Inhaltsverzeichnis
Sechstes Buch
Von der Gründung
des Ordens der Heimsuchung
bis zum Tode des Heiligen im Jahre 1622.
Leben
des
heiligen
Franz von Sales,
Fürstbischofs
von Genf.

Nach der fünften Auflage aus dem Französischen übersetzt
von
J. C. Lager,
Priester der Diözese Trier.
Zweiter Band
Regensburg.
Druck und Verlag von Georg Joseph Manz.
1871.
Inhalt:
Sechstes Buch.
Von der Gründung des Ordens der Heimsuchung bis
zum Tode des Heiligen im Jahre 1622.
Erstes Kapitel.
Franz von
Sales setzt seine bischöfliche Tätigkeit mit gewohntem
Eifer fort. -- Seine Ansicht über die Streitigkeiten
rücksichtlich der Gewalt des Papstes über die Fürsten in
weltlichen Dingen (1610 – 1612.)
Zweites
Kapitel.
Bekehrungen, die der heilige Franz von Sales bewirkt. –
Wallfahrt nach Mailand. – Ein Zug seiner
Eigennützigkeit. – Heilung einiger Besessenen. –
Abermalige Bemühungen zum Besten der Provinz Gex (1613)
Drittes
Kapitel.
Franz
beruft Barnabiten nach Annecy und Karthäuser nach
Ripailles. – Der deutsche Kaiser ladet ihn zum
Regensburger Reichstage ein. – Reise nach Lyon und Sion
en Valais.– Schöne Züge seiner Nächstenliebe und
Charakterfestigkeit (1614 und 1615)
Viertes
Kapitel.
Franz
übergibt den Barnabiten die Leitung der Schule des
heiligen Hauses in Thonon, und ernennt seinen Bruder
Johann Franz zum Generalvikar. – Er erhält den Besuch
des Erzbischofs von Lyon und wird aufs neue bei dem
Herzoge verleumdet. – Weitere Züge seiner christlichen
Liebe (1615 und 1616)
Fünftes
Kapitel.
Verhalten
des heiligen Franz von Sales in dem piemontesischen
Kriege. – Er veröffentlicht seine Abhandlung über die
Liebe Gottes und hält die Advents- und Fastenpredigten
in Grenoble. – Tod des Barons und der Baronin von
Thorens. – Bekehrung eines bis dahin unverbesserlichen
Sünders (1616 – 1618)
Sechstes
Kapitel.
Reise des
heiligen Franz nach Paris. – Seine Wirksamkeit daselbst
(1618 und 1619)
Siebentes
Kapitel.
Franz wird
zum Groß-Almosenier der Prinzessin Christine ernannt. –
Züge seiner Uneigennützigkeit. – Er wird abermals
verleumdet (1619)
Achtes Kapitel.
Fernere
Tätigkeit des heiligen Franz von Sales in seinem
bischöflichen Amte und neue Züge aus seinem heiligen
Leben (1619 und 1620)
Neuntes
Kapitel.
Fernere
Arbeiten des Heiligen (1621)
Zehntes
Kapitel.
Letzte
Lebensjahre des heiligen Franz von Sales (1621 und 1622)
Elftes Kapitel.
Reise des
heiligen Franz von Sales nach Avignon und Lyon. – Sein
Tod (1622)
Erstes
Kapitel.
Franz von Sales setzt seine bischöfliche Tätigkeit
mit gewohntem Eifer fort.
-- Seine Ansicht über die Streitigkeiten rücksichtlich
der Gewalt des Papstes über die Fürsten in weltlichen
Dingen.
(1610 – 1612.)
Unter der
Sorgfalt, welche der Heilige dem Orden der Heimsuchung
eine lange Zeit hindurch in so großem Masse zuteil
werden ließ, hatte seine Diözese und deren Verwaltung
keineswegs gelitten. Da ihm vor Allem die Bildung des
Klerus am Herzen lag, so war es immer sein sehnlichster
Wunsch gewesen, ein Seminar zu gründen, in dem die
Kandidaten des geistlichen Standes eine
wissenschaftliche, praktische und echt priesterliche
Erziehung erhalten könnten. Leider fehlten ihm aber bis
jetzt, wie wir früher schon gesehen haben, alle Mittel,
um die Kosten einer solchen Anstalt zu bestreiten. Um
sie zu ermöglichen, machte er einen neuen Versuch; er
bat den heiligen Stuhl dringend, den Geistlichen seiner
Diözese je nach den Einkünften der Benefizien, die sie
genossen, die Entrichtung einer bestimmten Summe
aufzuerlegen, die zu diesem so notwendigen Werke
verwandt werden sollte
(Brief 372).
Die Stimme keines Bischofs war von größerem Einflusse;
seine Tugenden fanden in Rom die gebührende
Hochschätzung und der Papst selbst spendete ihm das
größte Lob. „Sie haben einen wahren Heiligen zum
Bischof, sprach er zu Herrn von Coer, den Franz früher
in Angelegenheiten der Abtei Talloires nach Rom
geschickt hatte, und ich habe ihn immer für einen
solchen gehalten. Sagen Sie ihm doch, er möge Unserer in
seinen Gebeten gedenken, denn Wir besitzen das größte
Vertrauen auf ihre Kraft; und seien Sie sein Nachfolger,
treten Sie gewissenhaft in seine Fußstapfen
(nach de Myncet.)."
Nichtsdestoweniger glaubte man in Rom die von Franz
vorgeschlagene Maßregel mit so vielen Schwierigkeiten
verbunden, dass man es nicht wagte, eine Entscheidung zu
erlassen.
Franz musste
also auf seinen sehnlichsten Wunsch verzichten. Er
suchte darum wenigstens durch alle ihm zu Gebote
stehenden Mittel den Eifer für die kirchliche
Wissenschaft zu beleben und eines der vorzüglichsten
glaubte er darin zu finden, dass er an den öffentlichen
theologischen und philosophischen Disputationen selbst
tätigen Anteil nahm. Als er eines Tages einer solchen
beiwohnte, geschah es, dass Einer bei Verteidigung
seiner These von seinem Gegner so sehr in die Enge
getrieben wurde, dass er keinen Ausweg mehr sah. Es war
nun Sache des vorsitzenden Kanonikus, ihm zu Hilfe zu
kommen: allein dieser war nicht glücklicher in seinen
Bemühungen und er verwickelte sich dergestalt in seinen
Argumenten, dass er ganz daran war, eine für seine
weißen Haare sehr beschämende Demütigung zu erleiden.
Mitleidig kam ihm der Bischof in dieser unangenehmen
Lage zu Hilfe und geschickt löste er die Frage so klar
und deutlich, dass jeder weitere Einwurf abgeschnitten
wurde. Den Gegner verdross seine Niederlage gerade in
dem Augenblicke, wo er den gewissen Sieg in der Hand zu
haben glaubte, nicht wenig, und voll lebhaften Unwillens
rief er aus, dass diese Erklärung eine unerhörte sei.
„Wohl möglich, erwiderte lächelnd der Bischof, dass sie
es für Sie bis heute war, aber in Zukunft wird sie es
nicht mehr sein
(Charl.-- Aug., p.
417)."
Der arme Kanonikus wollte dem Bischof nach beendigter
Disputation seinen Dank abstatten, dass er die Ehre
eines Greises, der mit den Wendungen und Feinheiten der
Schule nicht mehr so vertraut sei, gerettet habe. „O,
danken Sie mir nicht, erwiderte Franz; es ist die
Pflicht der Jüngeren, die Älteren zu unterstützen, wie
es die Pflicht der Älteren war, uns eine Stütze in den
Schwächen der Jugend zu sein. Das ist der vernünftige
Gang der Welt und eine Einrichtung der Vorsehung."
Einige Zeit
nachher gab der Bischof bei einer ähnlichen Übung einen
noch herrlicheren Beweis von Nachsicht und Liebe. Es
hatte ihn Einer aufgefordert, selbst sein Gegner zu
sein; er tat es gerne, und wie nicht anders zu erwarten,
waren seine Argumentationen in Form und Tiefe
unvergleichlich. Da fiel es einem der Anwesenden ein,
ihn zu unterbrechen und sich seines Einwurfes zu
bemächtigen, um, wie er voll Unverschämtheit sagte, ihm
mehr Kraft und Geltung zu verschaffen. Eine solche
Verletzung des Anstandes rief ein allgemeines Gemurmel
des Unwillens hervor. Aber der heilige Bischof schlug
die Augen nieder und ohne ein Wort zu sagen, ließ er den
anderen sprechen, bis er ihn so in der Enge sah, dass er
sich unmöglich mehr herausziehen konnte. Da nahm er den
Beweis wieder auf und suchte so gut als möglich dem
ungehobelten Menschen die wohlverdiente Schande zu
ersparen.
Franz war nicht zufrieden, unter seinem Klerus den Geist
der Wissenschaft anzufachen und zu beleben, er suchte
ihm auch hervorragende Männer zuzuführen, welche im
Stande seien, der Kirche zur Ehre und Zierde zu
gereichen. Namentlich wünschte er seinen Bruder Ludwig
von Sales in den Reihen desselben zu sehen, und er
schlug ihm demgemäß vor, sein Koadjutor zu werden, indem
er ihm voll Beredsamkeit all das Gute vor Augen stellte,
welches durch ihr Zusammenwirken erreicht werden könnte.
„Während ich Unserem Volke predige, sprach er, wirst Du
schreiben; während ich schreibe, wirst Du predigen;
während Du drau0en in der Diözese nachsiehst, werde ich
zu Hause treue Hut halten, bin ich auf der
Visitationsreise, so wirst Du hier sein." Allein der
Demut des frommen Laien gegenüber vermochten alle diese
Gründe nichts; er hielt sich des einfachen Priestertums
für unwürdig, geschweige denn der bischöflichen Würde.
Dem Bischofe
tat es wehe, dass es ihm nicht vergönnt war, der Kirche
einen tüchtigen Priester mehr zu geben; zu gleicher Zeit
hatte er den Schmerz, einen anderen zu verlieren, der
stets sein bester Freund geblieben war. Herr Deage, sein
treuer Erzieher, der ihm gleichsam als sein Schutzengel
überallhin gefolgt war, starb. Der gute Priester hatte
ihn stets mit der größten Hingabe geliebt; stets hatte
er über ihn gewacht und die kleinsten
Unvollkommenheiten, die er an ihm zu bemerken glaubte,
gerügt, selbst dann noch, als er schon Bischof war, wie
wenn er auch als solcher nicht aufgehört hätte, sein
Schüler zu sein; er wollte seinen Zögling in Allem
vollkommen sehen, geehrt und bewundert von jedermann,
und er duldete es nicht, dass ein Anderer auch nur den
leisesten Tadel sich gegen denselben erlaubte. Der
Bischof vergalt ihm eine solche Liebe und Treue; er
erwies ihm alle Achtung und Ehrerbietung, hatte ihn zum
Domherrn gemacht, in sein Haus und an seinen Tisch
genommen und war stets mit der zartesten Aufmerksamkeit
besorgt, es ihm an nichts, weder in gesunden noch in
kranken Tagen, fehlen zu lassen
(Geist des heil.
Franz von Sales, I, 28).
In seiner letzten Krankheit pflegte er ihn bis zu seinem
letzten Atemzuge, ließ ihn nach seinem Tode aufs
ehrenvollste bestatten und in der ganzen Diözese eine
große Zahl von Messen für die Ruhe der ihm so teuren
Seele lesen. Auch brachte er selbst zu wiederholten
Malen das heilige Opfer für ihn dar. Das erste Mal
übermannte ihn dabei der Schmerz; bei den ersten Worten
des „Pater noster"
(Vater
Unser)
angekommen,
konnte er vor Schluchzen nicht weiter fortfahren und nur
unter vielen Tränen konnte er die heilige Messe
beendigen. Als er nach derselben in seinem Zimmer mit
seinem Kaplane allein war und dieser ihn zu trösten
versuchte, sprach er: „Ach, dieser Seele ist es wohl, wo
sie sich jetzt befindet; sie würde nicht wünschen,
wieder hier zu sein; sie ruht im Schoße der
Barmherzigkeit und Gnade Gottes, wie ein zweiter
Johannes ruht sie an der treuen Brust Jesu Christi.
Wollen Sie wissen, weshalb ich so geweint habe, als ich
das Pater noster begann? ich dachte daran, dass dieser
wahrhaft gute Mann es war, der mich zuerst das Pater
noster lehrte
(Ebendas. V, 22)."
Zu dem
Schmerze, sich nun für immer eines so treuen Freundes
beraubt zu sehen, gesellte sich noch der Kummer, einen
anderen zu verlieren, den seine neue Stelle nötigte, ihn
zu verlassen. Favre, den er nie anders als Bruder
nannte, wurde vom Herzoge von Savoyen zum ersten
Präsidenten des Senates von Chambery ernannt; er musste
Annecy verlassen und sich auf seinen neuen Posten
begeben. Wie hervorragend auch diese Würde war, so
konnte doch dadurch dem Schmerze, sich von einander
trennen zu müssen, kein Ersatz geboten werden; und was
dem neuen Präsidenten, nun ferne von seinem Freunde,
noch tieferen Kummer verursachte, waren Verdächtigungen
aller Art, welche die Eifersucht gegen ihn ausstreute.
Doch ertrug der gottesfürchtige Christ das Alles mit
frommer Geduld. „Mein teurer Bruder, schrieb er darüber
an den Bischof, ich spreche jeden Tag zu Gott: Ich freue
mich in meinem Heilande, dass ich durch Verfolgung und
Verachtung Gelegenheit habe, jenes eitle Ehrgefühl von
mir abweisen zu können, das die Anerkennung meiner
Schriften und mein Ruf mir einflößen möchte. Anderswo
meint man, dass dem großen Anton Favre doch eine große
Gunst zuteil geworden; hier würde man sich glücklich
schätzen, wenn man seiner los wäre. Was das nun Alles
angeht, so wiederhole ich oft mit vollkommener Ruhe,
mein Bruder, was ich so manchmal von Ihnen gehört habe:
Wir sind nur das, was wir vor Gott sind, in dessen Augen
weder das Lob auf der Ferne mich erhöht, noch die
Verachtung, die mir in der Nähe zuteil wird, erniedrigt;
seien wir darum gleichgültig gegen das Eine wie das
Andere und wandeln wir vor Gott in Heiligkeit und
Gerechtigkeit."
Bevor Favre
Annecy verließ hatte er seinem heiligen Freunde sein
Haus, das größte und schönste in der Stadt, zur steten
Benutzung als ein fortwährendes Pfand seiner
Freundschaft überwiesen. Franz nahm es an und
vertauschte es auch alsbald mit seiner bisherigen
schlechten Wohnung. Zu seinem eigenen Zimmer wählte er
sich aber das kleinste und engste von allen, denn,
meinte er, nachdem er den Tag in großen und prächtigen
Räumen zugebracht habe, müsse er sich Nachts zwischen
vier engen Wänden und in seinem kleinen Bette wieder
daran erinnern, dass er nur ein armer und elender Mensch
sei. „Auf diese Weise, sprach er, wird der Bischof von
Genf während des Tages auf seinem Platze sein und Franz
von Sales während der Nacht
(Annee de la
visitation, 4. avril. – Charl.-Aug., p. 417.)."
Während er
selbst so demütig von sich dachte, war sein Lob in Aller
Munde und konnte man seine Nächstenliebe und
Uneigennützigkeit nicht genug rühmen; welche Mühe er
sich auch gab, das Gute, welches er tat, geheim zu
halten, es dauerte nie lange, so wusste es alle Welt.
Ein Edelmann auf Chablais hatte ihm geklagt, dass ein
Gewitter seine Ernten so verdorben, dass es ihm nun ganz
an dem Notwendigen fehle, um seine Felder für das
nächste Jahr zu bestellen, und der mitleidige Bischof
ließ sie auf seine Kosten einsäen
(Charl.-Aug., p.
416.).
Der Buchhändler Peter Rigaud in Lyon, dem er seine
Philothea in Verlag gegeben, hatte mit dem Buche einen
ungeheuren Gewinn gemacht, und kam nun, um den Verfasser
zu bitten, vierhundert Goldtaler als ein Zeichen seiner
Dankbarkeit von ihm anzunehmen. Franz weigerte sich mit
dem Bemerken, er wolle keinen anderen Lohn für seine
Arbeit als das Bewusstsein, dass sie zum Heile der
Seelen etwas beigetragen habe. Wie auch der Buchhändler
in ihn drang, lange weigerte er sich entschieden.
Zuletzt jedoch konnte er nicht umhin, das Geld
anzunehmen und er tat es mit dem Bemerken, er könne
versichert sein, dass er es nicht für sich verwenden
werde. Auf der Stelle schickte er es einem armen und
braven Mädchen zu, die lebhaft wünschte, ins Kloster zu
gehen, ihr Vorhaben aber nicht ausführen konnte, weil
sie die verlangte Mitgift nicht beizubringen im Stande
war (Charl.-Aug.,
p. 418.).
Eine große
Freude verursachte dem Bischofe um diese Zeit die
Bekehrung von fünfzehn Genfer Protestanten und vor Allem
der Frau von Saint Sergues
(Cergues),
eine Dame von hervorragendem Verstande, sehr bewandert
in der Kontroverse, ebenso gut unterrichtet wie jeder
ihrer Prediger und in hohem Ansehen bei ihren
Glaubensgenossen stehend. Einige ihrer Freundinnen, bei
denen sie in Annecy auf Besuch war, hatten ihr den
Vorschlag gemacht, dem berühmten Bischofe ihre
Aufwartung zu machen. „Gott bewahre mich davor,
erwiderte sie in verächtlichem Tone; mit einem
schlechten Menschen, einem Zauberer und Schwarzkünstler,
den wir Alle wegen seiner Betrügereien verabscheuen,
will ich nichts zu tun haben." --- „Nun, bat man, so
gehen Sie doch wenigstens einmal in eine seiner
Predigten." Dazu liess sie sich denn bewegen. Nicht
sobald hatte sie ihn gesehen und gehört, als ihre
Vorurteile gegen ihn schon bedeutend schwanden, und sie
wünschte nun selbst, ihm vorgestellt zu werden. Der
Bischof empfing sie mit liebevoller Freundlichkeit und
da sie alsbald das Gespräch auf die Religion brachte,
und mit der größten Heftigkeit gegen den katholischen
Glauben losfuhr, ließ er sie, ohne nur im Geringsten
seine unvergleichliche Geduld und Sanftmut zu verlieren,
ruhig zu Ende reden. Als sie endlich fertig war, da
begann er ihr die Schönheiten des ihr noch
unverständlichen katholischen Glaubens mit einer
Freundlichkeit , einer Ruhe und Anmut auseinandersetzen,
dass sie ganz außer sich geriet und nicht wusste, ob sie
mehr den Gleichmut seiner Seele oder seine tiefe
Gelehrsamkeit bewundern solle. Doch ergab sie sich an
diesem ersten Tage noch nicht, mehrere Male kam sie noch
zurück, ehe sie sich für überwunden erklärte und den
Entschluss aussprach, zur katholischen Religion
zurückzutreten
(Ebendas. p. 419.).
Franz hörte sie Beichte und wählte die Kapelle der
Heimsuchung als den Ort, wo sie in die Kirche
aufgenommen werden und die heilige Kommunion empfangen
sollte. „Da ich hoffe, schrieb er an Frau von Chantal
(Brief 216.),
dass die Engel und namentlich die Königin der Engel auf
diesen letzten Akt der Unterwerfung dieser Seele
wohlgefällig herabsehen, so wünsche ich, dass er sich
mitten unter Ihrer kleinen Schar vollziehe, damit diese
himmlischen Geister auf uns Alle mit großer Freude
herabblicken und wir im Verein mit ihnen das Freudenmahl
bei der Wiederkehr dieses verlorenen Kindes ins
Vaterhaus feiern."
Nie war es
dem Heiligen möglich, behaglicher Ruhe zu pflegen. Stets
war sein Auge offen, und kein Teil seiner Diözese
entging seiner Wachsamkeit; wo er nur denken konnte,
dass seine Gegenwart von Nutzen sein dürfte, da
ermangelte er nicht, wenn es ihm nur möglich war, selbst
hinzueilen, um zu predigen, zu ermahnen, zu stärken und
zu trösten. Selbst die Zeit, die er brauchte, um von
einem Orte zum anderen zu reisen, wurde nützlich
angewandt. „Ich bin Zeuge, berichtet ein Reisegefährte
(de Rendu),
dass er uns den ganzen Weg über von Gott und himmlischen
Dingen sprach, und zwar auf eine so bezaubernde Weise,
dass man unwillkürlich an den Erzengel Raphael erinnert
wurde, der den jungen Tobias begleitete; die Gespräche
und Reden des himmlischen Boten konnten kaum besser und
schöner sein. Er betete zuerst das Reisegebet der
Geistlichen, sodann das Brevier und nach diesem den
Rosenkranz; dieser bestand bei ihm aus lauter „Vater
unser" mit dem „Gegrüßet seist du Maria". Eines Tages
fragte ich ihn nach dem Grunde, warum er ihn so bete. --
„Um dem ewigen Vater zu danken, dass er Maria zur Mutter
des fleischgewordenen Wortes erwählt hat,“ war seine
Antwort. Hiervon nahm er Anlass, über die erhabenen
Vorzüge der Mutter Gottes zu sprechen und zwar mit einer
so lieblichen Beredsamkeit, dass wir ganz davon entzückt
waren und uns außerordentlich zur Verehrung der
allerseligsten Jungfrau angetrieben fühlten. So fuhr er
fort zu reden bis wir nach Annecy kamen; zum Schlusse,
nachdem er mich darauf aufmerksam gemacht, dass der
heilige Franz von Assisi der Fürbitte Marias alle Gnaden
verdankte, mit denen der Himmel ihn überhäufte, sagte er
mir: ,,,Seien wir würdige Kinder der Mutter und des
Sohnes, ahmen wir die Tugenden Beider nach.“
Alle Wunder
aufzuzählen, durch welche es Gott gefiel, die Heiligkeit
seines Dieners zu offenbaren, würde nicht leicht sein.
Nur einige seien erwähnt. Trostlos kam eines Tages eine
Mutter mit ihrem kranken Kinde zu ihm, welches ein schon
drei Monate andauerndes Fieber so mitgenommen hatte,
dass kaum mehr eine Hoffnung auf Genesung vorhanden war.
Er segnete es mit den Worten: „Gott lasse dich gesund
werden, mein Kind." Und auf der Stelle war es gesund und
munter. Ein anderes Mal besuchte er einen Kranken, der
bereits von den Ärzten aufgegeben war und ohne
Bewusstsein dalag. „Weine nicht, sprach der Heilige zu
der Frau desselben; beten wir zu Gott, Dein Mann wird
leben.“ Und der Kranke stand ein paar Tage nachher
wieder auf und war vollkommen gesund. Dadurch ermutigt
brachte man ihm an einem Morgen, gerade als er im
Begriffe stand, an den Altar zu gehen, einen jungen
Menschen, der von Geburt ganz lahm und verkrüppelt war;
er hörte ihn Beichte und gab ihm anderen Tages die
heilige Kommunion. Am dritten Tage legte er ihm, nachdem
er die heilige Messe gelesen, die Hände auf und alsbald
wurden seine Glieder so vollkommen gesund und gerade,
dass er zu Fuße nach Hause gehen konnte
(Char1.-Aug., livre
VII. -- Nach de Favre, der Augenzeuge war. --- Dom Jean
de Saint-Francois, p. 499.).
Ein Priester
aus Rumilly war in Folge eines heftigen Fiebers in
Tobsucht gefallen, und man musste ihn an Händen und
Füßen gebunden eingesperrt halten; drei Mal schon war es
ihm gelungen, seine Fesseln zu brechen, und wie ein
wildes Tier Tag und Nacht unter freiem Himmel zubringend
lief er dann umher. Zum vierten Male wurde er wieder
eingefangen und in das bischöfliche Gefängnis gebracht.
In einem jener Augenblicke, wo seine Wut den höchsten
Grad erreicht hatte, ging der Bischof gerade unter dem
Fenster seiner Zelle vorbei; er rief ihn herbei,
berührte durch das Eisengitter, wie um ihn zu liebkosen,
seine Wange, forderte ihn auf, Gott für seine Heilung zu
danken und ließ ihm zur Stelle die Türe seines
Gefängnisses öffnen. Wieder im vollkommenen Besitze
seiner Vernunft kam der Unglückliche heraus und fiel
seinem Helfer dankend zu Füßen; seine Heilung war eine
vollständige und dauernde
(Ebendas. p. 500.).
War der
heilige Bischof nicht auf seinen Rundreisen tätig, so
ließ er sich zu Hause angelegen sein, auf alle mögliche
Weise Frömmigkeit und Gottesfurcht zu nähren und zu
heben. Die besten Prediger ließ er kommen und sandte sie
zur Abhaltung von Missionen, namentlich im Advent und in
der Fastenzeit, an verschiedene Orte seiner Diözese. Er
ermahnte sie eindringlich, ihre Predigten so
einzurichten, dass sie so viel als möglich Früchte
trügen; besonders bat er sie, alle Eitelkeit im Stile,
alles Gezierte und Gesuchte in Gebärden und im Vortrage
zu vermeiden. „Man muss Jesus den Gekreuzigten predigen,
sagte er ihnen oft, mit einem Herzen voll Eifer und
Liebe; vergeben wird der Prediger sprechen und sich
abmühen, wenn das Feuer der Liebe nicht in seinem
Inneren glüht
(de Rendu)."Die
Briefe, die er außerdem an Welt- und Ordensleute
schrieb, alle vom Geiste der Weisheit und Frömmigkeit
erfüllt, zählen sich nach Hunderten.
Der Ruf
seiner Heiligkeit verbreitete sich mehr und mehr; selbst
viele Protestanten waren von einer solchen Achtung vor
derselben durchdrungen, dass sie ihn zum Schiedsrichter
in ihren Streitigkeiten nahmen. So hatte ein Genfer, der
in einen Prozess mit dem Grafen von Saint-Alban
verwickelt war, gehört, dass der Bischof auf einer
Durchreise nach Bonneville, zur Pfarrei Faucigny
gehörig, kommen solle; er eilte zu ihm mit der Bitte,
diesen Streit zu schlichten. „Ei, fragte der Bischof,
wie können Sie denn zu mir, den die Genfer für ihren
Feind halten, vertrauen haben?" „Ich weiß, antwortete
der Genfer, dass Sie ein Mann des Guten sind und in
Allem nur das wollen, was gerecht ist." Der Streit wurde
zur Zufriedenheit beider Parteien beigelegt
(Nach Michel Favre).
Zwei Andere konnten mit seinen eigenen Brüdern
rücksichtlich einer Summe von dreitausend Goldtalern
nicht einig werden; auch sie nahmen ihn zum
Schiedsrichter, ohne den Einfluss der Verwandtschaft zu
fürchten, und seine Entscheidung wurde angenommen
(Nach Vautier.).
n Frankreich
schätzte man ihn nicht weniger hoch. Lyon und Paris,
begierig ihn zu sehen und zu hören, luden ihn beide ein,
die Fastenpredigten bei ihnen zu halten. Gerne hätte er
diesen Einladungen Folge geleistet; aber da der Herzog
von Savoyen ihm dazu seine Erlaubnis verweigerte, sah er
sich genötigt, beiden Städten eine abschlägige Antwort
zu geben. „Sie werden bei dem Tausche nur gewinnen
können, schrieb er an die Domherren von Lyon
(Brief 260.),
was Fähigkeit und Geschick angeht, da ich darin hinter
allen Predigern, welche die größeren Städte besuchen und
solche Kanzeln wie die Ihrige besteigen, zurückstehe;
schwerlich dürften Sie es aber vermeiden, dabei zu
verlieren, wenn es sich um freudige Bereitwilligkeit
handelt, Ihnen gefällig und nützlich zu sein, da mein
Herz in Wahrheit mit Liebe und Achtung für Sie und mit
brennendem Eifer für die Vermehrung der wahren
Frömmigkeit in Ihrer Stadt erfüllt ist." --- „Gott weiß
es, schrieb er an seinen Freund Deshayes, durch welchen
die Einladung nach Paris an ihn ergangen war
(Brief 266.),
dass ich mein Herz bereitete als ein ganz neues und
größeres, wie mir scheint, als es gewöhnlich ist, um zu
kommen und das Wort Gottes zu verkünden, erstlich um bei
dieser so schönen und so würdigen Gelegenheit die
göttliche Majestät zu verherrlichen, sodann um Jenem zu
willfahren, der mich mit solcher Herzlichkeit eingeladen
hat; und da ich jetzt mit etwas mehr Überlegung,
gründlicher und apostolischer, als es vor zehn Jahren
der Fall war, predige, so dachte ich mir, dass Ihnen
meine Predigten gefallen haben würden."
Um diese
Zeit wurde lebhaft die Frage erörtert, welche Rechte dem
Papste in weltlichen Dingen zustünden. Sie war angeregt
worden durch eine Schrift Jakobs I. von England, die er
veröffentlichte, um den von ihm verlangten neuen
Untertaneneid zu rechtfertigen; gegen diese ließ der
Kardinal Bellarmin eine Widerlegung erscheinen zuerst in
dem Werke: de Romano Pontifice (über den römischen
Pontifex), welches von Sixtus V.als die weltliche Macht
des Papstes zu sehr beschränkend auf den Index (Liste
verbotener Bücher) gesetzt wurde
(Nach dem Tode Sixtus
V. wurde es vom Index entfernt.);
sodann in einer zweiten Schrift: Tractatus de potestate
summi Pontificis in temporalibus (Abhandlung über die
Amtsgewalt / Macht des obersten Priesters / Pontifex in
seiner Beziehung zu den verschiedenen zeitlichen
Mächten), die eigentlich weiter nichts bot, als was
schon in der ersten enthalten war. Bellarmin wollte den
mittelalterlichen Rechtsgrundsatz, dass der Papst auch
in weltlichen Dingen über den Fürsten stehe, somit die
Machtvollkommenheit besitze, jene, die ihre Gewalt
missbrauchten, abzusetzen, auf die Offenbarung stützen
(Vergl.
hierüber Gosselin, Pouvoir du pape au moyen age.);
er lehrte, dass Christus, indem er seinem Statthalter
auf Erden die Macht verliehen, die Völker in geistlicher
Hinsicht zu regieren, ihm dadurch indirekt und
folgerichtig auch jene gegeben habe, in weltlicher
Hinsicht Alles das zu tun, was das Wohl der Religion
fordere, so dass er sogar Fürsten absetzen und die Krone
einem anderen geben könne
(De rom. Pontif. V,
1, 5 etc..);
aber er sagte nicht, was verschiedene andere Theologen
behaupteten, dass Christus dem Papste direkter Weise
eine unbeschränkte Gewalt in weltlichen Dingen wie in
geistlichen gegeben habe.
Missfielen
diese Grundsätze in Rom als zu gemäßigt, so missfielen
sie noch mehr in Frankreich als übertrieben, und die
Abhandlung rief sowohl im Parlamente als auch an der
Universität zu Paris die heftigste Aufregung hervor.
Richer, der damalige Dekan der Sorbonne, veröffentlichte
gegen Bellarmin seine bekannte Abhandlung: de
ecclesiastica et politica (über Kirchliches und
Staatliches). Von dem französischen Klerus wurde sie,
als verschiedene falsche, irrige, anstößige und
ketzerische Sätze enthaltend, missbilligt, vom heiligen
Stuhle verworfen. Benigne Milletot, Parlamentsrat der
Bourgogne, glaubte sich der Sache Richer's annehmen zu
müssen und ließ seine Abhandlung „über die gemeinen
Vergehen und privilegierten Fälle, oder die gesetzliche
Gewalt der weltlichen Richter über geistliche Personen"
erscheinen. Als intimer Freund des Bischofs von Genf
sandte er diesem ein Exemplar zu. Allein sie erhielt
dessen Zustimmung nicht, sie erregte im Gegenteil ein
schmerzliches Missfallen bei ihm. „Mit einer Liebe,
welche nicht die Hochachtung verletzen soll, schrieb er
an den Verfasser, und einer Hochachtung, welche sich nie
von der Pflicht der Freundschaft entfernen wird, teilt
Ihnen mein Herz seine Gedanken mit. Lassen Sie uns mit
einander reden, wie es sich unter vollkommenen Freunden
geziemt. Zweierlei entdecke ich in Ihrem Buche, die Hand
des Künstlers und den Stoff; Ihre Hand finde ich nicht
allein gut und lobenswert, sondern von ausgesuchter und
seltener Schönheit. Der Stoff dagegen missfällt mir und,
wenn ich es gerade so sagen soll, wie ich es auf dem
Herzen habe, missfällt mir sehr. Ich habe einen
natürlichen und, wie ich glaube, vom Himmel mir
eingeflößten Widerwillen gegen alle Streitigkeiten unter
Katholiken, die keinen vernünftigen Zweck haben, noch
mehr aber gegen jene, die wiederum nur noch größere
Uneinigkeiten und Zerwürfnisse zur Folge haben können,
besonders in einer Zeit wie die unsrige, so reich an
Geistern, welche hinneigen zu Streitsucht, Verleumdung,
Tadel und die Liebe zu zerstören drohen. Ich fand nicht
mal gewisse Schriften eines ausgezeichneten und
heiligmäßigen Prälaten
(Bellarmin's.),
in welchen er die Frage über die indirekte Gewalt des
Papstes über die Fürsten behandelt, nach meinem
Geschmacke; nicht als wolle ich entscheiden, ob er Recht
oder Unrecht hat, sondern weil wir in unserer Zeit, in
der wir so viele Feinde draußen haben, keine Unruhe im
Inneren der Kirche erregen dürfen. Die arme Henne,
welche uns, ihre Küchlein, unter ihren Flügeln hält, hat
schon genug Mühe, uns gegen den Sperber zu verteidigen,
ohne dass wir nötig haben, uns gegenseitig Schnabelhiebe
zu geben und ihr Beulen zu verursachen. Wenn die Könige
und Fürsten von ihrem geistlichen Vater die schlechte
Meinung haben, als wolle er ihnen die Gewalt entreißen,
welche Gott, der höchste Vater, Fürst und König Aller,
ihnen verliehen, was wird das anderes zur Folge haben,
als die gefährlichste Abkehr der Herzen von ihm? Und
wenn sie meinen, dass er, indem er Ränke gegen sie
schmiede, seine Pflicht verletze, werden sie nicht sehr
versucht sein, die ihrige zu vergessen? Ihr Werk ist
voll von Stellen welche nach meinem Dafürhalten
bedeutend milder gefasst sein dürften; ich habe sie
Ihnen nicht näher bezeichnen wollen und ich begnüge mich
hiermit, Ihnen im Großen und Ganzen meine bescheidene,
oder um offener zu reden, meine derbe Meinung über Ihr
Buch zu sagen. Werden Sie nun nicht denken, dass ich mit
zu großem Freimute gesprochen habe? Aber so verfahre ich
mit denen, welche wünschen, dass ich eine
aufrichtige,feste Freundschaft mit ihnen schließe. Ich
weiß, ich glaube, ja ich schwöre, dass Sie die Kirche
lieben, dass Sie stets ihr getreuer Sohn bleiben werden;
aber der Eifer für die weltliche Gewalt, in deren
Besitze Sie so lange und so sehr zum Segen Anderer
gewesen sind, hat Sie etwas zu weit geführt. Es lebe
Gott! mein Herr, ich liebe Sie bei all dem von ganzem
Herzen.
Non
sentire bonos eadem de rebus iisdem
Incolumi licuit semper amicitia.
(Die
Guten, wenn sie auch verschiedener Meinung sind, bleiben
immer Freunde.)
In der
Freundschaft kenne ich keine Mäßigung und ich möchte
sagen in nichts, was dazu gehört."
Das ist
nicht das einzige Schreiben, in welchem Franz sich über
jenen Gegenstand ausdrückt. Eine von jenen halbgelehrten
Damen, welche es sich einfallen lassen, in solchen
Fragen, die so wenig zu ihrem Bereiche gehören,
mitzureden, wollte gerne auch seine Meinung hierüber
hören. Daraufhin schrieb er ihr folgenden Brief
(Brief 813.):
„Erlauben Sie, dass ich mich eines Wortes des heiligen
Gregor des Großen an eine Dame bediene, die von ihm zu
wissen wünschte, was sie einst werden solle. Er
antwortete ihr, dass sie etwas ebenso Schwieriges als
Unnützes von ihm verlange. Diese Bemerkung gestatte ich
mir auch Ihnen gegenüber rücksichtlich der an mich
gestellten Frage: Besitzt der Papst eine Gewalt über die
Fürsten in weltlichen Dingen? Sie verlangen von mir eine
ebenso schwierige als unnütze Lösung. Sie ist
schwierig, nicht an und für sich, im Gegenteil für
solche, welche sie auf dem Wege der Liebe suchen, ist
sie leicht gefunden; aber schwierig in unserer von
hitzigen und streitsüchtigen Köpfen strotzenden Zeit. Es
ist nicht leicht, hierin Etwas zu sagen, ohne bei denen
anzustoßen, welche als die gehorsamen Diener des Papstes
oder der Fürsten es nicht gestatten wollen, dass man mit
seiner Meinung in der vernünftigen Mitte bleibe, wobei
sie ganz außer Acht lassen, dass man einem Vater nichts
Schlimmeres zufügen kann, als ihm die Liebe seiner
Kinder zu rauben, sowie den Kindern nichts Schlimmeres,
als ihnen die Achtung zu nehmen, welche sie ihrem Vater
schulden. Zweitens sage ich, dass die Lösung dieser
Frage unnütz ist, weil heutzutage der Papst faktisch
nichts von den Königen und Fürsten in dieser Hinsicht
verlangt. Er liebt sie alle herzlich, er wünscht ihrer
Krone Festigkeit und Dauer; er lebt freundschaftlich und
verträglich mit ihnen und selbst in rein geistlichen
Dingen tut er fast nichts in ihren Staaten ohne ihre
Zustimmung. Wozu bedarf es denn also einer ängstlichen
Prüfung seiner Gewalt in weltlichen Dingen, wozu ist es
denn nun nötig, dadurch der Zwietracht und Uneinigkeit
Tür und Tor zu öffnen? .... Wozu uns also Gedanken über
angebliche Anmaßungen machen, welche uns aufreizen gegen
Denjenigen, den wir kindlich lieben, ehren und achten
sollen als unseren wahren Vater und geistlichen Hirten?
Es tut mir in der Seele wehe, dass diese Frage über die
weltliche Gewalt des Papstes ein Spielball und
Gegenstand müßigen Geredes unter einer Menge von Leuten
ist, welche, unfähig dieselbe zu lösen und aufzuheben,
sie nur verwirren, sie zerreißen anstatt zu entscheiden.
Und was das Schlimmste ist, sie trüben dadurch den
Frieden vieler Seelen, sie zerreißen das heilige Band
der Einheit unter den Katholiken und hindern sie, an
Notwendigeres zu denken, wie z. B. an die Bekehrung der
Irrgläubigen. .... Damit Ihr Verstand in all diesen
unnützen und eitlen Streitigkeiten einen sicheren
Zufluchtsort finde, beachten Sie Folgendes: Der Papst
ist der oberste Hirt und geistliche Vater der Christen,
weil er der oberste Statthalter Jesu Christi auf Erden
ist. Darum besitzt er die ordentliche oberste geistliche
Gewalt über alle Christen, über Kaiser, Könige, Fürsten
und alle Übrigen, und sie schulden ihm nicht allein
Liebe, Ehrerbietung und Achtung, sondern auch ihre Hilfe
und ihren Beistand gegen Alle, welche ihn in Ausübung
dieser geistlichen Gewalt und in der Regierung der
Kirche hindern wollen. Wie nach natürlichem, göttlichem
und menschlichen Rechte es einem jeden zusteht, über
seine und seiner Verbündeten Mittel gegen den
ungerechten Angreifer und Beleidiger zu verfügen, so
kann auch die Kirche oder der Papst (was ein und
dasselbe ist) über seine Macht und die der christlichen
Fürsten, seiner geistlichen Kinder, zur gerechten
Verteidigung der Rechte der Kirche gegen Alle verfügen,
welche sie verletzen oder ihnen schaden wollen. Und wie
die Christen, Fürsten und Andere, mit dem Papste und der
Kirche nicht durch ein einfaches, gewöhnliches Bündnis
verbunden sind, sondern durch ein Bündnis, das an
Verpflichtung das mächtigste, an Würde das erhabenste
ist, welches es geben kann, wie der Papst und die
Prälaten der Kirche verpflichtet sind, ihr Leben zu
lassen und den Tod zu erleiden, um den Königen und
christlichen Reichen die geistige Nahrung zu geben, so
sind ihrerseits die Könige und Reiche gehalten, selbst
mit Gefahr ihres Lebens und ihrer Staaten, Papst und
Kirche zu schützen und zu schirmen. Es ist dies eine
unveränderliche gegenseitige Verpflichtung, die sich bis
zum Tode, ihn mit inbegriffen, erstreckt; eine
natürliche, göttliche und menschliche Verpflichtung,
gemäß welcher der Papst und die Kirche ihre geistliche
Macht den Königen und Reichen schulden, und die Könige
ihre weltliche Macht dem Papste und der Kirche; denn die
Väter gehören den Kindern und die Kinder den Vätern; die
Könige und Fürsten haben wohl eine natürliche
Oberhoheit, aber der Papst und die Kirche beanspruchen
nichts von derselben; der Papst ist oberster Hirte und
geistlicher Vater; der König ist oberster Fürst und
weltlicher Herr; die Gewalt der Einen ist nicht der
anderen entgegen, sondern sie tragen und stützen sich
gegenseitig."
So wollte
Franz, trotz seiner innigen Liebe und Ergebenheit für
den heiligen Stuhl, dass man um des Friedens willen in
Fragen, die nichts mit dem Glauben zu tun haben, auf
beiden Seiten Stillschweigen beobachte; denn es ist fast
unmöglich, solche zu behandeln, ohne dass Zwietracht und
eine Menge anderer Unannehmlichkeiten daraus entstehen.
Er erinnerte oft an das Wort des Apostels: Haltet
Frieden untereinander und der Gott des Friedens und der
Liebe wird bei Euch sein. Er fürchtete nichts so
sehr, als sich solche Fragen erheben zu sehen, welche
von unruhigen und ehrgeizigen Köpfen ventiliert, wie es
deren zu jeder Zeit gibt, den für das Wohl der Religion
und der Kirche so notwendigen Frieden trüben und
untergraben. In einer Denkschrift an den Kardinal Scipio
Caffarelli Borghese vom 2. Juni 1612 spricht er sich
näher darüber aus. „Es ist klar, schreibt er
(Dies in
italienischer Sprache abgefasste Schreiben wurde im
letzten Jahrhunderte von de Cambis, Marquis von Villeron,
in einer Sammlung von verschiedenen zerstreuten
Aktenstücken aufgefunden; man wagte es damals nicht,
dasselbe zu veröffentlichen, aus Furcht vor den
Parlamenten, welche das Gesetz des Stillschweigens, von
Franz in diesen Dingen so sehr empfohlen, nicht
angenommen haben würden. (Siehe das Mannskript bei de
Cambis, II., 321.)),
dass der größte Teil der Parlamente, der Minister und
der Katholiken Frankreichs sich in diesen Fragen auf
jene Seite stellen werden, welche der päpstlichen Gewalt
am wenigsten günstig, oder besser gesagt, am meisten
entgegen ist, in der Meinung, dadurch die weltliche
Macht zu heben, und, wird die Sache weiter getrieben, so
ist zu befürchten, dass Frankreich ein bedeutender
Schaden daraus erwachse und eine beklagenswerte Spaltung
im Lande entstehe; in drei bis vier Jahren wird der
König selbst die Regierung übernehmen, und der Partei,
welche der Gewalt des heiligen Stuhles feindselig
gegenübersteht, wird es leicht sein, ihn auf ihre Seite
zu bringen, da dem Menschen die Neigung zur
Unabhängigkeit einmal innewohnt, wie wir namentlich in
unserer Zeit sehen, eine Neigung, die bei jungen, von
Natur schon kühnen und unternehmenden Leuten nur um so
stärker und vollendeter ist, obgleich man glauben darf,
dass der König von recht guten und orthodoxen
Gesinnungen beseelt ist. Die Lust, jedes Joch
abzuschütteln, würde als ein ansteckendes Übel
allmählich von einem Reiche zum anderen übergehen, wie
man schon bei ähnlichen Dingen gesehen hat, und es
scheint demnach, dass die Umstände gefahrvoll sind.
„Die Frage
gelehrten Theologen zur Prüfung vorzulegen, halte ich
für kein Heilmittel, weil das verschiedene Ansichten und
Behauptungen zur Folge hat. welche die Geister nur um so
mehr erbittern und die Spaltung vergrössern, je
lebhafter sie verfochten werden; denn außer dem, dass
die Gründe der Gegner dem Ohre der Großen schmeicheln
werden, nicht weil sie wahr, sondern weil sie mit ihren
Wünschen und Absichten besser übereinstimmen würden,
wird es auch nicht an Theologen fehlen, welche sich aus
verschiedenen Ursachen zur Gegenpartei bekennen.
„Das
wirksamste Mittel würde darum sein, mit der Königin, so
lange sie noch die Regierung in der Hand hat, und ihren
Ministern gütlich zu unterhandeln, indem man ihr
vorstellte, dass, obgleich sich zwischen Seiner
Heiligkeit und Ihrer Majestät nie der geringste Streit
erhoben, im Gegenteil der heilige Vater bei jeder
Gelegenheit ein väterliches und für das Wohl, das Glück
und die Größe der Krone besorgtes Herz gezeigt habe, man
nun mit Schmerz gewahre, wie gewisse unruhige,
zanksüchtige und der zwischen Seiner Heiligkeit und
Ihrer Majestät herrschenden heiligen Eintracht
feindselig gesinnte Geister unkluger Weise in Zweifel
ziehen, ob Seine Heiligkeit eine wahrhafte Freundschaft
für ihre Krone besitze; dass durch Anregung solch
unnützer Fragen in schwachen Geistern sich ein
verderbliches Misstrauen in die Aufrichtigkeit des
Wohlwollens des heiligen Vaters für Ihre Majestät und
ihr Reich bilde, und darum bitte man Ihre Majestät
gehorsamst, sie möge doch solchen unbesonnenen und
aufreizenden Streitigkeiten Stillschweigen gebieten. Der
Papst werde seinerseits überall, wo es notwendig
erscheine, dasselbe tun; um so mehr, weil solche
Uneinigkeiten, unnütz unter Katholiken, sehr gefährlich
mit Rücksicht auf die Andersgläubigen werden, welche
unsere Zwistigkeiten mit hämischer Schadenfreude
erfüllen, und weil die Fortsetzung des Streites die
Flamme immer mehr schürt, anstatt sie auszulöschen.
