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römisch-katholisch => Fragen und Themen zum Glauben allgemein => Thema gestartet von: Sairo am 14. Mai 2011, 23:37:49

Titel: Die Apokalypse des Johannes
Beitrag von: Sairo am 14. Mai 2011, 23:37:49
Hier eine kurz Exegese zur Apokalypse des Johannes von Pater Bernward Deneke FSSP. Hervorhebungen sind von mir:

Will jemand genau Bescheid wissen über die wahren Hintergründe der amerikanischen Machtpolitik? Über die dunklen Machenschaften der Regierung? Interesse an der Unterwanderung der Kirche durch die Freimaurerei? Oder am Einfluß des Opus Dei auf die führenden kirchlichen Kreise?
Dann ist ja Enthüllungsliteratur genau das Richtige! Man besorge sich einen von den Knüllern, in denen die Hintergründe des Zeitgeschehens entlarvt werden. Tatsächlich haben solche Bücher – bei allen Schwierigkeiten des Buchhandels im allgemeinen – stets Erfolgsaussichten. Das lieben die Menschen ja schon immer: Enthüllung, Offenlegung von Unbekanntem! Allerdings ist auch zu beobachten, daß sich die meisten dieser Bücher als Eintagsfliegen offenbaren. So schnell, wie sie gekommen, verschwinden sie auch schon wieder aus den Bücherregalen und Sortimenten der Geschäfte.

Ein Enthüllungsbuch jedoch hat sich schon lange gehalten. Es geht langsam aber sicher seinem 2000jährigen Geburtstag entgegen. Zwar gehört es nicht wirklich zu der eben beschriebenen literarischen Gattung; nur das Mißverständnis von inner- und außerkirchlichen Schwärmern und von Sektierern wie den Zeugen Jehovas hat es dazu gemacht. Aber bedenken wir den Namen: griechisch kalypsis = Schleier, Hülle; die Vorsilbe apo bedeutet hier eine Wegbewegung, also apokálypsis = Entschleierung, Enthüllung. Oder ganz einfach: Offenbarung.
Welche Enthüllungen dürfen wir in diesem letzten Buch der Heiligen Schrift erwarten? Was hat der Apostel Johannes während seiner Verbannung auf die Insel Patmos gezeigt bekommen, um es uns weiterzugeben? Es ist wahrlich nicht leicht, das in wenigen Worten zu sagen. Wer die 22 Kapitel liest, wird vielleicht eher verwirrt sein als den Eindruck gewinnen, jetzt sei ihm etwas zuvor Verborgenes entschleiert worden. Und daß alle diejenigen, die mittels Rechenspielchen, Bibelcode, tiefenpsychologischer Symbolforschung oder ähnlichem Instrumentarium die Apokalypse zu entschlüsseln und für ihre Weltanschauung vereinnahmen wollen, nicht richtig liegen können, das riecht die katholische Spürnase sogleich.

Welche Enthüllungen also werden uns hier geboten? Um aus der Fülle nur vier herauszugreifen:
1. eine Enthüllung Jesu Christi,
2. eine Enthüllung des kirchlichen und darin unseres eigenen Lebens,
3. eine Enthüllung der Welt und
4. eine Enthüllung des Siegeszeichens.


1. Eine Enthüllung Jesu Christi.
Stellen wir uns vor, bei der Enthüllung eines Denkmals dabeizusein, das dem Erlöser der Welt gewidmet sein soll. Wir stehen gespannt vor dem verschleierten Bild und machen uns Vorstellungen, wie es aussehen könnte. Der eine erwartet eine fromme, liebreizende Darstellung des Heilands im Nazarenerstil. Ein anderer, von politischer Theologie infiziert, erhofft sich, die Statue zeige Jesus als Sozialrevolutionär, als Vorläufer des Kampfes gegen die Mächtigen und ungerechte gesellschaftliche Strukturen. Ein dritter wünscht sich das Bild eines sanften Hippies, ein vierter einen Jesus, der den fernöstlichen Gurus gleicht. Und so weiter.

Und jetzt die Enthüllung des Denkmals:
„Da schaute ich sieben goldene Leuchter, und inmitten der Leuchter einen gleich einem Menschensohn, angetan mit wallendem Gewand und um die Brust gegürtet mit goldenem Gürtel. Sein Haupt aber und Seine Haare waren weiß wie schneeweiße Wolle und Seine Augen wie eine Feuerflamme; und Seine Füße glichen dem Glanzerz, als wäre es in der Esse zum Glühen gebracht, und Seine Stimme klang wie das Rauschen vieler Wasser. Und in Seiner rechten Hand hielt Er sieben Sterne, und aus Seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert hervor, und Sein Antlitz war, wie wenn die Sonne scheint in ihrer Kraft." (1,12ff.)

