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römisch-katholisch => Fragen und Themen zum katholischen Glauben => Thema gestartet von: Anemone am 23. Mai 2011, 10:15:09

Titel: Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 23. Mai 2011, 10:15:09
Liebe Leser/liebe Forumsmitglieder!

Ich werde an dieser Stelle eine Reihe „Glaubensfragen, was die katholische Kirche wirklich lehrt“, zusammengestellt von DDDr. Peter Egger schreiben. (Ich habe mir ein Vortragsvideo von ihm angesehen und mir gefiel sehr, dass er am Beginn des Vortrages gemeinsam mit den Zuhörern das Gebet „Komm Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe,...Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade,...Gebet zum Heiligen Schutzengel... gebetet hat.)

KRITIK AN GLAUBE UND KIRCHE
WAS KÖNNEN WIR ANTWORTEN?


DIE SCHWIERIGKEITEN DER CHRISTEN

Wir Christen tun uns oft schwer, auf diese Kritik und auf diese Anklagen zu antworten

Wir haben oft Schwierigkeiten, die Angebote auf dem religiösen Supermarkt zu widerlegen

Was können wir auf diese kritischen Äußerungen erwidern?

Wie können wir die alternativen Angebote widerlegen?

Wie können wir unseren Glauben rechtfertigen und verteidigen?

APOLOGETIK
 
VERTEIDIGUNG DES GLAUBENS

Es braucht heute eine geistige Rechtfertigung und Verteidigung des Glaubens

Die Apologetik dient aber auch dazu, andere Menschen für den christlichen Glauben zu gewinnen

I  GOTT

1. KRITIK:

"Gott ist eine Erfindung des Menschen"

ANTWORT:

Der Glaube an Gott hat seine guten Gründe

GRÜNDE FÜR DEN GLAUBEN AN GOTT

1) Kosmos und Natur verlangen intelligente Ursache
2) Stimme im Gewissen stammt nicht von uns selbst
3) Das Weltall hat einen Anfang → absolute Ursache
4) Das Wirken Gottes in der Geschichte Israels (AT)
5) Persönliche Erfahrungen, dass es Gott eingreift

2. KRITIK:

"Ich lebe auch ohne Gott. Ich brauche keinen Gott"

ANTWORT:

Für einen denkenden Menschen hat Gott eine vielfache Bedeutung

DIE BEDEUTUNG GOTTES FÜR MEIN LEBEN

1) Ursprung und Selbstverständnis des Menschen
2) Orientierung des Menschen (Zehn Gebote)
3) Zuflucht des Menschen in Notzeiten
4) Erlösung des Menschen von Lastern u. Süchten
5) Letztes Ziel und letzter Sinn des Menschen

3. KRITIK:
"Der Gott des Alten Testaments ist ein grausamer Gott"

ANTWORT:

Im Alten Testament zeigt sich Gott vorwiegend als:

1) Herr
2) Gesetzgeber
3) Richter
Als Herr, Gesetzgeber und Richter belohnt und bestraft Gott die Menschen

Im Neuen Testament kommt es durch Jesus Christus zu einem vertieften Gottesverständnis:

1) Vatergott
2) Barmherziger Gott
3) Erlösender Gott

Aus der Sicht des Neuen Testaments ist der Gott des Alten Testaments ein grausamer Gott

Aber aus der Sicht der Antike hat sich Jahwe radikal von den Göttern anderer Völker unterschieden:

1) Ein Gott des Gesetzes
2) Ein Gott der Gerechtigkeit
3) Ein Gott, der Gutes belohnt und Böses bestraft

Die Götter der anderen Religionen waren oft:

1) Lasterhafte Götter
2) Willkürliche Götter
3) Rächende Götter

Der Gott des Alten Testaments zeigt sich noch nicht als der Gott des Neuen Testaments

Aber er unterscheidet sich bereits radikal von den Göttern der anderen Religionen

Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 23. Mai 2011, 10:24:45
II  SCHÖPFUNG


1. KRITIK:

"Es braucht keinen Schöpfer. Die Welt lässt sich durch die Evolution erklären."

ANTWORT:

Es hat eine Evolution im Sinne einer Höherentwicklung gegeben

Die entscheidende Frage ist, wie man die Evolution erklärt

MÄNGEL DER EVOLUTIONSTHEORIE

Die Evolutionstheorie versucht die Evolution mit folgenden Ursachen zu erklären:

1) Mutation (zufällige Veränderungen von Organismen, die zu höheren Entwicklungsstufen führen)

2) Adaptation (Anpassung der Organismen an die Umwelt)

3) Selektion (Auswahl der neuen Eigenschaften, die sich im Kampf um das Überleben bewährt haben)

4) Reproduktion (Weitergabe der bewährten neuen Eigenschaften an die nächste Generation)

Diese Ursachen spielen bei der Evolution eine gewisse Rolle, aber sie reichen nicht aus

OFFENE FRAGEN:

1) Herkunft des Weltalls, das selbst einen Anfang hat?
2) Herkunft der Naturgesetze, die die Evolution ermöglichen?
3) Höherentwicklung nur durch zufällige Veränderungen?
4) Entstehung von Leben und Geist aus reiner Materie?
5) Entstehung der DNA und DNS, die Milliarden Daten speichern und die Vererbung ermöglichen?

6) Entstehung der Ökosystemen, bei denen unzählige Pflanzen und Tieren sich gegenseitig bedingen?
7) Entstehung des menschlichen Gehirns mit Milliarden von Vernetzungen?
8) Entstehung des geistigen Bewusstseins, des abstrakten Denkens und der abstrakten Sprache?

Die genannten Ursachen der Evolutionstheorie reichen nie aus, um die Evolution der Welt zu erklären

Es braucht eine geistige und schöpferische Wirkursache: Gott

2. KRITIK:

"Gott ist in der Natur"

ANTWORT:

Gott kann nicht mit der Natur gleichgesetzt werden

1) Die Natur hat einen Anfang
2) Die Natur hat Grenzen
3) Die Natur wächst und stirbt
4) Die Natur ist auch grausam

Gott ist nicht mit der Natur identisch

3. KRITIK:

"Adam und Eva sind nur ein Märchen. Der Mensch stammt vom Affen ab."

ANTWORT:
 
Der Bericht von Adam und Eva enthält viele grundlegende Aussagen über den Menschen

- Am Anfang gab es nur ein Menschenpaar

- Gemeinsamer Ursprung des Menschengeschlechts

- Körperliches Wesen

- Geistiges Wesen

- Gemeinschaftswesen

- Geschlechtliches Wesen

- Aufgabe des Mannes (Welt)

- Aufgabe der Frau (Mensch)

- In eine Ordnung hineingestellt

- Gefallenes Wesen

- Erlösungsbedürftiges Wesen

UNTERSCHIED AFFE - MENSCH

AFFE:


- Kein abstraktes Denken
- Bewusstsein, kein Selbstbewusstsein
- Kombinatorische Fähigkeiten, keine Kreativität
- Lautsprache, aber keine begriffliche Sprache
- Anpassung an die Umwelt, keine Emanzipation


MENSCH:

- Abstraktes Denken
- Selbstbewusstsein
- Kreativität
- Begriffliche Sprache
- Emanzipation von der Welt


Die menschlichen Fähigkeiten sind ein qualitativer Sprung gegenüber dem Affen

Die menschlichen Fähigkeiten lassen sich nicht vom Affen ableiten
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 24. Mai 2011, 09:27:24
III  BIBEL


1. KRITIK:

"Die Bibel ist ein rein menschliches Buch"

ANTWORT:

Die Bibel ist ein von Gott inspiriertes Buch

HINWEISE AUF DIE INSPIRATION DER BIBEL

GOTTESBILD:

- Eingottglauben gegen Vielgottglauben
- Transzendenter Gott gegen Naturgötter
- Heiliger Gott gegen Götter mit Schwächen
- Vatergott gegen willkürliche Götter


MORAL:

- Zehn Gebote - zeitlos gültige moralische Werte

PROPHEZEIUNGEN:

- Botschaften von zukünftigen Ereignissen, die tatsächlich eingetroffen sind

SPIRITUALITÄT:

- Geistliche Kraft durch Lesen der Heiligen Schrift

In der Bibel offenbart sich ein höherer Geist!

2. KRITIK:

"Gewisse Stellen der Bibel wurden unterschlagen"

ANTWORT:

Es wurden keine Stellen unterschlagen

 
HINWEISE AUF DIE VOLLSTÄNDIGKEIT

- Viele Funde von alten Bibeltexten
   (Qumran, Codices)
- Jüdische Bibel Bestätigung für christliches AT
- Bestätigung durch alte Funde
- Bestätigung durch alte Übersetzungen


3. KRITIK:

"Die Apokryphen (inoffizielle Schriften) enthalten die eigentliche Wahrheit über Jesus Christus"

ANTWORT:

Die Kirche anerkennt nur die Aussagen der ersten Glaubenszeugen (Apostel und Apostelschüler)

Die Kirche lehnt Schriften ab, die nicht den Aussagen der ersten Glaubenszeugen entsprechen und die von anderen Lehren durchdrungen sind (Gnosis)

Daher werden apokryphe Aussagen über Jesus abgelehnt (z. B. Liebesgeschichte mit Maria Magdalena)
 

Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 24. Mai 2011, 09:56:36
IV  JESUS CHRISTUS

1. KRITIK:

"Jesus war nicht der Sohn einer Jungfrau, sondern der Sohn von Josef und Maria"

ANTWORT:

Bei Gott ist kein Ding unmöglich, auch nicht eine Schwangerschaft ohne Zutun des Mannes

Josef stellte fest, dass Maria ohne sein Zutun schwanger war

2. KRITIK:

"Jesus war ein ganz gewöhnlicher Mensch"

ANTWORT:

Jesus ist der Sohn Gottes

HINWEISE AUF DIE GOTTHEIT JESU

1) Unvergängliche Lehre

2) Wunder

3) Dämonenaustreibungen

4) Auferstehung

3. KRITIK:

"Jesus hat keine Wunder gewirkt"

ANTWORT:

1) Unzählige detaillierte Berichte (Namen, Orte)

2) Viele Augenzeugen (Juden, Griechen)

3) Zeugnis der Gegner

4) Berichte in nicht-christlichen Quellen

5) Auch heute geschehen Wunder im Namen Jesu

4. KRITIK:

"Jesus ist nicht von den Toten auferstanden"

ANTWORT:

1) Es gab über 500 Augenzeugen

2) Jesus erschien an verschiedenen Orten

3) Jesus erschien über einen längeren Zeitraum

4) Experimentelle Überprüfung der Auferstehung (Apostel Thomas)


 
V  KIRCHE

1. KRITIK:

"Christus hat keine Kirche gegründet"

ANTWORT:

"Christus hat sehr wohl eine Kirche gewollt"

HINWEISE AUF DIE GRÜNDUNG DER KIRCHE

1) Berufung der Apostel (Namen der Apostel)

2) Bildung der Jünger-Gemeinschaft

3) Schulung der Jünger

4) Vollmachten der Jünger

5) Petrus als Fundament der Kirche

6) Missionsauftrag


2. KRITIK:

"Man kann auch ohne Kirche Christ sein"

ANTWORT:

Man kann nicht ohne Kirche Christ sein

NOTWENDIGKEIT DER KIRCHE

1) Verkündigung des Evangeliums

2) Empfang der Sakramente

3) Stärkung durch die Gemeinschaft


3. KRITIK:

"Die Kirche hat viele Fehler gemacht"

ANTWORT:

Ja, die Kirche viele Fehler gemacht

1) Die Kirche ist eine Kirche der Sünder

2) Keine Kirche der Vollkommenen

4. KRITIK:

"Die Kirche ist weltfremd"

ANTWORT:

Die Kirche ist in der Welt,aber nicht von der Welt

1) Die Kirche erkennt die Zeichen der Zeit

          2) Die Kirche macht aber nicht Dinge mit, die gegen die Lehre und die Werte Jesu verstoßen

3) Die moderne Zivilisation ist im Verfall

4) Die Werte der Kirche überleben alle Zeiten

5. KRITIK:

"Die Kirche ist gegen die Demokratie"

ANTWORT:

           Die Kirche ist kein demokratischer Verein

           1) Die Lehren und die moralischen Werte der Kirche kommen von Gott und Jesus Christus

2) Über diese Lehren und Werte kann nicht demokratisch abgestimmt werden

6. KRITIK:

"Die Kirche ist leibfeindlich"

ANTWORT:

Die Kirche ist nicht leibfeindlich

1) Die Theologie des Leibes (Johannes Paul II.)

2) Die Kirche ist gegen Missbrauch der Sexualität

3) Die Kirche gegen eine Vergötzung des Leiblichen


7. KRITIK:

"Die Kirche ist wissenschaftsfeindlich"

ANTWORT:

Die Kirche ist nicht wissenschaftsfeindlich

1) Die Kirche hat sich gegen wissenschaftliche Theorien gewehrt, die gegen den Glauben waren

2) Die Kirche hat aber die Wissenschaften auch in vielfacher Hinsicht gefördert

(Klöster, Bibliotheken, Akademien, Universitäten)
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 24. Mai 2011, 11:07:16

3. KRITIK:

"Jesus hat keine Wunder gewirkt"

ANTWORT:

1) Unzählige detaillierte Berichte (Namen, Orte)

2) Viele Augenzeugen (Juden, Griechen)

3) Zeugnis der Gegner

4) Berichte in nicht-christlichen Quellen

5) Auch heute geschehen Wunder im Namen Jesu


Liebe LESER/ Liebe Forumsmitglieder!

Zum Satz „Jesus, hat keine Wunder gewirkt“ möchte ich Euch kurz meine persönliche Erfahrungsgeschichte erzählen:

Ich war wie gewohnt mit ganzem Herzen und voll Freude in der Sonntagsmesse.  Mitten in der Heiligen Messe, während des Evangeliums (Priester las die Stelle“Die Speisung der Viertausend“)  wollte Satan mir weismachen, dass Jesus keine Wunder tat. Ich habe mich nicht beirren lassen und ich habe mich sofort direkt an Jesus gewendet : Jesus, ich glaube dir! Und  Jesus beschenkte mich mit unsagbaren Frieden im Herzen. Ab diesem Moment konnte ich nur weinen und weinen.  Denn mein Herz war voll des Friedens und ich war dem Herrn Jesus noch nie so nahe. Ich habe euch das aufgeschrieben, damit ihr seht von wem dieses „Jesus, hat keine Wunder gewirkt“ kommt.

Gottes Segen

Anemone
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 25. Mai 2011, 09:49:30
VI  KIRCHENGESCHICHTE


1. KRITIK:

"Die Kirchengeschichte ist voller Greuel"

- Kreuzzüge
- Inquisition
- Hexenverbrennungen usw.


ANTWORT:

Es hat tatsächlich viele schlechte Dinge gegeben

Aber manche Dinge werden einseitig dargestellt

KREUZZÜGE:

1) Das Heilige Land war ein christliches Land

2) Der Islam hat den christlichen Vorderen Orient und das christliche Nordafrika erobert

3) Es gab ständige Überfälle auf christliche Pilger

4) Befreiung eines ursprünglich christlichen Landes


Das soll aber keine Rechtfertigung für viele Gräueltaten während der Kreuzzüge sein

INQUISITION:

1) Die Inquisition war ein religiöser Gerichtshof

2) Die Inquisition wurde nach den Religionskriegen gegen die Katherer und Waldenser gegründet


3) Das Verhör von verdächtigen Personen sollte religiöse Konflikte und Kriege verhindern

4) Leider wurde dabei auch die Folter verwendet, um Geständnisse zu erpressen

5) Galileo Galilei wurde von der Inquisition mit der Folter gedroht, aber er wurde nicht gefoltert

HEXENVERBRENNUNGEN:

1) Hexenverbrennungen gab es von 1450-1795

2) Dokumente: "Hexenhammer" und "Hexenbulle"

3) Zahl: Nicht 2,9 Millionen, sondern 50.000

4) Im Kirchenstaat keine Hexenverbrennung

5) Nicht nur in katholischen, sondern auch in protestantischen und calvinischen Gegenden

GROSSE VERDIENSTE DER KIRCHE

Die Kirche hat auch viel Gutes geleistet:
1) Verkündigung der Frohbotschaft
2) Verteidigung von Werten (Leben, Ehe, Familie)
3) Spirituelle Betreuung der Menschen
4) Kulturelle Leistungen (Kunst, Literatur, Musik)
5) Sozialleistungen
    Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser,
    Altersheime, Caritas, Entwicklungshilfe

6) Große Heilige
    Benedikt
    Franziskus
    Elisabeth
    Ignatius von Loyola
    Teresa von Avila
    Don Bosco
    Maximilian Kolbe
    Mutter Teresa
    Johannes Paul II.

Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 25. Mai 2011, 10:00:02
VII  PAPST

1. KRITIK:

"Der Papst beansprucht eine Autorität, die ihm nicht zusteht"

ANTWORT:

Christus hat Petrus das oberste Amt der Kirche gegeben und die entsprechende Autorität verliehen

DIE BINDE- UND LÖSEGEWALT

"Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein; und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein." (Mt 16,18)

DIE STÄRKUNG DER BRÜDER IM GLAUBEN

"Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder." (Lk 22,32)

PETRUS, DER OBERSTE HIRTE

Jesus hat nach seiner Auferstehung dreimal zu Petrus gesagt, dass er als Hirte die Gläubigen "weiden" soll (vgl. Joh 21,15-17).
Der Papst ist der oberste Lehrer, Priester und Hirte der Kirche


2. KRITIK:

"Der Papst ist nicht unfehlbar"

ANTWORT:

Der Papst ist nur in bestimmten Bereichen und nur unter bestimmten Voraussetzungen unfehlbar

VORAUSSETZUNGEN FÜR UNFEHLBARKEIT

1) Voraussetzung: Binde- u. Lösegewalt des Papstes
2) Bereich: Glaubens- und Sittenfragen

3) Bedingung: Ex cathedra - Erklärung (Dogma)

In den vergangenen 150 Jahren gab es nur zwei unfehlbare Erklärungen:

1) Das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Marias
2) Das Dogma von der Aufnahme Marias in den Himmel mit Leib und Seele

Die Unfehlbarkeit des Papstes betrifft nicht:

1) Themen außerhalb von Glaubens- u. Sittenfragen
2) Erklärungen, die nicht ex cathedra erfolgen
3) Lebenswandel des Papstes
4) Kirchenführung
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 27. Mai 2011, 08:01:04
VIII  PRIESTER


1. KRITIK:

"Die Priester wollen bestimmen und herrschen"

ANTWORT:

Die Priester haben von Christus den Auftrag, die Christen zu führen und zu leiten
Die Priester sollen aber nicht herrschen, sondern den Menschen dienen

2. KRITIK:
"Viele Priester führen ein unheiliges Leben"
(Frauen, Alkohol, Vergnügen, Wohlstand)

ANTWORT:

Es gibt einzelne Priester, die ein unheiliges Leben führen und ein schlechtes Beispiel geben
Es gibt aber auch viele Priester, die ein vorbildliches Leben führen
Es geht nicht, dass man den ganzen Priesterstand schlecht macht
 
3. KRITIK:

"Der Zölibat der Priester soll freiwillig sein oder abgeschafft werden"

ANTWORT:

Jesus Christus hat zölibatär gelebt; er hat seine Jünger aufgefordert, alles zurückzulassen

DIE BEDEUTUNG DES ZÖLIBATS

1) Der Zölibat gehörte zur Lebensform Jesu
2) Der Zölibat gehört zu den evangelischen Räten
    ("Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen")
3) Der Zölibat gehörte zum Lebensstil der Apostel
    ("Wir haben alles zurückgelassen...)
4) Der Zölibat ist Ausdruck der Ganzhingabe an Gott
5) Der Zölibat ermöglicht die völlige Verfügbarkeit

4. KRITIK:
"Der Zölibat ist schuld an der Pädophilie der Priester"

ANTWORT:

Die Pädophilie geht nicht auf den Zölibat, sondern auf eine infantile Sexualität zurück

5. KRITIK:

"Die Frauen sollen zu Priesterinnen geweiht werden"

ANTWORT:

Jesus Christus hat keine Frauen zu Priesterinnen geweiht

ÜBERLEGUNGEN ZUM FRAUENPRIESTERTUM

1) Christus hatte keine Vorbehalte gegen Frauen
2) Ergänzungsprinzip Mann – Frau:

- Mann und Frau erfüllen spezifische Aufgaben in der Gesellschaft, die sich ergänzen
- Mann und Frau sollen auch in der Kirche spezifische Aufgaben erfüllen, die sich ergänzen

3) Alle Bereiche abdecken

- Wenn die Frauen die gleichen Aufgaben in der Kirche übernehmen würden, würden große Bereiche der Kirche zusammenbrechen

4) Allgemeines Priestertum der Frau


- Familie
- Erziehung
- Beruf
- Pfarre
- Gesellschaft
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 27. Mai 2011, 08:49:10
IX  MORAL


1. KRITIK:

"Die Kirche hat eine überholte Moral"

ANTWORT:

Die Zehn Gebote sind eine sehr solide Moral; sie schützen die lebenswichtigen Grundwerte

BEDEUTUNG DER ZEHN GEBOTE

1) Der Glaube an Gott

2) Die Ehrfurcht vor Gott

3) Die Verehrung von Gott

4) Die Familie

5) Das Leben

6) Die Liebe und Ehe

7) Das Eigentum

8) Die Wahrheit

9) Die Treue

10) Der soziale Frieden


2. KRITIK

"Die Kirche ist gegen das Zusammenleben"

"Es geht auch ohne Trauschein"

ANTWORT:

Die Kirche weist darauf hin, dass die Liebe ein dauerhaftes Bündnis sein soll, welches den Liebenden und den Kindern Halt und Geborgenheit gibt

Die Erfahrung zeigt, dass die Liebe ohne feste Bindung häufig zu einem ständigen Partnerwechsel führt

BEDEUTUNG DER KATHOLISCHEN EHE

1) Die Ehe ist ein endgültiges Bündnis der Liebe

2) Die Ehe gibt Halt in guten und bösen Tagen

3) Die Ehe ist die Stätte neuen Lebens

4) Die Ehe gibt den Kindern eine feste Geborgenheit

5) Die Eheleute werden durch Gott verbunden

3. KRITIK:"Die Kirche ist gegen die Wiederverheiratung der Geschiedenen"

ANTWORT:Jesus Christus ist gegen die Wiederverheiratung der Geschiedenen (vgl. Mt 19,3-12)

DIE KATHOLISCHE EHE IST UNAUFLÖSLICH

1) Jesus Christus hat die Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe verkündet

2) Die Ehe ist nach katholischem Verständnis ein Sakrament, durch das Gott selbst die Ehegatten miteinander verbindet
         "Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen" (Mt 19,6)

3) Ein Sakrament kann nicht rückgängig gemacht werden

Die Ehegatten bleiben also miteinander verheiratet, auch wenn sie getrennt voneinander leben

4. KRITIK:

"Die wiederverheirateten Geschiedenen werden nicht zur Kommunion zugelassen"

ANTWORT:

Wer sich durch die schwere Sünde eines Ehebruchs von Gott trennt, kann nicht die Kommunion empfangen

ÜBERLEGUNGEN

1) Der Empfang der Kommunion setzt die Gemeinschaft mit Gott voraus

2) Durch die Wiederverheiratung kommt es zum Ehebruch, der zur Trennung von Gott führt

3) Dieser Zustand der Trennung von Gott erlaubt nicht den Empfang der Kommunion


5. KRITIK:

"Die Kirche ist gegen die Verhütungsmittel"

ANTWORT:

Die Kirche schützt die Sexualität vor einer folgenreichen Manipulation

GRÜNDE GEGEN VERHÜTUNGSMITTEL

1) Folgen der Verhütungsmittel:

