Dr. Alexis Carrels
denkwürdige Reise nach Lourdes
Das große Licht im Leben
eines Nobelpreisträgers
Von Josef Niklaus Zehnder
Miriam-Verlag
ISBN 3-87449-232-X
Inhalt
Zum Geleit .
„Ich werde es nicht aushalten bis Lourdes!“
Kommt es zum Bankrott des Wunders?
„Ich fühle, daß ich geheilt bin!“
Weltberühmt und Nobelpreis
„Den Glauben kann man nicht diskutieren“
Nicht nur Kanonenfutter
Literaturnachweis
Zum Geleit
Im folgenden geht es um eine der spannendsten Episoden aus den Annalen der Gnadenstätte Unserer Lieben Frau von Lourdes im Südwesten Frankreichs. Lourdes ist reich an solchen und ähnlichen Begebenheiten, viele von ihnen sind so dramatisch wie diejenige, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts unserem Dr. Alexis Carrel, dem berühmten Nobelpreisträger in Medizin, widerfahren ist.
Die Geschichte dieses Wallfahrtsortes beginnt mit dem 11. Februar 1858, als die aus der ärmsten Familie des Städtchens am Pyrenäenfluß Gave de Pau stammende 14jährige Bernadette Soubirous die erste ihrer 18 Erscheinungen hatte, an deren Ende sich die „schöne Dame“ als die „Unbefleckte Empfängnis“ bezeichnete, und das, nachdem Papst Pius IX. 1854 dieses Gnadenprivileg der Jungfrau Maria zum verpflichtenden Glaubenssatz erhoben hatte. Schon 1830 hatte übrigens die Gottesmutter bei einer Erscheinung in der Rue du Bac in Paris die - wie Bernadette - später auch heiliggesprochene Katharina Laboure auf dieses Geheimnis hingewiesen.
Fast könnte man sagen, der Heilige Vater hätte 1854 mit der Dogmatisierung etwas nachvollzogen, was die spanischen Maler schon vom 16. bis zum 18. Jahrhundert mit ihren herrlichen Immakulatabildern im voraus getan hatten. Von diesen Meistern seien nur Murillo, Ribera, Zurbarän und Veläzquez genannt, von welchen der erste die Unbefleckte etwa 30 mal dargestellt hat.
Dem neuen Dogma wurde von verschiedenen Seiten her heftig widersprochen, so beispielsweise von dem schwedischen Literaten A. V. Rydberg, der damals dem Papst allen Ernstes vorwarf, er hätte damit „der zivilisierten Welt ins Gesicht geschlagen“.
Daß auch heute, im Zeitalter von Pornographie, Abtreibung und Aids, das Thema „unbefleckt“ für viele tabu ist, wird kaum jemand verwundern. Es fällt allerdings auf, daß es heute ausgerechnet Theologen und Theologinnen sind, die Schwierigkeiten nicht nur mit der Unbefleckten Empfängnis haben, sondern auch mit der jungfräulichen Geburt unseres Erlösers - zwei Sachen, die immer wieder miteinander verwechselt werden.
Viele gläubige Katholiken sahen und sehen auch heute in der Aussage von Bernadettes schöner Dame, sie sei die Unbefleckte Empfängnis, eine vom Himmel gekommene Bestätigung der 1854 von Pius IX. vorgenommenen Dogmatisierung. Andere lehnten aber, wie wir gesehen haben, und lehnen auch heute eine solche Argumentation mehr oder weniger schroff ab, weil sie dem Übernatürlichen zu skeptisch gegenüberstehen.
Doch gäbe es allenfalls nicht „handfestere“ Beweise für die Richtigkeit der in der Grotte von Massabielle von der Erscheinung gemachten Aussage?
Wiederum für viele Gläubige, auch für den Verfasser dieser Zeilen, gibt es solche Beweise, nämlich die gleichzeitig mit den Erscheinungen einsetzenden und seither immer wieder vorkommenden, wissenschaftlich nicht erklärbaren Heilungen schwerer Krankheiten in oder im Zusammenhang mit Lourdes.
Ich denke da beispielsweise an Justin Bouhohorts, den 18 Monate alten Jungen, der sich wegen Knochenerweichung von Geburt an nicht hatte bewegen können und dem Tode nahe war, als er nach einem Bad im eiskalten Wasser der kurz zuvor entsprungenen Quelle geheilt wurde. Im Jahr 1933 konnte er als alter Mann an der Heiligsprechung der Seherin Bernadette teilnehmen. Ich denke auch an Pierre de Rudder, dessen fast sensationell wirkender Fall an anderer Stelle zur Sprache kommen wird.