Halten wir kurz inne. Wie würden wir wohl auf diese Christusdarstellung reagieren. Befremdet? Erschrocken gar? Vernehmen wir die Reaktion immerhin des Jüngers, den Jesus besonders liebte; der bei zwei Totenerweckungen und der Verklärung des Herrn auf Tabor Zeuge war; der beim Letzten Abendmahl an Seiner Brust ruhte; der dabei war, als dem Gekreuzigten die Seite mit einer Lanze durchstochen wurde. Kurz: des Jüngers, bei dem wir eigentlich eine unfaßbare Freude über das Wiedersehen mit seinem Herrn und Meister erwarten dürften.

Da lesen wir: „Und als ich Ihn sah, stürzte ich zu Seinen Füßen hin wie tot." (1,17) Ist das nicht erschütternd, daß selbst für Johannes diese Erscheinung offensichtlich zu viel war? Der Jesus, den er da schaute, paßt wahrlich in kein Klischee. Er ist völlig anders, als Ihn sich die Menschen, auch gläubige Menschen, denken und erhoffen. Er läßt sich schon gar nicht in irgendwelches menschliches Wunschdenken vereinnahmen. Vor Ihm bleibt der Mensch nicht auf seinen Füßen stehen, sondern stürzt, geblendet von der Lichtfülle und überwältigt von solcher Majestät, zur Erde. Wie tröstlich aber, was Johannes dann noch zu berichten weiß: „Da legte Er Seine Rechte auf mich und sprach: Fürchte dich nicht. Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ein Toter bin ich gewesen, doch siehe: Ich bin lebendig in alle Ewigkeit und halte die Schlüssel des Todes und der Unterwelt." (1,17f.)

Ist das nicht eine Enthüllung? Eine Offenbarung Christi, wie wir sie alle brauchen. Nicht nur für die anderen, die längst nicht mehr an die Gottheit Christi und an Seine himmlische Herrlichkeit glauben, ist dies gedacht. Auch für uns, die wir bedachtlos den Namen des Herrn in allen möglichen und unmöglichen Zusammenhängen nennen; die wir vielleicht viel zu Ihm beten, aber dabei nicht von heiliger Gottesfurcht, von Ergriffenheit und Dankbarkeit darüber, mit einem solchen Herrn des ganzen Weltalls sprechen zu dürfen, erfüllt sind.

Diese Enthüllung tut also unbedingt not. Auch denen, die verkosten durften, wie gütig der Herr ist, und die bereits an Seinem Herzen ruhten wie Johannes. Setzen wir uns also diesem von allen menschlich-allzu-menschlichen Vorstellungen entledigten, diesem enthüllten Christus aus. Lassen wir Seine Blicke, die wie Feuerflammen lodern, bis in die Tiefen unserer Eingeweide brennen; setzen wir uns dem Schwert aus, das aus Seinem Mund hervorgeht und das alles von uns schneiden kann, was nicht Gottes Wohlgefallen findet.

2. Und dies ist denn auch die zweite Enthüllung, die uns die Apokalypse vorführt: die Enthüllung unseres eigenen Lebens. Zunächst sind es zwar Sieben Gemeinden, die sich der Herr vornimmt, die Er lobt und tadelt und zur Umkehr aufruft. Sehen wir aber genauer hin, dann finden wir uns selbst in ihnen. Uns, die Glieder am Mystischen Leib, der Kirche, bestimmt dazu, daß Jesus in uns wohne, aus uns spreche, durch uns wirke.

Vielleicht führen wir ein geordnetes christliches Leben, bemühen uns um die Treue zum Herrn in einer Welt, die sich von Ihm abwendet. Und da wird uns plötzlich gesagt: „Ich habe gegen Dich, daß Du Deine erste Liebe verloren hast. Bedenke also, von wo aus du gefallen bist, bekehre dich und tue die früheren Werke. Sonst komme Ich über dich und werde deinen Leuchter von seiner Stelle wegrücken, wenn du dich nicht bekehrst." (2,4f.)