- Frühsexualisierung
- Freies Zusammenleben
- Mehr Seitensprünge

- Zunehmende Promiskuität (Partnerwechsel)
- Zunahme der Geschlechtskrankheiten
- Kinderlose Gesellschaft


2) Verantwortete Elternschaft
Verantwortete Elternschaft und Familienplanung,
innerhalb der Freiräume, die die Schöpfung vorsieht

Keine künstliche Empfängnisverhütung,
sondern natürliche Empfängnisregelung

6. KRITIK:

"Die Kirche ist gegen Kondome als Schutz gegen AIDS"

ANTWORT:

Die Kondome sind kein sicheres Mittel gegen AIDS; gegen AIDS hilft nur ein enthaltsames Leben der Infizierten

ÜBERLEGUNGEN

1) Kondome sind kein sicheres Mittel gegen AIDS
(85-90 Prozent; in 15 von 100 Fällen geht’s daneben)

2) In Washington stieg die AIDS-Rate zwischen 2007-2009 trotz Kondomen um 22 Prozent

3) Den einzigen wirksamen Schutz gegen AIDS bieten Beziehungen in ehelicher Treue

4) Infizierte müssen in völliger Enthaltsamkeit leben


7. KRITIK:

"Die Kirche ist gegen die Homosexualität"

ANTWORT:

Die Kirche betrachtet die Homosexualität als eine Form der Sexualität, die sich gegen den Plan Gottes richtet

Gott hat von der Liebe zwischen Mann und Frau und vom Auftrag zur Fruchtbarkeit gesprochen


ÜBERLEGUNGEN

        1) GEGEN SCHÖPFUNGSORDNUNG

Die Homosexualität ist gegen die Schöpfungsordnung Gottes und die Zielsetzungen der Sexualität (Partnerschaft von Mann und Frau, Zeugung von Nachkommenschaft)

Die Homosexualität stellt Grundpfeiler der Gesellschaft in Frage:

- Identität von Mann und Frau
- Ehe von Mann und Frau
- Zeugung von Kindern
- Gemeinschaft der Familie


Die Kirche weiß um die Neigung zur Homosexualität

Die Kirche betrachtet aber die Umsetzung dieser Neigung als unmoralisch

Die Kirche ist aber gegen eine Diskriminierung der Homosexuellen als Personen
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 28. Mai 2011, 10:22:25
X  LETZTE DINGE


1. KRITIK:

"Es gibt kein Leben nach dem Tod"

ANTWORT:

Es gibt Hinweise auf ein Leben nach dem Tod

HINWEISE AUF EXISTENZ DER SEELE

- Geistige Akte des Menschen
- Konflikte zwischen Geist und Körper
- Sehnsucht nach dem Absoluten


MELDUNGEN VON VERSTORBENEN

- Viele Verstorbene haben sich gemeldet
- Zu allen Zeiten und bei allen Völkern
- Klopfzeichen, Schritte, Türen öffnen sich
- Laute, Erscheinungen von Verstorbenen


2. KRITIK

"Es gibt keine Hölle"

ANTWORT:

Jesus Christus weist mehrmals auf die Hölle hin


ÜBERLEGUNGEN

1) Hölle bedeutet ewige Trennung von Gott

2) Voraussetzungen:

- Bewusste und freiwillige Entscheidung gegen Gott
- Schwere Sünden, die nicht bereut und gebeichtet werden
- Keine Reue und Umkehr bis zum Tod
- Die Grundentscheidung gegen Gott macht den Menschen unfähig, in der Gemeinschaft mit Gott zu leben

- Der Mensch schließt sich durch seine Grundentscheidung gegen Gott selbst aus der Gemeinschaft mit Gott aus

3) Gott will nicht die Verdammung des Menschen

- Gott ist barmherzig und will nicht die Verdammung des Menschen

- Gott anerkennt aber die freie Entscheidung des Menschen
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 28. Mai 2011, 10:41:55
XI  ANDERE RELIGIONEN


1. KRITIK:

"Alle glauben an den gleichen Gott"

ANTWORT:

Ja und Nein

GLEICHE AUSSAGEN ÜBER GOTT

1) Gott ist die Erstursache
2) Gott ist absolut
3) Gott ist ewig und unendlich
4) Gott ist vollkommen
 
 
 
VERSCHIEDENE AUSSAGEN ÜBER GOTT

Die verschiedenen Religionen haben sehr verschiedene Auffassungen von Gott:

1) Gott als Natur (Naturreligion; Pantheismus)
2) Gott als absoluter Urgrund (Östliche Religionen)
3) Gott als reiner Schöpfer (Deismus)
4) Gott als willkürlicher Herrscher (Islam)
5) Gott als Vater (Christentum)
6) Gott als dreifaltiges Wesen (Christentum)


2. KRITIK:

"Das Christentum beansprucht, die wahre Religion zu sein"

ANTWORT:

Wenn Christus der Sohn Gottes ist, dann ist das Christentum die wahre Religion

ÜBERLEGUNGEN

1) Wenn Jesus Christus der Sohn Gottes ist, dann spricht in ihm Gott selbst zu uns

2) Jesus Christus ist nicht ein Weg und eine Wahrheit unter vielen anderen, sondern der Weg, die Wahrheit und das Leben
Die anderen Religionen haben Teilwahrheiten


3. KRITIK:

"Die Missionierung anderer Völker ist ein religiöser Zwang"

ANTWORT:

Jesus Christus hat den Auftrag gegeben, allen Völkern das Evangelium zu verkündigen

ÜBERLEGUNGEN

1) Missionsauftrag Jesu Christi
2) Angebot der Frohbotschaft Jesu Christi
3) Kein Zwang, sondern Überzeugung
4) Kein Fanatismus, sondern Zeugnis
5) Inkulturisation (christlicher Glaube innerhalb der jeweiligen Kultur; kein europäisches Christentum)



XII  ESOTERIK

1. KRITIK:

"Die Esoterik vermittelt dem Menschen Kraft und Gesundheit, sie vermittelt innere Harmonie und Ruhe. Warum ist die Kirche gegen die Esoterik?"

ANTWORT:

Die Esoterik hat ein völlig anderes Gottes- und Menschenbild

Die Esoterik verwendet auch okkulte Kräfte, die mit dem Christentum nicht zu vereinbaren sind

ÜBERLEGUNGEN:

1) Gott: Universale Energie

2) Kosmos und Welt: Ausfluss der göttlichen Energie

3) Mensch: Göttliches Wesen

4) Entfaltung: Aufnahme von göttlicher Energie

5) Methoden: Kosmische Energie, innere Energie

6) Geistführer: Führung durch geistige Wesen

7) Glück und Erfolg: göttliche Energie und Führung

8) Erlösung: göttliche Energie löst alle Probleme

9) Gesellschaft: One World (Einheit aller Menschen)

10) Unsterblichkeit: Seelenwanderung
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 29. Mai 2011, 15:57:15
Das katholische Glaubensbekenntnis 1 
 
Lehre der Kirche >> 


INHALTSVERZEICHNIS


DAS KATHOLISCHE GLAUBENSBEKENNTNIS



Vorwort

I  Der Glaube

II  Die Existenz Gottes

III  Das Wesen Gottes

IV  Die Bedeutung Gottes

V  Die Schöpfung

VI  Das Leben Jesu

VII  Die Menschwerdung Jesu

VIII  Die Herkunft Jesu

IX  Die Botschaft Jesu

X  Die Wunder Jesu

XI  Die Dämonenaustreibungen Jesu           

XII  Die Erlösung durch Jesus

XIII  Das Leiden und Sterben Jesu

XIV  Die Auferstehung Jesu

XV  Die Himmelfahrt Jesu

XVI  Jesus der Christus

XVII  Der Heilige Geist

XVIII  Die Dreifaltigkeit

XIX  Die Katholische Kirche           

XX  Die Gemeinschaft der Heiligen

XXI  Das ewige Leben

Anhang

Das Vorbild Christi

Die Nachfolge Christi           

Das Leid

Der Sinn des Lebens

Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 29. Mai 2011, 16:09:42


DAS KATHOLISCHE GLAUBENSBEKENNTNIS

VORWORT


Die Suche nach dem Glauben

Die Menschen unserer Zeit haben im Hinblick auf den Glauben jede Menge kritische Fragen und Zweifel. Meistens beginnt es schon mit der Frage nach Gott: Gibt es überhaupt einen Gott? Wie soll man sich diesen Gott eigentlich vorstellen? Wozu braucht man Gott überhaupt? Dann kommt die Frage nach der Schöpfung: Braucht es eigentlich einen Schöpfer? Könnte man die Welt nicht auch ohne Gott mit Hilfe der Evolution erklären? Und weiter geht es mit der Frage nach Jesus Christus: Hat Jesus überhaupt gelebt? War er wirklich der Sohn einer Jungfrau? Hat er tatsächlich Wunder gewirkt und Dämonen ausgetrieben? Und dann die schwierigste Frage: Ist Jesus wirklich von den Toten auferstanden? Kann man das überhaupt ernstnehmen? Und wie soll man daran glauben, dass es einen Heiligen Geist gibt? Der Heilige Geist ist doch nirgends greifbar! Und schließlich die Dreifaltigkeit: Wie soll denn das gehen, dass ein Gott aus drei Personen besteht?Im katholischen Glaubensbekenntnis ist auch noch die Rede von der Kirche, mit der der moderne Mensch oft seine besonderen Schwierigkeiten hat: Kann diese Kirche wirklich von Christus sein, wenn sie so viele Mängel und Fehler hat? Und wie ist das mit der Unfehlbarkeit des Papstes: Kann ein Mensch wirklich unfehlbar sein? Das Glaubensbekenntnis spricht dann auch von der Vergebung der Sünden: Wozu braucht man eigentlich die Vergebung der Sünden? Wenn man Probleme hat, geht man doch zu einem Psychologen. Und schließlich die Sache mit dem Weiterleben nach dem Tod: Gibt es wirklich ein Leben nach dem Tod? Gibt es wirklich ein Gericht nach dem Tod? Woher wissen wir eigentlich, dass es einen Himmel und eine Hölle gibt? Und wie kann der liebende und barmherzige Gott einen Mensch für ewig verdammen? Ist da nicht die Seelenwanderung die bessere Lösung: Da hat der Mensch wenigstens die Chance, dass die Seele nach einer längeren Wanderung durch mehrere Körper zum Nirwana gelangt und wie ein Tropfen im göttlichen Ozean verschwindet...

Der Glaube ist für unser Leben entscheidend

Fragen über Fragen! Aber es sind eigentlich recht interessante Fragen! Und vor allem sind es Fragen, die uns ganz persönlich berühren. Von der Beantwortung dieser Fragen hängt nämlich die Ausrichtung, das Ziel und der letzte Sinn unseres ganzen Lebens ab. Wenn wir nämlich glauben, dass es Gott gibt, dann vertrauen wir darauf, dass dieser Gott uns Geborgenheit und Halt schenkt. Wenn wir aber nicht an Gott glauben, dann sind wir ein Produkt des Zufalls und fahren einsam auf einem winzigen Raumschiff durch die Abgründe des Weltalls. Etwas Ähnliches gilt auch für den Glauben an Jesus Christus: Wenn wir glauben, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, der uns die göttliche Wahrheit über das Wesen und die Bestimmung des Menschen sagt, dann haben wir durch ihn eine klare Orientierung für unser Leben. Wenn wir aber in Jesus nur einen jüdischen Wanderprediger sehen, dann wird er uns genauso wenig zu sagen haben wie irgendein anderer Weiser. Das Gleiche gilt auch für den Heiligen Geist: Wer an das Wirken des Heiligen Geistes glaubt, erhält von ihm eine besondere geistliche Führung und Stärkung; wer nicht an ihn glaubt, wird nie erfahren, dass es eine göttliche Erleuchtung und Führung gibt. Der gläubige Mensch hat dann auch noch die Möglichkeit, dass er in der Kirche eine Gemeinschaft von gleichgesinnten Menschen findet, und dass er durch die Kirche die geistlichen Weisungen und Mittel bekommt, die er für ein geistliches Leben braucht. Wenn der Mensch hingegen nichts von der Kirche wissen will, dann lebt er ohne geistliche Gemeinschaft und ohne die Stärkung der göttlichen Heilmittel. Dieser Mensch wird sich eine Zeit lang recht wohl fühlen, weil es für ihn keine "kirchlichen Vorschriften" gibt, aber irgendwann wird er merken, dass er keine geistliche Gemeinschaft und Begleitung hat. Und schließlich führt der Glaube an das ewige Leben, an den Himmel und die Hölle zum Bewusstsein, dass das ganze Leben letztlich eine Bewährung für das ewige Leben bei Gott ist. Wer hingegen nicht an ein ewiges Leben glaubt, der hat oft den Eindruck, dass er alles aus diesem kurzen irdischen Leben herausholen muss... Das Leben des Gläubigen hat also ganz andere Perspektiven und Horizonte als das Leben eines Menschen, der sich nicht um den Glauben kümmert. Das Leben des Gläubigen ist in vieler Hinsicht anstrengender als das Leben eines ungläubigen und gleichgültigen Menschen und verlangt einen ständigen Einsatz. Aber es führt dafür zu einer ganz anderen Tiefe und Entfaltung des Menschen. Während sich der Weltmensch oft mit einem billigen Konsum zufrieden gibt, sucht und findet der gläubige Mensch einen tieferen und bleibenden Sinn in seinem Leben.
Lieber Freund, hab Mut, Dich gründlich mit dem Glauben auseinander zu setzen! Bemühe Dich, die tieferen Wahrheiten des Glaubens zu entdecken. Wenn Du einen festen Glauben hast, dann hast Du ein tragfähiges Fundament für Dein ganzes Leben! Durch Deinen Glauben und durch Deine Liebe zu Gott wirst Du schließlich Dein ewiges Ziel erreichen!
Brixen in Südtirol, A. D. 2010                                                                                 Peter Egger
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 29. Mai 2011, 16:38:36
I DER GLAUBE


Am Beginn des katholischen Glaubensbekenntnisses stehen die Worte: "Ich glaube..." Mit diesen Worten beginnt auch das Abenteuer unseres Glaubens! Da sind wir gleich ganz persönlich angesprochen und herausgefordert. Da gilt es zu letzten Wahrheiten Stellung zu nehmen, die unser ganzes Leben prägen und über unser ewiges Schicksal entscheiden! Diese Worte am Beginn des Glaubensbekenntnisses sind die entscheidenden Weichen, die den Expresszug unseres Lebens in die richtige Richtung lenken; sie sind aber auch die Stufen, die uns zur Hochebene Gottes gelangen lassen. Es lohnt sich daher, über diese Worte tiefer nachzudenken.

1) DER GLAUBE ALS PERSÖNLICHE ENTSCHEIDUNG

"Ich glaube": Das bedeutet zunächst, dass der Glaube ein persönliches Bekenntnis ist und eine persönliche Entscheidung erfordert. Wir müssen uns also selbst für den Glauben entscheiden und können dies nicht anderen überlassen. Wir sind selbst gefordert! Wir müssen uns persönlich mit den Glaubenswahrheiten auseinandersetzen und immer tiefer in sie eindringen, damit wir dann wirklich eine persönliche Entscheidung treffen können.


2) DER GLAUBE ALS FREIE ENTSCHEIDUNG

"Ich glaube": Das besagt dann auch, dass der Glaube eine freie Entscheidung des Einzelnen sein soll. Gott zwingt uns nicht, an ihn zu glauben. Er möchte, dass wir uns freiwillig zu ihm bekennen. Er will also keine Sklaven in seinem Reich, sondern Freiwillige. Er will keine Knechte, sondern Freunde bei sich haben. Freilich ist mit der freien Entscheidung in Glaubensdingen auch die volle Verantwortung verbunden: Der Mensch muss also die Konsequenzen seiner Entscheidung für oder gegen Gott tragen! Er muss wissen, dass sein Ja oder Nein zu Gott über sein ewiges Schicksal entscheidet.

3) DIE VERPFLICHTUNG, GOTT ZU SUCHEN

Obwohl das Bekenntnis zu Gott eine persönliche und freie Entscheidung des Menschen ist, bleibt doch die grundsätzliche Verpflichtung für jeden Einzelnen bestehen, sich mit den Fragen des Glaubens auseinander zu setzen. Die Freiheit der Glaubensentscheidung bedeutet also nicht, dass der Mensch sich dieser Entscheidung entziehen kann. Er ist vielmehr in seinem Gewissen dazu verpflichtet, sich ernsthaft mit dem Glauben auseinander zu setzen. Der Grund dafür ist sehr einfach: Die Frage nach Gott entscheidet nämlich über Sinn und Ziel, Moral und Einsatz, Hoffnung und Halt jedes einzelnen Menschen. Es sind gerade die Fragen nach den letzten Dingen - also ob es ein Leben nach dem Tod, ein Gericht, einen Himmel und eine Hölle gibt -, die über die Ausrichtung und Gestaltung des Lebens entscheiden. Und je nachdem, wie die Antwort auf diese Fragen ausfällt, wird dann auch das Leben des Menschen aussehen. Der Mensch kommt also um diese Fragen nicht herum! Ja, er kann nur dann Mensch werden, wenn er sich diesen Fragen in aller Ehrlichkeit stellt. Von daher ist also die Suche nach Gott und die Auseinandersetzung mit den Glaubensfragen eine Verpflichtung!

4) DER GLAUBE ALS EIN "FÜR-WAHR-HALTEN"

Was ist nun aber mit dem Wort "glauben" eigentlich gemeint? Glauben heißt zunächst, dass wir etwas "für-wahr-halten", das wir letztlich nicht beweisen können. Wir alle wissen, dass wir die Glaubenswahrheiten nicht mit wissenschaftlichen Methoden überprüfen können: Die Existenz Gottes, die Gottheit Jesu Christi, die Person des Heiligen Geistes, die göttliche Einrichtung der Kirche, die Vergebung der Sünden, die Auferstehung der Toten usw. können wir nicht im streng wissenschaftlichen Sinn beweisen. Wir müssen diese Dinge glauben, d. h. für-wahr-halten.

5) DER GLAUBE HAT ABER FUNDAMENTE

Dieses Für-wahr-halten bestimmter Glaubenslehren bedeutet aber nicht, dass wir diese einfach blind glauben müssen. Es gibt vielmehr eine Menge von einleuchtenden Gründen, die für die Wahrheit dieser Lehren sprechen; es gibt überzeugende Argumente, die uns auch mit der Vernunft den Glaubenswahrheiten zustimmen lassen. Viele Hinweise in der Natur und viele Erfahrungen im Gewissen lassen uns an die Existenz Gottes glauben; außergewöhnliche Ereignisse im Leben Jesu Christi lassen uns von der Gottheit Christi überzeugt sein usw. Um zu glauben, müssen wir also nicht einen Sprung in ein dunkles Loch tun.

6) DER GLAUBE IST LETZTLICH EIN GESCHENK

Trotz der vielen Gründe und Hinweise, die für die Berechtigung des Glaubens sprechen, bleibt der Glaube letztlich ein Geschenk Gottes. Der Glaube setzt nämlich ein inneres Licht voraus, ohne das es dem Menschen nicht möglich ist, die göttlichen Wahrheiten zu erkennen. Damit der Mensch das Göttliche begreifen kann, muss ihm Gott selbst die Augen dafür öffnen. Alle Gründe und Argumente für den Glauben reichen allein nicht aus, um den Glauben im Menschen zu entzünden. Die Gründe für den Glauben können nur dann etwas bewirken, wenn der Mensch bereits durch die Gnade Gottes mit einer heiligen Sehnsucht erfüllt wird und sich auf die Suche nach Gott macht. Die verschiedenen Gründe, Argumente und Hinweise können also nur den bereits erwachten Glauben führen und stützen.

7) DER GLAUBE ALS VERTRAUEN

Das Wort "glauben" bedeutet dann auch "vertrauen". An Gott glauben heißt also, dass wir Gott vertrauen, ja, dass wir uns ihm anvertrauen sollen! Dieses Vertrauen auf Gott ist das Entscheidende für unsere Beziehung zu Gott. Von der Größe unseres Gott-Vertrauens hängt es ab, wie sehr Gott wirken kann. So wie das Wasser den Schwimmer nur tragen kann, wenn er sich ihm anvertraut, so kann auch Gott den Menschen nur dann tragen, wenn er sich ihm anvertraut. Bei den Heiligen hat es sich immer wieder gezeigt, wie ein großer Glaube zu einem wunderbaren Wirken Gottes führt. Die Heiligen hatten ein so großes Vertrauen zu Gott, dass Gott durch sie auch Wunder wirken konnte! Solche Wunder könnten auch heute geschehen, wenn wir genügend Glauben hätten.

8) DIE GANZHINGABE AN GOTT

Die höchste Form des Glaubens erreichen wir schließlich, wenn unser Vertrauen in Gott so groß ist, dass wir ihm unser ganzes Leben übergeben. Dieser Glaube wird dann durch kein "Wenn" und "Aber" gegenüber Gott eingeschränkt. Gott kann ganz über uns verfügen! Wir sind völlig auf seinen Willen ausgerichtet und lassen uns vom Geist Gottes führen. Wir sind dann wie eine Möwe, die sich vom Meereswind tragen lässt: Sie bewegt kaum ihre Flügel und überlässt sich ganz der Strömung des Windes. So spannen auch wir die Flügel unserer Seele weit aus und lassen uns vom Geist Gottes tragen.

9) FÜR GOTT IST NICHTS UNMÖGLICH

Gott kann uns soviel schenken wie wir glauben. Die Größe unseres Glaubens entscheidet über die Größe der göttlichen Gnaden. Der Glaube ist wie eine Wasserleitung, die von der Quelle zu einem Garten führt: Wenn diese groß und sauber ist, kann viel Wasser durch sie fließen und der Garten gedeiht; wenn sie aber klein und verschmutzt ist, kommt kein Wasser durch und der Garten verödet. Die entscheidende Frage ist also, wie groß unser Glaube ist: Glauben wir, dass Gott uns heilen und vollenden kann? Glauben wir, dass Gott eine kaputte Ehe retten kann und einen Menschen vom Alkohol wegbringt? Glauben wir, dass Gott einen jungen Menschen aus der Droge herausholen kann? Trauen wir es Gott zu, dass er die moralischen und politischen Missstände überwinden kann? Glauben wir, dass Gott größer ist als jede noch so schwierige Situation? Glauben wir, dass für Gott nichts unmöglich ist? Ein solcher Glaube scheint uns zunächst unerreichbar, ja utopisch zu sein. Aber wir sind heute im privaten und im öffentlichen Leben oft in einer so verrückten und aussichtslosen Lage, dass wir fast gezwungen werden, wieder mit ganzer Kraft zu glauben! Wir erleben heute weltweit, dass die menschliche Weisheit oft am Ende ist und dass wir dringend die Hilfe Gottes brauchen. Wir können heute nur als Gläubige überleben! Wo aber dieser echte Glaube aufbricht, da lässt Gott die unglaublichsten Dinge geschehen: Da bekehren sich Menschen, die total versumpft waren; da versöhnen sich Feinde, die sich jahrzehntelang gehasst und bekämpft haben; da beginnt ein neues Leben in Freiheit und Freude, wo vorher nur Leidenschaft und Sinnlosigkeit geherrscht haben. Durch den Glauben kann Gott die Welt verändern! Deshalb braucht es heute mehr denn je echte Gläubige, durch die Gott wirken kann.

Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 30. Mai 2011, 09:02:20
II  DIE EXISTENZ GOTTES
 

Viele von uns spüren, dass der Glaube an Gott in unserer Zeit feste Fundamente braucht. Es gibt heute sehr viele Menschen, die an der Existenz und am Wirken Gottes zweifeln. Der Glaube an Gott ist heute nicht mehr selbstverständlich. Aus diesem Grund ist es bestimmt gut, wenn wir uns einmal fragen, warum wir an Gott glauben.  
Beginnen wir mit der elementaren Frage, ob es Gott überhaupt gibt. Welche Gründe lassen sich für die Existenz Gottes anführen? Wir stellen zunächst ganz nüchtern fest, dass wir Gott nicht mit unseren Sinnen erfassen können; wir können die Existenz Gottes aber auch nicht durch wissenschaftliche Experimente nachweisen. Wie können wir also behaupten, dass es Gott wirklich gibt? 