„Es ist ganz
gewiss, dass in diesem Kriege fromme Klugheit, ein
Verfahren voll Sanftmut und Geschicklichkeit mehr zu
Stande bringt als ein von Leidenschaft erhitztes Wissen
und ein feuriger Verstand. Was man verachtet gerät bald
in Vergessenheit, was man heftig bekämpft gewinnt an
Bedeutung. Die beste Antwort also, welche man solch
unruhigen Geistern geben kann, ist Verachtung und
Schweigen; darum wäre es jetzt in Frankreich nötig, dass
alle Prediger mit Sanftmut und Ruhe eindringlich auf die
Einheit der Kirche hinwiesen und zum Gehorsam gegen den
Oberhirten ermahnten, ohne über seine Oberhoheit über
die Fürsten zu sprechen. Leuten, die sich ungünstig über
die weltliche Gewalt des Papstes äußeren, dürfte man
nicht direkt darauf antworten, sondern nur indirekt,
indem man sich darüber beklagt, dass sie ganz ohne Not
so handeln und in der böswilligen Absicht, den heiligen
Stuhl verhasst zu machen, der doch mit dem größten
Wohlwollen für die französische Monarchie erfüllt sei;
indem man so ihre böse Absicht aufdeckt, sollte man
ihnen zeigen, wie sie selbst als Störer der öffentlichen
Ruhe Hass und Verachtung verdienen, und sie während der
Unterhaltung allmählich auf die Notwendigkeit der
Einigkeit unter den Katholiken und der Anhänglichkeit an
den heiligen Stuhl, der der Mittelpunkt dieser Einheit
ist, aufmerksam machen.
„Weiterhin
würde es sehr zweckmäßig und nützlich sein, wenn man
durch kluge und eifrige Prälaten ein gutes
Einverständnis zwischen der Sorbonne und den Jesuiten zu
Stande brächte, damit diese beiden Körperschaften
vereint wirksamer im Weinberge des Herrn arbeiten
könnten; um diese Einigkeit herbeizuführen, müsste man
die Königin auf die große Bedeutung derselben aufmerksam
machen, indem man ihr vorstelle, dass, wenn die
Bischöfe, die Sorbonne und die Orden recht
zusammenhielten, es in zehn Jahren um den Irrglauben
geschehen sei; man müsste Vertrauenspersonen haben, die
dem Nuntius (päpstlicher Gesandter) tätig zur Seite
stünden und geeignet seien, diese Parteien einander
näher zu bringen und zu versöhnen. Ferner müsste man die
Sache den Provinzialen und Generalen der Orden ans Herz
legen, an die Universität, namentlich an die Sorbonne
und an die Bischöfe Breven voll Herzlichkeit und
Versicherungen des väterlichen Wohlwollens des heiligen
Vaters für die Monarchie richten; bevor man aber so weit
ginge, würde es gut sein, dass man in Paris sich schon
mit der Königin und ihren Ministern über die Frage
verständigt habe, in Rom mit dem Gesandten und den
französischen Kardinälen, indem man zeige, wie sehr man
wünsche, dass diesen Streitigkeiten ein Ende gemacht
werde: Die Sache eilt. Zu spät wird Heilung bereitet,
ist durch langen Verzug einmal das Übel erstarkt."
Der Kardinal
Borghese legte die Denkschrift dem Papste Paul V. vor;
dieser war zwar voll des Lobes für die weise Klugheit
des Verfassers und stimmte allen darin gemachten
Vorschlägen zur Versöhnung bei, allein an eine Befolgung
derselben dachte man nicht und der Streit begann bald
mit erneuerter Heftigkeit.

Zweites
Kapitel.
Bekehrungen, die der heilige Franz von Sales bewirkt. –
Wallfahrt nach Mailand. – Ein Zug seiner
Eigennützigkeit. – Heilung einiger Besessenen. –
Abermalige Bemühungen zum Besten der Provinz Gex.
(1613.)
Eine der
Lieblingsarbeiten des Heiligen blieb stets die
Verkündigung des Wortes Gottes; wo er nur die
Gelegenheit dazu fand, da versäumte er sie sicher nicht.
Eines Tages predigte er in der Dominikanerkirche über
die geistliche Kommunion und suchte seinen Zuhörern ein
inbrünstiges Verlangen nach der Vereinigung mit dem sich
für sie im allerheiligsten Altarsakramente
erniedrigenden Jesus einzuflößen. „Ach, rief er aus,
möge Jeder sterben, der nicht leben will in Christus und
für seine Ehre." Ein öffentlicher Sünder wurde dadurch
so ergriffen, dass er sich auf der Stelle erhob und an
seine Brust schlagend Himmel und Erde um Verzeihung für
sein ärgerliches Leben anflehte und den heiligen Bischof
bat, ihn wieder mit Gott zu versöhnen. Gleich nach
dieser rührenden Szene schwuren zwölf Protestanten, die
er schon lange unterrichtet hatte, ihre Irrtümer ab, und
Gott wegen dieser zweifachen Gnade preisend, nahm er
sämtliche Neubekehrte mit sich zu Tische. „Jesus
Christus, sprach er zu ihnen, setzte sich mit Freuden zu
Tische, nachdem er den Matthäus, der ein Zöllner und
öffentlicher Sünder war, bekehrt hatte. Begeben auch wir
uns freudig zum Mahle im Namen und nach dem Beispiele
des anbetungswürdigen Heilandes." Man setzte sich zu
Tische, und die hohe Freude, von der sein Herz erfüllt
war, strahlte auf seinem Gesichte während des Essens
wieder. „Hochwürdigster Herr, fragte ihn Einer, wer hat
Ihnen heute mehr Freude gemacht, der zur Tugend
zurückgekehrte Sünder oder die zur Kirche
zurückgekehrten zwölf Protestanten?" – „O, antwortete
er, ich freue mich über Beider Rückkehr; doch gewährt
mir die Bekehrung der Irrgläubigen größeren Trost, weil
sie aus weiterer Ferne wiederkehren; denn noch nicht
hatten sie den wahren Glauben im Herzen, welcher der
Anfang des Heiles ist
(Annee de la
visitation, 12. fevrier.)."
Er hielt es
nun auch für an der Zeit, sein während der Krankheit der
Frau von Chantal gemachtes Gelübde, zum Grabe des
heiligen Karl Borromäus in Mailand zu pilgern, zu
erfüllen; außerdem beabsichtigte er noch nach Turin zu
reisen, da er verschiedene Anliegen an den Herzog hatte.
Am 15. April machte er sich, von einigen Geistlichen und
mehreren frommen Laien begleitet, auf den Weg. Etwas
Erbaulicheres als diese Reise konnte man nicht sehen;
der Heilige betete mit seinen Gefährten
gemeinschaftlich, hielt jeden Morgen mit ihnen die
Betrachtung und führte unterwegs die erbaulichsten
Gespräche. „Alles was er tat und sagte, erzählt der
Marquis von Lullin, flößte mir eine solche Hochachtung
und Ehrfurcht vor ihm ein, dass ich es nicht beschreiben
kann. Auf die nachdrücklichste und doch die
liebenswürdigste Weise ermunterte er mich zur Ausübung
jeder christlichen Tugend und zeigte mir, dass dies im
Soldatenstande leichter ist, als man gewöhnlich glaubt;
dass die Frömmigkeit nicht so menschenscheu und strenge
ist, wie man sie darstellt, und dass sie am Hofe ebenso
gut wie im Kloster ihren Platz haben kann; er zeigte
mir, dass sie eine Zierde und ein Schmuck der Vornehmen
und Großen ist, dass die mächtigsten Könige sie auf dem
Throne, die größten Feldherren auf den Schlachtfeldern
geübt haben, wie David und der heilige Ludwig, Judas
Machabäus und seine Brüder, die im Kampfe gewaltig und
schrecklich wie der Blitz dahin fuhren und doch Heilige
vor Gott waren; und dann setzte er mir mit himmlischer
Anmut auseinander, wie das Gesetz Gottes so schön,
gerecht, milde, nützlich, liebenswürdig und so leicht
für Jeden zu beobachten sei, der nur Gott lieben und auf
seine väterliche Güte vertrauen will. Ein anderes Mal
bemühte er sich, die Eitelkeit der Welt und die
Unbeständigkeit des Glückes in ihrem wahren Lichte zu
zeigen, wie wenig man auf die Gunst der Großen und die
irdische Größe selbst bauen darf, dass Gott das einzige
Fundament ist, auf dem wir ruhen können."
In Turin angekommen, begab sich der fromme Reisende
sogleich zum Herzoge, um ihm seine Ehrfurcht zu
bezeugen; mit aller seiner Stellung und seinen Tugenden
gebührenden Auszeichnung wurde er empfangen. Das Wohl
und das Beste Anderer zu wahren, war auch hier wiederum
die erste Sorge seines edlen Herzens. Unlängst hatte man
in dem Walde von Sonnaz bei Annecy den Geheimschreiber
des Herzogs von Nemours ermordet gefunden und eine große
Zahl von Edelleuten waren als dieser Tat schuldig
angeklagt worden. Franz war von ihrer Unschuld überzeugt
und er übernahm vor dem Herzoge ihre Verteidigung;
allein er merkte, dass der Verdacht gegen sie zu starke
Wurzeln geschlagen habe, und darum hielt er es für
geratener, für den Augenblick nicht weiter in den Herzog
zu dringen. Eine andere Herzensangelegenheit war es ihm,
dem Fürsten seine lieben Töchter von der Heimsuchung auf
das wärmste zu empfehlen und es gelang ihm, denselben so
sehr für den neuen Orden zu gewinnen, dass er ihm nicht
allein Alles, was er für ihn verlangte, bereitwillig
gewährte, sondern auch im nächsten Jahre aus eigenem
Antriebe an den Senat von Chambery schrieb, um diesen zu
beauftragen, der jungen Genossenschaft ja recht
wohlwollend und behilflich entgegen zu kommen. Sodann
sprach er ihm von dem traurigen Zustande, in welchem
sich das Kollegium in Annecy befand; die Laien, welche
ihm bis jetzt vorstanden, hatten ihrer Pflicht nicht
genügt, sei es dass sie derselben nicht gewachsen waren
oder nur nachlässig erfüllten, und die Jesuiten
weigerten sich, die Leitung desselben zu übernehmen, da
sie nicht im Stande seien, allen Aufforderungen, welche
von so vielen Anstalten an sie ergingen, nachzukommen.
Der Herzog schlug ihm darauf vor, Barnabiten kommen zu
lassen; zuvor jedoch möge er sich in den von ihnen
geleiteten Häusern in Turin und Mailand selbst
überzeugen, ob er ihnen sein Vertrauen schenken könne;
sollten sie ihm gefallen, so werde er mit seinem ganzen
Ansehen seinen Plan unterstützen
(Charl.-Aug., p.
433.).
Wie wir gleich sehen werden, geschah dies auch
(Der Orden der
Barnabiten wurde im Jahre 1530 von drei Priestern
Morigia, Ferrari und Zacharius in Mailand gegründet; zum
Zwecke hatte er den Unterricht der Jugend, die Leitung
der Seminarien und Missionen. Barnabiten wurden seine
Mitglieder genannt wegen der besonderen Verehrung, die
sie zum heiligen Barnabas hatten, oder auch weil sie
ihre erste Mission in einer Kirche hielten, die den
Namen dieses Apostels trug. Ferner kannte man sie noch
unter dem Namen ,,Regular-Chorherren vom heiligen
Paulus," da der Priester, welcher in der ersten Zeit
ihres Bestehens mit ihrer Leitung beauftragt war, sie
fleißig die Briefe des heiligen Paulus lesen ließ. Die
Kongregation hat zu jeder Zeit durch Wissenschaft und
Frömmigkeit ausgezeichnete Männer hervorgebracht.).
Von Turin
reiste Franz nach Mailand, seinem eigentlichen Ziele, wo
er, während er einem Heiligen seine Verehrung erweisen
wollte, selbst wie ein Heiliger empfangen wurde. Der
Kardinal Friedrich Borromäus, der Neffe und Nachfolger
des heiligen Karl, sowie der Gouverneur von Mailand, Don
Juan de Mendoza, kamen ihm entgegen und ersterer bat
ihn, in seinem Palaste abzusteigen. Allein Franz lehnte
die freundliche Einladung ab, da er unbekannt wie ein
armer Pilger zu bleiben wünschte, um mit mehr Muse seine
Andacht am Grabe des heiligen Karl verrichten und so
vollkommen den Zweck seiner Reise erreichen zu können
(Annee de la
visitation, 25. avril.).
Am folgenden Morgen feierte er das heilige Opfer über
dem Grabe des Heiligen unter reichlichen Tränen, und die
Röte seines Gesichtes legte Zeugnis von dem heiligen
Feuer ab, welches in seinem Herzen glühte. Nach
vollendeter Messe blieb er noch mehrere Stunden vor dem
Leichname des Heiligen auf den Knien, indem er ihn unter
Tränen bat, ihn an seinen Tugenden teilnehmen zu lassen,
und ihm die Gnade zu erflehen, die Diözese Genf so zu
leiten, wie er die seinige geleitet habe, sowie die
notwendige Stärke von Oben, damit er nicht unter der
Last der ihm auferlegten Bürde unterliege
(Charl.-Aug., p.
434.).
Als er die Kirche
verlassen, hatten die Geistlichen seiner Begleitung
nichts Eiligeres zu tun, als sich gegenseitig auf die
großartige Schönheit und Pracht des Domes aufmerksam zu
machen; der heilige Bischof sagte kein Wort. Erstaunt
über sein Schweigen fragten sie ihn endlich, wie ihm die
Kirche gefallen habe. „Ich muss Euch gestehen,
antwortete er, dass ich Nichts gesehen habe." -- „Nun,
hochwürdigster Herr, Sie haben denn doch sicherlich die
kostbaren Gewänder bemerkt, in denen Sie die heilige
Messe lasen; es ist nicht möglich, dass der Glanz der
kostbaren Steine, mit denen sie bedeckt waren, nicht
Ihre Aufmerksamkeit erregt habe." --- „Ich habe nicht
Acht darauf gegeben, antwortete er, denn der innere
Schmuck der Heiligkeit des großen Kardinals hat mich so
beschäftigt, dass ich weder an die äußere Pracht der
Kirche, noch an die der priesterlichen Gewänder dachte
(Annee de la visitation,
26. avril.)."
Nachdem er so seiner
Andacht Genüge geleistet, machte er dem Erzbischofe
sowie dem Gouverneur seine Aufwartung; er wusste, dass
die Höflichkeit auch mit zur wohlverstandenen
Frömmigkeit gehört; sie gehört zur tätigen Liebe. Darauf
besuchte er die Barnabiten, eingedenk des Auftrags des
Herzogs. Der Ordensgeneral bot ihm dasselbe dasselbe
Gemach, in welches der heilige Karl Borromäus sich
zurückzuziehen pflegte, wenn er seine geistlichen
Exerzitien hielt, zur Wohnung an; dies Anerbieten machte
ihn ganz glücklich und freudig sagte er zu. Mehrere Tage
verweilte er unter den guten Mönchen, um sie gründlich
kennen zu lernen und sich zu vergewissern, ob sie für
die Leitung des Kollegiums in Annecy passten; da die
Prüfung ganz nach Wunsch ausfiel, so bat er sie, jene
Anstalt zu übernehmen und sie erklärten sich bereit dazu
(Annee de la visitation,
28. avril.).
Während seines Aufenthaltes bei ihnen unterließ er
nicht, noch mehrere Male zum Grabe des heiligen Karl
zurückzukehren, und ein Mal verbrachte er sogar eine
ganze Nacht im Gebete daselbst. Länger in Mailand zu
bleiben, war ihm nicht gestattet, da das Fest des
heiligen Schweißtuches ihn nach Turin zurückrief.
Auf der Rückreise dahin
besuchte er das Grab des heiligen Bernhard von Menthon
in Novara; er fand es in einem Zustande trauriger
Vernachlässigung und empfahl darum dringend den
Kanonikern der Kirche, in welcher diese kostbare
Reliquie aufbewahrt wurde, sie doch mit etwas mehr
Achtung und Verehrung zu behandeln
(Von diesem Heiligen wurden aus
dem nach ihm benannten großen und kleinen St. Bernhard
jene berühmten Hospizien gegründet. Er war geboren auf
dem Schlosse Menthon bei Annecy im Jahre 923 und stammte
aus einer der edelsten Familien Savoyens. Er gab zuerst
Missionen in der Umgegend von Aosta in Piemont, worauf
er jene beiden Hospizien erbaute; er starb, nachdem er
noch lange in der Lombardei gepredigt, zu Novara im
Jahre 1008. Wegen seiner Tugenden und Wunder wurde er
schon im folgenden Jahre heilig gesprochen.).
Rechtzeitig kam er in Turin an und er wurde vom Herzoge
dazu bestimmt, an dem Feste die Predigt zu halten. Er
gehorchte, und ging auf die Kanzel, bloß mit Rochet und
Stola bekleidet; denn nach der zu jener Zeit
herrschenden Ordnung stand es einem Bischofe nicht zu,
außerhalb seiner Diözese die Mozette zu tragen, es sei
denn, dass der Bischof der fremden Diözese ihn dazu
aufforderte. Der Herzog war unwillig darüber, dass der
Erzbischof diese Ehre einem so ausgezeichneten Prälaten
nicht erwiesen hatte, und er ließ ihm sagen, er wünsche,
dass er, um diesen Verstoß wieder gut zu machen, dem
Prediger auf der Stelle seine eigene Mozette hintragen
ließe. Das geschah. Franz nahm sie ehrerbietig entgegen
und sich mit einer tiefen Verbeugung gegen den
Erzbischof wendend, sprach er zu ihm: „Ich verdiene
diese Ehre nicht, aber um Ihnen zu gehorchen, nehme ich
sie an.“ Nachdem die Predigt zu Ende war, legte er die
Mozette, bevor er die Kanzel verließ, wieder ab und sie
dem Erzbischofe eigenhändig zurückgebend sprach er auf
eine so demutsvolle Weise zu ihm, dass dieser ganz
beschämt darüber war und die Umstehenden ganz erbaut
ausriefen: „An diesem heiligen Bischofe predigt Alles,
selbst die Kleider."
Unter den Prälaten,
welche vom Herzoge bestimmt waren, das heilige
Schweißtuch der Verehrung des Volkes aufzusetzen, befand
sich auch Franz. Das erfüllte ihn mit heiliger Freude,
und während er das von den Tränen und dem Blute des
Sohnes Gottes benetzte Tuch in Händen hielt, fielen, da
es sehr schwül und heiß war, einige Schweißtropfen, die
sich mit seinen Tränen der Liebe vermischt hatten, auf
dasselbe. Der Kardinal von Savoyen wies ihn darüber
heftig zurecht; für den heiligen Bischof aber wurde
dieser Vorfall ein Anlass zu den rührendsten Gedanken
und frömmsten Empfindungen: „O mein Heiland, flehte er
(Brief 297.),
gestatte, dass mein unwürdiger Schweiß sich mit dem
Deinigen vermische; durchdringe mein Blut, mein Leben,
meine Neigungen mit den Verdiensten Deines heiligen
Leidens. Der gute Kardinal ist unwillig; Du bist nicht
so empfindlich, mein Heiland; Du hast Deinen Schweiß und
Dein Blut nur deswegen vergossen, um sie mit Unserem
Schweiße und Blute zu vermischen und ihm dadurch einen
Wert für das ewige Leben zu geben. Möchten meine Seufzer
sich mit den Deinigen vereinigen, damit sie mit
Wohlgefallen von dem ewigen Vater aufgenommen werden!"
Nach der Feierlichkeit
hatte Franz noch eine letzte Audienz beim Herzoge, in
welcher er abermals aufs wärmste für die der Ermordung
des Geheimsekretärs ungerechter Weise beschuldigten
Edelleute sprach; allein er konnte nichts Bestimmtes
erreichen, er musste sich mit Hoffnungen, die ihm
gemacht wurden, begnügen. Da er zu dem Pfingstfeste
wieder in Annecy zu sein wünschte, so bat er Herrn von
Blonay, sich dieser Sache anzunehmen, und reiste ohne
Verzug ab. Seinen Weg nahm er über den Mont-Cenis. Indem
er diese großartige Gebirgswelt durchwanderte und
betrachtete, wie auch in diesen unwirtlichen Regionen
Menschen sich niederlassen, mitten in Schnee und Eis,
der Kälte und den hier fast ununterbrochen herrschenden
Stürmen Trotz bietend, da sprach er, die Vorsehung
preisend, die es so eingerichtet, zu sich selbst:
„Würden diese Menschen, um ihren Lebensunterhalt zu
erwerben, sich in einer großen Stadt oder sonst in einer
schönen Gegend niederlassen, so hätten sie es da sicher
viel besser als hier; aber wie wunderbar ist der große
König des Weltalls in seinem Wirken auf die Seelen! In
seiner unaussprechlichen Güte gibt er ihnen verschiedene
Neigungen, damit sich auch hier Menschen finden, um die
Reisenden zu führen und ihnen nützlich zu sein; ohne sie
würde man nie im Stande sein, sich in diesen
schrecklichen Gebirgen zurecht zu finden
(Charl.-Aug., p. 435 et 436)."
Am Tage vor Pfingsten kam
er glücklich in Annecy an und hielt am Feste selbst in
der Kathedrale ein feierliches Pontifikalamt
(Priesteramt). Die Domherren hatten im Geschmacke
damaliger Zeit am Gewölbe der Kirche eine Vorrichtung
anbringen lassen, welche die Wolken darstellte und aus
der nach der Konsekration (Weihe) eine Taube mit Flammen
herabkommen sollte, um das Herabsteigen des heiligen
Geistes über die Apostel zu sinnbilden. Allein sie
verfehlte zum Teil ihre Wirkung, keine Flamme sah man
erscheinen, nur die Taube kam heraus und flog erschreckt
umher, ohne ein Ruheplätzchen zu finden. Als sie endlich
vor Müdigkeit nicht mehr konnte, ließ sie sich auf dem
Haupte des Bischofs, der aufrecht am Altare stand,
nieder; alle Anwesenden waren davon ergriffen und voll
Erstaunen, dass die Taube so gut ihre Aufgabe erfüllte,
indem sie sich über dem niederließ, in welchem der Geist
Gottes in solcher Fülle wohnte. Franz ließ sie ruhig
sitzen so lange sie wollte, unbeweglich stand er da,
ganz und gar von der heiligen Freude durchdrungen, Den
zu Empfangen, welchen sie sinnbildete
(Nach de Rendu, Franz Favre und
verschiedenen anderen Augenzeugen.).
Am Abende desselben Tages predigte er und sagte seinen
Zuhörern, dass er ihnen den Segen des heiligen
Erzbischofs von Mailand mitbringe. „Aber, fügte er
hinzu, was der heilige Antonius seinen Schülern sagte,
nachdem er den heiligen Paulus besucht hatte, das muss
auch ich euch sagen: Ich bin am Grabe eines großen
Dieners Gottes gewesen, neben dem ich nur der Schatten
von einem Bischofe bin, nicht wert, die Spuren seiner
Füße zu küssen."
Ohne sich nur einen Tag
Ruhe nach dieser langen Reise zu gönnen, widmete er sich
auf der Stelle wieder ganz der Leitung seiner Diözese.
Er sah sich so mit Arbeit überhäuft, dass er ihr selbst
den Genuss, welcher einem Geiste wie dem seinigen der
teuerste ist, das Studium zum Opfer bringen musste. „Ich
bin, schrieb er an einen Freund
(Brief 284.),
in einem fortwährenden Wirrwarr von Arbeit, den die
vielen und mannigfachen Angelegenheiten der Diözese mit
sich bringen; ich finde nicht einmal einen Tag, an dem
es mir vergönnt ist, zu meinen armen Büchern zu gehen ,
die ich sonst so gern hatte, aber jetzt nicht mehr zu
lieben wage, damit mir die Trennung von ihnen nicht noch
schwerer werde."
Was den größten Teil
seiner Zeit in Anspruch nahm waren die vielen Besuche
von Leuten jeden Standes, die in allen möglichen
Angelegenheiten zu ihm kamen. So meldeten sich auch
eines Tages entfernte Verwandten eines unlängst in den
Gebirgen von Faucigny gestorbenen Pfarrers, die den
Bischof zu sprechen wünschten. Nach damaligen Rechte
fiel das Vermögen eines Pfarrers, der ohne gesetzlich
anerkannte oder durch Testament bezeichnete Erben starb,
welcher Art es auch sein mochte, dem Bischofe zu. Mit
Betrübnis sahen diese armen Leute ihnen eine Erbschaft
entgehen, auf die sie sich so schöne Hoffnungen gemacht
hatten, und sie wandten sich zuerst an den alten Georg
Rolland, den Verwalter des Bischofs, mit der Bitte, er
möge mit Rücksicht auf ihre Armut seinen Herrn
bestimmen, sich gegen eine Summe von zwanzig Dukaten
oder einundzwanzig Taler nach unserem Gelde, die sie ihm
als Entschädigung anboten, seines Rechtes zu begeben.
Rolland betrachtete das Anerbieten einer so armseligen
Summe, da die Erbschaft zehnmal mehr wert war, als eine
Unverschämtheit, und ohne ihnen weiter Gehör zu geben,
schickte er sie fort. Von der Milde des Herrn mehr als
von der des Dieners erwartend, gingen sie da zum Bischof
selbst, und nicht umsonst. Franz überließ ihnen auf der
Stelle gegen die zwanzig Dukaten die ganze Erbschaft und
als er sie in Empfang nahm, sprach er heiter: „Das ist
etwas für meine Armen." Der ehrliche Rolland hatte das
nicht sobald erfahren, als er ganz aufgebracht zum
Bischofe eilte und ihm bitter vorwarf, dass er ihn in
die größte Verlegenheit gesetzt habe, er wisse nicht
mehr, wie er den Unterhalt des Hauses bestreiten solle.
„Nun, mein Lieber, versetzte Franz mit freundlichem
Lächeln, wenn dieser gute Priester nicht gestorben wäre,
würden wir dann Nichts zu leben haben? Doch tröste Dich,
Rolland, ich werde nicht mehr darauf zurückkommen. Was
die zwanzig Dukaten angeht, so haben die Armen sie schon
mit Beschlag belegt." Ein Freund kam darüber gerade
herein und bezeugte ihm sein Erstaunen, Rolland in solch
übler Laune das Zimmer verlassen zu sehen. „Ja, sprach
Franz, ich habe ihm einen losen Streich gespielt; er
glaubte von einigem mir zugefallenen Vermögen eine
ziemliche Summe zu erheben; ich habe es nun schon getan,
ohne dass er etwas davon wusste, und das Geld den Armen
gegeben. Gebe Gott, dass wir nie ein größeres Unglück
haben (Charl.-Aug., p.
437.)."
Der Zorn des ehrlichen Rolland war von kurzer Dauer;
gleich nachher wurden einige Unglückliche zum Bischofe
gebracht, die man allgemein vom bösen Geiste besessen
glaubte. Da Franz sie lange betrachtete, ohne ein Wort
zu sagen, so bat Rolland, über das Schweigen seines
Herrn erstaunt, er möge doch mit ihnen sprechen und sie
heilen. „Ach, sprach Franz lächelnd, es freut mich, dass
Monsieur Rolland mich auffordert, Wunder zu wirken." Und
freundlich zu den Armen redend, segnete er sie, und auf
der Stelle wurden sie gesund und ruhig. Zehn anderen
Unglücklichen, die der Teufel auf eine schreckliche
Weise quälte, erwies er einige Tage nachher dieselbe
Wohltat; nachdem er sie Beichte gehört und ihnen die
heilige Kommunion gereicht hatte, befreite er sie
vollständig von ihrem Übel durch seinen bloßen Segen
(Charl.-Aug., p. 437 et
438.).
Nur kurze Zeit blieb
Franz in Annecy; es drängte ihn nach der Provinz Gex zu
eilen, welche ein Gegenstand seiner steten Sorge war.
Die dortigen protestantischen Prediger, von Genf
unterstützt und durch die furchtsame Politik
Frankreichs, welche es den Protestanten gegenüber
befolgte, ermutigt, weigerten sich noch immer
hartnäckig, die geraubten Kirchengüter zurückzugeben,
und die katholischen Pfarrer, welche dorthin geschickt
worden waren, litten selbst am Notwendigsten Mangel. Die
Schritte, welche Franz noch nach dem Tode Heinrich's IV.
getan, um diesen Übelständen abzuhelfen, hatten nur
geringen oder gar keinen Erfolg gehabt, und er beschloss
nun selbst nach Gex zu reisen, um dort zum Besten der
Religion wenigstens so viel zu tun, als die
augenblicklichen Umstände gestatteten. Was geschehen
konnte, war wenig genug; die Freude, Gex im vollkommenen
Besitze seiner religiösen Freiheit und kirchlichen Güter
zu sehen, sollte ihm überhaupt nicht zuteil werden; das
katholische Frankreich unterstützte ihn zu schlecht in
seinen Bemühungen.

Drittes
Kapitel.
Franz
beruft Barnabiten nach Annecy und Karthäuser nach
Ripailles. – Der deutsche Kaiser ladet ihn zum
Regensburger Reichstage ein. – Reise nach Lyon und Sion
en Valais. – Schöne Züge seiner Nächstenliebe und
Charakterfestigkeit.
(1614
und 1615.)
Gleich nach seiner
Rückkehr von Mailand hatte der Bischof dem Stadtrate den
Vorschlag gemacht, die Leitung der höheren Schule den
Barnabiten anzuvertrauen, indem er ihm die Versicherung
gab, dass das nicht genug zu rühmende Verdienst dieser
guten Mönche der Anstalt eine glänzende Zukunft
verbürge, außerdem werde ihr Eifer, der ihrem Verdienste
gleichkomme, der Stadt und Umgegend zum größten Segen
gereichen, das Volk werde in ihnen tüchtige Prediger und
Beichtväter finden, die Armen und Kranken liebevolle
Priester, alle guten Werke tätige und eifrige
Unterstützer. Sein Vorschlag fand ungeteilten Beifall
und Franz setzte die Barnabiten alsbald in Kenntnis
davon, worauf diese drei ihrer Mitglieder nach Annecy
schickten, um im Namen ihres Ordens Besitz von der
Anstalt zu ergreifen; es waren Dom Justus Guerin,
nachmaliger Bischof von Genf, der Pater Simplicius, der
aus einer der berühmtesten mailändischen Familien
stammend, sich nicht weniger durch Gelehrsamkeit als
durch Tugend auszeichnete, und Dom Moritz, dessen
Mission in Annecy jedoch nur eine vorübergehende war,
indem er bald nachher nach Paris geschickt wurde. Da ihr
General nicht bestimmt hatte, wer von ihnen die Stelle
eines Oberen bekleiden solle, so entstand zwischen den
beiden ersteren ein Kampf der Bescheidenheit, da einer
dem anderen den Vorrang überlassen wollte. Justus Guerin
siegte zuletzt; er wurde Ökonom und sein Mitbruder
Superior. Der Bischof selbst führte sie in die Anstalt
ein und hielt eine der Gelegenheit angemessene Rede, in
welcher er namentlich die Vortrefflichkeit der
Genossenschaft der Barnabiten hervorhob, der schon die
ehrenvolle Anerkennung von fünf Päpsten zuteil geworden,
und aus welcher schon so viele verdienstvolle Männer
hervorgegangen seien. „Wir waren verloren, sprach er
unter anderem, das berühmte Wort des Themistocles
zitierend, wenn wir nicht verloren gewesen wären:
Perieramus nisi periisemus. Der Untergang der Anstalt
hat ihre Auferstehung herbeigeführt, ihr Tod hat ihr das
Leben gegeben. Wäre sie weniger schlecht gewesen, dann
würden wir jetzt diese frommen und gelehrten Vorsteher
nicht haben." Die Beweise seiner Achtung und seines
Interesses für sie blieben hierbei nicht stehen. Es
gefiel ihm so gut in ihrer Gesellschaft, dass er sich
selbst einen Barnabiten nannte; er lud sie oft zu Tische
und ebenso ging er manchmal zu ihnen, um daselbst zu
speisen; oft auch predigte und las er die heilige Messe
in ihrer Kirche. Dabei geschah es einmal, dass, als er
seinen Zuhörern geschildert, wie der heilige Paulus der
Gnade so vollkommen durch die Heiligkeit seines Lebens
entsprochen habe, dass er in Wahrheit sagen konnte:
„Ich lebe, nicht ich zwar, sondern Jesus Christus ist
es, der in mir lebt," er plötzlich von dem
heiligsten Feuer der göttlichen Liebe ergriffen wurde
und eine Zeit lang in Verzückung blieb
(Charl.-Aug., p. 440 et suiv. – De
Cambis, II. 401.).
Die Wirksamkeit der guten Mönche entsprach dafür auch
ganz seinen Erwartungen; unter ihrer Leitung blühte die
Schule wieder frisch empor und befand sich in einem
besseren Zustande als je.
Außer den Barnabiten ließ
Franz noch Karthäuser in seine Diözese kommen, damit sie
durch ihre Gebete und Tugenden die göttliche
Barmherzigkeit über dieselbe herabzögen und zugleich
durch die Heiligkeit ihres Lebens aller Welt zeigen
sollten, zu welch hoher Vollkommenheit der Mensch, von
der Gnade und Liebe unterstützt, zu gelangen im Stande
ist. Er hatte schon dem Herzoge vorgeschlagen, ihnen die
Abtei Filly zu geben; aber da der Fürst ihm selbst die
Abtei Ripailles zugedacht hatte, so verlangte er
inständig diese für die Karthäuser. Der Herzog war es
zufrieden und der wohltätige Einfluss dieser Mönche auf
Religion und Sitte machte sich schon bald in der ganzen
Umgegend sichtbar.
Wie sehr die Bevölkerung
der Diözese Genf auch diese Männer verehrte, so übertraf
die Verehrung für ihren Bischof doch jede andere; er
galt ihnen sogar als ein von übernatürlichem Lichte
erleuchteter Prophet, und jeder Tag sozusagen bestärkte
sie mehr und mehr in diesem Glauben.
Der Schlossherr von
Choisy bei Annecy hatte einen erklärten Feind, der sich
schon mehrmals verschworen hatte, ihn ums Leben zu
bringen; und da er fürchtete, dies möge wirklich einmal
geschehen, so kam er zu Franz und teilte ihm seine
Besorgnis mit. „Haben Sie keine Furcht, mein Sohn,
sprach der Bischof zu ihm, vertrauen Sie auf den Herrn;
mag er auch auf Sie schießen, ich stehe Ihnen dafür,
dass das Gewehr versagen wird und Sie heil und gesund
der Gefahr entrinnen werden." Und so geschah es einige
Tage später.
Um dieselbe Zeit
herrschte in Annecy großer Getreidemangel, so dass man
sich am Vorabende einer Hungersnot sah und Jedermann in
nicht geringer Besorgnis war. Der Bischof versammelte
seine Herde in der Kirche und mit einer Sicherheit, wie
sie allein der prophetische Geist einflößen konnte,
sprach er von der Kanzel herab: „Hoffet, vertrauet,
meine Kinder! auf den Herrn, und das Notwendige wird
Euch gegeben werden, wofern Ihr seine Gebote beobachtet;
habet keine Sorge, ich versichere Euch in seinem Namen,
dass Ihr nicht nur nicht vor Hunger umkommen, sondern
auch, dass Ihr nicht einmal Mangel leiden werdet." Und
ein Überfluss an Getreide, der unerwartet eintrat,
erfüllte die Vorhersagung bis auf den Buchstaben. Ein
anderes Mal brachte ihm ein Einwohner der Stadt sein
Kind von sechs bis sieben Jahren; es hatte ein
vortreffliches Temperament und erfreute sich der besten
Gesundheit. Der Bischof nahm es bei der Hand und ihm
freundlich die Wange streichelnd, sprach er: „Du wirst
siebenzehn Jahre nicht überschreiten, armes Kind." Wie
er es vorhergesagt hatte, so geschah es
(Char1.-Aug., p. 442 et suiv.).
Mittlerweile erhielt er
ein Schreiben vom deutschen Kaiser Matthias I., welches
ihn als Fürst des heiligen römischen Reiches deutscher
Nation (Der Titel „Fürst
von Geuf" und folglich „Fürst des heiligen römischen
Reiches deutscher Nation" war gegen das Jahr 1100 hin
von dem deutschen Kaiser den Bischöfen von Geuf
verliehen worden; er fürchtete, die weltlichen Herren
oder Grafen von Genf möchten zu mächtig werden und
glaubte ihrer Herrschsucht den sichersten Damm
entgegenzusetzen, wenn er die Ausübung der königlichen
Gerechtsame den Bischöfen übertrüge.)
zu dem Reichstage von Regensburg auf den 1. Februar des
Jahres 1615 berief. Der Kaiser wollte die Not des
Sultans Achmets I., in welche er durch einen Krieg mit
den Persern und bürgerliche Unruhen in seinen eigenen
Staaten geraten war, benutzen, um den Teil von Ungarn,
welchen die damals so gefürchteten Türken ihm entrissen
hatten, wieder zu erobern; dazu bedurfte er aber der
Hilfe der Reichsfürsten und da er Franz immer als
solchen betrachtete, trotzdem dass Genf seinen Bischof
vertrieben hatte, so richtete er an ihn das nämliche
Einladungsschreiben wie an die anderen Fürsten. Der Bote
hatte sich nach altem Gebrauche und zum Zeichen, dass
der Kaiser gegen die ungerechte Vertreibung des Bischofs
Widerspruch einlege, unmittelbar nach Genf zu begeben,
vor dem bischöflichen Palaste abzusteigen und nach dem
Bischof zu fragen, für den er einen Auftrag von seiner
kaiserlichen Majestät habe; auf die Antwort, die ihm
zuteil werden würde, sollte er dann seine Botschaft in
aller Form verkünden und das Schreiben nach Annecy
tragen. Der Bote kam seinem Auftrage pünktlich nach, und
bald darauf schrieb der Bischof an den Kaiser
(Brief 322.),
dass er sich eine Ehre daraus machen würde, seiner
Einladung Folge zu leisten, aber seine Lage, in welche
er durch die Protestanten gekommen, habe ihm zur
Unterstützung seiner Majestät nichts gelassen als das
Gebet. Die Reise nach Regensburg unterblieb also und er
machte dafür eine andere, die seinem Herzen besser
zusagte.
Herr von Marquemont
hatte, sobald er den bischöflichen Stuhl von Lyon
bestiegen, ihn in einem Briefe gebeten, mit ihm einen
Freundschaftsbund nach dem Vorbilde der Bischöfe des
Altertums zu schließen, welche sich durch vielfache und
innige Beziehungen, durch gegenseitige Mitteilung ihrer
Gedanken und Pläne die bischöfliche Last einander tragen
und alle Pflichten derselben auf's beste erfüllen
halfen. Zugleich hatte er ihm als dem älteren Bischofe
seinen baldigen Besuch angesagt; Franz jedoch hielt
dafür, dass der letzte der savoyischen Bischöfe (wie er
sich nannte) nicht zugeben dürfe, dass der erste der
Bischöfe Frankreichs ihm hierin zuvorkomme, und darum
machte er sich unverzüglich auf den Weg nach L.yon. Kurz
vor seiner Ankunft daselbst hatte der Erzbischof
erfahren, dass er komme und er beeilte sich, von den
Notabeln (Angesehenen) der Stadt begleitet, ihm eine
gute Strecke entgegenzufahren; er begrüßte ihn mit allen
Zeichen der Verehrung und nannte ihn laut „die Zierde
und Krone der Bischöfe." Auch die ganze Stadt war
erfreut, ihn in ihrer Mitte zu sehen und legte davon
vielfache Beweise an den Tag. Nachdem er eine ganze
Woche daselbst geblieben und seine Zeit wie immer zur
Ehre Gottes und zum Wohle des Nächsten angewandt hatte,
kehrte er nach Annecy zurück.
Nicht lange nachher
machte er eine andere Reise nach Sion, der Hauptstadt
von Valais, um der Konsekration des neuen so eben vom
Papste ernannten Bischofs zu assistieren. Mit dem
Vorgänger desselben, Hadrian von Ricdmartin, einem sehr
eifrigen Prälaten, hatte er in freundschaftlicher
Beziehung und Briefwechsel gestanden. Sobald er die
Ernennung Hildebrands Josse zu seinem Nachfolger
erfahren, beeilte er sich, an ihn eines jener Schreiben
zu richten, welche, da sie gerade vom Herzen kommen,
auch gerade wieder zum Herzen gehen: „Nicht sobald,
schrieb er, hatten wir von Ihrer Erhebung und Ihren
hervorragenden Eigenschaften Kunde erhalten, da
verwandelte sich die Trauer, welche wir über den Tod
Ihres Vorgängers empfanden, in Freude und unsere
Klagelieder wurden zu Jubelgesängen; wir haben Gott Dank
gesagt, dass er nicht zugelassen, dass seine Leuchte in
Jerusalem erlösche und er den Vater durch den Sohn
ersetzt hat, um ihn über die Stadt Sion zu stellen. Ihr
lieber Brief und mein inniges Verlangen, ihn zu
erwidern, ist mir ein gutes Zeichen, dass meine
Freundschaft zu dem Bischofe von Sion, welche auf immer
aufgehört zu haben schien, nun stärker wieder auflebt
denn je. Was mich betrifft, so erlaube ich mir, Ihnen zu
versichern, dass ich ganz bereit bin, Ihnen nicht nur
jeden Bruderdienst zu leisten, den unser Amt mit sich
bringen kann, sondern auch jeden anderen, den Sie nur
immer von Ihrem treuen und demütigen Diener erwarten
mögen, da ich mehr als sonst jemand in der Welt Ihrer
Person und Ihren Interessen ergeben bin. Stets wird es
mir sehr angenehm sein, mich in der Lage zu befinden,
Ew. erhabenen Herrlichkeit irgend einen Dienst leisten
zu können; und darin entspreche ich nur der Absicht des
Herrn, der es nur deswegen zugelassen hat, dass wir so
nahe Nachbarn sind, um uns gegenseitig unsere Last
tragen zu helfen; weiterhin werde ich nur eine Pflicht
der Dankbarkeit erfüllen, da Sie mir so viel Wohlwollen
bezeugt haben, und ich werde einem Herzensbedürfnisse
Genüge leisten, wenn ich nicht unterlassen kann, auf
alle Weise einem Prälaten gefällig zu sein, der immer
eine so große Liebe zur katholischen Kirche, eine so
standhafte und unverbrüchliche Anhänglichkeit an sie
hatte. Wenn also Ew. Herrlichkeit meiner bedarf, sei es
zur Konsekration oder was sonst immer, so mag sie ganz
und gar über mich verfügen. Unterdessen werde ich nicht
aufhören, den göttlichen Herrn und Heiland inständig zu
bitten, dass er Ihnen von seinem Heiligtume aus starke
Hilfe sende, damit Sie Ihr von tobenden Stürmen hin und
her geworfenes Schifflein sicher zu dem so ersehnten
Hafen der glückseligen Ewigkeit führen
(Brief 242 und 243.)."
Voll Freuden über das
Anerbieten des allgemein verehrten Prälaten, ihm bei
seiner Konsekration zu assistieren, beeilte sich der
Bischof von Sion, es schleunigst anzunehmen, und Franz
brach unverzüglich dahin auf. Wie überall, so erregte
auch hier seine Heiligkeit, seine Beredsamkeit auf der
Kanzel, seine ganze liebenswürdige Erscheinung die
höchste Bewunderung und Begeisterung für ihn. Allgemein
nannte man ihn nur „den Heiligen“, und ging er durch die
Straßen der Stadt, so waren Türen und Fenster der Häuser
voll Menschen, die ihn sehen wollten; die Mütter hoben
ihre Kinder empor, um ihnen den Heiligen zu zeigen und
brachten ihm dieselben, dass er sie segne.
Nach Annecy zurückgekehrt
fand er ein Schreiben des Herzogs vor, dessen Inhalt ein
sehr sonderbarer war. Die Sucht, seine Herrschaft immer
mehr zu vergrößern, verwickelte ihn in fortwährende
Kriege, und so bedurfte er natürlich bedeutender
Geldsummen. In jenem Briefe verlangte er nun, Kraft
eines Breve's (päpstlicher Erlass), das er vom Papste
erwirkt hatte, von allen Bischöfen seiner Staaten eine
Abgabe von allen Kirchengütern, je nach den Einkünften
der Benefizien. Franz ließ demnach sämtliche
Benefiziaten seiner Diözese zusammenkommen, und ermahnte
sie, den vereinigten Wünschen des Herzogs und des
Papstes bereitwillig zu entsprechen. „Meine Brüder,
sprach er zu ihnen (La
Riviere, p. 421. ),
es ist uns nicht gestattet , hierüber unsere Bemerkungen
zu machen; die Sprache unserer obersten geistlichen wie
auch weltlichen Behörde ist klar; wir müssen gehorchen."
Da er aber gewahrte, dass trotz dieses Rates seine
Geistlichen, deren Armut ihm übrigens recht wohl bekannt
war, jene Forderung durchaus nicht günstig aufnahmen, so
ließ er seinen Worten auch sein eigenes Beispiel folgen,
indem er auf seinen Anteil eine Summe schrieb, die
durchaus in keinem Verhältnisse zu seinen geringen
Einkünften stand. Das wirkte mehr als alle Worte, und
ein Jeder zeigte sich nun bereit , die verlangte Abgabe
zu entrichten (Geist des
heil. Franz von Sales, V, 12.).
Wie Franz den Forderungen
seiner Fürsten nachzugeben verstand, so verstand er es
aber auch nicht minder, sich ihnen gegenüber fest und
unbeugsam zu zeigen, wenn die Umstände es erheischten.
Geheime Feinde seines Hauses hatten durch gehässige
Verleumdungen den Herzog von Nemours gegen ihn und seine
Brüder Bernard und Janus von Sales eingenommen. Es war
so weit gekommen, dass der Bischof es für gut fand, sich
nebst seinen beiden Brüdern aus Schloss Sales
zurückzuziehen, bis er eine Gelegenheit fände, sich zu
rechtfertigen. Als ihn aber sein Pflichtgefühl in der
Fastenzeit nach Annecy zurückgeführt hatte, und er einer
größeren Bitterkeit denn jemals gegen ihn und seine
Brüder daselbst begegnete, da hielt er es nicht mehr für
an der Zeit, zu schweigen. Er schrieb an den Herzog von
Nemours einen Brief, der würdig eines Basilius und eines
Ambrosius war, in welchem sich die Festigkeit eines
Apostels, der heilige Freimut des Bischofs offenbart
(Brief 321.).
