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Christsein - Mystik - Gaben, Charismen, Früchte. => Christsein im Alltag => Thema gestartet von: amos am 03. Januar 2012, 11:09:40

Titel: FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 03. Januar 2012, 11:09:40
LEIDEN SPÜREN

Es gibt kein fremdes Leid.

Konstantin Simonow


Je unfähiger wir werden, das eigene Leid zu spüren,
desto leichter fällt es uns, fremdes Leiden zu ertragen.

Leszek Kolakowski


Ein Ehepaar, beide berufstätig, hastet kurz vor Weihnach-
ten in ein Spielwarengeschäft und erläutert der Verkäufe-
rin: "Wir sind den ganzen Tag von zu Hause weg und haben
eine kleine Tochter. Wir brauchen etwas, das die Kleine
erfreut, sie lange beschäftigt und ihr das Gefühl des Allein-
seins nimmt." - "Tut mir leid", lächelt die Verkäuferin freund-
lich, "Eltern führen wir nicht im Sortiment."


Martin ist kürzlich 14jährig gestorben. Von Geburt an kör-
perbehindert, war er seit acht Jahren gelähmt. Er kannte
viele Kliniken und Krankenhäuser. Er kannte die Welt der
Rollstühle, der Sauerstoff-Flaschen, der Stethoskope. Mar-
tin hatte einen hellen Verstand. Er hat alles begriffen. Er
wußte, was ihm bevorstand.
Und genau so, wie wir es immer befürchtet hatten, daß sein
Ende einmal sein würde, so war es dann auch. Sein Sterben
war sehr mühsam. Es bestand darin, daß er langsam erstickte.
Ich frage dich, Herr, warum mußte dieser Junge mit den
freundlichen, sanften Augen so lange leiden? Warum sagst
du uns nicht, warum dies alles so sein muß? Ich frage dich
immer wieder, was war der Sinn dieses Lebens und dieses
qualvollen Sterbens?
                                     
                                    ***

Es ist wichtig, sich Menschen vor Augen zu stellen, die
bewußt gelitten haben; Leute, die wir kennen, die im Leiden
gütiger und nicht bitterer geworden sind,solche, die freiwil-
lig Leiden auf sich genommen haben um anderer willen. Es
gibt solche Menschen, und die Stärkung, die von ihnen aus-
geht, ist der Trost der Heiligen.

Dorothee Sölle
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 06. Januar 2012, 16:48:49
SPANNUNG AUSHALTEN

Widersprüche sind kein Zeichen von Schwäche.

Marcel Jouhandeau


Ich bin außer mir vor Wut, aber ich darf es nicht zeigen.
Jeder findet mich übertieben, wenn ich nur den Mund auf-
tue, lächerlich, wenn ich still bin, frech, wenn ich eine Ant-
wort gebe, raffiniert, wenn ich mal eine gute Idee habe, faul,
wenn ich müde bin, egoistisch, wenn ich mal einen Löffel
mehr nehme, dumm, feige, berechnend. Den ganzen Tag
höre ich nur, daß ich ein unausstehliches Geschöpf sei, und
wenn ich auch darüber lache und so tue, als wenn ich mir
nichts daraus machte, ist es mir wirklich nicht gleichgültig.
Ich möchte den lieben Gott bitten, mir eine Natur zu schen-
ken, die nicht alle gegen mich aufbringt. Das geht jedoch
nicht. Meine Natur ist mir gegeben, aber ich bin nicht
schlecht, ich fühle es. Ich bemühe mich mehr, es allen recht
zu machen, als sie es nur im entferntesten ahnen. Ich lache
mit ihnen, um meinen tiefen inneren Kummer nicht zu zei-
gen.

Anne Frank


Herr, mein Gott: Wir Menschen und Meere -
sollen wir denn stets zwischen Ebbe und Flut schwingen?

Helder Camara


Laß, o Welt, o laß mich sein!
Locket nicht mit Liebesgaben,
laßt dies Herz alleine haben
seine Wonne, seine Pein!

Was ich traure, weiß ich nicht,
es ist unbekanntes Wehe;
immerdar durch Tränen sehe
ich der Sonne liebes Licht.

Oft bin ich mir kaum bewußt,
und die helle Freude zücket
durch die Schwere, die mich drücket,
wonniglich in meiner Brust.

Laß, o Welt, o laß mich sein!
Locket nicht mit Liebesgaben,
laßt dies Herz allein haben
seine Wonne, seine Pein!

Eduard Mörike
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 07. Januar 2012, 20:02:55
NÄHE ERFAHREN

Wenn ein Mensch nicht spürt,
daß er geliebt und angenommen ist,
nützt alle Weisheit nicht, ihn glücklich zu machen.

Barbara Herzog


Wir erzählen ein bißchen von uns,
du zeigst mir die Stadt
bei einem Einkaufsbummel,
und es ist schön,
mit deinen Augen zu sehen.
In einem Caféhaus schreibst du
ein paar verrückte Worte
und ein Ich-mag-Dich
auf einen Bierdeckel,
und unser Tisch ist eine Insel
im Gemurmel des Mittagsbetriebes.
Wir wollen Freunde sein,
miteinander reden,
es gibt so vieles,
was wir nicht
voneinander wissen,
so viele Bierdeckel,
auf die wir schreiben können
ich liebe Dich.

Bert Metzkow


Man braucht nur eine Insel
allein im weiten Meer.
Man braucht nur einen Menschen,
den aber braucht man sehr.

Mascha Kaléko


Wo ich gehe Du.
Wo ich stehe Du.
Du, Du,
wieder Du,
immer Du,
Du, Du, Du.
Ergeht's mir gut,
Du.
Wenn's weh mir tut,
Du.
Du, Du,
wieder Du,
immer Du,
Du,Du, Du.
Himmel: Du,
Erde: Du,
Oben: Du,
Unten: Du.
Wohin ich mich wende,
an jedem Ende: nur Du,
wieder Du,
immer Du,
Du, Du, Du.

Martin Buber


Am Sabbat lehrte Jesus in einer Synagoge. Dort saß eine
Frau, die seit achtzehn Jahren krank war, weil sie von einem
Dämonen geplagt wurde; ihr Rücken war verkrümmt, und sie
konnte nicht mehr aufrecht gehen. Als Jesus sie sah, rief er
sie zu sich und sagte: "Frau, du bist von deinem Leiden
erlöst." Und er legte ihr die Hände auf. Im gleichen Augen-
blick richtete sie sich auf und pries Gott.

Lukas 13, 10-13
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 09. Januar 2012, 12:30:22
SCHWÄCHE ZULASSEN

Man fällt nicht, weil man schwach ist,
sondern weil man meint, stark zu sein.

Jüdisches Sprichwort


Tagsüber darf er keine Schwäche zeigen.
Tagsüber muß er sich korrekt verhalten.
Tagsüber muß er gepanzert sein.
Tagsüber darf er sich kein Gefühl erlauben.
Erst am Abend,
im Kreis der Freunde,
hört man, wie ihm die Steine
vom Herzen fallen.
Erst nach Mitternacht sagt er ganz leise:
"Wenn ich ehrlich bin..."

Martin Gutl


In meinen Beziehungen zu Menschen habe ich herausge-
funden, daß es auf lange Sicht nicht hilft, so zu tun, als wäre
ich jemand, der ich nicht bin. Es hilft nicht, ruhig und freund-
lich zu tun, wenn ich eigentlich ärgerlich bin und Bedenken
habe. Es ist nicht hilfreich, so zu tun, als wüßte ich Antwor-
ten, wenn ich sie nicht weiß. Es hilf nicht, den liebevollen
Menschen zu spielen, wenn ich im Augenblick eigentlich
feindlich gestimmt bin. Es hilft nicht, so zu tun, als wäre ich
voller Sicherheit, wenn ich eigentlich ängstlich und unsi-
cher bin. Es hilft nicht, so zu tun, als sei ich gesund, wenn ich
mich krank fühle. Es ist für mich einfacher, mich als einen
unvollkommenden Menschen zu akzeptieren, der keines-
falls zu jeder Zeit so handelt, wie er handeln möchte.Man-
chen mag diese Entwicklung befremdlich erscheinen, mir
ist sie wertvoll. Denn: Wenn ich mich so akzeptiere, wie ich
bin, dann ändere ich mich.

Carl R. Rogers


Ich bin eigentlich ganz anders,
aber ich komme so selten dazu.

Ödön von Horvath
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 10. Januar 2012, 07:27:51
VORURTEILE ABBAUEN

Vorurteile: eine Meinung, die einen Menschen hat.


Ein Mensch, der, sagen wir, als Christ
streng gegen Mord und Totschlag ist,
hält einen Krieg, wenn überhaupt,
nur gegen Heiden für erlaubt.
Die allerdings sind auszurotten,
weil sie des wahren Glaubens spotten!
Ein andrer Mensch, ein frommer Heide,
tut keinem Menschen was zu leide,
nur gegenüber Christenhunden
wäre jedes Mitleid falsch empfunden.
Der ewigen Kriege blutige Spur
kommt nur von diesem kleinen "nur".

Eugen Roth


Johannes sagte zu Jesus: Meister, wir haben gesehen, wie
jemand in deinem Namen Dämonen austrieb, und wir ver-
suchten, ihn daran zu hindern, weil er nicht mit uns zusam-
men dir nachfolgt. Jesus antwortete ihm: Hindert ihn nicht!
Denn wer nicht gegen euch ist, der ist für euch.
Und Jesus schickte Boten vor sich her. Diese kamen in ein
samaritisches Dorf und wollten eine Unterkunft für ihn
besorgen. Aber man nahm ihn nicht auf, weil er auf dem
Weg nach Jerusalem war. Als die Jünger Jakobus und
Johannes das sahen, sagten sie: Herr, sollen wir befehlen,
das Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet? Da wandte
er sich um und wies sie zurecht.

Lukas 9,49-50.52-55


"Gut und Böse sind die Vorurteile Gottes" -
sagte die Schlange.

Friedrich Nietzsche


An einem Baum hing eine Glocke, und wenn der Wind kam
und die Äste bewegte, so gab sie ihren Ton. Als ein Fuchs
das Getön hörte, bekam er Angst und dachte, daß es ein
starkes Tier sein müßte, das solch ein Getön von sich gäbe.
Er schlich sacht hinzu. Als er die Glocke sah, die groß, aber
ganz hohl und leer war und nichts dahinter als das Getön,
sprach er: "Nie mehr will ich glauben, daß alle Dinge, die
groß sind und laut tönen, darum auch mehr Stärke haben."

Antonius von Pforr


so ist
sagt man
ein baum zum beispiel
ist so
so ist ein baum
und ein baum ist nicht so
und alles ist nicht so
so ist es

Peter Bichsel


Ich brauche jemanden nur zu sehen -
und schon weiß ich über ihn Bescheid.
Ich brauche mit jemandem nur ein paar Worte zu
wechseln -
und schon weiß ich, mit wem ich es zu tun habe.
Ich brauche über jemanden nur dieses oder jenes zu
hören -
und schon weiß ich, was für ein Mensch er ist.
Mein Gott,
es ist erschreckend,
wie schnell ich jemanden zu kennen glaube -
und wie lange es dauert,
bis ich mein voreiliges Urteil ändere.

Petrus Ceelen
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 11. Januar 2012, 06:58:22
WIDERSTAND LEISTEN

Tote Fische schwimmen mit dem Strom
lebendige dagegen.


Schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftigt sind!
Seid mißtrauisch gegen ihre Macht, die sie vorgeben, für
euch erwerben zu müssen! Wacht darüber, daß eure Her-
zen nicht leer sind, wenn mit der Leere eurer Herzen
gerechnet wird.
Tut das Unnütze, singt die Lieder, die man aus eurem Mund
nicht erwartet! Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im
Getriebe der Welt!

Günter Eich


Du. Mann an der Maschine und Mann in der Werkstatt.
Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre
und keine Kochtöpfe mehr machen - sondern Stahlhelme
und Maschinengewehre, dann gibt es nur eins: Sag nein!
Du. Forscher im Laboratorium. Wenn sie dir morgen befeh-
len, du sollst einen neuen Tod erfinden gegen das alte
Leben, dann gibt es nur eins: Sag nein!
Du. Mann auf dem Dorf und Mann in der Stadt. Wenn sie
morgen kommen und dir den Gestellungsbefehl bringen,
dann gibt es nur eins: Sag nein!
Mütter in allen Erdteilen, Mütter in der Welt, wenn sie mor-
gen befehlen, ihr sollt Kinder gebären, Krankenschwestern
für Kriegslazarette und neue Soldaten für neue Schlachten,
Mütter in der Welt, dann gibt es nur eins: Sagt nein! Mütter,
sagt nein!

Wolfgang Borchert


Der Oberste Priester und die Sadduzäer ließen die Apostel
verhaften und ins Gefängnis werfen. Doch gleich in der
ersten Nacht öffnete ein Engel des Herrn die Gefängnis-
tore, führte die Apostel heraus und sagte zu ihnen: Geht in
den Tempel und verkündet allen die Botschaft von dem
Leben, das Jesus gebracht hat! Die Apostel gehorchten,
gingen früh am Morgen in den Tempel und sprachen zu den
Menschen.
Der Kommandant ging mit den Tempelwachen hin, um sie zu
holen. So brachten sie die Apostel vor den jüdischen Rat,
und der oberste Priester hielt ihnen vor: Wir haben euch
deutlich genug befohlen, nicht mehr öffentlich von diesem
Mann zu sprechen und seinen Namen bekanntzumachen.
Und was tut ihr? Ihr redet und redet, bis auch der letzte in
Jerusalem es gehört hat. Uns macht ihr für seinen Tod ver-
antwortlich und wollt die Strafe Gottes über uns bringen!
Aber Petrus und die anderen Aposteln antworteten: Man
muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.

Apostelgeschichte 5,17-32(in Auswahl)

Wolfgang Borchert
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 12. Januar 2012, 10:00:20
VERTRAUEN WAGEN

Kontrolle ist gut,
Vertrauen ist besser.


Ein junger Mann und ein Mädchen liefen auf zwei verschie-
denen Landwegen. Als die zwei Wege zusammenkamen,
liefen der Junge und das Mädchen gemeinsam weiter. Der
Junge trug einen Kupferkesse auf seinem Rücken. In der
einen Hand hatte er ein lebendes Huhn und einen Stock,
während er an der anderen Hand eine Ziege führte. Nach
einer Weile kamen sie an eine Bergschlucht. Da blieb das
Mädchen stehen und sagte: "Durch diese Schlucht gehe
ich nicht mit dir." "Warum nicht?", wollte der Junge wissen.
"Du könntest mich dort umarmen und küssen?", antwortete
sie. "Wie soll ich dich denn umarmen und küssen? Ich habe
einen Kupferkessel auf dem Rücken, an der einen Hand
habe ich eine Ziege und in der anderen Hand ein lebendes
Huhn und einen Stock." Aber das Mädchen beharrte auf sei-
ner Meinung: "Du könntest mich die Ziege halten lassen,
danach den Stock in den Boden stecken, das Huhn auf den
Boden setzen und den Kessel darüberstülpen, und dann
könntest du mich umarmen und küssen." Lange starrte der
Junge das schöne, nette Mädchen an. Endlich sagte er:
"Allah segne deine Weisheit." Worauf sie gemeinsam durch
die Schlucht gingen.


Laß uns vertrauen dem seltenen Verständnis,
das ärgerlich Schwache und Fremde einbezieht
in unsere vertrauten Kreise.
Laß uns vertrauen der seltenen Freiheit,
die für das Wohl und das Recht der Gegner eintritt
und so dem Frieden Brücken baut.
Laß uns vertrauen der seltenen Liebe,
die verkümmertes Leben behutsam zum Blühen bringt.

F.K. Barth/G. Grenz/P.Horst



Auf meinen lieben Gott
trau ich in Angst und Not;
der kann mich allzeit retten
aus Trübsal, Angst und Nöten,
mein Unglück kann er wenden,
steht alles in seinen Händen.


Diesen Tag, Herr, leg ich zurück in deine Hände,
denn du gabst ihn mir.
Du, Herr, bist doch der Zeiten Ursprung und ihr Ende,
ich vertraue dir.
Kommen dunkle Schatten über die Welt,
wenn die Angst zu leben mich plötzlich befällt:
Du machst das Dunkel hell.

Martin Gotthard Schneider
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 13. Januar 2012, 07:12:35
GOTT SUCHEN

Wir können Gott mit dem Verstand suchen,
aber finden können wir ihn nur mit dem Herzen.


Einer ist da, der mich denkt.
Der mich atmet. Der mich lenkt.
Der mich schafft und meine Welt.
Der mich trägt und der mich hält.
Wer ist dieser Irgendwer?
Ist er ich? Bin ich Er?

Mascha Kaléko


Gott, wer bist du?
Ich kenne dich nicht und möchte dich lieben.
Gott, wo bist du?
Ich finde dich nicht und suche dich doch.
Gott, hab Erbarmen!


sehnsucht

ich hab dich
verloren
du großer fund
klein wie
die perle
im ackergrund

ich such dich
in allem
versuche dich
und wo ich
dich suche
da finde ich
mich

ich bin
nach dir
süchtig
ich suche dich
ich kann dich
nicht finden
finde du mich

ich hab dich
verloren
du großer
fund
klein wie
die perle
im ackergrund

Wilhelm Willms
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 14. Januar 2012, 09:53:31
VERGEBUNG EMPFANGEN

Vergib uns unsere Schuld
wie auch wir vergeben unsern
Schuldigern.


