen mit Maria die Kirche sein.“
Die Menschheit und die Christenheit hätten immer mehr im Lauf der Zeit verstanden, dass Maria ihre Mutter sei und dass sie mit allem zu ihr kommen könnten.
„Einige, die Schwierigkeiten haben, sich Jesus in seiner Größe als Gottessohn anzuvertrauen, haben sogar die Erfahrung gemacht, dass ihnen das bei Maria ohne Schwierigkeiten gelingt. Da mag mancher sagen: Aber das hat doch kein biblisches Fundament! Darauf antworte ich mit dem heiligen Gregor dem Großen: Mit dem Gelesenwerden wachsen die Worte der Heiligen Schrift. Das heißt: Sie entwickeln sich in die Wirklichkeit hinein und wachsen immer mehr in der Geschichte.“
Auf die Frage nach einer neuen Weihe der Menschheit an die Gottesmutter zum Beginn des neuen Jahrtausends erklärte Benedikt XVI., dass es nicht in seiner Absicht liege, erneut eine derartige Weihe öffentlich zu tun, wie dies bereits seine Vorgänger Pius XII., Paul VI. und Johannes Paul II. getan hatten: „Ich denke, dass es jetzt wichtig ist, diese Weihe zu verinnerlichen, sich von ihr durchdringen zu lassen, in uns selbst zu verwirklichen“.
„Umso mehr jedoch möchte ich dazu einladen, in dieses bereits getane Anvertrauen einzutreten, damit es eine von uns jeden Tag gelebte Wirklichkeit werde und so eine wahrhaft marianische Kirche wachse, die Mutter und Braut und Tochter Jesu ist.“