„Päpste und Fürsten, sagt
er unter anderem, haben Gerichtshöfe, an welche sie
Anklagen verweisen, damit man sie gründlich untersuche
und durch Anhörung der Parteien und Zeugen entscheiden
könne, auf welcher Seite die Wahrheit oder die Lüge ist;
es ist das ein Verfahren, welches sie unter Strafe der
ewigen Verdammung zu befolgen gehalten sind, sonst würde
es auf Erden keine Gerechtigkeit mehr geben. Es sind
Klagen gegen meine Brüder bei Ihnen eingelaufen, Sie
haben wohl getan, dieselben anzuhören; aber, wenn Sie
denselben Glauben geschenkt haben, so erlauben Sie mir,
Ihrem treuen Diener und in Liebe ergebenen wenn auch
unwürdigen Hirten, Ihnen zu bemerken , dass Sie Gott
beleidigt haben und dass Sie verpflichtet sind, dies zu
bereuen, selbst wenn die Anklagen wahr wären; denn es
darf keine Aussage gegen den Nächsten geglaubt werden,
ehe sie bewiesen ist, und bewiesen kann sie nur werden
durch eine Untersuchung und durch Anhörung beider
Parteien. Wer anders zu Ihnen redet, der begeht einen
Verrat an Ihrer Seele. Wie glaubwürdig auch die Ankläger
sein mögen, so muss es doch immerhin den Angeklagten
gestattet sein, sich zu verteidigen; Männer, welche
allen Glauben verdienen, können sich dennoch täuschen
oder aus gewissen menschlichen Beweggründen täuschen
wollen."
Bevor er jedoch dieses
Schreiben absandte, teilte er seinem Freunde Favre eine
Abschrift davon mit, um zu erfahren, was er davon
hielte. „Der Unwille des Fürsten gegen mich, schrieb er
dabei (Ebendas.),
der ich ihm doch so ergeben bin und ehemals so viele
Beweise seiner Güte erfahren habe, ist mir unerträglich.
So Viele begehen Mord und Totschlag und finden
nichtsdestoweniger eine Zuflucht in seiner Milde und
Gnade; meine Brüder tun keinem Menschen etwas zu Leide
und erfahren seine höchste Ungnade. Man fragt zwar, was
man uns denn Böses tue; allein, uns die Gunst und
Gewogenheit des Fürsten zu rauben, heißt uns das
kostbarste aller Güter rauben. Der Herzog glaubt Alles
was man ihm hinterbringt, und ist empört darüber. Man
macht ein Verbrechen daraus, dass man mich liebt. . . .
Doch ich will schweigen . . . es wird der Tag kommen, an
dem es niemanden mehr zum Tadel gereichen wird, mich zu
lieben." Favre billigte das Schreiben und es wurde somit
abgeschickt. Seine Wirkung zeigte sich bald. Der Sturm
legte sich allmählich und nicht lange dauerte es, bis
der Fürst dieser ihm so treu ergebenen Familie seine
ganze Gnade wieder zuwandte.
Mit nicht geringerer
Festigkeit benahm sich der Bischof in einem Streite mit
den Angehörigen der Pfarrei Seyssel, welche dem Kapitel
von Genf zehentpflichtig waren. Auf einmal fiel es
diesen ein, die schuldige Abgabe mit dreißig Garben
Getreide und sechzig Traglasten Wein zu entrichten,
welche nur einen sehr ungleichen Ersatz boten. Diese
Unbilligkeit, welche die Rechte seines ohnehin schon so
armen, selbst am Notwendigen Mangel leidenden Kapitels
verletzte, betrübte Franz sehr, und er versuchte auf dem
Wege der Sanftmut und eines gütlichen Vergleichs die
durch Geiz irre geführten Leute zur Vernunft zu bringen.
Es war rein vergebens; je mehr er ihnen von einem
Vergleiche sprach, um so eigensinniger wurden sie. Er
befahl, er strafte, sie achteten nicht darauf. Er
schickte einen durch Talent und Tugend höchst
ausgezeichneten Priester, seinen Generalvikar und
Offizial der Diözese, Herrn Roges, um sie zur
Nachgiebigkeit zu bewegen; die Weiber, „dies so leicht
erregbare Geschlecht," bemerkt Franz, liefen zusammen
und wollten den bischöflichen Unterhändler in die Rhone
werfen; nur mit Mühe gelang es dem guten Geistlichen,
ihrer Wut zu entrinnen. Da glaubte der Bischof sich an
die weltliche Behörde wenden zu müssen, um die
widerspenstigen Rebellen mit Gewalt zum Gehorsam zu
bringen. „Es würde mich sehr betrüben, schrieb er an den
Präsidenten des Parlamentes der Bourgogne
(Brief 323.),
wenn eine solche Gewalttätigkeit und Ungesetzlichkeit
nicht gezüchtigt würde, denn siewürde sonst jeden Tag
noch zunehmen; es wird mich aber nicht weniger betrüben,
wenn sie gezüchtigt wird, denn die Widerspenstigen sind
meine Diözesanen und geistlichen Kinder.
Nichtsdestoweniger bin ich der Meinung, dass man mit
Strenge gegen sie einschreiten muss, denn wenn
Ermahnungen bei Kindern nichts geholfen haben, so müssen
sie gestraft werden, damit sie sich bessern, und es ist
besser, dass ich über ihre zeitliche Trübsal weine, als
über ihren ewigen Untergang. Die Unverschämtheit ist zu
bekannt, um verheimlicht werden zu können, zu ärgerlich,
um nicht gestraft, zu gefährlich, um nicht unterdrückt
zu werden. Doch überlasse ich mich ganz Ihrer Klugheit,
und ich bitte Sie inständigst, so zu handeln, dass
meiner Kirche ihr Recht gewahrt werde und diese Leute
ihre Pflicht erfüllen."
Bei Verleihung der
Benefizien hatte er auch Manches von der Ungerechtigkeit
der Menschen zu leiden. Ein adelstolzer Edelmann
verlangte eines Tages für einen Geistlichen, der in
seiner Gunst stand, eine erledigte Pfarrei. Franz
antwortete, dass er es sich zur unabänderlichen Regel
gemacht, die Stellen nur nach vorhergegangenem Konkurse
zu verleihen; wenn sein Kandidat vor den übrigen
Mitbewerbern sich auszeichne, so würde er sich glücklich
schätzen, ihn zu ernennen. Der Edelmann, ein heftiger
und aufbrausender Charakter, war über diese Antwort
höchst aufgebracht und ließ seinen ganzen Zorn gegen den
Bischof los; er warf ihm Doppelzüngigkeit und
Scheinheiligkeit vor und drohte, dass er seine
Verwandten oder ihn selbst seine Rache werde fühlen
lassen. Franz suchte seinen Beleidiger durch
Freundlichkeit und Sanftmut zu beschwichtigen, allein
derselbe verspottete ihn und lachte über seine
liebevollen Worte, die er süßliche Schmeicheleien
nannte, höchstens dazu gut, um Weiber und Kinder
einzuschläfern. „Nun denn, sprach Franz, ich will Ihren
Schützling in Ihrer Gegenwart prüfen." Allein dieser,
seine Unfähigkeit wohl fühlend, wollte davon nichts
wissen. „Was nun! wandte sich der Bischof an den
Edelmann: wollen Sie, dass ich bei Anvertrauung der
Sorge für die Seelen, welche unter meiner Leitung
stehen, mit verbundenen Augen handle? Bedenken Sie doch,
ob ein solches Verfahren billig und vernünftig wäre?"
Allein der rohe Mensch hörte nicht auf diese
Vorstellungen; er fuhr fort zu schmähen, bis er das
Zimmer verließ. Ein Geistlicher, der den ganzen Vorgang
mit angesehen hatte, fragte da den Bischof, wie er denn
mit einer solchen Ruhe diese nichtswürdige und empörende
Behandlung habe ertragen können. „Ach, erwiderte er, er
war es nicht, der so sprach, es war die Leidenschaft;
Gott hat von Ewigkeit her vorausgesehen, dass ich diese
Beleidigung zu erdulden haben würde, und es war sein
Wille, dass ich sie geduldig ertrage; sollte ich denn
nicht gerne den Kelch trinken, der mir von der Hand
eines so guten Vaters kommt? O, wie ist mir dieser
berauschende Kelch so lieb und angenehm, da jene Hand
mir ihn reicht, die ich seit meiner Kindheit anzubeten
gelernt habe!" --- „Aber, bemerkte der Geistliche
weiter, haben Sie denn gar keine Aufregung dabei
empfunden?" --- „Ich habe die Augen meines Geistes auf
andere Dinge gerichtet, ich suchte an die guten
Eigenschaften dieses Herrn zu denken, nach meiner
Gewohnheit, nur immer auf das Gute zu sehen, was Jene,
die mich beleidigen, an sich haben, nie auf das Böse
oder Fehlerhafte (Dom. Jean
de Saint-Francois, p. 408.);
ich hoffe, dass, wenn seine üble Laune vorüber ist, wenn
der düstere Nebel sich zerstreut hat, es wieder heller
Tag werden und er voll Heiterkeit mich wieder sehen
wird." So geschah es in der Tat; der Edelmann empfand
nicht lange nachher eine solche Reue über seinen Fehler,
dass er mit Tränen in den Augen zum Bischofe kam, ihn um
Verzeihung bat und bis zu seinem Tode ihm stets mit
größter Achtung und Liebe begegnete
(Geist des heil. Franz von Sales,
XIV, 27.).
Die nämliche Ursache
veranlasste zur selben Zeit eine ähnliche Szene, die von
noch peinlicheren Umständen begleitet war. Ein durch
seine Waffentaten ausgezeichneter Komtur
(Befehlshaber)
des Malteserordens hatte
in einer anderen Diözese einen seiner Bedienten zum
Priester weihen lassen und geriet nun auf den Einfall,
vom Bischofe von Genf eine erledigte Pfarrei für ihn zu
verlangen. Die kanonischen Vorschriften strenge
beobachtend unterwarf Franz den Schützling des Komturs
wie alle übrigen Bewerber der üblichen Prüfung, und da
bei derselben ein beklagenswerter Mangel an Wissen und
Tugend zum Vorschein kam, so gab er die Pfarrei einem
anderen, den die Examinatoren
(Prüfer)
für fähiger befunden hatten. Als der Komtur das erfuhr,
ritt er wütend zum Bischofe und überhäufte ihn mit
Vorwürfen und Schmähungen; ja er fasste ihn sogar heftig
beim Barte und schrie zornig: „Wenn Du nicht Bischof
wärest, so würde ich Dich lehren, wie Du mich zu achten
hast; wenn Du keine Rücksichten für mein Amt und meine
Stellung hast, so solltest Du wenigstens Achtung vor dem
Kreuze haben, das ich trage." --- „Mein Herr, entgegnete
Franz mit sanftem und bescheidenem Lächeln, wie sollte
ich nicht mit Achtung und Ehrfurcht für das Kreuz
durchdrungen sein, da ich es ja ebenso gut trage wie Sie
und ein Buch zu seiner Verteidigung geschrieben habe?
Ich bin bereit, für es Alles zu tun, was mein Gewissen
mir erlaubt." Der Komtur versuchte in zornigem Tone noch
weiter in ihn zu dringen, da er aber sah, dass es
vergebens war, ging er fort. Der Bischof, immer höflich
trotz der empfangenen Beleidigungen, wollte ihn bis zum
Tore seines Palastes begleiten. „Ich würde es Dir
gestatten, sprach der Komtur wütend, wenn Du mir die
Ehre erwiesest, welche Du mir schuldest; aber da Du so
wenig von mir hältst, so will ich auch Deine Komplimente
nicht." Ein Mönch, der unmittelbar nach dieser Szene zum
Bischofe kam, fragte ihn, was er unter einer solchen
Flut von Verachtung und Schmähungen, die man sogar
draußen habe hören können, empfunden habe. „Ich
versichere Ihnen, antwortete Franz, dass ich nicht im
allergeringsten darüber in Aufregung geriet; Gott hat
die Aufmerksamkeit meines Geistes auf etwas Anderes
gelenkt, und ich habe auf Nichts von dem was er sagte,
Acht gegeben. Mit anderen Dingen beschäftigt, habe ich
meine Ruhe nicht verloren; ich bin geworden wie Einer,
der nicht hört und wie ein Mann, der keine Widerrede in
seinem Munde hat (Ps.
XXXVII, 15.)."
Doch konnte es nicht ausbleiben, dass der Komtur, als er
bei ruhiger Überlegung sein Betragen mit dem des
Heiligen verglich, sein Unrecht einsah und zu ihm eilte,
um ihn um Verzeihung zu bitten; und seit der Zeit hatte
er die größte Verehrung für den Bischof
(Charl.-Aug., p. 455.).
Es war nicht zu
verwundern , dass die Tugenden des Heiligen und die
herrlichen Beispiele, die er täglich davon gab, den
Fastenprediger in Annecy so begeisterten, dass er sich
nicht enthalten konnte, öffentlich auf der Kanzel in der
Schlussrede seinen Gefühlen Ausdruck zu geben:
„Glückselig seid ihr, Bewohner von Annecy, rief er aus,
einen solchen Bischof in eurer Mitte zu haben! Seid
Nachahmer seiner Tugenden, denn er ist ein Heiliger; ja,
ich wiederhole es, euer Bischof ist ein Heiliger, und
aus ihn kann man das Wort anwenden, welches einst die
Königin von Saba zu Salomon sprach: Glückselig Jene,
welche immer um Dich sind und Deine Weisheit hören."
Franz, der zugegen war, schlug vor Scham errötend die
Augen nieder und erschien den ganzen Tag über traurig.
Abends fragte ihn der Prediger nach dem Grunde seiner
Traurigkeit, die er nicht begreifen könne. „Es betrübt
mich, mein Vater, antwortete da Franz, dass Sie, nachdem
Sie während der ganzen Fastenzeit so gut gepredigt,
heute durch Ihre Lobeserhebungen Alles verdorben haben.
Ach, wenn Sie mein Elend kennten, dann würde Ihre
Sprache eine ganz andere gewesen sein
(Annee de la visitation, 21. avril.)."
Aber der demütige Bischof konnte es nicht verhindern,
dass gerade um diese Zeit sein Lob mehr als jemals in
Aller Munde war. Die Not war durch Missernten im Jahre
I615 aufs höchste gestiegen; er kaufte für die
verschämten Armen bedeutende Vorräte von Weizen an und
ließ zwei Mal die Woche allen Bedürftigen, die sich nur
an seiner Türe meldeten, reichliche Almosen austeilen,
ohne dass darum die Gaben, welche er an den übrigen
Tagen spendete, nur im geringsten vermindert wurden.
Alle, die ihm näher
standen und die täglichen Zeugen seines Lebens waren,
zogen es durchaus nicht in Zweifel, dass dereinst seine
Heiligsprechung erfolgen werde. Sein Kammerdiener Franz
Favre bewahrte jetzt schon mit großer Verehrung Alles
auf, was mit ihm in Berührung gekommen oder was in
seinem Gebrauche gewesen war, „denn, sprach er, ich sehe
voraus, dass alle diese Dinge eines Tages Reliquien sein
werden." Ließ er sich die Haare schneiden, so sammelte
er dieselben mit großer Sorgfalt und füllte eine ganze
Schachtel damit an; wurde ihm zur Ader gelassen, dann
machte er es ebenso mit dem Blute und bewahrte es in
einem wohlverschlossenen Gefäße auf
(Archive de la visitation de
Nevers.).

Viertes
Kapitel.
Franz übergibt den
Barnabiten die Leitung der Schule des heiligen Hauses in
Thonon, und ernennt seinen Bruder Johann Franz zum
Generalvikar. – Er erhält den Besuch des Erzbischofs von
Lyon und wird aufs neue bei dem Herzoge verleumdet. –
Weitere Züge seiner christlichen Liebe.
(1615 und
1616.)
Dem Bischofe lag nicht
allein das geistige, sondern auch das leibliche Wohl
seines Volkes am Herzen. Es war ihm nicht entgangen,
dass der Seidenbau, in Annecy so gut wie unbekannt, in
Genf einer Menge von Menschen ihren Unterhalt gewährte,
ja einen behaglichen Wohlstand sicherte. Darum suchte er
den Herzog zu bestimmen, einen Industriezweig in seinen
Staaten einzuführen, der für seine Untertanen eine
Quelle reichlichen Verdienstes sowohl, wie auch ein
Mittel sein würde, sie in der wahren Religion zu
erhalten und zu befestigen. ,,Der Nutzen hiervon,
schrieb er unter anderem an den Fürsten, dürfte wohl ein
unberechenbarer sein; nicht Wenige würden dadurch dem
protestantischen Einflusse entzogen werden und Genf, das
sich größtenteils durch diesen Handel in seiner Stellung
behauptet, würde an Bedeutung und Ansehen verlieren; was
unsere Feinde gewinnen, das werden die Untertanen Ew.
königlichen Hoheit gewinnen und ihre Lage wird dadurch
bedeutend verbessert." Dieser Vorschlag gefiel dem
Herzoge sehr wohl und er ließ sich die Sache so
angelegen sein, dass der Seidenbau
(Seide-Herstellung)
in Savoyen zu einer ziemlichen Blüte gelangte.
Der Gründung und
Einrichtung des heiligen Hauses in Thonon ist schon
früher Erwähnung geschehen. Der Unterricht an demselben
war eine Zeit lang in den Händen der Jesuiten, nach
ihnen in denen von Laien gewesen. Da letztere den an sie
gestellten Forderungen nicht entsprachen, so beschloss
Franz, auch dahin Barnabiten zu schicken. Gegen
Verleihung gewisser Rechte und Benefizien nahmen sie das
Anerbieten an, und Franz reiste selbst nach Thonon, um
sie feierlich einzuführen.
Während seines
Aufenthaltes daselbst erfuhr er den Tod seines
Generalvikars; wegen der Kränklichkeit dieses Herrn war
er schon lange darauf gefasst gewesen und den würdigsten
Nachfolger für ihn glaubte er in seinem Bruder Johann
Franz zu finden. „Nach reiflicher Überlegung, schrieb er
ihm (Brief 337.),
habe ich mich entschlossen, Dir dies Amt zu übertragen;
Dich zur Annahme zu bestimmen, wird schon der Grund
genügen, dass von diesem Amte nicht allein das Wohl der
Diözese größtenteils abhängt, sondern auch meine Ehre,
und Deine Verwandtschaft wird Dich mehr als jeden
anderen drängen, eifersüchtig darüber zu wachen.
Wachsamkeit, dass die anderen gehörig ihre Pflicht
erfüllen, ist das Wesentlichste in dieser Stellung. Bis
zumeiner Rückkehr handle für mich und in meinem Namen,
als wärest Du schon eingeführt."
Seine Rückkehr erfolgte
bald, da er den Gegenbesuch des Erzbischofs von Lyon,
des Kardinals von Marquemont, erwartete. Er bereitete
ihm den glänzendsten Empfang und suchte ihm den
Aufenthalt in Annecy so angenehm wie möglich zu machen;
allein dazu bedurfte es keiner besonderen Anstrengung.
Die Gesellschaft des Bischofs von Genf war Alles was der
edle Kardinal verlangte; mit ihm zusammen zu sein, sich
an ihm zu erbauen, von ihm zu lernen, die weise
Verwaltung seiner Diözese in der Nähe zu beobachten, das
war seine größte Freude. Unter anderem hätte er gerne
einem Konkurs beigewohnt und da gerade eine Pfarrei
erledigt worden, um die sich Manche bewarben, so konnte
man seinem Wunsche willfahren. Es hatte sich auch ein
adeliger Geistlicher auf sie gemeldet, der stolz auf
seine Abkunft, statt jeder Verdienste
Empfehlungsschreiben des Herzogs und anderer Fürsten
vorzeigte, und auf diesen Schutz bauend war er seiner
Sache so gewiss, dass er die übrigen Mitbewerber mit
Verachtung behandelte und auch nur die leiseste Äußerung
eines Zweifels, es könnte ihm am Ende doch ein Anderer
vorgezogen werden, ihn wahrhaft empörte. Der Bischof
stellte ihm einige Fragen über die heilige Schrift, und
der Zufall wollte, dass er gerade die Stelle aufschlug,
wo der Herr den Ehrgeiz der beiden Söhne des Zebedäus
mit den strengen Worten zurechtweist: „Ihr wisst
nicht, was ihr begehret." Er bat den Kandidaten, sie
zu übersetzen, allein der Ärmste verstand auch kein Wort
davon; das aber, sowie das allgemeine Gelächter brachte
ihn durchaus nicht aus der Fassung; und in hochmütigem
Tone verlangte er das Benefizium als etwas ihm von
Rechtswegen Zustehendes. „Mein Herr, sprach da Franz
voll Mäßigung und Sanftmut, erlauben Sie mir, Ihnen
diese Worte, welche Sie nicht verstehen, zu erklären:
Nescitis quid petatis, Ihr wisst nicht, um was Ihr
bittet. Unmöglich ist es für Sie, mit dem wenigen
Wissen, von dem wir soeben den Beweis erhalten, die
Pflichten der Seelsorge zu erfüllen, unmöglich also für
mich, Ihnen dieselbe anzuvertrauen. Ich bin nicht Herr
der Benefizien, ich bin nur der Austeiler derselben und
verpflichtet, sie dem Würdigsten zu geben
(Charl.-Aug., p. 464.)."
Der adelige Geistliche
geriet über diese Demütigung in heftigsten Zorn und
drohte, er werde dem Herzoge berichten, wie wenig man
hier auf seine Empfehlungen gebe. „Nun ist es genug,
mein Herr, sprach Franz; in diesem Augenblicke spricht
die Leidenschaft aus Ihnen, ein anderes Mal soll es die
Vernunft sein, die redet." Aber der unwissende adelige
Priester trieb die Unverschämtheit noch weiter. Am
nächsten Sonntag überreichte er dem Bischofe während des
Chorgebetes, in Gegenwart des ganzen Domkapitels, eine
Schmähschrift, die voll der gröbsten Beleidigungen war.
Franz, weit entfernt, darüber in Aufregung zu geraten,
dachte nicht einmal daran, ihn zur Rechenschaft zu
ziehen, aber das Kapitel nahm die Sache in die Hand und
verlangte eine exemplarische Bestrafung des Schuldigen.
Das Urteil war schon geschrieben und sollte ihm gerade
zugestellt werden, als der Bischof davon Kunde erhielt
und auf der Stelle um Zurücknahme desselben bat. Seine
Bitte wurde ihm gewährt. Damit war er noch nicht
zufrieden, er wollte sich rächen nach Art der Heiligen;
auf sein inständiges Bitten gab man dem Unverschämten am
Hofe des Herzogs eine sehr ehrenvolle, seinem Stande und
seiner Geburt entsprechende Stelle, so dass es in ganz
Savoyen sprichwörtlich wurde, es genüge, den Bischof von
Genf zu beleidigen, um seiner Wohltaten versichert zu
sein.
Der Kardinal, Zeuge so vieler Tugenden, konnte seine
Bewunderung nicht zurückhalten. Überall und bei jeder
Gelegenheit sprach er von dem heiligen Bischofe von Genf
und nannte ihn seinen Vater; er betrachtete sich gerne,
trotzdem dass er Primas von Frankreich war, als seinen
geistlichen Sohn, als seinen demütigen Schüler; und
seine ganze Seele war so tief von diesen Gesinnungen
durchdrungen, dass er eines Tages beim Anblicke der
Unterschrift des geliebten Bischofs dieselbe mit
Ehrfurcht küsste und ausrief: „O, welch ein großer
Diener Gottes, welch ein heiliger und vollkommener Mann!
Er ist in Wahrheit ein Gesandter des Himmels; wie groß
ist seine Liebe und Gerechtigkeit! Ach, gebe Gott, dass
alle Bischöfe Frankreichs nur einen geringen Teil von
jener Gnade hätten, die er in solcher Fülle besitzt;
dies ist wahrhaft ein vollkommener Hirte und wir müssen
Alle danach streben, seine Tugenden in uns nachzubilden
(Nach de Rendu.)."
Die vielen Arbeiten in
seiner eigenen Diözese erlaubten dem Erzbischofe nicht,
seinen Aufenthalt in Annecy zu verlängern, so sehr das
auch dem Wunsche seines Herzens entsprochen hätte. Kaum
war er abgereist, so erhoben sich allerlei böswillige
und verleumderische Gerüchte gegen ihn und seinen edlen
Gastfreund. Alle ihre Gespräche hatten nur kirchliche
und geistliche Dinge zum Gegenstande gehabt, und
trotzdem legte man nun dieser Zusammenkunft einen
politischen Zweck bei: die Prälaten hätten geheime
Pläne, im Interesse des Königs von Frankreich und dem
des Herzogs von Savoyen zuwider, verabredet. Der Herzog
ließ diesen Verdächtigungen ein offenes Ohr und
beauftragte den Statthalter von Savoyen, die Sache zu
untersuchen. Franz wurde demgemäß von der
Unzufriedenheit des Fürsten in Kenntnis gesetzt und
ersucht, über die Reise des Erzbischofs sowie seine
langen Besprechungen mit ihm Bericht zu erstatten
(Annee de la visitation, 15.
novembre -- Charl.-Aug., p. 462.).
Über einen so sonderbaren
Verdacht auf's äußerste erstaunt, antwortete Franz dem
Gouverneur (Brief 342.),
Gott und seine Engel zu Zeugen der Wahrheit seiner Worte
nehmend, dass der Kardinal bei ihm weiter nichts gewollt
habe, als seinen ihm früher gemachten Besuch erwidern,
bei hellem Tage und mit Gefolge sei er gekommen, ohne
ein Geheimnis daraus zu machen, wie es sonst Jene zu tun
pflegen, welche feindselige Absichten hegen; und während
der ganzen Zeit seines Aufenthaltes bei ihm sei von
nichts Anderem als von rein geistlichen Dingen die Rede
gewesen, was er auf Ehre und Gewissen versichere. „Möge
Ew. Excellenz, fügte er am Schlusse hinzu, mir die
Bemerkung erlauben, dass ich in den Gesinnungen
unverbrüchlicher Treue gegen meinen Fürsten aufgewachsen
und alt geworden bin und dass mein Stand sowie jede
andere menschliche Rücksicht mir dieselben stets zur
heiligen Pflicht machen. Ich bin durch und durch
Savoyarde, ich und die Meinigen, und nie werde ich etwas
Anderes sein können. Ich begreife nicht, wie ich
Verdacht erregen kann, da ich mich doch in meinem ganzen
Leben stets treu und ergeben bewiesen habe."
Ruhig stellte nun der
Bischof alles Übrige der Vorsehung anheim und widmete
sich ganz seinen gewöhnlichen Arbeiten und
Beschäftigungen. Aber neue Unannehmlichkeiten blieben
nicht aus; es bedurfte deren immer für diese auserwählte
Seele, um sie in der Tugend zu vervollkommnen und sie
Jesu Christo ähnlicher zu machen. Ein Advokat in Annecy,
namens Pillet, weigerte sich, eine Abgabe zu entrichten,
welche er der Genfer Kirche schuldete, und der Bischof,
der sich verpflichtet hielt, die Rechte seiner Kirche zu
wahren, sah sich genötigt, ihn gerichtlich dazu zu
zwingen. Der Advokat fasste deshalb einen solchen Hass
gegen ihn, dass er auf alle mögliche Weise ihm zu
schaden, vor Allem aber seine Ehre zu untergraben
suchte. Für Franz war das Grund genug, den Verleumder
nur noch mehr zu lieben, und als er ihm eines Tages
zufällig in der Stadt begegnete, redete er ihn
freundlich bei der Hand fassend an: „Ich weiß, mein
Herr, dass Sie mir Böses wollen und auf jede Weise meine
Ehre zu untergraben suchen; entschuldigen Sie sich
nicht, ich bin dessen gewiss. Aber ich möchte auch, dass
Sie erfahren, dass, wenn Sie mir selbst ein Auge
ausreißen, ich Sie mit dem anderen nur um so liebevoller
ansehen würde." Überrascht und beschämt blieb der Elende
stumm, ließ sich aber keineswegs durch diese herzlichen
Worte rühren, im Gegenteil, sein Hass nahm nur zu.
Einige Wochen nachher trieb er die Niederträchtigkeit so
weit, dass er die an der Kathedrale angehefteten
Ermahnungsschreiben mit Kot und Unrat bewarf, ja in der
Nacht Pistolenschüsse nach den Fenstern der
bischöflichen Wohnung abfeuerte; noch mehr, er wagte es,
den Generalvikar durch einen Degenstoss zu verwunden.
Erschreckt über die Gefahr, in der sich ihr heiliger
Führer befand, beschwor ihn Frau von Chantal, der
Verfolgung und Bestrafung des Schuldigen seinerseits
doch wenigstens kein Hindernis in den Weg zu legen.
„Lassen Sie mich nur machen, antwortete er ihr darauf,
wir werden uns schon beide rächen, Sie und ich; dieser
Mann hat drei Töchter, und eine von ihnen werden wir
unentgeltlich in unser Kloster aufnehmen." Das geschah
auch später.
Trotzdem ließ der Senat
von Chambery, als er von diesen Ruchlosigkeiten Kenntnis
erhalten, den Schuldigen verhaften und leitete seine
Untersuchung ein, deren unfehlbarer Ausgang seine
baldige Verurteilung zum Tode sein musste. Voll
Bestürzung über das Schicksal, das seinem Feinde
bevorstand, schrieb der Bischof in größter Eile an den
Herzog und bat für ihn um Gnade; seine Bitte wurde ihm
gewährt, und er selbst brachte dem Gefangenen die
Nachricht von seiner Begnadigung. Allein der Elende
zeigte sich gefühllos all dieser Großmut gegenüber; kein
Wort der Reue über seine Vergehen, kein Wort des Dankes
für seine Begnadigung. Der Bischof warf sich ihm zu
Füßen und bat ihn um Verzeihung, sollte er ihn etwa ohne
Wissen und Willen in irgend etwas beleidigt haben. Den
verstockten Sünder rührte das ebenso wenig. Er hatte nur
Schmähungen für seinen edlen, großmütigen Wohltäter, und
– wer sollte es glauben --- verharrte in seinem Hasse
gegen ihn bis zu seinem Ende, welches so kläglich war,
dass man es als die gerechte Strafe des Himmels für die
einem Heiligen so zwecklos zugefügte Schmach ansah
(Charl.-Aug., p. 486. ).
Kaum war dies vorüber, so
wurde der Bischof schon wieder auf's neue verfolgt und
zwar von einem ausschweifenden Edelmanne, der ohne
jegliche Veranlassung einen bitteren Groll gegen ihn
hegte. Dieser begann damit, dass er eine beißende
Spottschrift gegen Franz verbreitete, die aber vom
Publikum nur mit gebührender Verachtung aufgenommen
wurde und die Seelenruhe des Bischofs auch nicht einen
Augenblick trübte. Ärgerlich über das so vollständige
Misslingen seines Planes ersann der Edelmann eine andere
Beleidigung. Er schickte mehrere Nächte hintereinander,
trotz der heftigen Winterkälte, seine Bedienten nebst
einigen anderen schlechten Subjekten aus der Stadt mit
einer Meute von Hunden vor das Tor der bischöflichen
Wohnung. Dort ließ er sie den schrecklichsten Spektakel
vollführen; die Einen bliesen das Jagdhorn, die anderen
feuerten Pistolenschüsse ab und stießen ein betäubendes
Geschrei aus, wie wenn sie auf der Jagd wären, dazu das
Gebell der Hunde, die man in die Ohren zwickte, damit
sie stärker heulen sollten. Man wollte den Bischof nicht
einen Augenblick Ruhe genießen lassen
(Ebendas. p. 468.).
In der Tat wurde diese Absicht erreicht, Franz konnte
unmöglich schlafen. Er stand auf und vor seinem
Kruzifixe niederknieend betete er für diese
unverschämten Ruhestörer: „Vater, vergib ihnen, denn sie
wissen nicht, was sie tun." Allein die Leute aus der
Nachbarschaft waren nicht so geduldig, wie ihr Bischof,
und beschwerten sich bei der Polizei über diesen
nächtlichen Unfug. Der Einfluss und das Ansehen des
Edelmannes war jedoch der Art, dass die gegen ihn
ergriffenen Maßregeln ohne Wirkung blieben. Die Diener
des Bischofs fühlten da ihre Geduld erschöpft; sie
wollten sich selbst Recht verschaffen und mit den Waffen
die Nichtswürdigen gewaltsam vertreiben. „Nicht doch,
sprach Franz mit seiner unvergleichlichen Sanftmut; tut
das nicht; sie sind leider mehr zu bedauern als wir; wir
sind hier doch unter Dach und in einem warmen Zimmer,
und sie müssen erstarrt vor Kälte sein." --- „Aber,
riefen sie aus, es sind elende und schlechte Burschen!"
--- „Ach, versetzte der demütige Bischof, wenn die Gnade
uns nicht unterstützte, so könnten wir am Ende noch
schlechter sein. dass ich so etwas nicht tun möchte,
dafür gebührt Gott die Ehre."
Als die Ruhestörer sahen,
dass sie keine Strafe zu fürchten hatten, trieben sie
die Verwegenheit so weit, dass sie die Fenster
einwarfen; mehrere Steine fielen dicht vor dem Bischofe
nieder und das Gebet des gesteinigten Stephanus: „Herr,
rechne ihnen dies nicht zur Sünde," flüsterte auch sein
Mund. Zuletzt bewarfen sie mit Kot und Unrat das Tor des
bischöflichen Hauses und schienen ganz entschlossen, so
noch lange fortzufahren. Da begegnete der Bischof
zufällig eines Tages dem Urheber all dieses Unfuges; als
wäre er sein bester Freund gewesen, fiel er ihm um den
Hals, umarmte ihn und sprach zu ihm auf das herzlichste
und liebevollste. Einer solchen Liebe gegenüber konnte
der Edelmann nicht ungerührt bleiben; ganz beschämt bat
er ihn um Verzeihung, und was noch mehr wert war, er
bekehrte sich aufrichtig und von Herzen, indem er
erklärte, dass die Sanftmut seines Bischofs mächtiger
auf ihn gewirkt habe als hundert Predigten
(Nach Daunant, der Augeuzeuge war.
-- CharI.-Aug., p. 469.).
Selbst im Schosse seiner
eigenen Familie wurde dem Bischofe Gelegenheit geboten,
seine liebreiche Sanftmut und Geduld zu üben. Ein Herr,
mit dem er verwandt war, glaubte sich von ihm beleidigt
und zwar durch eine Handlung, von der Franz auch nicht
im entferntesten geahnt hatte, dass sie ihm unangenehm
sein könnte. Am hellen Tage erschien nun Jener im Hofe
des bischöflichen Palais mit einer Meute von Hunden und
einer Anzahl Jägern, die mit Jagdhörnern und Trompeten,
von dem Geheul der Meute unterstützt, einen
entsetzlichen Lärm vollführten, während er selbst in das
Zimmer des Bischofs drang und ihn mit den
beleidigendsten Schmähungen überhäufte. Franz
beobachtete nach einigen höflichen und verbindlichen
Worten einer solchen Unverschämtheit gegenüber die
ruhigste Sanftmut, ohne weiter eine Bemerkung zu machen,
was aber den Edelmann nur noch mehr in Wut versetzte und
zu größeren Schmähreden hinriss; da er es endlich müde
wurde, allein zu sprechen, eilte er unter Drohungen
hinauf. „Hochwürdigster Herr, fragte da der Pater de
Coex, der die ganze Szene mit angesehen hatte, den
Bischof, warum haben Sie denn nicht wenigstens mit
einigen nachdrücklichen und ernsten Worten diesen
Unverschämten zurechtgewiesen?" – „Ich habe, erwiderte
Franz, mit meiner Zunge den Vertrag geschlossen, dass
sie schweigen soll, so lange mein Herz in Aufregung ist,
und dass sie auf kein Wort, welches im Stande wäre, mich
zum Zorne zu reizen, eine Erwiderung haben darf; und
sicherlich wäre es nicht gut gewesen, den armen Mann
noch mehr aufzubringen, indem man es versucht hätte, ihm
sein Unrecht klar zu machen. Bei ruhigem Nachdenken wird
er von selbst vernünftig werden und seinen Fehler
bereuen (P. Binet: Quel est
le meilleur gouvernement ? (= Was ist die beste
Regierung?) p. 184.)."
Wirklich kam der Schuldige einige Tage nachher mit
Tränen in den Augen zurück, bat den Bischof um
Verzeihung und dankte ihm für seine Sanftmut, die ihn
vor einem größeren Verbrechen bewahrt habe; denn er
gestehe, dass er in seiner Wut Jeden, der es gewagt
hätte, ihm Vorstellungen zu machen, erstochen haben
würde (Charl.-Aug., p.
485.). Es
verbreitete sich in der Tat das Gerücht, dass man ihn
habe ermorden wollen, und eine Schwester von der
Heimsuchung drückte ihm ihren Schmerz darüber aus.
„Welch ein ungeheuerliches Gerücht, schrieb er derselben
(Brief 709.),
dass man mich habe umbringen wollen! Die Guten werden
mich nicht töten, weil sie gut sind, und die Bösen auch
nicht, weil ich nicht gut bin. Es war nur ein schwacher
Schatten von einem Angriffe auf mich."
Die Liebe des Bischofs
von Genf war nicht bloß eine geduldige, sie war auch
großmütig und freigiebig. Ein Pfarrer aus seiner Diözese
hatte ihm eines Tages seine Not geklagt, und er wollte
ihm um jeden Preis helfen, aber wie? seine Börse war
leer. Da eilte er nach der Kapelle und nahm vom Altare
zwei schwere silberne Leuchter, die er dem armen
Geistlichen gab, um sie zu verkaufen und aus dem Erlöse
seiner dringendsten Not abzuhelfen. Bis zu Tränen
gerührt küsste dieser seinem Wohltäter die Hand und ging
nach Genf, um die reiche Gabe in Geld umzusetzen. Als
der alte Rolland am folgenden Morgen die Beraubung der
Kapelle gewahrte, da ahnte er auf der Stelle, wie das
zugegangen war und wollte die Leuchter zurückkaufen.
„Nein, sprach Franz, das könnte nur zum Schaden der
Armen geschehen; wir können uns ohne Leuchter begnügen
(Nach Chambet.)."
Ein Advokat in Annecy war
durch verschiedene Unglücksfälle so in Not geraten, dass
er für seinen Sohn, der in Paris Theologie studierte,
die Kosten des Studiums nicht mehr aufbringen konnte.
Franz erfuhr dies und schickte ihm auf der Stelle die
eben notwendige Summe. Die Freude des guten Mannes war
außerordentlich; aber gleich beunruhigte ihn der
Gedanke, wie er das Geld sicher nach Paris schicken
solle, ob es unterwegs nicht verloren gehen könnte? Auch
in dieser Angst kam ihm der Bischof zu Hilfe, als er
davon gehört hatte; er übernahm es auf seine eigene
Gefahr, dem Studierenden das Geld zu übermitteln und
fügte gleichzeitig einen Brief an ihn bei, in welchem er
ihm die weisesten Ratschläge gab und ihn ermahnte, fromm
und fleißig zu sein. Gerührt von so viel Güte hielt es
der Advokat für eine Pflicht der Dankbarkeit, seinen
Wohltäter öfters zu besuchen; unglücklicherweise ging er
aber dabei über die Grenzen des Schicklichen hinaus,
indem er den Bischofe zu lange belästigte, einige Male
sogar vier bis fünf Stunden bei ihm blieb, ohne dass er
von etwas Anderem als unbedeutenden Alltäglichkeiten zu
sprechen wusste. Und dennoch empfing ihn der Heilige
trotz seiner vielen Arbeiten stets mit dem
zuvorkommendsten Wohlwollen, ohne je den geringsten
Überdruss durchblicken zu lassen
(Charl.-Aug., p. 470.).
Diese geduldige Liebe
zeigte sich nicht minder einem Herrn gegenüber, der aus
der entferntesten Normandie gekommen war, um mit ihm
über verschiedene Skrupel und Glaubenszweifel zu
sprechen, die ihn sehr quälten. Überall hatte er schon
einen Lehrer gesucht, der ihm Aufklärung verschaffen und
seiner Seele den Frieden wiedergeben könnte, da er aber
keinen gefunden, der ihm zusagte, hatte er sich
entschlossen, die weite Reise nach Annecy zu machen.
Franz saß gerade bei Tische, als man ihm meldete, es
wünsche ein Fremder ihn zu sprechen. Auf der Stelle
erhob er sich und eilte ihn zu Empfangen. Der Edelmann
begann ohne Weiteres ihm alle seine Skrupel und Zweifel
vorzulegen, die ein ziemlich langes Kapitel bildeten.
Mit bündiger Klarheit und geduldig antwortete Franz auf
jede Frage, aber sowie ein Zweifel beseitigt war, da
entstanden wieder neue, so dass das Gespräch sich bis
zur Stunde der Abendmahlzeit hin verlängerte. Man ließ
dem Bischofe sagen, das Essen sei fertig. Eine weitere
Stunde verrann und wieder kamen Boten, um ihn zu
erinnern, dass es Essenszeit sei, und zugleich drückten
sie ihm ihre Besorgnis aus, er möge aus Mangel an
Nahrung der Ermüdung unterliegen. „Ist das Leben nicht
mehr als die Speise (Matth.
VI, 25.)? gab er
ihnen zur Antwort; meine Speise ist, dass ich den Willen
meines Vaters tue (Joh. IV,
34.). Ein anderes
Mal werden wir Zeit haben zu essen und zu trinken, in
diesem Augenblicke habe ich einen anderen Hunger zu
stillen, einen anderen Durst zu löschen; den Hunger und
Durst, eine Seele zu retten und zu trösten; darum möge
mich niemand mehr stören!" Endlich, nach einer
zehnstündigen Unterredung ging der Fremde fort,
zufrieden und Tränen der Freude und des inneren Glückes
weinend. „O, sprach er zu dem, der ihm das Geleite gab,
wie sind Sie glücklich zu preisen, einen so heiligen
Hirten und so kundigen Seelenführer zu besitzen. Ich war
verloren, aber seine weisen, guten Ratschläge haben mich
dem Leben wiedergegeben. Niemand in Frankreich war im
Stande, die in meiner Seele tobenden Stürme zu stillen;
Gott sei gepriesen, dass er mich zu Ihrem heiligen
Bischofe geführt hat. Man hatte mir schon Wunderbares
von ihm erzählt; aber Alles, was ich gehört habe, ist
nur der Schatten von dem, was ich jetzt gesehen.
Zwischen dem Gerüchte und der Wirklichkeit herrscht ganz
der Unterschied, wie zwischen einem Gemälde und
demjenigen, den es vorstellt
(Nach Bonard und Myncet.)."

Fünftes
Kapitel.
Verhalten
des heiligen Franz von Sales in dem piemontesischen
Kriege. – Er veröffentlicht seine Abhandlung über die
Liebe Gottes und hält die Advents- und Fastenpredigten
in Grenoble. – Tod des Barons und der Baronin von
Thorens. – Bekehrung eines bis dahin unverbesserlichen
Sünders.
(1616 und
1618.)
Gingen die Leiden
Einzelner dem gefühlvollen Herzen des Bischofs von Genf
schon so nahe, wie wir bereits oft gesehen haben, so
verursachte ihm ein öffentliches Unglück, von dem ganze
Länder heimgesucht wurden, einen noch viel tieferen und
herberen Schmerz. Zu seiner größten Betrübnis musste er
es erleben, dass der Herzog von Savoyen, von Frankreich
unterstützt, dem Herzoge von Mantua, der Hilfe von den
Spaniern erhielt, den Krieg erklärte, um ihm das
Herzogtum Montferrat zu entreißen, auf das er Rechte zu
haben ehauptete (Charl.-Aug.,
p. 470.). Dies
Zusammenziehen von einheimischen und fremden Truppen,
welches außer der Geißel des Krieges noch eine große
Sittenverderbnis mit sich brachten, bildete den steten
Gegenstand seines Seufzens vor Gott und den Menschen,
und sich nicht damit begnügend, allein die Hände zum
Himmel zu erheben und täglich zu ihm zu stehen, ordnete
er auch öffentliche Gebete an, und ermahnte sein Volk,
durch ein besseres Leben den Zorn des Höchsten zu
besänftigen, der die Geißel des Krieges über der Erde
schwingt, um ihre schuldigen Bewohner zu züchtigen. Die
Empörung des Herzogs von Nemours machte die Lage noch
verwickelter und trauriger. Der Herzog von Savoyen hatte
ihm die Hand einer seiner Töchter versprochen, und
dadurch eine Verbindung mit Anna von Lothringen, Tochter
des Herzogs von Aumale, hintertrieben; allein er hielt
sein Versprechen nicht, und in seiner Unzufriedenheit
ließ sich der Herzog von Nemours von den Spaniern
überreden, den Versuch zu wagen, mit ihrer Hilfe die
Herrschaft im ganzen Herzogtum Genf an sich zu reißen
(Ebendas. p. 472.).
Mehrere Truppenbewegungen fanden zu diesem Zwecke statt
und man versuchte die Belagerung Annecy's. Die ganze
Stadt war in der größten Bestürzung, und der Umstand,
dass viele Hugenotten sich an dem Aufstande beteiligten,
war nicht eben geeignet, die Angst zu vermindern. Der
Bischof allein bewahrte seine Ruhe und Zuversicht, dass
die Vorsehung helfen werde, und suchte auch sein Volk
durch diese Hoffnung aufzurichten. Es gelang ihm aber
nicht, die allgemeine Furcht zu beschwichtigen. „Wird
die Stadt genommen, wandte man ihm ein, so werden Sie
der Erste sein, über den die Hugenotten herfallen, sie
werden Ihr Haus zuerst plündern und Sie ihre ganze Wut
fühlen lassen. Verbergen Sie sich darum und bringen Sie
Ihre wertvollsten Sachen in Sicherheit." -- „Nein, meine
Kinder, antwortete der Bischof mit heiterem Antlitze,
ich werde mich nicht verbergen und werde mich nicht von
Euch trennen. Ich glaube nicht, dass man mir mehr Böses
will, als den anderen, und wenn es sein muss, so werde
ich mit Euch leiden. Mit Gottes Hilfe werde ich immer da
sein, wo meine Pflicht es erheischt; mag mir begegnen
was da will, ich bin in der Hand der Vorsehung.
Übrigens, fügte er hinzu, seid guten Mutes, ich stehe
dafür, dass Euch nichts Böses widerfahren wird." Seine
Vorhersagung erfüllte sich; nach drei Tagen wurde die
Belagerung aufgehoben (Ebendas.
p. 472 et 473.)
und der Fürst von Piemont eilte mit zahlreichen Truppen
herbei, um einen neuen Angriff zu vereiteln.