Du sagst was du angerichtet hast -
willst dem anderen wieder unbe-
fangen begegnen.
Der hat längst gespürt, daß etwas
nicht stimmt.
So kann es geschehen,
daß der andere mit dir zusammen
erleichtert ist.
Manchmal wird uns vergeben,
und wir können dann wieder lachen.

F.K. Barth/G. Grenz/P. Horst


Glücklich, wem die Übertretungen vergeben sind,
wessen Sünde bedeckt ist.
Wohl dem Menschen,
dem der Herr seine Schuld nicht zurechnet,
in dessen Geist kein Trug ist.
Denn als ich es verschweigen wollte,
wurde ich krank und elend
unter meinem täglichen Stöhnen.
Denn schwer lag deine Hand auf mir
Tag und Nacht,
meine Zunge verdorrte
wie in den Gluten des Sommers.
So bekannte ich dir meine Verfehlung
und verhehlte meine Schuld nicht.
Ich sprach: Bekennen will ich dem Herrn
meine Übertretungen.
Da hast du die Schuld vergeben,
die aus meinem Ungehorsam kam.

Psalm 32,1-5


Mahatma Gandhi berichtet aus seinem Leben:
"Ich war fünfzehn Jahre alt, als ich einen Diebstahl beging.
Weil ich Schulden hatte, stahl ich meinem Vater ein golde-
nes Armband, um sie zu bezahlen. Aber ich konnte die Last
meiner Schuld nicht ertragen. Als ich vor ihm stand, brachte
ich vor Scham den Mund nicht auf. Ich schrieb also mein
Bekenntnis nieder. Als ich ihm den Zettel überreichte, zit-
terte ich am ganzen Körper. Mein Vater las den Zettel,
schloß die Augen und dann - zerriß er ihn. "Es ist gut', sagte
er noch. Und dann nahm er mich in die Arme. Von da an
hatte ich meinen Vater noch viel lieber."


Liebes Kind
Wenn du nach Hause kommen willst
dann komm bei Tag und Nacht
der Tisch ist schnell gedeckt
dein Bett gemacht
ist die Tür verschlossen
und sind wir unterwegs
du kennst das alte Schlüsselversteck
schlag notfalls ein Fenster ein
der Vater wird dir verzeihn
verzeih auch ihm
sein Zorn ist auch sein Schmerz
er kann nicht weinen
wenn du wieder nach Hause kommen willst
dann komm
wir fragen nicht viel
wir warten.

Hedwig Meutzner
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 17. Januar 2012, 10:26:06
VERZICHT ÜBEN

Am reichsten sind die Menschen,
die auf das meiste verzichten können.

Rabindranath Tagore


Du hattes ein viereck gemalt,
darüber ein dreieck,
darauf (an die seite) zwei striche mit rauch -
fertig war das Haus.

Man glaubt gar nicht,
was man alles
nicht braucht.

Reiner Kunze


Petrus sagte zu Jesus: Du weißt, wir haben alles stehen- und
liegenlassen und sind mit dir gegangen. Was haben wir
davon? Jesus antwortete: Ich versichere euch: Wenn Gott
die Welt erneuert und der Menschensohn in seiner ganzen
Herrlichkeit auf dem Thron Platz nimmt, dann werdet auch
ihr, die ihr mir gefolgt seid, auf zwölf Thronen sitzen und über
die zwölf Stämme Israels Gericht halten. Jeder, der um mei-
netwillen sein Haus, seine Geschwister, Eltern oder Kinder
oder seinen Besitz zurückgelassen hat, der wird das alles
hundertfach wiederbekommen und dazu das ewige Leben.

Matthäus 19,27-29


Was wir brauchen
um glücklich zu leben,
ist wenig.
Aber wir steigern
die Bedingungen
für Glück
ins Endlose
und beklagen
unser Unglück.

Kristiane Allert-Wybranietz


Wir sind leer und gleichzeitig angefüllt mit überflüssigen
Waren und Gütern. Es besteht eine seltsame Beziehung
zwischen den vielen Dingen, die wir besitzen und konsu-
mieren, und der Leere unseres Daseins. Überflüssige Dinge
machen das Leben überflüssig.
Ärmer werden und mit immer weniger Gewalt auskommen,
das ist die Umkehr zur Fülle des Lebens. Der Reichtum des
Menschen liegt in seinen Beziehungen zu anderen, in sei-
nem Dasein für andere. Die Fülle des Lebens wird nicht
weniger, wenn wir sie miteinander teilen, sondern vermehrt
sich.
Christus befreit uns von der das Leben fressenden Armut
und von der das Leben aufsaugenden inneren Leere in eine
neue Gemeinschaft hinein, in der wir einander nicht mehr
Gewalt antun müssen, sondern einander glücklich machen
können.

Dorothee Sölle


Franz von Assisi wurde einmal gefragt, weshalb er und
seine Freunde ohne Besitz lebten. Er antwortete: "Hätten
wir Besitz, so müßten wir ihn verteidigen; zum Verteidigen
bräuchten wir Schwerter, und mit Schwertern müßten wir
bereit sein zum Töten."
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 19. Januar 2012, 11:08:39
GEMEINSAMKEIT ENTDECKEN

Wenn es glatteist, gehen die Menschen Arm in Arm.

Jean Paul


Pummerer, in morgendlicher heiterer Ruh,
lächelte seinem Nachbarn Mommer zu.
Dieser, durch das Lächeln ebenfalls heiter,
gab es an den Straßenbahnschaffner weiter,
der an die kleine Verkäuferin, und die
an Dr. Müller-Zinn, Facharzt für Psychiatrie,
dieser an Schwester Elke vom Kinderhort,
diese an die Toilettenfrau - und so fort.
So kam es schließlich irgendwann
abends gegen 6 Uhr am Schillerplatz an
bei einem Augenblick traurig-tristen,
durch das Lächeln doch erheiterten Polizisten,
so daß er, als Pummerer den Verkehr blockierte,
den Verstoß nur mit einem Lächeln quittierte.

Otto Heinrich Kühner


Jesus
wir horchen miteinander
was wir sprechen
wir sprechen miteinander
was wir hoffen
wir hoffen miteinander
was du versprichst

wir verstehen dich
wenn wir einen von uns
verstehen

Ernst Eggimann
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 24. Januar 2012, 16:20:06
GRENZEN ÜBERSCHREITEN

Wer zu den Sternen reisen will,
der sehe sih nicht nach Gesellschaft um.


Ich weiß, daß ich bald sterben muß.
Es leuchten doch alle Bäume
nach langersehnten Julikuß -
Fahl werden meine Träume -
Nie dichtete ich einen trüberen Schluß
in den Büchern meiner Reime.
Eine Blume brichst du mir zum Gruß -
ich liebte sie schon im Keime.
Doch ich weiß, daß ich bald sterben muß.
Mein Odem schwebt über Gottes Fluß -
Ich setzte leise meinen Fuß
auf den Pfad zum ewigen Heime.

Else Lasker-Schüler


Wir glauben nur aus Angst und weil wir es in der Schule so
gelernt haben, an irgendwelche Grenzen. Es gibt keine
Grenzen. Nicht für die Gedanken, nicht für die Gefühle. Die
Angst setzt die Grenzen. Jesus sprengte die Gesetze und
die Grenzen durch ein völlig neues Gefühl, von dem man
vorher nie etwas gehört hat: die Liebe. Natürlich reagierten
die Menschen mit Angst und Wut, so wie sie immer mit
Angst reagieren und fliehen wollen, wenn sie von einem
großen Gefühl überwältigt werden - obwohl sie sich vor
Sehnsucht nach ihrem kümmerlichen und abgestorbenen
Gefühlen fast verzehren.

Ingmar Bergmann


Du Gott über alle Grenzen hinweg:
Verwandle alles Reden, das uns trennt,
in eine Sprache, die Brücken baut.
Laß uns ankommen in gegenseitigem
Verstehen.

F.K. Barth/G. Grenz/P. Horst


(http://up.picr.de/9341743snu.jpg)

Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 19. Februar 2012, 16:47:40
GERECHTIGKEIT SCHAFFEN

Wo man die Gerechtigkeit hinauswirft,
kommt der Schrecken zur Tür herein.


Bei dem Versuch, ein Stück Gerechtigkeit zu verwirklichen,
werden Entscheidungen notwendig sein, die nicht in dem
Schema: hier gut, dort böse aufgehen. Selten wird es Ein-
deutigkeiten geben, selten wird die Information so vollko-
men sein, daß sie allem Zweifel enthebt. Heil für den einen
bedeutet Unheil für den anderen. "Er stößt die Gewaltigen
vom Stuhl und erhebt die Niedrigen." Neutralität bewahrt
nicht vor Schuld, aber verhindert das Entstehen einer bes-
seren Welt.

Dietmar Stoller


die völkerung wächst
der boden schmilzt
die preise steigen
die menschen fragen
wo sollen wir wohnen
fragen die menschen
und unsere kinder
fragen die menschen
wenn sich bodenrecht
meßbar in bodenloses
unrecht verwandelt

Kurt Marti


An die Mauer gesprüht: Ausländer raus! In der Straßenbahn
steht niemand mehr auf für die Frau in dem bunten Kopf-
tuch. Der Schalterbeamte sagt "Analphabet" zu dem Mann,
der die Formulare verwechselt. "Die nehmen uns nur die
Arbeit weg!"
Ich schweige, Herr. Dabei könnte ich ihnen erzählen, wie
schön mein Urlaub in Griechenland war, daß der Wirt mei-
nes Stammlokals Enzo heißt, mein Arbeitskollege Branco
und daß meine Tochter mit Fatma spielt.
Hilf mir, nicht länger zu schweigen, Herr. Nimm mir die Angst,
Partei zu ergreifen für die Fremden. Hilf mir, zu reden für
Enzo, Branco und Fatma.

Inge Hartmann


(http://up.picr.de/9594315wdu.jpg)




Die Menschen von heute meinen, daß die Armen ihnen in
menschlicher Hinsicht nicht gleichwertig sind. Sie betrach-
ten sie von oben herab. Aber ich bin sicher, wenn sie eine
tiefe Achtung vor den armen Menschen empfinden würden,
wäre es ihnen ein Leichtes, ihnen näherzukommen und zu
sehen, daß sie dasselbe Recht auf die Dinge des Lebens
und auf die Liebe haben wie jeder andere.

Mutter Teresa

Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 03. März 2012, 10:46:23
FRIEDEN STIFTEN

Es gibt keinen Weg zum Frieden,
wenn nicht der Weg schon Frieden ist.

Martin Luther King


Vor der Schlacht tritt der Offizier an die Truppe heran und
sagt feierlich: "Soldaten, jetzt geht es Mann gegen Mann!" -
Infantrist Rubin: "Zeigen Sie mir bitte meinen Mann! Viel-
leicht kann ich mich gütlich mit ihm verständigen."

Jüdischer Witz


Ihr wollt
daß es so bleibt wie es ist
darum betet ihr
um Frieden.
Wir wollen
daß es nicht so bleibt wie es ist
darum beten wir
um Frieden.

Lothar Zenetti


Auch ohne Krieg sterben täglich Tausende von Menschen
in reichen wie in armen Ländern an Hunger und Unterer-
nährung. Menschliches Leid und Elend aufgrund der vielfäl-
tigen Formen von Ungerechtigkeit haben ein Ausmaß er-
reicht, das in der modernen Geschichte ohnegleichen ist.
Die Völker der Erde brauchen Frieden und Gerechtigkeit.
Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von Krieg, Frieden
setzt eine neue internationale Ordnung voraus, die gegrün-
det ist auf Gerechtigkeit für alle Völker und in allen Völkern
und auf Respekt für die gottgegebene Menschlichkeit und
Würde jedes einzelnen. Frieden ist die Frucht der Gerech-
tigkeit.
Wir können die Gefahren unserer Zeit weder als naturge-
geben hinnehmen, noch dürfen wir verzweifeln. Wir kennen
Gottes Liebe und bekennen einen Herrn der Geschichte, in
dem uns das Leben in seiner ganzen Fülle verheißen ist. Der
Heilige Geist wirkt unter uns, der die Liebe erweckt und die
Furcht vertreibt, unsere Vision vom Frieden erneuert,
unsere Phantasie belebt und uns befreit und eint. Immer
mehr Völker der Welt erheben sich, fordern Gerechtigkeit
und schreien nach Frieden. Das sind Zeichen der Hoffnung
in unserer Zeit.

Vollversammlung des Weltrats der Kirchen 1983


Den Frieden lasse ich euch zurück, meinen Frieden gebe
ich euch. Ich gebe ihn euch nicht, wie die Welt ihn gibt. Euer
Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.

Johannes 14,27


Frieden gabst du schon, Frieden muß noch werden,
wie du ihn versprichst uns zum Wohl auf Erden.
Hilf, daß wir tun, wo wir ihn erspähen.
Die mit Tränen säen, werden in ihm ruhn.

Dieter Trautwein
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 04. März 2012, 19:44:17
HOFFNUNG WECKEN

Wer hofft,
ist seiner Zeit voraus.


Ich bin überzeugt,
daß die Leiden dieser Zeit nichts bedeuten
gegenüber der Herrlickeit,
die an uns offenbar werden soll.
Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig darauf,
daß die Kinder Gottes offenbar werden.
Die Schöpfung ist ja der Vergänglichkeit unterworfen -
nicht nach ihrem Willen,
sondern durch den, der sie unterworfen hat -
jedoch auf Hoffnung;
denn auch die Schöpfung wird frei werden
von der Knechtschaft der Vergänglichkeit
zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes.

Denn wir wissen,
daß die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick
gemeinsam seufzt und in Wehen liegt.
Aber nicht nur sie, sondern auch wir selbst,
die wir den Geist als Erstlingsgabe haben,
seufzen in uns selbst und warten auf die Kindschaft,
die Erlösung unseres Leibes.
Denn wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung.
Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung;
denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht?
Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen,
so warten wir darauf in Geduld.

Römer 8,18-25
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 05. März 2012, 07:46:29
LEBENDIG

Leiden, Irrtum und Widerstandskraft
erhalten das Leben lebendig.

Gottfried Keller


Mach wieder
Wasser aus mir

Strömen will ich
im Strom

ins Meer
münden

Rose Ausländer


Nur Leben
entwirft
vom Leben
lebendige
Bilder

Was schaben,
was pinseln
die Maler
auf Kirchengerüsten
an toten Gemälden?

Des Lebens
und seines Fürsten
lebendiges Bild
sind Frauen
und Männer

Kurt Marti


 ;tffhfdsds

Gott, diesen Tag
und was er bringen mag,
sei mir aus deiner Hand gegeben:
Du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben.



Du bist der Weg:
Ich will ihn gehen,
Du bist die Wahrheit:
Ich will sie sehen.
Du bist das Leben:
Mag mich umwehen
Leid und Kühle,
Glück und Glut,
alles ist gut,
so wie es kommt.
Gib, daß es frommt!

In deinem Namen
beginne ich. Amen.  ;qfykkg
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 06. März 2012, 21:27:42
NEUGIERIG

Wer sind wir? Wo kommen wir her?
Wohin gehen wir? Was erwarten wir?
Was erwartet uns?


Kinder suchen immer nach dem Geheimnis jenseits des
Spiegels. Nur wir Erwachsenen begnügen uns mit unserer
flachen Vordergründigkeit.

Stanislaw Jerzy Lec


Ein Junge kam nach Hause und rief: "Heute habe ich ein
Mädchen getroffen, das glaubt nicht an Gott! Ihre Eltern
auch nicht, das hat sie gesagt." "Weshalb regst du dich
darüber so auf?", fragt der Vater. "Man muß doch an Gott
glauben", sagte der Junge, "sonst ist man ein schlechter
Mensch." "Meinst du?", fragte der Vater. "Dann bildest du
dir wohl ein, du wärst besser als das Mädchen?" Der Jun-
ge wuße nicht, was er sagen sollte. Einige Tage später
fragte er seinen Vater: "Warum glaubt man an Gott?" "Weil
es so viele Fragen gibt, auf die wir keine Antwort wissen",
sagte der Vater.

Ursula Wölfel


Gebet der Giraffe

Herr, warum hast du mir den langen Hals geschenkt?
Um es gleich zu bekennen: Ich bin nicht traurig.
Du hast mir wahrlich einen feinen Kopf gegeben -
auf hohem Niveau.
Ich kann Gutes schnuppern und schleckern,
was andere nur erträumen.
Ist es nicht so, Herr?

Ich kann ungeniert neugierig sein
mit mühelosem Weitblick.
Ich bewundere dich.
Immer Neues schaffst du, und doch stets anders,
und jedesmal schöner!
Die Neugierde zum Beispiel.
Bei vielen ein Charakterfehler.
Ich dagegen
bin eine Neugier-Standard-Ausgabe.
Meine Neugierde ist standesgemäß.
Grandiose Naturbegabung, weil du es so wolltest.

Ich lobe dich, Herr aller Geschöpfe,
und blinzle dir zu - verschmitzt,
aber zumindest mit meinem Kopf
im siebten Himmel der Liebe.

Drutmar Cremer


Es wird nach einem happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.
Man sieht bloß noch in ihre Lippen
den Helden seinen Schnurrbart stippen -
da hat sie nu den Schentelmen.
Na, un denn - ?