Als weiteren Beweis für die Echtheit der Aussage von Bernadettes Dame darf man sicher die vier gleichfalls aufsehenerregenden Heilungen betrachten, die der berühmte Romancier Emile Zola 1892 anläßlich der großen französischen Landeswallfahrt in Lourdes aus nächster Nähe miterleben durfte. Leider bekannte er sich dann in seinem Roman »Lourdes« nicht dazu, ja, er leugnete und verdrehte die Tatsachen.
Nennen wir als Beweis schließlich noch die im folgenden ausführlich geschilderte plötzliche Heilung Marie Baillys von einer tuberkulösen Bauchfellentzündung im letzten Stadium, die den jungen Agnostiker Alexis Carrel, wie wir sehen werden, zu guter Letzt in den Schoß der katholischen Kirche zurückführte.
Es gibt in Lourdes auch in neuerer Zeit immer wieder solche Heilungen, nur sind sie heute seltener als früher. Erwähnt sei hier der Fall des Schweizer Benediktiner-Bruders Leo Schwager aus der Kongregation von St. Ottilien, der auf einer Wallfahrt beim Krankensegen mit der Monstranz plötzlich von Multipler Sklerose geheilt wurde.
Solch unerklärliche Heilungen werden aber von der Kirche nicht alle ausdrücklich als Wunder anerkannt. Die Kirche ist in dieser Angelegenheit genauso wie bei Marienerscheinungen sehr vorsichtig, denn ihre Feinde sind ständig auf der Lauer, in der Hoffnung, sie bei einem Irrtum ertappen und dann bloßzustellen zu können.
Das Thema Wunder ist ja eine sehr umstrittene Sache. Zur Zeit der Aufklärung war beispielsweise für einen Jean Jacques Rousseau allein schon die Frage nach dem Wunder absurd, und 100 Jahre später meinte der Spötter Ernest Renan, noch niemand hätte bewiesen, daß sich je eines ereignet habe.
Wenn man bedenkt, daß sogar die Wunder Jesu von vielen seiner Zeitgenossen abgelehnt wurden und heute die evangelischen Wunderberichte von vielen Theologen als „nachösterliche Eintragungen in das vorösterliche Leben Jesu“ (vgl. F. Mussner, »Die Wunder Jesu«) gedeutet werden, darf man sich nicht verwundern, wenn auch viele die in Lourdes von Fachleuten beobachteten Heilungen nicht und schon gar nicht als Wunder anerkennen wollen. Wohl in einem solchen Zusammenhang hat der französische Philosoph und Mathematiker Blaise Pascal einmal das ernste Wort geprägt: „Die Wunder dienen nicht zur Bekehrung, sondern zur Verdammnis.“
Im Anschluß an die gefallene Bemerkung, auch bei Marienerscheinungen sei die Kirche sehr vorsichtig, nun ein paar Worte zum Thema Marienerscheinungen ganz allgemein. Diese geben ja Anlaß zu allerlei Diskussionen. Da wird vor allem einmal ihre Häufigkeit kritisch erörtert. Nach einer Notiz in der Zeitschrift »Der Fels« (Dezember 1986) soll es deren 210 allein zwischen 1928 und 1971 gegeben haben, wobei die Kirche von den letzteren zehn Prozent als Fälschungen verworfen habe, während die anderen noch Gegenstand von Untersuchungen seien.
Ich möchte mich nicht direkt zu diesen Zahlen äußern, sondern auf eine andere Art an die Sache herangehen. Ich sehe vor mir auf dem Erdball zwei weit auseinanderliegende Marienheiligtümer, zu denen ich ein gewisses persönliches Verhältnis habe: im Osten dasjenige der heiligen Mutter Gottes von Kasan an der Wolga, dessen herrliche Filialkathedrale ich im damaligen Leningrad mit dem Museum des Atheismus besucht habe und dessen Ikone in Fatima gehütet wird, und weit davon entfernt, im Südwesten Amerikas, sehe ich die bei den Indianern beliebte Pilgerstätte Unserer Lieben Frau von Copacabana in Bolivien, die ich zwar nicht betreten habe, die ich aber bei einem Flug über die Anden klar ausmachen konnte auf einer Halbinsel im Titicacasee. Zwischen diesen zwei Gnadenorten liegen Hunderte, ja Tausende der heiligen Jungfrau geweihte andere Gotteshäuser oder Kirchen und Kapellen mit Marienaltären. Dann gibt es in Museen und Privathäusern auch wieder Abertausende von Madonnenbildern, viele von ihnen, wie bereits gesagt, von großen und größten Meistern gemalt.