Er nahm seine Wohnung im
bischöflichen Hause, und Franz benützte diese
Gelegenheit, um sich seines Beistandes in der
beabsichtigten Reform einer Anzahl von Klöstern zu
versichern, in denen durch die kriegerischen
Zeitumstände Zucht und Ordnung sehr gelockert worden
waren. Der Fürst zeigte sich auch ganz einverstanden mit
den Vorschlägen, welche Franz ihm zu diesem Zwecke
machte, und versprach sein Möglichstes zu tun. Die wahre
Reform jedoch wird nicht durch äußeren Zwang erzielt,
das wusste Franz sehr wohl, sondern durch die Änderung
des Herzens, welches den festen Entschluss faßt, Gott zu
lieben und ihm treu zu dienen. In der Absicht, letzteres
zu erreichen, hatte er im Jahre 1614 schon eine
Abhandlung über die Liebe Gottes begonnen. „Ich stehe im
Begriffe, das Buch von der Liebe Gottes anzufangen,
schrieb er damals an Frau von Chantal
(Brief 642.),
und ich werde suchen, von ihr ebenso viel in mein Herz
zu schreiben als auf das Papier." Jeden freien
Augenblick, den er während des Tages finden konnte, und
manche Stunde der Nacht, die er sich vom Schlafe
abbrach, hatte er der Abfassung dieses Werkchens
gewidmet. Er fühlte während der Arbeit so tief und
innig, was er schrieb, dass Tränen der Liebe wider
seinen Willen auf das Papier herabflossen, und er oft
die Feder aus der Hand legen musste, um ihnen freien
Lauf zu lassen. Als er eines Tages nach der Vesper auf
seinem Betstuhle knieend sich zum Schreiben
vorbereitete, indem er die Größe der Liebe betrachtete,
welche das ewige Wort bewogen hatte, sich mit der
menschlichen Natur im Geheimnisse der Menschwerdung zu
vereinigen, da schaute er im Geiste, wie der Sohn Gottes
aus dem Schosse des ewigen Vaters in den der Jungfrau
herabstieg; er wurde dabei von einer solch himmlischen
Süßigkeit erfüllt, dass er in Ohnmacht fiel. Um eine
solche Liebe zu erwidern, suchte er sein Herz mit der
größtmöglichen Gegenliebe zu entflammen, alle Liebe des
Himmels hätte er in seine Brust aufnehmen mögen; und der
Geist Gottes, der die lautere Liebe ist, teilte sich ihm
in solcher Fülle mit, dass es selbst durch äußere
Zeichen offenbar wurde, wie groß dieselbe war. Wie er
einst in Gestalt feuriger Zungen auf die Apostel
herabkam, so ließ er sich jetzt über dem heiligen
Bischofe in Gestalt einer feurigen Kugel nieder, die
sich in mehrere kleinere Flammen zerteilend ihn von
allen Seiten in Feuer hüllte, ohne im geringsten seine
Kleider zu beschädigen, und sein Antlitz gleichwie ein
Gestirn erglänzen ließ, während sein Herz von der
heftigsten Liebesglut verzehrt wurde
(Nach Gard, Francois Favre u. A. -
Geist des heiligen Franz von Sales. IV, 31 u. 33. –
Ebendas. V, 24. – Dom Jean de Saint -Francois, p. 496.).
Die Erscheinung war gerade verschwunden, als sein Bruder
Ludwig nach seiner Gewohnheit eintrat, um vor dem
Abendessen einige Augenblicke in traulichem Gespräche
mit ihm zu verbringen. Als er sein wie Feuer glühendes
Antlitz sah, erschrak er, weil er glaubte, dass er krank
sei, und wollte die Bedienten rufen. „Nicht doch, mein
Bruder, sprach der Bischof, rufe niemanden; ich bin
nicht krank; ich werde Dir sagen was es ist, unter der
Bedingung, dass Du mir versprichst, es keinem Menschen
weiter zu sagen; denn es ist das Geheimnis des Herrn."
Darauf erzählte er ihm noch an allen Gliedern zitternd
das Geschehene und setzte, als sein Bruder sich entfernt
hatte, seine Betrachtung fort; er erschien nicht bei der
Abendtafel, da er es vorzog, sein Herz ungestört und mit
Muse die Süßigkeiten der göttlichen Liebe kosten zu
lassen. Zum Andenken an jene himmlische Gunstbezeigung
wurde dies Zimmer noch lange nach seinem Tode als ein
heiliger Ort verehrt, und er selbst schrieb in ein Buch,
das er stets bei sich trug: „Die vigesima quinta Martis,
hodie servum suum Franziscum misericorditer visitare
dignatus est Dominus.“
(Heute den 25. März hat
sich der Herr in seiner Barmherzigkeit gewürdigt, seinen
Diener Franziskus heimzusuchen.)
In der Seele Ludwig's von Sales herrschte von diesem
Tage an ein ganz besonderes Gefühl der Verehrung für
seinen heiligen Bruder; er betrachtete ihn nur mehr mit
heiliger Ehrerbietung wie Einen, in dem der Geist Gottes
wohnt. Oft bat er ihn, ihm zu zeigen, was er über die
Liebe Gottes geschrieben, und er las es dann nur auf den
Knien, nachdem er sich durch Gebet und oft sogar durch
Empfang der heiligen Kommunion darauf vorbereitet hatte.
Doch wünschte Franz seine
Arbeit so bald als möglich zu beendigen. „Ich tue an dem
Buche, was ich nur kann, schrieb er an Frau von Chantal
(Brief 324.);
es ist mir eine große Qual, dass ich nicht immer die
dazu nötige Zeit habe." Das Geschriebene teilte er immer
einigen durch ihr Verdienst hervorragenden Geistlichen,
besonders aber seinem Bruder Ludwig mit, und beschwor
sie, ihm frei ihre Meinung darüber zu sagen, daran zu
ändern, zu streichen oder hinzuzusetzen, ganz wie sie es
für gut befänden. Zuweilen auch las er denen, die ihn
besuchten, einige Kapitel zur Erbauung vor; und ein
Herr, der an tiefer Melancholie litt, erzählte später,
dass er durch zwei oder drei Kapitel, die ihm der
Bischof aus seinem Manuskripte vorgelesen, gänzlich
davon geheilt worden sei. Besonders aber lag Franz
daran, sein Buch Männern der Wissenschaft zur Prüfung
vorzulegen. „Legen Sie, schrieb er an seinen
Geheimsekretär Michael Favre, der sich damals in Lyon
befand (Annee de la visitation, 20. Mai.), meine Hefte
dem hochwürdigsten Herrn von Marquemont zu Füßen, wenn
er Zeit und Muse hat, sich mit ihrer Lektüre zu
beschäftigen; sonst übergeben Sie dieselben Herrn
Deville, der Doktor der Theologie und zur Approbation
der Bücher bestellt ist; ebenso bitte ich, sie auch noch
dem Generalvikar Herrn Lafarge und anderen Doktoren
vorzulegen. Denn ich weiß, dass sie voller Mängel sind,
und zudem habe ich nur wenig Zeit, sie nochmals
durchzusehen. Ich bitte und wünsche, dass sie recht mit
Muse gelesen und nachsichtig von den Gelehrten beurteilt
werden."
In den ersten Monaten des
Jahres 1616 war das Manuskript endlich so weit fertig,
dass es der Presse übergeben werden konnte, und Ende
Juli war der Druck, wenn auch nicht ganz so, wie der
Verfasser es wünschte, vollendet; „denn, sagte er in
seiner demütigen Einfalt, der Verleger hat mehrere
Fehler sich einschleichen lassen und ich manche
Unvollkommenheiten; wenn es etwas Vollkommenes in dieser
Welt gibt, so darf man es nicht in meinem Laden suchen."
Trotzdem machte das Buch überall ungeheures Aufsehen.
Der Karthäuser-General, der einst dem Verfasser nach
Lesung seiner „Philothea" geraten, nichts mehr zu
schreiben, um nicht von der erstiegenen Höhe
herabzufallen, bat ihn nun, er möge doch ja in seiner
literarischen Tätigkeit fortfahren. Die Jesuiten und die
Sorbonne erklärten, dass der Verfasser sich durch dieses
Werkchen einem Augustinus und Hieronymus, einem
Ambrosius und Gregor ebenbürtig gezeigt habe. Der König
Jakob von England, der, trotzdem dass er Protestant war,
der „Philothea" ein solches Lob gespendet hatte, rühmte
das neue Buch noch weit mehr. In seiner Bewunderung für
dasselbe sagte er den anglikanischen Bischöfen gerade
heraus, er glaube nicht, dass sie im Stande seien, etwas
Ähnliches zu schreiben und die Sprache des Himmels auf
der Erde zu reden, wie der Bischof von Genf. „Ach,
sprach er, wie sehr wünschte ich mal den Verfasser
dieses englischen Buches persönlich zu sehen; er muss
ein großer Mann sein!" Das wurde dem heiligen Bischofe
wiedererzählt; und weit entfernt, darin eine
Befriedigung seiner Eitelkeit zu finden, rief er, dessen
Herz ganz und gar von Liebe zu Gott erfüllt war, voll
apostolischen Eifers aus: ,,Ach, wer gibt mir Flügel
gleich der Taube, damit ich hinüberfliege zu diesem
Könige auf jener schönen Insel, einst das Land der
Heiligen, nun das Reich des Irrtums. Ja, wenn mein Fürst
es mir gestattet, so werde ich hingehen nach diesem
neuen Ninive, ich werde zu diesem Könige reden und ihm
mit Gefahr meines Lebens die Wahrheit predigen
(de Maupas., p. 332.)."
Es war dies übrigens kein vorübergehender Wunsch in ihm;
denn nie erinnerte er sich der großen Namen eines
Anselmus, Thomas, Eduard und anderer Heiligen, welche
England hervorgebracht hat, ohne einen schmerzlichen
Seufzer für seine Bekehrung auszustoßen.
Doch erfuhr das Buch auch
eine ungünstige Beurteilung und zwar von zwei Seiten.
Erstens warf man ihm vor, dass es zu theologisch und
metaphysisch gehalten sei, um von gewöhnlichen Lesern
verstanden werden zu können. Damit stimmte übrigens der
Verfasser selbst in der Vorrede überein. „Hätte ich bloß
für Personen geschrieben, sagt er, welche nur an der
Übung der heiligen Liebe Freude finden, so hätte ich die
vier ersten Bücher, sowie noch einige Kapitel der
folgenden weglassen können." Sodann tadelte man gewisse
von dem Verfasser ziemlich frei gebrauchte Gleichnisse
und Ausdrücke, besonders im neunten und zehnten Kapitel
des ersten Buches (Geist
des heil. Franz von Sales, III, 14.).
Seine englische Seele sah von einem zu hohen Standpunkte
auf die profane Liebe herab, als dass er den
unangenehmen Eindruck auch nur hätte ahnen können, den
manche Vergleiche, die er ihr entlehnte, um die
übernatürliche Liebe Gottes anschaulich und verständlich
zu machen, auf mehr irdisch gesinnte Seelen
hervorzubringen im Stande waren.
Trotz dieser
Aussetzungen, die heute noch eher an der Stelle sind als
damals, bleibt die Abhandlung über die Liebe Gottes
immerhin ein Meisterwerk. Der Verfasser beginnt mit
einer Einleitung, in welcher er zeigt, dass alle unsere
Kräfte und Leidenschaften dem Willen unterworfen sind,
dass die Liebe Gottes sich in einer Seele nur unter der
Bedingung findet, dass sie über jede andere Liebe
herrsche, da sie entweder Alles oder Nichts sein will,
da sie nicht leben kann, wenn sie nicht herrscht, ja
nicht mal herrschen, wenn nicht ausschließlich, und
dass, weil Gott die unendliche Güte und Liebe ist, das
menschliche Herz von Natur geneigt ist, ihn über Alles
zu lieben, ohne dies jedoch ohne die Hilfe der Gnade zu
vermögen.
Diese Betrachtungen
bilden den Inhalt des ganzen ersten Buches. Gleichsam
als der Geschichtsschreiber der göttlichen Liebe zeigt
sodann der Verfasser ihre Entstehung, ihr Fortschreiten
und ihre Abnahme. Erzeuger dieser Liebe sind die
unendlichen Vollkommenheiten Gottes an und für sich
betrachtet, die Wohltaten, welche seine freigebige Hand
spendet, von denen die vorzüglichste die Schöpfung, die
Erhaltung und Erlösung sind; ferner die Eingebungen der
Gnade, die uns antreiben, ihn zu lieben, uns gleichwohl
die Freiheit lassend, es nicht zu tun; der Glaube, die
Hoffnung, die Erinnerung an unsere Fehler und die
sanften Lockungen Jesu Christi. Die so im Herzen
erwachte Liebe ist bis zum letzten Atemzuge fähig, durch
alle guten Werke, selbst die geringfügigsten, durch das
Wirken des in der liebenden Seele stets gegenwärtigen
Gottes zu wachsen und zuzunehmen. Hier bespricht er
sodann die Vortrefflichkeit der Gnade der
Beharrlichkeit, das Glück in der Liebe zu sterben, und
letzterer bis in den Himmel folgend, zeigt er, dass sie
die Seligkeit der Heiligen ausmacht, durch die klare
Anschauung Gottes, dessen Wesen Liebe ist. --- Leider
jedoch hält in diesem Leben die Liebe nicht immer den
eben beschriebenen Weg ein; der Mensch verlässt zuweilen
Gott, um sich den Geschöpfen hinzugeben; das Sinnliche
verführt und reißt ihn mit sich fort und während Alles
ihn zu Gott hinführen sollte, dient zuweilen Alles dazu,
ihn von Gott abzuwenden.
Dies bildet den Inhalt
der vier ersten Bücher. In den fünf folgenden werden die
Übungen beschrieben, in denen diese Liebe zu Gott sich
offenbart. Die erste derselben ist das Wohlgefallen und
das Mitleid, indem einerseits die Seele sich freut, den
Gott, welchen sie liebt, so schön, so vollkommen, so
liebenswürdig zu sehen, und indem sie anderseits ein
herzliches Mitgefühl für den leidenden und sterbenden
Jesus hat und sich über die Schmach betrübt, welche die
Sünde Gott zufügt. Die zweite ist das Wohlwollen,
welches wünscht, dass jede Kreatur Gort erkenne, ihn
liebe und ihm diene, welches nach dem Himmel seufzt, um
ihn ohne Unterlass zu lieben und ihn stets von Allen
geliebt zu sehen, welches mit Entzücken in das Lob
einstimmt, das Gott sich selbst bereitet. --- Als dritte
Übung der Liebe nennt der Verfasser das Gebet, dessen
verschiedene Stufen er durchgeht, die Betrachtung, die
Beschaulichkeit oder die Ruhe in Gott, die Verzückung,
sowie die Leiden der Liebe. Die letzte Übung ist die
Vereinigung unseres Willens mit dem göttlichen durch
Gehorsam gegen seine Gebote, seine Ermahnungen und
Eingebungen und durch eine gänzliche Zufriedenheit mit
Allem und Jedem, was er von uns verlangt oder uns
auferlegt. Dieser Abschnitt, welcher das achte und
neunte Buch umfasst, ist das Schönste des ganzen
Werkchens. Hier zeigt sich die Liebe auf ihrem
Höhepunkte, indem sie nur das will, was Gott, der
Geliebte, will und indem sie nichts Anderes will,
zufrieden damit, sich zum Opfer zu bringen, auf dass
Gott Alles in ihr sei. In den drei letzten Büchern
handelt der Verfasser von dem Gebote der Gottesliebe,
zeigt die Erhabenheit, die Wirkungen und den Charakter
derselben und gibt Mittel an, um Fortschritte in
derselben zu machen.
Diese Arbeit war die
Frucht der vielen während vierundzwanzig Jahren
gehaltenen Predigten, wie der Verfasser selbst sagt, und
solch tiefen Studiums, dass ein kleiner Abschnitt von
vierzehn Zeilen die Lektüre von mehr als zwölfhundert
Folio-Seiten (1 Folio-Blatt = Vorder- und Rückseite)
erfordert hatte (Geist des
heil. Franz von Sales, III, 15.).
Er behandelt die schwierigsten und dunkelsten Fragen der
Theologie, die wirksame Gnade, die Prädestination, den
Anfang des Glaubens, Fragen, die gleich Dornen die
behutsamste Behandlung erfordern; aber diese Dornen
verwandelt er in Blumen durch seine kurzen und klaren,
in die anmutigste Form der Sprache gehüllten
Erläuterungen. Durch seine heitere und liebenswürdige
Laune, die aus jeder Zeile hervorleuchtet, benimmt er
den scholastischen Fragen ihre Trockenheit; seine
blühende Einbildungskraft umkleidet Alles, was er sagt,
mit freundlicher Anmut und selbst das, was sich der
sinnlichen Anschauung am meisten entzieht, das rein
Geistige, erhält durch seine so treffenden Vergleiche
und Beispiele, die meistens der heiligen Schrift
entlehnt sind, Gestalt und Leben. Allein trotz der
vielen Bilder und der blühenden Sprache herrscht in dem
Buche eine große Einfachheit; der fruchtbare Geist und
die Einbildungskraft des Verfassers verirren sich nie
ins Unnatürliche, die Ausschmückungen fliessen ganz von
selbst aus seiner Feder; es ist jene natürliche
Beredsamkeit, jene liebenswürdige Einfalt eines Herzens,
welches nur so redet, wie es denkt und empfindet, ohne
es zu wollen, sich selbst schildert, welches selbst in
den gewöhnlichsten Gegenständen unbekannte, aber so
natürliche Schönheiten findet, dass man sich wundert,
wie man sie nicht schon längst selbst bemerkt habe.
Um diese Zeit erging eine
herzliche Einladung von der Stadt Grenoble an ihn, die
Adventspredigten im Winter 1616 sowie die
Fastenpredigten im nächsten Jahre zu halten. Da der
Herzog nichts dagegen einzuwenden hatte, so sagte er zu
und reiste vor Beginn des Adventes ab. Diese ganze Zeit
über führte er in Grenoble ein wahrhaft apostolisches
Leben, er scheute keine Mühe und Anstrengung, um die
Stadt geistig umzuwandeln, predigte jeden Tag, hörte
jeden, der sich an ihn wandte, Beichte, und gewährte
Allen, die ihn nur darum ersuchen ließen, eine
Privatunterredung, in der sie sich weitläufig mit ihm
über Gewissensfragen besprechen konnten. Gegenstand
aller seiner Predigten bildeten die Worte des Engels an
Maria:
Gegrüssest seist Du u. s. w." Dieser Gruß bot ihm
Stoff für die ganze Adventszeit und der Erfolg seiner
Predigten war ein außerordentlicher. Der Marschall von
Lesdiguieres, damals Oberbefehlshaber im Dauphine,
konnte, obgleich Kalvinist, der Neugierde, einen so
berühmten Redner zu sehen und zu hören, nicht
widerstehen. Er ging darum in eine seiner Predigten und
war von der Zeit an einer seiner eifrigsten Zuhörer. Von
der Gnade gerührt begehrte er bald eine
Privatunterredung mit Franz. Letzterer befand sich bei
dieser Gelegenheit in einer misslichen Lage, da es sich
mehr darum handelte, den Marschall zur Tugend zurück zu
bringen, als ihn durch Vernunftgründe für die Wahrheit
zu gewinnen, denn er hatte einen unerlaubten Umgang mit
einer verheirateten Frau, die ihrem Manne entführt
worden war. Aber der Bischof benahm sich mit so viel
Takt und Klugheit, mit so großer Schonung und Kühnheit
zugleich, dass er ihm, ohne zu verletzen, Alles sagen
konnte, was gesagt werden musste. Die Unterredung
dauerte vier Stunden und er bat am Ende derselben den
Marschall um Verzeihung, wenn ihm gegen seinen Willen
etwa ein Wort entfallen sei, das ihm habe unangenehm
sein können. „Nein, hochwürdigster Herr, erwiderte
dieser, Sie haben nichts gesagt, das nicht gut und recht
gewesen sei; ich werde darüber nachdenken und Alles
reiflich erwägen, wie es eine so wichtige Sache
verlangt." Von der Zeit an blieb er mit dem Bischofe in
enger Beziehung, lud ihn oft zu Tische, besuchte ihn
häufig, und sprach bei jeder Gelegenheit nur mit der
größten Achtung von ihm als von einem Manne, der es
verdiene, von Allen geliebt und bewundert zu werden
(Charl.-Aug.,
p. 494. – Geist des hl. Franz v. Sales, III, 45.).
Dies
Verhalten des Marschalls beunruhigte die
protestantischen Prediger um so mehr, weil auch viele
Andere von ihrer Partei den Predigten des Bischofs von
Genf beiwohnten und voll Verehrung für ihn und seine
Lehre daraus zurückkehrten. Sie beschlossen darum, ihm
über eine ihrer Sache so nachteilige Handlungsweise
Vorstellungen zu machen. Als der Marschall das erfuhr,
ließ er ihnen sagen, wenn sie als Freunde kämen, um ihn
zu besuchen, oder wenn sie über irgend eine andere
Angelegenheit mit ihm zu sprechen wünschten, so würde er
sie gerne empfangen; sollten sie sich aber erkühnen
wollen, ihm Vorstellungen zu machen, so könnten sie
versichert sein, dass sie, wenn sie durch die Türe
hereingekommen wären, durchs Fenster wieder hinausgehen
würden. Da sie also persönlich nicht mit ihm sprechen
konnten, so baten sie einen der angesehensten Edelleute
der Provinz, es an ihrer Stelle zu tun. „Sagen Sie
diesen Herren, gab der Marschall zur Antwort, dass ich
alt genug bin, um zu wissen, was ich zu tun habe. Sie
sind zu unbedeutend und zu jung, um einem Manne von
meinem Alter und meiner Stellung Lebensart beibringen zu
wollen. Ich weiß sehr wohl, wie man einen Bischof zu
behandeln hat; er ist etwas ganz Anderes, als unsere
Prediger, die höchstens im Range von Pfarrern stehen, da
sie die bischöfliche Würde, wiewohl sie in der heiligen
Schrift ganz begründet ist, verworfen haben; und ich
glaube, sie bereuen es nicht. Wenn ich einmal sehe, dass
regierende Fürsten, Söhne und Brüder von Königen
Prediger werden, wie es deren gibt, die es für eine Ehre
halten, Bischof, Erzbischof oder Kardinal zu sein, dann
werde ich sehen, welche Ehre ich diesen Predigern zu
erweisen habe." Leider wurden seine Beziehungen zum
Bischofe zu früh unterbrochen, da ihn seine
Soldatenpflicht bald hinweg rief; es würde sonst
letzterem jetzt schon gelungen sein, ihn in den Schoss
der Kirche zurückzuführen.
Noch
herrlichere Früchte, als seine Adventspredigten,
brachten seine Fastenpredigten im nächsten Frühjahre
hervor. Viele schlechte Katholiken kehrten zur Tugend,
viele Protestanten zum wahren Glauben zurück; von
letzteren verdient namentlich der Prediger Barbier,
einer der hervorragendsten von Allen, erwähnt zu werden,
der nach seiner Bekehrung Mehreres gegen die Lehre
Kalvin's schrieb. Die Gelehrtesten selbst konnten dem
berühmten Bischofe ihre Bewunderung nicht versagen.
„Welch ein Mann! rief einer vor allem Volke aus, mit
welcher Klarheit behandelt er die schwierigsten
theologischen Fragen, und wie verständlich macht er sie
auch den gewöhnlichsten Leuten!" --„Kein Wunder,
bemerkte ein Anderer, dass er so viele segensreiche
Erfolge erzielt; denn mit seiner Lehre verbindet er die
Heiligkeit seines Lebens, er hat nicht nur das vollste
Verständnis dessen, was er predigt, er befolgt es noch
besser in seinen Werken
(Charl.-Aug., p.
493.)."
Der Heilige
predigte jeden Tag und kaum fand er so viel Zeit, um
sich vorzubereiten, da man von allen Seiten zu ihm kam,
um sich Rats zu erholen; und zu jeder Stunde des Tages,
mochte er auch noch so beschäftigt sein, empfing er
jeden mit der größten Freundlichkeit, als habe er nichts
Anderes zu tun, als gerade ihn anzuhören, und nie ließ
er durchblicken, dass ihm Einer ungelegen kam. Außerdem
hörte er Alle, die sich nur bei ihm meldeten, Beichte,
erwiderte Besuche, die ihm nützlich schienen und widmete
noch einen Teil seiner Zeit den Klöstern, in denen er
die religiöse Vollkommenheit predigte.
Die
protestantischen Prediger, Zeuge einer so erfolgreichen
Tätigkeit, waren außer sich, und einer glaubte die
Seinigen von der Anhörung der Predigten des Bischofs
abzuhalten, wenn er die seinigen zur selben Stunde
hielte; allein das Ende davon war, dass er keine Zuhörer
hatte. Wütend verlangte er da eine öffentliche
Disputation mit dem Bischofe, der ganz entzückt darüber
war. Einer seiner Freunde bemerkte ihm, dass dieser
Prediger eine unglaubliche Unverschämtheit besitze und
die bischöfliche Würde Gefahr laufe, Beschimpfungen zu
erleiden. „Um so besser, erwiderte Franz; das ist gerade
unsere Sache." -- „Aber er wird Sie auf eine unwürdige
Weise behandeln." „Noch besser! das wünsche ich gerade!
O, welch eine Ehre wird Gott aus meiner Beschämung
erwachsen!" -- „Aber esgeziemt sich doch nicht, Ihre
Würde der Beschimpfung preis zugeben." -- „Jesus
Christus hat deren ganz andere erduldet! Ich hoffe, dass
Gott mir die Gnade verleihen wird, viel mehr
Beleidigungen zu ertragen, als er mir nur immer zu sagen
im Stande sein wird, und wenn wir so recht Demütigungen
erfahren, so wird Gott dadurch herrlich erhöht werden
(Annee de la
visitation, 17. fevrier.).
Sie werden sehen, dass dann Bekehrungen haufenweise
stattfinden; es ist Gott eigen, sich Ehre und Lob aus
unserer Schande zu bereiten." Leider kam die Disputation
nicht zu Stande; sie wurde verhindert durch die
Protestanten selbst, da sie vor der Überlegenheit des
katholischen Kämpfers eine gewaltige Furcht hatten
(Geist des
heil. Franz von Sales, I, 27.).
Nachdem
Franz so an der Heiligung Anderer gearbeitet hatte,
dachte er auch an sich, und nach Beendigung der
Fastenpredigten begab er sich in das Kloster der Minimi,
vom heiligen Franz von Paula gestiftet, um dem Mantel
dieses Heiligen, der daselbst als Reliquie aufbewahrt
wurde, seine Verehrung zu erweisen. Während er im Gebete
dort verweilte, drängte sich die Menge, begierig den
Mantel in der Nähe zu sehen, so nahe als möglich heran.
Franz wurde von allen Seiten und nicht eben auf die
sanfteste Weise gedrängt und gestoßen; allein seine
Geduld, seine Ruhe und Vereinigung mit Gott war der Art,
dass ihm kein Wort, keine Bewegung, kein Zeichen
entfuhr, um das ungestüme Volk zurück zu halten;
unbeweglich wie eine Bildsäule verharrte er in seiner
betenden Stellung und nachdem er seine Andacht beendet,
empfing er vom Oberen den Ordensgürtel und die
Affiliations-Urkunde (Sohnwerdung), d. h. dass er nun
zum Ordens-Verbande gehöre und an allen Verdiensten
desselben Teil habe. Als er die Kirche verließ, wollten
ihn die Patres um Entschuldigung wegen der vorgefallenen
Störung bitten. „Nicht doch, versetzte er, soll denn
nicht jeder seine Andacht verrichten? Ich kann Euch
versichern, dass ich nur wenig auf das, was um mich her
vorging, Acht gegeben habe; ich dachte nur an den
heiligen Franz von Paula, der mich geistigerweise in
seinen Verein aufnahm und mich durch äußere und innere
Bande verpflichtete, alle Minimi als meine Brüder zu
betrachten (Annee
de la visitation, 1. avril.. – Charl.-Aug., p. 496. )."
In der Tat nannte er sich von da an, so oft er einem von
diesen Ordensgeistlichen begegnete, seinen Bruder, der
in Wahrheit in jeder Hinsicht der Geringste und der
Kleinste sei.
Ohne
Aufenthalt eilte er nun nach Annecy zurück, und als er
daselbst gefragt wurde, warum er so schnell, ohne sich
einen Augenblick Ruhe zu gönnen, eine Stadt wieder
verlassen habe, in der ihm solche Ehre und Hochschätzung
zuteil geworden, gab er zur Antwort: „Diese großen
Städte und jene Ehrenbezeigungen sind nicht mein
Element; ich komme mir in ihnen wie eine Bildsäule
außerhalb ihrer Nische vor, wie ein im Wege stehendes
Hindernis." In der Tat liebte er sein kleines Annecy und
sein Zimmer mehr, als alle großen Städte und alle
Paläste der Könige
(Charl.-Aug., p. 496.
).
Hier, in dieser teuren Einsamkeit betete er ohne
Unterlass für den Frieden unter den Staaten, für die
Eintracht unter den christlichen Fürsten und das Wohl
der ganzen Kirche. Hier hatte er in vollkommener
Vereinigung mit Gott einen Vorgeschmack der Freuden des
Paradieses und belebte stets auf's neue seinen Eifer
durch den Hinblick auf das Beispiel so vieler heiligen
Genossenschaften, in deren Verband er stand; in Annecy
endlich und in seiner Umgebung lagen jene drei Kirchen,
die seinem Herzen so teuer waren, die des heiligen
Dominikus, von der Heimsuchung und jene von Thorens. Wir
ersehen dies aus einem seiner Gespräche voll der
bezauberndsten Einfalt, das er mit dem Dominikaner Pater
Blanc hatte. Eines Tages hatte er in der Kirche des
heiligen Dominikus über den Glauben gepredigt und jener
Pater konnte sich nicht enthalten, ihm beim Fortgehen zu
bemerken, dass er auf eine solche Weise nie über den
Glauben habe sprechen hören. --„Nun, mein Freund,
versetzte der Bischof, ich habe mich erinnert, dass ich
in Ihrer Kirche gefirmt wurde, jene Stärkung und
Befestigung im Glauben erhielt, und das hat mich in
Begeisterung versetzt." – „Ach, hochwürdigster Herr,
sprach der Pater, Sie beweisen unserer Kirche stets so
großes Wohlwollen!" -- „Dafür sind Sie mir keinen Dank
schuldig, Pater Blanc, erwiderte der Bischof; ich tue
nur meine Pflicht und folge einfach meiner Neigung, wenn
ich Ihre Kirche begünstige; ich liebe in Wahrheit alle
Kirchen meiner Diözese, aber drei liebe ich doch vor
allen; die von Thorens, in der ich getauft und später
zum Bischofe geweiht wurde, die Ihrige, in welcher ich
gefirmt wurde, und die von der Heimsuchung, in der man
mich begraben wird." --- „Wie, hochwürdigster Herr, rief
da der Pater sich ihm zu Füssen werfend, aus, Sie
wollten uns Ihres Leichnams berauben und unserer Kirche
ein solches Unrecht zufügen, die seit so vielen Jahren
die Gräber Ihrer Vorfahren, unserer Wohltäter, in sich
birgt?" --- „Ich habe Ihnen da wirklich zu viel gesagt,
sprach Franz lächelnd; nichtsdestoweniger wünsche ich,
dass jedermann es wisse, dass ich weder im Leben noch im
Tode dieser Welt angehöre, noch ihr angehören will; es
ist ganz in der Ordnung, wenn nach meinem Tode mein
armseliger Leichnam in einem Winkel jener armen, kleinen
Kirche von der Heimsuchung verborgen ruht; ich habe sie
geweiht, und unsre Schwestern werden Sorge tragen, für
mich zu Gott zu beten
(Memoires de la mere
de Chaugy. - Annee de la visitation, 4. aout.)."
Die Ruhe,
welche der Heilige in seinem geliebten Annecy genoss,
sollte aber bald wieder auf's grausamste gestört werden:
sein Bruder, der Baron von Thorens, einer der
tüchtigsten und edelsten Offiziere im Heere des Herzogs
von Savoyen, wurde plötzlich von einem pestartigen
Fieber befallen, das ihn in wenigen Tagen dahinraffte
(Charl.-Aug.,
p. 497.).
Der erste Schmerz des Bischofs war unbeschreiblich, als
er diese Trauerbotschaft erhielt, und reichlich flossen
seine Tränen. Dann aber vereinigte er sich, Augen und
Hände zum Himmel erhebend, mit dem Willen der Vorsehung,
indem er betete: „Ja, ewiger Vater, ich will es so von
ganzem Herzen, weil es wohlgefällig vor dir war
(Matth. XI, 26).
Ohne Murren und ohne Klage unterwerfe ich mich, weil du
dies getan hast. Der Name des Herrn sei gebenedeit
(Ps. 71.).
Unbegreiflich sind seine Ratschlüsse und unerforschlich
seine Wege 3)." Wie heroisch seine Ergebung war, geht
aus mehreren Briefen hervor, die er auf Anlass dieses
Todesfalles an eine seiner Schwestern und eine andere
Verwandte schrieb. „Ich habe viel geweint, sagt er
(Brief 380.);
denn innig liebte ich diesen Bruder und ohne dass ich es
verhindern konnte, empfand ich aufs lebhafteste jenen
Schmerz, der unserer Natur so eigen ist; nun aber, da
ich weiß, wie fromm er gestorben ist, in den Armen jener
guten Barnabiten, nun bin ich ganz getröstet und ich
denke oft bei mir selbst: Gott sei in Ewigkeit
gepriesen, dass er ihn aufgenommen hat in die Schar
seiner Auserwählten und einem Berufe entzogen, der mit
so vielen Gefahren für die Seele verbunden ist. Alles,
was Gott tut, ist wohlgetan. . . Es kommt mir wie ein
Traum vor, schrieb er ferner
(Brief 382.),
wenn ich denke, dass dieser gute Bruder gestorben ist,
kaum nachdem er in Turin angekommen war. Inmitten meiner
schmerzlichen Betrübnis rufe ich aus: Da Gott es gewollt
hat, so muss es so am besten sein. Sein Name sei
gebenedeit und seine Ratschlüsse angebetet in Ewigkeit."
Er hielt es
für seine Pflicht, diese Todesnachricht selbst der Frau
von Chantal und ihrer Tochter, der Baronin von Thorens,
zu überbringen und der Gedanke an ihren Schmerz war für
ihn ein Gegenstand frischen Kummers. Damit ihm nicht
irgend eine unvorsichtige Zunge zuvorkomme, machte er
sich auf der Stelle auf den Weg zu ihnen. Er begann
damit, dass er die junge Baronin an den frommen Vorsatz
erinnerte, den sie und ihr Gemahl gefasst hatten, bei
dem Tode des Einen von ihnen Beiden in einen Orden zu
treten, und schluchzend fügte er dann hinzu: „Was bei
der Abreise Ihres Gemahls nur ein einfaches Vorhaben
war, ist nun zum festen Entschlusse geworden. Er hat
gefunden, wonach sein Herz sich sehnte, es liegt jetzt
nur mehr an Ihnen, Ihren Vorsatz auszuführen." --- „O,
mein Vater, mein Vater, rief bei diesen Worten die
Baronin aus, ich verstehe sie! mein Gatte ist tot." und
ohnmächtig fiel sie nieder. Ihr erstes Wort, als sie
wieder zu sich gekommen, war: „O mein Gott, von nun also
gehöre ich dir allein an!“ Frau von Chantal war
unterdessen herbeigeeilt. „O Mutter, rief ihr die junge
Baronin entgegen, der hochwürdigste Herr sagt mir so
eben, dass Herr von Thorens tot ist." Das erschütterte
die Mutter so gewaltig, dass auch sie in Ohnmacht fiel.
Denke man sich die Seelenangst des Bischofs in Gegenwart
dieser teuren Personen, deren Schmerz der Art war, dass
er sie des Bewusstseins beraubte! Als sie endlich etwas
gefasster geworden, sprach er ihnen von der Ergebung
eines Christen mit solcher Kraft und Salbung, dass es
ihm gelang, ihre Tränen für kurze Zeit zu stillen; aber
die Natur gewann bald wieder die Oberhand, namentlich
bei der jungen Baronin. Sie betrachtete sich fortan nur
mehr als die trauernde Witwe, von welcher der heilige
Paulus redet, deren einzige Beschäftigung es ist, zu
seufzen, zu weinen und zu beten. Ihre frühere
Heiterkeit, ihre muntere Gesprächigkeit wich einem
düsteren Schweigen, und tödliche Blässe bedeckte ihr
Gesicht. Dem Bischofe blutete das Herz, wenn er sie so
sah, und doch sollte es noch schlimmer kommen. Welche
Anstrengungen die Baronin auch machte, um ihren Schmerz
zu bezwingen, sie musste endlich unterliegen. Fünf
Monate später machte sie eine Frühgeburt, die eine lange
Ohnmacht zur Folge hatte. Das Kind wurde auf der Stelle
getauft und starb schon nach einer Stunde. Wieder zu
sich gekommen, verlangte sie nach dem Kleinen und leider
konnte man ihr nur einen Leichnam bringen; sie nahm ihn
in ihre Arme, bedeckte ihn mit Küssen und Tränen und
verfiel in heftige Krämpfe; die Schmerzen erreichten
bald den äußersten Grad von Heftigkeit und die Ärzte
wussten keinen Rat mehr. Man schickte nach dem Bischofe,
der auf der Stelle nach dem Zimmer der Sterbenden eilte.
Sie bemerkte ihn sogleich. „Mein Vater, rief sie ihm mit
schwacher Stimme entgegen, wir müssen sterben!" – „Ich
weiß es, meine Tochter, aber wollen Sie von mir
sprechen?" -- „Nein, sicher nicht, Sie müssen leben für
Gottes Ehre und die Heiligung der Seelen; aber ich
sterbe. Ich habe Gott das Opfer meines Lebens gebracht,
und ich verlange nichts mehr, als in seiner heiligen
Liebe zu sterben." Erpresste ihr der heftige Schmerz von
Zeit zu Zeit den Seufzer: „O welche Qual, mein Gott!" so
setzte ihr Glaube alsbald verbessernd und ermutigend
hinzu: „Doch, was ist alles dieses im Vergleiche mit den
Schmerzen Jesu am Kreuze." -- „Würden Sie nicht gerne,
fragte da einmal der Bischof, in diesen Schmerzen bis
zum Ende der Welt bleiben, wenn es so der Wille Gottes
wäre?“ – „O ja, antwortete die sterbende Christin, in
diesen und in allen Schmerzen, die er mir nach seinem
Wohlgefallen nur senden mag. Gehöre ich ihm denn nicht
ganz und ohne Vorbehalt an?" Der Bischof schlug ihr vor,
die heiligen Sakramente zu empfangen; freudig stimmte
sie zu und ihre Andacht dabei war die eines Engels.
Sodann machte sie bei vollem und klarem Bewusstsein ihr
Testament, in welchem sie den Bischof von Genf zum
Universalerben sämtlicher Güter des Barons von Thorens
einsetzte; ihre Mitgift bestimmte sie zur Hälfte dem
Orden von der Heimsuchung, zur Hälfte ihrem Bruder und
ihrer Schwester. Nachdem sie so ihre zeitlichen
Angelegenheiten in Ordnung gebracht hatte, sprach sie
zum Bischofe: „Mein Vater, jetzt habe ich nur mehr einen
Wunsch, den, als Schwester von der Heimsuchung zu
sterben." Er willfahrte diesem Verlangen, und nahm sie
in Gegenwart der ganzen Genossenschaft, zuerst als
Novizin, dann als Profeßschwester in dieselbe auf. Nun
war sie zufrieden; sie hatte kein anderes Verlangen
mehr, als das nach dem Himmel, für die Erde lebte sie
nicht mehr. Bis zu ihrem letzten Augenblicke sprach sie
nur mehr von heiligen Dingen, waren fast alle ihre Worte
nur mehr ebenso viele Gebete, ihre Seufzer nur mehr
ebenso viele fromme Anmutungen. Endlich starb sie den
Tod der Heiligen mit den Namen „Jesus und Maria" auf
ihren Lippen
(Memoires de Darie par Camus.).
Franz musste
sich Gewalt antun, um der teuren Verstorbenen die letzte
Ehre erweisen zu können, und sobald das Begräbnis
vorüber war, ließ er sich Pferde bereit halten, um
unverzüglich abzureisen. Seine Leute glaubten im
Anfange, er wolle sich nach dem nur drei Stunden
entfernten Schlosse Sales begeben, um sich dort ein
wenig zu erholen; als sie aber erfuhren, dass er nach
Belley gehe, konnten sie ihm ihr Erstaunen nicht
verhehlen, dass er Frau von Chantal in ihrer Trauer
allein lasse. „Ach, sprach er, ihr beurteilt mein Herz
falsch, wenn ihr meint, ihre Niedergeschlagenheit sei
größer, als die meinige; ich kenne ihre Seelenstärke und
meine Schwäche. Wie sollte ich sie trösten können, da
ich des Trostes bedürftiger bin als sie? Wundert euch
darum nicht, dass ich ihn dort suchen will, wo ich ihn
zu finden hoffe."
In demselben
Jahre sollte er noch zwei andere schmerzliche Verluste
erleiden; zwei seiner besten Freunde wurden ihm
ebenfalls durch den Tod entrissen. Der eine war der
Direktor des Kollegiums von Annecy, Pater Simplicius,
ein Mann der Wissenschaft und Frömmigkeit, nicht nur von
seinen Schülern, sondern auch von der ganzen Stadt
hochverehrt und geliebt. Der andere war Herr von Coex,
der, um ihn von seinem Bruder, dem Prior von Talloires,
zu unterscheiden, den Zunamen von Sainte-Catherine
führte. Kanonikus an der Kathedrale, ein vollkommener
Priester, war er Franz noch mehr als ein Freund; er war
zugleich sein Beichtvater, durch seine Wissenschaft und
seinen frommen Eifer seine rechte Hand und der Bischof
schätzte und liebte ihn sehr. Als er von seiner
Erkrankung hörte, wurde er mit lebhafter Besorgnis
erfüllt und er betete inbrünstig für die Erhaltung
seines Lebens, das ihm in mehr denn einer Hinsicht so
kostbar war. Aber Gott offenbarte ihm, dass sein Tod
nahe bevorstehe
(Charl.-Aug., p.
509.),
und all seinen christlichen Heldenmut zusammennehmend,
um sich abermals demütig unter den Willen Gottes zu
beugen, war er nur darauf bedacht, seinen Freund auf das
Opfer seines Lebens vorzubereiten. In dieser Absicht
eilte er zu ihm. Er fand den Bruder des Kranken, den
Prior von Talloires, ganz in Tränen aufgelöst. „Ich habe
viel für die Gesundheit unseres teuren Bruders gebetet,
sprach er zu ihm, aber Gott hat mir offenbart, dass er
ihn von dieser Welt hinwegnehmen will, Er ist der Herr,
wir müssen uns unterwerfen; was Ihr Bruder hier leidet,
das wird ihm als Fegfeuer angerechnet werden." Nachdem
er eine Zeit lang bei dem Kranken verweilt hatte, begab
er sich wieder nach Hause, mit Hinterlassung des
Auftrags, ihn ja gleich zu rufen, wenn die Gefahr größer
werde. Der Prior von Talloires wich nicht von der Seite
seines Bruders, der ihm noch manches tröstliche und
liebevolle Wort sagte. „Mein Bruder, sprach er unter
anderem, trockne Deine Tränen und betrübe Dich nicht so
sehr über meinen Tod; ich habe Dich dem Bischofe
empfohlen und er hat mir versprochen, Dir ein Bruder zu
sein. Hüte Dich, ja etwas zu unternehmen, ohne ihn
vorher um Rat gefragt zu haben. Er ist ein großer
Heiliger, ein Johannes der Täufer an Unschuld und
Reinheit, ein Karl Borromäus an Demut. Es macht mich
glücklich, Dir das noch zu sagen im Augenblicke, wo ich
die Welt verlasse; ich durfte dies Geheimnis nicht mit
ins Grab nehmen
(Dom Jean de
Saint-Francois, p. 368.)."
Bald darauf wurde es schlimmer mit ihm und man schickte
gleich zu Franz, der gerade bei Tische sass. Auf der
Stelle erhob er sich und eilte zu dem Kranken zurück.
„Mut, mein Bruder, sprach er zu ihm, wir sterben, aber
wir sterben gut. Sagen Sie aus Grund Ihres Herzens: Es
lebe Jesus, den ich liebe, Jesus, auf den ich vertraue,
Jesus, auf dessen Verdienste und heiliges Leiden ich
meine ganze Hoffnung setze! Die Pforten der Ewigkeit
öffnen sich und Sie werden den Herrn unseren Gott im
Lande der Lebendigen schauen." Bei diesen Worten erhob
der Kranke seine Augen zum Himmel, und nachdem er
mehrere Male: „es lebe Jesus!" leise gerufen, verlor er
die Sprache und der Todeskampf begann. Der Bischof
kniete mit den Anwesenden nieder und betete die Litanei
der Sterbenden. Da der Todeskampf lange währte und dem
Sterbenden unsägliche Angst verursachte, hielt der
Bischof einen in das Blut des heiligen Karl Borromäus
getauchten Holzsplitter in ein Glas Wasser und ließ ihn
einige Tropfen davon trinken, nachdem er es vorher
gesegnet hatte. Im nämlichen Augenblicke wich die Angst,
die Heiterkeit kehrte auf das Antlitz des Sterbenden
zurück und gleich darauf entschlief er sanft im Herrn
(Nach Myncet.).
Franz machte noch einmal das Zeichen des heiligen
Kreuzes über ihn, drückte ihm die Augen zu und
erleichterte seinen Schmerz durch reichliche Tränen; so
lieben die Heiligen.
Vom
Sterbebette seines Freundes wurde der Bischof zu einem
Sterbenden ganz anderer Art gerufen. Es war ein
öffentlicher Sünder, der, als er nach einem Leben voller
Ausschweifungen den Augenblick so nahe sah, in dem er
vor seinem obersten Richter Rechenschaft ablegen musste,
sich in einem Zustande der wildesten Verzweiflung
befand. Alle Priester hatte er bis jetzt zurückgewiesen
und wollte von einer Beichte nichts wissen. Franz kam
und redete ihm so liebevoll und herzlich zu, bat ihn so
innig, doch zu bedenken, wie groß die göttliche
Barmherzigkeit sei, dass der Kranke sich unwillkürlich
sagen musste: „Wenn ein Mensch schon so gut sein kann,
wie gut muss dann erst Gott sein?" Und sein Herz öffnete
sich dem Vertrauen, er fasste wieder Mut; öffentlich bat
er um Verzeihung für alles Ärgernis, das er durch seine
viele Sünden gegeben, und nachdem er auf das reumütigste
gebeichtet und andächtig die letzten Sakramente
empfangen hatte, starb er im Frieden des Herrn.
Wiederum war
unterdessen die Fastenzeit herangekommen und der Bischof
rüstete sich zu einer abermaligen Reise nach Grenoble,
um dort zum zweiten Male die Fastenpredigten zu halten;
auch im letztverflossenen Advente hatte er der
dringenden Einladung der Stadt zu gleichem Zwecke Folge
geleistet, so dass er in zwei aufeinanderfolgenden
Jahren vier Mal daselbst predigte. Wie gewöhnlich war
auch diese Mission eine Zeit des reichsten geistlichen
Segens für jedermann, und es wurde dem Bischofe die
Freude zuteil, den früher erwähnten Marschall de
Lesdiguieres sich noch mehr in der Überzeugung von der
Wahrheit der katholischen Religion befestigen zu sehen,
bis er dann später feierlich in den Schoss der Kirche
zurückkehrte.

Sechstes
Kapitel.
Reise des
heiligen Franz nach Paris. –
Seine Wirksamkeit daselbst.
(1618 und
1619.)