Kurt Tucholsky
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 07. März 2012, 09:49:50
BEWEGLICH

Wer glaubt, etwas zu sein,
hat aufgehört, etwas zu werden.


Wenn die Lage schwierig ist,
beunruhigend und bedrückend,
dann ist sie genau so;
aber das ist nicht das Ende der Welt:
Geh immer voran.
Wenn die Menschen hart sind,
haßerfüllt und herzlos,
dann sind sie genau so;
und sie sind ein Teil unseres Lebens:
Kämpf dich immer vorwärts.
Wenn die Zukunft dunkel ist,
trostlos und trübe,
dann ist sie genau so;
das kann nicht immer unverändert bleiben:
Nichts ist unmöglich.

Saul Ndlovu (Zimbabwe)


Fritz kommt zu spät in die Schule: "Herr Lehrer, es ist so
ein Glatteis draußen, daß ich bei jedem Schritt vorwärts
zwei zurückgerutscht bin." "Ja, wieso bist du dann da?"
"Ich hab mich umgedreht und bin heimwärts gegangen." jhlcu


Verlangen wirst Du,
daß wir, die Lieblosen dieser Erde,
deine Liebe sind,
die Häßlichen Deine Schönheit,
die Ratlosen Deine Ruhe,
die Wortlosen deine Rede,
die Schweren Dein Flug.

Jeder wird wissen, daß dieses von ihm erwartet wird,
etwas, wogegen Atombomben ein Kinderspiel sind.
Und aufbegehren wird er
und sagen, wie  kommen wir dazu.
Und sagen: wie häßlich ist es, erwachsen zu werden
und aufzubleiben in der Nacht, allein.
Aber jeder wird wissen: Dies ist Dein letztes Geheimnis.
Dein Fernsein Deine Nähe,
Dein Zuendesein Dein Anfang,
Deine Kälte Dein Feuer,
Deine Gleichgültigkeit Dein Zorn.

Und einige wirst Du bisweilen beweglich machen.
Schneller als deine Maschinen und künstliche Bltze.
Überflügeln werden sie ihre Angst.
Fahrende werden sie sein, Freudige.

Marie Luise Kaschnitz
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 08. März 2012, 11:50:52
KLUG

Der Vorteil der Klugheit besteht darin,
daß man sich dumm stellen kann.
Das Gegenteil ist schon schwieriger.

Kurt Tucholsky


Jeden Tag ging Nasrudin mit seinem Esel über die Grenze,
die Lastkörbe hoch mit Stroh beladen. Da er zugab, ein
 Schmuggler zu sein, durchsuchten ihn die Grenzwachen
immer wieder. Sie machten Leibesvisitationen, siebten das
Stroh durch, tauchten es in Wasser und verbrannten es so-
gar von Zeit zu Zeit.
Nasrudin wurde unterdes sichtlich wohlhabender, setzte
sich schließlich zur Ruhe und zog in ein anderes Land.
Dort traf ihn Jahre später einer der Zollbeamten. "Jetzt
könnt ihr mir es ja verraten, Nasrudin", sagte er. "Was habt
ihr damals nur geschmuggelt, als wir euch nie etwas nach-
weisen konnten?" "Esel", sagte Nasrudin. jhlcu


Ein Mensch genießt zwar allgemein
das Lob, ein heller Kopf zu sein.
Doch glänzt - merkt ein genauer Kenner -
er mäßig nur, als Dauerbrenner.
Ein andrer Mensch ist oft verdunkelt.
Doch wenn er einmal plötzlich funkelt,
dann leuchtet er auch weltenweit.
Das macht: Der Mensch ist blitzgescheit.

Eugen Roth


Mit zunehmendem Alter wird man nicht klug -
man weiß nur besser,
daß es die anderen auch nicht sind.


                    ***


Ein Kluger hat soviel zu denken,
daß er keine Zeit hat zu reden.
Ein Dummkopf hat so viel zu reden,
daß er keine Zeit hat zu denken.

Aus Israel
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 12. März 2012, 11:05:19
FREUNDLICH

Verschiebe eine Freundlichkeit nicht auf später.

                      ***


Einer weckt dich plötzlich auf
aus dem toten Lebenslauf.
Einer lacht dich freundlich an:
Lachen Wunder wirken kann.
Einer hört dein leises Wort,
hört und schweigt und geht nicht fort.
Einer spürt dein dunkles Leid,
spürt dich auf in Einsamkeit.
Einer teilt mit dir die Nacht,
bis ein neuer Tag erwacht.
Einer gibt dir seine Zeit,
Zeit zur Liebe, Zeit zum Streit.

Peter Horst


Danket dem Herrn, denn er ist freundlich,
und seine Güte währet ewig.

Psalm 106,1


Möge dein Weg dir freundlich entgegenkommen,
Wind dir den Rücken stärken, Sonnenschein
deinem Gesicht viel Glanz und Wärme geben.
Der Regen möge deine Felder tränken,
und bis wir beide, du und ich, uns wiedersehen,
halte Gott schützend dich in seiner hohlen Hand.

Irischer Reisesegen


Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut,
in der wir untergegangen sind,
gedenkt,
wenn ihr von unseren Schwächen sprecht,
auch der finsteren Zeit,
der ihr entronnen seid.
Dabei wissen wir doch:
Auch der Haß gegen die Niedrigkeit
verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht
macht die Stimme heiser. Ach, wir,
die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit,
konnten selber nicht freundlich sein.
Ihr aber, wenn es soweit sein wird,
daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist,
gedenkt unser
mit Nachsicht.

Bertolt Brecht


Freundlichkeit wird oft als Schwäche gedeutet.

                               ***


Wenn jeder eine Blume pflanzte,
jeder Mensch auf dieser Welt,
und, anstatt zu schießen, tanzte
und mit Lächeln zahlte, statt mit Geld -
wenn ein jeder einen andern wärmte,
keiner mehr den andern schlüge,
keiner sich verstrickte in der Lüge,
wenn die Alten wie die Kinder würden,
sie sich teilen in den Bürden,
wenn dies Wenn sich leben ließ,
wär's noch lang kein Paradies -
bloß die Menschenzeit hätt angefangen,
die in Streit und Krieg uns beinah ist vergangen.

Peter Härting
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 14. März 2012, 11:19:47
EHRLICH

Ehrlich währt am längsten.


Ein Mensch, der sich ein Schnitzel briet,
bemerkte, daß ihm mißriet.
Jedoch, da er es selbst gebraten,
tut er, als wär es ihm geraten,
und, um sich nicht zu strafen Lügen,
ißt er's mit herzlichem Vergnügen.

Eugen Roth


Herr, wie kann ich dir danken für den großen Erfolg,
mit dem es mir heute wieder gelungen ist,
mich an dir vorbeizudrücken.

Josef Reding


Ich meide alle dunklen Machenschaften. Ich arbeite nicht
mit Kunstgriffen und verdrehe nicht das Wort Gottes. Viel-
mehr mache ich seine Wahrheit unverfälscht bekannt. Das
ist meine Empfehlung gegenüber jedem, der sein Gewis-
sen vor Gott prüft.

2. Korinther 4,2


Freimut zu bekennen:
Ich bin ich.
Ich werd auf meinem Wege gehen
und werde sagen, was ich da gesehen,
und keiner überredet mich,
das Schwarze auch nur grau zu nennen,
geschweige denn weiß. Es ist an der Zeit,
zum Wort, das uns anvertraut ist, zu stehen.
Es mag mir ruhig Schaden geschehen.
Geschieht nur dem Geist der Wahrheit kein Leid.

Eva Strittmatter


Beim Versuch, von mir abzusehen,
bin ich auf mich gestoßen.

Gabriele Wohmann


Ein Schüler bekannte seine schlechte Gewohnheiten,
Klatsch weiterzuerzählen. Sagte der Meister spitz:
"Weitererzählen wäre ja nicht so schlimm, wenn du nicht
noch Verbesserungen daran vornähmst."

Anthony de Mello
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: Gine am 14. März 2012, 12:09:49

Juhu lieber Amos  fckjc
ich musste eben schmunzeln als ich das lass:

Beim Versuch, von mir abzusehen,
bin ich auf mich gestoßen.


 ;D ;D ;D Herrlich und köstlich!!!

Danke für deine Beiträge

deine Gine
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 15. März 2012, 10:58:24
 ;jfzf Ja, liebe Gine, ich hab's versucht und es hat funktioniert!

Es grüßt Dich herzlich und wünscht Dir Gottes Segen,
Amos :)
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 15. März 2012, 11:10:58
MUTIG

Es erfordert oft mehr Mut, seine Ansicht zu ändern,
als an ihr festzuhalten.

Friedrich Hebbel


Im Zirkus vollführte eine schöne, junge Dresseurin ein
Kunststück, das alle staunen macht: Sie nahm ein Stück
Zucker in ihren Mund, und ein wilder, knurrender Löwe
holte es zwischen ihren Lippen hervor. Während das Pu-
blikum mit angehaltenem Atem dasaß, stand ein älterer
Mann auf und erklärte, das sei keine Kunst..."Würdet ihr
es tun können?", fragte ihn der Zirkusdirektor. "Gewiß",
antwortete der Alte, "ich kann es tun, genau wie der
Löwe!"  jhlcu


Halte dein Wort nicht zurück, wenn du anderen damit hel-
fen kannst; denn im Wort gibt sich die Weisheit kund und
Einsicht in dem, was die Zunge spricht. Widersprich nicht
der Wahrheit, sondern dulde den Spott, wenn du die Sa-
che nicht getroffen hast. Schäme dich nicht zu bekennen,
wenn du gesündigt hast, sonst versuchst du vergeblich,
den Lauf eines Stromes zu hemmen. Mach dich nicht zum
Diener eines Narren und nimm auf einen Mächtigen keine
Rücksicht, sondern verteidige die Wahrheit bis in den Tod,
so wird Gott der Herr für dich streiten.

Jesus Sirach 4,27-33

Gott, du fragst nach uns;
deine Liebe weckt unser Zutrauen; davon leben wir.
Gib deine Hoffnung in alles, was wir überlegen und planen
und laß unseren Mut dir entgegenwachsen.

Friedrich Karl Barth

Mache dem Furchtsamen Mut.
Sag nicht nur: Fürchte dich nicht.
Gehe mit ihm ein Stück Wegs.
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 16. März 2012, 12:24:40
F R E I

Keiner kann vollkommen frei sein,
solange nicht alle frei sind.


Jesus sagte zu denen, die Vertrauen zu ihm gefaßt hatten:
Wenn ihr euch an mein Wort haltet, seid ihr wirklich ,meine
Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die
Wahrheit wird euch frei machen. Wir stammen von Abra-
ham ab, antworteten sie ihm, und wir haben nie jemandem
als Sklaven gedient. Was meinst du, wenn du sagst: Ihr
werdet frei werden? Jesus sagte zu ihnen: Täuscht euch
nicht! Jeder, der sündigt, ist ein Sklave der Sünde. Wenn
der Sohn Gottes euch frei macht, dann seid ihr wirklich
frei.

Johannes 8,31-34.36


Ich kann dich lieben oder hassen -
ganz wie du willst. (Kann dich auch lassen.)
Und du kannst schweigen oder sprechen -
ganz wie du willst. Daran zerbrechen
werd ich nicht mehr. (Ich kann auch gehn.)
Ganz wie ich will, wird es geschehn.

Eva Strittmatter


 kz12)


Gott des Lebens -
mit wieviel toten Gewohnheiten schleppen wir uns ab,
wieviele Hoffnungen haben wir schon begraben!
Du mußt uns anreden, Gott,
uns deine Nähe spüren lassen.
Dann weichen die Ängste
und wir können leben, frei und gelöst.
Wir werden befreiend für andere sein
und den Spielraum der Liebe vergrößern,
in dir geborgen, von dir befreit,
du Gott des Lebens. ;qfykkg


Sie sprangen aus rasender Eisenbahn
und haben sich gar nicht weh getan.
Sie wanderten über Geleise,
und wenn ein Zug sie überfuhr,
dann knirschte nichts. Sie lachten nur.
Und weiter ging die Reise.

Sie schritten durch eine steinerne Wand,
durch Stacheldrähte und Wüstenbrand,
durch Grenzverbote und Schranken
und durch ein vorgehaltnes Gewehr,
durchzogen viele Meilen Meer.
Meine Gedanken.

Ihr Kurs ging durch, ging nie vorbei.
Und als sie dich erreichten,
da zitterten sie und erbleichten
und fühlten sich unsagbar frei.

Joachim Ringelnatz


Ich möchte gerne frei sein von meiner Angst, gegen den
Strom zu schwimmen, damit ich tun kann, was recht ist.
Ich möchte gerne frei sein von dem Zwang, immer nur an
mich selber zu denken, damit ich auch den anderen sehe.
Ich möchte gerne frei sein von meiner Art, den bequem-
sten Weg zu gehen, damit ich mich mit gutem Gewissen
freuen kann über das Erreichte. Ich möchte gerne frei sein
von meiner Schuld, die mich immer wieder bedrückt, da-
mit ich neu anfangen kann.
Wenn Christus euch befreit, dann seid ihr wirklich frei.

Peter Cornehl


Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 17. März 2012, 11:30:18
AUFMERKSAM

Man achte grade auf kleine Dinge, gehe ihnen nach.
Was leicht und seltsam ist, führt oft am weitesten.

Ernst Bloch

 
Eibenschütz ist mit seinem Fuhrwerk nachts in einem ver-
kommenen Nest gelandet. Er legt sich in der Wirtsstube
ein wenig hin, den Kutscher Eisik läßt er aber im Wagen,
damit er auf die Pferde aufpasse. Dennoch ist er nicht ru-
hig. Gegen Mitternacht tritt er ans Fenster und fragt: "Ei-
sik, bist du wach?" "Ich bin wach", bestätigt Eisik. "Was
tust du?" "Ich kläre." "Was klärst du?" "Ich kläre: Wenn
man für ein neues Haus eine Grube aushebt - wohin ver-
schwindet die ausgeworfene Erde?" "Schön, kläre wei-
ter." Es vergeht eine Stunde. Eibenschütz wird wieder un-
ruhig: "Schläfst du, Eisik?" "Ich bin wach. Ich kläre." "Was
klärst du?" "Ich kläre: Wenn der Rauch aus dem Schorn-
stein aufsteigt - wohin verschwindet er?" "Schön, kläre
weiter." Wieder vergeht eine Stunde, es tagt schon bald.
Da fragt Eibenschütz zum dritten Mal: "Eisik, schläfst du?"
"Ich bin wach. Ich kläre." "Was klärst du?" "Ich kläre: Ich
habe die ganze Nacht gewacht und achtgegeben - und die
Pferde, wohin sind sie verschwunden?"  jhlcu

Jüdischer Witz


Seht euch vor, seid wachsam! Denn ihr wißt nicht, wann es
an der Zeit ist. Es ist, wie wenn ein Mensch auf Reisen
geht. Er hat sein Haus verlassen und seinen Knechten
Vollmacht erteilt, jedem für seinen Aufgabenbereich, und
dem Türhüter befohlen zu wachen. So auch ihr: Seid
wachsam! Denn ihr wißt nicht, wann der Herr des Hauses
zurückkommen wird, ob abends oder um Mitternacht,
beim erten Hahnenschrei oder früh am Morgen: Daß er ja
nicht unversehens kommt und euch schlafend finde! Was
ich aber euch sage, das sage ich allen: Seid wachsam!

Markus 13,33-37


Findest du einen Menschen, der ruhig ist,
der mit der Gegenwart des Geistes,
mit wahrer Teilnehmung,
mit stillem Bedürfnis hören kann,
der dich nicht leicht unterbricht,
der nicht zwei Fragen auf einmal tut,
die Antwort auf eine gelassen abwartet,
der nicht vorwärts, nicht zurückgreift,
dessen Blick dich nicht geflissentlich fixiert
und niederschlägt
und dem deinigen nicht geflissentlich ausweicht,
der in demselben Grade unnachlässig
und unangespannt ist,
so denke, einen Schatz im Acker,
eine Perle gefunden zu haben.

Johann Kaspar Lavater


Mag sein, daß es fünf Minuten vor zwölf ist, wie kenntnis-
reiche und nüchterne Leute meinen. Aber wie lange die
verbleibenden fünf Minuten dauern, die Gott uns noch
läßt, bei dem tausend Jahre sind wie der eben vergangene
Tag und wie eine Nachtwache, das weiß niemand. Das wis-
sen noch nicht einmal die, die wie die Engel das Ohr an
Gottes Geschichte haben. Diese Aufgabe aber weist Jesus
uns zu, das Ohr an Gottes Geschichte zu halten. Diesen
Auftrag überträgt er uns, solange er noch auf sich warten
läßt, damit wir allen Irreführungen und allen Katastrophen
zum Trotz gelassen und aufmerksam durch unsere Le-
benstage gehen können.

Kurt Wolff
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 19. März 2012, 11:39:10
BARMHERZIG

Barmherzig sein fängt zu Hause an.