Vielleicht sind wir sehr aktiv, nehmen an zahlreichen christlichen Veranstaltungen, an Wallfahrten, an Sühnenächten teil und haben den Eindruck, selbst ganz pulsierendes Leben zu sein. Und da enthüllen uns folgende Worte unseren wahren Seelenzustand, die Hohlheit und Leere hinter all dem Getue: „Ich kenne deine Werke. Du lebst dem Namen nach und bist doch tot. Werde wach und festige den Rest, der dem Sterben nahe ist; denn Ich habe deine Werke nicht vollwertig befunden vor Meinem Gott." (3,1f.)

Vielleicht leben wir in der Meinung, doch insgesamt in Ordnung zu sein. Na ja, einige kleine Vergehen kommen schon hier und da mal vor. Aber insgesamt: Eigentlich wünschenswert, alle Menschen wären wenigstens so gut wie wir, täten ihre religiösen Pflichten und bemühten sich, insgesamt anständig zu sein. Vielleicht dachten wir wirklich so und bekommen nun zu hören: „Ich kenne deine Werke und weiß, daß du weder heiß bist noch kalt. Wärest Du doch heiß oder kalt, da Du aber lau bist, will ich dich ausspeien aus meinem Munde." (3,15f.)

Und vielleicht halten wir uns innerlich für reich und meinen, ein christliches Leben in Fülle zu führen. Doch da dringen die Worte in unser Inneres: „Du sagst: Ich bin reich und habe Reichtum erworben, und nichts habe ich nötig. Du weißt gar nicht, daß gerade du der Jämmerliche und Erbärmliche und Arme und Blinde und Nackte bist." (3,17)

Wahrhaft enthüllende Worte. Doch nicht von der Art, daß sie unsere Neugierde ansprechen, vielmehr demütigend und enttäuschend. Enttäuschend im allerbesten Sinne, denn wer zieht schon die Täuschung über sich selbst einer solchen heilsamen Enttäuschung vor? (Leider tun es wohl doch allzu viele.)

3. Erschütternd ist die dritte Enthüllung, die uns in der Apokalypse des Johannes zugemutet wird: die Enthüllung der gottlosen, gottfernen Welt. Das ist die abstoßende Vision der Hure Babylon im 17. Kapitel. Wir bekommen da ein Weib zu sehen, das in der Wüste auf einem scharlachroten Tier voller lästerlicher Namen sitzt. Sie selbst ist in Purpur und Scharlach gekleidet, mit Gold, Edelsteinen und Perlen reich geschmückt – Prunk, Pomp und Protz, wie wir es von den Stätten kennen, wo man in den Begierlichkeiten und Lüsten schwelgt. Der wirkliche Glanz der Schönheit, wie er uns in Gottes Natur, in Wald und Wiese, Quelle, Blume und Tier aufleuchtet, ist hier nicht zu finden – die Frau sitzt eben in der Wüste. Aber sie schafft sich ihre künstliche Schönheit, die nichts anderes als eine glitzernde Fassade vor einer schrecklichen Wirklichkeit ist; denn:
"In ihrer Hand hielt sie einen goldenen Becher, angefüllt mit Greuel und Unrat ihrer Unzucht. Auf ihrer Stirn trug sie einen geheimnisvollen Namen: "Das große Babylon, die Mutter der Huren und der Greuel der Erde." Ich sah die Frau trunken vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu.

Die Enthüllung, deren Zeuge wir hiermit werden, zeigt uns, worauf der Staat des Fürsten dieser Welt aufgebaut wird: auf denjenigen, die dem Moloch geopfert wurden; die man hinschlachtet, weil sie der widergöttlichen Entwicklung im Wege standen. Im alten Rom waren das die Martyrer, die man den wilden Tieren vorwarf oder bei den Volksfesten zu allgemeiner Belustigung als Fackeln verbrannte; in der heutigen Welt denken wir vor allem an die (jährlich wohl über 40 Millionen) vorgeburtlich getöteten Kinder!

Trunken ist dieses Babylon vom Blut der Heiligen und der Zeugen Jesu. Ja wirklich, eine ganz eigentümliche, aufgekratzte, ständig neu „aufgegagte" Euphorie hat sich so vieler bemächtigt. Sie haben sich im Garten der künstlichen Genüsse und Lüste verirrt und sind dabei selbst irr geworden. An die Stelle eine klaren Geistes ist ein unvernünftiges Berauschtsein getreten, dem zwar auch immer wieder die typische Katerstimmung aller Betrunkenen folgt; aber eben auch die zunehmende Sucht, das Verlangen nach neuen Genüssen, die schnell das Natürliche hinter sich lassen und im Widernatürlichen, Perversen ankommen. O ja, wir kennen diese öffentliche Trunkenheit in unseren Tagen nur zu gut!

