Ich möchte gerne hier eine Predigt eines Priesters einstellen, die ich lesenswert und
nachdenkenswert und sehr hilfreich finde:
ÜBER DAS BETEN UND AUSHARREN IM GEBET!
Predigt zur Lesung:
Apg 1, 12-14
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!
So kurz die heutige Lesung aus der Apostelgeschichte ist, so informativ und aufschlussreich
ist sie zugleich. Denn sie gewährt uns einen Blick auf die allerersten Christen, auf die Urgemeinde
in Jerusalem genau zu dem Zeitpunkt, an dem wir uns jetzt befinden: zwischen Himmelfahrt und Pfingsten.
Eine kleine Gruppe ist da zusammengekommen: die elf Apostel, die Frauen mit Maria sowie die Brüder, die Verwandten Jesu. Noch nennen sie sich selbst gar nicht Christen, noch verstehen sie sich selbst gar nicht als eine neue, eigenständige Gemeinde neben der jüdischen.
Ein ständiges Auf und Ab in den vergangenen Wochen haben sie erlebt: angefangen vom glanzvollen Einzug Jesu am Palmsonntag, bei dem er als König gefeiert wurde über das Letzte Abendmahl, die Gefangennahme, der Prozess, die schmähliche Hinrichtung am Kreuz, als schon alles am Ende schien; dann aber auf einmal die Aufregung und die Freude, als sie merkten: es ist doch nicht alles aus, sondern Jesus lebt und offenbart sich ihn in neuer Weise. Immer wieder erscheint er ihnen.
Vielleicht haben sich manche schon in diesen vierzig Tagen, während derer Jesus immer wieder erscheint, schon innerlich darauf eingestellt, dass jetzt alles so weitergehen wird wie vor dem Tode Jesu. Er ist ja nun wieder bei ihnen, wenn auch in veränderter Weise.
Aber dann verabschiedet sich Jesus doch von seinen Gefolgsleuten, er kehrt zu seinem Vater heim.
Am Donnerstag haben wir dies ja gefeiert. Bevor er in den Himmel erhoben wird, verspricht er seinen Jüngern einen Beistand, die Kraft von oben, den Heiligen Geist.
Und in dieser Zeitspanne befinden wir uns jetzt: die Erscheinungen haben aufgehört, Jesus ist
nicht mehr zu sehen, er ist weg. Die einzige Perspektive ist die, dass Jesus da etwas versprochen hat, was aber noch nicht gekommen ist.
So werden sich die Jünger viele Fragen gestellt haben in diesen Tagen zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten. Wie wird es wohl nun weitergehen? Wird Jesus wirklich Wort halten? Wie wird diese Kraft des Heiligen Geistes sein? Wie sollen sie, dieses kleine Häufchen, Zeugen sein, nicht nur in Jerusalem,
Judäa und Samarien, sondern bis an die Grenzen der Erde?
Bei aller Freude, die die Jünger angesichts der Auferstehung erfüllt hat, wird sich doch auch Ratlosigkeit, wenn nicht sogar Resignation breit gemacht haben. Denn nüchtern betrachtet ist es ja wirklich eine Lage, die nicht hoffen lässt.
Zu dem endgültigen Abschied Jesu kommt ja noch hinzu, dass sich die Juden in Jerusalem feindlich gegenüber den Anhängern Jesu verhalten. Sicherlich hatten die Jünger auch Angst, dass sie nun
auch bald vor Gericht gezerrt werden sollen wie Jesus, dass man auch ihnen als Volksaufwiegler und Gotteslästerer den Prozess machen wird.
Um es auf den Punkt zu bringen: Ich stelle mir die Jünger in Jerusalem in diesen zehn Tagen zwischen der Himmelfahrt und der Geistsendung an Pfingsten doch hin- und hergerissen vor, einerseits voll Freude über die Auferstehung und in froher Erwartung des Heilligen Geistes, andererseits ängstlich, rat-, mut-, perspektiv- und hoffnungslos angesichts ihrer Lage.
Wie reagieren nun aber die Jünger auf diese Situation der Unsicherheit zwischen dem Abschied und dem – für sie ja noch gar nicht vorstellbaren – Neuaufbruch an Pfingsten? Genau darüber informiert uns die heutige Lesung. Zunächst heißt es, die Apostel kehrten vom Berg der Himmelfahrt wieder nach Jerusalem zurück. Dort gehen sie in das Obergemach, das uns ja als der Ort des Letzten Abendmahls bekannt ist, wo sich auch Maria aufhält, die Verwandten Jesu und die Frauen, die Jesus zu Lebzeiten begleiteten und die ja auch am Ostermorgen eine besondere Rolle spielten, da sie das leere Grab entdeckten.
Was sie nun dort machten, das finde ich das bemerkenswerte an der Lesung, das ist das, was auch uns heute etwas sagen kann, was für uns ein Fingerzeig sein kann, wie wir in vergleichbaren Situationen umgehen.