Der Herr sei gepriesen, Israels Gott!
Er hat sein Volk besucht und es befreit: Ins Haus seines
Knechts David hat er den Retter gesandt, der stark wie ein
Widderhorn ist. Vekündet hat er, von Urzeiten an, durch
den heiligen Mund der Propheten:
Ich werde euch retten vor euren Feinden. Ich werde euch
retten, wenn ihr Haß nach euch greift. Ich werde mich eu-
rer Väter erbarmen und den heiligen Schwur nicht verges-
sen, den ich Abraham schwor, eurem Vater: euch aus der
Hand der Feinde zu retten, damit ihr mir dient, ohne
Furcht, in Frömmigkeit und Gerechtigkeit, ein Leben lang
vor meinem Angesicht.
Du aber, Kind, sollst Prophet des Höchsten genannt sein,
weil du dem Herrn vorausgehen wirst und ihm die Wege
ebnen und seinem Volk zu verkünden: Es gibt Rettung, die
Schuld wird vergeben, Gott ist barmherzig. Sein Licht, auf-
gehend wie die Sonne am Himmel, hat uns berührt. Es
leuchtet auch denen, die in der Dunkelheit sind oder im
Schatten des Todes, und lenkt unsere Schritte zum Frieden.

Lukas 1,68-79


In Gottes Namen
wollen wir finden, was verloren ist,
wollen wir suchen, was verirrt ist,
wollen wir heilen, was verletzt ist,
wollen wir stärken, was geschwächt ist,
wollen wir hüten, was lebendig ist -
wie einen Augapfel, wie mein Kind, wie eine Quelle.
In Gottes Namen. Amen.

Friedrich Karl Barth/Peter Horst


Miezel, eine schlaue Katze,
Molly, ein begabter Hund,
wohnhaft an demselben Platze,
haßten sich aus Herzensgrund.

Einst zur Jagd ging Miezel wieder
auf das Feld. Da geht es bumm.
Der Herr Förster schoß sie nieder.
Ihre Lebenszeit ist um.

Oh, wie jämmerlich miauen
die drei Kinderchen daheim.
Molly eilt, sie zu beschauen,
und ihr Herz geht aus dem Leim.

Und sie trägt sie kurz entschlossen
zu der eignen Lagerstatt,
wo sie nunmehr fünf Genossen
an der Brust zu Gaste hat.

Mensch mit traurigem Gesichte,
spricht nicht nur von Leid und Streit.
Selbst in Brehms Naturgeschichte
findet sich Barmherzigkeit.

Wilhelm Busch
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 20. März 2012, 10:27:28
LEIDENSCHAFTLICH


Eifersucht ist eine Leidenschaft,
die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.

Marie von Ebner-Eschenbach
 

Ich ritzt' es gern in alle Rüben ein,
ich stampft' es gern in jeden Pflasterstein,
ich biß' es gern in jeden Apfel rot,
ich strich' es gern auf jedes Butterbrot,
auf Wand, Tisch, Boden, Fenster möcht' ich's schreiben:
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben!
Ich möcht' mir ziehn ein junges Känguruh,
bis daß es spräch' die Worte immerzu,
zehn junge Kälbchen sollen froh sie brüllen,
hell wiehern hundert buntgescheckte Füllen,
trompeten einer Elefantenherde,
ja, was nur keucht und fleucht auf dieser Erde,
das soll sie schmettern, pfeifen, quaken, bellen,
bis daß es dröhnt in allen Trommelfellen
mit einem Lärm, der gar nicht zu beschreiben:
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben!

Hans von Gumppenberg


Wenn du einen Gegner hast,
hau nicht drauf, als wäre er gepanzert.


Schmerz und Lachen sind Zwillingskinder jener Liebe, die
ebenso leidenschaftlich und geduldig, ebenso kämpfe-
risch und leidensfähig ist wie Jesus, wie Gott selbst.

Kurt Marti


Es war kurz vor dem jüdischen Passahfest, und Jesus rei-
ste nach Jerusalem. Dort traf er im Vorhof des Tempels
Händler an, die Rinder, Schafe und Tauben verkauften,
und die Geldwechsler, die ihre Geschäfte trieben. Da
machte er sich eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle
aus dem heiligen Bezirk hinaus mit ihren Schafen und Rin-
dern. Er verschüttete das Geld der Wechsler und stieß die
Tische um und rief den Taubenhändlern zu: Schafft das
hier weg! Macht das Heiligtum meines Vaters nicht zu ei-
nem Markt! Seine Helfer aber dachten daran, daß in der
Heiligen Schrift steht: Die Leidenschaft für dein Heiligtum
bringt mir den Tod!

Johannes 2,13-17


Ich will, daß mein Gesang anstecke,
damit wir krank vor Liebe werden,
vor Hunger nach Gerechtigkeit,
daß wir alle uns ein Herz fassen
ohne Angst vor Schwäche.
Nichts besänftigt seine verheerende Liebe.
Und von Herzschlag zu Herrzschlag
wird sie stärker und stärker, betäubt den Feind,
und er hört sie aus allen Wänden quellen,
und er sieht sie in allen Blicken glänzen,
und er fühlt sie herannahen
wie eine ungeheure Flutwelle:
jeden Morgen, den das Volk sich erhebt
zur Arbeit auf den Feldern, die ihm nicht gehören,
in jedem Aufschrei der Eltern beim Tod ihrer Söhne,
in jeder Hand, die sich im Leid mit andern verklammert.
Denn die Kraft dieser Liebe wird alles mitreißen
und nichts zurücklassen,
bis unseres Volkes Klagen nicht mehr ersticken,
und Jubelrufe vom Sieg in die Berge einfallen,
in die Flüsse tauchen, die Zweige der Bäume schütteln.

Gioconda Belli
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 21. März 2012, 13:09:54
 kz12)

Herr Jesus Christus,
wie viele Male wurde ich ungeduldig,
wollte verzagen, wollte alles aufgeben,
wollte den furchtbar leichten Ausweg suchen:
die Verzweiflung.
Aber du verlorst die Geduld nicht.
Ein ganzes Leben hieltest du aus und littest,
um auch mich zu erlösen.

Sören Kierkegaard  ;qfykkg


Alles fügt sich und erfüllt sich,
mußt es nur erwarten können
und dem Werden eines Glückes
Jahr und Felder reichlich gönnen.

Bis du eines Tages jenen
reifen Duft der Körner spürest
und dich aufmachst und die Ernte
in die tiefen Speicher führest.

Christian Morgenstern





Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 22. März 2012, 11:05:37
T R E U


Um sich selbst treu zu bleiben,
muß man lebendig bleiben.


Wie kann ich mir, wie kann ich anderen treu bleiben? Wer-
de ich mir untreu, wenn ich Abschied nehme von einem
Bild von mir, das mir nicht mehr entspricht? Werde ich
meinen Freunden untreu, wenn ich ihnen als ein Verän-
derter begegne? Oder gehört die Wandlung zur Treue hin-
zu? Es wäre ja einfacher, zu bleiben, wie man ist. Aber ge-
rade da fängt wohl die Untreue an. Ich muß mich wandeln,
wenn ich mir treu bleiben will.

Otto und Felicitas Betz


Dränge mich nicht, dich zu verlassen und nach Hause zu
gehen, weg von dir! Wo du hingehst, da will ich auch hin-
gehen. Wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist
mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da
sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Möge
der Herr mir tun, was immer er will: Derr Tod nur soll dich
und mich scheiden!

Ruth 1,16-17


Ich will mit dem gehen, den ich liebe.
Ich will nicht ausrechnen, was es kostet.
Ich will nicht nachdenken, ob es gut ist.
Ich will nicht wissen, ob er mich liebt.
Ich will mit ihm gehen, den ich liebe.

Bertolt Brecht


Für Gottes ewige Treue gibt es zeitliche Zeichen. Eines
von ihnen ist die Ehe, wo eine Frau und ein Mann einander
als verläßlich erfahren und miteinander Verläßlichkeit ein-
üben dürfen durch Krisen, Zweifel, Entfremdungen hin-
durch. Inmitten einer Gesellschaft, die auf ständigen
Wechsel, auf schnellen Konsum und ebenso schnelles
Wegwerfen aus ist, bietet die Ehe - in welcher Form im-
mer - Dauer und Verläßlichkeit an, mitmenschliche Heimat
sozusagen.

Kurt Marti


(http://up.picr.de/9901743pyq.jpg)




Eines Nachts hatte ich diesen Traum: Ich ging mit Gott,
meinem Herrn, am Strand entlang. Vor meinen Augen zo-
gen Bilder aus meinem Leben vorüber, und auf jedem Bild
entdeckte ich Fußspuren im Sand. Manchmal sah ich Ab-
drücke von zwei Fußpaaren im Sand, dann wieder nur von
einem Paar.
Das verwirrte mich, denn ich stellte fest, daß immer dann,
wenn ich unter Angst, Sorge oder dem Gefühl des Versa-
gens litt, nur die Abdrücke von einem Fußpaar zu sehen
waren. Deshalb wandte ich mich an den Herrn: "Du hast
mir versprochen, Herr, du würdest immer mit mir gehen,
wenn ich dir nur folgen würde. Ich habe aber festgestellt,
daß gerade in den Zeiten meiner schwierigsten Lebensla-
gen nur ein Fußpaar im Sand zu sehen war. Wenn ich dich
nun am dringendsten brauchte, warum warst du dann
nicht für mich da?
Da antwortete der Herr: "Immer dann, wenn du nur ein
Fußpaar im Sand gesehen hast, mein Kind, habe ich dich
getragen."
Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 23. März 2012, 11:06:31
ZUVERSICHT


Nichts soll dich ängstigen,
nichts dich erschrecken.
Alles vergeht.
Gott bleibt derselbe.

Teresa von Avila  ;qfykkg


 ;mloda

Sei nur stille zu Gott, meine Seele; denn er ist meine Hoff-
nung. Er ist mein Fels, meine Hilfe und mein Schutz, daß
ich nicht fallen werde. Bei Gott ist mein Heil und meine Eh-
re, der Fels meiner Stärke, meine Zuversicht ist bei Gott.
Hoffet auf ihn alle Zeit, liebe Leute, schüttet euer Herz vor
ihm aus; Gott ist unsere Zuversicht.

Psalm 62,6-9  ;qfykkg


In jeder Nacht, die mich umfängt,
darf ich in deine Arme fallen.
Und du, der nichts als Liebe denkt,
wachst über mir, wachst über allen.
Du birgst mich in der Finsternis,
dein Wort bleibt noch im Tod gewiß.

Jochen Klepper


Man kann in dieser Welt, wie sie ist,
nur dann weiterleben,
wenn man zutiefst glaubt,
daß sie nicht so bleibt,
sondern werden wird,
wie sie sein soll.

Carl Friedrich von Weizsäcker


Es kommt die Zeit,
in der die Träume sich erfüllen:
wenn Friede und Freude
und Gerechtigkeit
die Kreatur erlöst.
Dann gehen Gott und die Menschen
Hand in Hand.

Gerhard Schnath




Titel: Re:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 24. März 2012, 10:11:31
GLÜCKLICH


Die wahren Lebenskünstler sind bereits glücklich,
wenn sie nicht unglücklich sind.

Jean Anouilh


Manchmal, da fallen mir die Bilder ein
von einem Stück Brot in verstümmelten Händen,
von einer Alten, die sie allein
hervorzerren unter berstenden Wänden.
Vor verbrannten Gesichtern, in Händen vergraben:
Manchmal schäm ich mich,
trotz allem so glücklich zu sein!

Reinhard Mey


Am Ende der Tage wird es geschehen:
Der Berg mit dem Haus des Herrn
steht fest gegründet als höchster der Berge;
er überragt alle Hügel.
Zu ihm strömen die Völker.
Viele Nationen machen sich auf den Weg.
Sie sagen:
Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn
und zum Haus des Gottes Jakobs.
Er zeige uns seine Wege,
auf seinen Pfaden wollen wir gehen.
Denn von Zion kommt die Weisung,
aus Jerusalem kommt das Wort des Herrn.
Er spricht Recht im Streit vieler Völker,
er weist mächtige Nationen zurecht.
Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern
und Winzermesser aus ihren Lanzen.
Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk,
und übt nicht mehr für den Krieg.
Jeder sitzt unter seinem Weinstock
und unter seinem Feigenbaum,
und niemand schreckt ihn auf.
Ja, der Mund des Herrn der Heere hat gesprochen.

Micha 4,1 -4
Titel: Re: FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 25. März 2012, 12:23:19
SICH WAHRNEHMEN


Siehe zuerst, was du bist und was du hast
und was du kannst und weißt,
ehe du bedenkst, was du nicht bist,
nicht hast, nicht weißt und nicht kannst.

Johann Caspar Lavater


Ich bin ein Mensch; doch bild ich mir nicht ein,
ich könnt im Dunkeln besser sehn als Eulen,
ich könnte lauter als die Wölfe heulen
und könnte stärker als ein Löwe sein.
Ich bin ein Mensch; doch glaub ich nicht, ich sei
so glücklich wie Delphine, wenn sie springen,
so selig wie die Meisen, wenn sie singen,
auch nicht so schnurrig wie ein Papagei.
Doch bin ich Mensch in ganz besondrem Sinn.
Wenn Tiere schnurrig sind, verspielt und heiter,
dann sind sie schnurrig, heiter und nichts weiter.
Ich aber weiß es, wenn ich glücklich bin.
Was Tiere sind, das sind und bleiben sie.
Ein Wolf bleibt Wolf. Ein Löwe bleibt ein Löwe.
Doch ich kann alles sein, Delphin und Möwe.
Ich bin ein Mensch. Ich habe Phantasie.

James Krüss


Wissen Sie, daß das mit der Angst, sich selbst zu begegnen,
verbreiteter ist, als man so annimmt? Wenn Sie bemerken,
daß Sie total in Ihr Leben eingespannt sind und ihm nicht
mehr entrinnen können, daß Ihr Tag nur noch Hast und Streß
ist und Ihnen keinen Augenblick mehr für irgendetwas oder
irgendjemanden läßt, daß die vierundzwanzig Stunden des
Tages nicht mehr reichen und zwölf weitere notwendig
wären, daß Sie gereizt und elektrisch geladen sind, so daß
die Funken sprühen und die Menschen um Sie herum
Schocks abbekommen, dann ist es dringend an der Zeit,
sich um ein Treffen mit sich selbst zu bemühen.

Heider Camara


Vor Angst schrie ich auf: "Ich bin verloren! Ich bin schuldig
und unwürdig, von Gott zu reden, genauso wie das Volk, in
dem ich lebe. Und ich habe den König gesehen, den Herrn
der ganzen Welt!" Da kam einer der mächtigen Engel zu mir
geflogen. Er hatte eine glühende Kohle, die er mit der Zange
vom Altar genommen hatte. Damit berührte er meinen
Mund und sagte: "Die Glut hat deine Lippen berührt. Jetzt
bist du von deiner Schuld befreit, deine Sünde ist dir ver-
geben." Dann hörte ich, wie der Herr sagte: "Wen soll ich sen-
den? Wer ist bereit, unser Bote zu sein? "Ich antwortete: "Ich
bin bereit, sende mich!"

Jesaja 6,5-8


Immer alle Hände voll zu tun.
So kann die Stille mir nicht zeigen,
daß mir Freunde fehlen.
Den Kopf voll nüchterner Probleme.
So läßt die Sehnsucht mich nicht spüren,
daß mir Liebe fehlt.
Den Bauch voller Hektik.
So ist kein Platz für Zweifel,
ob ich mir selbst nicht fehle.
So voll und doch so dumpf und leer.

Jochen Mariss


Erst als das Davonrennen schlimmer war
als das, wovor ich davonrannte,
konnte ich einmal stehenbleiben.
Ich sah mich um:
Da stand ich mir gegenüber.

Hans-Curt Flemming
Titel: Re: FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 26. März 2012, 12:14:08
SICH ERINNERN

Man muß in die Tiefe steigen,
um den Garten der Kindheit wiederzufinden.

Marcel Proust


Ich war elf, und später wurde ich sechzehn.
Verdienste erwarb ich mir keine,
aber das waren die wunderbaren Jahre.

Truman Capote


Der Nährboden der Seele ist das natürliche Leben. Wer die-
ses nicht begleitet, bleibt in der Luft hängen und erstarrt.
Darum verholzen so viele Menschen im reifen Alter, sie
schauen zurück und klammern sich an die Vergangenheit
mit geheimer Todesfurcht im Herzen. Sie entziehen sich
dem Lebensprozeß wenigstens psychologisch und bleiben
darum als Erinnerungssalzsäulen stehen, die sich zwar noch
lebhaft an ihre Jugendzeit zurückerinnern, aber kein leben-
diges Verhältnis zur Gegenwart finden können. Von der
Lebensmitte an bleibt nur der lebendig, der mit dem Leben
sterben will.

Carl Gustav Jung


(http://up.picr.de/9947221lxv.jpg)




Als Jesus mit den zwei Jüngern bei Tisch war, nahm er das
Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen.
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn; dann
sahen sie ihn nicht mehr. Und sie sagten zueinander:
Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit
uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloß? Noch in
derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusa-
lem zurück, und sie fanden die Elf und die anderen Jünger
versammelt. Diese sagten: Der Herr ist wirklich auferstan-
den und ist dem Simon erschienen. Da erzählten auch sie,
was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als
er das Brot brach.

Lukas 24,30-35
Titel: Re: FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 27. März 2012, 18:35:07
SICH SEHNEN


Alles beginnt mit der Sehnsucht.