Um an die Existenz Gottes glauben zu können, müssen wir zunächst nach Wegen suchen, die uns zu Gott führen. Es gibt mehrere, recht unterschiedliche Wege, die uns zur Erkenntnis Gottes gelangen lassen. Die wichtigsten davon wollen wir kurz kennen lernen.

 
1) DER WEG ÜBER DIE NATUR

Viele Menschen haben Gott über die Natur gefunden. Sie haben sich darüber Gedanken gemacht, wie die Natur beschaffen sei. Dabei entdeckten sie eine Fülle von erstaunlichen Dingen: Sie erfuhren vom wunderbaren Aufbau der Atome, von den großartigen Leistungen der Zelle, von den unzähligen Informationen der Gene; sie staunten über die genialen Gesetzmäßigkeiten in der Pflanzen- und Tierwelt; sie entdeckten auch das Wunder des menschlichen Körpers und des menschlichen Geistes; sie betrachteten begeistert den nächtlichen Sternenhimmel! Dabei wurde ihnen immer mehr bewusst, dass diese Fülle von Intelligenz, Genialität und Schönheit, die sich in der Natur offenbart, unmöglich das Ergebnis von glücklichen Zufällen oder von einigen wenigen Entwicklungsfaktoren in der Natur sein konnte. Die Gesetzmäßigkeiten und der gesamte Aufbau der Natur erfordern einen überragenden Geist, der diese Natur entworfen und geplant hat. Dieser überragende Geist aber ist Gott!

So kann also die Natur gerade für den modernen Menschen zu einem Weg zu Gott werden: Die vielen großartigen Erkenntnisse und Entdeckungen der modernen Naturwissenschaft sollten dazu beitragen, dass wir auch den Urheber dieser grandiosen Werke leichter erkennen.


2) DER WEG ÜBER DAS GEWISSEN

Viele Menschen haben Gott auch über das Gewissen gefunden. Sie haben in ihrem Inneren das Wirken einer absoluten moralischen Autorität erfahren Diese moralische Autorität hat sie vor dem Bösen gewarnt und zum Guten angespornt; sie hat sie nach ihren bösen Taten getadelt und nach ihren guten Taten gelobt. Die lebendige Autorität in ihrem Inneren hat sie aber auch bestärkt und getröstet, ermutigt und aufgerichtet. Und je mehr sie dieser Autorität folgten und gehorchten, desto mehr spürten sie, wie sie von dieser wunderbar geführt wurden. Sie erlebten, wie sie die Autorität in ihrem Inneren zum Guten, zum Licht und zum Heil geleitete. Diesen Menschen wurde bewusst, dass hinter dieser Autorität in ihrem Gewissen eine lebendige geistige Instanz stand; sie spürten, dass sie von einem personalen Wesen geführt wurden, das an ihnen interessiert war und sie liebte. Sie erkannten, dass das Gewissen unmög1ich nur mit Hilfe von Instinkt, Genetik, Erziehung, Umwelt, Über-Ich erklärt werden konnte: Alle diese Faktoren spielten gewiss eine bestimmte Rolle, aber sie konnten niemals die lebendige, persönliche "Stimme" in ihrem Gewissen erklären. Sie erlebten, dass diese personale Autorität ihrem eigenen Ich gegenüberstand und dass sie hier einem unendlichen "Du" begegneten. Diese Autorität konnte also unmöglich von ihnen selbst stammen und ließ sich auch nicht von ihren verschiedenen Erfahrungen und Prägungen herleiten. So erfuhren und erkannten diese Menschen, dass sie in ihrem Gewissen dem lebendigen Gott begegneten, der sich ihnen zuwandte und sie anrief. Sie erlebten in ihrem Inneren, wie dieser Gott sie voll Liebe führte, aber sie auch vol Gerechtigkeit tadelte und ermahnte.

3) DER WEG ÜBER DIE PHILOSOPHIE

Nicht wenige Menschen haben Gott auch über die Philosophie gefunden. Sie haben sich Gedanken gemacht über den Anfang der Welt. Sie haben sich die Frage gestellt, woher das Weltall kommt, das vor etwa 20 Milliarden Jahren entstanden ist. Kam das Weltall aus dem Nichts? Aber das war wohl nicht möglich, da aus dem Nichts nichts hervorgehen kann Die Entstehung des Weltalls erforderte offensichtlich einen absoluten Urgrund, der es hervorgebracht hat. Dieser absolute Urgrund musste unabhängig von jeder weiteren Ursache aus sich heraus existieren können Dieser Urgrund musste aber auch vom ganzen Weltall verschieden sein, da er sonst selbst wieder einen Anfang gehabt hätte. Dieser Urgrund musste also das ganze Weltall übersteigen und konnte daher nicht materieller Art sein. Ein solcher absoluter Urgrund, der die Welt überstieg und nicht materieller Art war, konnte nur ein absolutes, geistiges Wesen sein. Ein solches Wesen aber ist Gott.

Diese Menschen beschäftigten sich dann auch mit der Frage, wie die Ordnung und die Zweckmäßigkeit aller Vorgänge in der Natur zu erklären seien. Woher kommt dieser wunderbare Stufenbau in der Natur, der von den Atomen bis zum Menschen reicht? Woher kommen die zweckmäßigen Systeme, die dem ganzen Natur-Haushalt zugrunde liegen? Wie kommt es zu den Lebensgemeinschaften von ganz verschiedenen Pflanzen und Tieren? Wie entstanden die riesigen Sonnen-Systeme und die gewaltigen Spiralnebel im Weltall? Woher kommen die Gesetze, die das Weltall und die Erde zu einer geordneten Einheit werden lassen? Alle diese Gesetze, Ordnungen und Systeme können nicht einfach zufällig im Weltall und in der Natur vorhanden sein. Ihnen liegt ein durchlaufender Gesamt-Plan zugrunde, der schon vor der Entstehung des Weltalls entworfen worden sein muss. Eine solche Planung erfordert aber wiederum ein geistiges Wesen, das planen kann: Gott.


4) DER WEG ÜBER DIE HEILIGE SCHRIFT

Viele Menschen sind auch durch die Heilige Schrift zu Gott gelangt. Sie vertieften sich in das Alte und Neue Testament und erfuhren, wie sich Gott dem Menschen genähert und geoffenbart hat. Sie lasen, wie Gott Abraham berufen und zum Stammesvater eines auserwählten Volkes gemacht hat. Sie vernahmen, wie Gott das israelitische Volk aus der ägyptischen Knechtschaft herausgeführt und im Laufe seiner späteren Geschichte immer wieder gerettet hat. Sie spürten, dass die Geschichte des israelitischen Volkes ohne das ständige Eingreifen einer höheren Macht unmöglich zu begreifen war. Sie erkannten aber auch, dass die Zehn Gebote, die Gott dem Volk Israel auf dem Berg Sinai gegeben hat, bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verlören haben. Sie staunten aber auch über das vergeistigte Gottesbild des israelitischen Volkes: Während die Hochkulturen der damaligen Zeit noch an viele Götter glaubten und Tiere und Gestirne anbeteten, glaubte dieses kleine Volk als einziges an einen Gott und verehrte ihn als ein geistiges und personales Wesen. Sie spürten, dass die Weisheit und das Gottesbild des Alten Testaments nur durch eine Offenbarung Gottes zu erklären war. Diese Menschen waren dann aber vor allem von den Lehren Jesu im Neuen Testament ergriffen. Welch ein wunderbares Gottesbild eröffnete sich ihnen in den Gleichnissen Jesu! Wie einmalig war doch das Gleichnis vom verlorenen Sohn, wie ergreifend war auch das Gleichnis vom verlorenen Schaf! Jesus zeigte ihnen, dass Gott ein liebender Vater ist, der sich um jeden einzelnen Menschen kümmert. Und da begannen sie, sich an den Gott Jesu Christi zu wenden und erlebten, wie der Geist und die Kraft dieses Gottes in ihnen zu wirken begannen. Sie lobten und priesen Gott und dankten ihm, dass er sich ihnen geoffenbart hatte.

5) DER WEG ÜBER DIE PERSÖNLICHE ERFAHRUNG

Die meisten Menschen haben Gott durch eine persönliche Erfahrung entdeckt. Sie haben in besonderen Augenblicken ihres Lebens erfahren, dass es Gott gibt und dass dieser Gott lebt und wirkt! Manche haben ihn in einer auswegslosen Situation um Hilfe angerufen und sind wunderbar erhört worden. Andere haben im Zustand einer schweren Schuld die anklagende Stimme ihres Gewissens so massiv erfahren, dass sie wussten, dass es den gerechten und strafenden Gott gibt. Wieder andere sind durch eine schwere Krankheit in einen seelischen Abgrund gefallen, in dem sie plötzlich die tröstliche Nähe Gottes erfahren haben. Schließlich durften viele Menschen auch heiligmäßigen Personen begegnen, die ein solches Licht und eine solche Liebe ausstrahlten, dass diese Menschen das Wirken Gottes in diesen Personen erlebten. Alle diese Erfahrungen haben den persönlichen Glauben von vielen Menschen gefestigt und vertieft.
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 31. Mai 2011, 20:44:33
III  DAS WESEN GOTTES


Wir haben bisher versucht, verschiedene Hinweise für die Existenz Gottes zu finden. Nun wollen wir uns noch etwas eingehender mit dem Wesen Gottes befassen. Wir haben zwei Möglichkeiten, das Wesen Gottes tiefer zu erfassen. Die eine Möglichkeit ist die sogenannte "natürliche Gotteserkenntnis", die sich der menschlichen Vernunft und Erfahrung bedient. Die zweite Möglichkeit ist die sogenannte "übernatürliche Gotteserkenntnis", die auf die Offenbarung (= Selbstmitteilung) Gottes zurückgeht.

0) DIE NATÜRLICHE GOTTESERKENNTNIS

Die natürliche Gotteserkenntnis versucht das Wesen Gottes mit Hilfe von philosophischen Überlegungen und psychologischen Erfahrungen zu erfassen. Sie geht dabei von konkreten Beobachtungen aus und gelangt schrittweise zur Erkenntnis von ganz bestimmten Zügen und Eigenschaften, die das Wesen Gottes charakterisieren.

1) GOTT ALS ABSOLUTES WESEN

Die Erforschung der Natur und des Kosmos führt zur Erkenntnis, dass die Existenz der vergänglichen Dinge eine erste unvergängliche Ursache voraussetzt, die wir Gott nennen. Wenn nun Gott die erste Ursache aller vergänglichen Dinge ist, dann setzt das voraus, dass er selbst ein absolutes Wesen ist, das unabhängig von einer weiteren Ursache aus sich selbst existiert (absolut: vom lat. absolutus = losgelöst, unabhängig). Gott kann aber nur dann ein absolutes Wesen sein, wenn er selbst das unvergängliche, vollkommene und absolute Sein ist.

2) GOTT ALS TRANSZENDENTES WESEN

Wenn Gott ein absolutes Wesen ist, kann er nicht mit der vergänglichen Natur und dem begrenzten Kosmos identisch sein. Natur und Kosmos haben einen Anfang und sind daher relative Größen. Gott muss daher die Natur und den Kosmos übersteigen, d. h. ein transzendentes Wesen sein (transzendent: vom lat. transcendere = übersteigen). Gott ist daher jenseits von Raum und Zeit, d. h. er ist unendlich und ewig.

3) GOTT ALS GEISTIGES WESEN

Wenn Gott die Natur übersteigt, kann er nicht ein materielles Wesen sein. Gott muss daher ein immaterielles, d. h. ein geistiges Wesen sein. Für dieses geistige Wesen Gottes spricht auch die Tatsache, dass Gott als Urheber der Welt über eine überragende Vernunft und damit über Geist verfügen muss.

4) GOTT ALS PERSONALES WESEN

Die inneren Erfahrungen im Gewissen führen zur Erkenntnis, dass Gott sich dem Menschen auf personale Weise zuwendet und ihn anspricht. Der Mensch vernimmt in seinem Gewissen die "Stimme" Gottes. Er erfährt seinen Anruf und seine Führung, seine Mahnung und seinen Tadel, seine Ermutigung und seinen Trost. Gott zeigt sich im Gewissen als ein geistiges Wesen mit einem personalen Willen, aber auch als ein Wesen voll personaler Liebe, Güte und Gerechtigkeit. Alle diese Züge setzen aber voraus, dass Gott ein personales Subjekt ist, das verschiedenste geistige Akte setzen kann.

Die natürliche Gotteserkenntnis kann aufgrund von verschiedenen Schlussfolgerungen und Erfahrungen gewisse Wesenszüge Gottes ergründen. Da jedoch jede natürliche Erkenntnis des Menschen beschränkt ist, kann sie niemals das ganze Wesen Gottes erfassen und begreifen.


Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 31. Mai 2011, 21:18:04
DIE ÜBERNATÜRLICHE GOTTESERKENNTNIS

Neben der natürlichen Gotteserkenntnis gibt es auch die übernatürliche Gotteserkenntnis. Die übernatürliche Gotteserkenntnis versucht das Wesen Gottes auf der Grundlage der Offenbarung bzw. Selbstmitteilung Gottes zu erfassen. Gott hat sich bei verschiedenen Gelegenheiten dem Menschen geoffenbart und ihm dabei verschiedene Merkmale seines Wesens mitgeteilt. Die Offenbarung Gottes erging an verschiedene auserwählte Gestalten des Alten Testaments (z. B. an die Patriarchen, an Moses und die Propheten). Sie geschah aber vor allem durch Jesus Christus. Wir wollen hier kurz die wichtigsten Wesenszüge Gottes aus der christlichen Offenbarung anführen:

1) GOTT ALS SCHÖPFER

Gott hat sich zunächst als der Schöpfer geoffenbart, der Himmel und Erde erschaffen hat. Im Schöpfungsbericht des Alten Testaments erfahren wir, wie der Himmel und die Erde durch den Willen Gottes ins Dasein gerufen wurden (vgl. Gen 1,1-2,4a). (Die Darstellung der Schöpfung im Buch Genesis  darf nicht als eine naturwissenschaftliche Erklärung für die Entstehung des Kosmos und der Welt verstanden werden. Es geht bei diesem Bericht um die Offenbarung Gottes, dass die Welt durch ihn geschaffen wurde.) Diese Offenbarung ist ein Hinweis auf die überragende Größe, Weisheit und Allmacht Gottes.

2) GOTT ALS HERR

Gott hat sich auch als Herr geoffenbart. Im ganzen Alten Testament ist von Gott als dem "Herrn" die Rede: Gott stellt sich Abraham und Jakob als der "Herr" vor (vgl. Gen 15,7; 28,13); bei der Berufung des Moses sagt Gott, dass er  der "Herr" sei (vgl. Ex 6,2). Auch beim Bundesschluss am Sinai nennt sich Gott mehrmals den "Herrn" (vgl. Ex 20,5-10). Und auch die Propheten spricht Gott als "Herr" an (vgl. Jes 42,8; Jer 24,7).  Gott verlangt Ehrfurcht und Anbetung. Er gibt Gebote und verlangt Gehorsam (vgl. Dtn 6,2). Er ist als absolutes Wesen der Herr über die Schöpfung und den Menschen. Gott ist das Höchste und Größte, vor dem sich der Mensch in Ehrfurcht verneigen muss. Der Mensch ist aufgerufen, Gott den Herrn "mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft" (Dtn 6,4) zu lieben.

3) GOTT ALS VATER

Gott hat sich dann - vor allem durch Jesus Christus - auch als Vatergott geoffenbart. Jesus spricht Gott als "Abba", als "Vater" an (Lk 11,2) ("Abba" bedeutet eigentlich "Väterchen"). Dieser Vatergott ist ein liebender Gott, der das Glück und das Heil des Menschen will. Dieser Vatergott ist auch voller Barmherzigkeit und gibt dem Menschen immer wieder die Möglichkeit, neu zu beginnen (Lk 15,11-32). Dieser Vatergott zwingt dem Menschen nicht seinen Willen auf, sondern lässt ihm seinen freien Willen. Und wenn sich der Mensch gegen Gott entscheidet, dann leidet dieser Vatergott darunter und versucht den Menschen zu retten. Der Mensch bedeutet ihm soviel, dass er sogar seinen eingeborenen Sohn in die Welt schickt, um ihn zu retten und heimzuholen (vgl. Joh 3,16).

4) GOTT ALS RICHTER

 Gott hat sich dann auch als Richtergott geoffenbart (vgl. Gen 18,25; Weish 6,3; Sir 35,12 u.a.) Gott wird den Menschen nach dem Tod zur Rechenschaft ziehen (vgl. Hebr 9,27). Er wird den Menschen nach seinem Leben und nach seinen Werken richten (vgl. Joh 3,18; Röm 10,9-13; Jak 2,14-26) Er wird prüfen, was der Mensch aus den Talenten gemacht hat, die er ihm gegeben hat (vgl. Mt 25,14-30). Wenn der Mensch sich im Laufe seines Lebens bewährt hat und mit Gottes Hilfe vollendet und geläutert ist, wird er in die Gemeinschaft mit Gott (= Himmel) aufgenommen. Wenn der Mensch sich aber schwer gegen Gott und die Mitmenschen versündigt hat und seine Sünden nicht bereut, wird er aus der Gemeinschaft mit Gott ausgeschlossen (= Hölle). So wird also Gott jeden Menschen je nach seinem Lebenswandel belohnen oder bestrafen (vgl. Röm 2,6-11; 1 Petr 1,17).

5) GOTT DER DREIFALTIGE

Gott hat sich schließlich auch als ein dreifaltiger Gott geoffenbart (vgl. Mt 3,16-17): Er hat sich dem Menschen als Schöpfer und Vater zu erkennen gegeben; er hat sich dann in Jesus Christus als Sohn und Erlöser (vgl. Mt 26,63-64; Lk 22,19-20) und schließlich auch als Heiliger Geist (vgl. Apg 2,1-4) geoffenbart. Es ist aber immer der eine Gott, der sich in diesen verschiedenen Personen geoffenbart hat. Das bedeutet, dass der eine Gott in sich drei verschiedene Personen enthält, die aber alle das gleiche göttliche Wesen haben.

Die übernatürliche Gotteserkenntnis durch die Offenbarung lässt uns tief in das geheimnisvolle Wesen Gottes eindringen. Aber sie lässt uns dennoch nicht die unendliche Größe, Erhabenheit und Liebe des göttlichen Wesens begreifen. Wir wissen von den mystischen Schauungen begnadeter Menschen, dass das absolute Wesen Gottes unbeschreiblich und unaussprechlich ist. Unsere menschliche Erkenntnisfähigkeit ist endlich und kann daher nie das absolute Wesen Gottes erfassen. Und so sollte all unser Nachdenken und Reden über Gott schließlich zu einer schweigenden und ehrfürchtigen Versenkung in Gott führen.
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 02. Juni 2011, 10:26:05
NICHTCHRISTLICHE LEHREN


Es gibt neben der christlichen Lehre auch mehrere nicht-christliche Lehren von Gott. Diese gehen entweder auf bestimmte Philosophien oder Religionen zurück.

1) DER DEISMUS

Der Deismus (von lat. deus = Gott) kennt nur den Schöpfergott: Gott hat die Welt nur erschaffen, sie dann aber ihrem Schicksal überlassen. Gott ist wie ein "Uhrmacher", der die Uhr des Kosmos gebaut und aufgezogen hat, sie dann aber aus der Hand gibt. Der Gott des Deismus wendet sich nicht dem Menschen zu, es gibt daher keine Offenbarung und kein Eingreifen Gottes in der Geschichte. Der Deismus übersieht offensichtlich, dass sich Gott direkt an jeden Menschen wendet (Gewissen!) und ihn immer wieder seine Nähe und Vorsehung spüren lässt. Der Deismus übersieht auch, dass Gott auch in die Geschichte eingegriffen hat; die ganze Heilsgeschichte des Volkes Israel, aber auch die gesamte Geschichte der Menschheit zeigt in beeindruckender Weise, dass Gott sehr wohl am Schicksal der Menschheit Anteil nimmt.

2) DER PANTHEISMUS

Für den Pantheismus (von griech. pan: das Ganze, und griech. theos: Gott) ist Gott das Ganze. Mit dem Ganzen ist meistens die Natur bzw. der Kosmos gemeint, sodass Gott mit der Natur bzw. dem Kosmos gleichgesetzt wird. Auf diese Weise ist Gott die Natur und die Natur ist Gott (Naturreligionen). Gott ist daher auch immanent, d. h. er ist in der Natur. Die kritische Betrachtung des Pantheismus zeigt, dass diese Lehre zu unauflöslichen Widersprüchen führt: Wenn Gott das Ganze ist, dann folgt daraus, dass das Absolute und das Relative, das Geistige und Materielle, das Ewige und Vergängliche, das Unbegrenzte und Begrenzte gleichermaßen göttlich sind. Wenn Gott das Ganze umfasst, dann müssten Leben und Tod, Gut und Böse, Freiheit und Unfreiheit, Krieg und Frieden usw. gleichermaßen als göttlich angesehen werden. Wenn Gott und die Natur dasselbe sind, dann würde es sich um einen Gott handeln, der sich erst allmählich entwickelt hat. Alle diese Vorstellungen lassen sich unmöglich mit der Vorstellung von einem absoluten, unvergänglichen und guten Gott vereinbaren.
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 02. Juni 2011, 10:30:57
3) DIE ÖSTLICHEN RELIGIONEN

Für die östlichen Religionen (Hinduismus, Buddhismus) ist Gott ein unpersönlicher absoluter Weltgrund (Brahman). In diesem absoluten Weltgrund existiert dann eine große Zahl von personalen Gottheiten (z. B. die hinduistischen Gottheiten Shiva, Vishnu, Ahriman). Von Zeit zu Zeit kommt es auch zu Verkörperungen von Gottheiten in irdischen Wesen (z. B. in Krishna). Zu diesen Gottesbildern der östlichen Religionen ist kritisch zu sagen, dass sie gleichzeitig monotheistische und polytheistische, unpersönliche und persönliche, transzendente und immanente Züge aufweisen. Aus christlicher und abendländischer Sicht handelt es sich dabei um Gottesbilder mit unauflöslichen Widersprüchen.

4) DAS NEW AGE

Für die junge New Age-Bewegung (von engl. New Age: neues Zeitalter), die eine Mischung aus westlicher Wissenschaft und östlicher Religion darstellt, ist Gott eine unpersönliche kosmische Kraft. Diese kosmische Kraft ist die Grundlage des gesamten Universums und manifestiert sich in allen Dingen und Formen. Durch bestimmte meditative Übungen und Psychotechniken kann der Mensch diese kosmische Energie in sich aufnehmen. Er wird dann von der Kraft des Göttlichen erfüllt und wird so selbst göttlich. Die New Age-Bewegung vertritt einen kosmischen Pantheismus, der jede Vorstellung von einem transzendenten, geistigen und personalen Gott aufhebt. Auch der Unterschied zwischen Göttlichem und Mensch wird aufgehoben.