Schließlich denke ich auch noch an viele Gebete und Lobpreisungen, die an Maria gerichtet sind, angefangen bei dem aus der Heiligen Schrift stammenden Ave Maria und dem Magnifikat über ein herrliches Mariengebet von Ephrem dem Syrer aus dem 4. Jahrhundert zu den unzähligen anderen marianischen Texten aller Art aus allen Jahrhunderten, viele von ihnen Werke berühmter Kirchenlehrer, Schriftsteller und Dichter.
Wenn ich nun all das etwas zu überschauen versuche, fühle ich mich nicht mehr im geringsten veranlaßt, mir den Kopf zu zerbrechen über Fragen von Notwendigkeit oder Opportunität der wirklichen Marienerscheinungen noch über Probleme der nur angeblichen Kundgebungen der Jungfrau.
Ich möchte nur eines hinzufügen: Angesichts des entsetzlichen Elends, das weltweit herrscht und auch uns in der Wohlstandswelt immer direkter bedroht, dürfte es kein Luxus sein, die wiederholten Aufforderungen der Gottesmutter zu Gebet und Buße, wie sie beispielsweise in Lourdes und Fatima erfolgten, eifriger zu befolgen, als wir es bisher getan haben.
Dabei weiß ich sehr gut, daß Marienerscheinungen, auch wirklich vorgekommene, der Kirche und den Gläubigen mancherlei Probleme aufgeben. Sehr treffend hat das, wohl vor allem in Bezug auf Lourdes, Fatima und Medjugorje, der berühmte französische Mariologe Rene Laurentin ausgedrückt: „Eine Erscheinung ist für einen Pfarrer oder einen Bischof keine gute Nachricht. Sie ist vielmehr ein Problem“ (»Bote von Fatima«, Nr. 1,1989).
Ja, Schwierigkeiten aller Art haben wir eben auch in Sachen Religion selbst mit Marienerscheinungen, gegen welche sich die Mächte der Unterwelt verschworen haben. Die Probleme verursachen wir jedoch sehr oft selbst, weil wir bei Beurteilung der geheimnisvollen Vorkommnisse unsere menschlichen Maßstäbe anlegen, da wir diejenigen des göttlichen Waltens verkennen, wie es in der Heiligen Schrift steht.
Hier ein markantes Beispiel eines solchen „hausgemachten“ Problems: Man regt sich immer wieder darüber auf, daß bei Marienerscheinungen so oft Kinder Empfänger von Botschaften sind. Das war ja bekanntlich der Fall in Lourdes, Fatima und Medjugorje, ferner in La Salette, Pontmain und Beauring, um nur diese Beispiele zu nennen. Da könnte man aber fragen, ob sich das nicht „rechtfertigt“ mit dem hohen Stellenwert des Kindes im Neuen Testament, wo wir u.a. lesen: „Amen, das sage ich euch: wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen“ (Mt 18, 3). Man darf wohl annehmen, daß mit solchen Marienerscheinungen der Wert des Kindes unterstrichen werden soll in einer Welt, welche Kinder auf das schändlichste mißbraucht und mißhandelt.
Dann gestatte man mir noch eine andere Frage, und zwar speziell in Bezug auf Lourdes und Fatima: Hätte die Welt die Bußbotschaften der Gottesmutter wohl ernster genommen, wenn dieselben statt an Kinder direkt an Pius IX. und Pius XII. ergangen wären, also an jene zeitgenössischen Päpste, die in den letzten Jahren in gemeinster Weise selbst von katholischer Seite her beschimpft und verleumdet worden sind? Da dürfte sich die Antwort wohl erübrigen!
Zum Abschluß dieses Geleitworts will ich versuchen, noch eine aufgebauschte Schwierigkeit im Hinblick auf die Seherkinder von Lourdes und von Fatima auszuräumen. Nicht wenige Kritiker haben sich über die Menschlichkeiten im familiären Umfeld bei Bernadette Soubirous und Lucia de Jesus dos Santos aufgeregt, wobei sie meistens viel zu strenge Maßstäbe verwendet haben. - Gibt es in Tat und Wahrheit etwas Tröstlicheres für uns in vielem so beschränkte Menschen als die Feststellung, daß sich die heilige Jungfrau bei ihrem direkten Eingreifen in unsere irdischen Verhältnisse eben auch des Menschlichen und allzu Menschlichen nicht schämt?
Doch nun, liebe Leserinnen und Leser, auf zu unserer denkwürdigen Reise nach Lourdes!
Fortsetzung folgt