Nelly Sachs


Die Sonne scheint, der Himmel ist tiefblau, es weht ein herr-
licher Wind, und ich habe solche Sehnsucht. Ich sehne mich
nach allem, nach Freiheit, nach Freunden. Ich sehne mich
danach, mich aussprechen zu können und allein zu sein. Ich
möchte meinem Herzen Luft machen und weiß, es würde
besser werden, wenn ich weinen könnte, aber ich weiß
auch, ich kann es nicht. Ich bin unruhig, laufe von einem
Zimmer ins andere, stehe am geschlossenen Fenster und
möchte die Luft von draußen durch die Ritzen atmen, fühle
mein Herz klopfen, als ob es sagte: Stille doch endlich
meine Sehnsucht. Ich glaube, daß es der Frühling ist, ich
fühle ihn in meinem ganzen Körper und in meiner Seele. Ich
muß mich zwingen, ruhig zu bleiben, ich bin total durch-
einander. Ich weiß nur, daß ich mich nach etwas sehne.

Anne Frank


Draußen war es ein unsäglicher Abend. Ich ging. Ich ging in
der Richtung einer Sehnsucht, die weiter nicht nennens-
wert ist, da sie doch, wir wissen es und lächeln, alljährlich
wiederkommt, eine Sache der Jahreszeit, ein märzliches
Heimweh nach neuen Menschen, denen man selber noch
einmal neu wäre, so, daß es sich auf eine wohlige Weise
lohnte, zu reden, zu denken über viele Dinge, ja, sich zu
begeistern, Heimweh nach ersten langen Gesprächen mit
einer fremden Frau. Oh, so hinauszuwandern in eine Nacht,
um keine Grenzen bekümmert!

Max Frisch


Ich warte sehnsuchtsvoll auf deine Hilfe, denn ich verlasse
mich auf dein Versprechen. Ich schaue mir die Augen
danach aus. Herr, wann löst du es ein und tröstest mich? Ich
schrumpfe wie ein Weinschlauch, der im Rauch hängt; doch
deine Regeln will ich nie vergessen. Wie lange, Herr, willst du
mich warten lassen? Wann trifft dein Urteil die, die mich ver-
folgen? In Gruben wollen mich die Feinde fangen, sie, die
vermessen dein Gesetz mißachten. Was du befiehlst, Herr,
darauf ist Verlaß. Doch sie verfolgen mich zu Unrecht; hilf
mir! Fast hätten sie mich hier im Land getötet; doch ich ver-
lasse deine Ordnung nicht. Durch deine Güte laß mich wei-
terleben, damit ich deine Weisungen befolge!

Psalm 119,81-88
Titel: Re: FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: Gine am 27. März 2012, 22:17:23
Regen Gedicht
 ;fckj2
   
(von Christian Parisius )

Regentropfen nehmen deine Tränen mit
küssen und sie streicheln dich
berühren auch das Herz
wie der Wind und sanfter Schmerz
   
Liebevoll im Sonnenstrahl
funkeln diese Tropfen
geben dir Geborgenheit

und eine kleine Zärtlichkeit

 ;qfykkg
Titel: Re: FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 28. März 2012, 21:18:31
Danke, liebe Gine, für das sehr schöne Gedicht. Ich mag den Regen! Ich mag den Regentropfen, denn in ihm ist Wahrheit -

Ich wünsche Dir Gesundhdeit und Gottes Segen.

Herzliche Grüße, Amos :)
Titel: Re: FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 28. März 2012, 21:44:41
SICH TRAUEN


Man lernt das Matrosenleben
nicht durch Übungen in einer Pfütze.

Franz Kafka


Gott, laß uns entdecken,
wo der Grund unserer Angst liegt -
aufzubrechen und etwas Neues zu wagen,
zu sagen, was an der Zeit ist,
mit dem zu beginnen,
wovon wir längst wissen: Wir wollen es tun,
zu lieben auch ohne Netz und doppelten Boden.
Du mußt uns anrühren, Gott,
damit uns die Augen aufgehen für die Fülle des Lebens.
Du mußt uns anreden und Mut machen,
damit wir uns trauen, unserer Sehnsucht zu folgen
nach einem Menschen wie Jesus, verborgen in uns.

                               ***


Nur das Schwierige reizt mich. Wahrscheinlich ist es das,
was die Leute an mir für verrückt halten. Diese Leute, die es
so mit der Wirklichkeit haben. Sie tun so, als ob das ein
sicheres Ufer wäre, von dem man sich nur ja nicht entfernen
darf, sonst ersäuft man. Aber man muß sich doch mal ins
Wasser trauen oder ins Feuer. Und die Angst, die muß man
überwinden. Wenn die Leute wüßten, wie es manchmal in
mir ausschaut! Ich will eigentlich immer weg vom sicheren
Ufer, ich möchte alles ausprobieren. Die Wirklichkeit ist kein
Maßstab für mich, ich halte mich lieber an meinen inneren
Traum.


                                      ***


Niemand soll dich wegen deiner Jugend geringschätzen.
Sei den Gläubigen ein Vorbild in deinen Worten, in deinem
Lebenswandel, in der Liebe, im Glauben, in der Lauterkeit.
Lies ihnen eifrig aus der Schrift vor, ermahne und belehre
sie, bis ich komme. Vernachlässige die Gnade nicht, die in
dir ist und die dir verliehen wurde, als dir die Ältesten auf-
grund prophetischer Worte gemeinsam die Hände auf-
legten. Dafür sollst du sorgen, darin sollst du leben, damit
allen deine Fortschritte offenbar werden. Achte auf dich
selbst und auf die Lehre; halte daran fest! Wenn du das
tust, rettest du dich und alle, die auf dich hören.

1. Timotheus 4,12-16


 
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 17. August 2013, 11:28:42
PARTNERSCHAFT

Nur in der Gemeinschaft stehend können wir allein sein,
und nur wer allein ist, kann in der Gemeinschaft leben.

Dietrich Bonhoeffer


Es kann nur um den Versuch gehen, Formen des gesellschaftlichen Lebens im Miteinander zu finden, in denen die Beziehungslosigkeit überwunden wird, ohne daß die persönliche Identität verloren geht.

Alexander Mitscherlich




Wir müssen zwei voneinander untrennbare Hauptprobleme lösen: das ökonomische Problem, wie wir das zum Leben Notwendige produzieren und verteilen, und das politische Problem, wie wir diejenigen auswählen, die uns regieren und wie wir sie daran hindern, ihre Macht in ihrem eigenen Interesse oder in dem ihrer Klasse oder Religion zu mißbrauchen.

Georg Bernhard Shaw


Wer ist denn schon Apollos oder Paulus, daß ihr euch deshalb streitet? Wir sind doch nur Diener Gottes, durch die ihr zum Glauben gekommen seid. Jeder von uns hat lediglich getan, was ihm von Gott aufgetragen wurde. Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, aber Gott hat euern Glauben wachsen lassen. Es ist nicht so wichtig, wer pflanzt und wer begießt; wichtiger ist allein Gott, der euern Glauben wachsen läßt. Von Gottes Mitarbeitern ist einer so notwendig wie der andere, ob er nun das Werk beginnt oder weiterführt.
Jeder muß darauf achten, daß er wirklich sorgfältig arbeitet.

1. Korinther 3,5-11




Albert Einstein wurde am Nachmittag oft von einem Mädchen aus der Nachbarschaft besucht. Die Mutter des Kindes entschuldigte sich eines Tages bei dem Nobelpreisträger wegen der Belästigung, wie sie meinte, aber der erwiderte freundlich: "Keine Ursache, wir verstehen uns ausgezeichnet. Ich schätze es, daß sie mir saure Drops mitbringt, und sie schätzt es, daß ich ihre Mathematikaufgaben mache."


Ein Blinder und ein Lahmer wurden von einem Waldbrand überrascht. Sie gerieten in schreckliche Not und bangten um ihr Leben. Beide hatten panische Angst vor dem Feuer. Der Blinde rannte in seiner Verzweiflung direkt auf den Brandherd zu. Da schrie ihm der Lahme nach: "Halt! bleib stehen! Du rennst ja mitten ins Verderben. Ich könnte dir den Weg zeigen, der dir Rettung bringt. Da ich aber lahm bin, ist das nur möglich, wenn du mich auf deine Schultern hebst und mich trägst. Dann kann ich dir besser zeigen, wohin du eilen mußt, um dem Feuer zu entkommen. Ich könnte dir auch helfen, Schlangen und Dornenhecken auszuweichen." Der Blinde folgte dem Rat des Lahmen, nahm ihn auf seine Schultern und so flohen sie gemeinsam vor dem Feuer.


Herr, hilf uns, unsere Waffen abzulegen:
die scharfen Worte, die bösen Blicke,
die verletzende Sprache, die giftigen Angriffe,
die lähmende Überheblichkeit, das erdrückende Kraftprotzen,
die atemberaubenden Frechheiten, den beißenden Spott
und all das, womit wir sonst den täglichen Kleinkrieg führen.
Herr, gib deinen Frieden hinein in unsere Sprache,
in unsere Blicke, in unsere Hände und Füße,
in unseren Intellekt, in unsere Phantasie,
in unser Herz. Amen.

Ruth Rau

Anmerkung: Herr, erhöre mein Gebet ...

Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 24. August 2013, 08:57:39
GESCHENK

Ich habe auch Durst, sagte der kleine Prinz, suchen wir einen Brunnen. Ich machte eine Gebärde der Hoffnungslosigkeit: Es ist sinnlos, auf gut Glück in der Endlosigkeit der Wüste einen Brunnen zu suchen. Dennoch machten wir uns auf den Weg. Während ich so mit ihm weiterging, entdeckte ich bei Tagesanbruch den Brunnen. Ich habe Durst nach diesem Wasser, sagte der kleine Prinz, gib mir zu trinken. Ich verstand, was er gesucht hatte. Ich hob den Kübel an seine Lippen. Er trank mit geschlossenen Augen. Das war süß wie ein Fest. Dieses Wasser war etwas ganz anderes als ein Trunk. Es war entsprungen aus dem Marsch unter den Sternen. Es war gut fürs Herz, wie ein Geschenk.

Antoine de Saint-Exupéry
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 24. August 2013, 09:02:30
Ein König sollte folgendes Urteil unterschreiben: "Gnade unmöglich, im Gefängnis lassen!" Ihm kam das Urteil zu hart vor, weil er an die Zukunft des Mannes und seiner Familie dachte. Er änderte das Urteil um: "Gnade, unmöglich im Gefängnis lassen!" Durch eine Kommaverschiebung wurde der Mann freigelassen.


Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 24. August 2013, 09:09:50
Petrus und Johannes gingen hinauf in den Tempel. Und es wurde ein Mann herbeigetragen, lahm von Mutterleibe; den setzte man täglich vor die Tür des Tempels, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen. Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen. Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! Und er sah sie an und wartete darauf, daß er etwas von ihnen empfinge.
Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher!

Apostelgeschichte 3,1-6
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 31. August 2013, 11:49:00
AUFERSTEHUNG

Vielen genügt es, die Auferstehung Jesu Christi in den Büchern stehen zu lassen, aber sie machen nichts daraus für ihr Leben.

Christoph Blumhardt


Ach, fragt nicht nach der Auferstehung,
 ein Märchen aus uralten Zeiten.
Das kommt dir schnell aus dem Sinn.
Ich höre denen zu,
die mich austrocknen und kleinmachen,
ich richte mich ein
auf die langsame Gewöhnung ans Totsein
in der geheizten Wohnung,
den großen Stein vor der Tür.
Ach, frag du mich nach der Auferstehung!
Ach, hör nicht auf, mich zu fragen!

Dorothee Sölle


Jesus sagte zu Marta: Dein Bruder wird auferstehen. Marta sagte zu ihm: Ich weiß, daß er auferstehen wird bei der Auferstehung am Letzten Tag. Jesus erwiderte ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das? Marta antwortete ihm: Ja, Herr, ich glaube, daß du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.

Johannes 11,23-27


Unsere christliche Existenz besteht darin, daß wir ständig das Ostergeheimnis leben: kleine Tode, einer nach dem anderen, gefolgt von Ansätzen einer Auferstehung. Hier liegt der Ursprung des Festes. Von nun an stehen alle Wege offen.

Frére Roger


Manchmal feiern wir mitten im Streit
ein Fest der Auferstehung.
Waffen werden umgeschmiedet,
und ein Friede ist da.

Alois Albrecht


Der Mensch, das Leben, die Welt werden gelingen,
wenn sie jeden Tag durchdrungen werden
von der Liebe Jesu Christi.
Schon heute werden sie verwandelt sein,
morgen werden sie auferstehen.

Michel Quoist
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 07. September 2013, 11:10:37
JUBEL

Dort werden wir schauen, schauen und lieben,
am Ende lieben und loben ohne Ende.

Augustinus


Ein ganz gewöhnlicher Abend,
wie Abende eben so sind.
Und doch ist da etwas Besondres,
ein seltsames Flüstern im Wind.

Ich sitze und lausche den Grillen
und öffne die Augen, den Mund.
Trink mich an all den Gerüchen,
Geräuschen und Farben gesund.

Und laufe hinaus in die Heide
und werf mich der Länge nach hin.
Ich möchte jubeln und schreien
und danken dafür, daß ich bin.

Ingo Barz


Jauchzt vor Gott, alle Länder der Erde!
Spielt zum Ruhm seines Namens!
Verherrlicht ihn mit Lobpreis!
Sagt zu Gott:
"Wie ehrfurchtgebietend sind deine Taten;
vor deiner gewaltigen Macht
müssen die Feinde sich beugen."
Alle Welt bete dich an und singe dein Lob,
sie lobsinge deinem Namen!
Kommt und seht die Taten Gottes!
Staunenswert ist sein Tun an den Menschen:
Er verwandelte das Meer in trockenes Land,
sie schritten zu Fuß durch den Strom;
dort waren wir über ihn voll Freude.
In seiner Kraft ist er Herrscher auf ewig;
seine Augen prüfen die Völker.
Die Trotzigen können sich gegen ihn nicht erheben.
Preist unseren Gott, ihr Völker;
laßt laut sein Lob erschallen!
Er hielt uns am Leben
und ließ unseren Fuß nicht wanken.
Du hast, o Gott, uns geprüft,
und uns geläutert, wie man Silber läutert.
Du brachtest uns in schwere Bedrängnis
und legtest uns eine drückende Last auf die Schulter.
Du ließest Menschen über unsere Köpfe schreiten.
Wir gingen durch Feuer und Wasser.
Doch du hast uns in die Freiheit hinausgeführt.

Psalm 66, 1-12
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 13. September 2013, 12:18:06
BETRACHTEN

In der Hoffnung, den Mond zu erreichen,
vergißt der Mensch, die Blumen zu betrachten,
die zu seinen Füßen blühen.

Albert Schweitzer


In einer der üblichen
Konferenzen, die irgendeine
mehr oder minder bedeutsame
Institution aus welchen Gründen
auch immer für wichtig erachtet
und wo sich - alles in allem -
nicht einmal gar nichts bewegt,

kroch mir, wie ich da saß, ein
Marienkäferchen über den Ärmel,
wagte sich dann hinab auf den
Tisch und entschloß sich sogar,
dort ein Papier (eine riesige
Fläche für dieses winzige Wesen)
zu überqueren. Schwarz und rot,
somit selber gepunktet, lief es
hinweg über sämtliche Punkte
der Tagesordnung, ohne denselben
weiter Beachtung zu schenken.

Käferchen, denk' ich, liebes
Mariechen, wie schön, daß du
lebst, und ich darf es wohl auch:
leben, mein' ich, trotz allem.
Doch schau: Jetzt entfaltet's
zur Probe die Flügel, und
schon fliegt's davon, dieses
winzige Wunder des Lebens an
diesem ganz gewöhnlichen Tag.

Lothar Zenetti


Ein Mensch wird "Pessimist" geschmäht,
der düster in die Zukunft späht.
Doch scheint dies Urteil wohl zu hart:
Die Zukunft ists, die düster starrt.

Eugen Roth


Ein Philosoph fragt den heiligen Antonius: "Vater, woher nehmt Ihr die Begeisterung, da Euch der Trost aus Büchern versagt ist?" Er antwortete: "Mein Buch ist die Natur der geschaffenen Dinge, und sooft ich das Wort Gotes lesen will, habe ich es unmittelbar vor Augen."

Weisheit christlicher Wüstenmönche


Man kann einen seligen, seligsten Tag haben, ohne etwas
anderes dazu zu gebrauchen als blauen Himmel und grüne
Frühlingserde.

Jean Paul
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 20. September 2013, 17:11:54
BEUNRUHIGEN

Die Tragödie des Menschen besteht nicht darin, daß er im Grunde immer weniger über den Sinn des eigenen Lebens weiß, sondern daß ihn das immer weniger beunruhigt.

Václav Havel


In den Bunkern tief unter dem Pfälzer Wald
Atomköpfe.
Umweltfreundliche Verpackung.

Burkhard Jahn


Der Tod ist kein Reiter auf schwarzem Pferd
und nicht mehr das alte Gerippe.
Er braucht keine Geißel, er schwingt kein Schwert,
er trägt nicht Kapuze noch Hippe.
Der Tod fährt im Auto bei leiser Musik,
wenn draußen die Nebel brauen.
Er blickt auf die Uhr und lehnt sich zurück:
Er kann seinem Zeitplan vertrauen.
Der Tod liegt als Glocke über der Stadt
als Smog und giftigen Gasen.
Du siehst an den Bäumen kein grünes Blatt,
und die Blume vergilbt auf dem Rasen.
Der Tod gibt sich gerne für fortschrittlich aus:
Wenn wir glauben, es ginge uns besser,
kocht er im Labor seine Süppchen aus
und schüttet sie in die Gewässer.
Wohin wir auch rennen, der Tod ist schon da,
wie die Igel den Hasen jagen.
Und wer's noch nicht hörte, und wer's noch nicht sah:
Die Fische können's ihm sagen.