5) DER AGNOSTIZISMUS

Der Agnostizismus (von griech. agnostos: unerkennbar) vertritt den Standpunkt, dass es nicht möglich sei, Gott zu erkennen: Die menschliche Vernunft sei zu beschränkt, um Gott erkennen zu können. Da man aber Gott nicht erkennen könne, sei es auch unmöglich, sich vom Wesen Gottes eine Vorstellung zu machen. Der Agnostizismus irrt, wenn er behauptet, dass man Gott überhaupt nicht erkennen könne: Der menschliche Geist ist imstande, in der Natur und im Gewissen das Wirken Gottes zu erkennen und anhand dieses Wirkens auch die wichtigsten Wesenszüge Gottes zu erfassen.
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 03. Juni 2011, 11:38:00
IV DIE BEDEUTUNG GOTTES


Der Glaube an Gott setzt auch voraus, dass wir uns fragen, welche Bedeutung Gott für unsere Person und für unser Leben hat. Die meisten Menschen glauben zwar, dass es einen Gott gibt und dass Gott ein personales Wesen ist. Aber viele Menschen haben noch nicht begriffen, welche Bedeutung Gott für ihr Leben hat. Solange sie diese Bedeutung Gottes nicht wirklich erkannt haben, können sie auch keine tiefere Beziehung zu Gott entwickeln. Gott bleibt dann für sie ein Wesen, das irgendwo über den Wolken existiert, aber keinen Einfluss auf die Gestaltung und Ausrichtung ihres Lebens hat. Vielleicht ist diese Frage deshalb die wichtigste Frage, die sich ein Mensch stellen muss, bevor er  zu einem echten Glauben an Gott gelangt.

1) GOTT ALS URSPRUNG

Gott ist zunächst der Ursprung des Menschen. Gott hat den Menschen als sein Abbild erschaffen und ihm Geist, Freiheit und Kreativität verliehen. Auf diese Weise hat der Mensch eine gewisse Ähnlichkeit mit seinem Schöpfer. Gott hat den Menschen aus Liebe geschaffen. Daher ist jeder Mensch ein Kind Gottes und von Gott gewollt. Die Gotteskindschaft verleiht jedem Menschen eine hohe und unantastbare Würde. Als Freund Gottes steht er unter dem Schutz Gottes und muss von jedem Menschen geachtet werden. Die Tatsache, dass Gott den Menschen als sein Abbild geschaffen hat und ihn aus Liebe ins Dasein gerufen hat, ist für die Identität und Einschätzung des Menschen von grundlegender Bedeutung. Ohne diesen Ursprung in Gott käme der Mensch aus dem Nichts und wäre ein Produkt des Zufalls. Er wäre dann hineingeworfen in das Dasein und wüsste nicht um sein Woher. Er wäre einem blinden Schicksal ausgeliefert und könnte keinen tieferen Sinn in seinem Leben finden. Er wäre ein blinder Passagier auf einem kleinen Wandelstern in den Abgründen des Weltalls. Als Kind des Nichts und als Produkt des Zufalls hätte er keine höhere Berufung und damit auch keine höhere Würde. Ohne Gott ist auch der Mensch nichts.

2) GOTT ALS ORIENTIERUNG

Gott ist auch für die Orientierung des Menschen entscheidend. Wenn der Mensch sich nach den Geboten und nach dem Willen Gottes richtet, dann hat er eine klare Orientierung für sein Leben. Er weiß dann, auf welche Werte es ankommt, und weiß auch, wo ihm Gefahren drohen und wo er sich in acht nehmen muss. Ohne Orientierung an Gott passiert es sehr leicht, dass der Mensch ewig ein Suchender und Irrender bleibt, der sein ganzes Leben herumprobiert und experimentiert. Er gleicht dann dem alten Faust, der (mit Hilfe des Teufels!) alle möglichen Daseinsformen des Menschen durchexerziert, bis er dann nach vielen Irrungen und Wirrungen am Ende seines Lebens draufkommt, was er eigentlich tun sollte. Das Leben dieses faustischen Menschen zeigt in aller Deutlichkeit, zu welchen Verirrungen  und Leiden die Orientierungslosigkeit des gottlosen Menschen führt.

3) GOTT ALS ZUFLUCHT

Gott ist oft auch die Zuflucht des Menschen. Im Leben eines jeden Menschen gibt es Augenblicke, in denen er sich unverstanden und verlassen fühlt. Es gibt Momente, in denen der Mensch unheimlich ungeborgen und schutzlos ist. Es kann die Angst vor einer großen Operation sein. Es kann aber auch das Elend in einer Ehe oder die Sorge um einen verlorenen Sohn und eine verlorene Tochter sein. Manchmal ist es auch der Tod eines unersetzlichen Menschen, oder die Hölle der eigenen Depressionen, oder das Ausgestoßensein aus der Dorfgemeinschaft. Oft bleibt uns dann nur die Zuflucht zu Gott, der unsere einzige Klagemauer und einziger Trost ist. Gott ist der einzige, der uns immer zuhört. Er trägt uns auch dann, wenn uns alle anderen fallen lassen. Er ist oft unsere letzte Zuflucht. Wehe uns, wenn wir in gewissen Augenblicken und Situationen nicht unsere Zuflucht zu Gott nehmen könnten!

4) GOTT ALS ERLÖSER

Gott ist auch der Erlöser des Menschen. Gott ist heute oft die letzte Hoffnung auf Erlösung, wenn der Mensch an unheimlichen Ängsten, Zweifeln und Lastern leidet. Der moderne Mensch, der bisher an die unbegrenzten Möglichkeiten der Psychologie, der Psychiatrie und der Medizin geglaubt hat, erlebt heute vielfach die Begrenztheit und Ohnmacht dieser Wissenschaften. Er erfährt, dass die verschiedenen Therapien kaum etwas gegen die Ängste und Depressionen, den Alkoholismus und die Drogenabhängigkeit, die Magersucht und die Fresssucht ausrichten können. Er erlebt aber auch seine grenzenlose Ohnmacht bei der Erziehung der jungen Generation, die durch falsche Freunde, perverse Zeitschriften, verrückte Musikstücke, liberale Moralvorstellungen und ein absurdes Disko- und Nachtleben auf völlig falsche Bahnen geraten. Er merkt aber auch das zunehmende Chaos im Bereich der Politik und der Wirtschaft. Er spürt schließlich auch in zunehmendem Maß die Ketten des Okkultismus, die ihn infolge von verschiedenen okkulten und magischen Praktiken fesseln. Wir alle spüren immer deutlicher, dass uns heute nur noch Gott helfen und erlösen kann. Ohne die Erlösung Gottes geht der moderne Mensch an seinem eigenen Elend zugrunde!

5) GOTT ALS SINN UND ZIEL

Gott ist schließlich auch das höchste Ziel und der letzte Sinn des Menschen. Gott ist als absolutes Wesen imstande, dem Menschen eine letzte Erfüllung zu schenken. Der Mensch ist von seiner innersten Natur darauf angelegt, das Absolute zu suchen. Sein Herz findet keine Ruhe, bevor es nicht das Absolute gefunden hat. Die moderne Welt versucht, den Menschen mit allen möglichen Formen von Scheinsinn abzuspeisen: Sie gaukelt ihm vor, dass materielle Güter, Lust und Vergnügen, Sensationen und Ekstasen, Macht und Prestige usw. usf. einen dauerhaften Lebenssinn vermitteln können. Aber immer mehr Menschen begreifen, dass alle diese Dinge nur einen Teil-Sinn oder einen Schein-Sinn darstellen, und dass sie einem gigantischen Selbstbetrug aufsitzen, wenn sie diese Dinge als höchstes Ziel und letzten Sinn anstreben. Das höchste Ziel und der letzte Sinn kann für den Menschen nur etwas Absolutes, d. h. Gott sein. Deshalb ist Gott auch als Ziel und Sinn von absoluter Bedeutung. - Gott ist dann aber auch derjenige, der dem Menschen ein Weiterleben nach dem Tod ermöglicht. Ohne Gott wäre der irdische Tod die Endstation des Menschen. Sein ganzes Leben, sein Streben und Ringen, sein Glück und sein Leiden würden damit im Nichts des Todes enden und hätten damit letztlich keinen Sinn gehabt. Durch Gott aber hat der Mensch die Möglichkeit einer endgültigen Vollendung. In Gott findet er sein höchstes Ziel und sein ewiges Glück.
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 04. Juni 2011, 18:46:20
V DIE SCHÖPFUNG


1) GOTT ALS VATER UND SCHÖPFER

Im Glaubensbekenntnis sprechen wir: "Ich glaube an Gott, den Vater, den allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde". Das Glaubensbekenntnis nennt hier Gott den allmächtigen Schöpfer des Himmels und der Erde. Mit dem "Himmel" ist die unsichtbare, geistige Welt der Engel gemeint, bei der "Erde" handelt es sich um die sichtbare Welt. Bei diesen Worten des Glaubensbekenntnisses fällt sofort auf, dass Gott in einem Atemzug als Vater und Schöpfer bezeichnet wird. Dieser Zusammenhang zwischen Gott dem Vater und Gott dem Schöpfer weist uns darauf hin, dass die Schöpfung nicht auf ein namenloses Urprinzip, sondern auf einen Vatergott zurückgeht. Hinter der Schöpfung steht also nicht ein unpersönlicher göttlicher Urgrund oder eine unpersönliche göttliche Energie, sondern die Person Gottes. Auf diese Weise ist die Schöpfung nicht durch einen blinden Zufall, sondern durch einen bewussten Willensakt von Gott, dem Vater, zustande gekommen.

2) EINE SCHÖPFUNG AUS LIEBE

Wenn Gott ein Vater ist, dann können wir auch begreifen, warum er die Welt erschaffen hat. Das Wesen eines guten Vaters besteht nämlich darin, dass er Kindern das Leben schenkt und sie glücklich sehen möchte. Und so hat auch Gott den Himmel und die Erde aus Liebe erschaffen: Er die Engel erschaffen, um diese geistigen Wesen an seiner Herrlichkeit teilnehmen zu lassen, und er die Menschen erschaffen, um sie zu lieben und glücklich zu machen. Somit ist also die väterliche Liebe Gottes der eigentliche Grund für die Schöpfung. Gott hätte es in seiner Vollkommenheit nicht nötig gehabt, andere Wesen zu schaffen. Gott hätte sich auch selbst genügt. Aber weil er ein Gott der Liebe ist, hat er eine Schöpfung hervorgebracht, die auch anderen Wesen die Möglichkeit gibt, glücklich zu werden.


3) EINE SCHÖPFUNG AUS DEM NICHTS

Der allmächtige Gott hat den Himmel und Welt aus dem Nichts erschaffen. Diese jüdisch-christliche Lehre einer Schöpfung aus dem Nichts ist zunächst unfassbar. Die Antike kannte keine Schöpfung aus dem Nichts, aber auch die Moderne tut sich schwer, an eine Schöpfung aus dem Nichts zu glauben. Aber vielleicht ist es doch möglich, die Notwendigkeit einer Schöpfung aus dem Nichts verständlich zu machen. Wenn wir uns einmal die Frage stellen, woher der Kosmos kommt, der vor etwa 13 Milliarden Jahren seinen Anfang nahm, dann müssen wir zunächst ganz einfach feststellen: Wenn der Kosmos einen Anfang hat, dann kann er nicht aus sich selbst stammen. Er braucht dann eine Ursache, die ihn hervorgebracht hat. Wenn wir uns nun nach der Ursache des Kosmos fragen, dann gibt es dafür nur zwei Möglichkeiten: Die erste Möglichkeit besteht darin, dass der Kosmos und die Natur aus Gott selbst hervorgegangen sind (Emanation). Das würde aber bedeuten, dass der Kosmos und die Welt ein Teil Gottes und daher selbst göttlich sind. Der Kosmos und die Welt haben aber ihre Grenzen und können daher nicht göttlich sein. Daher ist die erste Möglichkeit auszuschließen. Wenn nun aber der Kosmos und die Natur nicht ein Teil Gottes sind, dann besteht nur noch die Möglichkeit, dass der Kosmos und die Natur von Gott erschaffen worden sind. Und da sie nicht aus Gott selbst hervorgehen konnten, müssen sie von Gott aus dem Nichts erschaffen worden sein.

4) DIE SCHÖPFUNG DER UNSICHTBAREN WELT

Wir wollen uns nun der Schöpfung des Himmels zuwenden. Das Glaubensbekenntnis meint mit dem "Himmel" die unsichtbare, geistige Welt des Himmels, die von den geistigen Wesen der Engel bewohnt wird.

a) Die Existenz der unsichtbaren Welt

Es stellt sich nun die Frage, ob es wirklich eine solche geistige Welt mit geistigen Wesen gibt. Viele moderne Menschen glauben nicht an die Existenz von Engeln. Aber auch viele aufgeklärte Theologen behaupten, dass es keine Engel gibt. Sie sehen in den Engeln nur Bilder oder "Personifikationen", die die Gegenwart und das Wirken Gottes zum Ausdruck bringen sollen. Auf der anderen Seite kehren aber "die Engel, und leider auch die Dämonen, in allerlei Gestalten wieder, im New Age und in der Anthroposophie (= philosophisch-esoterische Strömung des 19. / 20. Jahrhunderts), im Pandämonium (= Gesamtheit aller Dämonen) der heutigen Comics- und Rockwelt." (Kardinal Christoph Schönborn) Wie steht es nun wirklich um die geistige Welt und um die Engel? Gibt es sie überhaupt? Und wenn es sie gibt: Wozu sind sie eigentlich da?

b) Die Urerfahrung von Geistwesen

Die Forschungen im Rahmen der Religionsgeschichte haben gezeigt, dass es in allen Völkern, Kulturen und Religionen Kenntnisse von einer geistigen Welt gegeben hat. So finden wir bei den alten Ägyptern, Babyloniern und Assyrern, aber auch bei den Kanaanäern, Syrern und Phöniziern einen ausgeprägten Glauben an personale Geistwesen. Besonders entwickelt war der Glaube an solche Wesen in der persischen Religion des Parsismus. Aber auch im Hinduismus und Buddhismus (Mahayana) wurde die Verehrung von Geistwesen gepflegt. Im fernen China vertrat der Philosoph Mo-tse im 5. Jh. v. Chr. den Glauben an Gott und an die ihm untergebenen Geister, die die guten Menschen belohnen und die bösen Menschen bestrafen. Im Abendland gibt es sehr frühe Zeugnisse vom Glauben an höhere Geistwesen. So schreibt der griechische Dichter Hesiod bereits um 800 v. Chr. in seiner "Theogonie" von den "Unsterblichen": Diese geistigen Wesen bevölkern unsichtbar ("in Luft gekleidet") jeden Erdenwinkel und sind von Zeus dazu bestellt, um über die rechten und unrechten Taten der Menschen zu wachen. Ebenso finden sich in der Philosophie der Griechen mehrere  Hinweise auf rein geistige Wesen. Aber auch die Römer verehrten die guten Schutzgeister der "Genien". Und schließlich findet sich in allen späteren außerchristlichen Religionen der Glaube an geistige Wesen. Es scheint sich bei diesem weltweit verbreiteten Glauben an die Existenz von personalen Geistwesen um eine Urerfahrung der Menschheit zu handeln. Freilich handelte es sich dabei oft um einen sehr undifferenzierten Glauben an Geistwesen, der z. T. auch sehr problematische Züge annahm und oft zu argen Formen des Aberglaubens führte. Es war noch ein langer Weg bis zu den christlichen Engeln...

c) Die Aussagen der Heiligen Schrift

Zur entscheidenden Einsicht und Klärung im Hinblick auf die geistigen Wesen kam es durch die jüdisch-christliche Heilsgeschichte. Im Alten und Neuen Testament finden sich sehr viele Stellen, die über die Erscheinungen und das Wirken von Engeln berichten. Die Engel kommen in der Heiligen Schrift so häufig vor, dass wir sie nicht einfach als ein Rand-Element abtun können. Wenn man die Engel in der Heiligen Schrift streichen würde, würden viele zentrale Stellen davon betroffen sein. Die Heilige Schrift berichtet, wie Engel als Boten Gottes in Erscheinung treten und den Menschen den Willen Gottes kundtun. Die Heilige Schrift weist aber auch darauf hin, dass Engel erscheinen, um den Menschen in verschiedensten Schwierigkeiten zu helfen. Die Engel sind in besonderer Weise dazu berufen, Gott zu loben und ihm zu dienen.

d) Die Engel im Alten Testament

Das Alte Testament enthält eine Fülle von Engelberichten. Diese setzen vor allem ab der Zeit der Patriarchen ein. Engel erscheinen bei Abraham und seiner Frau Sara (vgl. Gen 18), sie "beschützen Lot (vgl. Gen 19), retten Hagar und ihr Kind (vgl. Gen 19), gebieten der Hand Abrahams Einhalt, bevor er seinen Sohn Isaak tötet (vgl. Gen 22, 11), sie führen das Gottesvolk in das Feindesland (vgl. Ex 23, 20-23), sie kündigen Geburten (vgl. Ri 13) und Berufungen (vgl. Ri 6, 11-24; Jes 6, 6) an, sie stehen den Propheten bei (vgl. 1 Kön 19, 5), um nur einige Beispiele zu nennen." (KKK, § 332)

Die Engellehre macht im Alten Testament eine längere Entwicklung durch. Es lässt sich feststellen, dass "schon in den ältesten Schichten des Alten Testaments der Engelglaube gegeben ist. Aber er ist dort spärlich und wird erst in den späteren Schriften (Ijob, Zacharias, Daniel, Tobias) ausgebaut..." (Karl Rahner) Im Alten Testament gilt es auch zu beachten, dass nicht alle Berichte von Engeln gleich zu verstehen sind. Es gibt einige alte Stellen, an denen nicht genau zwischen Jahwe und den Engeln unterschieden wird. An manchen Stellen erscheint zuerst der "Engel Gottes" und sobald es zum Gespräch zwischen der Erscheinung und dem Menschen kommt, spricht Jahwe selbst (vgl. Gen 16, 7-13; 18, 2-10; 22, 11 f. Ex 3, 2 f.). Hier vertritt die sichtbare Erscheinung des Engels den unsichtbaren Gott Jahwe (Augustinus). Bei den meisten Berichten über Engelerscheinungen im Alten Testaments wird aber klar zwischen Gott und den Engeln unterschieden. So lässt sich also sagen, dass mit den Engeln "zwar nicht an allen, aber doch an sehr vielen alttestamentlichen Stellen nicht Jahwe selbst gemeint (ist), sondern ein kreatürlicher Bote, der im Namen und im Auftrag Gottes handelt." (Ferdinand Holböck) Und schließlich gibt es im Alten Testament auch Texte über Engelerscheinungen, die von einem historischen Kern ausgehen, aber als Lehrgeschichte über das Wirken der Engel ausgestaltet wurden (z. B. das Buch Tobias). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es im Alten Testament verschiedene Arten von Engelberichten gibt. Die Mehrheit dieser Berichte bezieht sich aber auf Erscheinungen von Engeln, die als eigenständige personale Wesen den Menschen begegnet sind.

e) Die Engel im Neuen Testament

Auch im Neuen Testament gibt es viele Berichte über Engelerscheinungen. Von den Evangelien bis zur Geheimen Offenbarung des Johannes finden sich zahlreiche Stellen, an denen von Engeln die Rede ist. In ganz besonderer Weise kommen die Engel in den Berichten über das Leben Jesu vor. Von der Menschwerdung bis zur Himmelfahrt kommt es im Leben Jesu immer wieder zu Erscheinungen von Engeln. "Sie beschützen Jesus im Kindesalter (vgl. Mt 1, 20; 2, 13. 19), dienen ihm in der Wüste (vgl. Mt 4, 11), stärken ihn in der Todesangst (vgl. Lk 22, 43)..." (KKK, § 333) "Die Engel sind es auch, die ... die frohe Botschaft der Menschwerdung (vgl. Lk 2, 8-14) und der Auferstehung (vgl. Mk 16, 5-7) verkünden. Bei der Wiederkunft Christi, die sie ankündigen (vgl. Apg 1, 10-11), werden sie ihn begleiten und ihm bei seinem Gericht dienen (vgl. Mt 13, 41)." (KKK, § 333)
Von entscheidender Bedeutung ist auch die Tatsache, dass Jesus selbst mehrere Male von den Engeln spricht. Er weist darauf hin, dass die Kinder ihren eigenen Engel haben (vgl. Mt 18, 10); er spricht davon, dass die Engel die Seele des Verstorbenen in den Himmel geleiten (vgl. Lk 16, 22); er ist sich dessen gewiss, dass sein Vater ihm jederzeit die Engel zu Hilfe schicken würde (vgl. Mt 26, 53). Jesus hält auch gegenüber den Sadduzäern, die nicht an die Engel glauben, an der Existenz dieser Geistwesen fest (vgl. Mk 12, 24-26). Für Jesus Christus sind also die Engel eine selbstverständliche Realität. Wenn wir Jesus Christus als Sohn Gottes ernstnehmen, werden wir auch seine Aussagen über die Engel ernstnehmen müssen.

f) Die Unterscheidung der Geister

Die Berichte der Heiligen Schrift sprechen aber auch davon, dass es neben den Engeln auch Dämonen gibt. Die Heilige Schrift führt damit zu einer klaren "Unterscheidung der Geister"! Sie hebt deutlich hervor, dass es gute und böse Geister gibt: Es gibt die Engel, die Gott und den Menschen dienen, und es gibt die Teufel und Dämonen, die Gott hassen und die Menschen verderben wollen (vgl. Apk 12, 7-9; 1 Ptr 5, 8; 2 Kor 11, 14). Durch die Offenbarung Gottes in der Heiligen Schrift erfahren wir, dass diese geistigen Wesen einer Prüfung unterzogen wurden und sich frei für Gott entscheiden sollten. Die Heilige Schrift berichtet, dass sich ein Teil der Engel von Gott abwandte (vgl. Jud 6). Es kam zu einem mächtigen Kampf zwischen den guten und bösen Engeln. Die guten Engel kämpften unter der Führung Michaels gegen Luzifer und seinen Anhang (vgl. Apk 12, 7-9). Die bösen Engel verloren ihre Gemeinschaft mit Gott und wurden zu Dämonen (vgl. 2 Ptr 2, 4). Christus spricht selbst wiederholt von der Gefährlichkeit des Teufels (vgl. Joh 8, 44; Lk 22, 31; Joh 17, 15) und bekämpft die Dämonen bei verschiedensten Gelegenheiten (vgl. Mt 4, 10; Mt 8, 28-34; Mk 1, 21-28; Lk 10, 18; Joh 12, 31).

g) Die Heilige Schrift spricht von realen Geistwesen

Die verschiedenen Berichte der Heiligen Schrift lassen klar erkennen, dass es sich bei den Engeln nicht einfach um Bilder und "Personifikationen" handelt. Trotz einer differenzierten Betrachtung von einigen Stellen des Alten Testaments muss daran festgehalten werden, dass die Berichte der Heiligen Schrift von realen Geistwesen sprechen. Die Berichte von den Engeln sind so zahlreich und meistens auch so konkret, dass sie in den meisten Fällen nicht nur in einem bildhaften Sinn verstanden werden können. Es ist offensichtlich die Absicht der biblischen Verfasser, den Adressaten mitzuteilen, dass es personale Geistwesen gibt, die im Auftrag Gottes für das Heil der Menschen tätig sind. "Auch ein modern-kritisches Denken darf das eindeutige Zeugnis der Bibel in dieser Sache nicht einfach 'entmythologisieren'." (Hans Urs von Balthasar)

h) Spätere Erscheinungen von Engeln

Neben den Berichten der Heiligen Schrift gibt es auch viele andere Berichte von Engelerscheinungen. Es ist bekannt, dass zahlreiche Heilige und Mystiker Erscheinungen von Engeln hatten. Aus der großen Schar dieser gottbegnadeten Menschen wollen wir nur einige sehr bekannte Gestalten nennen: Martin von Tours, Benedikt von Nursia, Bernhard von Clairvaux, Hildegard von Bingen, Franz von Assisi, Thomas von Aquin, Brigitta von Schweden, Katharina von Siena, Francisca Romana, Jeanne d'Arc, Angela Merici, Teresa von Avila, Philipp Neri, Rosa von Lima, Margareta Maria Alacoque, den Pfarrer von Ars, Katharina Labourè, Don Bosco und Gemma Galgani. Schließlich wollen wir noch auf einige Gestalten aus dem 20. Jahrhundert hinweisen. Wir denken da an die drei Seherkinder von Fatima, Lucia, Francisco und Jacinta, die vor den Erscheinungen der Muttergottes im Jahr 1917 mehrmals die Erscheinung eines Engels hatten. (In Fatima werden heute noch die Stellen gezeigt, wo der Engel den Seherkindern erschienen ist!). Weiter erinnern wir an die große Mystikerin Schwester Faustina, die mehrmals Kontakte mit Engeln hatte. Sehr bekannt ist auch die deutsche Mystikerin Theresia von Konnersreuth, die ihren eigenen Engel und die Engel ihrer Besucher gesehen hat. Sie erhielt von ihrem Engel immer wieder Botschaften, die sich in der Folge als zutreffend erwiesen. Von besonderer Bedeutung sind auch die zahlreichen Zeugnisse von Pater Pio. Dieser wohl größte Mystiker unseres Jahrhunderts stand in ständigem Kontakt mit der Welt der Engel. Zahlreiche Menschen, die mit ihm in Berührung kamen, bezeugen, dass sie durch seine Vermittlung die auffallende Hilfe der Engel erfahren haben. Wer die große Fülle von gut dokumentierten Zeugnissen der Heiligen und Mystiker und die zahlreichen unerklärlichen Zeichen, Botschaften und Erhörungen aufmerksam studiert, muss auch als kritischer Mensch zur Einsicht gelangen, dass es tatsächlich Engel gibt! Aufgrund dieser vielen Zeugnisse dürfen wir aber auch glauben, dass Gott eine unsichtbare Welt erschaffen hat.


Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 05. Juni 2011, 09:55:24
5) DIE SCHÖPFUNG DER SICHTBAREN WELT

Nach diesen Überlegungen über die Erschaffung der unsichtbaren Welt wollen wir uns nun der Erschaffung der sichtbaren Welt zuwenden. Mit der sichtbaren Welt sind der Kosmos, die Welt, die Pflanzen, Tiere und der Mensch gemeint.
Es ist für manche Menschen immer noch schwierig, daran zu glauben, dass hinter dieser Welt ein Schöpfer steht. Nicht wenige Menschen sind der Ansicht, dass sich die Welt auch ohne Schöpfer erklären lässt. Es wurde auch von philosophischer und naturwissenschaftlicher Seite immer wieder versucht, die Welt allein aus sich heraus zu erklären. Vor allem während des 19. Jahrhunderts, aber auch im 20. Jahrhundert gab es immer wieder Denker und Wissenschaftler, die die Entstehung der Welt ohne einen Schöpfergott erklären wollten. Durch die vielen Entdeckungen der letzten Jahrzehnte ist man aber viel vorsichtiger geworden. Die Welt weist so viele großartige Dinge auf, dass man sich kaum mehr vorstellen kann, alle diese Dinge nur aus sich selbst erklären zu können.


 a) Das Atom

Bereits im Atom begegnet uns ein Gebilde von überragender Genialität. Das Atom ist ein universales Bauelement, mit dem alle Dinge aufgebaut werden können: Die Moleküle, die Pflanzen, die Tiere, der Mensch, die Sonne, die Sterne... Das Atom ist aber auch ein ideales Mehrzweckgerät: Es ist ein Mini-Elektrizitätswerk (infolge der kreisenden Elektronen), es schafft  das elementarste Magnetfeld und kann auch als Sender funktionieren. Es ist schließlich eine ungeheuere Energie- und Wärmequelle. Das Atom ist so genial gebaut, dass die größten Atomphysiker Jahrzehnte gebraucht haben, um seine Grundstrukturen zu begreifen.

b) Die Zelle

Ein Wunderwerk begegnet uns auch in der Zelle. Sie ist ein chemisches Laboratorium und kann fremde Stoffe in sich aufnehmen. Die Zelle ist aber auch imstande, sich selbst zu teilen: durch die Zellteilung kommt es zur Entstehung von zwei gleichen Zellen und damit zum Wachstum des Organismus. Die Zelle enthält aber auch die Information des gesamten Organismus: in den Chromosomen sind alle Daten des gesamten Bauplans gespeichert. Kein Biologe ist imstande, ein ähnliches Wunderwerk wie die Zelle zu konstruieren.

c) Die Pflanzen

Auch im Bereich der Pflanzen können wir großartige Konstruktionen feststellen. So ist schon der Stängel einer Blume wunderbar gebaut: Er muss einerseits stabil sein, um das Gewicht einer Blumenblüte tragen zu können; gleichzeitig muss er aber auch elastisch sein, um nicht vom Wind geknickt zu werden. Erstaunlich sind aber auch die biochemischen Leistungen der Pflanzen wie z. B. die Photosynthese, durch die die Pflanzen die Sonnenenergie für ihren Bedarf umwandeln können. Besonders faszinierend ist die Pflanzenwelt aber auch durch ihre phantasievolle Schönheit: Die einzigartige Pracht der Blumen, das stilvolle Gewand der Bäume, die Exotik der tropischen Pflanzen - das alles zeugt von einer unerreichten Phantasie und einer wunderbaren Ästhetik. Kein Ingenieur und kein Designer hat bisher ähnliche Leistungen vollbracht.

d) Die Tiere

Einmalige Fähigkeiten lassen sich auch bei den verschiedensten Tieren beobachten. So verfügt z. B. die Fledermaus über ein optimal funktionierendes Radargerät. Die Spinne baut ein genial konstruiertes Netz, das es ihr erlaubt, die verschiedensten Insekten zu fangen. Die Mücke kann eine Blutentnahme vornehmen, ohne dass wir das Geringste spüren. Die Zugvögel haben einen Orientierungssinn, der es ihnen erlaubt, nach einem Flug von Tausenden von Kilometern genau an die gleichen Stellen zurückzukehren. Unsere Technologie ist gegenüber diesen Glanzleistungen der Natur noch recht stümperhaft. Erstaunlich sind auch die höchst komplizierten Systeme in der Natur, die zum Zusammenwirken verschiedenster Pflanzen und Tiere führen. Unsere Wissenschaftler erkennen erst allmählich die Zusammenhänge dieser komplexen Systeme in der Natur.

e) Der Mensch

Auch beim Menschen lassen sich großartige Fähigkeiten feststellen. Der Mensch hat einen aufrechten Gang und ist dadurch imstande, der Welt gegenüberzustehen. Seine Hände sind universale Werkzeuge, die sich zu verschiedensten Tätigkeiten eignen. Sein Geist befähigt ihn zu abstrakten Erkenntnissen, er kann sich über Raum und Zeit erheben, er ist auch zu schöpferischen und künstlerischen Leistungen fähig. Der Mensch hat aber auch die Möglichkeit, über sich selbst nachzudenken. Mit Hilfe der Sprache kann er seine Gedanken auch anderen Menschen mitteilen. Wie konnte sich dieser wunderbare Körper des Menschen entwickeln? Wie kam es zu diesem überragenden Geist des Menschen?

f) Das Universum

Zu ehrfürchtigem Staunen zwingt uns schließlich auch das Universum: Millionen von Sonnensystemen, Milliarden von Sternen, die sich alle seit undenklichen Zeiten auf exakten Bahnen bewegen. Es braucht gigantische Fernrohre, um einen kleinen Blick in die unendlichen weiten des Weltalls zu werfen. Es braucht höhere Mathematik, um die Bahnen der Himmelskörper zu berechnen. Woher kommt dieses Weltall, das vor ungefähr 8 Milliarden Jahren entstanden ist! Woher kommen diese Gesetze, die wir erst langsam begreifen?

g) Ein kosmischer Stufenbau

Wenn wir alle diese Dinge und Vorgänge in der Natur und im Kosmos betrachten, so stellen wir fest, dass sie von einer wunderbaren Ordnung bestimmt sind. In allen Bereichen der Natur beobachten wir das Wirken von spezifischen Gesetzen, die die physikalischen, chemischen und organischen Vorgänge steuern. Wir entdecken dann auch, dass die gesamte Natur einen Stufenbau bildet, der von den Atomen über die Moleküle, Zellen, Pflanzen, Tiere bis zum Menschen reicht. Wir erkennen schließlich, dass die ganze Welt auf eine planetarische Einheit angelegt ist: Die einzelnen anorganischen und organischen Bereiche der Natur bilden miteinander den Natur-Haushalt der Erde; die einzelnen Menschen, Völker und Rassen bilden miteinander die Menschheit. Und auch die Erde als ganze ist ein Teil von einem Sonnensystem, und dieses Sonnensystem ist wieder ein Teil von einer Galaxie...

h) Innerweltliche Erklärungen reichen nicht aus

Wir können also feststellen, dass der gesamte Kosmos eine zielgerichtete Evolution durchgemacht hat und auf eine universale Einheit zustrebt. Es stellt sich nun die Frage, ob diese Evolution und diese kosmische Synthese sich nur innerweltlich erklären lässt. Es gibt sicher innerweltliche Faktoren, die zur Evolution beigetragen haben. Es besteht kein Zweifel, dass es bei der Entwicklung im organischen Bereich die Faktoren Mutation, Adaptation, Selektion und Reproduktion - also Faktoren wie zufällige Veränderungen, Anpassung an die Umwelt, Auswahl der tüchtigsten Organismen und Vererbung von neuen Eigenschaften gegeben hat. Aber die Frage ist, ob diese Faktoren ausreichen. Es gibt bei dieser Evolution noch eine Menge offener Fragen: Woher kommt das Universum, das vor 8 Milliarden begonnen hat? Woher kommen die intelligenten Naturgesetze, die erst eine Evolution ermöglichen? Ist es möglich, dass die Evolution durch lauter positive Zufälle erklärt werden kann? Woher kommt die Vererbungsfähigkeit, die ja schon vor der Evolution gegeben sein muss? Und vor allem: Wie kann sich aus etwas Niedererem  etwas Höheres entwickeln, wenn jede Wirkung immer eine entsprechende Ursache voraussetzt? (Ist es wirklich denkbar, dass sich aus den ursprünglichen kosmischen Gasen (Wasserstoff und Helium) allein durch eine zufällige Evolution ein Adlerauge mit seiner genialen Optik, ein menschliches Gehirn mit seinen millionenfachen Vernetzungen und der menschliche Geist mit seinen abstrakten und kreativen Fähigkeiten entwickelt hat?)

Wir müssen uns auch die Frage stellen, wie dieser zielgerichtete Plan, der der Evolution offensichtlich zugrunde liegt, sich auf rein materielle und mechanische Ursachen zurückgeführt werden kann. Alle diese Kräfte reichen nicht aus, um die vorausschauende und universale Planung zu erklären, die von Anfang an die Entwicklung des Kosmos bestimmt haben muss. Alle diese Kräfte reichen nicht aus, um die gesamte Entwicklung zu erklären, bei der bereits die ersten Schritte so gesetzt wurden, dass sie auf höhere Stufen der Entwicklung ausgerichtet waren. Eine solche vorausschauende, universale und aufbauende Entwicklung des Kosmos setzt eine planende Instanz voraus, die bereits vor dem Kosmos und der Zeit existiert hat. Sie verlangt dann auch eine Instanz, die über eine unendliche Vernunft und über einen allmächtigen Willen verfügt.


j) Das Zeugnis großer Naturwissenschaftler

Die tiefen Einblicke in die genialen Gesetzmäßigkeiten und Systeme der Natur haben viele große Naturwissenschaftler der letzten Jahrzehnte zur Überzeugung gelangen lassen, dass es einen Gott geben muss, der die Welt erschaffen hat. So haben z. B. Guglielmo Marconi, der Entdecker der Radiowellen, Otto Hahn, auf den die erste Atomspaltung zurückgeht, Werner Heisenberg, der die Unschärferelation formuliert hat; Wernher von Braun, der die V 2 Raketen entwickelt und später die erste Mondrakete gebaut hat; Friedrich von Weizsäcker, einer der Väter der modernen Physik; Andrej Sacharow, der Vater der russischen Atombombe, und John Eccles, der große Gehirnforscher, darauf hingewiesen, dass es zur Erklärung der Welt einen Schöpfergott braucht. Ein bekannter Arzt meinte sogar, es brauche "eine viel größere Glaubenskraft, um an diesen blinden Zufall zu glauben, als für den Glauben an Gott den Schöpfer..." (Siegfried Ernst)
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 07. Juni 2011, 17:44:04
6) DER BIBLISCHE SCHÖPFUNGSBERICHT

Nach diesen Überlegungen, die uns die Notwendigkeit eines Schöpfergottes verständlich machen sollten, wollen wir uns nun dem biblischen Schöpfungsbericht zuwenden. Zum Verständnis des biblischen Schöpfungsberichts müssen zunächst einige Dinge gesagt werden:

a) Die religiöse Zielsetzung

Der biblische Schöpfungsbericht hat eine religiöse Zielsetzung und will dem Menschen offenbaren, dass Gott die Welt erschaffen hat und dass der gesamte Kosmos eine Schöpfung Gottes ist. Die Bedeutung des Schöpfungsberichts liegt also in seinen Aussagen über das Verhältnis von Gott und Schöpfung sowie über das Verhältnis von Gott und Mensch.

b) Das Weltbild der damaligen Zeit

Der Schöpfungsbericht bediente sich für seine religiöse Botschaft des Weltbildes, das zur damaligen Zeit vorherrschend war. Damals glaubte man, dass die Erde eine Scheibe sei, die auf dem Urozean schwimmt. Man war auch der Ansicht, dass sich über der Erdscheibe die Kuppel des Firmaments erhebe. Über dieser Kuppel dachte man sich den "Himmelsozean", aus dem der Regen auf die Erde fiel.

c) Schöpfung in sechs Tagen

Das Buch Genesis berichtet, dass die Welt in sechs Tagen erschaffen wurde. Bei diesen sechs Tagen handelt es sich nicht um eine zeitliche Dauer, sondern um ein Einteilungsschema, mit dessen Hilfe der Verfasser die verschiedenen Entwicklungsstufen der Schöpfung besser darstellen konnte. Und wenn der biblische Verfasser schreibt, dass Gott am siebten Tag geruht habe, so wird damit auch der Sabbat als der von Gott geheiligte Ruhetag des Menschen begründet (vgl. Gen 2,2-3).


7) DIE ERSCHAFFUNG DER WELT

Im Schöpfungsbericht heißt es, dass Gott im Anfang Himmel und Erde erschaffen hat (vgl. Gen 1,1). Die Erschaffung der Welt beginnt mit dem Licht (vgl. Gen 1,3) und wird dann mit der Erschaffung des Firmaments und der Himmelskörper, von Land und Meer, von  Pflanzen und Tieren fortgesetzt (vgl. Gen 1,6-25). Den Höhepunkt der Schöpfung bildete schließlich die Erschaffung des Menschen (vgl. Gen 1,26) Der Schöpfungsbericht will den Menschen lehren, dass alles von Gott erschaffen worden ist. Gott hat das Firmament und die Gestirne, die Pflanzen, die Tiere und den Menschen erschaffen. Als der Schöpfungsbericht geschrieben wurde, gab es viele Völker, die glaubten, dass die Natur selbst etwas Göttliches sei. Sie verehrten Sonne, Mond und Tiere als etwas Göttliches. Der Schöpfungsbericht verkündet aber, dass auch Sonne, Mond und Tiere Geschöpfe Gottes sind. Daher darf es auch zu keiner Anbetung der Gestirne und der Tiere kommen.

8)DIE ERSCHAFFUNG DES MENSCHEN

a) Der Mensch als Abbild Gottes

Der wichtigsten Aussagen des Schöpfungsberichts betreffen aber die Erschaffung des Menschen. Im Buch Genesis heißt es, dass Gott beschloss, den Menschen nach seinem Abbild zu schaffen (vgl. Gen 1,26): Mit "Abbild" ist gemeint, dass der Mensch eine gewisse Ähnlichkeit mit Gott aufweist. Diese Ähnlichkeit des Menschen mit Gott lässt sich an folgenden Merkmalen erkennen: Der Mensch verfügt wie Gott über Geist, Freiheit und Kreativität (= schöpferische Fähigkeiten). Trotz dieser Ähnlichkeit bleibt aber der Unterschied zwischen Gott und Mensch bestehen: Bei Gott sind nämlich Geist, Freiheit und Kreativität unendlich, beim Menschen dagegen sind Geist, Freiheit und Kreativität endlich.

Diese geistige Ähnlichkeit des Menschen mit Gott ist die grundsätzliche Voraussetzung dafür, dass der Mensch seinen Schöpfer überhaupt erkennen und mit ihm in Beziehung treten kann. Ohne diese Ähnlichkeit mit Gott könnte der Mensch nie zu einer Gemeinschaft mit seinem Schöpfer gelangen.

b) Der Mensch aus Erde

Der Schöpfungsbericht erzählt dann auch, dass Gott den Menschen aus Ackerboden geformt hat (vgl. Gen 2,7). Das bedeutet, dass der Körper des Menschen aus irdischen Stoffen gebildet ist. Dann aber heißt es im Buch Genesis, dass Gott dem Menschen den Lebensatem einhauchte (vgl. Gen 2,7). Das bedeutet, dass das Leben von Gott kommt. Somit hat also der Mensch seinen Körper von der Erde und sein Leben von Gott.

c) Der Mensch als Mann und Frau

Der Schöpfungsbericht spricht auch davon, dass Gott hat den Menschen als Mann und Frau erschaffen hat. Beide Geschlechter werden im Schöpfungsbericht im gleichen Atemzug genannt: "Als Mann und Frau erschuf er sie." (Gen 1,27 f.) Das bedeutet, dass beide Geschlechter gleichwertig, aber nicht gleichartig sind. Mann und Frau sind füreinander Gefährten und Partner, sie sollen sich gegenseitig ergänzen und einander helfen. Das Bild von der Rippe (vgl. Gen 2,21) bedeutet, dass die Frau dem Herzen des Mannes nahe sein soll. Die Beziehung zwischen Mann und Frau soll also eine Beziehung von Herz zu Herz sein. Gott gibt Mann und Frau auch den Auftrag, fruchtbar zu sein. Das Menschengeschlecht soll wachsen und sich mehren. Es soll die ganze Erde bevölkern und bewohnen (vgl. Gen 1,28).

d) Der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse

Der Schöpfungsbericht enthält schließlich noch eine entscheidende Aussage: In dem berühmten Bild vom "Baum der Erkenntnis von Gut und Böse" (vgl. Gen 2,17) wird zum Ausdruck gebracht, dass Gut und Böse bereits von Gott festgesetzt sind. Der Mensch darf nicht von diesem Baum essen, d. h. der Mensch darf nicht die Ordnung von Gut und Böse in Frage stellen. Wenn der Mensch von diesem Baum isst, dann muss er sterben (vgl. Gen 2,17): Das bedeutet, dass die Infragestellung der göttlichen Ordnung von Gut und Böse für den Menschen schädlich und tödlich ist.
e) Der Mensch soll die Welt beherrschen

Entscheidend ist dann auch das Verhältnis des Menschen zur Schöpfung. Im Buch Genesis heißt es, dass der Mensch sich die Erde unterwerfen soll (vgl. 1,26-28)  Der Mensch soll also die Welt beherrschen. Auf diese Weise wird der Mensch dazu berufen, an der Gestaltung der Welt mitzuwirken. Diese Herrschaft bedeutet allerdings nicht, dass der Mensch die Natur nach Belieben manipulieren und ausbeuten kann. Vielmehr muss der Mensch die Schöpfung mit großer Ehrfurcht behandeln. Der Mensch wird die Natur nur dann richtig behandeln, wenn er selbst nach den Gesetzen Gottes lebt.

Diese fundamentalen Aussagen des Schöpfungsberichts betreffen den Ursprung des Menschen und die Stammeseltern. Sie betreffen aber auch den Menschen im allgemeinen und beschreiben das Wesen aller Menschen.

f) Die Schöpfung ist gut

Der Schöpfungsbericht gibt uns auch klar zu verstehen, dass Gott eine gute Welt erschaffen hat. Am Ende jedes Schöpfungstages heißt es: Gott sah, dass es gut war. Nach der Erschaffung des Menschen heißt es sogar: Es war sehr gut (vgl. Gen 1,31). Die Heilige Schrift gibt uns also zu verstehen, dass die Schöpfung Gottes ursprünglich gut war.

g) Der Sündenfall

Das Buch Genesis befasst sich auch mit der Frage nach dem Bösen in der Welt. Es geht damit der Frage nach, wie es trotz einer guten Schöpfung zum Bösen in der Welt kommen konnte. Die Entstehung des Bösen in der Welt wird damit begründet, dass sich der Mensch nach einer Versuchung durch den Teufel (vgl. Gen 3,1-5) gegen Gott und seine Ordnung aufgelehnt (vgl. Gen 3,6) und dadurch seine eigenen Lebensgrundlagen in Frage gestellt hat. Ohne Verbindung mit Gott ist der Mensch ein geschwächtes Wesen, das in sich die Neigung zum Bösen verspürt (vgl. Gen 3,10). Auf diese Weise beraubte sich also der Mensch selbst seines ursprünglichen Glücks und wurde zum erlösungsbedürftigen Wesen (vgl. Gen 3,16-24).

Wenn wir diese Aussagen des Schöpfungsberichtes überdenken, dann müssen wir sagen, dass alle diese Aussagen gerade in unserer Zeit von tiefer Bedeutung sind. Das Buch Genesis lässt uns begreifen, dass Gott der Schöpfer von Himmel und Erde, der Schöpfer der unsichtbaren und der sichtbaren Welt ist. Gott hat alle Dinge geschaffen und ist daher auch der Herr seiner Schöpfung. Der Schöpfungsbericht ist aber auch für das Selbstverständnis des Menschen von größter Bedeutung. Der Mensch ist ein Geschöpf und ein Abbild Gottes. Das bedeutet, dass der Mensch auf der einen Seite ein freies Wesen ist, aber auf der anderen Seite in die Ordnung Gottes hineingestellt ist, die er nicht ungestraft übertreten kann. Dem Menschen ist die Herrschaft über die Natur anvertraut, die er aber nur als Mitarbeiter Gottes ausüben darf. Weiter ist damit zum Ausdruck gebracht, dass der Mensch als geschöpfliches und daher relatives Wesen seine letzte Erfüllung nur in der Einheit und Harmonie mit seinem Schöpfer, dem absoluten Gott, finden kann. Schließlich lässt uns das Buch Genesis auch begreifen, dass das Böse in der Welt durch die Auflehnung des Menschen gegen Gott entstanden ist.

Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 08. Juni 2011, 09:06:49
9) NICHT-CHRISTLICHE LEHREN

Die Aussagen des Schöpfungsberichts werden heute durch verschiedene nicht-christliche Lehren vielfach in Frage gestellt. Diese nicht-christlichen Lehren dringen auch zunehmend in die christliche Theologie ein.

a) Der göttliche Urgrund

Wir erleben heute eine zunehmende Verdrängung des Schöpfergottes und der Schöpfung. Die neuheidnischen Lehren der Esoterik und der Grünen, aber auch esoterisch angehauchte christliche Theologen sprechen nicht mehr von Gott als dem Schöpfer, sondern nur mehr von Gott als dem "Urgrund". Gott wird nicht mehr als transzendentes Wesen aufgefasst, das die Natur übersteigt und schon vor der Schöpfung existiert hat. Gott ist auch nicht mehr der allmächtige Vater, der die Welt aus dem Nichts erschaffen hat. Gott ist vielmehr der  "Urgrund", der allem zugrunde liegt, er ist der "Ozean", aus dem alles hervorgeht und in den alles zurückkehrt, er ist die "Urenergie", die gleichzeitig Geist und Materie ist und sich als Kosmos und Natur manifestiert. Dieser göttliche Urgrund ist weder ein personales Wesen noch ein Vater, er ist auch kein Du, er ist nur noch das undefinierbare Göttliche.

b) Die göttliche Natur

Wenn Gott der Urgrund ist, aus dem alles hervorgeht, dann bedeutet das, dass die Natur selbst etwas Göttliches ist. Die Vertreter esoterischen Weltanschauung betrachten daher die Natur als eine Manifestation des Göttlichen, die Grünen bezeichnen deshalb die Natur als "göttliche Mutter". Die Esoteriker und die Grünen glauben deshalb auch an die göttlichen Kräfte des Kosmos und der Natur.

c) Der göttliche Mensch

Wenn Gott der Urgrund ist, aus dem alles hervorgeht, dann ist auch der Mensch ein göttliches Wesen. Die Esoteriker und Grünen betrachten sich deshalb als einen Teil des göttlichen Urgrunds und der göttlichen Natur. Mit Hilfe von verschiedenen Psychotechniken versuchen sie die göttlichen Kräfte des Kosmos zu nutzen, um ihr göttliches Wesen zu entfalten.

d 1) Die autonome Welt

Wir können dann auch beobachten, wie sich heute zunehmend ein liberales Denken breit macht, das die Welt als eine völlig autonome Größe betrachtet. Das hat zur Folge, dass die Natur nicht mehr als eine Schöpfung Gottes respektiert wird, die von der Ordnung und den Gesetzen Gottes getragen wird. Ein solches Denken birgt die Gefahr in sich, dass es zu einem autonomen Gebrauch bzw. Missbrauch der Natur kommt, der in einer hemmungslosen Ausbeutung und in einer willkürlichen Manipulation der Natur (z. B. in der Gen-Technik) seinen Ausdruck findet.

d 2) Der autonome Mensch

Dieses liberale Denken führt aber auch dazu, dass der Mensch nicht mehr ein als ein Geschöpf Gottes gesehen wird, das bestimmten Gesetzen des Schöpfers verpflichtet ist. Der Mensch betrachtet sich als ein autonomes Wesen, das selbst die Gesetze seines Menschseins festlegen kann. Dieser Mensch ist dann selbst das Maß aller Dinge, das Ziel dieses Menschen ist die autonome Selbstverwirklichung.

e) Kein Sündenfall

Weiter können wir beobachten, wie auch der Glaube an den Sündenfall und an die Erbsünde verloren geht. Verschiedene Theologen betrachten die Erbsünde nicht mehr als ein wirkliches Ereignis am Beginn der Menschheitsgeschichte. Sie sehen in der Erbsünde nur mehr ein "Theologúmenon", also eine theologische Konstruktion, die als Erklärung für das Böse dienen soll. Wenn aber der Sündenfall kein wirkliches Ereignis war, dann wird aus dem Bösen sehr bald nur noch eine menschliche Schwäche, ein unvollendeter Lernprozess, ein Mangel an Information und Bildung. Damit wird aber das Böse und auch der Böse, der nach wie vor als Versucher wirkt, nicht mehr erkannt. Es gibt dann sehr bald keine Sündhaftigkeit und damit auch keine Erlösungsbedürftigkeit des Menschen mehr. Es wird dann nicht mehr gegen das Böse und den Bösen angekämpft und gerade damit verfällt der Mensch zunehmend dem Bösen.

Wir sehen also, zu welchen schwerwiegenden Folgen die Missachtung der Lehre von der Schöpfung führt. Wenn der biblische Schöpfungsbericht nicht mehr ernst genommen wird, dann wird dadurch das Verständnis von Gott, das Verständnis der geistigen Welt, der Natur, des Menschen und des Bösen völlig durcheinandergebracht. Wir sollten uns deshalb die Mühe machen, über diesen Glaubensartikel von Gott dem Schöpfer, von der Natur als Schöpfung und dem Menschen als Geschöpf gründlich nachzudenken. Wenn wir im Hinblick auf diese Punkte eine klare Vorstellung haben, dann stimmt unser Gottesbild, aber auch unser Natur- und Menschenbild.

 
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 08. Juni 2011, 09:43:33
VI  DAS LEBEN JESU



1) DER HISTORISCHE JESUS

Der Ausgangspunkt für die Begegnung mit der Gestalt Jesu Christi ist sein irdisches Leben. Die Theologen sprechen vom sogenannten "historischen Jesus" und meinen damit die verschiedenen Daten und Kenntnisse, die wir vom geschichtlichen Jesus besitzen. Diese geschichtlichen Kenntnisse über die Gestalt Jesu beginnen mit der Frage nach den geschichtlichen Quellen, die uns eine verlässliche Auskunft über Jesus als historische Gestalt geben.

2) DIE QUELLEN

Wir verfügen über zwei großen Gruppen von Quellen, die uns über Jesus als historische Gestalt berichten:

a) Die biblischen Quellen

Die erste Gruppe bilden die biblischen Quellen. Es handelt sich dabei um die vier Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes sowie um einige weitere Schriften aus dem Neuen Testament. Es ist im Rahmen dieser Ausführungen nicht möglich, auf die Entstehung dieser Schriften einzugehen. Wir werden aber bei den einzelnen Etappen der Lebensgeschichte Jesu auf die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit dieser Texte eingehen.

b) Die außerbiblischen Quellen

Die zweite Gruppe bilden die sogenannten außerbiblischen Quellen. Es gibt jüdische und römische Quellen, die uns von Jesus Christus bzw. von den Christen berichten. Diese Quellen sind für uns von besonderem Interesse. Sie erbringen den Nachweis, dass es auch außerhalb der Heiligen Schrift Berichte über Jesus Christus gibt. Sie haben aber auch den Vorteil, dass bei ihnen keine Absicht einer Glaubensverkündigung oder einer Glaubensverteidigung vorhanden ist. Auf diese Weise ist bei diesen Quellen die Gefahr einer "religiösen Erfindung" von vornherein ausgeschlossen.



3) DIE JÜDISCHEN QUELLEN

Es gibt zwei berühmte jüdische Schriften, die auf Jesus hinweisen: Die "Jüdischen Altertümer" von Flavius Josephus und den Talmud.

a) Die "Jüdischen Altertümer" von Flavius Josephus (37-97 n. Chr.)

Flavius Josephus war ein jüdischer Geschichtsschreiber. Er lebte von 37 bis 97 n. Chr. Er wurde während des jüdischen Aufstands gegen die Römer in den Jahren 66-70 n. Chr. gefangengenommen, später aber begnadigt und in die kaiserliche Familie der Flavier aufgenommen. Er war also ein Jude, der mit den höchsten römischen Kreisen Umgang pflegte. Er war mit den religiösen, gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen des jüdischen Volkes bestens vertraut. Im Jahr 93 n. Chr. verfasste er in Rom das bedeutende Werk "Jüdische Altertümer". In diesem Werk findet sich eine Stelle, an der er von Jesus berichtet:

"Zu dieser Zeit lebte Jesus, ein weiser Mann. Er tat wunderbare Werke. Viele Juden und Heiden zog er an sich. Und als ihn auf Anklage unserer vornehmen Männer Pilatus mit dem Kreuzestod bestraft hatte, ließen die nicht ab, die ihn früher geliebt hatten. Noch bis heute hat das Geschlecht derer nicht aufgehört, die nach ihm Christen genannt sind." ("Jüdische Altertümer", XVIII, 3,3)

b) Der Talmud

Eine weitere jüdische Quelle ist der Talmud. Bei dieser Schrift handelt es sich um eine Sammlung der Gesetze und religiösen Überlieferungen des nachbiblischen Judentums. Der Talmud entstand in der Zeit zwischen dem ersten und dem sechsten Jahrhundert n. Chr. In ihm gibt es auch Stellen über Jesus, in denen die Meinung der jüdischen Gegner Jesu zum Ausdruck kommt. So wird berichtet, dass Jesus das Volk durch seine "Zauberstücke" verführt habe und dass er vor dem Paschafest auf den (Kreuzes-) Pfahl gehängt wurde (vgl. "Babylonischer Talmud", 43, 67). Der Talmud berichtet also in negativer Weise über Jesus, liefert aber damit trotzdem einen Beweis für die historische Existenz Jesu.
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 09. Juni 2011, 12:09:22
4) DIE RÖMISCHEN QUELLEN


Neben den jüdischen Quellen gibt es auch drei bedeutende römische Quellen. Es handelt sich dabei um Stellen in den Schriften von Plinius dem Jüngeren, von Tacitus und Sueton..

a) Der Brief von Plinius dem Jüngeren (62-114 n. Chr.) an Kaiser Trajan

Plinius der Jüngere (62-114 n. Chr.) war unter Kaiser Trajan (98-117 n. Chr.) Statthalter von Bithynien in Kleinasien. Da er des öfteren mit Christen in Berührung kam, schrieb er im Jahr 112 n. Chr. einen Brief an Kaiser Trajan, in dem er den Kaiser fragte, wie er sich den Christen gegenüber verhalten solle:

"Ich habe es mir zum Grundsatz gemacht, mein Herr, alles, worüber ich im Zweifel bin, dir zu berichten. Denn wer könnte mich bei meiner Unentschlossenheit besser leiten und bei meiner Unerfahrenheit besser belehren? An Gerichtsverfahren gegen die Christen habe ich nie teilgenommen, daher weiß ich nicht, was und wie sie bestraft und untersucht zu werden pflegt... Andere, von einem Ankläger mit Namen genannt, gaben unumwunden zu, dass sie Christen seien, stellten es aber dann gleich wieder in Abrede; sie seien zwar Christen gewesen, seien es aber jetzt nicht mehr... Sie versicherten aber, ihr ganzes Vergehen oder ihr Irrtum habe darin bestanden, dass sie gewohnt seien, an einem bestimmten Tage vor Sonnenaufgang zusammenzukommen und Christus als einem Gott im Wechselgesang Lieder zu singen. ... Die Angelegenheit schien mir einer Anfrage wert, besonders wegen der Zahl derjenigen, die in einen Prozess verwickelt sein könnten. Denn viele, jeden Alters, Standes und Geschlechts, kommen und werden noch in Gefahr kommen. Nicht nur die Städte, sondern auch die Dörfer und das flache Land hat dieser ansteckende Glaube erfasst, dem wohl noch Einhalt geboten oder abgeholfen werden kann...." ("Epistolae", X, 96)

Aus diesem Schreiben von Plinius dem Jüngeren geht hervor, dass die Christen bereits am Anfang des 2. Jahrhunderts in Kleinasien verbreitet waren. Diese Christen gingen wahrscheinlich aus jenen Gemeinden hervor, die der Apostel Paulus in Kleinasien gegründet hatte. (vgl. Apostelgeschichte Kap. 13, 14 und 16; Briefe an die Galater und Epheser).

b) Die "Jahrbücher" von Tacitus (55-120 n. Chr.)

Eine bedeutende Aussage über Jesus Christus findet sich in den "Jahrbüchern" von Tacitus. Tacitus war ein römischer Geschichtsschreiber, der von 55 bis 120 n. Chr. lebte. Um das Jahr 116 n. Chr. beschrieb er die wichtigsten Ereignisse, die in der Zeit von Tiberius bis Nero (14-68 n. Chr.) stattgefunden hatten. Im Zusammenhang mit dem Brand von Rom (64 n. Chr.) unter Kaiser Nero (54-68 n. Chr.) erwähnt er auch die Christen und Christus.

"Nicht durch menschliche Hilfe, nicht durch des Herrschers Spenden oder durch Sühneopfer für die Götter ließ sich der Schimpf wegwaschen, dass man glaubte, die Feuersbrunst sei von oben her befohlen worden. Um dieses Gerücht zu unterdrücken, hat Nero diejenigen als schuldig hingestellt und mit ausgesuchten Martern bestraft, die das Volk wegen ihrer Schandtaten hasste und Chrestianer nannte. Der Urheber dieses Namens, Christus, wurde unter der Regierung des Tiberius durch den Prokurator Pontius Pilatus der Todesstrafe überantwortet. Dieser verabscheuungswürdige Aberglaube wurde für den Augenblick unterdrückt, brach dann wieder von neuem auf, nicht nur in Judäa, wo das Übel seinen Ausgang genommen hatte, sondern auch in Rom." ("Annales", XX, 44)

c) Die "Kaiserviten" von Sueton (75-150 n. Chr.)

Ein wichtiger Hinweis auf die Christen findet sich auch in den "Kaiserviten" von Sueton, der von 75-150 n. Chr. lebte. Sueton war als Sekretär unter den Kaisern Trajan (98-117 n. Chr.) und Hadrian (117-138 n. Chr.) tätig. Er hatte Zugang zu den kaiserlichen Archiven. Um 120 n. Chr. verfasste er die "Kaiserviten", d. h. die Biographien der ersten zwölf römischen Kaiser. In der Lebensbeschreibung von Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) berichtet er, dass dieser die Juden und die Judenchristen aus Rom vertreiben ließ; in diesem Zusammenhang erwähnt er auch den Namen "Chrestus".

Diese außerbiblischen Quellen vermitteln uns einige wichtige Aussagen über Jesus Christus: Sie nennen seinen Namen, die berichten von seiner Herkunft, sie beschreiben sein Wirken, sie berichten von der Kreuzigung Jesu durch Pontius Pilatus unter Kaiser Tiberius und von der Ausbreitung des Christentums im Römischen Reich. Wir können also sagen, dass sich die wichtigsten Aussagen über den geschichtlichen Jesus auch in außerbiblischen Quellen finden lassen.


5) DAS LEBEN JESU

Wir wollen uns nun der Biographie von Jesu im einzelnen zuwenden. Wir müssen dabei aber vorausschicken, dass die biblischen Autoren nicht die Absicht hatten, uns eine Biographie im modernen Sinn zu liefern. Die Absicht dieser Autoren war es, die Gestalt Jesu in einem heilsgeschichtlichen Sinn darzustellen. Sie haben deshalb nur das über Jesus berichtet, was in einem heilsgeschichtlichen Sinn von Interesse war. Dennoch dürfen wir sagen, dass wir über einige Daten aus dem Leben Jesu verfügen und dass diese auch historisch fundiert sind. Die Forschungen von großen Forschern (Ricciotti, Garrigou-Lagrange, Vögtle, Benoit, Blinzler, Flusser, Laurentin, Pixner, Thiede) haben gezeigt, dass die Berichte des Neuen Testaments historisch weit fundierter sind, als von früheren und neueren Kritikern angenommen wurde.
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 11. Juni 2011, 10:44:54
6) PALÄSTINA ZUR ZEIT JESU


Bevor wir auf die einzelnen Ereignisse und Etappen im Lebens Jesu zu sprechen kommen, wollen wir kurz das politische Umfeld betrachten, in dem Jesus aufgewachsen ist. Das Land Palästina, in dem Jesus geboren wurde, stand seit dem Jahr 63 v. Chr. unter der Herrschaft der Römer. Im Jahr 40 v. Chr. gelang es dem Idumäer-Fürsten Herodes, von den Römern die Herrschaft über Palästina zu erlangen. Herodes behielt die Herrschaft über Palästina fast 40 Jahre lang und regierte auch noch zur Zeit der Geburt Jesu. Der König blieb aber während seiner Regierungszeit stets von den Römern abhängig. König Herodes ließ den Juden und ihren obersten Vertretern eine gewisse Autonomie, soweit sie nicht seine politische Herrschaft in Frage stellten. Obwohl er selbst kein Jude war, errichtete er in Jerusalem den gewaltigen Tempelbau, der nach ihm auch der "Herodianische Tempel" genannt wird. König Herodes war aber auch ein herrschsüchtiger und grausamer Monarch. Er lebte in ständiger Sorge um seinen Thron und ließ jeden verdächtigen Gegner seiner Macht verfolgen und hinrichten. Dabei verschonte er auch seine eigenen Verwandten nicht.
 

7) GEBURTSDATUM UND GEBURTSORT

Nach dieser kurzen Einführung wollen wir uns nun etwas näher mit den einzelnen biographischen Daten Jesu befassen. Jede Biographie beginnt mit dem Geburtsdatum und mit dem Geburtsort. Auch im Fall von Jesus gibt es Aussagen über Zeit und Ort seiner Geburt. Jeder von uns kennt die berühmte Stelle aus dem Lukas-Evangelium, die von der Geburt Jesu berichtet: "In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt, denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war." (Lk 2,1-7) Beim Evangelisten Matthäus finden wir noch den Hinweis, dass Jesus "zur Zeit des Königs Herodes in Bethlehem in Judäa" (Mt 2,1) geboren wurde und dass dieser Herodes den kleinen Jesus töten lassen wollte. Die Geburt Jesu fiel also in die Regierungszeit des Kaisers Augustus, der von 28 v. Chr. bis 14 n. Chr. regierte. Die Geburt Jesu fiel aber auch in die Regierungszeit des Königs Herodes und fand schließlich während einer Volkszählung unter dem Statthalter Quirinius statt. Bei der Geburt Jesu galt im römischen Reich der römische Kalender, der mit der Gründung der Stadt Rom im Jahr 753 v. Chr. begann. Als aber der römische Kalender mit dem Untergang des Weströmischen Reiches seine Bedeutung und seinen Sinn verlor, entschloss man sich zur Erstellung eines neuen Kalenders, dessen Zählung mit der Geburt Jesu Christi beginnen sollte. Im Jahr 533 versuchte der Mönch Dionysius Exiguus das Geburtsdatum Jesu zu errechnen und kam dabei auf das Jahr 1 unserer Zeitrechnung. Die spätere Forschung hat dann festgestellt, dass sich der syrische Mönch um einige Jahre verrechnet haben muss. Aufgrund von römischen Berichten wissen wir, dass König Herodes Ende März oder Anfang April des Jahres 4 vor dem Beginn unserer Zeitrechnung gestorben ist. Wenn wir dann noch eine gewisse Zeitspan ne hinzufügen, die nach der Geburt Jesu bis zu seiner Verfolgung durch König Herodes vergangen ist, so kommen wir auf das Jahr 5 oder 6 vor Beginn der Zeitrechnung. Ein weiterer Anhaltspunkt für das Geburtsdatum Jesu ist die Volkszählung unter dem Statthalter Quirinius von Syrien. Langwierige Nachforschungen haben ergeben, dass eine solche Volkszählung tatsächlich im Jahr 7 oder 6 vor Beginn der Zeitrechnung stattgefunden haben muss. Jesus dürfte also mit größter Wahrscheinlichkeit schon einige Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung, und zwar im Jahr 7 oder 6 geboren worden sein.

Als Geburtsort Jesu wird uns in den Evangelien von Matthäus und Lukas die kleine Stadt Bethlehem genannt. Bethlehem befindet sich 9 Kilometer südwestlich von Jerusalem in Judäa. Josef und Maria waren kurz vor der Geburt Jesu nach Bethlehem gezogen, um sich dort in die Steuerlisten eintragen zu lassen. Die Römer hatten nämlich die Juden aufgefordert, sich im Geburtsort des Stammesvaters der eigenen Sippe eintragen zu lassen. Und da Josef ein Nachkomme von König David war, musste er in die Geburtsstadt Davids, nach Bethlehem, ziehen. Die Entfernung von Nazaret bis nach Bethlehem betrug etwa 120 Kilometer. Für Maria war die Reise von Galiläa bis nach Judäa bestimmt mit einigen Beschwerden verbunden. Die Stadt Bethlehem war aufgrund der Volkszählung überfüllt, und so konnten Josef und Maria keinen Platz finden. Wahrscheinlich wollten Josef und Maria nicht, dass das Kind in einer öffentlichen Gaststätte zur Welt käme. So suchten sie nach einem ruhigeren Platz und fanden schließlich in einer der vielen Grotten um Bethlehem ein notdürftiges, aber ruhigeres Quartier. Die Grotte diente als Stall und hatte eine Krippe, in die Maria das neugeborene Kind hineinlegte. - Manche moderne Theologen behaupten, dass Jesus nicht in Bethlehem geboren worden sei. Sie sind der Ansicht, dass die Evangelisten diesen Ort nur deswegen angeführt hätten, weil es beim Propheten Micha eine Stelle gebe, die Bethlehem als den Geburtsort des zukünftigen Herrschers von Israel nennt (vgl. Micha 5,1). Nach Meinung dieser Theologen wird die Stadt Bethlehem nur deshalb als Geburtsort genannt, weil man auf diese Weise die Erfüllung dieser Schriftstelle bei Micha beweisen wollte. Nun scheinen aber mehrere Gründe gegen eine solche konstruierte Ortsangabe zu sprechen. Wenn Jesus - wie diese Theologen annehmen - irgendwo in Galiläa geboren worden wäre, dann wären nicht nur die Volkszählung unter Quirinius und die Geburt in Bethlehem, sondern auch die folgenden Ereignisse wie die Darstellung Jesu im Tempel, die Flucht nach Ägypten und der Kindermord in Bethlehem in Frage gestellt. Es ist aber höchst unwahrscheinlich, dass ein Verfasser eine längere Reihe von Ereignissen mit detaillierten Angaben nur erfindet, um damit die Erfüllung einer alttestamentlichen Prophezeiung zu fingieren. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, der gegen eine Erfindung der Geburtsgeschichte spricht: Es gibt seit der frühesten Zeit der Christenheit eine Überlieferung, die auf Bethlehem als Geburtsort Jesu hinweist. So hat Justin der Märtyrer, der im 2. Jahrhundert lebte und aus Palästina stammte, Bethlehem als Geburtsort Jesu genannt. Aber auch der bekannte Kirchenvater Origines hat im 3. Jahrhundert Bethlehem als Geburtsort Jesu bezeichnet. In seiner Schrift "Contra Celsum" weist er darauf hin, dass Bethlehem auch von Nichtchristen als Geburtsort Jesu genannt wurde. Und schließlich hat auch der hl. Hieronymus, der von 347 bis 420 gelebt hat und viele Jahre in Bethlehem verbrachte, diesen Ort als den Geburtsort Christi bezeichnet. Ein weiterer Beweis dafür, dass Bethlehem tatsächlich der Geburtsort Jesu ist, können wir auch in der Tatsache sehen, dass der römische Kaiser Hadrian nach der Niederschlagung des jüdischen Aufstands im Jahr 135 alle jüdischen und christlichen Stätten in heidnische Kultstätten umwandeln ließ. So wurde über der Stätte des Tempels in Jerusalem ein Zeus-Tempel errichtet und über der Stätte von Golgota ein Aphrodite-Tempel gebaut. Auch über der Geburtsstätte in Bethlehem wurde ein Hain zu Ehren von Adonis gepflanzt. Diese heidnischen Kultstätten wurden erst durch Kaiser Konstantin beseitigt, der dort christliche Kirchen errichten ließ. Diese heidnischen Kultstätten waren aber auch ein Beweis dafür, dass es sich bei diesen Stätten tatsächlich um die besagten Schauplätze aus dem Leben Jesu handelte. So dürfen wir heute mit Sicherheit annehmen, dass Jesus tatsächlich in Bethlehem geboren wurde.

Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 18. Juni 2011, 09:43:49
8) BESCHNEIDUNG UND DARSTELLUNG

Am achten Tag nach Geburt Jesu erfolgte nach jüdischem Brauch die Beschneidung. Bei dieser Gelegenheit erhielt Jesus auch seinen Namen. Am 40. Tag nach der Geburt wurde Jesus nach jüdischer Sitte im Tempel dargestellt (vgl. Lk 2,21-40). Die "Darstellung" war eine besondere Weihe des erstgeborenen männlichen Kindes an Gott, die vom jüdischen Gesetz vorgeschrieben war. Die Eltern mussten das Kind in dem Tempel bringen, um es dort in besonderer Weise Gott zu weihen. Dann wurde das Kind durch bestimmte Opfergaben "ausgelöst". Auch Josef und Maria brachten also das Kind zur Darstellung in den Tempel. Dort kam es zur Begegnung mit einem Mann, der Simeon hieß. Dieser Simeon erkannte in Jesus den zukünftigen Retter und nannte ihn das Heil der Völker, ein Licht für die Heiden und den Ruhm Israels (vgl. Lk 2,29-32). Anschließend bezeichnete er Jesus auch noch als ein Zeichen, dem widersprochen wird (vgl. Lk 2,34). Er meinte damit, dass Jesus durch seine Botschaft und sein Auftreten Widerspruch auslösen werde. Maria kündigte er an, dass ein Schwert ihr Herz durchbohren werde (vgl. Lk 2,35). Anschließend trat auch noch eine betagte Frau hinzu: Es handelte sich um die Prophetin Hanna, die Tochter Penuels aus dem Stamm Ascher. Diese Frau war verheiratet gewesen, doch nach sieben Jahren hatte sie ihren Ehemann verloren. Nun war sie eine Witwe von 84 Jahren, die sich ständig im Tempel aufhielt und Gott diente. Sie pries Gott und sprach zu allen über dieses Kind (vgl. Lk 2,36-38). - Auch dieser Bericht weist erstaunlich präzise Züge auf: Er nennt die Namen von zwei Personen, denen Josef und Maria im Tempel begegnen. Vor allem die Angaben über die Prophetin Hanna sind unglaublich detailliert: So werden ihr Name, der Name ihres Vaters, ihre Stammeszugehörigkeit, die Anzahl ihrer Ehejahre und ihr genaues Alter angegeben. Diese exakten Angaben verleihen der ganzen Stelle einen hohen geschichtlichen Wahrheitsgehalt. Solch genaue Daten wären bei einem erfundenen Text unmöglich.

9) DIE STERNDEUTER AUS DEM OSTEN

Die Heilige Schrift berichtet dann auch von den Sterndeutern, die aus dem Osten kamen, um Jesus zu huldigen (vgl. Mt 2,1-12). Diese Sterndeuter kamen zu König Herodes und fragten ihn: "Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem." (Mt 2,2-3) König Herodes erkundigte sich bei den Priestern und Schriftgelehrten, wo der Messias geboren werden solle. Man antwortete ihm, dass der Messias laut dem Propheten (Micha) in Bethlehem geboren werde (vgl. Mt 2,5-6). Darauf schickte der König die Sterndeuter nach Bethlehem, um dort nach dem Kind zu forschen. Er forderte die Sterndeuter auf, ihm Nachricht zu geben, damit er auch nach Bethlehem gehen könne, um dort dem Kind zu huldigen (vgl. Mt 2,8-9). Die Männer verließen die Stadt Jerusalem und sahen plötzlich wieder den Stern vor sich herziehen. Schließlich blieb der Stern über dem Haus stehen, in dem Josef, Maria und der kleine Jesus wohnten. Die Sterndeuter gingen in das Haus und huldigten dem Kind und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. In der Nacht wurde den Männer im Traum geboten, nicht zu Herodes zurückzukehren, und so zogen sie auf einem anderen Weg in ihr Land zurück (vgl. Mt 2,9-12). - Auch dieser bekannte Bericht bedarf einiger Klärungen: Zunächst wollen wir darauf hinweisen, dass die Schrift von Sterndeutern spricht und nicht von Königen. Die Heilige Schrift berichtet auch nicht, wie viele Männer es waren und nennt auch keine Namen. Die Vorstellung, dass es sich bei den Sterndeutern aus dem Osten um Könige gehandelt habe, geht auf eine spätere Tradition zurück. Die Namen Kaspar, Melchior, Balthasar werden zum ersten Mal im 6. Jahrhundert genannt. Wir werden also gut daran tun, dass wir uns an die nüchternen Angaben der Heiligen Schrift halten. Von Bedeutung ist dann auch, aus welchem Land diese Sterndeuter gekommen sind: Die moderne Forschung nimmt an, dass die Sterndeuter wahrscheinlich aus Mesopotamien und Persien kamen. Die persischen Sterndeuter waren möglicherweise Anhänger von Zarathustra. Es gab in Persien auch eine Prophetie, dass aus Israel ein großer Herrscher hervorgehen werde. Auf der Fassade der ersten christlichen Kirche über der Geburtsgrotte fand sich auch eine Abbildung der Magier aus dem Osten, wobei einer der Magier als Perser dargestellt war. Diese Abbildung mit einem persischen Magier bewahrte übrigens die Kirche vor der Zerstörung, als im Jahr 614 n. Chr. ein neupersisches Heer in Palästina einfiel. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch ein kurzer Bericht von Marco Polo in seinem Buch "Il Milione": Der berühmte venezianische Kaufmann, der bei seiner Reise nach Asien bis nach Peking kam, berichtet, dass er in Persien in eine Ortschaft gekommen sei, aus der nach alter Überlieferung einer der Sterndeuter stammte. Ein weiteres Problem bei dieser Bibelstelle über die Sterndeuter ist auch der bekannte "Stern von Bethlehem", der vor den Männern herzog und sie zum Haus von Josef und Maria führte. Es wurde mehrmals versucht, diesen Stern mit einem der bekannten Kometen in Verbindung zu bringen. Aber keiner dieser Kometen lässt sich mit den Erscheinungen und Bewegungen des Sterns von Bethlehem in Einklang bringen. Der bekannte Astronom Tycho Brahe erklärte, dass es sich um keinen gewöhnlichen Stern handelte. Der große Astronom Kepler  hingegen glaubte, dass es sich bei diesem "Stern" um ein besonderes Zusammentreffen der Planeten Jupiter und Saturn handelte, die sich im Jahr 7 v. Chr. dreimal wiederholte. Die Bewegungen des Sterns von Bethlehem waren aber so außerordentlich, dass sie sich auch mit einem Zusammentreffen von zwei Planeten unmöglich erklären lassen. Wir müssen also annehmen, dass es sich hier um eine außerordentliche Himmelserscheinung gehandelt haben muss. Zusammenfassend dürfen wir annehmen, dass auch dieses Ereignis einen historischen Kern hat und nicht nur erfunden wurde, um die Bedeutung Jesu hervorzuheben. Für die Geschichtlichkeit dieses Ereignisses spricht auch noch der Umstand, dass der christliche Autor in diesem Fall die Sterndeutung gelten ließ, obwohl sonst das Judentum und das Christentum jede Art von Astrologie strikt ablehnte. Offensichtlich war der Autor dieses Berichtes der Überzeugung, dass sich Gott in diesem Fall der Astrologie bedient habe, um auch die Heiden die Bedeutung dieses "neugeborenen Königs der Juden" erkennen zu lassen.
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 20. Juni 2011, 10:20:13
10) DIE FLUCHT NACH ÄGYPTEN

Im Matthäus-Evangelium wird weiter berichtet, dass Josef nach dem Besuch der Sterndeuter im Traum ein Engel erschien und ihn zur sofortigen Flucht nach Ägypten aufforderte: "Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten." (Mt 2,13) Josef musste also versuchen, so schnell wie möglich das Herrschaftsgebiet von Herodes zu verlassen. Von Bethlehem war eine Flucht nach Ägypten die einzige Möglichkeit, um sich vor Herodes in Sicherheit zu bringen. Noch mitten in der Nacht brach die heilige Familie mit einem Esel nach Süden auf. Josef wählte wahrscheinlich den Weg über Hebron und Berscheeba. Von dort zog er dann mit seiner Familie zur Mittelmeerküste, um auf der alten Karawanenstraße von Palästina nach Ägypten in Richtung Nildelta weiterzuziehen. Dabei musste er zunächst ein trockenes Steppengebiet durchqueren und dann durch eine Sandwüste ziehen. Die Karawanenroute führte über Rhinocolura bis nach Pelusium. Insgesamt betrug die Strecke von Bethlehem bis nach Ägypten etwas mehr als 300 km. Josef und seine Familie waren wahrscheinlich eine gute Woche unterwegs. Der Evangelist berichtet uns nicht, wo sich die heilige Familie in Ägypten niedergelassen hat. Josef und Maria mussten aber mit dem kleinen Jesus bis zum Tod des Herodes in Ägypten bleiben.

11) DER KINDERMORD IN BETHLEHEM

In der Zwischenzeit kam es in Bethlehem zum berüchtigten Kindermord. Der Evangelist Matthäus berichtet: "Als Herodes merkte, dass ihn die Sterndeuter getäuscht hatten, wurde er sehr zornig, und er ließ in Bethlehem und in der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten... " (Mt 2,16) Auch diese Begebenheit wird heute von vielen modernen Theologen in Frage gestellt. Sie weisen darauf hin, dass ein solches Blutbad kaum vorstellbar sei, und dass in keiner anderen historischen Schrift davon berichtet wird. Nicht einmal bei Flavius Josephus sei ein Hinweis auf dieses Massaker zu finden... Dagegen ist aber zu sagen, dass Herodes sehr wohl zu einer solchen Tat fähig war. Es ist uns eine lange Reihe von Verbrechen bekannt, die Herodes in seiner Regierungszeit begangen hat. So ließ er politische Gegner und auch Mitglieder des Hohen Rates hinrichten. Er ließ seinen erst sechzehnjährigen Schwager Aristobul in einem Schwimmbad ertränken; er ließ sogar seine eigene Frau Mariamne und seine zwei Söhne Alexander und Aristobul hinrichten. Selbst Kaiser Augustus war über die Grausamkeit von Herodes entsetzt und sagte: "Es ist leichter, ein Schwein von Herodes zu sein als ein Sohn von ihm." Während der Regierungszeit von Herodes kam es zu Hunderten von Hinrichtungen. Vor allem in der Zeit vor seinem Tod wütete Herodes entsetzlich und ließ dabei viele Menschen umbringen. Wenige Tage vor seinem Tod befahl er, seinen ältesten Sohn Antipater zu töten. Herodes war also durchaus zu einem solchen Kindermord in Bethlehem fähig. Wir müssen uns auch über die Größenordnung dieses Kindermords Gedanken machen. Neueren Schätzungen zufolge war die Stadt Bethlehem und ihre Umgebung zur damaligen Zeit von etwa 1000 Personen bewohnt. Bei dieser Einwohnerzahl dürften etwa 20 bis 30 Knaben unter zwei Jahren getötet worden sein. Die Zahl der getöteten Kinder war also viel geringer als gewöhnlich angenommen wird (was freilich nichts an der Brutalität des Verbrechens ändert!) Die Zahl von zwanzig toten Kindern, die noch dazu von einfachen Hirten stammten, war gegenüber den vielen Kapital-Verbrechen von Herodes nichts Besonderes, und so findet sich von diesem Kindermord auch keine Notiz in den historischen Quellen.

Nach dem Tod von Herodes zog Josef mit seiner Familie zurück nach Palästina. Als er dort erfuhr, dass Archelaus die Herrschaft über Judäa übernommen hatte, fürchtete er sich, in Bethlehem zu bleiben, und zog daher mit seiner Familie nach Nazaret in Galiläa (vgl. Mt 2,19-23)

 
12) DER ZWÖLFJÄHRIGE JESUS IM TEMPEL

Der Evangelist Lukas berichtet uns noch von einem weiteren Ereignis aus der Kindheit Jesu, nämlich vom Gespräch des zwölfjährigen Jesus mit den Schriftgelehrten im Tempel von Jerusalem (vgl. Lk 2,41-52). In Israel war es Brauch, dass die Gläubigen anlässlich der großen Feste - wie etwa beim Paschafest oder beim Laubhüttenfest - aus ganz Palästina nach Jerusalem zogen. Ab dem zwölften Lebensjahr war jeder Israelit zur Teilnahme an diesen Festen verpflichtet. So zogen auch Josef und Maria mit dem zwölfjährigen Jesus von Nazaret zum Paschafest nach Jerusalem. Sie unternahmen diese Wallfahrt nicht allein, sondern mit ihrer ganzen Sippe. Während der Reise wurden religiöse Lieder gesungen und Gebete gesprochen. In der Nacht schliefen die Wallfahrer auf großen Rastplätzen unter freiem Himmel. Die Reise von Nazareth bis Jerusalem dauerte etwa 3 bis 4 Tage. In Jerusalem waren die Pilger bei Verwandten untergebracht. Nach dem Paschafest, bei dem Zehntausende von Pilgern zusammengeströmt waren, machten sich Josef und Maria und die ganze Sippe wieder auf den Weg in die Heimat. Maria und Josef waren offensichtlich der Überzeugung, dass Jesus sich bei einer Gruppe der weitläufigen Verwandtschaft befinde. Als sie aber am Abend beim ersten Rastplatz ankamen, mussten sie feststellen, dass Jesus nirgends zu finden war. Da kehrten sie nach Jerusalem zurück. Erst nach drei Tagen fanden sie Jesus im Tempel. Dort hörte er den Schriftgelehrten zu und stellte ihnen Fragen. Der Evangelist Lukas schreibt: "Alle, die ihn hörten, waren erstaunt über sein Verständnis und über seine Antworten. Als seine Eltern ihn sahen, waren sie sehr betroffen, und seine Mutter sagte zu ihm: Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht. Da sagte er zu ihnen. Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört? Doch sie verstanden nicht, was er damit sagen wollte. Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen." (Lk 2,47-52) Diese Stelle ist nicht nur wegen des Gesprächs zwischen Jesus und den Schriftgelehrten von Bedeutung, sondern vor allem wegen der Antwort, die Jesus seiner Mutter Maria gibt: "Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?" Der zwölfjährige Jesus gibt damit seinen Eltern zu verstehen, dass er in erster Linie seinem himmlischen Vater verpflichtet ist und dann erst seinen Eltern auf Erden. - Kritische Theologen stellen auch dieses Ereignis in Frage und behaupten, dass der Evangelist es nur erfunden habe, um das besondere Wesen von Jesus hervorzuheben. Aber auch bei dieser Stelle müssen wir uns fragen, ob man ein solches Ereignis einfach erfinden kann. Diese Stelle erweist sich in mancher Hinsicht als paradox: Zunächst geraten Josef und Maria fast in Verdacht, dass sie zuwenig auf den zwölfjährigen Jesus aufgepasst hätten. Jesus selbst erweckt den Eindruck, als habe er sich mehrere Tage lang nicht darum gekümmert, ob seine Eltern etwa seinetwegen in Sorge sein könnten. Dieses, rein menschlich gesehen, völlig unverständliche Verhalten Jesu führt auch zur bangen Frage von Maria: "Kind, wie konntest du uns das antun?" Die ganze Episode hat also fast einen peinlichen Beigeschmack und erhält erst durch die Antwort des jungen Jesus ihre Rechtfertigung. Jesus muss seine Eltern damit vertraut machen, dass er zuerst dem Ruf seines Vaters folgen muss und erst dann ihnen gehorchen kann. Dieser ganze Bericht ist also zunächst im höchsten Maß paradox und wird erst zum Schluss verständlich. Es ist fast unmöglich, dass ein so paradoxer Bericht nur eine Erfindung sein soll.
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 21. Juni 2011, 16:11:30
13) DAS VERBORGENE LEBEN JESU

Nach diesem Bericht über den zwölfjährigen Jesus übergehen die Evangelien die nächsten zwei Jahrzehnte im Leben Jesu. Sie berichten erst wieder über das erste öffentliche Auftreten Jesu, das wahrscheinlich im Jahr 28 n. Chr. stattfand. Im Leben Jesu gibt es also einen Zeitraum von über 20 Jahren, von dem uns die Evangelisten nichts berichten. Für eine Biographie ist das höchst merkwürdig. Für das bessere Verständnis von Jesus wäre es doch sehr wertvoll, wenn uns die Evangelisten etwas von diesen zwanzig Jahren berichtet hätten. Es würde uns interessieren zu erfahren, welche Erfahrungen Jesus in seinen jungen Jahren gesammelt hat. Es wäre auch interessant zu wissen, welchen Menschen Jesus in jungen Jahren begegnet ist und welche Orte er besucht hat. Aber von all dem berichten die Evangelisten nichts. Sie wollen uns damit in nachdrücklicher Weise auf das verborgene Leben Jesu in Nazaret hinweisen. Jesus ist für die damalige Zeit sehr lange verborgen geblieben und ist erst im Alter von etwa 35 Jahren an die Öffentlichkeit getreten.

14) DAS ÖFFENTLICHE WIRKEN JESU

Wir wollen nun auf das öffentliche Wirken Jesu zu sprechen kommen. Da wir diese Abschnitte aus dem Leben Jesu in späteren Folgen noch ausführlich behandeln werden, wollen wir hier nur einige kurze Hinweise geben.

Zum besseren Verständnis für das öffentliche Wirken Jesu wollen wir zunächst auf die politischen Verhältnisse der damaligen Zeit eingehen. Nach dem Tod von Herodes im Jahr 4 v. Chr. verteilte Kaiser Augustus das Land unter seine drei Söhne Archelaus, Herodes Antipas und Philippus. Archelaus wurde Fürst von Judäa und Samaria, Herodes Antipas herrschte über Galiläa und Philippus erhielt das nördliche Ostjordanland. Als sich Archelaus, der über Judäa und Samaria regierte, als grausamer Herrscher erwies, wurde er abgesetzt und durch einen römischen Statthalter ersetzt. So kam es, dass zur Zeit des öffentlichen Wirkens von Jesus Judäa und Samaria vom römischen Statthalter Pontius Pilatus verwaltet wurde. In Galiläa hingegen herrschte weiterhin Herodes Antipas, ein Sohn von König Herodes.

Nach dieser kurzen Einführung in die politischen Machtverhältnisse in Palästina wollen wir noch einen raschen Blick in die gesellschaftlichen Verhältnisse des jüdischen Volkes zur Zeit Jesu werfen. An der Spitze des jüdischen Volkes stand der Hohepriester Kajaphas, der zusammen mit dem Hohen Rat die Geschicke des jüdischen Volkes lenkten. Der Hohepriester und der Hohe Rat hatten gegenüber den Römern eine gewisse Autonomie, waren aber in bestimmten Bereichen von den Römern abhängig (z. B. beim Fällen von Todesurteilen.) Dann wollen wir noch darauf hinweisen, dass die jüdische Gesellschaft zur Zeit Jesu von drei Gruppierungen bestimmt war: Von den Pharisäern, die sich um eine strenge Einhaltung der Gesetze bemühten und die die Römer verachteten; die Sadduzäer, die einen pragmatischen Kurs verfolgten und sich mit den Römern arrangierten, und schließlich die Zeloten, die die Römer bekämpften und sie vertreiben wollten. Die Pharisäer erwarteten einen königlichen Messias, der das auserwählte Volk zu Ruhm und Ehre erheben würde, die Zeloten hingegen erwarteten einen Messias, der sie im Kampf gegen die Römer anführen sollte. In dieser sehr komplexen geschichtlich-politischen Situation fand nun das öffentliche Wirken Jesu statt.


15) DAS AUFTRETEN JOHANNES DES TÄUFERS

Der Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu fällt mit dem Auftreten von Johannes dem Täufer zusammen. Lukas schreibt in seinem Evangelium, dass Johannes der Täufer im 15. Regierungsjahr des Kaisers Tiberius aufgetreten sei. Dieses Jahr würde dem Jahr 28 n. Chr. entsprechen. Es könnte aber auch sein, dass Johannes bereits im Jahr 26 n. Chr. mit seinem Wirken begonnen hat. Johannes rief die Menschen zur Umkehr auf und taufte sie im Jordan in der Nähe von Bethanien nördlich des Toten Meeres. Als er gefragt wurde, ob er der Messias sei, antwortete er, dass er nur der Vorläufer eines Größeren sei, der nach ihm komme. Eines Tages erschien auch Jesus bei Johannes und ließ sich von ihm taufen. Johannes erkannte in ihm den Messias und wies seine Jünger auf Jesus hin: "Seht das Lamm Gottes!" Bald nach der Taufe begann Jesus öffentlich aufzutreten.

16) DIE BERUFUNG DER JÜNGER

Jesus berief zwölf Männer in seine Nachfolge. Die Namen dieser Männer sind uns von drei Evangelisten überliefert worden: "... an erster Stelle Simon, genannt Petrus, und sein Bruder Andreas, dann Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und sein Bruder Johannes, Philippus und Bartholomäus, Thomas und Matthäus, der Zöllner, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus, Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn später verraten hat." (Mt 10,1-4; vgl. Mk 3,16-19; Lk 6,13-15)

17) JESUS VERKÜNDET DAS REICH GOTTES

Mit diesen zwölf Männern zog Jesus mehrere Jahre lang umher. Die Zeitangaben des öffentlichen Wirkens schwanken bei den einzelnen Evangelisten zwischen eineinhalb und dreieinhalb Jahren. Das Zentrum des Wirkens Jesu war das Fischerdorf Kafarnaum am See Gennesaret (vgl. Mt 4,13). Jesus besuchte bei seinen Wanderungen die verschiedensten Orte von Galiläa, er gelangte aber auch in das Gebiet der Dekapolis östlich des Jordans (vgl. Mk 7,31) und stieß auch in das Gebiet von Tyrus und Sidon (Libanon) vor (vgl. Mt 15,21-28). In diesen Jahren kam Jesus auch mehrmals nach Jerusalem und nahm dort an den großen Festen der Juden teil. Bei seinen Wanderungen predigte Jesus den Menschen die Ankunft des Reiches Gottes (vgl. Mt 4,17). Er forderte die Menschen zur Umkehr auf (vgl. Mt 4,17). Er lehrte sie einen verinnerlichten Glauben, der sich nicht in der äußeren Erfüllung von bestimmten Gesetzen erschöpfte (vgl. Mt 6,1-18). Jesus lehrte die Menschen eine neue Moral (vgl. Mt 5-7) und zeigte ihnen, wie sie die Erlösung und das ewige Leben bei Gott erlangen konnten (vgl. Joh 3,1-13; 6,22-59). Von Jesus werden auch zahlreiche Zeichen und Wunder berichtet: Er heilte viele Kranke (vgl. Mt 9,27-31; Mk 2,1-12; 7,31-37), er verwandelte Wasser in Wein (vgl. Joh 2,1-11) und vermehrte Brot und Fische (vgl. Mt 14,13-21),  er bändigte die Naturgewalten (vgl. Mt 8,23-27) und erweckte sogar Tote zu neuem Leben (vgl. Joh 11,1-44). Diese Wunder erfüllten die Menschen mit Staunen und Hoffnung.