Schon
mehrere Male hatte man Franz gebeten, er möge doch
gestatten, dass man ihn abmale, allein seine Demut hatte
sich nie dazu entschließen können. Doch fand endlich ein
mehr schlauer Künstler ein Mittel, seinen Widerstand zu
besiegen. „Hochwürdigster Herr, sprach er zu ihm, Sie
sind schuld daran, dass Gott oft beleidigt wird." --
„Wie so?" fragte der Heilige erstaunt. --- „Nun, weil
Sie sich durchaus nicht wollen malen lassen; dadurch
sind Sie schuld daran, dass Viele die Sünde der
Unzufriedenheit und des Unwillens begehen." --- „Wenn
dem so ist, sprach da Franz, so will ich wohl meine
Zustimmung geben, dass man ein Bild von diesem irdischen
Menschen nehme, vorausgesetzt, dass man zu Gott betet,
ich möge das Bild des himmlischen Vaters in mir
nachbilden." Er saß also dem Künstler ein Mal, aber nur
sehr kurze Zeit, und dadurch kam es, dass derselbe nur
sehr unvollkommen eine Ähnlichkeit erreichte. Doch
fertigte er mehrere Kopien des Porträts an, aber er
konnte nur sehr wenige davon verkaufen, da man in ihnen
die Züge des Originals nicht wieder zu finden vermochte.
Deshalb wagte er einen neuen Versuch bei dem Bischofe.
„Hochwürdigster Herr, sprach er, ich beschwöre Sie im
Namen der Liebe und der Wahrheit, sitzen Sie mir doch
noch ein zweites Mal; ich bitte Sie im Namen der Liebe,
weil Sie mir dadurch mein Brot verschaffen, im Namen der
Wahrheit, weil ich den Käufern immer versichern muss,
dass Ihr Porträt naturgetreu sei, und dieser Lüge können
Sie allein ein Ende machen; denn ich liebe Sie so sehr,
dass ich Sie immer schöner mache, als Sie wirklich sind,
wenn ich Sie nicht vor Augen habe." ---- „Ich weiß
nicht, sprach Franz lächelnd, ob Ihre Gründe da mehr gut
erfunden oder offenherzig sind; doch, wie dem auch sei,
für dies Mal darf ich nicht eigensinnig sein." Er saß
ihm also zwei Stunden lang. „Ach, hochwürdigster Herr,
sprach der Maler, als er fertig war, welch' ein großes
Almosen haben Sie mir da gegeben." -- „Und Sie,
versetzte Franz, haben mir eine große Beschämung
verursacht. Aber ich verzeihe Ihnen unter der Bedingung,
dass Sie nicht wieder kommen
(Annee de la
visitation, 15. Juin.)."
Einige Zeit darauf beeilte sich ein Freund des Bischofes,
der erfahren, dass er sein Portrait habe machen lassen,
eines von ihm zu erbitten. „Sehen Sie da, schrieb ihm
Franz (Brief
625. – Geist des heil. Franz v. Sales, XVIII, 32.),
das Bild dieses irdischen Menschen; so sehr bin ich
außer Stande, Ihnen etwas abschlagen zu können. Man
sagt, dass ich nie gut getroffen worden, und ich glaube,
daran liegt mir wenig. Ich habe es geliehen, um es Ihnen
geben zu können, denn ich selbst besitze keines. Ach,
wäre das Bild des Schöpfers in seinem Glanze in meiner
Seele, wie gerne würden Sie es dann betrachten! O Jesu!
durch deinen Blick heile, belebe, vollende, mache dir
ähnlich, die du durch dein Blut erlöst hast."
So war es
dem Heiligen nicht möglich das abzuschlagen, was er,
ohne eine Tugend zu verletzen, gewähren konnte. Und man
hatte nicht nötig, ihn lange zu bitten, jeden Wunsch
erfüllte er sogleich. Eines Tages hatte er am Feste des
heiligen Bonaventura bei den Franziskanern in Annecy
gepredigt, und die Kapuziner, welche dasselbe Fest
feierten, beklagten sich gegen Abend bei ihm, dass er
den ganzen Tag den Franziskanern geschenkt habe, ohne
ihre Kirche mit seiner Gegenwart zu beehren. „Ihr habt
Recht, sprach Franz, aber es ist noch Zeit." Auf der
Stelle legte er Rochet und Mozetta wieder an und ging in
ihre Kirche, um daselbst den Segen zu geben und zu
predigen. Die Patres baten ihn nachher um
Entschuldigung, dass sie ihm nach den übrigen
Anstrengungen des Tages noch diese Ermüdung verursacht
hatten. „Ich gehöre, erwiderte er ihnen, zum Orden des
heiligen Franziskus ohne zwischen den verschiedenen
Gliedern dieser Familie zu unterscheiden, und zwar
gehöre ich ihm durch ein doppeltes Band an, durch die
Taufe, in der ich den Namen Franziskus Bonaventura
erhielt, und durch meine Aufnahme in euren Orden
(Annee de la
visitation, 14. juillet.)."
Um diese Zeit erhielt Franz ein Schreiben von einem
berühmten Jesuiten, Leonhard Lessius
(Lessius war von 1585
bis 1605 Professor der Theologie in Löwen. Er stellte in
jenem Streite zwischen den Jesuiten und Thomisten über
die Gnade und Prädestination mehrere Propositionen auf,
die von den Universitäten Löwen und Donai verworfen
wurden; der heilige Stuhl jedoch erklärte die Lehre
Lessius' für unverfänglich. Nicht nur war Lessius ein
bedeutender Theologe, Jurist, Mathematiker, Mediziner
und Historiker, wie seine zahlreichen Schriften
bekunden, sondern auch ein heiligmäßiger Mann, und man
hoffte, dass der Papst ihn selig sprechen würde.),
worin ihm dieser seine innige Verehrung und unbegrenzte
Ergebenheit ausdrückte. Er antwortete ihm in einem
lateinischen Briefe, der in der Folge Berühmtheit
erlangte. Da der Verfasser sich in demselben zu der
Meinung der Jesuiten über die Prädestination und die
Gnade bekennt, so wurde die Echtheit dieses Briefes von
den Vertretern der entgegengesetzten Meinung, die eine
solche Autorität nur ungern in dem Lager ihrer Gegner
sahen, lange Zeit bestritten. Allein die Echtheit ist
heute unzweifelhaft erwiesen; das Schreiben selbst
lautete: „Schon lange bin ich von Achtung und
Freundschaft für Sie durchdrungen, nicht allein darum,
weil ich Alles ehre, was ihrer Gesellschaft angehört,
sondern auch aus dem Grunde. weil ich die Größe Ihres
persönlichen Verdienstes kenne und selbst Gelegenheit
hatte, es würdigen zu können. Ich habe Ihre Abhandlung
über die Gerechtigkeit und das Recht gelesen, in
der Sie sich Allen, welche vor Ihnen über diese Fragen
geschrieben, überlegen zeigen; ferner habe ich gelesen
Ihr Buch über die Wahl der wahren Religion,
welches den Eindruck macht, als hätten Sie nur dem Engel
des großen Rates, der Sie inspirierte, Ihre Hand
geliehen; sodann auch Ihre Abhandlung über die
Prädestination, in der Sie lehren, dass Gott die
Menschen zur Seligkeit nur mit Rücksicht auf ihre
vorgesehenen Verdienste bestimmt. Ich war sehr erfreut,
Sie hierin meiner Meinung zu finden, denn diese Lehre
scheint mir mit der Barmherzigkeit und Gnade Gottes am
besten in Einklang zu stehen und am wahrscheinlichsten
und ehesten dazu geeignet, in unseren Herzen das Feuer
der göttlichen Liebe zu entzünden, wie ich auch in
meinem Büchlein von der Liebe Gottes
(Siehe das. II, 12;
IV, 7.)
angedeutet habe. So schon im Voraus für Sie eingenommen,
gewährte es mir eine ganz besondere Freude, zu erfahren,
dass Sie meine freundschaftlichen Gesinnungen erwidern;
und um mich derselben stets zu versichern, bin ich von
Herzen bereit, Alles zu tun, was Ihnen nur angenehm sein
kann (Brief
436.)."
Schon lange
hatte der Vorstand von Saint-Andre des Arts in Paris den
Bischof von Genf dringend gebeten, in ihrer Kirche
einmal die Advents- und Fastenpredigten zu halten. Franz
würde schon gerne dieser Einladung Folge geleistet
haben, wenn der Herzog von Savoyen es nicht immer
verhindert hätte. Endlich führte ihm die Vorsehung die
Gelegenheit herbei, dem Wunsche Jener, die so sehnlichst
verlangten, ihn auf ihrer Kanzel zu sehen, zu
willfahren. Der Herzog wünschte für einen seiner Söhne
eine Schwester des französischen Königs, Christine, zur
Ehe, und sandte den Kardinal von Savoyen nach Paris, um
die Heirat zu Stande zu bringen. Es war notwendig,
letzterem einglänzendes Gefolge, aus den
hervorragendsten Persönlichkeiten Savoyens bestehend,
mitzugeben, und unter diesen befand sich natürlich der
Bischof von Genf in erster Linie. Nach vom Herzoge
erhaltener Einladung machte sich darum Franz mit dem
Kardinal und dessen Gefolge auf die Reise nach Paris.
Man kann sich nichts Erbaulicheres denken, als die
Gespräche, welche der heilige Bischof unterwegs führte.
Vernehmen wir einen der mitreisenden Herren selbst
darüber: „Er sprach mit uns, erzählt er, nur von
heiligen Dingen und Tugendübungen, aber auf eine so
schöne, so anziehende Weise, dass er die Aufmerksamkeit
Aller fesselte, keinem lästig wurde. Unter anderem
erinnere ich mich, wie er uns sagte, dass die Tugend,
wenn sie sich bei dem Einsiedler in ernster Gestalt
zeigt, an den Höfen der Fürsten ein freundliches und
liebenswürdiges Antlitz zeigen soll.
Niemand sei
mehr verpflichtet, gut und tugendhaft zu sein, als die
Großen, da unser Heiland von königlichem Blute abstammen
wollte; je höher man stehe, um so demütiger müsse man
sein; Hochherzigkeit und Adel der Gesinnung sei weit
verschieden von Eitelkeit, und Demut etwas ganz anders,
als Kleinmut und Verzagtheit; nichts sei hochherziger
und edler, als die Demut, und nichts erbärmlicher, eines
großen Herzens unwürdiger, als Eitelkeit und Stolz; das
beweisen so viele fromme Personen, die Demut und
Hochherzigkeit der Gesinnung in hohem Grade miteinander
vereinigten. Ferner sprach er mit uns von der
Herrlichkeit der Heiligen, von den Freuden der Ewigkeit,
der Verblendung der Menschen, die sich an vergängliche
Güter heften und um die ewigen sich nicht kümmern, die
doch allein einer unsterblichen Seele würdig seien. Er
schilderte uns, welch ein Glück es sei, in Gott einen
Vater zu haben, der all' unser kindliches Vertrauen,
unsere ganze Liebe verdiene. Lieber sterben, sagte er,
denn etwas Anderes als Gott lieben; lieber Alles
verlieren, als die Hoffnung, ihn ewig zu lieben; und
all' diese schönen Wahrheiten setzte er auf eine so
anziehende und anmutige Weise auseinander, dass man ihm
mit unaussprechlichem Vergnügen zuhörte."
In Paris
stieg er im Hotel des Marschalls d'Ancre, Rue de Tournon
(Heute Nr. 10.
in derselben Straße und die Kaserne der Municipalgarde.),
mit dem Oberpräsidenten Favre ab. Schon am Tage nach
seiner Ankunft wurde er ersucht, an dem Feste des
heiligen Martin am 11. November, in der Kirche der
Oratorianer zu predigen. Wie gewöhnlich zeigte er sich
bereit dazu. Ganz Paris geriet bei dieser Kunde in
Bewegung; der König und die Königin nebst der Königin
Witwe, mehrere Bischöfe und viele Gelehrten, kurz alle
Klassen der Gesellschaft wollten einen so berühmten
Prediger hören, und am Tage des Festes war die Kirche so
gedrängt voll, dass der Redner selbst nur durch ein
Fenster mit Hilfe einer Leiter hineinkommen konnte.
Jeder erwartete bei dieser Gelegenheit eine Rede, die
einer so großen Versammlung würdig sei, vor Allem aber
würdig jenes Geistes, der die Philothea und das Buch
über die Liebe Gottes geschrieben hatte. Der heilige
Bischof aber hörte nicht auf die Einflüsterungen der
Eigenliebe, zu deren Befriedigung sich eine so herrliche
Gelegenheit darbot; er zog es vor, klein zu erscheinen
vor dieser ungeheuren Menschenmenge und beschränkte sich
einfach darauf, das Leben des heiligen Martinus zu
erzählen. Dabei hörte er, wie einige Zuhörer mit
halblauter Stimme sagten: „Seht mir doch, was dieser
Alpenbewohner für gewöhnliches Zeug redet. Es war wohl
der Mühe wert, er so weit herkam, um uns das zu sagen
und die Geduld jedermann's auf die Probe zu stellen!"
Und der demütige Bischof freute sich, als er diese
tadelnden Bemerkungen vernahm, von den Menschen
verachtet zu werden, sich damit begnügend, Gott allein
zu gefallen. Ja, die Welt war unzufrieden mit der
Predigt, und der Bischof bemerkte statt aller
Rechtfertigung, dass man von einem wilden Baume aus dem
Gebirge keine anderen als wilde Früchte erwarten dürfe.
Der heilige Vincenz von Paula, dem er das Vorgefallene
mitteilte, urteilte anders, wie die Welt, dieser
Gottesmann war höchst erbaut darüber. „Seht da, sprach
er zu seinen Brüdern, als er ihnen diesen Zug der Demut
erzählte, wie die Heiligen die Natur, welche so gerne
Aufsehen und Bewunderung erregt, unterdrücken; so müssen
wir es auch machen, wir sollen das Niedrige und
Unscheinbare dem, was in die Augen fällt, vorziehen, das
Verächtliche dem, was uns Ehre bringen kann."
Der geringe
Beifall, den die erste Predigt des Bischofes von Genf
gefunden, wurde aufgewogen durch die Heiligkeit seines
Lebens und seiner Tugenden; über seiner ganzen Person
und seinem ganzen Wesen lag eine gewisse ruhige
Majestät, die ihm etwas ganz Überirdisches verlieh und
oft zu der Bemerkung veranlasste, wenn man eine
Vorstellung von Jesus Christus haben wolle, wie er auf
Erden wandelte, so brauche man nur den Bischof von Genf
mit seiner Sanftmut und Klugheit, seiner Demut und
seinen übrigen Tugenden anzusehen. Ging er über die
Straße, so betrachtete man ihn mit der größten
Ehrfurcht, man schätzte sich glücklich, sein Kleid
berühren zu können, wie wenn eine göttliche Kraft von
ihm ausginge, und als Reliquien verehrte man Alles, was
in seinem Gebrauche gewesen, sogar seine Haare, die man
von dem Barbier, der ihm die Tonsur (kreisrund
geschorene Stelle auf dem Scheitel des Mönchs) machte,
zu erhalten suchte
(Charl.-Aug., p. 522
et 523.).
Als er wieder auf der Kanzel erschien, um die
Fastenpredigten in der Kirche von St. Andre des Arts zu
beginnen, war der Zudrang der Menge ein so ungeheurer,
dass die Kardinäle, die Bischöfe und Prinzen kaum Platz
finden konnten; und diesmal fand man seine Predigten
nicht langweilig, je öfter man ihn hörte, um so mehr
verlangte man ihn wieder zu hören. „Wie, hieß es, haben
wohl die Apostel selbst heiliger und apostolischer
gepredigt?" Er dagegen konnte nicht begreifen, dass
seine Predigten einen solchen Zulauf hatten. „Ist es
nicht zum Verwundern, sagte er zu einem Freunde, dass
die guten Pariser so zu meinen Vorträgen strömen, da
doch meine Sprache so schwerfällig, meine Gedanken so
gewöhnlich, all' meine Predigten so alltäglich sind?" --
„Glauben Sie denn, versetzte der würdige Freund, dass es
schöne Worte sind, was sie bei Ihnen suchen? Es genügt
ihnen, Sie auf der Kanzel zu sehen, Ihr Herz redet aus
Auge und Mund bei Ihnen; wenn Ihre Zuhörer Sie nur ein
kurzes Gebet verrichten sähen, so würden Sie schon
zufrieden sein. Ihre ungesuchte Sprache, aber glühend
vom Feuer der Liebe, dringt zum Herzen, bewegt und rührt
es. Es herrscht in Ihren Predigten etwas
außerordentliches, das man sich vergeblich zu erklären
sucht; nichts verfehlt seine Wirkung. Ein Anderer könnte
drei Mal so viel über denselben Gegenstand sagen, ohne
dass man darauf Acht geben würde. Sie haben eine
eigentümliche Annecy'sche oder ich möchte sagen,
paradiesische Beredsamkeit, welche wunderbare Wirkungen
hervorbringt."
Der
Kirchenvorstand von St. Andre wusste nicht, wie er dem
Bischofe genug danken sollte; er wollte ihm ein
prachtvolles silbernes Tafelservice verehren, allein es
war den guten Leuten zu ihrem Bedauern unmöglich, ihn
zur Annahme desselben zu bewegen. Auch nachdem die
Adventszeit schon vorüber war, fuhr der Heilige zu
predigen fort; von allen Seiten wurde er darum gebeten
und immer zeigte er sich gerne bereit. Eines Tages war
einer der Seinigen zugegen, als er eine Predigt für
einen Festtag versprach, obschon er einer anderen Kirche
für den nämlichen Tag schon zugesagt hatte. Man
erinnerte ihn daran. „Lassen Sie es gut sein, erwiderte
er, Gott wird in seiner Gnade unser Brot vermehren; er
ist reich an Barmherzigkeit gegen die, welche ihn
anrufen." --- „Aber Ihre Gesundheit wird darunter
leiden!" -- „Wenn Gott dem Geiste die Kraft zum Reden
verleiht, so wird er den Körper, dessen er dazu bedarf,
nicht verlassen. Und sind wir denn nicht Unserem Berufe
nach das Licht der Welt? Es ist nicht recht, wenn man
sich darüber beklagt, dass eine Fackel sich verzehre,
indem sie anderen leuchtet. –„Aber Gott verbietet nicht,
für seine Gesundheit zu sorgen.“ --- „Nein, aber er
verbietet Misstrauen auf seine Güte; und wenn man eine
dritte Predigt von mir auf den nämlichen Tag verlangte,
so würde es mir weniger schwer fallen, sie zu halten als
sie abzuschlagen. Sollen denn nicht Leib und Seele gerne
alle Strapazen für den lieben Nächsten erdulden, den
unser Heiland so sehr geliebt hat, dass er selbst für
ihn starb
(Geist des heil. Franz v. Salles, XIV, 30. - Annee de la
visitation, 9. juillet.)?"
So geschah es denn zuweilen wirklich, dass er für den
nämlichen Tag drei, sogar vier Predigten versprach, und
als seine Freunde ihm deshalb Vorstellungen machten,
dass er über das rechte Maß hinausgehe, antwortete er:
„Was ist zu machen? Ich habe einmal ein Herz, das nichts
abschlagen kann; eine Predigt habe ich eher fertig, als
Nein gesagt
(Vie du saint, par la mere de Chaugy.).
Wollte ich Euch nachgeben, so müsste ich mir noch einen
Kaplan halten, um solche Bitten abzuweisen, denn ich
selbst würde nie den Mut dazu haben. Das Wort, das ich
verkünde, sagt mir, dass wir Allen geben sollen, die
sich an uns wenden, und dass die wahre Liebe nicht auf
ihr eigenes Interesse, sondern nur auf das Gottes und
des Nächsten sieht. Was ist denn das Wenige, das wir tun
im Vergleiche zu den hochherzigen Gesinnungen eines
Moses und eines heiligen Paulus? Ersterer wollte für
seine Brüder aus dem Buche des Lebens ausgelöscht und
letzterer wollte für sie verworfen werden
(Geist des heil. Franz v. Sales,
IV, 34.)"
So fuhr er
fort, in vermiedenen Kirchen zu predigen bis zur
Fastenzeit, während welcher er sich ausschließlich der
Kanzel von St. Andre des Arts widmete; nach Ostern
folgte er wieder wie früher allen Aufforderungen, die an
ihn ergingen und wie zahlreich dieselben gewesen,
ersieht man daraus, dass er nach der genauen Berechnung
Einzelner, die alle seine Predigten gezählt harten, in
dem Jahre welches er in Paris zubrachte, nicht weniger
als dreihundertfünfundsechszig Mal die Kanzel bestiegen
hatte, und zwar ohne je seine Zuhörer zu ermüden
(Charl.-Aug., p.
522.).
Die Kirchen, in denen er sprach, waren so gedrängt voll,
dass er sehr oft kaum auf die Kanzel gelangen konnte und
ein Mal sah er sich wieder genötigt, durch ein Fenster
zu steigen, um zu ihr kommen zu können.
Die Zeit,
welche er nicht auf der Kanzel zubrachte, widmete er
fast ganz und gar dem Gebete und anderen heiligen
Werken, besonders aber dem Beichtstuhle; das Gute, was
er wirkte, war außerordentlich. Scharenweise eilte man
überall hin, wo man ihn gerade wusste, um ihn in den
schwierigsten Dingen, namentlich aber in
Gewissensangelegenheiten um Rat zu fragen, sich von ihm
den Weg der Vollkommenheit zeigen zu lassen. Zahllose
Herzen gewann er für Gott, zahllos waren die
Bekehrungen, die er zustande brachte, selbst bei
solchen, die seine Predigten nicht hören konnten.
Der
Gouverneur von der Picardie, Herr de la Fere, gehörte zu
den hartnäckigsten Kalvinisten; er lag gerade in Paris
gefährlich krank, und mehrere katholische Freunde
drangen in ihn, den berühmten Bischof zu sich kommen zu
lassen. Er gab endlich nach, und Franz war nicht sobald
von diesem Wunsche in Kenntnis gesetzt worden, als er
sich unverzüglich zu dem Kranken begab. Seine erste
Aufnahme war keine besonders freundliche, allein er ließ
sich dadurch nicht abschrecken; mit liebenswürdiger
Sanftmut ertrug er das im Anfange etwas barsche Benehmen
des Kranken und wusste allmählich mit der ihm eigenen
Geschicklichkeit das Gespräch auf die katholische
Religion zu bringen. Mit.großer Aufmerksamkeit und ohne
das geringste Zeichen des Missvergnügens zu äußern,
hörte de la Fere ihm zu und sagte zuletzt. „Mein Herr,
ich bin außer Stande, Ihnen etwas auf das Gesagte zu
entgegnen; aber kommen Sie doch in acht Tagen wieder!
Ich werde unterdessen unseren Prediger Dumoulin über
Alles, was ich soeben von Ihnen gehört habe, befragen
und ihn bitten, mit Ihnen gleichzeitig hierher zu
kommen; Sie können dann beide in meiner Gegenwart über
diese Dinge sprechen." Freudig ergriff Franz dies
Anerbieten und versprach pünktlich zu erscheinen. Der
Kranke ließ den Prediger auf der Stelle zu sich bitten,
und nachdem er ihm die ganze Unterhaltung mit dem
Bischofe mitgeteilt hatte, bat er ihn, die Disputation
in seiner Gegenwart vorzunehmen. Allein der Prediger
weigerte sich; der Kranke bestand darauf, mit dem
Bemerken, dass er am jüngsten Tage Rechenschaft für
seine Seele werde ablegen müssen. Alles war umsonst,
Dumoulin wollte sich nicht mit dem Bischofe von. Genf
messen. Nach acht Tagen fand sich letzterer pünktlich
ein, wie er versprochen hatte. „Ach. rief ihm der Kranke
weinend entgegen, wie froh bin ich, Sie wieder zu sehen.
Fünfzig Jahre hindurch haben mich diese Prediger
hintergangen und getäuscht. Hätte Dumoulin sich mit
gutem Gewissen sagen können, dass seine Religion die
wahre sei, so würde er sich nicht geweigert haben, sie
vor Ihnen zu verteidigen. Eine solche Weigerung öffnet
mir die Augen; ich bin bereit, den Kalvinismns, den
seine eigenen Leute nicht verteidigen und rechtfertigen
können, abzuschwören, und ich bitte Sie inständig, mich
in der katholischen Religion unterrichten zu wollen."
Augen und
Hände zum Himmel erhebend, dankte der Bischof Gott von
ganzem Herzen und begann alsbald, den Kranken zu
unterweisen; nicht lange nachher nahm er ihn in den
Schoss der Kirche auf. Der Neubekehrte, der auf die
Fürbitte des Heiligen in kurzer Zeit wieder gänzlich
hergestellt war, bewies sich stets als ein eifriger
Anhänger seines Glaubens, und es gelang ihm auch, seine
ganze Familie, die sehr zahlreich war, zur Annahme
desselben zu bewegen
(Annee de la
visitation, 13. fevrier.).
Dieser Sieg,
den der Bischof während seines Aufenthaltes in Paris
über den Kalvinismus davontrug, stand nicht vereinzelt
da. Von den vielen Beispielen wollen wir nur noch einige
wenige erwähnen.
Bei einem
Besuche, den Franz bei einer seiner Verwandten, der Frau
von Montiguy, machte, traf er daselbst mit einem
Edelmanne zusammen, der erklärte, er würde auf der
Stelle katholisch werden, wenn man ihm das Dasein des
Fegefeuers beweise. Der Bischof öffnete seine Bibel, die
er sich stets von seinem Kammerdiener nachtragen ließ,
und bewies ihm durch das Beispiel Davids
(II. Kön. Kap. 11.),
dass die Sünde, auch wenn sie schon vergeben ist, noch
zeitliche Strafen nach sich zieht; ferner bewies er ihm
aus dem ersten Briefe des heiligen Johannes
(I. Joh. Kap. 5.),
dass es Sünden gibt, die keine Todsünden sind. Aus
diesen beiden Tatsachen zog er den Schluss, dass es
einen Ort der Sühne und Buße für Jene geben müsse,
welche sterben, ohne in diesem Leben jene zeitliche
Strafe erlitten oder diese lässlichen Sünden abgebüßt zu
haben. Er führte dann die so klare Stelle aus dem II.
Buche der Machabäer an: „Es ist ein heiliger und
heilsamer Gedanke, für die Toten zu beten, damit sie von
ihren Sünden befreit werden." Die Echtheit dieses
Buches wies er ebenfalls nach. Weiterhin das Wort des
Herrn zitierend: „Die Sünden gegen den heiligen Geist
werden weder in diesem noch im andern Leben vergeben
werden," zog er daraus abermals den Schluss, dass es
Sünden gibt, die in der anderen Welt noch vergeben
werden, und diese können keine anderen als jene sein,
welche im Fegefeuer abgebüßt werden. Auch die Lehre der
Väter und Konzilien führte er ihm an, berief sich auf
die Autorität der Kirche, endlich auf das Zeugnis der
Vernunft selbst; denn da es Solche gibt, die beim Tode
weder heilig genug sind, um auf der Stelle in den Himmel
eingehen zu können, aber auch nicht so böse, um zur
Hölle verdammt zu werden, so muss es notwendig einen
Mittelort zwischen beiden geben. Diese Gründe
überzeugten den Edelmann vollkommen von der Existenz des
Fegefeuers, und wenige Tage nachher schon nahm er den
katholischen Glauben an
(Charl.-Aug., p.
520.).
Ein zweiter
Kalvinist, einer von jenen Halbgelehrten, ließ sich aus
Neugierde mit dem Heiligen in einen Streit über
religiöse Dinge ein, und wollte ihn durch seine Einwürfe
recht in die Enge treiben, um zu erfahren, wie weit
seine vielgerühmte Gelehrsamkeit gehe. Allein das Ende
davon war, dass er in den Netzen des Bischofes gefangen
wurde und sich bekehrte.
Noch ein
Anderer, der vom Irrglauben bis zum Atheismus gekommen
war, was bei einem richtig denkenden und konsequenten
Geiste durchaus natürlich ist, traf bei einer
Gelegenheit mit Franz zusammen und fragte ihn in
spöttischem Tone, ob es denn einen Gott gebe, und was
der Glaube wäre
(Charl.-Aug., p.
521.).
Voll apostolischen Eifers, mit liebenswürdiger Sanftmut
und Geduld, ging der Bischof da die ganze Kette der
religiösen Wahrheiten, vom ersten Gliede bis zum
letzten, mit ihm durch, nötigte ihn durch seine
unwiderleglichen Beweise, vor Allem einen ersten
geistigen, unendlichen, vollkommenen Urgrund
anzuerkennen, sowie die Verpflichtung, diesen zu lieben,
zu ehren und ihm zu dienen; sodann die göttliche Sendung
Jesu Christi und seiner Kirche, welche letztere den
Auftrag hat, den Schatz der geoffenbarten Wahrheiten
rein und unverletzt zu bewahren, woraus für uns die
Pflicht entspringt, das gläubig anzunehmen, was sie
lehrt; endlich zeigte er ihm die Schönheiten dieser
Lehren selbst; und all' diese einzelnen Punkte erklärte
er mit einer so unwiderstehlichen, hinreißenden
Beredsamkeit, dass der Atheist, Verstand und Herz der
Wahrheit öffnend, heiße Tränen über seine Verirrungen
vergoss, beichtete und kommunizierte und von der Zeit an
einen musterhaften Lebenswandel führte
(Nach Franz Favre,
der Augenzeuge war.).
Einige Tage
später erzählte man dem Bischofe, dass sich in einem
Gefängnisse ein zum Tode Verurteilter befinde, der in
der Wut der Verzweiflung nichts vom Empfange der
Sakramente wissen wolle und seine Seele im Voraus allen
Teufeln weihe. Auf der Stelle eilte er in die Zelle des
Verbrechers; Worte des Trostes an ihn richtend, umarmte
er ihn unter Tränen und beschwor ihn, auf die göttliche
Barmherzigkeit sein Vertrauen zu setzen, den Tod zur
Sühnung seiner Vergehen ergeben zu erleiden und sich
durch die Beichte darauf vorzubereiten. „Das würde
überflüssig sein, erwiderte der Unglückliche; ich bin
der Hölle verfallen und bald werde ich die Beute des
Teufels sein." -- „Aber mein Sohn, möchtest du denn
nicht lieber eine Beute Gottes werden, und dem Kreuze
Jesu Christi als Opfer anheimfallen?" -- „Ganz gewiss,
aber Gott hat mit einem Elenden wie ich nichts zu tun."
– „Aber, versetzte der Bischof, gerade für Menschen wie
Du einer bist hat der ewige Vater seinen Sohn in die
Welt gesandt; für Menschen, die noch schlechter waren
als Du, für seine Henker und seinen Verräter Judas, hat
Jesus Christus sein Blut vergossen." -- „Können Sie mir
denn versichern, sprach da der Verbrecher, dass ich,
ohne vermessen zu sein, zur Barmherzigkeit Gottes meine
Zuflucht nehmen darf?" -- „Es würde im Gegenteil eine
große Beleidigung dieser unendlichen Barmherzigkeit
sein, nicht zu glauben, dass sie alle Sünden, welcher
Art sie auch sein mögen, vergeben kann." --- „Aber Gott
ist gerecht und er wird mich verdammen." -- „Gott ist
barmherzig, er wird Dich retten, wenn Du ihn mit
demütigem und zerknirschtem Herzen um Verzeihung
bittest." Diese liebevollen Zureden rührten endlich den
Verbrecher; er beichtete und ergab sich ruhig in sein
Schicksal. Auf seinem Gange zur Richtstätte sprach er
wiederholt die Worte: „O Jesu, dir gebe ich mich anheim,
auf dich setze ich mein Vertrauen
(Geist des heil.
Franz von Sales, III, 11. – Charl.-Aug., p. 521.)."
Selbst die
Zeit, die der Bischof zu Hause in seinem Zimmer
zubrachte, gehörte selten ihm; fast fortwährend meldeten
sich Personen, die ihn zu sprechen, ihn um seinen Rat zu
fragen wünschten. Und Alle hatten Zutritt zu ihm, die
Zudringlichen und Lästigen gerade so wie seine besten
Freunde; mit heiliger Freude und wunderbarer
Leutseligkeit empfing er jeden ohne Unterschied, ohne
dass sich auf seiner Stirne jemals eine jener düsteren
Falten zeigte, welche Überdruss und Langeweile verraten;
von gewöhnlichen Dingen konnte er sprechen hören, als
sei er unwissend in großen, und von großen, als habe er
sich nie mit den kleinen und gewöhnlichen beschäftigt;
gerne lieh er Allen ein aufmerksames Ohr und ermunterte
sie, voll Vertrauen zu antworten; Allen bequemte er sich
an und gab sich nie den Vorzug vor Jemanden, einen jeden
ließ er seine Fähigkeiten und seinen Verstand an den Tag
legen, ohne sich je seine eigene Überlegenheit zu Nutzen
zu machen.
Eines Tages
trat ein Protestant in sein Zimmer und fragte ihn ohne
Weiteres, ob er es sei, den man den Bischof von Genf
nenne. „Jawohl, mein Herr, so nennt man mich,"
antwortete er. --- ,Ich wünschte von Ihnen, den man für
einen apostolischen Mann hält, zu erfahren, ob die
Apostel in Equipage (elegante Kutsche) fuhren." ---
„Ganz gewiss, mein Herr, wenn Sie Gelegenheit dazu
hatten." --- „Ich möchte doch, dass Sie mir dies in der
heiligen Schrift zeigten." -- „Nun, so lesen Sie das
achte Kapitel in der Apostelgeschichte, Sie werden
daselbst finden, dass der heilige Diakon Philippus sich
zu dem Eunuchen der Königin von Äthiopien in den Wagen
setzte." --- „Aber der Wagen gehörte nicht ihm,
versetzte der Andere; er gehörte dem Eunuchen und es war
kein Wagen, der von Gold und Stickereien strotzte, so
dass der König keine schöneren hat, er war nicht mit den
prachtvollsten Pferden bespannt, auch hatte er keinen
reich gekleideten Kutscher; das ist es was mich an Ihnen
ärgert, der Sie den Heiligen machen und den man für
einen solchen hält; ja, schöne Heilige sind mir das, die
so ganz bequem auf dem Wege des Paradieses dahinfahren."
– „Ach, mein lieber Herr! entgegnete der Bischof, die
Genfer, welche mir die Einkünfte meines Bistums
vorenthalten, haben mich so knapp gestellt, dass ich von
dem, was mir übrig bleibt, nur sehr armselig leben kann.
Ich habe nie einen eigenen Wagen gehabt, noch die
Mittel, mir einen zu halten; jener, dessen ich mich
bediene, gehört seiner Majestät, der mit den Hofwagen
das Gefolge des Kardinals von Savoyen beehrt, zu dem
auch ich zähle." -- „Sie sind also arm?" begann der
Protestant auf's neue. -- „Ich beklage mich nicht über
meine Armut; ich kann leben zur Not, und würde ich die
Unbequemlichkeiten derselben fühlen, so hätte ich
Unrecht, mich über meine Lage zu beklagen, die Jesus
Christus sich selbst erwählt hat, indem er in Armut
lebte und starb." Das stellte den Fragenden zufrieden,
und er entfernte sich voll Liebe und Achtung für den
heiligen Bischof
(Geist des heil.
Franz von Sales, I, 26.).
Eine solche
Sanftmut, wie Franz sie bei dieser Gelegenheit gezeigt
hatte, erbaute nicht weniger einen alten Soldaten aus
der Pfalz, der ihn eines Tages in barschem Tone fragte:
„Ich möchte wissen, was Sie hier tun, mein Herr?" - „Ich
bin hier, antwortete der Heilige ruhig, auf Befehl
meines Fürsten und wegen des öffentlichen Wohles." --
„Aber wer sorgt denn für Ihre Herde während Ihrer
Abwesenheit?" --- ,,Vor meiner Abreise habe ich sie
gelehrten und eifrigen Priestern anvertraut, die sie bis
zu meiner Rückkehr weiden werden." – „Ist denn die
Residenzpflicht der Bischöfe nicht nach göttlichem
Rechte geboten? -- „Ich glaube wohl," antwortete Franz.
--- „Und sind die heutigen Bischöfe so, wie die der
ersten Kirche?" -- „Ohne Zweifel, denn sie haben die
nämliche Gewalt und die nämliche Würde." – ..Aber,
können sie Wunder wirken, wie der heilige Petrus?" –
„Wären sie auch nur der Schatten des heiligen Petrus;
denn der Schatten des heiligen Petrus hat Wunder
gewirkt." Zwei Stunden dauerte die Unterredung in diesem
Tone fort und als der Fremde sich verabschiedete, sprach
er zum Bischofe: „Hochwürdigster Herr, Kalvinist von
Geburt, habe ich erst seit Kurzem den Glauben der
römischen Kirche angenommen; jene Bedenken, die ich
Ihnen eben vorgelegt habe, waren mir noch
zurückgeblieben. Hätten Sie mir dieselben nicht mit eben
so großer Klarheit als Sanftmut gelöst, so wäre ich
schon morgen zum Protestantismus zurückgekehrt. Ich
danke Gott, dass er mir die Gnade erzeigt hat, Ihnen zu
begegnen (Charl.-Aug.,
p. 523.)."
Man kann
sich wohl denken, dass die Damen keineswegs unter den
vielen Besuchern des Bischofes mangelten. Eines Tages
sah er sich, als er nach einer Predigt die Kirche
verließ, von einer ganzen Menge Eva'stöchtern umgeben.
Jede hatte ihm einen Zweifel, irgend ein Bedenken
vorzulegen, und da keine warten konnte, bis die Reihe an
sie kam, so sprachen sie alle auf ein Mal. Was für ein
Durch-einander das war, kann man sich wohl vorstellen.
„Nun, nun, meine Damen, sprach lächelnd der Bischof, ich
werde auf alle Ihre Fragen antworten, vorausgesetzt,
dass sie mir zuerst die meinige beantworten: Denken wir
uns eine Versammlung, in der Alle sprechen und Keiner
hört zu, was wird denn da eigentlich gesagt?" Da
verstummten sie alle und jede wartete eine günstigere
Stunde ab, in der sie den Bischof allein sprechen könne
(Geist des
heiligen Franz von Sales, III, 13. ).
Auch durch
Tugend und Wissenschaft ausgezeichnete Männer strebten
danach, mit ihm in freundschaftliche Beziehungen zu
treten. Besonders war es Andreas Duval, Dekan der
theologischen Fakultät in Paris und General-Oberer der
Karmeliten in Frankreich, der hier eine Erwähnung
verdient. Er wollte bei dem Bischofe beichten, und
dieser beichtete nachher ebenso bei ihm. Beide gaben
sich gegenseitig ihre Ratschläge, wie sie im geistlichen
Leben Fortschritte machen könnten, und Einer sagte vom
anderen: „Ich bin nicht wert, ihm die Schuhriemen
aufzulösen."
Wie Duval,
so genossen auch der Pater Suffren von der Gesellschaft
Jesu, Beichtvater Ludwig's XIII. und Maria's von Medici,
und Bourdoise, der Stifter der Genossenschaft vom
heiligen Nikolaus du Chardonnet, den Vorzug, innig mit
Franz befreundet zu sein. Ersterer war vorzüglich ein
Mann des Studiums und des Gebetes, letzterer mehr ein
Mann der Tat. Vor Allem entwickelte er den größten Eifer
für die Verbesserung des Klerus und Wiederherstellung
der kirchlichen Zucht; am Priester mochte er nicht das
Geringste leiden, das nicht ganz und gar in der Ordnung
war, und stets war er bereit, gegen jede Unordnung, wo
er eine solche nur gewahrte, ohne Schonung vorzugehen.
Begierig, die Bekanntschaft eines solchen Bischofes zu
machen, der in sich das Ideal der priesterlichen
Vollkommenheit verwirklichte, und in der Hoffnung, aus
dieser Bekanntschaft große Vorteile für seine eigene
Heiligung und das Wohl des Klerus zu ziehen, schrieb er
ihm einen langen Brief, den er ihm zugleich selbst
überreichte und in dem er namentlich hervorhob, welch
geringe Frucht seine Predigten hervorbringen würden, so
lange der Klerus und das Volk nicht besser unterrichtet
wären. Der Bischof las das Schreiben zwei Mal mit großer
Aufmerksamkeit, und besprach sich über dessen Inhalt
eine ganze Stunde lang mit Bourdoise. Mit großer
Freimütigkeit sprach letzterer über die Notwendigkeit
einer Reform des Klerus und besonders einer besseren
Ausbildung desselben; denn Seminarien gab es zu jener
Zeit nicht und es konnte nicht fehlen, dass dieser
Mangel sich fühlbar machte. „Es überrascht mich, sagte
er unter anderem, dass ein Bischof, dem Gott so reiche
Gaben verliehen, sie nicht dazu verwendet, gute Priester
heranzubilden und sich fast einzig der Leitung des
weiblichen Geschlechtes widmet." -- „Ich gebe zu,
versetzte der Bischof, ohne sich über diesekühne Sprache
verletzt zu fühlen, und ich bin vollständig
überzeugt,dass es in der Kirche kein dringenderes
Bedürfnis gibt, als gute Priester zu erziehen; aber das
ist eine zu hohe Aufgabe für meine Unfähigkeit, und ich
muss das geschickteren Händen überlassen; Herr von
Berulle beschäftigt sich damit und er hat dazu mehr
Talent und auch mehr Muse als ich, da ich eine so große
Diözese zu verwalten habe. Ich überlasse es den
Goldarbeitern, mit Gold und Silber umzugehen; die Töpfer
müssen sich begnügen, den Ton zu bearbeiten. Außerdem
halte ich die Heiligung des weiblichen Geschlechtes für
etwas sehr Wichtiges; sind die Frauen wirklich
tugendhaft, so vermögen sie in der Kirche Großes zu
leisten und erfüllen sie mit dem Wohlgeruche ihrer
Frömmigkeit. Verdient ihre Schwäche Mitleiden, so
verdient zugleich ihr Mut großes Interesse. Sie folgten
dem Herrn auf seinen evangelischen Reisen, und Frauen
waren es, die ihn begleiteten bis zum Fuße des Kreuzes,
während sich nur ein einziger von den Aposteln daselbst
befand." In dieser Antwort zeigt sich wiederum die große
Demut des Heiligen, denn wir wissen sehr wohl, dass er
sich während seines ganzen Lebens unausgesetzt bemühte,
einen tüchtigen und frommen Klerus heranzubilden.
Von allen
Geistlichen jedoch, die Franz in Paris kennenlernte, war
es der heilige Vincentius von Paula, dem er sich am
engsten anschloss. Diese beiden großen Seelen, welche in
einem so hohen Grade die Gabe der Unterscheidung der
Geister besaßen, hatten sich bald kennengelernt und
verstanden, und eine innige Freundschaft war die Folge
davon. Vincenz pflegte zu sagen, dass die Sanftmut, die
heilige Majestät, die anspruchslose Bescheidenheit, kurz
das ganze Äußere des Bischofes von Genf, ihm wie in
einem lebendigen Bilde Jesus Christus unter den Menschen
wandelnd vor Augen führe. Franz seinerseits nannte
seinen Freund nicht anders als den heiligen Priester,
den würdigsten, den er je kennengelernt habe; und
bei jeder Gelegenheit rühmte er seine Frömmigkeit und
seine Klugheit, sein seltenes Geschick in der Führung
der Seelen. Darum glaubte er auch die Leitung seiner
geliebten Schwestern von der Heimsuchung, welche jetzt
auch in Paris ein Haus hatten, keinen besseren Händen
anvertrauen zu können. Hierin täuschte er sich nicht,
wie die Folge lehrte.
Er selbst
hatte in jener Zeit die Leitung einer Person übernommen,
die später eine traurige Berühmtheit erlangte, der
Äbtissin von Port Royal, namens Angelika Arnaud. Schon
mit vierzehn Jahren Äbtissin, hatte sie, kaum siebzehn
Jahre alt, mit männlicher Kraft alle Hindernisse
überwindend, die in ihrer Genossenschaft in Verfall
geratene klösterliche Zucht wieder hergestellt; jetzt,
im Alter von achtundzwanzig Jahren, hatte sie sich einer
noch schwierigeren Aufgabe unterzogen, auch die Abtei
von Maubuisson einer Reform zu unterwerfen. Von Natur
stolzen Sinnes und in der guten Meinung von sich selbst
durch die Ehren, mit denen sie sich schon in so frühem
Alter von allen Seiten umgeben sah, noch mehr bestärkt,
fürchtete sie doch, wenn sie ganz auf sich allein
angewiesen bleibe, ohne einen Seelenführer zu besitzen,
sich vielfach zu täuschen, und darum bat sie den Bischof
von Genf, ihr Haus und die ganze Einrichtung desselben
in Augenschein zu nehmen. Er kam ihrem Wunsche nach.
Schon in der ersten Unterredung, welche er mit ihr
hatte, nahm er sie ganz für sich ein, und ihren
Ansichten und Plänen vollen Beifall spendend, leitete er
sie doch mit einer Festigkeit, wie sie eine solche bis
jetzt noch bei niemanden ihr gegenüber gefunden hatte.
Oft verweilte er in Maubuisson, und ein Mal sogar neun
Tage hintereinander, um sie in ihren Bemühungen für die
Wiederherstellung der Zucht und Ordnung durch seine
Predigten und Ratschläge zu unterstützen. Es waren für
die Äbtissin wie für die ganze Genossenschaft Tage des
Heiles und des Segens; sie konnte nicht müde werden, den
Gottesmann zu bewundern und in ihrer Verehrung für ihn
ging sie so weit, dass sie die Überbleibsel von seinem
Tische sorgfältig sammelte, welche dann ihre eigene
Mahlzeit bildeten, dass sie nur mit Ehrerbietung die
Schüsseln, und Alles, dessen er sich beim Essen bedient
hatte, berührte und nach seiner Abreise die Möbel seines
Zimmers als Reliquien aufbewahren ließ
(Charl.-Aug., p.
522.).
Ganz und gar stellte sie sich unter seine Leitung und
sie dachte selbst daran, ihren Rang als Äbtissin
abzulegen und einfache Schwester im Orden der
Heimsuchung zu werden. Allein davon wollte er nichts
wissen, indem er ihr bemerkte, sie sei mehr zum Befehlen
als zum Gehorchen geeignet, und sie solle darum in ihrem
Berufe bleiben. Da sie ihm nicht folgen konnte, so
wollte sie wenigstens durch fortgesetzten schriftlichen
Verkehr unter seiner Leitung bleiben, so lange er lebte.