Michael Ende


"Du bist nicht schnell genug! Er arbeitet exakter.
Du hast einmal im Jahr die Grippe.
Er ist garantiert zwei Jahre wartungsfrei.
Du gehst nach 8 Stunden nach Hause.
Er kann Tag und Nacht arbeiten.
Du störst einfach den Produktionsprozeß!"
sagte mein Chef - und -
schaltete den neuen Kollegen
mit einem Knopfdruck an!

Karl-Heinz Stoll


Als der Kirchturmhahn
sein jahrelanges Schweigen
unterbrach und plötzlich
krähte,
staunten die Leute:
Nanu, was soll das?
Als er zum drittenmal krähte,
waren sie's gewohnt.

Rudolf Otto Wiemer
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 27. September 2013, 16:30:03
GESTALTEN

Wir suchen den Zeitpunkt nicht aus,
zu dem wir die Welt betreten,
aber gestalten können wir sie.

Gioconda Belli


Der Geist, der die Erde gestaltet, ist der gleiche,
der durch uns Kunstwerke schafft.


Jetzt aber, in der Zeit des kargen Brotes und des gestörten
Lebens bedroht uns unsere eigene Stummheit. Wir müssen
uns selber ein Gesicht und eine Gestalt geben, indem wir jede
und jeder für sich und öffentlich bekunden, wer wir sind und
worauf wir vertrauen. Gebet, Gottesdienst, Bibellesen, den
Tag und das Jahr mit den Zeichen unserer Hoffnung markie-
ren - das ist unerläßlich in einer Zeit, in der das Brot der Hoff-
nung knapp ist.

Fulbert Steffensky


Wer gestern ein Schuft war, kann heute sich ändern.
Wer gestern versagt hat, kann heute was tun.
Wer gestern geschwiegen, schreit heute von den Dächern.
Wer gestern schon tot war, lebt heute durch sein Wort.

Kurtmartin Magiera


In gewissem Grad sind wir wirklich das Wesen, das die
andern in uns hineinsehen, Freunde wie Feinde. Und umge-
kehrt! Auch wir sind die Verfasser der andern; wir sind auf
eine heimliche und unentrinnbare Weise verantwortlich für
das Gesicht, das sie uns zeigen, verantwortlich nicht für ihre
Anlage, aber für die Ausschöpfung dieser Anlage.

Max Frisch


Wer seine Person gestaltet, dessen Leben wird wahr.
Wer die Welt gestaltet, dessen Leben wird weit.

Laotse


Eine winzig kleine Blume von irgendeinem wilden
Wegrain, die Schale einer kleinen Muschel am Strand, die
Feder eines Vogels - das alles verkündet dir, daß der Schöpfer
ein Künstler ist.

Tertullian
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 12. März 2014, 12:30:55
ERDE

Wir sind ein Teil dieser Erde,
und sie ist ein Teil von uns.

Indianisches Sprichwort



Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, unsere
Mutter Erde:
die uns ernährt und erhält,
die vielerlei Früchte hervorbringt,
bunte Blumen und Gräser.

Franziskus von Assisi



Die Erde ist des Herrn. Er gibt sie uns zum Wohnen.
Es wird auf dieser Erde gut,
wenn wir verzichten und den Mut
uns nehmen, sie zu schonen,
daß Wald und Vieh nicht weiter stirbt,
daß Luft und Meer nicht mehr verdirbt
und noch gerettet werde. So kommt Gott auf die Erde.

Die Erde ist des Herrn. Er gibt sie uns zum Hoffen.
Trotz aller schlimmen, bösen Zeit
voll Hunger, Haß und Krieg und Leid
steht uns der Himmel offen,
weil Gott in Jesus uns erscheint
und menschlich sich mit uns vereint,
daß neue Zukunft werde. So kommt Gott auf die Erde.

Dieter Stork



Schaffe in mir Gott ein herz ohne angst
ist nicht die erde dageblieben unter der Eiszeit
konnte sie auch emigrieren
ist sie geblieben hat sie gewartet

Ich möchte daß meine liebe wächst
wie die erde unter dem eis
die sich bewegt und dort bleibt
die sich zurücknimmt und kleinmacht
und bleibt
länger als jeder winter

Es wird kälter wenn du allein für dich ißt
wenn du allein trinkst!
wenn du dich zudeckst
mit trauer

Schaffe in mir Gott die erde

Dorothee Sölle



Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis
und seine Bewohner. Denn er hat ihn auf Meere gegründet,
ihn über Ströme befestigt.

Psalm 24,12



Wir alle müssen lernen, uns als Teil dieser Erde zu sehen,
nicht als einen Feind, der von außen kommt und ihr seinen
Willen aufzuzwingen sucht. Wir wissen auch, daß wir als
lebendiger Teil dieser Erde ihr nicht Gewalt antun können,
ohne uns selber zu verletzen.

Lame Deer
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 14. März 2014, 16:26:03
WASSER

Weich ist stärker als hart,
Wasser stärker als Fels,
Liebe stärker als Gewalt.

Hermann Hesse



Vertrauen ist wie Wasser, das Schiffe trägt,
das den Schmutz auflöst, das Durstige erfrischt,
das Wüsten zu Oasen macht, das Felsen aushöhlt,
das sich in Stauseen sammelt,
das Kraftwerke speist und Strom erzeugt,
das sich bewegt, vertrocknet
und wieder als Regen zurückkommt.

Josef Dirnbeck/Martin Gutl



Wir möchten nicht, daß unsere Kinder
mit allen Wassern gewaschen sind.
Wir möchten, daß sie
mit dem Wasser der Gerechtigkeit,
mit dem Wasser der Barmherzigkeit,
mit dem Wasser der Liebe und des Friedens
reingewaschen werden.
Wir möchten, daß unsere Kinder
mit dem Wasser des christlichen Geistes
gewaschen, übergossen, beeinflußt,
getauft werden.



Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Wasser:
wie nützlich ist es,
einfach, wertvoll und rein.

Franziskus von Assisi



Habt Mut, fürchtet euch nicht! Seht, hier ist euer Gott! In der
Wüste brechen Quellen hervor, und Bäche fließen in der
Steppe. Der glühende Sand wird zum Teich und das durstige
Land zu sprudelnden Quellen.

Jesaja 35, 4-7 (in Auswahl)



Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
er voll der Marmorschale Rund,
die, sich verschleiernd, überfließt
in einer zweiten Schale Grund.
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
der dritten wallend ihre Flut.
Und jede nimmt und gibt zugleich
und strömt und ruht.

Conrad Ferdinand Meyer
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 15. März 2014, 16:01:35
LUFT

Von Luft und Liebe leben -
Sie werden lachen, das geht.
Ziemlich lange sogar.



Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Wind, durch Luft,
durch bewölktes und heiteres und jegliches Wetter:
damit erhältst du deine Geschöpfe am Leben.

Franziskus von Assisi



Über Nacht war Regen gefallen, und nun wandern Wolken
über den Himmel - ab und zu sprüht Nässe herab. Ich stehe
unter einem Apfelbaum, der zu verblühen beginnt, und
atme.
Nicht allein der Apfelbaum, sondern auch die Gräser rings-
umher haben die Feutigkeit des Regens aufgesogen -
kein Name läßt sich finden für jenen süßen Duft, der die Luft
erfüllt. Ich sauge ihn ein mit der vollen Kraft meiner Lunge,
und meine ganze Brust spürt den Wohlgeruch. Ich atme,
atme - einmal mit offenen Augen, dann wieder mit
geschlossenen Augen. Ich weiß nicht zu sagen, was schöner
ist.
Dies ist wohl jene einzigartige, allerkostbarste Freiheit,
deren uns das Gefängnis beraubt, so zu atmen, hier zu
atmen. Keine Speise dieser Erde, kein Wein erscheint mir
süßer als diese Luft - diese Luft, gesättigt von Blühen,
Feuchtigkeit, Frische. Ist es auch nur ein winziges Gärtchen,
eingezwängt zwischen den Käfigen fünfstöckiger Häuser.
Das Knattern der Motorräder, das Geheul der Plattenspieler,
das Getrommel der Lautsprecher entschwinden meinem
Bewußtsein.
Solange man noch unter einem Apfelbaum nach dem
Regen atmen kann - so lange läßt es sich leben.

Alexander Solschenizyn



Ich setzte den Fuß in die Luft
und sie trug.

Hilde Domin



Horch auf die Luft! Du kannst sie hören, sie spüren, sie rie-
chen und schmecken, die heilige Luft, die alles mit ihrem
Atem erneuert. Wir sitzen nebeneinander, wir berühren uns
nicht, aber etwas ist da; wir fühlen, daß etwas in unserer
Mitte gegenwärtig ist. Wir reden mit den Flüssen, den Seen
und den Winden wie mit unseren Verwandten.

Lame Deer



Die Luft ist ihnen allen ausgegangen,
vor Schreck fällt keinem etwas Rechtes ein.
Soll ich nun weiterwarten, weil sie schweigen?
Sie stehen da und wissen nichts zu sagen.
Jetzt ist's an mir, die Antwort zu erteilen
und offen darzulegen, was ich weiß.
Mein Herz ist randvoll angefüllt mit Worten,
der Gottesgeist in mir drängt mich zu reden.
Es gärt in mir wie eingeschlossener Wein;
wenn ich nicht reden darf, dann platze ich!
Ich halt es nicht mehr aus, es muß heraus,
damit ich endlich wieder Luft bekomme!

Hiob 32, 15-20

Die Luft sagt
ich bin Luft
Alles was atmet
atmet mich ein und aus
gehört mir
Ich gehöre
euch
eine Weile

Rose Ausländer
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 02. April 2014, 16:48:40
Feuer





 Feuer, das den Leib erwärmt, kann ihn auch verbrennen.

 Afrikanisches Sprichwort



 Gelobt seist du, mein Herr,
 durch Bruder Feuer,
 durch den du uns die Nacht erhellst:
 schön ist er, freundlich,
 gewaltig und stark.

 Franziskus von Assisi


 Dies Haus stand in Gottes Hand
 und ist dreimal abgebrannt.
 Das vierte Mal ist's wieder aufgebaut
 und dem heiligen Florian anvertraut.

 Türspruch aus Tirol



 Es gibt Menschen, in denen lebt, je älter sie werden, eine
 tiefe, unbezweifelbare Leidenschaft, die alle, die ihnen
 begegnen, in den Bann zieht und ansteckt. Sie strahlen eine
 Offenheit und Neugier fürs Leben aus, die auch Junge
 belebt und beflügelt. Sie sind imstande, die Glut des Wider-
spruchs gegen alle Zustände anzufachen, unter denen der
 Mensch ein ängstliches, geknechtetes, verächtliches
 Wesen ist. Sie sind auf unerhörte Weise frei von der Tyrannei
 des Besitzes, der Privilegien ihres Standes und ihrer Klasse,
 der herrschenden Vorurteile. Sie verkörpern die unbezwing-
bare Sehnsucht nach Freiheit und Gerechtigkeit, die in
 anderen längst unter der Asche von Anpassung und Bequem-
lichkeit erstickt ist.
 Wir brauchen solche Menschen, denn sie halten die Hoff-
 nung wach, daß das Feuer des Geistes, des Kampfes und
 der Liebe die Welt in dem Maß zu verwandeln vermag, wie
 wir die Angst verlieren, uns daran zu verbrennen.

Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 09. April 2014, 12:19:22
WÜSTE

Das Auge sieht nur Sand,
das Herz das Ende der Wüste.


Geh durch die Wüste in deinem Leben -
du vermagst nicht
sie zu bewässern und fruchtbar zu machen
den Sand und die Steine bringt ein Anderer
zum Blühen.
Halte dich bereit für die Freude für das Leben
wenn der Dornbusch brennt.

Margot Bickel


Ich liebe die Wüste in ihrer Weite. Ich liebe sie
selbst, wo sie baumlos und braun und verdorrt ist,
weil in ihr die Verheißung beschlossen liegt, daß
sie blühen wird, nachdem der Winterregen die
Wadis in reißende Ströme verwandelt und die No-
maden aus den Tälern auf die Höhen hinaufge-
jagt hat. Ich liebe dieses schnelle Geschehen, das
die Saat in der grauen Lößerde zu grünen Tep-
pichen anschwellen läßt. Ich liebe diese plötzliche,
niemals zu fassende, überbordende Fruchtbarkeit,
das Wunder, an das zu glauben, einem immer so
schwerfällt und das sich in jedem Jahr wieder voll-
zieht.

Dagmar Nick
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 14. April 2014, 14:42:52
BERG




Wer nicht dann und wann auf einen hohen Berg steigt,

lernt die Ebene nicht kennen.




Chinesisches Sprichwort







Was an dir Berg war

haben sie geschleift

Und dein Tal

schüttete man zu

Über dich führt

ein bequemer Weg




Bertolt Brecht







Ich lebe hier auf einem sehr hohen Berg, lieber Alfred Seba-

stian. Was man so leben nennt, das ist weit unten, in ver-

schwommener und verworrener Schwärze. Hier oben tref-

fen sich die menschliche und göttliche Einsamkeit zu ern-

ster Zwiesprache. Man muß helle Augen haben, sonst hält

man das Licht hier nicht aus. Man muß schwindelfrei sein,

der einsamen, schmalen Höhe fähig, sonst stürzt man ab

und wird ein Opfer der Kleinheit und Tücke.

Das sind meine Wünsche für Dein Leben: helle Augen, gute

Lungen und die Fähigkeit, die freie Höhe zu gewinnen und

auszuhalten. Das wünsche ich nicht nur Deinem Körper und

Deinen äußeren Entwicklungen und Schicksalen, das

wünsche ich viel mehr Deinem innersten Selbst, daß Du

Dein Leben mit Gott lebst als Mensch in der Anbetung, in

der Liebe, im freien Dienst.

Es segne und führe Dich der allmächtige Gott,

der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

Dein Patenonkel Alfred Delp




(geschrieben 1945 im Gefängnis,

kurz vor seiner Hinrichtung)







Miß nie des Berges Höhe, ehe du den Gipfel erreicht hast.

Dort wirst du sehen, wie niedrig er ist.




Dag Hammarskjöld
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 15. April 2014, 07:26:59
BAUM

Mancher Baum ist schief
und trägt dennoch süße Früchte

Russisches Sprichwort



Sensibel ist die erde über den quellen;
kein Baum darf gefällt,
keine wurzel gerodet werden.
Die quellen könnten versiegen.
Wie viele bäume werden gefällt,
wie viele wurzeln gerodet
in uns

Reiner Kunze



Weißt du, daß Bäume reden? Ja, sie reden.
Sie sprechen miteinander, und sie sprechen
zu dir, wenn du zuhörst. Aber die weißen
Menschen hören nicht zu. Sie haben es nie
der Mühe wert gefunden, uns Indianer
anzuhören, und ich fürchte, sie werden auch
auf die anderen Stimmen in der Natur nicht
hören. Ich selbst habe viel von den Bäumen
erfahren: manchmal etwas über das Wetter,
manchmal über Tiere, manchmal über den
Großen Geist.

Tatanga Mani



Für einen Baum gibt es noch eine Hoffnung:
Wenn man ihn fällt, dann schlägt er wieder
aus.
Selbs wenn die Wurzeln in der Erde altern,
der Stumpf im Boden abstirbt und verdorrt -
er muß nur ein klein wenig Wasser spüren,
dann treibt er wieder wie ein junges Bäum-
chen.
Doch stirbt ein Mensch, so ist es mit ihm aus.

Hiob 14,7-9



Viele Jahre war ein alter krummer Baum meine
Klagemauer.
Als Kind habe ich ihm meine kleinen Geheim-
nisse und Ängst anvertraut. Er hat geduldig zu-
gehört, hat nie dreingeredet. Er hatte Zeit. Er
hat mich nicht ständig belehrt und wollte nicht
alles besser wissen. Er nickte mit seinen starken
Ästen un schwieg. Später hielt er Äpfel für uns
bereit, und im Herbst gab er ohne Murnren seine
Blätter der Erde wieder zurück. Der Baum war
auch mein Freund. So bescheiden und krumm
er am Wegrand stand, so grenzenlos waren
seine Anziehungskraft, Geduld und Ausstrahlung.
Manchmal denke ich an ihn zurück und möchte
mein Gesicht an seine rauhe Rinde legen.
Vielleicht habe ich durch ihn gelernt, mit Gott
zu verhandeln. Gewachsen aus der Erde, die
Gott schuf, zeigte mir mein Baum die Ehrfurcht,
aber auch die Kraft im Glauben an Gott.

Frieda Krieger



Wieder hat man in der Stadt
um Parkplätze zu schaffen, Platanen gefällt.
Sie wußten viel.
Wenn wir in ihrer Nähe waren, begrüßten
wir sie als Freunde.
Inzwischen ist es fast zu einem Verbrechen
geworden, nicht über Bäume zu sprechen,
ihre Wurzeln, den Wind,
die Vögel, die sich in ihnen niederlassen,
den Frieden, an den sie uns erinnern.

Walter Helmut Fritz
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 16. April 2014, 10:01:11
KREUZ

Das Kreuz ist Widerspruch und Zuspruch.



GOTT
rätselhafter verborgener geheimnisvoller Gott -
jeden Tag wirst du aufs neue gekreuzigt.
Rund um die Uhr spielt sich der Garten von
Getsemane und Golgota vor unseren Augen ab.
Vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang
werden immer wieder aufs neue deine Gebeine
zerbrochen und mit ihnen unsere Hoffnungen zu
Grabe getragen.
Wann werden sie zu neuem Leben erwachen?