Darin können uns die Jüngerinnen und Jünger Jesu Vorbild sein.
Es heißt ganz knapp: sie verharrten.
Das ist es, was wohl auch uns manchmal als Letztes noch übrig bleibt, das Verharren.
Auch in unserem Leben gibt es immer wieder Situationen, in denen wir nicht weiter wissen, wo wir keine Perspektive haben, wo wir am Ende zu sein scheinen, wo wir dann weder ein noch aus wissen.
Das kann der Tod eines lieben Menschen sein, das Zerbrechen einer Beziehung, eine ungewisse Situation, der finanzielle Ruin oder die eigene Krankheit.
Was als Möglichkeit bleibt, ist das Verharren, das Ausharren, das Aushalten, das Ertragen der Situation.
Zwar können wir versuchen, vor manchen Problemen davonzulaufen, sie durch Drogen, Alkohol oder andere Süchte zu verdrängen, aber die wirklich drückenden Probleme und Notsituationen holen uns doch immer wieder ein. Wir können ihnen letztlich nicht entfliehen, das einzige, was bleibt, ist das Ausharren.
Aber die Jünger harrten nicht nur einfach aus, sondern es heißt: sie verharrten einmütig im Gebet.
Das mag sich vielleicht auf den ersten Blick als ein allzu einfacher Trost anbieten. Aber ich bin überzeugt davon, dass auch uns das einmütige Ausharren im Gebet helfen kann.
Vor allem kann ich ihnen zudem keine bessere Lösung anbieten.
Einmütig bedeutet, sie liefen angesichts der Schwierigkeit der Situation nicht einfach auseinander, sondern sie blieben beisammen. Auch für uns ist es wichtig, dass wir Notsituationen nicht völlig alleine durchstehen müssen, sondern dass wir Menschen haben, die uns begleiten und stützen. Ich finde es sehr beeindruckend, dass gerade bei Beerdigungs-gottesdiensten die Gemeinde meist regen Anteil nimmt. Ich bin mir sicher, dass das für die trauernden Angehörigen ein nicht unerheblicher Trost und eine große Hilfe sind. Hier kommt etwas von dem einmütigen Ausharren für mich zum Ausdruck.
Und sie verharrten einmütig im Gebet. Gerade in Notsituationen können wir manchmal den Eindruck gewinnen, auch das Gebet nützt nichts mehr. Gott scheint taub zu sein, er erhört uns ja nicht. Aber auch gerade das dürfen wir dann immer wieder im Gebet vor Gott bringen.
Gerade die Psalmen, die Gebete aus dem Alten Testament,
die auch Jesus gebetet hat, sind voll von Anklagen gegen Gott.
Im Gebet dürfen wir auch unsere Verzweiflung, unseren Zorn und Wut, unser Unverständnis und unsere Not vor Gott bringen. All das dürfen wir ausbreiten. Es müssen keine ausformulierten Gebete sein, oft genügt ein Stammeln, ein Fragen, ja auch nur ein Seufzer, der Gebet sein kann.
Manchmal kann die Not so groß werden, dass uns sogar die Kraft zum Gebet fehlt, dass wir scheinbar nicht einmal mehr beten können. Da ist es dann gut zu wissen, dass auch immer andere Menschen für uns beten: in den Klöstern, die Kleriker beim Stundengebet, die Menschen, die in großer Treue den Rosenkranz beten usw.
Gerade dann, wenn uns die Kraft zum Beten fehlt,
können uns auch die auswendig gelernten Gebete weiterhelfen,
die wir dann vielleicht nur noch Stammeln können:
das Vater Unser,
das Gegrüßet seist du, Maria
oder ein anderes Gebet, das uns seit Kindertagen vertraut ist. Und manchmal kann es genügen, wenn wir (hier in der Kirche) einfach nur eine Kerze anzünden.
Es wird immer wieder Situationen geben, an denen wir nichts ändern können,
die wir ertragen müssen, bei denen wir ausharren müssen.
Wenn wir es einmütig und im Gebet tun,
sind wir schon einen Schritt weiter.
Bei den Jüngern damals in Jerusalem endete die Zeit der Ängstlichkeit und Unsicherheit, der Niedergeschlagenheit und Aussichtslosigkeit nach zehn Tagen, als der Heilige Geist über sie kam und mit der Kraft Gottes erfüllte.
Danach waren sie wie ausgewechselt, von da an verkündeten sie das Evangelium und gingen tatsächlich hin
zu allen Völkern.
Vertrauen auch wir wie die Jünger in Jerusalem darauf,
dass nach den Zeiten des Dunkels wieder Zeiten des Lichts kommen.
Möge das einmütige Ausharren im Gebet uns helfen,
die Zeiten der Not und des Dunkels auszuhalten und zu meistern.
Amen.
Eine Predigt von Pfarrer C. W.