18) DER KONFLIKT MIT DEN PHARISÄERN UND SADDUZÄERN

Doch bald schon kam es zum Konflikt zwischen Jesus und den religiösen und politischen Mächten des Landes. Obwohl Jesus zunächst sehr behutsam auftrat und sich in neutraler Weise als den "Menschensohn" bezeichnete, führte sein Auftreten und seine Lehre immer mehr zu Spannungen mit den verschiedenen jüdischen Gruppierungen: Die Pharisäer beschuldigten Jesus, dass er das Gesetz des Moses in Frage stelle (vgl. Mt 12,1-8; 9-14) und dass er sich Gott gleich setze (vgl. Joh 5,18). Die Sadduzäer befürchteten, dass es durch Jesus als den Messias zu Unruhen und zu einem Aufstand gegen die Römer  kommen würde und dass die Römer dann das Land mit Gewalt unterwerfen würden (vgl. 11,48). Die Zeloten hingegen erwarteten sich, dass Jesus endlich als politischer und militärischer Führer gegen die Römer auftreten würde. Zu den Zeloten gehörte übrigens auch Judas Iskariot, der sich enttäuscht von Jesus abwandte, als er seine politischen Hoffnungen nicht erfüllt sah. Als Jesus immer mächtigere Zeichen und Wunder wirkte und immer mehr Leute in ihm den Messias erblickten, fürchteten die Hohenpriester, die Sadduzäer und die Pharisäer um ihre Macht und ihren Einfluss. Sie beschlossen daher, Jesus so bald wie möglich zu töten (vgl. Joh 11,45-53).
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 22. Juni 2011, 11:28:33
19) DIE VERURTEILUNG UND DER TOD JESU

Als Jesus anlässlich des Paschafestes nach Jerusalem kam, wurde er auf Befehl der Hohenpriester und Ältesten mitten in der Nacht im Garten von Getsemani vor den Toren Jerusalems verhaftet (vgl. Mt 11,47). Jesus wurde zunächst in das Haus des Hohenpriesters Kajaphas geführt (vgl. Mt 26,57) und dort vom Hohen Rat verhört. Schließlich fragte der Hohepriester Jesus, ob er der Messias, der Sohn Gottes sei (vgl. Mt 26,63). Als Jesus diese Frage des Hohenpriesters bejahte, wurde er der Gotteslästerung angeklagt. Der Hohe Rat erklärte, dass Jesus schuldig sei und sterben müsse (vgl. Mt 26,65-66). Da die Juden Jesus aber nicht zum Tod verurteilen durften, brachten sie den Fall vor den römischen Statthalter Pontius Pilatus (vgl. Mt 27,2). Dieser erkannte, dass es sich bei der Anklage um eine religiöse Angelegenheit handelte, und erklärte, dass es sich dabei nach römischem Gesetz nicht um ein todeswürdiges Verbrechen handle (vgl. Joh 18,38; 19,6). Pilatus hatte die Absicht, Jesus durch eine Amnestie freizugeben: Anlässlich des Paschafestes war es nämlich üblich, dass die Römer den Juden einen Gefangenen freiließen. Das Volk stimmte aber nicht für Jesus, sondern für den Zeloten Barabbas, der bei einem Aufstand einen Mann getötet hatte (vgl. Joh 18,39-40). Darauf verhörte Pilatus Jesus ein zweites Mal und gelangte wieder zur Überzeugung, dass er nach dem römischen Gesetz nicht die Todesstrafe verdiente. Da lenkten die jüdischen Ankläger den Prozess in eine politische Richtung und erklärten, dass Jesus sich als König ausgegeben habe und sich damit gegen den römischen Kaiser stelle. Sie erklärten Pilatus unumwunden, dass er kein Freund des Kaisers mehr sei, wenn er diesen Hochverräter laufen lasse (vgl. Joh 19,12). Darauf verurteilte Pilatus Jesus zum Kreuzestod (vgl. Joh 19,16a). Die römischen Soldaten führten Jesus mit zwei Verbrechern auf den Hügel von Golgota außerhalb der Stadtmauern von Jerusalem und kreuzigten ihn (vgl. Joh 19,16b-30). Das Todesdatum Jesu ist mit großer Wahrscheinlichkeit der 7. April des Jahres 30 n. Chr.

Wenn wir zum Abschluss diese geschichtlichen Überlegungen zusammenfassen, so gelangen wir dabei zu folgenden Ergebnissen: Wir besitzen verschiedene Quellen, die uns über den historischen Jesus Auskunft geben. Dabei unterscheiden wir zunächst die biblischen und die außerbiblischen Quellen. Zu den biblischen Quellen gehören die vier Evangelien und verschiedene Texte aus dem Neuen Testament. Zu den außerbiblischen Quellen zählen verschiedene jüdische und römische Texte. Aufgrund dieser Quellen wissen wir, dass Jesus ungefähr vom Jahr oder 6 vor Beginn unserer Zeitrechnung bis zum Jahr 30 n. Chr. gelebt hat. Die Evangelisten vermitteln uns einige Informationen über die Geburt und die Kindheit Jesu. Über den Zeitraum vom 12. bis zum 35. Lebensjahr geben uns die biblischen Quellen keinerlei Auskunft. Ab dem Beginn des öffentlichen Wirkens im Jahr 28 n. Chr. bis zum Tod Jesu am Kreuz finden sich in den verschiedenen Quellen ausführliche und detaillierte Angaben.
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 25. Juni 2011, 10:15:34
VII  DIE MENSCHWERDUNG JESU

Die biblischen und außerbiblischen Quellen haben uns gezeigt, dass Jesus von Nazareth eine geschichtliche Gestalt war. Die biblischen Quellen gehen aber schon am Anfang ihrer Berichterstattung über das Geschichtliche hinaus: Sie verkünden, dass Jesus nicht durch eine normale Zeugung, sondern durch ein besonderes Eingreifen Gottes Mensch geworden ist.

1) DIE VERKÜNDIGUNG DER GEBURT JESU

a) Der Bericht des Evangelisten Lukas

Der Evangelist Lukas berichtet, dass Gott einen Engel zu einer Jungfrau nach Nazaret in Galiläa gesandt hat und schreibt dann wörtlich: "Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben. Maria sagte zu dem Engel: Wie wird das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Auch Elisabeth, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist kein Ding unmöglich. Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mit geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel." (Lk 1,27-38)


b) Der Bericht des Evangelisten Matthäus

Neben dem Bericht von Lukas finden wir auch bei Matthäus einige Aussagen, die auf eine übernatürliche Empfängnis Jesu hinweisen. Der Evangelist schreibt: "Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte es sich, dass sie ein Kind erwartete - durch das Wirken des Heiligen Geistes. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Während er noch darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist." (Mt 1, 18-20).


c) Die jüdische Verlobung

Der Evangelist Lukas weist darauf hin, dass sich der Engel Gabriel an eine Jungfrau gewandt hat, die mit einem Mann namens Josef verlobt war. Auch der Evangelist Matthäus erwähnt, dass Maria mit Josef verlobt war. Nach jüdischem Brauch wurden die Frauen gewöhnlich im Alter von 13-14 Jahren verlobt, die Männer verlobten sich im Alter von 18 bis 24 Jahren. Die Verlobung beinhaltete nach damaligem jüdischen Brauch nicht nur ein Versprechen, sondern bereits einen ehelichen Vertrag. Die beiden Partner waren also durch die Verlobung bereits gesetzlich miteinander verbunden. Aber meistens verging zwischen der Verlobung und der Heirat etwa ein Jahr, in dem die verschiedenen Vorbereitungen für den zukünftigen Ehestand getroffen wurden. Erst nach Ablauf des Jahres wurde die Braut feierlich in das Haus des Bräutigams heimgeholt. In der Zeit zwischen der Verlobung und der Heirat war die Braut zur Treue gegenüber dem Bräutigam verpflichtet. Wenn sie dem Bräutigam untreu wurde, konnte sie der Bräutigam nach jüdischem Gesetz als Ehebrecherin klagen.


2) DIE ABSICHT DER BIBLISCHEN VERFASSER

Die Berichte von Lukas und Matthäus weisen drauf in, dass Jesus ohne das Mitwirken eines Mannes empfangen. Jesus ist also laut diesen Stellen der Heiligen Schrift der Sohn einer Jungfrau. Diese Aussage der Heiligen Schrift bereitet jedem kritisch denkenden Menschen nicht geringe Schwierigkeiten. Für den modernen Menschen ist es unvorstellbar, dass ein Mensch ohne das Mitwirken eines Mannes gezeugt werden kann. Dieser Glaubenssatz hat aber auch immer wieder zu massiven Angriffen von Seiten der Gegner des Christentums geführt. Er wird selbst von gewissen Theologen geleugnet oder umgedeutet. Um hier zu einer klareren Sicht der Dinge zu gelangen, wollen wir versuchen, diese Aussagen der Heiligen Schrift etwas tiefer zu betrachten.
Die moderne Exegese - also die moderne Auslegung der Heiligen Schrift - lehrt uns, dass sich der Leser der biblischen Texte in erster Linie nach der "Absicht des Verfassers" fragen muss. Er muss also versuchen herauszubekommen, welche Absicht der biblische Verfasser beim Niederschreiben des Textes verfolgt hat und welche Botschaft er an die sog. "Adressaten" - also an die Leser - vermitteln wollte. Wir wollen deshalb versuchen, diese Bibelstellen von Lukas und Matthäus, die die Empfängnis Jesu durch die Jungfrau Maria betreffen, nach der Absicht der Verfasser zu hinterfragen.
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 28. Juni 2011, 20:15:45
3) EINE REALE EMPFÄNGNIS

a) Die Aussagen der Heiligen Schrift sind real gemeint

Der Verfasser des Lukas-Evangeliums schreibt, dass der Engel Gabriel der Jungfrau Maria die Geburt eines Sohnes verkündete. Der Engel sagte zu Maria, dass dieses Kind groß sein und der Sohn des Höchsten genannt werden wird. Maria fragte darauf den Engel, wie das geschehen solle, da sie keinen Mann erkenne. Der Engel antwortet ihr, dass der Heilige Geist über sie kommen und die Kraft des Höchsten sie überschatten werde. Deshalb wird auch das Kind, das sie empfangen wird, heilig und Sohn Gottes genannt werden (vgl. Lk 1, 30-36) Wenn wir uns hier nach der Absicht des Autors fragen, so gelangen wir zu folgender Feststellung: Der Verfasser will offensichtlich den Adressaten mitteilen, dass Maria den Sohn Gottes empfangen soll. Durch die Frage Marias an den Engel, wie das geschehen soll, da sie ja keinen Mann erkenne, gibt der Verfasser zu verstehen, dass hier offensichtlich von einer konkreten Zeugung die Rede ist. Auch die Antwort des Engels lässt begreifen, dass es sich um eine konkrete Zeugung handelt, die aber nicht durch das Mitwirken eines Mannes, sondern durch das Wirken des Heiligen Geist zustande kommen soll. Die Aussagen dieser Bibelstelle lassen eindeutig begreifen, dass der Verfasser hier eine reale Zeugung meint.

b) Jesus wurde durch den Heiligen Geist empfangen

Noch deutlicher wird die Absicht des Verfassers im Matthäus-Evangelium, wo es heißt: "Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte es sich, dass sie ein Kind erwartete - durch das Wirken des Heiligen Geistes. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Während er noch darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist." (Mt 1, 18-20) Der Verfasser spricht hier offensichtlich von einer konkreten Schwangerschaft Marias, die auf den Heiligen Geist zurückgeführt wird. Der Verfasser spricht auch davon, dass Josef die Schwangerschaft Marias bemerkte; weil er aber ein gerechter Mann war, wollte er sie aber nicht der Schande preisgeben und beschloss, sich still von ihr zurückzuziehen. Die Absicht des Verfassers ist hier ganz eindeutig: Er will zeigen, dass Josef nicht der Vater des Kindes war. Das bestätigt vor allem auch der Vers, in dem der Engel zu Josef sagt, dass das Kind Marias vom Heiligen Geist sei. Es ist nach diesen eindeutigen Aussagen des biblischen Verfassers beim besten Willen nicht mehr möglich, Josef als den Vater Jesu zu bezeichnen. Wenn man nach diesen eindeutigen Aussagen der Heiligen Schrift immer noch daran festhalten will, dass Jesus einen menschlichen Vater hatte, dann muss man annehmen, dass Maria Josef mit einem anderen Mann betrogen hat. Dann wäre aber Jesus, der Sohn Gottes, bei einem Seitensprung Marias gezeugt worden...


4) BEI GOTT IST KEIN DING UNMÖGLICH

Die biblischen Autoren hatten also offensichtlich die Absicht, den Adressaten mitzuteilen, dass es sich bei der Zeugung Jesu nicht um einen natürlichen, sondern um einen übernatürlichen Akt gehandelt habe. Wenn wir diese unmissverständliche Absicht der biblischen Autoren ernstnehmen wollen, dann können wir uns nicht mit irgendwelchen symbolischen Deutungen dieser Stellen begnügen. Maria hatte nämlich in sehr nüchterner Weise an den Engel die Frage gestellt, wie es zu einer solchen übernatürlichen Zeugung kommen solle, da sie doch mit keinem Mann Geschlechtsverkehr pflege. Der Engel hatte ihr darauf geantwortet, dass die Macht Gottes dieses unerhörte Ereignis bewirken werde. "Heiliger Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten." (Lk 1,35) Der Engel hatte dann - gewissermaßen als Bestätigung für die Möglichkeiten Gottes – noch hinzugefügt: "Auch Elisabeth, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn geboren; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat." (Lk 1,36) Und dann folgte der entscheidende Satz: "Denn für Gott ist nichts unmöglich." (Lk 1,37) Maria wurde also vom Engel darauf hingewiesen, dass für Gott nichts unmöglich ist. Gott kann in seiner Allmacht auch eine andere Form der Menschwerdung wählen. Wenn wir also in dieser Frage zu einer Antwort gelangen wollen, dann dürfen wir nicht von der Natur des Menschen ausgehen, sondern von der Allmacht Gottes!
 
5) EINWÄNDE GEGEN DIE MENSCHWERDUNG JESU

Gegen die Lehre von der Zeugung Jesu durch den Heiligen Geist wurden immer wieder Einwände erhoben: Es wurde behauptet, dass die übernatürliche Empfängnis Jesu nur ein Mythos sei, dass eine solche Empfängnis gegen die Naturgesetze verstoßen würde und dass diese Bibelstelle falsch übersetzt worden sei. Wir wollen kurz auf diese Einwände eingehen und sie kritisch hinterfragen.

a) Nur ein Mythos

Ein erster Einwand versucht die Empfängnis Jesu durch den Heiligen Geist als eine religiöse Sage, als einen Mythos hinzustellen: Der Bericht des Evangelisten würde sich an antike Mythen anlehnen. Diese Mythen berichten von Jungfrauen, die durch den Verkehr mit männlichen Gottheiten ein Kind empfangen hätten. Zwischen diesen Mythen und den Aussagen des Neuen Testaments bestehen aber ganz wesentliche Unterschiede: Bei den antiken Mythen tritt nämlich eine männliche Gottheit als "befruchtende-zeugende Macht" (Ratzinger) auf (z. B. Zeus). Die Gottheit ist also der biologisch-geschlechtliche Gegenpol einer menschlichen Frau und zeugt mit dieser ein Kind. Im Neuen Testament hingegen wird berichtet, dass der Heilige Geist Maria überschattet und in ihr auf schöpferische Weise Jesus zeugt. Damit ist aber der Vorgang, der zur Menschwerdung führt, ein grundsätzlich anderer: Bei den Mythen handelt es sich um einen sexuellen Akt zwischen einer männlichen Gottheit und einer menschlichen Frau, im Fall Jesu um einen schöpferischen Akt Gottes in Maria. Es besteht dann aber auch ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den Kindern, die von Göttern und Jungfrauen stammen, und Jesus, der durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria empfangen wird: Die Kinder der Götter und Jungfrauen werden als Halbgötter bezeichnet (z. B. Herkules), von Jesus Christus hingegen sagt das Neue Testament, dass er ganz Gott und ganz Mensch sei. Auch dieser grundlegende Unterschied lässt uns begreifen, dass die antiken Mythen gar nicht imstande gewesen wären, ein Wesen wie Jesus zu erklären. Die Berichte des Neuen Testaments meinen also etwas ganz Anderes und Neues, und können daher nicht als eine Kopie von antiken Mythen bezeichnet werden. Die Annahme, dass es sich bei dieser Stelle um eine Anlehnung an antike Mythen handle, wird auch durch die Tatsache widerlegt, dass der Glaube an die jungfräuliche Empfängnis bei Nichtchristen, Juden wie Heiden, auf lebhaften Widerspruch, Gespött und Unverständnis gestoßen ist; er war also nicht durch die heidnische Mythologie oder irgendeine Angleichung an zeitgenössische Ideen motiviert..."

b) Gegen die Naturgesetze

Ein zweiter Einwand behauptet, die Empfängnis Jesu durch den Heiligen Geist widerspreche den Gesetzen, die Gott in die Natur hineingelegt hat. Gott könne aber nicht seinen eigenen Gesetzen zuwiderhandeln. Dazu wäre zunächst zu sagen, dass die Empfängnis Jesu durch den Heiligen Geist nicht gegen die Naturgesetze verstieß, sondern wenn schon außerhalb der Naturgesetze erfolgte (Thomas von Aquin). Vor allem ist aber zu bedenken, dass Gott nicht an seine eigenen Gesetze gebunden ist und sehr wohl auch auf andere Weise seine Ziele erreichen kann. Was wäre das für ein armseliger Gott, der seinen eigenen Gesetzen unterstellt wäre und diese nicht aufheben könnte?! Aber Gott ist nicht der Sklave seiner Gesetze. Er ist vielmehr ein freier und allmächtiger Gott, der der Herr der Schöpfung bleibt und sie nach eigenem Ermessen regiert.

c) Eine falsche Übersetzung

Ein dritter Einwand führt an, dass es sich bei dieser Stelle des Neuen Testaments um eine falsche Übersetzung handle: Es sei bei Maria nicht von einer Jungfrau, sondern von einer "jungen Frau" die Rede. Eine solche Behauptung lässt sich aber nicht halten, da im griechischen Originaltext des Lukasevangeliums das Wort "parthenos" verwendet wird. Dieses griechische Wort meint aber eindeutig eine Jungfrau! Aber auch aus der beschriebenen Situation heraus ergibt sich klar und eindeutig, dass hier von einer Jungfrau die Rede ist, die ohne das Mitwirken eines Mannes ein Kind empfangen soll. Manche Theologen (z. B. Bultmann) haben auch behauptet, dass dieser Bericht im Lukasevangelium erst später eingeschoben worden sei und daher nicht ursprünglich und echt sei. Aber die moderne Bibelforschung der letzten Jahre hat auch diese Behauptung widerlegt (Ferreira).


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Einwände gegen die Empfängnis Jesu durch den Heiligen Geist sich bei einer genaueren Untersuchung als nicht stichhaltig erweisen.
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 29. Juni 2011, 11:38:00
VIII  DIE HERKUNFT JESU


Wir haben aus der Heiligen Schrift erfahren, dass Jesus nicht auf eine gewöhnliche Weise Mensch geworden ist. Jesus wurde vielmehr durch den Heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren. Wenn aber Jesus vom Heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren wurde, dann muss er zwei Naturen haben, nämlich eine göttliche und eine menschliche. Er ist dann Gott und Mensch zugleich.

1) DIE PRÄEXISTENZ JESU

In diesem Zusammenhang stellt sich wiederum eine schwierige Frage: Wenn Jesus Christus nicht nur eine menschliche, sondern auch eine göttliche Natur hat, kann er nicht erst seit seiner Menschwerdung existieren. Er hätte nämlich sonst als Gott einen Anfang und wäre damit nicht Gott. Wenn also Jesus Christus wirklich eine göttliche Natur hat und damit Gott ist, dann muss er schon seit ewig existieren. Christus muss dann bereits vor seiner Menschwerdung als Gott existiert haben.

2) IM ANFANG WAR DAS WORT  

Auf diese schwierige Frage nach der Präexistenz Jesu (= Existenz Jesu vor seiner Menschwerdung) gibt uns der Evangelist Johannes eine sehr tiefgründige Antwort: Im berühmten Prolog (= Vorwort, Einleitung) seines Evangeliums schreibt der Apostel: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott." (Joh 1,1) Johannes nennt hier Christus das "Wort" und bringt damit zum Ausdruck, dass Christus im Anfang wie ein noch unausgesprochenes Wort im Geist Gottes war. Der Evangelist hebt dabei hervor, dass das Wort, also Christus, am Anfang schon da war. Das bedeutet aber, dass Christus bereits vor allen geschaffenen Dingen existiert hat. Christus hat damit bereits vor dem Anfang der Schöpfung bei Gott existiert und ist damit ewig.

Doch dann kam es zur Menschwerdung Jesu, die Johannes wieder auf seine Weise beschreibt: "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt..." (Joh 1,14) Christus trat nun aus dem Vater heraus, wie ein Wort aus dem Geist hervorgeht. Auf diese Weise wurde Christus auch das Wort Gottes, durch das sich Gott den Menschen mitteilte und offenbarte.



3) JESUS IST VOM HIMMEL HERABGESTIEGEN

In einem Gespräch mit dem Pharisäer Nikodemus hat Jesus selbst darauf hingewiesen, dass er bereits vor seiner Menschwerdung existiert hat: Jesus sprach von sich selbst als dem Menschensohn, der "vom Himmel herabgestiegen ist" (Joh 3,13). Mit diesen Worten gab Jesus zu verstehen, dass er schon vor seiner Menschwerdung im Himmel existiert hat. Jesus sagte dann auch, dass ihn Gott als seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt habe, um die Welt zu retten (vgl. Joh 3,16-18). Auch aus dieser Aussage geht hervor, dass Christus schon vor seiner Menschwerdung bei Gott war und dann von Gott mit einem besonderen Auftrag in die Welt gesandt wurde. Jesus wies mit diesen Worten aber auch darauf hin, dass er der einzige Sohn Gottes ist und direkt von Gott kommt: Christus ist also unmittelbar aus Gott hervorgegangen und hat daher dieselbe Natur und das gleiche Wesen wie Gott Vater.

4) JESUS WAR GOTT GLEICH

Auch der Apostel Paulus hat bei seinen Unterweisungen auf die vorweltliche Existenz von Jesus Christus hingewiesen. In seinem Brief an die Philipper lesen wir folgende Zeilen: "Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde ein Sklave und den Menschen gleich." (Phil 2,6-7) Auch Paulus spricht also davon, dass Christus schon vor seiner Menschwerdung Gott war und dann seine göttliche Herrlichkeit verlassen hat, um Mensch zu werden.

5) GEZEUGT, NICHT GESCHAFFEN

Nach dieser kurzen Betrachtung einiger Bibelstellen aus dem Neuen Testament verstehen wir nun auch die wichtigen Glaubenssätze, die im großen Glaubensbekenntnis über Jesus Christus als den eingeborenen Sohn Gottes stehen. Im großen Glaubensbekenntnis heißt es: "Ich glaube an ... Jesus Christus, Gottes einziggeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit, Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, wesensgleich dem Vater..."
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: sceptic am 29. Juni 2011, 14:17:29
13) DAS VERBORGENE LEBEN JESU

Nach diesem Bericht über den zwölfjährigen Jesus übergehen die Evangelien die nächsten zwei Jahrzehnte im Leben Jesu. Sie berichten erst wieder über das erste öffentliche Auftreten Jesu, das wahrscheinlich im Jahr 28 n. Chr. stattfand. Im Leben Jesu gibt es also einen Zeitraum von über 20 Jahren, von dem uns die Evangelisten nichts berichten. Für eine Biographie ist das höchst merkwürdig. Für das bessere Verständnis von Jesus wäre es doch sehr wertvoll, wenn uns die Evangelisten etwas von diesen zwanzig Jahren berichtet hätten. Es würde uns interessieren zu erfahren, welche Erfahrungen Jesus in seinen jungen Jahren gesammelt hat. Es wäre auch interessant zu wissen, welchen Menschen Jesus in jungen Jahren begegnet ist und welche Orte er besucht hat. Aber von all dem berichten die Evangelisten nichts. Sie wollen uns damit in nachdrücklicher Weise auf das verborgene Leben Jesu in Nazaret hinweisen. Jesus ist für die damalige Zeit sehr lange verborgen geblieben und ist erst im Alter von etwa 35 Jahren an die Öffentlichkeit getreten.

Frage: Was heißt das? Ich meine, dass die Evangelisten uns "damit in nachdrücklicher Weise auf das verborgene Leben" hinweisen wollen. Was sollen sie uns damit bedeuten wollen?

Und: gibt es eigentlich IRGENDEINE kirchlich abgesegnete Theorie, was in dieser Zeit passiert sein könnte? Ich meine -  Gott wandelt als Mensch über die Erde, 20 Jahre unerkannt? Und es passiert NICHTS überliefernswertes? Er lebt ein Leben wie Du und Ich, völlig normal (und dann noch berücksichtigend, dass er mit Beginn des öffentlichen Wirkens für die damalige durchschnittliche Lebenserwartung auch kein "junger Mann" mehr war).
Titel: Re:Was die Kirche durch ihr Lehramt wirklich sagt
Beitrag von: Anemone am 29. Juni 2011, 18:36:32
@sceptic

Das heißt soviel wie:

»Das ganze Leben Jesu - seine Worte und Taten, sein Schweigen und seine Leiden, seine Art zu sein und zu sprechen - ist Offenbarung des Vaters.«

 (KKK II Mysterien der Kindheit und des Vorborgenen Leben Jesu, 522-532)

Gottes Segen

Anemone