Das Kreuz ist eine Last von der Art,
wie es Flügel für die Vögel sind:
Sie tragen aufwärts.

Bernhard von Claivaux



Ich sehe das Leid der Welt, den Hunger der Menschen nach
Brot und Friede. Ich sehe, wie Menschen ihre Kreuze durch
die Welt tragen, und andere spöttisch lächelnd daneben-
stehen und nichts tun.
Ich sehe, wie Jesus die Sünde der Welt trägt, wir aber so tun,
als hätte Gott diese Welt aus den Augen verloren.
Ich sehe, wie wir Not und Trauer verdrängen, anstatt zu ler-
nen, wie wir mit unserem Leben fertig werden können.
Ich bitte dich, Gott: Begleite uns auf unserem Weg, auch auf
dem Weg zum Kreuz. Laß uns nicht aus den Augen.

Ökumenischer Kreuzweg der Jugend 1981



Jetzt aber, in Christus Jesus, seid ihr, die einst die Fernen,
durch Christi blutigen Tod die Nahen geworden. Denn er
ist unser Friede. Er hat die beiden zu einem einzigen Volk
gemacht und die Mauer der Feindschaft, die sie voneinan-
der getrennt hat, niedergerissen. Durch die Hingabe seines
Lebens hat er das Gesetz mit all seinen Geboten und Sat-
zungen außer Kraft gesetzt, um die zwei in ihm zu einem
einzigen neuen Menschen zu erschaffen und Frieden zu stif-
ten; um durch seinen Kreuzestod die beiden in einem einzi-
gen Leibe mit Gott zu versöhnen.

Epheser 2,13-16



Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,
flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot,
um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.
So tun sie alle, alle, Christen und Heiden.

Menschen gehen zu Gott in seiner Not,
finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot,
sehn ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod.
Christen stehen bei Gott in seinen Leiden.

Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
sättigt den Leib und die Seele mit seinem Brot,
stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod
und vergibt ihnen beiden.

Dietrich Bonhoeffer
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 04. Juli 2014, 11:51:39
LEBENSFROH

Es lebt nur der, der lebend sich am Leben freut.

Menander (343-293 v. Chr.)



Ich höre, daß man damit leben kann:
Mit Schlaf und Arbeit, Spaß und gutem Essen.
Habt ihr dabei nicht einiges vergessen?
Und überhaupt, was soll das heißen: man?
Man lebt, und mehr fällt euch nicht ein
als Geld verdienen und ein Auto fahren
und Steuern zahlen und fürn Urlaub sparen
und abends Fernsehn oder Sportverein?
Und das soll alles dann gewesen sein
für uns, und sonst soll es nichts geben?
In mir ist Sehnsucht, mehr möcht ich erleben
und Träume haben und unsterblich sein!

Lothar Zenetti



Ein fröhliches Herz ist des Menschen Leben, und seine
Freude verlängert sein Leben. Ermuntere dich und tröste
dein Herz, und vertreibe die Traurigkeit von dir.

Sirach 30, 23.24



Zuzeiten kam ihm zum Bewußtsein, daß er ein seltsames
Leben führe, daß er da lauter Dinge tue, die bloß ein Spiel
waren, daß er wohl heiter sei und zuweilen Freude fühle, daß
aber das eigentliche Leben an ihm vorbeifließe und ihn nicht
berühre. Wie ein Ballspieler mit seinen Bällen spielt, so
spielte er mit seinen Geschäften, mit den Menschen seiner
Umgebung, sah ihnen zu, fand seinen Spaß an ihnen; mit
dem Herzen war er nicht dabei.
Einige Male erschrak er ob solcher Gedanken und wünschte
sich, es möge auch ihm gegeben sein, bei allem kindlichen
Tun des Tages mit Leidenschaft und mit dem Herzen betei-
ligt zu sein, wirklich zu leben, wirklich zu tun, wirklich zu
genießen, statt nur als Zuschauer daneben zu stehen.

Hermann Hesse



Wie mit den Lebenszeiten,
so ist es auch mit den Tagen.
Keiner ist ganz schön,
und jeder hat,
wo nicht seine Plage,
so doch seine Unvollkommenheit.
Aber rechne sie zusammen,
so kommt eine Summe
Freude und Leben heraus.

Friedrich Hölderlin
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 19. Juli 2014, 14:59:18
GLAUBWÜRDIG

Die Botschaft hör ich wohl,
allein mir fehlt der Glaube.

Johann Wolfgang Goethe



"Das Spiel ist aus!" riefen in der Schlußszene die endlich
siegreichen Gegenspieler den entlarvten bösen Machthabern
zu, verstellten ihnen den Weg zur Flucht oder zu den Waffen,
nahmen sie fest und führten sie, ohne sie noch eines Blickes
zu würdigen, in die Kulisse ab, während der Vorhang fiel.
Als er aber dann zum Applaus wieder hochging, kamen die
besiegten Machthaber schon Hand in Hand mit den neuen
Siegern zurück, und alle verneigten sich artig vor dem Publi-
kum, das ihnen zurief und wie von allen guten Geistern ver-
lassen Beifall klatschte.

Erich Fried



Ein Mensch macht sich, doch leider bloß
an seinem Stammtisch, damit groß,
es gelt -wovon ja viele träumen! -,
den Saustall endlich auszuräumen.
Er gibt -nur dort! - geheime Winke,
wie's überall zum Himmel stinke
von Säuen, die an vollen Trögen
verfräßen unser Volksvermögen.
Man müßt was tun -nur ist es schade,
daß dummerweise ihn gerade,
als einen Mann mit Weib und Kindern,
Rücksichten überall verhindern.
Der Mensch -was nützt verborgnes Lästern? -
zählt auch mit zu den Schweinemästern!

Eugen Roth



Alle haben gewußt, viele haben gewußt.
Manche haben gewußt, einige haben gewußt.
Ein paar haben gewußt, wenige haben gewußt.
Keiner hat gewußt.

Rudolf Otto Wiemer
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 25. Juli 2014, 07:28:19
STARK

Wer die Menschen kennt, ist klug.
Wer sich selber kennt, ist erleuchtet.
Wer andere Menschen besiegt, hat Gewalt.
Wer sich selbst besiegt, ist stark.

Laotse (480-390 v. Chr.)



Einem Menschen vergeben heißt nicht, das, was er getan
hat, für ungeschehen erachten, nicht wahr haben wollen
oder schlicht vergessen. Vergeben kann unter Umständen
bedeuten, gerade nicht zu vergessen. Vergeben heißt:
Die Vergangenheit eines anderen keinen Einwand dagegen
sein lassen, daß ich ihn annehme. Vergebung heißt nicht das
Ja zu einer vergangenen Schuld, wohl aber das Ja zu einem
Menschen mit seiner vergangenen Schuld.

Otto Hermann Pesch



Hier bin ich:
im Gewirr der Worte,
im Spiel der Hände,
im Aufschrei des Lachens,
im Drängen der Fragen,
im Fluchtmaß der Schritte.
Bleib!
Sei ohne Arg.
Siehe, wie schwach ich bin.
Nur wenn du rufst,
bin ich stark,
so stark
wie du möchtest.

Lisa Stromszky



Ich bin 25, und wenn ich Mädchen genannt werde, spreche
ich wie ein Mädchen. Ich flirte, kichere und stelle mich
dumm. Aber wenn ich mich dann erinnere, daß ich eine
Frau bin, lege ich die kindischen Dinge weg und sage, was ich
denke, teile und liebe.
Ich bin 36, und wenn ich Mädchen genannt werde, denke ich
wie ein Mädchen. Ich fühle mich untauglich, und deshalb
helfe ich den Männern um mich herum und bediene sie.
Aber wenn ich mich daran erinnere, daß ich eine Frau bin, lege
ich die kindlichen Dinge weg und arbeite, schaffe und erreiche
etwas.
Ich bin 52, und wenn ich Mädchen genannt werde, verstehe ich
wie ein Mädchen. Ich lasse andere mich beschützen vor der Welt.
Aber wenn ich mich daran erinnere, daß ich eine Frau bin, lege ich
die kindischen Dinge weg und entscheide und riskiere und lebe
mein eigenes Leben.

Nancy R. Smith



Ich kannte eine lahme Frau,
die ist zu Fuß nicht weit ge-
kommen.
Sie hat das angenommen
und lernte sitzen und hören.
Im Zuhören konnte sie sehr
weit gehen.

Friedrich K.Barth/Peter Horst


Wenn ihr zu mir umkehrt und stillhaltet,
dann werdet ihr gerettet. Wenn ihr gelas-
sen abwartet und mir vertraut, dann seid
ihr stark. Aber ihr wollt ja nicht.

Jesaja 30,15
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 10. August 2014, 11:17:05
GERECHT

Wer Unrecht lange geschehen läßt,
bahnt dem nächsten den Weg.

Willy Brand



Einen Mitbürger zugrunde richten will ein rechtschaffener
Mann nicht einmal dann, wenn er ein Recht dazu hätte. Viel
lieber ist ihm, daß sich die Leute später daran erinnern, wie
er jemanden geschont hat, obwohl er ihn hätte vernichten kön-
nen. So verhalten sich rechtschaffene Männer auch gegen
wildfremde Menschen, ja sogar gegen ihre schlimmsten Feinde,
und zwar weil sie deren Menschenwürde achten und weil jene
auch Menschen sind wie sie selber. So darf, wenn sie bewußt
niemanden geschädigt haben, ihnen selber mit Recht auch kein
Schaden zugefügt werden.

Cicero (106-43 v. Chr.)



Wir lassen das Gras wachsen
über Gerächte und Ungerächte.

Gert Berkensträter



An einem Wintertag führte man einem weisen Richter
einen alten, vor Kälte zitternden Mann vor. Man hatte
ihn in einem Laden beim Diebstahl eines Brotes ertappt.
Der Richter sah sich an das Gesetz gebunden und verur-
teilte den Mann zu einer Geldstrafe von fünfzig Euro.
Dann aber griff er in die eigene Tasche und bezahlte den
Betrag an Stelle des Angeklagten.
Daraufhin wandte er sich an die im Gerichtssaal Anwesen-
den. Er bestrafte jeden einzelnen mit einem Bußgeld von
fünf Euro und begründete die Strafe mit dem Hinweis, daß
sie in einer Stadt lebten, in der sich ein Mensch zum Brot-
diebstahl genötigt sehe, um nicht zu verhungern. Das Geld
wurde kassiert und ebenfalls dem Angeklagten gegeben. Der
verließ verwundert den Gerichtssaal.
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 16. August 2014, 10:35:04
BEHÜTET

Die Barmherzigkeit Gottes ist wie der Himmel, der stets
über uns fest bleibt. Unter diesem Dach sind wir sicher,
wo auch immer wir sind.

Martin Luther


Behüte, Herr, die ich dir anbefehle,
die mir verbunden sind und mir verwandt.
Erhalte sie gesund an Leib und Seele
und führe sie an deiner guten Hand,
sie alle, die mir ihr Vertrauen schenken
und die mir so viel Gutes schon getan.
In Liebe will ich dankbar an sie denken,
o Herr, nimm dich in Güte ihrer an.
Um manchen Menschen mache ich mir Sorgen
und möchte ihm helfen, doch ich kann es nicht.
Ich wünschte nur, er wäre bei dir geborgen
und fände aus dem Dunkel in dein Licht.
Du ließest mir so viele schon begegnen,
so lang ich lebe, seit ich denken kann.
Ich bitte dich, du wollest alle segnen,
sei mir und ihnen immer zugetan.

Lothar Zenetti



Schlaf, mein Sohn, mach die Augen zu,
Mama ist da und sitzt bei dir.
Träum was Schönes, na nu schlaf, du,
brauchst nicht weinen, ich bin ja hier.
Hab keine Angst vor den lauten Dingen,
Wölfe gibt es nur im Wald.
Mama ist da, um ein Schlaflied zu singen,
und wenn sie dich zudeckt, ists nicht mehr kalt.
Hab keine Angst vorm schwarzen Mann,
der fürchtet sich ja selber so.
Träume  von deiner Eisenbahn,
Löwen gibts doch bloß im Zoo.
Weine nicht mehr, ist doch schon gut.
Ich wisch dir deine Tränen weg.
Keiner ist da, der dir was tut,
wenn ich dich in dein Bettchen leg.
Na siehst du wohl, jetzt schläfst du schon.
Wie klein du bist, das tut so weh.
Ich kann nicht schlafen, wie du mein Sohn,
weil du noch nicht siehst, was ich schon seh.

Bettina Wegner



Oft entschlage ich mich aller Sorge und stelle alles Gott
anheim als dem besten Freund und Vater, mit dem ich mich
unaussprechlich gut stehe. Ja, wir sind ganz vertraut. Er
wird's schon wissen und machen, denke ich und lehne mich
ordentlich an ihn und schlummere so zu seinen Füßen ein
wenig, so unten an seinem Mantel.

Rabel Varnhagen
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 10. August 2015, 16:32:11
Ersehnt

Wer sich nach Licht sehnt, ist nicht lichtlos,
denn die Sehnsucht ist schon Licht.

Bettina von Arnim



Es sprechen manche, sie hätten's nicht. Da erwidere ich: Das
ist mir leid. Ersehnst du es aber nicht, das ist mir noch leider.
Könnt ihr es denn nicht haben, so habt doch ein Sehnen danach!
Mag man aber auch das Sehnen nicht haben, so sehne man sich
doch wenigstens nach einer Sehnsucht.

Meister Eckart



Dich, Gott, meine ich, ziellos herumgetrieben,
sehnend, wünschend ohne Ende.
Dich, Gott, meine ich im Überschuß meines Suchens.
Dich, Gott, allein.

Bernhard Meuser



Ich sehe ein Land mit neuen Bäumen.
Ich sehe ein Haus aus grünem Strauch
und einen Fluß mit flinken Fischen.
Und einen Himmel aus Hortensien sehe ich auch.
Ich seh ein Licht von Unschuld weiß
und einen Berg, der unberührt.
Im Tal des Friedens geht ein junger Schäfer,
der alle Tiere in die Freiheit führt.
Ich hör ein Herz was tapfer schlägt
in einem Menschen, den es noch nicht gibt,
doch dessen Ankunft mich schon jetzt bewegt,
weil er erscheint und seine Feinde liebt.
Das ist die Zeit, die ich nicht mehr erlebe.
Das ist die Welt, die nicht von uns'rer Welt.
Sie ist aus feinstgesponnenem Gewebe,
und, Freunde, glaubt und seht: Sie hält.

Hans Dieter Hüsch



Öfter mal "nicht" sagen können.
Unterlegenheitsgefühle loswerden.
Zugeben dürfen, bestimmte Dinge nicht zu schaffen.
Keine Furcht mehr haben vor dem, was andere denken mögen.
Meine dünne Haut nicht verteidigen müssen.
Rosinen im Kopf haben.
Mit mir allein leben können.
Nicht so oft dankbar sein müssen.
Müde sein dürfen.
Den Glauben an die Unmöglichkeit verlieren.
Nicht nur von Erinnerungen leben müssen.
Fehler machen dürfen.
Sensibel sein dürfen.
Sich keinen Wunsch ausreden lassen.
Eine Heimat haben.
Nicht auf alles eine Antwort haben.
Selig sein.

Dieter Schupp
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 04. Januar 2016, 11:58:52

WAGEMUTIG

Binde deinen Karren an einen Stern.

Leonardo da Vinci



Da fragte ihn Petrus: "Herr, wo willst du hin?" "Diesmal
kannst du nicht mit mir gehen", antwortete Jesus. "Aber
du wirst mir später folgen." "Laß mich doch jetzt bei dir
bleiben", bat ihn Petrus und beteuerte: "Ich wäre sogar
bereit, für dich zu sterben!"
Da antwortete Jesus: "Du willst für mich sterben? Petrus,
ich sage dir: Ehe morgen früh der Hahn kräht, wirst du
dreimal bestritten haben, mich überhaupt zu kennen."

Johannes 13,36-38



Wer fragt: "Was hat man zu tun?" - für den gibt es keine
Antwort. "Man" hat nichts zu tun. "Man" kann sich nicht
helfen, mit "Man" ist nichts mehr anzufangen. Mit "Man"
geht es zu Ende. Wer aber die Frage stellt: "Was habe ich
zu tun?" - den nehmen die Gefährten bei der Hand, die er
nicht kannte und die ihm alsbald vertraut werden und
antworten: "Du sollst dich nicht vorenthalten."

Martin Buber



Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit.
Denn Friede muß gewagt werden, ist das große Wagnis und
läßt sich nie und nimmer sichern.

Dietrich Bonhoeffer



Die Christen leben wie Gänse auf einem Hof. An jedem siebten
Tag wird eine Parade abgehalten, und der beredsamste Gän-
serich steht auf dem Zaum und schnattert über Wunder der
Gänse. Erzählt von den Tagen der Vorfahren, die einst zu fliegen
wagten, und lobt die Gnade und Barmherzigkeit des Schöpfers,
der den Gänsen Flügel und den Instinkt zum Fliegen gab.
Die Gänse sind tief gerührt, senken in Ergriffenheit die  Köpfe
und loben die Predigt und den  beredsamen Gänserich. Aber
das ist auch alles. Eines tun sie nicht - sie fliegen nicht. Sie
gehen zu ihrem Mittagsmahl. Sie fliegen nicht, denn das Korn
ist gut und der Hof ist sicher.