Man ersieht aus diesem Briefwechsel, mit welch
bewunderungswürdiger Kunst der Heilige diese
außergewöhnliche Seele zergliederte, für die es ein
Bedürfnis war, nach großen Dingen zu streben; diese
Seele, stets ängstlich zu wissen, ob sie eine von jenen
kleinen und alltäglichen oder eine von jenen hohen und
erhabenen sein werde, so schnell von Unwillen beim
Anblicke des Bösen ergriffen, so geneigt zum Spotte oder
zum Zorne bei den Albernheiten, Kindereien oder anderen
weiblichen Unvollkommenheiten, wie sie bei ihren
Schwestern vorkamen, so begierig nach Opfern, so
ungeduldig über Schwächen und Unvollkommenheiten. Man
ersieht daraus, mit welcher Sanftmut er diese
fieberhafte Glut in ihr nach körperlichen Bußübungen
milderte, wie er sie allmählich von jener übermäßigen
Strenge gegen sich selbst abbrachte und sie lehrte, ihre
Sorgfalt auf die Verbesserung ihrer Fehler zu richten;
mit welch seinem Takt er ihr zu verstehen gab, dass sie
auf dem gewöhnlichen Wege wandeln solle, in sanfter,
ruhiger und starker, freudig geübter Demut; mit wie viel
gesundem und richtigem Verstande er sie lehrte, ihrer
Seele den Frieden und eine sanfte Ruhe zu erwerben,
indem sie vor Allem dieselbe all ihren Handlungen zu
eigen mache; „tun Sie Alles, schreibt er ihr vor, z. B.
Gehen, Aufstehen, Niedersitzen, Schlafengehen, Essen,
tun Sie Alles das ruhig und sachte, und Sie werden
sehen, dass Sie in drei bis vier Jahren Ihre jähe
Raschheit ganz und gar in Ordnung bringen."
Leider starb
der Heilige dieser Seele, die es zu etwas Großem in der
Vollkommenheit unter einer solchen Leitung hätte bringen
können, zu frühe. Nach seinem Tode fiel sie einem ganz
anderen Führer in die Hände, dem Abt von St. Cyran, der
sie als Jansenist (Jansenismus nach Bischof Cornelius
Jansen: innerkatholische Oppositionsbewegung) auf den
Weg des Irrtums und des Schisma's brachte.
Angelika
Arnaud wünschte sehnlichst dies Glück, welches sie unter
der Leitung des Bischofes von Genf genoss, mit ihrer
Schwester Agnes, in ihrer Abwesenheit Vorsteherin von
Port-Royal, zu teilen, und sie erhielt von Franz das
Versprechen, dass er dieser Abtei einen Besuch machen
werde.
Er hielt
Wort und kam hin. In einer Predigt, die er daselbst
hielt, fing er auf einmal zu weinen an, und einige
Augenblicke musste er sich selbst unterbrechen. Als ihn
die Äbtissin nachher über die Ursache seiner Tränen
befragte, antwortete er traurig: „Ach, Gott hat mich
erkennen lassen, dass Ihr Haus den Glauben verlieren
wird. Das einzige Mittel, ihn zu bewahren, ist der
Gehorsam gegen den heiligen Stuhl
(Lettre de la soeur
Marie Duplessie, religieuse de la visitation.)."
Was er vorausgesagt hatte, erfüllte sich leider nur zu
sehr; das Kloster Port-Royal wurde in der Folge der
Mittelpunkt aller jansenistischen Umtriebe, was um so
nachteiliger wirkte, als seine Nonnen wegen ihrer
Frömmigkeit in allgemeiner Achtung standen.
Alles das
machte nur einen Teil der angestrengten Tätigkeit aus,
der sich Franz während der Anwesenheit in Paris hingab.
Fast unaufhörlich war er von allen Seiten in Anspruch
genommen; hier war es von Philosophen und Theologen, die
bei ihm Aufschluss über die schwierigsten Fragen der
Wissenschaft suchten und seine Meinung darüber vernehmen
wollten; oder von Bischöfen, die sich Rats bei ihm
erholten in Angelegenheiten ihrer Diözesen, und die auf
ihn hörten als einen Lehrer der Kirche und ihn achteten
wie ihren Vater
(Charl.-Aug., p.
524.).
Dort feuerte er religiöse Genossenschaften zum Streben
nach Vollkommenheit an, unterstützte die Armen, tröstete
die Betrübten, schlichtete Streitigkeiten in den
Familien, wohnte allen Versammlungen bei, deren Zweck
das Wohl der Religion oder des Nächsten war, und wie um
sich zu erholen von so vielen Anstrengungen ging er dann
noch in die Spitäler, um die Kranken zu trösten, die
Sterbenden Beichte zu hören, oder in Privathäuser, um
auch da im Leiden zu ermutigen, in Betrübnissen
aufzurichten.
Sein Körper
unterlag zuletzt diesen Strapazen und er wurde ernstlich
krank. Bei dieser Gelegenheit zeigte es sich auf eine
herrliche Weise, welche allgemeine Verehrung und innige
Liebe er genoss. Kardinäle und Bischöfe, Prinzen und
Hofleute, Personen jeden Standes und Ranges beeilten
sich, ihn zu besuchen, sich nach seinem Befinden zu
erkundigen; und von allen Seiten wurden ihm eine Menge
von Sachen geschickt, von denen man glaubte, sie könnten
ihm in seinem dermaligen (jetzigen) Zustande angenehm
und nützlich sein
(Ebendas. p. 525.).
Glücklicherweise war eine weitere Gefahr nicht
vorhanden; nach kurzer Zeit schon kehrte die Gesundheit
zurück und mit erneuertem Eifer widmete er sich wieder
ganz seinen bisherigen Arbeiten, sich selbst ganz
vergessend, nur an die Ehre Gottes und das Wohl des
Nächsten denkend, und oft trieb er die
Rücksichtslosigkeit gegen sich selbst so weit, dass er
sogar jene Erleichterungen zurückwies, die ihm die
Anstrengung weniger beschwerlich hätten machen können.
Seine Gefährten beklagten sich manchmal darüber und er
neckte sie dann auf eine liebenswürdige Weise. Eines
Tages hatte er im Kloster der Heimsuchung, das sehr weit
von seiner Wohnung in der Vorstadt St. Antoine lag,
gepredigt. Im Begriffe nach Hause zurückzukehren, fand
er an der Pforte einen eleganten Wagen, den ein
vornehmer Herr, welcher der Predigt beigewohnt hatte, zu
seiner Verfügung stellte, denn es regnete in Strömen und
die Straßen waren sehr schmutzig; aber er lehnte höflich
ab und ging zu Fuß. Ein junger Geistlicher aus vornehmem
Hause, der ihn begleitete, gab durch seine Miene und
einige mürrische Worte seine Unzufriedenheit zu
erkennen, dass er so im Schmutze gehen müsse. Um ihm
eine brüderliche Zurechtweisung zu geben, sprach der
Bischof lächelnd zu seinen anderen Gefährten: „Sehet mir
doch den Herrn Abbe da, er besitzt doch noch etwas
Eitelkeit (Charl.-Aug.,
p. 525 et 526.)."

Siebentes Kapitel.
Franz wird zum Groß-Almosenier der
Prinzessin Christine ernannt. – Züge seiner
Uneigennützigkeit. – Er wird abermals verleumdet.
(1619)
Bei aller
Tätigkeit und allem Eifer für das Wohl der Seelen ließ
der Bischof von Genf keineswegs den eigentlichen Zweck
seiner Reise aus dem Auge; er sollte das Seinige dazu
beitragen, um die von seinem Fürsten gewünschte Heirat
zwischen seinem Sohne, dem Prinzen von Piemont, und der
Schwester des französischen Königs, Christine, zu Stande
zu bringen. Redlich hatte er das getan und seine
Bemühungen waren nicht ohne Erfolg geblieben. Als es
sich aber darum handelte, die Bedingungen des
Heiratsvertrages näher zu bestimmen, erhoben sich
bedeutende Schwierigkeiten zwischen den Bevollmächtigten
des Herzogs von Savoyen und den französischen Ministern;
je mehr man unterhandelte, um so uneiniger wurde man, ja
es kam so weit, dass die savoyischen Gesandten alle
Hoffnung aufgaben und schon an ihre Rückkehr dachten,
als Franz eines Tages, als er gerade vom Altare gekommen
war, zu ihnen sagte: „Wartet noch, Gott wird Alles zu
einem guten Ende führen." In der Tat wurde einige Tage
nachher der Heiratskontrakt unter Bedingungen
geschlossen, die für Piemont außerordentlich vorteilhaft
waren, und schon einen Monat nachher fand die Hochzeit
in Paris statt. Jedermann schrieb das Zustandekommen
dieser so sehnlichst gewünschten Verbindung dem Gebete
und der Klugheit des Bischofes von Genf zu, und die
Prinzessin Christine ernannte ihn, um ihm einen Beweis
ihrer Achtung und Hochschätzung zu geben, zu ihrem
Großalmosenier
(oberster
Geistlicher des Klerus am französischen Hof),
eine Wahl, die von allen Seiten den ungeteiltesten
Beifall fand und zu der man der Prinzessin Glück
wünschte. Selbst die Hofleute, welche sonst eben nicht
so häufig der Frömmigkeit und Tugend ihre Anerkennung
zollen, waren unerschöpflich im Lobe des Bischofes von
Genf. Sie hatten gesehen, dass er nur bei Hofe
erschienen war, so oft seine Mission es erheischte,
sonst aber nie; und stets war er daselbst aufgetreten
mit der Würde, die seiner Tugend und seinem Charakter
eigentümlich war, liebenswürdig ohne zu schmeicheln,
voll Majestät und doch ohne Stolz, voll Weisheit ohne
Verschlagenheit, mit einem Worte, als das Bildnis Gottes
auf Erden, nach dem Ausdrucke Alexanders von Vendome,
Großprior der Malteser in Frankreich. Darum war Franz
allein über diese ihm widerfahrene Ehre überrascht; er
hatte an nichts weniger gedacht. „Weder direkt noch
indirekt habe ich mich um diese Stelle beworben, schrieb
er an Frau von Chantal
(Brief 481.);
keinen anderen Ehrgeiz verspüre ich in mir, als den Rest
meiner Tage zur Ehre Gottes anzuwenden." Er empfand
sogar eine entschiedene Abneigung gegen das Hofleben
(Geist des
heil. Franz von Sales, VXIII, 2.);
er verlangte nichts weiter als ruhig in seiner Diözese
verweilen zu können; und wenn er die Stelle eines
Großalmoseniers annahm, so geschah es nur deshalb, weil
das huldvolle Wohlwollen der Prinzessin und die
dringenden Bitten, sie anzunehmen, ihm nicht erlaubten,
sie abzuschlagen. Doch tat er es nur unter zwei
Bedingungen: erstens, dass diese Stelle seinen
bischöflichen Pflichten durchaus keinen Eintrag tun
dürfe und ihn durchaus nicht hindere, stets in Annecy zu
residieren; dass er sodann zweitens keinen Gehalt als
Almosenier beziehen dürfe. Als ein ferneres Zeichen
ihres Wohlwollens schenkte ihm die Prinzessin einen
kostbaren Diamant im Werte von fünfhundert Talern. Er
konnte nicht umhin auch ihn anzunehmen, bemerkte aber
gleich dabei, wozu er ihn schon bestimmt habe. „Madame,
sprach er, das wird etwas für unsere Armen von Annecy
sein (Charl.-Aug.,
p. 524.)."
Unterdessen
war die Abtei von St. Genovefa, deren Einkünfte sich auf
viertausend Taler beliefen, erledigt worden und die
Freunde des Bischofes teilten ihm mit, dass dies reiche
Benefizium ihm angeboten sei; wenn er es annehmen wolle,
so würde der König sich eine Freude daraus machen, ihn
zu ernennen und andererseits würde eine solche
Vermehrung seiner Einkünfte ihn in Stand setzen, mehr
Gutes zu tun und seiner hohen Würde entsprechender
auftreten zu können. „Nein, antwortete er, ich will die
Abtei nicht, ich bedarf Nichts." Alles Drängen, selbst
bittere Vorwürfe über seine Sorglosigkeit waren
vergebens, er ging von seinem Entschlusse nicht ab
(Charl.-Aug.,
p. 526.).
Seine edle
Uneigennützigkeit und Demut ließ ihn ein noch
glänzenderes Anerbieten ausschlagen, welches ihm der
Kardinal von Retz, Bischof von Paris
(Paris wurde erst
drei Jahre später, 1622, zum Erzbistum erhoben.),
machte, sein Koadjutor
(Vertreter-Bischof)
mit dem Rechte der Nachfolge zu werden
(Geist des heil.
Franz von Sales, IV, 6.).
Lebhaft wünschte er seiner Diözese einen Prälaten zu
sichern, von dem er bei jeder Gelegenheit sagte, er
glaube nicht, dass die Kirche einen heiligeren Bischof
seit dem heiligen Martin und dem heiligen Ambrosius
besessen habe, noch einen größeren Lehrer seit dem
heiligen Augustinus und Thomas, oder eine frömmere
Persönlichkeit seit dem heiligen Bernhard und Ildephons.
Franz gab die nämliche Antwort, welche er in Betreff der
Abtei von St. Genovefa gegeben. Um seinen Widerstand zu
besiegen, verpflichtete sich der Kardinal, ihm, bis er
wirklicher Bischof geworden, einen bedeutenden
Jahresgehalt zu zahlen, die unbeschränkteste
Machtvollkommenheit zu lassen, die Diözese ganz nach
seinem Gutdünken zu leiten, ferner zu bewirken, dass
sein Bruder Johann Franz zum Bischofe von Genf ernannt
würde und alle Kosten der päpstlichen Bullen für diesen
sowie für ihn selbst zu bezahlen. Außerdem wies er
daraufhin, wie viel Gutes er unter einem Volke, das ihn
schon so sehr liebe, wirken könne, wie dankbar er
selbst, der Bischof, ihm stets sein werde. Alles war
umsonst. Dem Kardinal herzlich für sein Wohlwollen
dankend erklärte Franz, dass er sich von der Genfer
Kirche, der er schon so viele Jahre angehöre, um so
weniger trennen wolle, gerade weil sie arm sei; die
Bürde dieser Diözese laste schon schwer genug auf seinen
Schultern und wenn er sie verlassen sollte, so würde es
nur geschehen, um keine andere mehr anzunehmen. Zudem
nahe schon das Greisenalter mit raschen Schritten und
fühle er bereits sehr die Gebrechen, welche es
naturgemäss mit sich bringe. „Die Diözese Genf, bemerkte
er unter anderem, ist jener Teil des Weinberges, den zu
bearbeiten der Herr mich berufen hat, und ohne mein Heil
in Gefahr zu bringen, kann ich ihn nicht verlassen. Man
weiht sich nicht dem Dienste der Kirche, um ein großes
Vermögen zu sammeln, sondern um das Feld urbar zu
machen, das der Hausvater uns angewiesen hat
(Annee de la
visitation, 17. avril. – Geist des heil. Franz von
Sales, IV, 6. )."
Der Kardinal
musste sich darein (in diese Angelegenheit) ergeben, und
Franz blieb in seiner bescheidenen Stellung. „Welch eine
Freude machte mir gestern mein Herz. sprach er anderen
Tages zu seinem Freunde Favre. Nicht allein warf ich
nicht einen einzigen Blick des Wohlgefallens auf die
Ehren, welche man mir anbot, sondern ich verachtete sie,
als wäre ich schon im Augenblicke des Todes, wo die
ganze Welt nur Rauch zu sein scheint. Man bemerkt mir,
dass es vorteilhaft für mich sein würde, wenn ich
reicher wäre; aber ich bin ja so reich als irgend ein
französischer Bischof. Jene, welche mehr haben, brauchen
auch mehr, und am Ende des Jahres sind sie und ich
gleich weit
(Nach de Chaugy. – Charl.-Aug., p. 525 et 526.)."
Ehre und Lob
blendeten ihn ebenso wenig als der Glanz, welchen der
Reichtum gewähren kann. Hochgeachtet bei Hofe und von
allen Klassen der Gesellschaft, die ihn wie einen
Heiligen verehrten und ihn den gelehrtesten und
beredtesten Prediger seines Jahrhunderts nannten, trat
er nie aus seiner Demut heraus; je mehr man ihn rühmte,
um so kleiner kam er sich selbst vor und errötete vor
dem Herrn über seine Armseligkeit und sein Elend. Die
Meinung der Menschen war nach seinem Dafürhalten nur
eine beweinenswerte Eitelkeit, irdische Größe nur Armut,
alles Vergängliche nur Schein und er seufzte bei dem
Gedanken, dass unsterbliche Seelen sich durch solch
trügerische Güter verlocken lassen. „O mein Gott!
schrieb er an Frau von Chantal (Brief 492. – Geist des
heiligen Franz von Sales, XVII, 7.), wie viel besser ist
es, arm zu sein im Hause Gottes, als zu wohnen in den
Palästen der Könige! Ich mache hier das Hof-Noviziat
durch, aber nie werde ich Profess ablegen. .... Der Hof
ist der Sammelplatz aller Freuden der Welt, der
Widerhall all ihrer Grundsätze, ein zweifacher Grund für
mich, ihn zu verabscheuen. Gott sei Dank, hier am Hofe
habe ich gelernt, einfältiger und weniger weltlich zu
sein. Wäre es möglich, dass wir, nachdem wir die
Schönheit und Ewigkeit Gottes recht betrachtet haben,
noch Gefallen finden könnten an dieser erbärmlichen
Eitelkeit der Welt? .... Neulich predigte ich vor der
Königin. Aber vor den Prinzen und Prinzessinnen habe ich
nicht lieber gepredigt als vor unserer armen kleinen
Genossenschaft von der Heimsuchung in Annecy. .... Die
Königin hat mich mit Beweisen des Wohlwollens überhäuft,
aber deshalb bin ich nicht stolzer geworden. Der Anblick
der irdischen Größen zeigt mir die Erhabenheit der
christlichen Tugenden besser und lässt mich die
Verachtung besser schätzen. Welch ein Unterschied
zwischen dieser Gesellschaft von Intriganten – denn der
Hof ist nichts Anderes – und einer Gesellschaft frommer
Seelen, die keinen anderen Ehrgeiz kennen, nichts
Anderes wollen, als den Weg zum Himmel gehen! Ach, wenn
wir wüssten, worin das wahre Gute besteht
(Brief 474.)!"
Der Prinz
von Piemont dachte nun ernstlich daran, in sein
Vaterland zurückzukehren und sein ganzes Gefolge musste
demgemäß seine Vorbereitungen treffen.
Die Abreise
des Bischofes von Genf versetzte seine Freunde in eine
wahre Trauer; niemanden aber tat es mehr wehe, als zwei
edlen Damen, der Frau Phelippeaux, Gräfin von
Ville-Savin und der Präsidentin de Lamoignon. Erstere
weinte um ihn als ihren Engel, der sie auf dem Wege des
Himmels leitete: von ihm, pflegte sie zu sagen, habe ich
gelernt, Gott nach freier Frankenart zu dienen, d. h.
mit Einfachheit, Geradheit und ohne Ängstlichkeit.
Letztere, eine wahre Heldin ihres Jahrhunderts in ihrer
Liebe zu Gott und Milde gegen die Armen, in ihrem
erleuchteten Eifer für eine gute Erziehung ihrer Kinder,
denen sie als vorzügliches Erbe das Beispiel ihrer
Wohltätigkeit und einen lebendigen Glauben zu
hinterlassen bemüht war, betrübte es nicht weniger, ein
vollendetes Vorbild der Vollkommenheit zu verlieren,
welchem ähnlich zu werden ihr ernstliches Bemühen
gewesen war. Als der Augenblick der Trennung gekommen,
zerfloss sie in Tränen, nicht minder ihre ganze Familie.
Der Bischof gab sich Mühe, ruhig und gefasst zu bleiben;
als aber die edle Frau sich beklagte, dass er sie kalt
und gleichgültig verlasse, da übermannte ihn das Gefühl
seines Herzens und nach dem Rate des Apostels weinte er
mit den Weinenden.
Nachdem er auf seiner Rückreise noch verschiedene
Besuche abgestattet hatte, langte er glücklich in seinem
geliebten Annecy wieder an. Er zeigte durch die Tat,
dass die wenige Zeit, die er an dem glänzendsten und
üppigsten Hofe zugebracht hatte, ihm ein Mittel gewesen
war, sein Herz noch mehr als sonst von dem Irdischen
loszuschälen. In einer Hungersnot, die bei seiner
Rückkehr im Lande herrschte, ließ er Getreide und sonst
Almosen je nach Bedürfnis austeilen und empfahl den
Beichtvätern, sich besonders der verschämten Armen
anzunehmen; sollten die Mittel, über welche man verfügen
konnte, nicht ausreichen, so möchten sie die
Wohltätigkeit der Reichen anflehen. Sein Verwalter hatte
ihm unterdessen Rechenschaft über die in seiner
Abwesenheit eingegangenen Einkünfte des Bistums
abgelegt. „Ich kann davon nichts annehmen, sprach er,
denn ich habe sie nicht verdient;" und er verwandte
Alles zum Besten seiner Domkirche
(Charl.-Aug., p. 529
. – Dom Jean de Saint Francois, p. 484.).
Ebenfalls
während seiner Abwesenheit hatten seine Beamten mehrere
bedeutende Prozesse gegen einige Edelleute gewonnen,
welche sich verschiedene kirchliche Gerechtsame und
Einkünfte angemaßt hatten. Sein Verwalter, der nur über
beschränkte Mittel verfügen konnte, bestand darauf, dass
der Schaden und alle Kosten der Prozesse bis aufs Letzte
vergütet würden; allein Franz gab das durchaus nicht zu.
„Aber, bemerkte ihm der Verwalter, diese Kosten belaufen
sich auf eine beträchtliche Summe!" --- „Und hältst du
es denn für etwas Geringes, erwiderte er, Herzen zu
gewinnen, welche diese Prozesse vielleicht feindselig
gegen mich gestimmt haben? mir gilt das Alles. Ich bin
ihr Vater und ich muss sie als meine Kinder behandeln.
Gehe zu ihnen und sage ihnen in meinem Namen, dass ich
ihre frühere Schuld streiche, auch keine Entschädigung
für die Kosten verlange, unter der einzigen Bedingung,
dass sie künftig die Rechte des Bistums, wie sie durch
Urteil des Senates erwiesen sind, anerkennen und
achten." Um diesem Befehle nachzukommen, dazu bedurfte
es für den Verwalter nicht weniger als vierzehn Tage, da
die Betreffenden ziemlich weit auseinander wohnten
(Charl.-Aug.,
p. 529.).
So benahm
sich der edle Bischof stets in solchen Dingen. Der alte
Rolland war keineswegs zufrieden damit und eines Tages
stellte er seinem Herrn vor, dass er nicht mehr
Verwalter bleiben könne, wenn das so fortgehe; seine zu
große Milde mache es ihm nachgerade unmöglich. „Nun,
Herr Rolland, versetzte darauf Franz, werde nicht böse;
hätten die Leute nicht gefehlt, so würde ja ohnehin von
einer Geldbuße und Entschädigung keine Rede sein können.
Weißt du denn nicht, dass es mir gar nicht einfallen
kann, zu prozessieren, um mich zu bereichern, sondern
nur allein, um die Rechte der Kirche zu wahren und die
Untergebenen in ihrer Pflicht zu halten?" Allein Rolland
ließ sich durch diese Gründe nicht überzeugen und fuhr
fort zu klagen. „Aber, fuhr sein Herr fort, siehst du
denn nicht ein, dass wir nun, nachdem wir unseren
Prozess, um die Rechte der Kirche zu wahren, gewonnen
haben, die Freundschaft und Liebe des Nächsten, welche
wir durch Prozesse gewöhnlich einbüßen, wieder gewinnen
müssen? Sind wir nicht im Besitze dieser Freundschaft
und wäre es möglich, sie durch Prozessieren zu gewinnen,
so müsste man es deshalb tun; denn ein Vater muss sich
die Liebe seiner Kinder zu erwerben suchen
(Nach de Chaugy.)."
Wiewohl eine solche Großmut seine Kasse nicht füllen
konnte, so wusste er doch noch immer Etwas darin zu
finden, wo es galt, dem Nächsten zu helfen, ihn in der
Not zu unterstützen. Hatte er kein Geld, so ließ er
verkaufen, was er nur immer in seinem Hause entbehren
konnte, selbst die Kapelle schonte er nicht, wie wir
schon gesehen haben.
Von jener
noch erhabeneren Großmut gegen Feinde seiner Person, die
ihn verleumdeten, ihn mit Vorwürfen und Beleidigungen
überhäuften, gab er um diese Zeit aufs neue einen
herrlichen Beweis. Eine vornehme Familie beschuldigte
ihn, eine ihr missliebige Heirat zu Stande gebracht zu
haben, und überschüttete ihn deshalb mit dem bittersten
Tadel, ja den gröbsten Schmähungen. Sein ganzer Fehler
war gewesen, dass er auf Befragen nur Rühmliches von dem
jungen Manne, um den es sich handelte, sagen konnte, und
dass das Braut-paar in seiner Gegenwart sich gegenseitig
das Eheversprechen abgelegt hatte. Aber kein Gefühl der
Bitterkeit stieg in seiner Seele gegen Jene auf, welche
ihm dies Unrecht zufügten, und er schrieb sogar einen
liebevollen Brief an sie
(Brief 483.),
in dem er sie bat, .,ihm zu gestatten, dass er seine
Seele erleichtere, indem er sich bei ihnen selbst über
ihre Klagen beklage, die ihn betrübten und in Erstaunen
setzten." Damit hatte er das Seinige getan und verhielt
sich nun vollkommen ruhig, ohne sich einen Augenblick
die Heiterkeit und den Frieden der Seele rauben zu
lassen. „Die Vorsehung, schrieb er bei derselben
Gelegenheit
(Brief 481. – Geist des heiligen Franz von Sales, XVIII,
3.),
weiß, welches Maß von Ehre ich bedarf, um ihr Werk zu
vollenden, und ich will weder mehr noch weniger, als ich
nach ihrem Wohlgefallen haben soll. Mag man auch über
mich urteilen und mich tadeln, wie man will, es ist mir
einerlei
(Brief 484.).
Vor Gott weiß ich mich frei von Schuld in dieser Sache.
Wohl wäre es mir lieb, das Wohlwollen dieser Familie um
meines Amtes willen wieder zu gewinnen; wenn mir das
nicht gelingt, so soll mich das aber nicht hindern,
ruhig durch Ehre oder Unehre hindurch zu gehen, ich
werde von beiden immer mehr haben, als ich verdiene. .
." „Ich habe, schrieb er ferner an Frau von Chantal
(Brief 486.),
die Wut dieser entfesselten Winde der Leitung der
Vorsehung anheimgestellt; mögen sie fortfahren zu toben
oder sich legen, ich will, was Gott will; Windstille und
Sturm sind mir gleichgültige Dinge.
Glückselig
seid ihr, wenn die Menschen alles Böse fälschlich wider
euch reden um meinetwillen
(Matth. V, 11.).
Würde die Welt keinen Tadel an uns finden, so wären wir
keine Diener Gottes. Ich befehle die Sache der
allerseligsten Jungfrau und bin entschlossen, ihr die
Sorge dafür ganz zu überlassen; wenn man gegen die Wogen
ankämpft, so trägt man nur Schaum davon. Seien Sie nicht
so weichherzig und empfindlich in dem, was mich
betrifft; ich muss es wohl zufrieden sein, dass man mich
tadelt. Verdiene ich es nicht in dieser Hinsicht, sodann
doch in einer anderen. Sollte ich denn allein in der
Welt frei von Schmach sein wollen? Es ist ein gutes
Stück Selbstsucht dabei, wenn wir wollen, dass jedermann
uns liebt und dass Alles zu unserer Ehre ausschlägt."

Achtes Kapitel.
Fernere Tätigkeit des heiligen Franz von Sales in seinem
bischöflichen Amte und neue Züge aus seinem heiligen
Leben.
(1619 und
1620)
Da Franz von
Sales die Stelle eines Großalmoseniers der Prinzessin
von Piemont nur unter der Bedingung angenommen, stets in
seiner Diözese bleiben zu können, so erbat sich letztere
seinen Bruder Johann Franz zu seinem Stellvertreter in
diesem Amte. Der Bischof gab mit Freuden seine
Zustimmung, denn er hielt seinen Bruder mehr geeignet
für das Hofleben als sich, und Johann Franz begab sich
demgemäß nach Turin. Er benahm sich in seiner neuen
Stellung mit einer Weisheit und Umsicht, welche ihm die
Achtung und Liebe Aller in einem so hohen Grade
erwarben, dass der Herzog schon nach zwei Monaten ihn
dem Papste als Koadjutor von Genf vorschlug, ein Beweis
des Wohlwollens, der den Bischof mit aufrichtiger Freude
und dem größten Danke gegen den Fürsten sowie die
Prinzessin erfüllte.
Es war im
Advent, und keinen Augenblick das Wohl seiner Herde
außer Acht lassend, hatte er am ersten Sonntage in
dieser heiligen Zeit eine Reihe von katechetischen
Vorträgen über die Gebote Gottes in seiner Domkirche
begonnen, welche er an allen folgenden Sonntagen zur
größten Freude und Zufriedenheit Aller fortsetzte. „Ich
predige hier, schreibt er an Frau von Chantal
(Brief 486.),
über die Gebote Gottes; man hat es von mir verlangt, und
die Aufmerksamkeit, mit der man mir zuhört, ist eine
wunderbare. Aber ich predige auch von ganzem Herzen, und
ich muss Ihnen gestehen, dass Gott diesem Herzen große
Gunst erweist, indem er ihm eine große Liebe zu den
Wahrheiten des Christentums einflößt, welche eine Folge
der großen Klarheit ist, mit der er mich ihre Schönheit
schauen lässt, sowie jene Liebe, mit der die Heiligen im
Himmel sie umfassen, wo man nach meiner Meinung mit
unvergleichlicher Freude singt. „Selig die Armen im
Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich
(Matth. V, 3.)."
Auf eine
noch herrlichere Weise übte er stets Alles, was er
predigte, und bei jeder Gelegenheit gab er davon die
glänzendsten Beweise. Ein junger Edelmann, der
Ermahnungen des Heiligen, er möge einen besseren
Lebenswandel beginnen, überdrüssig, beschloss sich an
ihm zu rächen; was man sich früher schon erlaubt hatte,
das wiederholte er: unter den Fenstern der bischöflichen
Wohnung versammelte er einen Haufen unverschämter
Burschen, die mit Jagdhörnern und von einer Meute Hunde
unterstützt die ganze Nacht einen höllischen Lärm
machten. Die Brüder des Bischofs waren empört über eine
solche Beschimpfung und wollten die Nichtswürdigen mit
Gewalt vertreiben lassen; aber er widersetzte sich dem
mit aller Entschiedenheit, indem er bemerkte, man könne
sie nicht empfindlicher strafen, als dadurch, dass man
sie gar nicht beachte, und übrigens würde der Morgen
ihnen eine weit härtere Züchtigung bringen. So geschah
es; der junge Edelmann wurde von einer sehr gefährlichen
Krankheit befallen, und die Rache des Heiligen bestand
darin, dass er ihn während derselben auf's liebevollste
besuchte; die Genossen seines Frevels hatten sich alle
eine Brustentzündung oder sonst etwas der Art zugezogen,
was die rächende Hand Gottes nicht verkennen ließ
(De Cambis, III, 78.).
Der Eifer
des heiligen Bischofs erstreckte sich nie auf seine
nächste Umgebung allein; durch seinen ausgedehnten
Briefwechsel wurde er auch für eine Menge von Seelen,
denen das Glück nicht beschieden war, stets in seiner
Nähe zu leben, ein Führer zur Vollkommenheit und zum
Himmel, und gerade aus dieser Zeit datieren eine große
Anzahl seiner Briefe, besonders an Angelika Arnaud,
sowie an deren Vater, an Frau von Chantal, den
Erzbischof von Bourges und viele Schwestern aus dem
Orden der Heimsuchung. Unter Anderem schrieb er an eine
solche, welche der Gegenstand vielfacher Verleumdungen
war und sich dieselben sehr zu Herzen gehen ließ, die
denkwürdigen Worte: „Wenn es Ihnen, indem sie sich ganz
der Leitung der göttlichen Vorsehung überlassen,
gelänge, recht fest in der Gleichgültigkeit gegen solche
Dinge zu werden, so würden Friede und Ruhe Ihr Anteil
sein; Derjenige nun, welcher in dieser Welt nicht in
diesem Frieden leben kann, muss wenigstens in der Geduld
leben (De
Cambis, III, 78.)."
Außerdem gab
er um die nämliche Zeit den Eremiten vom Berge Voiron
eine bestimmte Regel, wodurch er gleichsam der Stifter
einer neuen Ordensgesellschaft wurde.
Ein Herr von
Langin hatte für sich und einen Gefährten in seiner
Einsamkeit auf diesem Berge eine Klause mit einer
Kapelle er-richtet, in welch' letzterer sich eine Statue
der allerseligsten Jungfrau mit dem Jesuskinde befand.
Nach seinem Tode hatten sich andere fromme Einsiedler
daselbst niedergelassen und durch ihr heiliges Leben die
ganze Umgegend erbaut, bis der Kalvinismus mit seiner
Unduldsamkeit auch ihre Einsamkeit erreichte und sie
daraus vertrieb; Klause und Kapelle wurden zerstört.
Allein die Statue der allerseligsten Jungfrau, sowie das
Glöcklein der Kapelle, dessen hellen Ton man bis Genf
und Lausanne hören konnte, wurden durch ein Wunder
erhalten. Erstere konnte trotz aller Anstrengungen nicht
von der Stelle bewegt werden und die Glocke wurde so
tief unter dem im Monat August reichlich fallenden
Schnee begraben, dass sie trotz alles Suchens nicht mehr
aufzufinden war. Andere fromme Einsiedler hatten später
Kapelle und Klause wieder aufgebaut und von Rom Ablässe
für Wallfahrer nach diesem Orte erhalten
(Charl.-Aug., p. 532
et suiv.).
So standen die Dinge, als ein Einsiedler den Sekretär
des Gouverneurs von Mailand, Anton Rigaud, kennenlernte,
der nach einem tätigen und bewegten Leben sich in die
Einsamkeit zurückziehen wollte, um den Rest seiner Tage
der Vorbereitung auf einen frommen Tod zu widmen. Als
ihm der Einsiedler die Annehmlichkeiten und die ruhige
Stille seines Aufenthaltes schilderte, in welchem man
ohne strenge körperliche Bußübungen die Zeit zwischen
Arbeit und Gebet teile, glaubte er, eine solche
Lebensweise seinen Wünschen ganz entsprechend zu finden,
und entschlossen, Alles zu verlassen und sich in diese
Einsamkeit zurückzuziehen, bat er den Bischof von Genf
um die Erlaubnis, sich den guten Einsiedlern anschließen
zu dürfen. Franz gab gerne seine Einwilligung dazu
(Das. p. 531.).
Da aber die Eremiten bis jetzt unter keiner anderen
Regel lebten, als jener, welche sie sich selbst gegeben
hatten, hielt er es für zweckmäßig, ihnen kanonische
Satzungen vorzuschreiben. Es herrscht in ihnen der Geist
des Verfassers, seine nachsichtige Liebe, welche die
menschliche Schwäche schont, seine Sanftmut, welche
bestrebt ist, die Tugend liebenswürdig zu machen, seine
Weisheit, welche die Vollkommenheit mit kluger Mäßigung
vereinigt.
Wie Franz an
Jahren zunahm, so auch an Heiligkeit des Lebens und umso
herrlicher offenbarte es sich, wie die göttliche Gnade,
der heilige Geist, sein ganzes Wesen durchdrang und mehr
und mehr umwandelte. Eines Tages war er, als er sich auf
die heilige Messe vorbereitete, so ganz in Betrachtung
versunken, dass er ganz und gar nicht bemerkt hatte,
dass die bestimmte Stunde zum Beginne derselben schon
vorüber sei. Einer seiner Kapläne machte ihn darauf
aufmerksam, dass man auf ihn warte. „Ach, rief er da,
freudig sich erhebend, aus, ich soll ihn also empfangen
den göttlichen Heiland, er soll mir also zuteil werden."
Und eine außergewöhnliche Freude leuchtete aus seinem
Antlitze, als er sich mit den heiligen Gewändern
bekleidete. Als sein Beichtvater ihn nachher über den
Grund dieser Freude befragte, antwortete er. „Gott hat
mir große Erleuchtungen über die Menschwerdung und die
heilige Eucharistie zuteil werden lassen und mich mit
einer solchen Fülle von Gnaden überschüttet, dass die
innere Freude auch in meinem Äußeren widerstrahlte.“ Als
er einige Tage nachher in der Domkirche über die Liebe
Gottes predigte, erschien er plötzlich von einem so
glänzenden Lichte umflossen, dass man seine Person kaum
mehr zu unterscheiden vermochte
(Charl.-Aug., p.
543.);
eine Tatsache, welche von fünf glaubwürdigen Zeugen
eidlich bestätigt wurde. In Premery, wo er mehr als
fünfhundert Personen das Sakrament der Firmung gespendet
hatte, heilte er einen Tobsüchtigen durch eine sanfte
Berührung seines Hauptes
(De Cambis, III, 89.
– Charl.-Aug., p. 344.).
In Faucigny gab er einem Kranken, den die Ärzte
aufgegeben hatten, durch sein Gebet plötzlich die
Gesundheit wieder
(De Cambis, III, 117.
– Charl.-Aug., p. 515.).
In Annecy heilte er, indem er das Zeichen des Kreuzes
über ihn machte, einen Wahnsinnigen, dessen Wutanfälle
so furchtbar waren, dass man ihn an Händen und Füßen
gebunden halten musste
(De Cambis, III, 98.
– Charl.-Aug., p. 545).
Aus zwei Frauen trieb er den Teufel aus
(Charl.-Aug., p.
550.)
und eine
Kranke wurde gesund, nachdem sie einfach sein Röckel
geküsst hatte
(De Cambis, III, p. 131 et 132. - Charl.-Aug., p. 550.).
Es war darum
kein Wunder, wenn die allgemeine Verehrung für ihn stets
zunahm. Frankreich beneidete Savoyen um einen solchen
Prälaten, und wie früher schon Heinrich IV., so
versuchte es Ludwig XIII. aufs neue, ihn für sein Land
zu gewinnen, indem er ihm eine ehrenvollere,
einträglichere und mit weniger Beschwerden verbundene
Stellung anbot. Frau von Chantal, welche durch den
heiligen Vincenz von Paula immer Kenntnis von den
Absichten des Hofes erhielt, schrieb ihm oft darüber. In
mehreren Briefen teilte er ihr die Gesinnungen seines
Herzens mit, welches von Allem losgeschält nur die
größere Ehre Gottes wollte. „Mag die Vorsehung, schrieb
er (Brief
518.),
mir meinen Aufenthalt anderswo anweisen oder mich hier
lassen --- denn das ist mir ganz gleich --- wird es
nicht besser für mich sein, nicht so viele Pflichten und
Obliegenheiten auf mir zu haben, damit ich unter dem
Kreuze des Herrn ein wenig Atem schöpfen und etwas zu
seiner Ehre und Verherrlichung schreiben kann? Doch, wir
wollen Acht haben aus das, was der Herr uns gebieten
wird, ich will nichts als seine größere Ehre, welche
über alle meine Wünsche und Neigungen gehen muss. Ich
beschaue und prüfe mich von allen Seiten, ob das Aller
mich nicht etwa zur Habsucht hinneigen lässt, und ich
finde im Gegenteil, dass es mich von allen Sorgen frei
macht und von ganzem Herzen und ganzer Seele alle
Filzigkeit, alle weltliche Vorsorge und Ängstlichkeit,
in Not zu geraten, verachten lässt. Je weiter ich komme,
um so mehr finde ich die Welt hassenswert, eitel und
ungerecht, umso mehr empfindet meine Seele das
glühendste Verlangen, nichts der Beachtung wert zu
halten, nichts zu schätzen als die Liebe zum
gekreuzigten Jesus; und ich bin so gleichgültig gegen
die Ereignisse und Dinge dieser Welt, dass nichts, ich
möchte sagen, auch nur einen leisen Eindruck auf mich
macht. Nur die Ehre Gottes und der Befehl des Papstes
kann mich aus meiner Diözese wegbringen
(Brief 519.)".
Im Monat Mai
erfolgte die offizielle Ernennung seines Bruders zum
Koadjutor von Genf und die Bestätigung desselben durch
den heiligen Stuhl. „Mein Bruder ist also Bischof,
schrieb er an Frau von Chantal
(Brief 519.),
es ist wahr, das macht mich nicht reicher, aber es
verschafft mir Erleichterung und gewährt mir einige
Hoffnung, mich aus dem Gedränge zurückziehen zu können;
das ist mir lieber als ein Kardinalshut". In der Tat
ging er ernstlich mit dem Gedanken um, sein
bischöfliches Amt aufzugeben und sich in die Einsamkeit
zurückzuziehen, alle seine Einkünfte seinem Bruder zu
überlassen und sich selbst nur vierhundert Taler
jährlich vorzubehalten, denn das, sagte er, reiche hin,
um sich zu nähren und zu kleiden; was darüber
hinausgehe, sei Überfluss, den man besser nicht habe.
Die Freude,
welche er bei dem Gedanken an die Verwirklichung dieses
Planes empfand, wurde grausam getrübt durch eine für ihn
sehr schmerzliche Nachricht. Er hatte einen Freund, der
ihm lieb und teuer war, und dieser Freund fiel vom
wahren Glauben ab, wurde Protestant und ging nach
England. Sein Herz blutete
(Brief 542 u. 545.),
als ihm dies erzählt wurde, und bitterlich weinte er um
den verlorenen Freund. ,,In meinem ganzen Leben, schrieb
er, ist mir keine so schmerzliche Überraschung zuteil
geworden. O über die Eitelkeit des menschlichen Gastes,
der auf sich selbst baut! Wie sind die Menschen so
töricht, wenn sie sich selbst glauben. Mein Freund fand
die geistliche Oberhoheit des Papstes über die Christen
nicht hinlänglich begründet, und siehe da, er hat sich
der geistlichen Oberhoheit eines Königs unterworfen,
dessen Machtvollkommenheit für andere als bürgerliche
Dinge aus der heiligen Schrift nie bewiesen werden
kann." Und der Gedanke an das Los Englands, des ganzen
schönen Landes, trat ihm wieder lebendig vor die Seele
und erfüllte ihn mit schmerzlicher Wehmut. „Ich fühle
mich ganz besonders, schrieb er, zu dieser großen Insel
und ihrem Könige hingezogen, und ohne Unterlass bete ich
für ihre Bekehrung zur göttlichen Majestät, und zwar mit
dem Vertrauen, dass mein Gebet sowie das vieler anderer
Seelen, welche danach seufzen, eines Tages erhört werden
(Charl.-Aug.,
p. 549.).
Zu dem
Schmerze über den Abfall seines Freundes gesellte sich
noch ein anderer, der kaum weniger empfindlich war. Wir
haben früher erzählt, welche Mühe er sich gegeben hatte,
um in der Abtei Sixt Zucht und Ordnung wieder
herzustellen. Es war ihm auch gelungen für eine Zeit
lang. Allein die von ihm gegebene Regel geriet nach und
nach wieder in Verfall und wurde jetzt so schlecht
beobachtet, dass man allgemein über die früheren
Bemühungen des Bischofes spottete und sagte, er habe von
seinen zwei Reisen nach der Abtei nichts als die Kälte,
das Eis und den Schnee des Gebirges mitgebracht.
„Spottet nur, bemerkte der gutmütige Bischof, der nie an
der Bekehrung Jemandes verzweifele, solchen Redensarten
gegenüber, unter dem Schnee liegt immer guter Same
verborgen; die Zeit der Ernte wird schon kommen. Der
Landmann, welcher seine Felder von Reif bedeckt sieht,
wartet geduldig, bis seine Arbeit Früchte bringt, und in
dieser Erwartung lebe auch ich. Wenn der Schnee
geschmolzen ist, dann werden wir ernten. Am Werke Gottes
muss man arbeiten, wie Gott selbst daran arbeitet, und
nicht nach Art der Menschen; Gott ist langmütig und
barmherzig, er wartet, bis wir Buße tun, während der
Mensch ungestüm und jähzornig ist und oft nur für sich
selbst Barmherzigkeit kennt
(Annee de la
visitation, 20. Decembre.)".
Voll
Hoffnung auf einen endlichen Erfolg fuhr darum der
geduldige Bischof fort, durch Briefe die Mönche von Sixt
zur getreuen Beobachtung ihrer Regel zu ermahnen, und
nicht vergebens. Dem Heiligen lange Widerstand zu
leisten war ihnen nicht möglich, und sie sandten ihm das
schriftliche, vom ganzen Kapitel unterzeichnete
Versprechen, von nun an ihrer Regel gemäß leben zu
wollen. Franz beeilte sich, ihnen seine Freude über
diesen Entschluss auszudrücken und jenen Akt des
Kapitels zu bestätigen. ,,Wir heißen gut und bestätigen
diesen Akt, schrieb er ihnen, und befehlen, dass er
beobachtet und vollzogen werde. Wir loben Euch darum,
wir lieben Euch aus allen Kräften im Herzen Jesu Christi
und geben Euch unseren väterlichen Segen." Um die Mönche
noch mehr in diesen guten Entschlüssen und Gesinnungen
zu befestigen, machte er eine dritte Reise nach Sixt,
und es gelang ihm so vollkommen, dass sie sogar eine
noch ausgedehntere und vollkommenere Regel als die
bisherige annahmen.
Während
seines Aufenthaltes in der Abtei kam eine Menge von
Leuten jeden Standes aus Fauciguy, Chablais und Gex, die
sich bei ihm in den verschiedensten Angelegenheiten Rats
erholen wollten. Die Abtei musste die Fremden natürlich
unterhalten und man berechnete, dass die Zahl der
Mahlzeiten, welche sie gegeben hatte, sich bis auf
zweihundertvierzig belief. Über die Kosten, welche er
auf diese Weise dem Hause verursachte, betrübt, sagte
Franz den Mönchen, er werde Gott bitten, sie dafür zu
entschädigen, und die Wirkung seines Gebetes war eine so
wunderbare, dass dem Kloster auch nicht der geringste
Schaden aus all' diesen außergewöhnlichen Ausgaben
erwuchs. Der vorbeifließende Fluss lieferte eine solche
Menge der herrlichsten Fische, dass man seit
Menschengedenken nichts Ähnliches gesehen hatte. Ein
anderes Brot, als jenes, welches für die Mönche bestimmt
war, wurde nicht gebacken, und doch reichte es auch für
alle Fremden hin; aus ein und demselben Fasse wurde
aller Wein genommen, dessen man bedurfte, und sein
Inhalt nahm nicht mehr ab, als wenn die Mönche allein
davon getrunken hätten, Tatsachen, welche von sechs
Chorherren der Abtei in dem Kanonisationsprozesse des
Heiligen eidlich bestätigt wurden
(Bernard, Jean,
Passis, Biard, Moccand und Desfayes. -- Charl.-Aug., p.
516.).
Schon früher hatte der Bischof in dieser Gegend etwas
Ähnliches getan. Eines Tages befand er sich auf einer
Reise in den Bergen Faucigny's. Es war ein heißer Sommer
und er hätte für seine vor Durst verschmachtenden
Gefährten gerne eine Erfrischung gehabt. In einem
Wirtshause, an dem sie vorbeikamen, verlangte er deshalb
etwas Wein für sie. Allein der Wirt bemerkte ihm, dass
sein Wein verdorben sei und der Genuss desselben
nachteilig sein könne; einen anderen habe er nicht mehr.