Diese dritte Enthüllung hängt mit der ersten und der zweiten zusammen: Wir erkennen, von welchem gewaltigen Herrn und Meister sich die Welt abwendet und welchem Abgrund sie zusteuert, wenn wir die Christusvision bedenken; und es wird uns mit Blick auf die zweite Enthüllung, die Enthüllung unserer Armseligkeit, auch klar, daß wir selbst gefährdet sind, diesem Weib zu verfallen und von ihrem Wein zu trinken. Wer steht, der sehe zu, daß er nicht falle!

4. Hier tritt aber tröstlich eine vierte Enthüllung hinzu. Sie ist von größter Durchschlagskraft: Das Bild der Frau, von der Sonne umglänzt, den Mond zu ihren Füßen und vom Sternenkranz umgeben, die uns den Sohn, den Erlöser geschenkt hat (vgl. 12,1ff.):

"Und am Himmel erschien ein großes Zeichen: eine Frau, bekleidet mit der Sonne und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen. Sie hat empfangen und schreit in ihren Wehen und Geburtsnöten. Noch ein anderes Zeichen erschien am Himmel: ein großer feuerroter Drache mit sieben Köpfen und zehn Hörnern und sieben Kronen auf seinen Köpfen. Sein Schweif fegte den dritten Teil der Sterne vom Himmel und warf sie auf die Erde. Der Drache steht vor der Frau, die im Begriff ist, zu gebären, um ihr Kind gleich nach der Geburt zu verschlingen. Sie gebar ein Kind, einen Sohn, der alle Völker mit eisernem Zepter regieren soll. Doch ihr Kind ward zu Gott auf seinen Thron entrückt. Die Frau aber floh in die Wüste, wo sie eine von Gott ihr bereitete Stätte hat..."

Nicht zufällig ist die Frau bis in den Himmel entrückt. Mit der Sonne bekleidet und den Mond zu ihren Füßen, um ihr Haupt mit einem Kranz von zwölf Sternen umgeben, ist sie gleichsam selbst ein Sternbild geworden.

Somit spielt sich das gesamte Drama der Welt und das Drama auch unseres Lebens unter diesem Gestirn statt. Alles bezieht sich letztlich auf den Sohn Gottes und mit Ihm auf die wahre Krone der Schöpfung, die schönste Blüte der Menschheit, Maria. In diesem Zeichen ist daher auch der Sieg!

Die Apokalypse ist also wirklich ein Enthüllungsbuch. Dieses zeigt uns unter anderem Christus in Seiner Herrlichkeit, so wie Er wirklich ist. Es zeigt uns unser Inneres, ebenfalls wirklich so, wie es ist. Es zeigt uns die gefallene Welt, wie sie wirklich ist. Und es enthüllt uns das Bild des großen Zeichens, in dem wir siegen werden.

Wenn wir also bei der ersten Enthüllung, der Christusvision, zurückbebten, bei der zweiten Enthüllung, derjenigen unserer Armseligkeit, noch mehr von Unsicherheit und Selbstzweifel gedrückt wurden; wenn uns schließlich die Enthüllung des Reiches des Fürsten dieser Welt einen Schrecken einjagte und uns vielleicht ausrufen ließ: Herr, wer kann da noch bestehen, dann gibt uns das Bild der Apokalyptischen Frau eine herrliche Siegesgewißheit.

Ja, unter ihrem Schutz und Schirm werden wir gerettet werden – das ist die frohe Botschaft dieser vierten Enthüllung. Und deshalb drängt sich uns das so uralte und doch hochaktuelle Gebet in unsere Seelen und auf unsere Lippen:
„Unter Deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin! Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern erlöse uns jederzeit aus allen Gefahren. O Du glorwürdige und gebenedeite Jungfrau, unsere Frau, unsere Mittlerin, unsere Fürsprecherin, versöhne uns mit Deinem Sohne, empfiehl uns Deinem Sohne, stelle uns Deinem Sohne vor." Ja, Du apokalyptische Frau und Siegerin, führe Du uns zum Sieg!

Liebe Grüsse und Gottes Segen
Sairo