Sören Kierkegaard



Natürlich muß man mit dem Kopf durch die Wand!
Nicht kopflos.

André Brie
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 08. Januar 2016, 18:18:30
GESPANNT

Und wer sagt, daß in dem undurchsichtigen Sack
Zukunft nicht auch ein Entzücken steckt?



Träumen geht mühelos, denken ist leicht,
handeln schon schwerer.
Doch daß jemand handelt, nachdem er's bedacht,
dies ist das Schwerste für einen,
der nicht weiß, was er bedenken müßte,
ehe er handelt.
Was tun, o Gott?
Würfeln? Blindlings wagen?
Oder das Handeln verweigern?
Laß, bitte, hören von dir.

Kurt Marti



Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns
liegen, Vorboten desjenigen, was wir zu leisten imstande sein
werden. Was wir können und möchten, stellt sich unserer Ein-
bildungskraft außer uns und in der Zukunft dar; wir fühlen
eine Sehnsucht nach dem, was wir schon im stillen besitzen.
So verwandelt ein leidenschaftliches Vorausergreifen das wahr-
haft Mögliche in ein erträumtes Wirkliche.

Johann Wolfgang Goethe



Hochwürden nagelt seine Zaunlatten fest. Ein Bub stellt sich
daneben. "Willst du lernen, wie man so etwas macht?" fragt der
geistliche Herr. "Nein", erwidert der Bengel. "Ich bin gespannt,
was ein Pfarrer sagt, wenn er sich auf den Daumen haut."



Abends vorm Bildschirm komme ich endlich zu mir,
ich schließe die Augen und horche in mich hinein.

Arnfried Astel



Ich bin zurückgekehrt, ich habe den Flur durchschritten und
blicke mich um. Es ist meines Vaters alter Hof. Die Pfütze in
der Mitte. Altes, unbrauchbares Gerät, ineinanderverfahren,
verstellt den Weg zur Bodentreppe. Die Katze lauert auf dem
Geländer. Ein zerrissenes Tuch, einmal im Spiegel um eine Stange
gewunden, hebt sich im Wind. Ich bin angekommen. Wer wird
mich empfangen?

Franz Kafka



Das Glück kommt zu denen, die es erwarten. Nur müssen sie
die Tür auch offen halten.

Thomas Mann
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 16. Januar 2016, 13:06:25
ZWIESPÄLTIG

Die Zukunft beunruhigt uns, die Vergänglichkeit hält uns fest,
deshalb entgeht uns die Gegenwart.

Gustave Flaubert



Niemand will wissen, was ihm im Alter bevorsteht. Wir sehen
es zwar aus nächster Nähe täglich, aber um uns selbst zu
schonen, machen wir aus dem Altern ein Tabu. Das Gebot,
das Alter zu ehren, stammt aus Epochen, als hohes Alter eine
Ausnahme darstellte.
Wird heute ein alter Mensch gepriesen, so immer durch Attest,
daß er verhältnismäßig noch jung sei, geradezu noch jugendlich.
Unser Respekt beruht immer auf einem Noch ("noch unermüdlich",
"noch heute eine Erscheinung", "durchaus noch beweglich in seinem
Geist"). Unser Respekt gilt in Wahrheit nie dem Alter, sondern aus-
drücklich dem Gegenteil: daß jemand trotz seiner Jahre noch nicht
senil sei.

Max Frisch



"Wie geht's fragte die Trauer die Hoffnung.
"Ich bin etwas traurig", sagte die Hoffnung.
"Hoffentlich", sagte die Trauer.

Franz Hohler



Ich sprach auch mit vielen Leuten
und hörte genau zu und hörte viele Meinungen
und hörte viele von vielem sagen: Das sei ganz sicher!
Aber zurückkehrend sprachen sie anders,
als sie ehedem gesprochen hatten.
Und von dem andern sagten sie: Das ist sicher.
Da sagte ich mir: Von den sicheren Dingen das Sicherste
ist der Zweifel..

Bertolt Brecht



Wenn wir einen Menschen hassen, so hassen wir in seinem
Bild etwas, was in uns selber sitzt. Was nicht in uns  selber
ist, das regt uns nict auf.

Hermann Hesse
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 23. Januar 2016, 13:04:41
BEGRENZT

Die Grenze ist der eigentliche Ort der Erfahrung.

Paul Tillich



Der Rabbi von Alexander faßte einmal einen wichtigen
Beschluß. Da die Erde voller Streit und Leid war, beschloß er,
gleich am nächsten Tag damit zu beginnen, die ganze Welt zu
verbessern.
Als er aufstand, erschien ihm das geplante Projekt doch etwas
zu hoch gestochen, und er beschloß, nur das Land, in dem er
lebte, in Ordnung zu bringen. Alsbald jedoch schien ihm  auch
dies eine schwere Aufgabe. Vielleicht genügt es, so dachte
er, wenn ich meine Heimatstadt zu einer besseren Moral ver-
helfe. Oder die Gasse, in der ich lebe, oder wenigstens das
Haus, in dem ich wohne, besser mache.
Als der Rabbi einsah, daß es ihm wahrscheinlich nicht einmal
gelingen werde, seine Familie zur Besserung zu bewegen, faßte
er den endgültigen Beschluß: "Also muß ich halt mit mir selbst
beginnen."


Man muß vom Menschen alles verlangen, wozu er fähig ist,
und ihn dabei doch so akzeptieren, wie er ist.

Elie Wiesel


Ein Vogel im Käfig weiß im Frühling sehr wohl, wozu er taugt,
weiß sehr wohl, daß er etwas tun kann, aber er kann nichts tun,
was ist es doch? Er kann sich nicht daran erinnern. Dann kommen
ihm unbestimmte Vorstellungen. Er sagt sich: "Die anderen bauen
Nester und zeugen Junge und ziehen die Brut groß."
Dann prallt er mit dem Kopf an die Stäbe des Käfigs. Und der
Käfig bleibt.Und der Vogel ist wahnsinnig vor Schmerz.

Vincent van Gogh



Dein Kerker bist du selbst.
Die Welt, die hält dich nicht,
du selber bist die Welt,
die dich in dir mit dir
so stark gefangen hält.

Angelus Silesius



Wenn du gleich hundert Jahre pflügtest und aller Welt Arbeit
tätest, so könntest du doch nicht einen Halm aus der Erde her-
vorwachsen lassen, sondern Gott tut alles ohne alle deine
Werke. Während du schläfst, macht er aus dem Körnlein einen
Halm und viele Körner darauf.

Martin Luther



Wer überall sein will, ist nirgends.

Friedrich Schwanecke



Oft hat man Grund zu sagen: "Der Teufel ist los." Nie heißt
es: "Gott ist los."
Halten ihn die Kirchen so sicher unter Verschluß?

Kurt Marti


Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 29. Januar 2016, 17:33:58

GEMEINSAM

Vergiß nicht, wir reisen gemeinsam!



Ein Schotte sitzt gut gelaunt in der Eisenbahn. "Sie fahren in
Urlaub?" fragt sein Gegenüber. "Ich bin auf Hochzeitsreise."
"Und Ihre Frau?" "Ist daheim. Sie kennt die Gegend schon."



Die Einsamkeit hat mich gelehrt, daß das Zusammensein mit
anderen etwas ziemlich Schönes ist, und das Zusammensein
mit anderen hat mich gelehrt, daß die Einsamkeit etwas ziem-
lich Schönes ist, und so habe ich viel Abwechslung und ein
ziemlich schönes Leben.

Günter Radtke



Weder Ameisenstaat noch schrankenloser Egoismus sind die
Lebensform der Zukunft, sondern einzig die persönliche Ent-
faltung im Dienst an der Gemeinschaft hat Zukunft.

Teilhard de Chardin



Dort, wo die Nächstenliebe wohnt, ist die Menschheit eine
Familie, und es kann dort niemand glücklich sein, wenn nicht
alle es sind.

Robert Walser
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 05. Februar 2016, 11:39:23
BEHUTSAM

Wer mit sich selbst nicht behutsam umgeht, wem kann der
gut sein? Denke also daran: Gönne dich dir selbst.



Unter lautem Geräusch, Bremsenkreischen und Knirschen
der Gummireifen kam der große Laster zum Stehen. Ich
lief ihm auf der Straße entgegen. Warum hatte der Fahrer
so plötzlic gehalten? Ich sah ihn aus seinem Wagen klettern,
ein großer, starker Mann, Fernfahrer. Mit schnellen Schritten
trat er vor den Kühler, bückte sich und hockte vor etwas nieder.
Da ich vermutete, er habe eine Panne, ging ich zu ihm, um ihm
behilflich zu sein. Der Mann sah mit einem lächelnden Gesicht
zu mir auf. "Beinahe  hätte ich doch diesen kleinen Kerl über-
fahren", sagte er und deutete auf einen Igel. Dieser saß see-
lenruhig vor dem linken Vorderrad des Lasters und beäugelte uns
vergnügt. Der Fahrer schaute eine Weile belustigt auf den klei-
nen Schelm, dann trug er ihn sachte weg.



Wir haben nicht zu wenig Zeit,
aber wir verschwenden zu viel davon.

Seneca



Der Wind, den es mir zuweht
aus milderem Land,
streicht mir über die Wangen,
so sanft, als habe er unterwegs
und sehr weit von hier
deine Lippen berührt im Vorübergehn
und trüge nun ganz behutsam
deinen Atem herüber zu mir.

Lothar Zenetti



Nimm dir Zeit, den Himmel zu betrachten.
Suche Gestalten in den Wolken.
Höre das Wehen des Windes
und berühre das kalte Wasser.
Gehe mit leisen, behutsamen Schritten.
Wir sind Eindringlinge,
die von einem unendlichen Universum
nur für eine kurze Zeit geduldet werden.

Indianische Weisheit



Schließe mir die Augen beide
mit den lieben Händen zu!
Geht doch alles, was ich leide,
unter deiner Hand zur Ruh.
Und wie leise sich der Schmerz
Welle um Welle schlafen leget,
wie der letzte Schlag sich reget,
füllest du mein ganzes Herz.

Theodor Storm
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 12. Februar 2016, 15:39:14
Wesentlich

Mensch, werde wesentlich.
Denn wenn die Welt vergeht,
so fällt der Zufall weg.
Das Wesen, das besteht.

Angelus Silesius



Bald werden wir alle sterben, und alles Andenken wird dann
von der Erde geschwunden sein, und wir selbst werden für eine
kleine Weile geliebt und dann vergessen werden. Doch die
Liebe wird genug gewesen sein; alle diese Regungen von Liebe
kehren zurück zu der einen, die sie entstehen ließ. Nicht ein-
mal eines Erinnerns bedarf die Liebe. Da ist ein Land der
Lebenden und ein Land der Toten, und die Brücke zwischen
ihnen ist die Liebe - das einzige Bleibende, der einzige Sinn.

Thornton Wilder



Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von
dir erwartet: nichts als Recht üben und Freundlichkeit lieben
und aufmerksam mitgehen mit deinem Gott.

Micha 6,8



Blicke in dich! In deinem Inneren ist eine Quelle, die nie ver-
siegt, wenn du nur zu graben verstehst.

Marc Aurel



Ein König hatte einen Sohn, der stets unzufrieden auf dem
Balkon saß und sich langweilte. Er wußte selbst nicht, was ihm
fehlte. Die Weisen  rieten: "Majestät, sucht einen ganz zufrie-
denen Menschen und vertauscht sein Hemd mit dem eures
Sohnes!" Alle Beamten wurden ausgesandt, einen solchen
Menschen zu entdecken - vergebens!
Da stößt der König bei der Jagd auf einen fröhlich singenden
Arbeiter im Weinberg. Der gesteht: "Ich bin restlos zufrieden,
möchte weder mit Papst noch König tauschen. "Der König bit-
tet: "Mein Sohn ist sterbenskrank. Er braucht als Medizin das
Hemd eines zufriedenen. Ich werde dir jeden Preis zahlen."
"Majestät, da kann ich nicht dienen - ich habe kein Hemd!"

Italienisches Märchen



Ich habe in meinem Leben viele kluge und gute Bücher gele-
sen. Aber ich habe in ihnen  allen nichts gefunden, was mein
Herz so still und froh gemacht hätte, wie die vier Worte aus
dem 23. Psalm: "Du bist bei mir."

Immanuel Kant
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 18. Februar 2016, 12:40:04

Begeistert

Auch wer begeistert ist, darf nicht vergessen:
Erfolg ist keiner der Namen Gottes.



Was hilft dir alles Gefühl, wenn dir nicht ein klarer
geweckter Verstand weite Ausblicke eröffnet, wenn
du nicht an seiner Hand in Tiefen gelangst, die dir
sonst ewig verschlossen geblieben wären? Nein,
Gefühl und Verstand gehören aufs engste zusammen.
Aber das Gefühl ist das Größte von ihnen.

Christian Morgenstern




Wenn wir auferweckt werden, dann werden wir sehen, was wir
jetzt geglaubt haben. Wir sind wohl zu heiser und haben nicht
die rechte Stimme, dennoch wollen wir mitbrummen, was wir
können: Ehre sei Gott!

Martin Luther



Eine junge und schöne Kirche, manchmal träume ich davon,
eine tanzende Kirche mit Blumen im Haar,
ein großes, fröhliches Kind,
himmelhochjauchzend verzückt, mit geschlossenen Augen,
verrückt vor Liebe in deinen Armen, Jesus,
an dich geschmiegt, die Schönste von allen.
Manchmal sehe ich sie schon mit meinen Augen,
diese junge verliebte Kirche, in all diesen großen Kindern
und in diesen ausgewachsenen Leuten,
die immer noch ein bißchen wie Kinde sind.

Lothar Zenetti
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 26. Februar 2016, 13:20:20
UNVERHOFFT

Die unverhofften Augenblicke unseres Lebens
zählen oft zu den schönsten.



Ich blieb mit den Kindern allein. Mein Mann ging mit einer
andern Frau weg. Die Leute sagten mir: "Du mußt vorwärts
gehen." Ich habe mir Arbeit gesucht und gemerkt, daß ich
allein ohne Mann vorankomme. Ich kümmerte mich um
meine Kinder. Ich schickte sie in die Schule. Ich versuchte,
ihnen mehr Liebe zu geben, als mein Mann ihnen geben
wollte. Ich arbeitete und arbeitete.
Eines Abends sah ich ihn kommen. Er kam zurück. Ich fühlte
großes Mitleid mit ihm. Er kam rein, setzte sich schweigend an
den Tisch, als ob er müde wäre, niedergeschlagen, reumütig.
Ich schaute ihn nicht an.
Er sagte zu mir: "Rosa, ich komme nach Hause zurück." Ich
schaute ihn nicht an, als ich ihm die Tasse Tee anbot.

Aus Chile



Aufstehen, Straßenbahn, vier Stunden Büro oder Fabrik,
Essen, Straßenbahn, vier Stunden Arbeit, Essen Schlafen,
Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag,
immer derselbe Rhythmus - das ist sehr lange ein bequemer
Weg.
Eines Tages aber steht das "Warum" da, und mit diesem Über-
druß, in den sich das Erstaunen mischt, fängt alles an.

Albert Camus


Simon Silberfisch hat die Gebote sein Leben lang großzügig
ausgelegt. Sein Freund bezweifelt, daß er in den Himmel
kommen wird. "Werde ich kommen", behauptet Simon.
"Ich werde gehen zur Himmelstür, werde sie zumachen,
werde sie aufmachen und werde sie zumachen.
Dann wird kommen der heilige Petrus und schreien:
"Raus oder rein!" Na, geh ich hinein."
Titel: Antw:FÜR JEDEN NEUEN TAG
Beitrag von: amos am 17. März 2017, 16:00:36
Verändert


Schön ist alles, was man mit Liebe betrachtet.

Christian Morgenstern



Als ich Gefangener war in deinem Haus und die Türen noch
verschlossen waren, plante mein Herz ständig zu fliehen.
Jetzt, da du die Türen und Fenster geöffnet hast, bleibe ich.

Rabindranath Tagore



Verhältnisse verändern ist entweder ein mühsames oder ein
gewaltsames Beginnen . Wer sich gegen die Gewalt entschei-
det, muß die Mühsal wählen. Wer die Mühsal scheut, hat sich
schon für die Gewalt entschieden.

Friedrich Schwanecke



Niemand hat heute eine Vision. Niemand sagt, was werden
soll und wo es langgeht. Das geistige Leben ist durch Ratlo-
sigkeit und beklemmende Leere charakterisiert.
Es muß doch möglich sein, die marktwirtschaftlichen Struk-
turen so zu ergänzen, daß die Menschen veranlaßt werden,
sich menschlich zu verhalten und nicht wie Raubtiere nach
Beute zu gieren.

Marion Gräfin Dönhoff



Da habe ich einen gehört,
wie er aufseufzte: "Du liebe Zeit!"
Was heißt da "Du liebe Zeit"?
"Du unliebe Zeit", muß es heißen.
"Du ungeliebte Zeit!"
von dieser Unzeit, in der wir
leben müssen. Und doch:
Sie ist unsere einzige Zeit,
unsere Lebenszeit.
Und wenn wir das Leben lieben,
können wir nicht ganz lieblos
gegen diese unsre Zeit sein.
Wir müssen sie ja nicht genau so lassen,
wie sie uns traf.

Erich Fried