„Das hat nichts zu sagen, sprach der Bischof, lassen Sie
mich den Wein mal kosten." Der Wirt ließ sich endlich
bewegen, ein Glas voll zu bringen, und kaum hatte Franz
ihn an seine Lippen gebracht, als nicht nur der Wein im
Glase, sondern auch jener, welcher noch im Fasse war,
ein lieblicher und ganz vortrefflicher wurde. Alle
Gefährten tranken davon und nahmen sich noch einige
Flaschen mit; den ganzen Rest verkaufte der Wirt
innerhalb zwei Tagen zu einem bedeutenden Preise
(Charl.-Aug., p. 512.
).

Neuntes Kapitel.
Fernere Arbeiten des Heiligen.
(1621)
Johann Franz
von Sales ließ sich, nachdem er als Bischof von
Chalcedon i. p. zum Koadjutor von Genf, mit dem Rechte
der Nachfolge, von Rom bestätigt worden, am 17. Januar
1621 in Turin die Konsekration erteilen, und begab sich
von da einige Tage nachher nach Annecy. Um dem
neugeweihten Bischofe die gebührende Ehre zu erzeigen,
ging ihm Franz mit großem Gepränge (Aufwand) bis an die
Tore der Stadt entgegen, wiewohl es schon ziemlich weit
in der Nacht war, und gab ihm auch an den folgenden
Tagen solche Beweise seiner Ehrfurcht, dass man ihm
bemerkte, er gehe zu weit darin; sich selbst, da er doch
der Erste sei, lasse er zu sehr verschwinden. „Mein
Bruder, antwortete er lächelnd, muss groß werden, ich
klein; er muss jetzt arbeiten, ich muss ruhen." In
ähnlicher Weise äußerte er sich seinem Bruder selbst
gegenüber. „Nie, sprach er, habe ich vom Herzoge die
Gnade begehrt, noch um sie bitten lassen, Dich mir zur
Stütze, zu meinem rechten Arme zu geben. Es ist der
Wille und die Vorsehung Gottes allein, welche Dich zu
dieser Würde erhoben hat; ich danke der göttlichen
Barmherzigkeit dafür, denn ich hoffe, dass Du das Amt
der Martha übernimmst und mir den Platz der Maria lassen
wirst (Annee
de la visitation, 21. avril. – Charl.-Aug., p. 550.)."
Nur kurze
Zeit konnte der neue Bischof in Annecy verweilen; die
Obliegenheiten eines Großalmoseniers riefen ihn wieder
an den Hof und nach drei Tagen schon reiste er nach
Turin zurück, wiewohl es ihm wehe tat, seinen betagten
Bruder im Drange der stets sich mehrenden Arbeiten
allein zu lassen. Besonders bemerkenswert war es an dem
heiligen Bischofe, dass er bei so vielen Beschäftigungen
von so verschiedener Natur nie die andächtige Sammlung
des Geistes verlor, nie aus der inneren Vereinigung mit
Gott heraustrat. „O wie war ich heute Morgen so froh und
zufrieden, schrieb er einst, von Arbeiten überhäuft, an
Frau von Chantal
(Brief 572.),
meinen Gott so groß zu finden, dass es mir nicht einmal
möglich ist, mir seine Größe in etwa vorzustellen! Aber
da ich ihn weder erhöhen noch größer machen kann, so
will ich wenigstens überall seine Größe und
Unermesslichkeit verkünden. Verbergen wir sachte unsere
Kleinheit in dieser Größe; und wie ein Küchlein, bedeckt
von den Flügeln seiner Mutter, warm und sicher sitzt, so
lassen wir auch unser Herz ruhen unter der liebenden
Fürsorge des Herrn und decken wir uns warm zu unter
seinem heiligen Schutze."
Eine halbe
Stunde von Annecy lag die Abtei St. Katharina, von
Nonnen aus dem Orden des heiligen Bernhard bewohnt; halb
verweltlicht, waren diese Nonnen für das Herz des
Bischofs ein Gegenstand neuer Sorge und Bekümmernis. Er
musste sich sagen, dass sie Gott nicht dienten, wie sie
sollten, und beschloss darum, den Versuch zu machen,
einen mehr klösterlichen Geist und Sinn in ihnen zu
erwecken. Zu dem Zwecke besuchte er öfters ihr Kloster
und wies sie mit Nachdruck und doch auch mit Sanftmut
auf ihre Pflichten hin, zeigte ihnen einerseits, welche
Schande es für ein Ordenshaus ist, wenn die Regel in ihm
vernachlässigt wird; schilderte ihnen auf der anderen
Seite das Glück und die Reize einer klösterlichen
Genossenschaft, welche so ist, wie sie sein soll. Aber
nur auf einige wenige, deren Zahl sich auf fünf belief,
machten seine Ermahnungen einen Eindruck; leider setzte
die Äbtissin mit vier anderen jeder Reform einen
entschiedenen Widerstand entgegen. Aus eigener
Machtvollkommenheit durfte Franz nichts Entscheidendes
vornehmen, er bedurfte dazu der Ermächtigung des
heiligen Stuhles und des Hofes von Turin, die er aber
trotz aller Bemühungen -- mehr als hundert Briefe
schrieb er zu diesem Zwecke --- noch immer nicht
erhalten konnte. Die fünf gutgesinnten Nonnen, welche
die Reform wünschten, wurden ungeduldig über diese
Verzögerung und drangen in den Bischof, nicht länger zu
warten, sondern eigenmächtig Hand ans Werk zu legen. Er
antwortete ihnen, dass sie diesen allzu großen Eifer
mäßigen und sich gedulden sollten. „Die Sache lässt sich
in einem Tage nicht abmachen, sprach er; betet,
schweiget, seid geduldig, und Alles wird sich machen,
wenn der im Ratschlusse Gottes bestimmte Augenblick
gekommen ist; vor allem aber seid sanftmütig und demütig
von Herzen. Wünschet wenig, tut viel; sich ergeben und
unterwerfen ist das Wesen des klösterlichen Lebens ....
Gott bedient sich der Zeit zur Verwirklichung der
Ratschlüsse seiner Vorsehung, schrieb er ferner an die
Schwester de Ballon
(Sie war die erste
Oberin der reformierten Bernardinerinnen und die
Nachrichten über diese Reform sind aus ihrem Leben von
P. Jean de Grassy, einem Oratorianer, entnommen.).
Der menschliche Geist liebt seine Bequemlichkeit und
sein eigenes Urteil. Darum kann man es nicht sonderbar
finden, wenn die Pläne und Gedanken Anderer, wie heilig
sie auch sein mögen, auf Widerstand stoßen. Bleiben Sie
ruhig, dulden Sie ruhig, warten Sie ruhig, und Gott,
welcher der Gott der Ruhe und des Friedens ist, wird
schon alles zu seinem Ruhme inmitten dieses Streites
lenken. Machen Sie eine gute Ernte, es ist jetzt die
Zeit dazu. Sammeln Sie die Segnungen, welche Ihnen aus
diesen Widerwärtigkeiten erwachsen können; in einem Tage
werden Sie so mehr gewinnen, als sonst in zehn zu einer
anderen Zeit. Gott wird für Jene reden, welche
schweigen; er wird triumphieren für Jene, welche leiden,
und die Geduld durch einen glücklichen Ausgang
belohnen."
Zwei von den
Schwestern, welche für die Reform waren, hörten nicht
auf die Sprache weiser Mäßigung, sie ließen sich
hinreißen von jenem unüberlegten Eifer, der auch der
besten Sache schadet, weil er sie überstürzt, und beide
wagten es, Briefe an den Bischof zu schreiben, die von
ihrer Unbesonnenheit Zeugnis ablegten. Die eine machte
ihm die schonungslosesten Vorwürfe, die andere beklagte
sich bitter, wiewohl ihr Schreiben in verständigem Tone
gehalten war. „Meine Tochter, antwortete Franz ersterer,
ich möchte Ihnen schon gerne zürnen, aber ich kann es
nicht, da ich nicht in der Laune dazu bin." Der anderen
schrieb er nur die paar Worte: „Die Reform wird
stattfinden, geliebte Tochter, und Gott wird die
Menschen dazu mitwirken lassen, wenn man es am wenigsten
erwartet." Diese Zeilen fielen durch einen
verdrießlichen Irrtum der Äbtissin in die Hände; die
Folge davon war, dass man beschloss, dem Bischofe in
Zukunft das Kloster zu verbieten, und dass die fünf
gutgesinnten Schwestern stets ihre Briefe zeigen
sollten, ehe sie dieselben abschickten. Als Franz von
diesem Beschlusse Kenntnis erhielt, sprach er lächelnd:
„Verschließt man mir das Tor des Klosters, so bleibt mir
immerhin die Kirche offen; dahin werde ich also gehen
und dort können wir miteinander sprechen.“ Zugleich ließ
er den fünf Schwestern sagen, sie könnten ihm schreiben
wie früher; „denn, fügte er hinzu, ich habe eine höhere
Macht, ihnen die Erlaubnis dazu zu geben, als die Frau
Äbtissin." Und er fuhr fort, zu ihnen zu reden und sie
zu belehren. In häufigen Vorträgen zeigte er ihnen, wie
erhaben ihr Beruf sei, wie die Erziehung der Jugend,
womit sie sich abgaben, ein für Zöglinge und
Erzieherinnen nützliches und verdienstliches Werk sei;
er zeigte ihnen, dass der Hauptzweck des Klosterlebens
darin bestehe, den Willen abzutöten mit seinen tausend
Begierden, die Eigenliebe mit ihren unzähligen
Ansprüchen und Empfindlichkeiten, die Seele fest zu
begründen in der vollkommenen Hingabe an den Willen
Gottes in allen Ereignissen, die er herbeizuführen oder
zuzulassen in seiner Weisheit für gut findet; sie fest
zu begründen in Demut, welche, während sie sich
erniedrigt bei dem Anblicke ihres Nichts, sich erhebt
durch das Vertrauen auf Gott, in unerschütterlicher
Sanftmut, welche bitteren und verletzenden Worten nur
geduldiges Schweigen entgegensetzt; in der Übung des
Gebetes trotz der Verachtung Jener, welche es nicht
üben, und der Tugend trotz aller sich entgegenstellenden
Hindernisse; sodann in dem Gehorsam gegen die Oberin und
der Abtötung seiner selbst. Er bemerkte ferner, dass,
wenn solche Lehren und Vorschriften groß und erhaben
erschienen, eine Nonne sich erinnern möge, dass sie, um
sicher gerettet zu werden, Gott ganz angehören müsse.
„Denn der himmlische König will Alles oder Nichts; er
will keine geteilten, keine lauen Herzen: „Die Lauen,
rief er aus, kann Gott nicht ausstehen, er stoßt sie von
seinem Herzen zurück!" Mit solchen Ermahnungen verband
der heilige Bischof die Predigt seines eigenen
Beispiels, das die Schwestern aufs höchste erbaute;
unter anderem bemerkte man, dass er seinen Bedienten in
dem für ihn selbst bereiteten guten Bette schlafen ließ.
während er sich mit dem schlechteren begnügte. In dieser
Weise bereitete er die Schwestern auf die Reform in
einer kommenden besseren Zeit vor.
Da die
gesetzliche Ermächtigung zur Vornahme der Reform trotz
alles Nachsuchens noch nicht angekommen war und die
Schwestern des Wartens müde waren, baten sie ihn um die
Erlaubnis, eine eigene Genossenschaft in Rumilly
errichten zu dürfen, um so das vollkommene Leben, nach
dem sie so sehr verlangten, führen zu können. Er hatte
nichts dagegen einzuwenden, und diese fünf begannen
somit die Reform. Der Anfang war schwer, denn es
mangelte ihnen an Allem. Sie schilderten ihre Lage dem
Bischofe in einem Briefe, den ihm ein ihm verwandter
Geistlicher überbrachte. Schon lange hatte dieser einen
geheimen Groll gegen ihn und war froh, eine Gelegenheit
zu haben, seinen Zorn an ihm aufzulassen, er warf ihm in
den bittersten Worten vor, dass er die Schuld an dieser
äußersten Armut und armseligen Lage der Schwestern
trage; er hätte ihnen nicht die Erlaubnis geben sollen,
sich, aller Existenzmittel beraubt, in Rumilly
niederzulassen. „Vetter, sprach Franz, diese Vorwürfe
nicht beachtend, wollen Sie mir wohl einen kleinen
Gefallen erzeigen? Die guten Schwestern von Rumilly
haben eine Anzahl Kleidungsstücke und andere Gegenstände
hier in unserem Kloster von der Heimsuchung. Würden Sie
nicht so freundlich sein, morgen Ihr Pferd
zurückzuschicken, um sie abnehmen zu lassen? Sie sind
arm und es ist ganz in der Ordnung, dass man sie
unterstützt." Diese so unerwartete Antwort brachte eine
solche Änderung in dem Geistlichen hervor, dass er dem
von ihm noch soeben Geschmähten auf's bereitwilligste
seine Dienste anbot, und den armen Schwestern wurde
einstweilen so gut als möglich geholfen. Einige Zeit
nachher stattete der Bischof selbst ihnen einen Besuch
ab und ermahnte sie, standhaft und treu auf dem
betretenen Wege fortzuwandeln, sich auf die Vorsehung zu
verlassen, welche für sie sorgen werde, und nicht auf
die Gunst der Menschen. Nachdrücklich schärfte er ihnen
ein, nur arme Mädchen als Novizinnen aufzunehmen oder
doch mit äußerster Vorsicht zu Werke gehen, wenn sich
reiche meldeten, damit nicht der Wunsch, sich Vermögen
zu erwerben, sie zu der Aufnahme solcher verleite,
welche für das Kloster nicht geeignet seien; um sich den
nötigen Unterhalt zu verschaffen, wie auch im Interesse
der Jugenderziehung, möchten auch sie, wie die Damen von
St. Katharina, von denen sie nur mit größter Achtung
reden sollten, ein Pensionat errichten. „Seid gutes
Mutes, meine Töchter, sprach er zum Schlusse; verlieret
ihn nicht, selbst wenn ihr, wenn man sich so ausdrücken
darf, Steine in Ermangelung von etwas anderem essen
müsstet. Der Stifter der Feuillanten (Feuillants -
ursprünglicher Name einer Kongregation der
Zisterzienser) lebte fünf Jahre lang nur von
Ginsterblumen und wilden Kräutern und hatte als
Beleuchtung nachts kein anderes Licht, als die Lampe vor
dem allerheiligsten Sakramente ... Ich bitte Euch, nur
ein Jahr mutig auszuharren; dann werdet Ihr Alles
überstanden haben. Arme Kinder! Jeder redet über Euch,
wie es ihm gefällt; die Welt hält Euch für Unbesonnene;
aber haltet Ihr sie selbst für eine Törin; verlasst Euch
auf Gott allein." Als da die Schwestern einstimmig
ausriefen, dass sie auch auf ihn ihre Hoffnung setzten,
bemerkte er, die Augen zum Himmel erhebend: „Euer Vater
ist schon alt, meine Töchter, er kann nicht lange mehr
leben, er muss sterben." Hierauf ließ er sie unter
seinem Vorsitze sich ihre Oberin wählen und gab ihnen
eine Regel, welche im Jahre 1622 von Gregor XV.
bestätigt wurde. Der Erfolg der Reform war von Bestand
und der Bischof von Genf verdiente mit Recht den Namen
eines Wiederherstellers des Ordens oder vielmehr des
Stifters eines neuen Ordens
(Nach Myncet.).
Franz kehrte
darauf nach Annecy zurück. Als seine beiden Brüder
einige Stunden nach seiner Ankunft in sein Zimmer
traten, fanden sie ihn in tiefe Betrachtung versunken.
Auf ihre Frage nach dem Gegenstande derselben antwortete
er: „Lasst mich ein wenig ganz allein mit meinem Gott,
meine Brüder! seine göttliche Majestät hat mir ein
Zeichen gegeben, ernstlich über eine Sache von der
äußersten Wichtigkeit nachzudenken. Ich werde sie Euch
nächstens mitteilen." --- „Es betrifft wohl die
Abfassung eines neuen Werkes?" --- „Nichts weniger als
das, aber Ihr sollt es ein anderes Mal wissen." Darauf
ließen sie ihn allein, überzeugt, dass ihm vom Himmel
eine Offenbarung über seinen nahen Tod zuteil geworden
sei (Annee de
la visitation, 22. octobre.).
Sein ganzes
Leben befestigte sie noch mehr in diesem Glauben. Von
jenem Augenblicke an betrachtete er sich nicht mehr
anders, denn als einen Reisenden, welcher vor seiner
nahen Abreise in ein fremdes Land alle Vorbereitungen
dazu trifft. In seine weltlichen Angelegenheiten brachte
er jene schöne Ordnung, welche den Überlebenden mit
größter Klarheit die Bestimmung eines jeden Teiles der
Erbschaft auseinandersetzt, welche allen Streit und
jeden Zweifel unmöglich macht und den letzten Willen des
Verstorbenen im hellsten Lichte zeigt. Zugleich gab er
seinem gewöhnlichen Leben noch jene eigentümliche
Vollendung und Vollkommenheit, welche einen so würdigen
Schluss dieses so heiligen und schönen Lebens bildete.
Was ihm aber
am meisten am Herzen lag, das war das Wohl und Interesse
seiner Diözese. Das beschäftigte ihn vor allem Anderen.
Was sollte aus seinen geliebten Diözesanen unter einem
noch unerfahrenen Führer werden, der bis jetzt in der so
schwierigen Kunst des Regierens noch ein Neuling war?
Voll von diesem Gedanken, verwandte er seine ganze
Sorgfalt darauf, seinen Bruder, der mittlerweile vom
Turiner Hofe die Erlaubnis erhalten hatte, bei dem
Bischofe in Annecy für unbestimmte Zeit leben zu dürfen,
mit den Anforderungen und Pflichten seines Amtes
vertraut zu machen, ihn an die Leitung der Diözese zu
gewöhnen, wie wenn er sie schon so bald verlassen
müsste. Jeden Tag schloss er sich mit ihm zu bestimmten
Stunden in sein Arbeitszimmer ein, setzte ihm bis ins
Einzelne den Stand und die Angelegenheiten der Pfarreien
und Kirchen der Diözese auseinander, schilderte ihm
Charakter und Sitten der Bewohner und ihrer Pfarrer,
ihre guten und bösen Eigenschaften, zeigte ihm die
Mittel, das Böse auszurotten, das Gute an seine Stelle
zu setzen, oder wo es schon vorhanden, zu befestigen.
Auch vernachlässigte er es nicht, mit ihm abermals die
Hauptgegenstände des theologischen Wissens durchzugehen,
ihm die schwierigsten Stellen der heiligen Schrift zu
erklären und ihm manchen Wink und Fingerzeig zu geben,
wie er am besten predige, am besten ermahne und belehre
(Charl.-Aug.,
p. 559.).
„Es ist Zeit, lieber Bruder, sprach er oft zu ihm, dass
ich Dir Alles sage, was ich nur Gutes weiß; denn wer
kennt die Stunde, in welcher an mich der Ruf zum
Rückzuge ergehen wird?“
Beide
Bischöfe führten ein gemeinschaftliches Leben; es
herrschte unter ihnen jene vollkommene Eintracht, wie
sie allein die Tugend hervorbringen und unterhalten
kann, denn an Charakter und Temperament waren beide ganz
und gar verschieden. Franz war leicht zugänglich, gütig
und sanftmütig im höchsten Grade, immer bereit, die
Fehler Anderer zu entschuldigen und zu vergeben. Sein
Bruder war im Gegenteil strenge, ernst, sprach wenig,
seine Strenge gegen die Sünder konnte bisweilen
unerbittlich sein. Demut auf der einen, hingebende
Freundschaft auf der anderen Seite, beider Tugend
benahmen jedoch diesen Ursachen zur Zwietracht ihre
Wirkung. Als sie sich eines Tages anschickten, das
Brevier gemeinschaftlich zu beten, wurde der Heilige
gerufen, um jemand Beichte zu hören, und diese Beichte
dauerte sehr lange. Als sie endlich das Brevier
angefangen hatten, bemerkten sie am Ende der ersten
Nokturne, dass es nicht das Offizium (Chorgebet) des
Tages war. Der Koadjutor, durch das lange Warten schon
missgestimmt, konnte da nicht mehr an sich halten und
gab in harten, unfreundlichen Worten seinem Bruder die
Schuld an dem Irrtum.
Ohne über
diese Herbe sich verletzt zu fühlen, bat ihn Franz voll
Sanftmut, doch nicht böse zu werden; Gott, dem man es
leichter recht machen könne, als den Menschen, werde
schon mit der bereits gebeteten Nokturne
(nächtliche
Gebetsfolge)
zufrieden sein
(Recueil de la mere
Greffier.).
Ein anderes
Mal wollten sie sich gerade zu Tische setzen, als eine
arme Magd sich meldete, die Franz zu sprechen wünschte;
er ließ sie auf der Stelle in ein anstoßendes Zimmer
führen und lieh ihr Gehör so lange sie wollte. Dem
Koadjutor war das arg und als Franz endlich zurückkam,
rief er voll übler Laune: „Du wärst in der Tat im
Stande, die ganze Welt ungeduldig zu machen!" --- „Aber,
entgegnete Franz lächelnd, diese Person und ich gehören
ja auch zu dieser ganzen Welt und wir haben doch
keineswegs die Geduld verloren." Sich sodann zu Tische
setzend, fuhr er fort freundlich zu scherzen: „Weißt Du,
Bruder, dass es in der Welt Jemand gibt, den Du sehr
glücklich gemacht hast? Rate einmal, wer?“ Der Koadjutor
nannte mehrere Personen. „Nein, das ist sie nicht,
sprach Franz, das auch nicht, diese ebensowenig." --
„Nun, wer ist es denn?" --- „Deine Frau, wenn Du
geheiratet hättest
(Recueil de la mere
Greffier.).
-- Sieh, bester Bruder, fuhr er in ernstem Tone fort,
wir Bischöfe müssen immer Jedermann zugänglich sein,
wenn wir unsere Pflicht tun wollen. Wir müssen wie jene
großen öffentlichen Brunnen sein, aus denen jedermann
das Recht hat zu schöpfen, zu denen nicht allein die
Menschen, sondern auch die Tiere und selbst die
Schlangen kommen, um ihren Durst zu löschen."
Gegen Ende
November begaben sich beide Bischöfe nach der Abtei
Talloires, um die Übertragung der Reliquien des heiligen
Germanus vorzunehmen, eines frommen Einsiedlers, der im
elften Jahrhunderte lebte und von der Abtei Flavigny
nach Talloires geschickt worden war, um daselbst
klösterliche Zucht und Ordnung wieder herzustellen. Nach
Vollendung seiner Aufgabe hatte er sich auf einem hohen
Berge in der Umgegend eine Klause gebaut, wo er unter
Fasten, Gebet und Handarbeit ein gottseliges Leben
führte. Durch zahlreiche Wunder nach seinem Tode, sowie
durch die Stimme des Volkes hatte es Gott gefallen, die
Heiligkeit seines Dieners zu offenbaren. Schon bei
seinem ersten Besuche in Talloires hatte Franz befohlen,
die Kirche, in welcher der Leib des Heiligen ruhte,
wieder herzustellen; er werde dann selbst kommen, um die
Reliquien unter dem Hauptaltare beizusetzen. Der
Koadjutor konsekrierte feierlich Kirche und Altar; Franz
selbst verweilte während der ganzen Zeit in tiefer
Betrachtung und wie in Entzückung versunken vor dem
Schrein, in welchem die Gebeine ruhten. „Nie, außer ein
Mal, sprach er nachher zum Pater von Coex, habe ich
solche innerliche Tröstungen empfunden." Nach der Messe
setzte er die Reliquien, nachdem er sie dem Volke
gezeigt, feierlich unter dem Altare bei
(Charl.-Aug., p.
551.).
Darauf ging er auf die Kanzel und sprach mit der größten
Begeisterung zwei Stunden lang zuerst über die Verehrung
der Heiligen im Allgemeinen, sodann über die Tugenden
des heiligen Germanus im Besonderen und empfahl sie zu
eifriger Nachahmung.
Aus der
Kirche begab er sich in die Klause. Es gefiel ihm so
wohl in dieser reizenden Einsamkeit, dass er sich sehr
geneigt fühlte, hier seine Tage zu beschließen.
„Wahrhaftig, sprach er zu seinen Begleitern, dieses
Plätzchen erwähle ich mir, um hier zu wohnen und ein
wenig Ruhe zu genießen. Wenn es der Wille des Herrn ist,
so werde ich die Last und Hitze des Tages unserem
Koadjutor allein überlassen und ich werde mit meinem
Rosenkranze und meiner Feder Gott und der Kirche
dienen." Er öffnete nach diesen Worten ein Fenster, von
dem man die Aussicht auf den See und die Stadt Annecy
hatte, und die Schönheit der Landschaft bewundernd, rief
er aus: „Welch' eine herrliche Lage! Hier werden die
großen und schönen Gedanken klar und dicht auf mich
herabfallen wie der Schnee im Winter." Nachdem er eine
Erfrischung zu sich genommen, verließ er den Berg und
ging zu Fuße nach Talloires hinab, um in der Kirche der
Abtei abermals die Kanzel zu besteigen und über die
Verehrung des Heiligen zu sprechen. Besonders empfahl er
wieder die Andacht zu dem heiligen Einsiedler, dem er
selbst soeben seine Verehrung erwiesen. Tief gruben sich
seine Worte in die Herzen seiner Zuhörer ein und tragen
heute noch ihre reichlichen Früchte; noch stets ist die
Kirche des heiligen Germanus ein vielbesuchter
Wallfahrtsort, besonders am Ostermontage, Pfingsten und
Allerheiligen
(Charl.-Aug., p. 551.).
Zehntes Kapitel.
Letzte Lebensjahre des heiligen Franz von Sales.
(1621 und
1622)
Ehe Franz
Talloires verließ, gab er dem Pater von Coex den
Auftrag, ihm bei der Klause des heiligen Germanus auf
einem freund-lichen, ringsumschlossenen Platze fünf bis
sechs Zellen zu erbauen, damit er sich in diese
Einsamkeit zurückziehen könne, sobald er die Leitung
seiner Diözese seinem Bruder übergeben habe
(Geist des h. Franz
von Sales, IV , 7; V, 6; X, 4.).
„Wenn wir einmal dort sein werden, sprach er zum Prior,
so werden wir Gott mit dem Brevier, dem Rosenkranz und
der Feder dienen; wir werden dort eine heilige Muse
finden, um zur Ehre Gottes und zur Belehrung der Seelen
das niederzuschreiben, was ich schon mehr als dreißig
Jahre mit mir herumtrage und was ich in meinen Predigten
und Betrachtungen fleißig benutzt habe. Ich habe mir
vieles schon aufgezeichnet und außerdem hoffe ich, dass
Gott uns noch vieles eingeben wird. O, wer wird mir
Flügel geben gleich der Taube, um hinzufliegen in diese
heilige Einsamkeit und unter dem Schatten des Kreuzes zu
ruhen? Dort werde ich den Augenblick meines
Hinüberganges in die Ewigkeit erwarten."
Er hatte
wirklich sehr ausgedehnte Pläne, die er in der ruhigen
Stille seiner Einsamkeit ausführen wollte. Vor allem
beabsichtigte er, eine Geschichte Jesu Christi in vier
Büchern zu schreiben; das erste sollte eine Übersetzung
der vier Evangelien in chronologischer Zusammenstellung
und Ordnung enthalten; das zweite die Beweise für die
Hauptlehren des katholischen Glaubens, welche in den
eigenen Worten und Aussprüchen des Herrn enthalten sind;
das dritte sollte von den christlichen Tugenden und der
evangelischen Vollkommenheit nach der reinen Lehre Jesu
Christi handeln; das vierte sodann sollte eine
Geschichte der ersten Kirche, ihrer Verfassung und
Heiligkeit sein, wie sie in der Apostelgeschichte
gegeben ist; „und, wenn mir noch Zeit übrig bliebe,
fügte er hinzu, so würde ich eine ähnliche Arbeit über
die Briefe des heiligen Paulus machen
(Charl.-Aug., p. 556.
– Dom Jean de St. Francois, p. 232.)."
Außerdem beabsichtigte er noch, eine Abhandlung über die
Nächstenliebe zu schreiben, sodann eine andere über die
Pflichten des Seelsorgers, letztere in einer Reihe von
Pastoralbriefen. Man bemerkte ihm, dass dies eine
ungeheure Arbeit für sein schon vorgerücktes Alter sei,
besonders da er bereits eine Ahnung von seinem nahen
Tode habe! „Wohl wahr, versetzte er, aber um den Geist
in Tätigkeit zu erhalten, muss man sich mehr Arbeit
vornehmen, als man fertig bringen kann, wie wenn man
lange zu leben hätte, und nicht mehr davon tun wollen,
als ob man morgen schon sterben müsste
(Annee de la
visitation, 18. juin.)."
Eine andere
Aufgabe, welche er sich für die Zeit seiner künftigen
Zurückgezogenheit gesetzt hatte, war die Erziehung eines
Neffen, der sich zum geistlichen Stande bestimmte: es
war Karl August, der Sohn seines Bruders Ludwig von
Sales. Schon vom Mutterleibe an hatte er ihn gesegnet
und Worte guter Vorbedeutung über ihn gesprochen. Als
der Knabe später durch die Unvorsichtigkeit seiner Amme
hinkend geworden und Franz den Kummer seiner Eltern
darüber sah, hatte er ihnen, auf den Patriarchen Jakob
anspielend, der auch an diesem körperlichen Gebrechen
litt, gesagt, dass er sein vielgeliebter Jakob sein
werde, und dass Gott diesem Kinde, wie einst dem
heiligen Patriarchen, den Segen des Himmels und der Erde
zugedacht habe. Das Kind hatte sich nach dem Tode seiner
Mutter das Alphabet von einer Magd lehren lassen; und
mit Hilfe dieser ersten Kenntnisse war es ihm durch
eigenen Fleiß gelungen, lesen zu lernen. Sein liebstes
Buch war die „Philothea" seines heiligen Onkels, das er
durch stetes Wiederlesen fast ganz auswendig konnte. Als
er acht Jahre alt war, kam er eines Tages weinend zu dem
Bischofe und sagte: „Ach, ich schäme mich so sehr, Ihrer
nicht wert zu sein, bester Onkel; denn ich bin rein
nichts, und wenn Sie mir nicht zu Hilfe kommen, so laufe
ich Gefahr, mein ganzes Leben lang unwissend zu bleiben;
mein Vater ist stets so von seinen Angelegenheiten in
Anspruch genommen, dass er keine Zeit hat, an mich zu
denken." Diese Lernbegierde in einem so zarten Alter
machte dem würdigen Oheim große Freude, und mit
Zustimmung seines Vaters gab er dem Knaben vortreffliche
Lehrer; im Wissen und in der Frömmigkeit machte er nun
wunderbare Fortschritte. „Dies Kind ist zu großen Dingen
geboren, sagte der Bischof oft, wenn er seine
Fortschritte sah, und es ist der Wille Gottes, dass man
diese vielversprechende Pflanze sorgfältig pflegt. Sei
eingedenk, liebes Kind, sprach er zu dem Knaben selbst,
dass Gott Dich zu einem Gefäß der Gnade erkoren hat, und
dass, wenn Du treu seinem Zuge folgst, er Dich aus eine
ausgezeichnete Weise zu seinem Dienste verwenden wird."
Im Alter von
vierzehn Jahren hielt der junge Karl vor einer
zahlreichen Versammlung eine Rede, die ihm von Seite
seines Oheims, nebst mehreren schönen Geschenken, das
öffentliche Lob erwarb: „Mein Neffe hat meine Hoffnungen
übertroffen und ist seinem Alter vorangeeilt." Mit
fünfzehn Jahren verfasste er eine Lobrede auf den
heiligen Paulus, die Franz veranlasste, den Beruf seines
mit so glücklichen Anlagen begabten Neffen genauer zu
studieren; er prüfte ihn gründlich und nach allen Seiten
und gelangte zu der Überzeugung, dass er, wenn er anders
den Absichten Gottes mit ihm entspräche, ein tüchtiger
Priester werden müsse. Er erteilte ihm die heilige
Firmung und die Tonsur, bei welcher Gelegenheit er zu
seinem Bruder die Bemerkung machte: „Wenn Gott dieses
Kind noch lange am Leben erhält, so will ich ihm Alles
beibringen, was Gott in seiner Gnade an Wissen und
Kenntnissen mir verliehen hat." Noch mehr wurde er in
dieser Absicht bestärkt, als er einige Zeit nachher den
jungen Karl in einem Schauspiele, welches die Zöglinge
des Kollegiums aufführten, die Rolle eines bekehrten
Höflings geben sah, welcher seine an die Eitelkeiten und
Torheiten der Welt vergeudete Zeit beweinte; er erkannte
klar, dass seinem Neffen die Worte, welche er
deklamierte
(vortragen),
vom Herzen kamen, und dass er in ihnen nur seine eigene
Überzeugung aussprach. Darum sagte er abends zu ihm,
indem er ihn segnete: „Du hast gut gesprochen, mein
Sohn! Hat man einmal das Glück gehabt, sich Gott
hinzugeben, so würde es eine feige und eines Mannes von
Ehre unwürdige Handlung sein, seinen Dienst zu
verlassen, aus welchem Grunde es immer sein möge."
Dies war der
Jüngling, den der heilige Bischof mit in seine
Einsamkeit nehmen wollte; bis das geschehen könne, hielt
er ihn einstweilen von jetzt an immer um sich, um ihn in
der Wissenschaft der Heiligen zu unterrichten. Nur kurze
Zeit genoss Karl August dies Glück; der Tod entriss ihm
seinen geliebten Lehrer. Aber auch dieses kurze
Zusammenleben mit seinem heiligen Oheime war für ihn vom
größten Nutzen gewesen; er wurde ein eifriger Diener der
Kirche und bekehrte eine große Zahl von Irrgläubigen. In
der Folge Bischof von Genf geworden, schrieb er, von
Frau von Chantal unterstützt, das Leben seines Oheims,
und es ist das an Einzelnheiten reichste sowie das
authentischste, welches wir besitzen. Franz stattete auf
seiner Rückreise von Talloires nach Annecy einer ihm
bekannten Dame, der Baronin von Chevron, einen Besuch
ab. Im Laufe der Unterhaltung, welche sich hauptsächlich
um die Nichtigkeit des Irdischen drehte, sprach er auf
einmal zu ihr: „Wir werden alt, Madame; es ist Zeit,
dass wir ernstlich an das zukünftige Leben denken." --
„Es ist wahr, hochwürdigster Herr, erwiderte die fromme
Dame, ich bin alt; bei meinen zweiundsiebzig Jahren kann
ich an nichts mehr denken, als an den Tod; es wird
weiter kein Unglück sein, da ich in dieser Welt ganz
überflüssig bin; aber Sie, hochwürdigster Herr, sind der
Kirche notwendig, und Gott wird Sie noch viele Jahre
erhalten." --- „Sie sind im Irrtume, Madame, entgegnete
der Bischof, ich werde zuerst von dannen gehen und Sie
werden mir folgen." Wie er vorausgesagt, so geschah es
(Charl.-Aug.,
p. 552.).
Nach Annecy
zurückgekehrt, bereitete er sich denn auch allen Ernstes
auf den Tod vor; er war sich selber bewusst, dass
derselbe nahe sei. Sein Bruder, der Koadjutor, sah ihn
eines Tages ganz nachdenklich und fragte ihn, ob er
traurig sei. „Nein, antwortete er, ich bin durchaus
nicht traurig, aber ich stehe auf der Lauer, um zu
horchen, wann die Stunde der Abreise schlagen wird ....
In dieser Welt kann mich nichts mehr erfreuen oder nur
Befriedigung gewähren. Ich denke nur mehr an den Himmel
und die glückselige Ewigkeit, welche uns erwartet. Je
weiter ich voranschreite in diesem sterblichen Leben, um
so erbärmlicher erscheint es mir und umso mehr erstaune
ich immer, dass die Menschen sich so an die Dinge dieser
Erde heften." -- „Ich will mein Gewissen einer Musterung
unterziehen, schrieb er kurz vorher an Frau von Chantal
(Brief 495.),
behufs einer ausserordentlichen Erneuerung, zu welcher
der Herr mich einladet, um mich in dem Masse, als diese
vergänglichen Jahre dahinschwinden, auf die ewigen
vorzubereiten. Ich fühle, dass mein Geist
ausschliesslicher und reiner denn je nach Gott und der
Ewigkeit strebt. Mein Gott! wie glücklich würde ich
sein, wenn ich eines Tages, von der heiligen Kommunion
kommend, das Herz meines Heilandes an der Stelle meines
armseligen Herzens fände!"
Die Leiden,
welche dem Tode als Vorboten vorangehen, erinnerten ihn
in der Tat jeden Tag deutlicher daran, dass die Stunde
des Scheidens auf dieser Welt nahe sei; seine
geschwollenen, an mehreren Stellen offenen und mit
Wunden bedeckten Beine trugen ihn nur mit großer Mühe,
und man konnte sich des Mitleidens nicht enthalten, wenn
man ihn gehen sah. Auch seine Brust war angegriffen.
..Ich fühle hier etwas, sagte er öfter, die Hand auf
dieselbe legend, das mir sagt, dass ich nicht lange mehr
zu leben habe
(Charl.-Aug., p. 554.)."
Häufige und heftige Schmerzen im Kopfe, in den Lenden
und im Magen gesellten sich dazu. „Es muss ja so sein,
sprach er dann, dass viele Übel vorher sich einstellen,
um das letzte, den Tod, anzukündigen
(Dom Jean de St.
Francois, p. 445.)."
Trotzdem
änderte er nichts an seinen Gewohnheiten und Arbeiten,
erleichterte er sich in nichts die Mühen und Beschwerden
seines Amtes, und sein leidender Zustand hinderte ihn
selbst nicht, in einer wichtigen Angelegenheit noch nach
Thonon zu reisen. Drang man in ihn, er möge sich doch
schonen, so antwortete er: „Muss ich denn nicht bald
sterben? ein paar Jahre mehr oder weniger, darauf kommt
es ja nicht an." Und stets blieb er sich gleich in all'
seinen Schmerzen; stets bewahrte er seine frühere
Freundlichkeit, seine Liebenswürdigkeit im Umgange, ließ
er nicht ab von jener Strenge gegen sich selbst, so dass
er selbst lieber von der Kälte leiden wollte, die zu
Anfang des Jahres 1622 außergewöhnlich heftig war, als
seine ganz abgenützten alten Unterkleider, die ihn nur
schlecht vor der rauhen Witterung schützen konnten,
durch neue, wärmere ersetzen
(Charl.-Aug., p.
553.).
In dieser Entblößung fand er einen besonderen Reiz, weil
sie ihn dem armen Jesus ähnlich machte und ihm die
Möglichkeit verschaffte, mehr Arme unterstützen zu
können, welche gerade damals, da die Ernte des letzten
Jahres sehr schlecht ausgefallen und Savoyen von Truppen
überschwemmt war, außergewöhnliche Not litten. Kurz, je
mehr der Tag seines Lebens sich zu Ende neigte, um so
größer und vollkommener wurde seine Bereitwilligkeit,
sich ganz und gar seiner Pflicht zum Opfer zu bringen.
Gregor XV. hatte ihm einige Monate später durch ein
Breve den Auftrag erteilt, in seinem Namen bei einer
Kapitelsversammlung der Feuillanten, welche in Pignerol
stattfinden sollte, den Vorsitz zu führen, und auf der
Stelle traf er Anstalten zur Abreise, da nach seinem
Dafürhalten die Ehrfurcht gegen den heiligen Stuhl nicht
den geringsten Aufschub in Ausführung seiner Befehle
dulde. Vergebens stellten ihm seine Verwandten und
Freunde vor, dass seine schwache Gesundheit diese Reise
nicht zulasse, namentlich während der außerordentlichen
Hitze, die auf den ebenso strengen Winter gefolgt war.
„Ich muss gehorchen, begnügte er sich, ihnen zu sagen;
Gott hat mich nicht für würdig befunden, unter den
Irrgläubigen für den Glauben zu sterben, auch nicht den
Tod der Nächstenliebe unter den Pestkranken zu erleiden;
würde es darum nicht ein großes Glück für mich sein,
wenn ich den Tod des Gehorsams stürbe? Ich habe nur
kurze Zeit mehr zu leben und muss eilen, sie noch gut
anzuwenden; nichts Besseres kann ich ja aber nun tun,
als zu gehorchen
(Annee de la
visitation, 22. mai.)."
Ohne Zögern reiste er somit ab.
Die
Angelegenheit, in der Franz nach Pignerol gesandt
worden, war eine sehr missliche; die Feuillanten konnten
über der Wahl ihres Generals sowie über mehrere andere
Punkte nicht einig werden, und der Bischof von Genf
sollte diese Einigung zustande bringen, was ihm auch
auf's beste gelang. Sein leidender Zustand aber
verschlimmerte sich noch mehr während dieser Zeit, da er
sich körperlich und geistig zu wenig schonte. War er
nicht durch die Angelegenheiten seiner Sendung in
Anspruch genommen, wie an Sonn- und Festtagen, so fiel
es ihm dennoch nicht ein, ein wenig der für ihn so
notwendigen Ruhe zu pflegen; seine freie Zeit verwendete
er ganz auf die Seelsorge, indem er predigte, das
Sakrament der Firmung spendete und Beichte hörte, so oft
nur jemand es begehrte; selbst die Tonsur (Mönchsglatze)
und die niederen Weihen erteilte er während seines
Aufenthaltes in Pignerol. Eines Tages umgab ihn das
Volk, das von allen Seiten herbeiströmte, um ihn zu
sehen, zu hören und seinen Segen zu empfangen, so dicht
und die Luft in der Kirche war bei der übermäßigen Hitze
so schwül, dass er ohnmächtig wurde. Einige Augenblicke
fürchtete man für sein Leben; doch erholte er sich
wieder und sein erstes Wort, als er das Bewusstsein
wieder erlangt hatte, war: „Es steht mir schlecht an,
ein so weichliches Glied unter einem dornengekrönten
Haupte zu sein." Und er bestand darauf, in die Kirche
zurückzugehen und blieb da bis zum Abend
(Dom Jean de St. Francois, – Charl.-Aug., p. 555.).
Sobald ihn
nichts mehr in Pignerol zurückhielt, reiste er nach
Turin, wo er vom Hofe sehnlichst erwartet wurde. Die
Prinzessin von Piemont hatte ihm eine prächtige Wohnung
herrichten lassen und wollte ihn in Allem als ihren
Großalmosenier behandeln; er aber bat sie inständigst,
ihm diese Ehre zu ersparen und zu erlauben, dass er
seine Wohnung im Kloster der Feuillanten nehme, in deren
Ordensverband er sich vor seiner Abreise von Pignerol
hatte aufnehmen lassen. Letztere konnten ihm zu ihrem
größten Bedauern nur eine kleine Zelle, acht bis neun
Ouadratfuß
(1 Pariser
Qu.-F. = 0,105 m²)
Raum enthaltend, anbieten, welche außerdem wegen der
drückenden Hitze, da sie gerade der Glut der
Mittagssonne ausgesetzt war, kaum bewohnbar war; sie
beschworen den Bischof, deshalb doch eine jener schönen
und bequemen Wohnungen, welche ihm von allen Seiten
angetragen wurden, anzunehmen. „Lasset mir doch,
entgegnete er, den Trost, einige Tage bei Euch als
Bruder leben zu dürfen, da ich es ja auch in der Tat bin
(Dom Jean de
St. Francois, p. 394.).
Wollet Ihr aus Höflichkeit mich von Euch und aus dem
Hause unseres heiligen Vaters Bernard fortjagen? Ich bin
hier zu Füßen der Mutter alles Trostes; wo könnte ich
mich denn besser befinden
(Annee de la
visitation, 19 et 20. juin.)?"
Sie ließen ihn darum gewähren, und es gereichte ihm zu
nicht geringer Freude, bei ihnen als ein Armer leben zu
dürfen, da sie ihm nicht einmal die notwendige Leinwand
geben konnten. Glücklicherweise stritt man sich in der
Stadt um die Ehre, ihnen solche zu leihen; und die guten
Mönche hatten eine solche Meinung von ihrem Gaste, dass
sie bei Rückgabe der Leinwand, deren er sich bedient
hatte, den Eigentümern sagten: „Bewahret sie sorgfältig,
denn sie war im Gebrauche eines Heiligen, und eines
Tages wird man sie als Reliquien verehren." Bei Hofe
erschien der Bischof nur so oft, als der Anstand es
erheischte; der Anblick der Welt und ihrer Eitelkeit
flößte ihm noch größeren Ekel als bisher vor derselben
ein, und was er einst in Paris gesagt hatte, das
wiederholte er auch hier, dass er ein Noviziat
durchmache, nach welchem er nie Profess ablegen werde.
Um ihm sein bischöfliches Amt zu erleichtern, wie auch
um sein Verdienst zu ehren, machte man ihm den
Vorschlag, das Bistum Genf seinem Bruder zu überlassen
und dafür das erledigte Erzbistum Turin anzunehmen. Ohne
sich zu besinnen, schlug er es ab; als sein Freund
Lullin noch weiter in ihn drang und ihm vorstellte, dass
er in dieser neuen Stellung seine Neffen vorteilhaft
versorgen könne, ent gegnete er lächelnd: „Meine Neffen
sind schon reicher und größer ge worden, als sie es vor
einigen Jahren waren; denn sie kamen nackt und bloß auf
die Welt, und jetzt besitzt doch jeder von ihnen
wenigstens ein Kleid
(Ibid., 14. mai.)."
Franz wurde
während seines Aufenthaltes in Turin ernstlich krank;
seine jetzige schlechte Wohnung, seine unausgesetzte,
angestrengte Tätigkeit war zu viel für seinen leidenden
Zustand. Seiner Nächstenliebe und seinem heiligen Eifer
kam das außerordentlich ungelegen; die Hungersnot
herrschte noch fortwährend in Savoyen, und der Gedanke,
dass sein Volk leide, ohne dass er im Stande war, ihm zu
helfen, seine Lage wenigstens zu erleichtern,
verursachte ihm selbst eine nicht geringe Seelenqual,
welche natürlich für seinen körperlichen Zustand wieder
von schlimmen Folgen war. „O, sprach er, wenn ich wieder
in Annecy bin, dann werde ich meine Mitra, meinen Stab,
meine Kleider, mein Tischgeräte und Alles was ich
besitze, verkaufen, um meinen Armen zu helfen
(Charl.-Aug., p.
558.)."
Kaum war er darum wieder hergestellt, so bat er die
Prinzessin, sie möge ihm gestatten, nach Hause
zurückkehren zu dürfen; sie willigte ein, wenn auch nur
ungern, und verehrte ihm beim Abschiede als ein Zeichen
ihrer Hochachtung einen kostbaren Ring, in den ein
Diamant von einem Werte von achthundert Talern
eingefasst war.
Voll Freude
über dies reiche Geschenk, das er augenblicklich für
seine Armen bestimmte, machte er sich auf den Rückweg
nach Annecy. Kaum war er zwei Meilen von Turin entfernt,
da kam sein Bedienter in größter Bestürzung zu ihm und
sagte, er habe den Ring verloren, er sei nirgends mehr
zu finden. „Gott sei gelobt! rief er aus, ohne das
geringste Bedauern, noch die geringste Aufregung zu
verraten, so sehr war sein Herz frei von jeder
Anhänglichkeit an Alles, was es nur sein mochte, und mit
allen Fügungen der Vorsehung zufrieden
(Ebendas. – Geist des
heiligen Franz von Sales. V. 4.);
Gott sei gepriesen! dieser Ring war zu kostbar, als dass
ich mich seiner hätte bedienen können; sodann hätte auch
mein Herz versucht sein können, sich an ein solches
Kleinod zu hängen. Wenn er sich nicht wiederfindet, so
wird uns eben Gott der Sorge haben entheben wollen, die
aus ihm gelöste Summe zu Almosen zu verwenden. Die
Vorsehung hat ihn vielleicht dazu bestimmt, das Glück
eines Armen zu machen, der ihn findet und den Rest
seiner Tage in Ruhe davon leben kann; darum muss ich
denken, ich habe nichts verloren."
Doch geschah
es anders; sie waren noch nicht viel weiter gekommen, da
eilte der nämliche Bediente voll Freuden auf ihn zu und
sagte ihm, er habe den Ring in einer Falte seines Rockes
wieder gefunden. Auch das ließ ihn gleichgültig; in
seiner vollkommenen Vereinigung mit dem Willen Gottes
bewahrte er stets den Gleichmut der Seele. – Als sie
unterwegs in einem Gasthause abgestiegen waren, bemerkte
er, dass sein Kaplan über den Wirt aufgebracht war, weil
dieser das Gepäck des Bischofs aus dem ihm zuerst
angewiesenen Zimmer in ein anderes nicht so bequemes
gebracht hatte. Die üble Laune seines Kaplans gefiel
Franz durchaus nicht, und er gab ihm einen sanften
Verweis: „Selbst wenn man uns aus diesem Zimmer in ein
anderes noch unbequemeres wiese, so müssten wir es mit
Geduld und Sanftmut ertragen; kennen Sie denn nicht das
Wort des Herrn: Wenn Dir jemand Deinen Rock nimmt, so
gib ihm noch Deinen Mantel
(Charl.-Aug., p. 559.
)?"

Elftes Kapitel.
Reise des heiligen Franz von Sales
nach Avignon und Lyon. –
Sein Tod.
(1622)
In Annecy
angekommen, war es die erste Sorge des Heiligen, die Not
der Armen, so viel es in seiner Macht stand, zu lindern.
Alles, was er an barem Gelde besaß, gab er hin, und als
seine Börse leer war, verpfändete er den kostbaren Ring
der Prinzessin. Da andere wohltätige Personen dies
erfuhren, beeilten sie sich, ihn wieder einzulösen und
ihm zurückzustellen. Aber er verpfändete ihn aufs neue,
und der nämliche Wettstreit christlicher Liebe
wiederholte sich oft von beiden Seiten, dass es in der
Stadt gleichsam sprichwörtlich wurde, der Ring gehöre
nicht dem Bischofe, sondern den Bettlern von Annecy.
Unterdessen
erhielt Franz ein Schreiben vom Herzoge, demgemäß er in
Avignon mit ihm zusammentreffen sollte. Der Herzog
reiste nach dieser Stadt, um Ludwig XIII. zu begrüßen,
und die Prinzessin von Piemont, welche ihn begleitete,
wünschte bei dieser Gelegenheit ihren Großalmosenier bei
sich zu haben. Alle Freunde des Bischofs wurden bei
dieser Nachricht, da sie sahen, in welchem Zustande
seine Gesundheit war, nicht wenig bestürzt; sie
beschworen ihn, die Reise, namentlich bei so ungünstiger
Witterung, nicht zu unternehmen und erboten sich, ihn
bei dem Herzoge zu entschuldigen. Der Bischof wollte von
diesem Vorschlage nichts wissen; in dem Befehle seines
Fürsten sah er den Willen Gottes und überdies hoffte er,
von Ludwig XIII. bei dieser Gelegenheit einige
vorteilhafte Konzessionen für den französischen Teil
seiner Diözese zu erlangen. Diese Gründe trugen über
alle anderen den Sieg davon. „Wir müssen, sprach er,
gehen, wohin Gott uns ruft; wir werden gehen so weit wir
können, und erst dann werden wir Halt machen, wenn die
Krankheit uns verhindert, weiter zu gehen
(CharI.-Aug., p. 560)."
Er sah jedoch klar voraus, dass er nicht mehr
zurückkehren werde; und darum brachte er alle seine
Angelegenheiten in eine so vollständige Ordnung, als sei
er schon am Vorabende seines Todes. Am 6. November ließ
er den Bischof von Chalcedon, seine übrigen Brüder und
einige Freunde zu sich bitten, und sagte ihnen offen,
dass die Stunde der Abreise nahe sei. Sie verstanden
darunter seine Abreise nach Avignon. „Dieser Reise,
fügte er gleich hinzu, wird bald eine andere folgen;
darum habe ich Euch zusammenberufen, damit Ihr mein
Testament leset." Bei diesen Worten zerflossen Alle in
Tränen. Der heilige Bischof suchte diesen ersten
Ausbruch des Schmerzes durch einige tröstende Worte zu
mäßigen; darauf las er ihnen sein Testament vor, das in
folgenden Worten abgefasst war
(Annee de la
visitation, 6. novembre. – CharI.-Aug., p. 583.):
„Wir, Franz von Sales, durch die Gnade Gottes und des
heiligen apostolischen Stuhles Fürstbischof von Genf,
indem wir unseren letzten Willen allen jenen kundtun
wollen, denen daran gelegen ist, bitten zuerst Gott den
Allmächtigen, unsere Seele in Gnaden aufzunehmen und sie
teilnehmen zu lassen am ewigen Erbe, welches unser
Erlöser uns durch sein Blut erworben hat; zweitens rufen
wir an die glorreiche Jungfrau Maria und alle Heiligen,
damit sie für uns in unserem Leben und bei unserem Tode
die Barmherzigkeit Gottes anflehen; drittens, wenn es
der göttlichen Vorsehung gefällt, dass die heilige, eine
und wahre römisch-katholische Religion in der Stadt Genf
nach meinem Tode wiederhergestellt werde, verordnen wir,
dass in diesem Falle unser Leichnam in unserer Domkirche
beigesetzt werde; ist sie noch nicht daselbst
wiederhergestellt, so verordnen wir, dass er begraben
werde in der Mitte des Schiffes der Kirche von der
Heimsuchung in Annecy, welche wir eingeweiht haben,
wofern wir nicht außerhalb unserer Diözese sterben, in
welchem Falle wir die Wahl unseres Begräbnisplatzes
denen überlassen, die in jenem Augenblicke in unserem
Gefolge sind; viertens verordnen wir, da wir von ganzem
Herzen die heiligen Zeremonien unserer Kirche gutheißen,
dass bei unserem Begräbnisse dreizehn Kerzen zu Häupten
unseres Sarges angezündet werden sollen, ohne andere
Abzeichen als die des allerheiligsten Namens Jesu, um
dadurch kundzutun, dass wir uns von ganzem Herzen zu dem
Glauben bekennen, der von den Aposteln gepredigt worden;
übrigens aber verbieten wir, die überflüssigen
Eitelkeiten verabscheuend, welche der menschliche Geist
in diese Zeremonien hineingebracht hat, auf das
ausdrücklichste, dass jede andere Art von Lichtern bei
unserem Begräbnisse gebraucht werde, indem wir unsere
Eltern und Freunde bitten, unseren Erben befehlen,
nichts hinzuzufügen und ihre Liebe gegen uns dadurch zu
betätigen, dass sie das anbetungswürdigste Opfer der
heiligen Messe für uns feiern lassen."
Den
folgenden Morgen verwandte der Heilige ganz allein dazu,
in einer genauen und sorgfältigen Beichte Rechenschaft
über den Zustand seines Gewissens abzulegen, und den
Nachmittag, seinem Koadjutor und Nachfolger alle
wichtigen Papiere und Verordnungen, welche auf das Wohl
der Diözese Bezug hatten, zu übergeben. Voll Freude
sprach er, als das Alles geschehen war: „Es kommt mir
wahrhaft vor, als ob ich durch die Gnade Gottes an der
Erde nur mehr mit einer Fußspitze hänge, denn der andere
hat sich schon erhoben, um fortzueilen
(Annee de la
visitation, 7. novembre.)."
Darüber meldete sich ein französischer Edelmann bei ihm,
der, durch die Not dazu getrieben, um ein Almosen bat,
mit dem Versprechen, die erhaltene Summe zurückzugeben.
„Dann eilen Sie sich aber doch recht sehr, versetzte
Franz, sonst wird die ewige Majestät sie mir bald für
Sie zurückgeben; denn ich hoffe, dass wir beide in
kurzer Zeit nichts mehr bedürfen werden." So geschah es;
nach zwei Monaten waren beide nicht mehr
(Charl.-Aug., p.
565.).
Am 8.
November nahm Franz Abschied von seinen Verwandten und
Freunden; er sagte ihnen Lebewohl, als ob er sie nicht
wiedersehen werde. „Daran liegt mir wenig, sprach er zu
ihnen, ob ich außerhalb meiner Heimat sterbe, wenn ich
nur gut sterbe. Ich gehe zu Unserem Heilande, sagte er
zu einem seiner Pfarrer, der ihn um seinen Segen vor
seiner Abreise bat, wir werden uns in dieser Welt nicht
mehr sehen.“ -- „O hochwürdigster Herr, entgegnete der
Pfarrer, wenn ich Ihr Aussehen und Ihre Gesundheit
betrachte, so gebe ich die Hoffnung nicht auf, Sie
dennoch wieder zu sehen." --„Ja, sprach der Bischof, in
drei Monaten werden Sie mich wiedersehen, lebend oder
tot." In drei Monaten wurden seine sterblichen Reste
nach Annecy zurückgebracht.
Als das ganze Domkapitel in Gemeinschaft erschien, um
ihm Lebewohl zu sagen, umarmte er jedes einzelne
Mitglied desselben mit jener innigen Liebe, die er stets
für sie alle empfunden hatte, und sagte ihnen, dass er
nach Avignon und in die Ewigkeit reise, dass er gehe, um
sie nicht wieder zu sehen. „Diese Reise wird mir das
Leben kosten, sprach er zu einem ihm innig befreundeten
Franziskanerpater Namens Anselm, und von jetzt an werden
wir uns erst im Paradiese wiedersehen; aber wir müssen
gehorsam sein wie der Herr, bis zum Tode am Kreuze
(Annee de la
visitation, 8. novembre. – Charl.-Aug., p. 561.)."
Der Heilige
harte noch einen anderen Abschied zu nehmen, der seinem
Herzen noch näher ging, von seinen lieben Töchtern von
der Heimsuchung
(Annee de la
visitation, 9. novembre.).
An dem dazu bestimmten Tage las er in ihrer Kapelle die
heilige Messe in einer prachtvollen Kasel (liturgisches
Gewand, auch planeta oder paenula) ist ein, die er von
der freigebigen Hand der Infantin von Savoyen erhalten
hatte. Er ließ sie den Schwestern als ein Andenken.
„Denn, sprach er zu ihnen, wenn Freunde von einander
scheiden, so ist es Sitte, dass sie sich Geschenke
machen.“ Darauf richtete er seine letzten Ermahnungen an
sie, empfahl ihnen vor Allem, demütig, einfältig und
gehorsam zu sein. „Meine geliebten Töchter, fügte er
hinzu, verlanget nichts und weiset auch nichts ab; seid
stets zu dem bereit, was Gott und der Gehorsam von Euch
verlangen. Möge euer einziges Verlangen das sein, Gott
zu lieben, euer einziger Ehrgeiz der, ihn zu besitzen.
Lebet wohl, geliebte Töchter, bis zur Ewigkeit." --
„Ach, hochwürdigster Herr, riefen da die Schwestern
unter strömenden Tränen, Gott führt Sie wieder in unsere
Mitte zurück!" --- „Und wenn er mich nicht zurückführen
will, entgegnete er, müssen wir ihn darum weniger
preisen? Sein Wille ist stets und unter allen Umständen
der Liebe und Anbetung wert." Besonders wurde der
heilige Bischof gerührt, als sich ihm beim Fortgehen die
tugendhafte Pförtnerin Anna Jakobina Coste zu Füßen warf
und ihn weinend um seinen Segen bat. „Meine Tochter,
sprach er, ich habe ganz andere Reisen gemacht; nie habe
ich Dich bei meiner Abreise weinen sehen. Warum bist Du
denn heute so betrübt?" --- „Ach, antwortete sie, mein
Herz sagt mir, dass dies Ihre letzte Reise ist und wir
uns nicht wiedersehen werden." – „Und mir, sprach Franz,
im Geiste den baldigen Tod der Pförtnerin vorhersehend,
mir sagt mein Herz, dass, wenn ich nicht zurückkomme,
wir uns eher wiedersehen werden, als Du denkst
(Ebendas. 10.
novembre.)."
Am 9.
November reiste Franz ab, sein Haus und die ganze Stadt
in Trauer und Tränen zurücklassend. Der Koadjutor warf
sich ihm noch zu Füßen im Augenblicke, als er zu Pferde
steigen wollte, unfähig, vor Schluchzen ein Wort
hervorzubringen, und empfing so den letzten Kuss seines
heiligen Bruders. Die Angesehensten aus dem Klerus und
von der Stadt begleiteten ihn bis Seyssel, wo er sich
auf dem Rhone einschiffen sollte; und als der Augenblick
der Abfahrt gekommen, da konnten sie nur weinen und
seufzen, denn Alle betrachteten dies als den Augenblick
des letzten Lebewohls; sie Alle glaubten an die Wahrheit
seiner Voraussagungen seines nahen Todes
(Charl.-Aug., p.
562.)
Ebendas. – Nach Favre, der zugegen war.). „In einiger
Zeit, sprach er zu ihnen, werden Sie mir wieder entgegen
kommen und zwar gerade hier, wo ich Ihnen Lebewohl
sage." Zwei und einen halben Monat später standen sie an
derselben Stelle, um seine sterblichen Reste in Empfang
zu nehmen. Nachdem der Bischof ihnen sodann für ihre
liebevolle Begleitung gedankt hatte, bestieg er das
Schiff, mit dem er bis in die Nähe von Belley fahren
wollte. Es herrschte eine empfindliche Kälte, und ein
heftiger Nordwind, von eisigem Regen begleitet, trug
eben nicht dazu bei, die Fahrt angenehmer zu machen. Die
Begleiter des Bischofs beklagten ihn, dass er so dem
Ungestüm der Witterung ausgesetzt sei. „Wisset Ihr denn
nicht, sagte er zu ihnen, dass wir hienieden in der
Knechtschaft der Elemente dieser Welt sind?" Als sodann
Einer ihn an die tiefe Trauer erinnerte, welche jetzt
seinetwegen in Annecy herrschte, entgegnete er: „Reden
wir davon nicht, reden wir vielmehr von jenem
glückseligen Lande, nach dem wir jetzt gehen; in Bälde
werde ich dahin abreisen. Ich werde es nicht machen, wie
eine Reitertruppe, denn ich werde aufbrechen ohne
Trommler und Trompeter. Ich werde schon da sein, ehe man
noch etwas von meiner Abreise weiß. Wenn Ihr erfahret,
dass ich krank bin, so wisset, dass ich schon tot bin."
In dieser Weise fuhr er fort, mit ihnen über die Freuden
der Ewigkeit und die Eitelkeit alles Vergänglichen zu
reden
(Ebendas. – Nach Favre, der zugegen
war.).
In
Belley angekommen, hatte er nichts Eiligeres zu tun, als
sich zu seinen lieben Töchtern von der Heimsuchung zu
begeben. Bei seinem Anblicke brach die Schwester
Simplicia (Schwester Simplicia war eine von jenen
demütigen und lauteren Seelen, denen der Himmel gerne
seine Geheimnisse offenbart. Als sie sich das erste Mal
der heiligen Chantal vorstellte und diese sie fragte,
warum sie Nonne werden wolle, antwortete sie: „Mein
Oheim hat mir immer gesagt, ich sei nicht schlau genug,
um in der Welt zu leben, weil ich Alles glaube, was man
mir sagt, und Alles tue, was man mich heißt.“)
in Schluchzen aus, und als der Heilige sie nach der
Ursache ihres Schmerzes fragte, antwortete sie: „Ach,
hochwürdigster Herr, Sie werden in diesem Jahre
sterben." -- „Was sagen Sie, meine Tochter, ich werde in
diesem Jahre sterben?" --- „Ja, hochwürdigster Herr!
aber ich bitte Sie, den Herrn und seine heilige Mutter
anzuflehen, dass es noch nicht geschehe." ---- „O meine
Tochter, erwiderte der Heilige, verlangen Sie das nicht
von mir, denn ich werde es nicht tun." --- „Aber ich
werde es tun, rief sie aus, ich werde so lange unseren
Heiland und die allerseligste Jungfrau bitten, bis er es
noch um einige Jahre verschieben wird." --- „O tun Sie
das doch ja nicht, teure Tochter, bat der Heilige in
fast stehendem Tone; ach, würden Sie denn nicht froh
fein, dass ich zu meiner Ruhe eingehe? Sehen Sie doch,
ich bin so müde und so schwerfällig, dass ich mich nicht
mehr tragen kann; und übrigens, wozu bedürfen Sie denn
noch meiner? Sie haben ja Ihre Regeln, in denen Alles
wohl vorgesehen und geordnet ist, und dann lasse ich
Ihnen noch unsere Mutter Chantal, die Ihnen genügen
wird. Endlich müssen Sie nicht Ihre Hoffnung auf die
Menschen setzen, die sterblich sind, sondern auf den
lebendigen Gott."
Darauf ging
Franz in die Kapelle, um die heilige Messe zu Ehren des
heiligen Martinus zu lesen, da es der 11. November war;
und während des heiligen Opfers erschien er ganz von
strahlendem Lichte umflossen, „so dass, heißt es in den
Handschriften der Heimsuchung, es allen Anwesenden
vorkam, als sei er schon im Paradiese." Nach beendigter
Messe begab er sich ins Kloster, und da er bemerkte,
dass es sehr klein war, so sagte er, es freue ihn
ungemein, seine Tauben in einer so engen und kleinen
Behausung und in dieser Dürftigkeit zu sehen. Auf seinem
Gange durch dasselbe begegnete er einer Dame, die ihr
fünf bis sechs Jahre altes Töchterchen an der Hand
führte. Der Heilige liebkoste das Kind, nannte es, ohne
es je gesehen zu haben, bei seinem Namen, und ihm das
Zeichen des heiligen Kreuzes auf die Stirne machend,
sprach er: „Ich bezeichne die kleine Maria als künftige
Schwester von der Heimsuchung." Das erfüllte sich später
in der Tat.
Von Belley
reiste Franz weiter nach Lyon; kaum hatte er daselbst
die heilige Messe in dem Kloster von der Heimsuchung
gelesen und einen Augenblick mit der Oberin gesprochen,
da musste er sich schon eilends nach dem Hafen begeben,
weil das Schiff, welches er benutzen wollte, auf dem
Punkte stand, abzufahren. Er wollte gerade einsteigen,
als der Schiffer, der ihn nicht kannte, ihm seinen Pass
abverlangte. Die Begleiter des Heiligen waren empört
darüber, allein er selbst sprach: „Lasset ihn gewähren,
er weiß, was er als Schiffer zu tun hat, wir wissen aber
nicht, was uns als Reisenden obliegt." Und anstatt sich
unnützer Weise zu ärgern, schickte er seinen treuen
Rolland zu dem Gouverneur von Lyon, um einen Pass für
ihn zu verlangen. Es dauerte länger als eine Stunde, bis
er zurückkam, und während dieser ganzen Zeit. wartete
der Bischof in der heftigen Kälte am Landungsplatze,
ohne das geringste Zeichen von Unzufriedenheit oder
Ungeduld blicken zu lassen. Als man ihm sein Bedauern
ausdrückte, dass dieser verdrießliche Umstand seine
Abfahrt so lange verzögere, erwiderte er: „Es ist wahr,
es drängt mich anzukommen; aber Gott will, dass ich
warte und diese Kälte ertrage; darum muss ich es auch
wollen." Als er endlich einsteigen konnte, nahm er
seinen Platz ganz nahe bei dem Schiffer; denn, sprach
er, ich will Freundschaft mit diesem guten Manne machen
und ein bisschen von dem göttlichen Herrn mit ihm reden
(Annee de la
visitation, 13. novembre.)."
In Valence
stiegen die Reisenden aus. Er besuchte daselbst das
Kloster von der Heimsuchung, gegründet von Frau de la
Granelle, welche in ihm als Pensionärin ein
zurückgezogenes Leben führte. Die fromme Dame war sehr
betrübt darüber, dass man sie ihres hohen Alters wegen
--- sie zählte bereits vierundachtzig Jahre --- nicht
als Schwester aufnehmen wollte, und als sie Franz das
klagte, entschied er auf der Stelle, dass man ihr
Verlangen erfülle; „denn, sagte er, es gibt kein Alter,
das unwürdig sei, dem Dienste Gottes geweiht zu werden."
Er wünschte sodann, eine andere heiligmäßige Person zu
besuchen, die Schwester Maria von Valence; da er ihre
Wohnung nicht wusste, ließ er sich von der Schwester
Pförtnerin dahin führen. Diese eilte, weil sie sonst
noch viel zu tun harte, so rasch voran, dass der Heilige
ihr nicht folgen konnte. Er bat sie, etwas langsamer zu
gehen. Einige Augenblicke mäßigte sie ihren raschen
Gang, dann eilte sie, ohne daran zu denken, wieder
vorwärts wie vorher. Franz lächelte und ging so rasch
als möglich, indem er sagte: „Die, welche geführt
werden, müssen folgen." Bei der Wohnung der Schwester
Maria angekommen, legte er seiner Führerin segnend die
Hand auf den Kopf mit den Worten: „Sie werden eines
Tages den Schleier der Kongregation tragen." Sein Wort
ging in Erfüllung. Trotzdem, dass es schon sehr spät
war, hatte er noch eine lange Unterredung mit Schwester
Maria; seine Begleiter, welche draußen auf ihn warteten,
wurden ungeduldig, und als er wieder zu ihnen kam,
konnte Einer derselben ihm seine Unzufriedenheit nicht
verbergen. „Mein Herr, sprach da Franz lächelnd,
vernehmen Sie, dass es einem Sünder wie mir sehr wohl
tut, ohne Rückhalt mit einer so heiligen Braut Christi,
wie die Schwester Maria eine ist, reden zu können. Sie
wird ein Gegrüßet seist du Maria für Sie beten
und nach einem gesunden Schlafe werden Sie nicht mehr an
die Unannehmlichkeit von heute denken
(Annee de la
visitation, 14. novembre.)."
Am zweiten
Tage nach seiner Abreise von Valence kam er in Avignon
an. Er wollte im Gasthofe zum „Goldenen Apfel"
absteigen, allein da schon alle Zimmer besetzt waren,
musste er sich eine andere Wohnung suchen; mit einem
Bischofe, der dasselbe Schicksal hatte, ließ er sich
nach einem anderen Gasthofe führen. Der fremde Bischof
war nicht bei guter Laune und beklagte sich unterwegs
über den strömenden Regen, sowie über die
Unannehmlichkeit, zu Fuß von Gasthaus zu Gasthaus laufen
zu müssen. Franz schien nicht einmal das schlechte
Wetter zu bemerken und belehrte während des ganzen
Weges, bis sie an dem Gasthofe angekommen waren, ihren
Führer über Gott und religiöse Dinge; er dankte ihm dann
mit vieler Freundlichkeit für seine Mühe und versprach,
am anderen Morgen seiner in der heiligen Messe zu
gedenken.
Die Freude
der Bewohner Avignon's zu schildern, als sie die Ankunft
des Heiligen erfuhren, wäre vergebliche Mühe. Männer,
Weiber und Kinder liefen ihm nach auf Straßen und
öffentlichen Plätzen, küssten den Saum seines Mantels
und baten um seinen Segen. Wo er immer vorbeikam, da
hörte man die freudigen Ausrufe: „Das ist der Bischof
von Genf, der Apostel Chablais'; das ist der Verfasser
der Philothea und des Buches von der Liebe Gottes! Das
ist der große Franz von Sales, der Stifter der
Heimsuchung, der Wundertäter! Welch ein Glück, ihn zu
sehen! Welche Gnade von Gott, ihn in unserer Mitte zu
haben (Charl.-Aug.,
p. 563.)!"
Diese allgemeine Bewunderung und diese Lobeserhebungen
beschämten den demütigen Bischof sehr, und um sich ihnen
zu entziehen, fasste er den Entschluss, so wenig als
möglich auszugehen. Ein Mal sogar, als es ihm
unerträglich wurde, dieselben länger mitanzuhören, trat
er schnell in einen Buchladen, wie um sich einige Bücher
anzusehen. „Ach, sprach er, wie wahr ist es, was Salomon
sagte: Eitelkeit der Eitelkeiten! Wenn ich meinem
inneren Antriebe folgte, so würde ich manches
Lächerliche tun, um dem Volke seinen Irrtum zu benehmen;
aber man muss bei der christlichen Aufrichtigkeit
bleiben, weder den Thoren noch den Weisen machen, nichts
tun, um gelobt oder verachtet zu werden, sondern einfach
und treu für Gott, unseren göttlichen Meister, handeln."
Zu anderen Malen rief er bei solchen Gelegenheiten unter
Tränen aus: „Nicht mir, o Gott, sondern Dir allein
gebührt alle diese Ehre
(Annee de la
visitation, 16. novembre)."
Während der ganzen Zeit, welche Franz in Avignon
zubrachte, war er nur mit heiligen Dingen beschäftigt.
Am Tage nach seiner Ankunft war die ganze Stadt auf den
Beinen, um den Einzug Ludwig's XIII. zu sehen, der
siegreich von der Einnahme Montpelliers, das er den
aufrührerischen Protestanten entrissen, zurückkehrte,
begleitet von den Königinnen Maria von Medicis und Anna
von Österreich. Alle Straßen und Fenster waren dicht
besetzt von Menschen, um den Anblick dieses Schauspiels
zu genießen, bei dem Avignon seine ganze Pracht und der
Hof allen seinen Glanz entfaltet hatte. Der heilige
Bischof lag währenddessen in seinem Zimmer auf den
Knien, mit dem Himmel verkehrend und betend, ohne sich
nur einmal einen Blick auf den glänzenden Zug zu
gestatten, der unter seinem Fenster vorüberkam; und als
man ihn bat, er möge doch nur einen Augenblick diese
Pracht mit Ansehen, da entgegnete er: „Ich überlasse
Euch meinen Platz, die Ihr noch von dieser Welt seid;
ich bin es nicht mehr, ich gehe zu meinem Vater im
Himmel; ich muss an seinem Werke arbeiten, um ihm ohne
Furcht Rechenschaft ablegen zu können
(Ebendas., 17.
novembre.)."
Treu diesem
Geiste der Selbstentäußerung und Abtötung, ging er zu
den Festen des Hofes so wenig als möglich, verkehrte er
mit den Großen nur im Interesse der Religion und empfing
sie bei sich nur, um ihnen von Gott und dem Heile ihrer
Seele zu reden
(Ebendas., 18.
novembre.).
Den 19. November brachte er bei den Jesuiten zu; als er
morgens die heilige Messe gelesen hatte, verweilte er
nach derselben so lange im Gebete, dass man glaubte, er
werde den ganzen Morgen darin zubringen, wenn man ihn
nicht bitten ließe, doch dem Wunsche der Patres zu
willfahren, die sich gerne in mehreren Angelegenheiten
Rats bei ihm erholen wollten. Ein Pater unternahm es
also, ihn zu unterbrechen, und der Bischof erhob sich
auf der Stelle mit den Worten: „Sehen Sie, mein Vater,
das Gebet ist für mich das Nützlichste und Angenehmste;
in diesem inneren Verkehre mit Gott lerne ich jedes Mal
etwas Gutes, um es auf mich selbst anzuwenden." Nach dem
Essen unterhielt er sich auf das freundlichste und
liebevollste mit den Patres, bis es Zeit für ihn war,
sich zum Fürsten zu begeben. Als er fortging, sprach er
zum Pater Rektor, der ihn begleitete: „Ach, wie viel
lieber ist mir eine Stunde geistlicher Unterredung mit
einer guten Seele, als der Anblick aller
Merkwürdigkeiten der Erde! Adieu, mein lieber Pater,
fügte er mit einem tiefen Seufzer hinzu, wir gehen zum
Himmel, und bald wird die ganze Erde unter unseren Füßen
sein (Annee de
la visitation, 19. novembre.)."
Am 25.
November verließen der König von Frankreich und der
Herzog von Savoyen Avignon, um sich nach Lyon zu
begeben, im Gefolge des letzteren auch Franz. Zwei
kalvinistische Edelleute hatten sich ihm unterwegs
angeschlossen; er begegnete ihnen mit seiner
gewöhnlichen liebenswürdigen Sanftmut und blieb so viel
als möglich in ihrer Gesellschaft, um den Versuch zu
machen, ihren Geist zu erleuchten und zu rühren. In
einem kleinen Städtchen, durch das sie kamen, erzählten
die beiden Herren von dem liebenswürdigen Bischofe, den
sie nicht genug bewundern konnten, und bald hieß es bei
allen protestantischen Einwohnern, wenn er vorüber ging:
„Wären alle Bischöfe so wie dieser, so würden wir bald
alle katholisch werden und mit der Religion Luther's und
Kalvin's würde es zu Ende sein
(Charl.-Aug., p. 564.
– Dom Jean de St. Francois, p. 508.)!"
Nicht weit von diesem Städtchen sollte eine Nacht
zugebracht werden; da in dem Gasthause alle Zimmer und
Betten schon besetzt oder im Voraus bestellt waren und
der Bischof von Genf keines mehr erhalten konnte, so
wollten seine Begleiter dem Besitzer des Gasthauses
sagen, wer er sei. Aber er verbot es ihnen; „wisst Ihr
denn nicht, sprach er, dass ich ein Mann des Friedens
bin? Habe ich in meinem Leben nicht schon genug Unruhe
und Verlegenheiten verursacht, ohne deren aufs neue
bereiten zu müssen?" Und er nahm mit einem Speicher
vorlieb, wo er sich in seinen Kleidern auf altes Stroh
niederlegte, trotz seiner Kränklichkeit und der strengen
Kälte. Als am folgenden Morgen zwei Jesuiten, die im
Hause in guten Betten geschlafen hatten, dies erfuhren
und sich beeilten, ihm ihr Bedauern auszudrücken, dass
sie von seiner Ankunft nicht in Kenntnis gesetzt worden
seien, sonst hätten sie ihm mit der größten Freude ihren
Platz überlassen, sprach er freundlich dankend: „Ich
habe es nicht gewollt, und jenem Umstande verdanke ich
in der Tat eine sehr gute Nacht, nie habe ich besser
geschlafen (Annee
de la visitation, 26. novembre.)."
Als er in
Valence wieder anlangte, eilten die Einwohner von allen
Seiten ihm entgegen und umringten ihn in solcher Menge,
dass er kaum seinen Gasthof erreichen konnte. Man wies
ihm dort ein gutes Zimmer an; bald nach ihm traf eine
fremde Dame ein, welche gerade dieses Zimmer zu haben
wünschte, und der gute Bischof überließ es ihr ohne
weiteres, indem er sich mit einem viel schlechteren
begnügte. „Lassen wir uns hier nieder, sprach er zu
seinen Leuten; wir werden hier auf's beste aufgehoben
sein." Es fand sich nur ein Bett vor und Franz wollte es
Rolland überlassen; da dieser es nicht annehmen wollte,
sprach er. „Nun, so sollst Du es wenigstens mit mir
teilen." Matratze, Leintücher und Decke ließ er für
Rolland auf der Erde zurechtmachen und behielt für sich
nur den Strohsack, auf den er sich ganz angekleidet
niederlegte.
Als er am
Morgen die Wirtin rufen ließ, um sie zu bezahlen, sagte
man ihm, dass sie beschäftigt sei. --- „Nun, so störet
sie nicht, sprach er, wir werden warten." Da dies noch
lange zuging, wurden seine Leute ungeduldig. „Seien wir
doch leutselig, beschwichtigte er sie; wir bezahlen ihre
Sachen mit unserem Gelde, vergelten wir ihr den guten
Willen durch einige herzliche Worte." Als die Wirtin
endlich kam, ganz beschämt, dass sie den heiligen
Prälaten so lange auf der Straße hatte warten lassen,
gab er ihr außer dem, was er schuldig war, noch mehrere
gute Ratschläge, wie sie sich in ihrem Stande heiligen
könne, und zuletzt seinen Segen.
In Lyon
stritten sich viele vornehme Persönlichkeiten um die
Ehre, ihn beherbergen zu dürfen. Allein er zog es vor,
seine lieben Töchter von der Heimsuchung um ein kleines
Zimmer zu bitten, welches in der Wohnung ihres Gärtners
sich befand und dem Beichtvater des Klosters an den
Tagen, wo er die Schwestern Beichte hörte, zum
Aufenthalte diente. Sie bemerkten ihm, dass dieses
Zimmer der Zugluft zu sehr ausgesetzt sei; auch könne
man kein Feuer in demselben unterhalten, ohne vom Rauche
belästigt zu werden, und seine Gesundheit würde darum
Schaden leiden. Seine Antwort war wie gewöhnlich, dass
er sich nie behaglicher fühle, als dann, wenn er es nur
wenig bequem habe; in ihrer Nähe würde er eher imstande
sein, ihnen nützen zu können; hier, entfernter vom
Geräusche des Hofes, unbeachteter und ruhiger, würde es
ihm besser möglich sein, in der Vereinigung mit Gott zu
leben, und Jene, die ihn sprechen wollten, könnten
leichter Zutritt zu ihm finden; hier endlich würde er
niemanden beschwerlich fallen oder Unruhe verursachen
(Charl.-Aug.,
p. 564.).
Und freudig nahm er Besitz von dem kleinen Zimmer. Als
seine Freunde ihm Vorwürfe darüber machten, gab er ihnen
dieselbe Antwort, wie den Schwestern: „Ich fühle mich
ganz gut in diesem Häuschen; ich kann hier so ganz
ungestört die Sünder empfangen, welche die Vorsehung mir
zusenden wird; auch für meine Ruhe ist es hier am
besten, da die Beschränktheit meiner Wohnung mich von
der Unruhe großer Gesellschaften befreit
(Annee de la
visitation, 30. novembre)."
Man bat ihn, er möge aus Rücksicht auf seine Beine, die
sehr geschwollen und krank waren, doch nicht so weit und
so viel zu Fuße gehen, besonders, wenn er irgendwo
predige: „In der Tat, entgegnete er darauf, es würde
sich gut ausnehmen, wenn man sähe, dass ich mit Equipage
(Kutsche) fahre, um evangelische Armut und die Buße des
heiligen Johannes zu predigen!" Nie ging er darum anders
als zu Fuß (Charl.-Aug.,
p. 565.).
In L.yon war
der heilige Bischof, was er überall gewesen, der
unermüdliche Apostel, der Mann des Himmels, dem Gott und
die Seelen Alles, die Welt und ihre Eitelkeiten nichts
waren. Während den Fürsten zu Ehren ein Fest auf das
andere folgte, die ganze Stadt wie von einem Taumel des
Vergnügens befangen war, verweilte er bei seinen
Töchtern von der Heimsuchung in der friedlichen Stille
ihres Klosters und sprach zu ihnen von Gott und den
ewigen Gütern. Er wollte seinem geliebten Orden, für den
er so viel getan und gearbeitet hatte, sein letztes
Lebewohl sagen, seine letzten Ratschläge geben. Dazu
benutzte er jeden freien Augenblick. „Mein Vater, baten
ihn eines Tages die guten Schwestern, indem sie ihm ein
Blatt Papier hinreichten, schreiben Sie uns doch auf,
was Sie am meisten von uns wollen." Er nahm die Feder
und schrieb bedächtig das einzige Wort: Demut! Das galt
ihm so viel als alle anderen Belehrungen zusammen.
Mittlerweile
kam Frau von Chantal, von einer Visitation einiger
Häuser ihres Ordens zurückgekehrt, nach Lyon. Es war für
sie eine unaussprechliche Freude, ihren heiligen Führer
noch ein letztes Mal zu sehen und zu hören. Drei und ein
halbes Jahr waren vergangen, dass ihr dies Glück nicht
mehr zuteil geworden war. Bei seinem ersten Anblicke
wurde sie von Bewunderung und Staunen ergriffen; er
erschien ihr sichtlich verändert, wie ganz in Gott
umgewandelt; das heilige Feuer, welches in seinem
Inneren glühte, verlieh seinem Antlitze einen
ungewöhnlichen Glanz. „Mutter, begann der Bischof, wir
haben ein paar freie Stunden; wer von uns beiden wird
zuerst reden?“ „Ich, wenn Sie erlauben, versetzte sie
hastig; meine Seele bedarf es dringend, dass Sie einen
prüfenden Blick auf sie werfen." Als der Heilige diese
kleine Hast bei jener gewahrte, die er ganz vollkommen
sehen wollte, bemerkte er ihr sanft, aber ernst: „Wie,
meine Mutter, Sie aben also noch so hastige Wünsche? Ich
glaubte Sie ganz als einen Engel wiederzusehen. Wir
werden jetzt nicht von Ihnen sprechen, sondern nur von
unserem Orden. Ach, wie liebe ich unsere kleine
Genossenschaft, weil Gott so sehr in ihr geliebt wird!"
Und vier Stunden lang sprachen sie über verschiedene
Angelegenheiten der Kongregation. Franz bemerkte unter
anderem, dass, je mehr er bete, Gott ihn um so mehr
erkennen lasse, es sei sein Wille, dass der Orden unter
der obersten Leitung des heiligen Stuhles und der
betreffenden Bischöfe bleibe und nicht unter einem
Generalobern stehe. „Denn, sprach er, Ihre Töchter sind
die Töchter des Klerus und der Klerus ist der erste
Orden gewesen." Frau von Chantal stimmte diesen
Ansichten als von Gott eingegeben bei; denn sie verehrte
ihren Vater als einen Heiligen und sie konnte ihm das
nicht verschweigen. „Mein Vater, sprach sie, ich zweifle
nicht daran, dass Sie eines Tages heilig gesprochen
werden und ich hoffe, dass ich selbst das meinige dazu
beitrage." --- „Gott könnte wohl ein solches Wunder
wirken, ehrwürdige Mutter, versetzte Franz in sehr
ernstem Tone; aber jene, welche meine Heiligsprechnug
betreiben sollen, sind noch nicht geboren." Gerne hätte
Frau von Chantal ihren Aufenthalt in der Nähe ihres
heiligen Führers noch verlängert, aber er gestattete es
nicht; denn die Pflicht gebot ihr, ihre Visitationsreise
fortzusetzen, und sie reiste darum trotz der strengen
Kälte ab. Als die Schwester von Blonay sie deswegen bei
dem Bischofe bedauerte, entgegnete er: „Wer kann unsere
Mutter mehr lieben als ich, meine Tochter? Ich liebe sie
wie mich selbst. Aber sie muss den Willen Gottes
erfüllen und hingehen, um mir die Stätte meiner Wohnung
zu bereiten." Erst später verstand die Schwester den
Sinn dieser Worte, da sie nach dem Tode des Heiligen
erfuhr, dass Frau von Chantal es sich angelegen sein
ließ, ihm ein Grab zu bereiten
(Annee de la
visitation, 11. decembre.).
Die Zeit,
welche Franz nicht seinen Töchtern von der Heimsuchung
widmete, war großenteils von auswärtigen Besuchen in
Anspruch genommen, mit denen er überhäuft wurde; von
allen Seiten kam man zu ihm, um sich Rats zu erholen,
wie einst zum heiligen Antonius in die Wüste, selbst
Prinzen und Fürsten suchten das arme Gärtnerhäuschen der
Heimsuchung auf. Einer der fleißigsten Besucher war ein
hoher Gerichtsbeamter, Jakob Olier, der ihn bei seiner
Ankunft in Lyon am dringendsten gebeten hatte, seine
Gastfreundschaft anzunehmen. Franz hatte ihn bald
schätzen gelernt und war innig mit ihm befreundet
geworden. Herr Olier wie seine Gattin waren von der
lebhaftesten Unruhe in Betreff eines ihrer Söhne, Namens
Johann Jakob, erfüllt. Sie hatten ihn anfangs zum
geistlichen Stande bestimmt; aber sein heftiger,
ungestümer Charakter, seine sprudelnde Laune flößte
ihnen Zweifel ein, ob er jemals ein guter Priester
werden würde. Unaufhörlich wurde er zurechtgewiesen und
bestraft, aber das hatte zur Folge, dass es anstatt
besser nur schlimmer mit ihm wurde, sein Gemüt wurde
dadurch verbittert. In ihrer Bekümmernis kam die Mutter
zu dem Heiligen und bat ihn, er möge doch den Beruf
ihres Sohnes prüfen; er möge im Gebete Gott um
Erleuchtung bitten und ihr dann eine bestimmte und
entschiedene Antwort erteilen, welche sie als ein Orakel
betrachten werde. Er versprach ihr das und nach einigen
Tagen führte sie alle ihre Kinder zu ihm. Er begegnete
ihnen allen mit gleicher Liebe, küsste eines nach dem
anderen, lobte sie alle. „ Hochwürdigster Herr, Johann
Jakob, der Jüngste, ist nicht artig und macht mir vielen
Kummer", sprach die Mutter. --- „Madame, versetzte
Franz, man muss der Jugend schon etwas nachsehen; eine
lebhafte, muntere Gemütsart ist nicht die schlimmste;
trösten Sie sich, der Himmel hat ihn auserwählet zum
Ruhme und Wohle der Kirche. Gott bildet sich aus diesem
Kinde einen guten Diener heran. Zweifeln Sie nicht mehr,
verwandeln Sie Ihre Befürchtungen in Danksagungen; und
wenn Gott mich noch einige Zeit auf der Erde ließe, so
würde ich Sie bitten, mir dies Kind anzuvertrauen, um es
selbst zur Tugend und kirchlichen Wissenschaft
heranzubilden."
Trotz der
vielen Besuche, welche der Heilige erhielt,
vernachlässigte er doch keine seiner anderen Pflichten.
Treu und gewissenhaft machte er den beiden Fürsten seine
schuldige Aufwartung, sowie seinen Freunden, die er an
deren Hofe besaß; überall war er geachtet und verehrt,
überall erbaute er und betrachtete man seine Worte als
Orakelsprüche. Als er sich eines Tages mit einem
Jesuiten über die Liebe des heiligen Franz von Assisi
zum Leiden, über die Demut des heiligen Franz von Paula
und den apostolischen Eifer des heiligen Franz Xaverius
unterhielt, sprach er mit jener Heiterkeit, welche
seiner Unterhaltung einen solchen Reiz verlieh: „Ja,
entweder kostet es mich das Leben oder ich werde eines
Tages ein vierter heiliger Franziskus sein.“ Als ein
Doktor der Sorbonne ihm ein anderes Mal sagte, dass man
ihn überall für einen Heiligen halte, rief er aus: ,,Ach
mein Herr, Gott möge Sie vor einer solchen Heiligkeit
bewahren! Sie täuschen sich sehr, ebenso alle anderen;
ich habe nur den guten Willen, Gott zu dienen, aber
durch Ihr Gebet können Sie viel dazu beitragen, dass ich
ein Heiliger werde
(Charl.-Aug., p.
566.)."
Ein anderes Mal bemerkte ihm eine Hofdame, die er bei
der Prinzessin von Soissons traf: „In der Tat,
hochwürdigster Herr, wenn Ihr Kleid rot wäre, so würde
man Sie für den heiligen Karl halten." -- „Madame,
erwiderte er, es hilft wenig, ein rotes Kleid zu tragen;
aber es wäre sehr wünschenswert, ein heiliger Karl in
Werken zu sein, wenn man es auch nicht dem Kleide nach
wäre." Im Verkehre mit den Großen vergaß Franz die Armen
nicht. Nachdem er ihnen Alles gegeben, was er hatte,
sprach er für sie die Mildtätigkeit der Herren und Damen
des Hofes an; und keiner konnte ihn abweisen, die
Ehrfurcht, welche seine Heiligkeit einflößte, ließ das
nicht zu. Was er so erhalten hatte, trug er dann freudig
seinen Armen hin. Auch das höhere geistige Almosen des
Wortes Gottes spendete er immer noch mit unermüdlichem
Eifer; keine Bitte um eine Predigt konnte er je
abschlagen, und gerade die drei letzten Tage vor seinem
Tode brachte er unter so angestrengter Tätigkeit hin,
dass sie im Stande gewesen wäre, auch die festeste
Gesundheit zu erschüttern. In der Nacht vor Weihnachten
las er im Kloster der Heimsuchung die heilige Messe und
predigte über die Geburt Christi mit einem solchen
seraphischen Feuer der Begeisterung, dass die Oberin,
welche die Schwester von Blonay war, es nachher wagte,
ihn vertrauensvoll in der Sakristei zu fragen, ob ihm
nicht irgend eine besondere Gnade in dieser Messe zuteil
geworden sei. „Es kam mir vor, sagte sie, als sähe ich
den Erzengel Gabriel neben Ihnen stehen, als sie das
Gloria in excelsis Deo = Ehre sei Gott in der Höhe -
nach Lukas 2, 14) anstimmten." -- „Teure Tochter,
antwortete er ihr mit freundlichem Blicke, mein Herz ist
sehr harthörig, wenn es sich um höhere Eingebungen
handelt; die Engel müssen zum Ohre meines Körpers reden
und durch einen heiligen Gesang auf meine Sinne
einwirken." Da diese Antwort die Oberin nicht
zufriedenstellte und sie weiter in ihn drang, fuhr der
Bischof fort: „Es ist wahr, nie habe ich größere
Tröstungen am Altare empfangen; das göttliche Kind war
da, sichtbar und unsichtbar. Warum sollten die Engel
nicht zugegen gewesen sein? Aber mehr sollen Sie nicht
erfahren, es sind zu viele Leute um uns herum." Damit
brach er ab und begab sich zum Prinzen und zur
Prinzessin von Piemont, um sie Beichte zu hören; als ihr
Großalmosenier las er sodann bei Tagesanbruch für sie
die heilige Messe bei den Dominikanern und reichte ihnen
die heilige Kommunion. Nachher ging er in aller Eile
nach dem Kloster der Heimsuchung zurück, um da die
dritte Messe zu lesen.
Der
Beichtvater des Klosters war gerade im Begriffe an den
Altar zu gehen, wollte aber, als der Bischof erschien,
eilends die heiligen Gewänder wieder ablegen, um ihn
zuerst lesen zu lassen; allein er gab es durchaus nicht
zu, getreu seinem Grundsatze, dem Nächsten nie eine
Störung zu verursachen und sich auf Kosten Anderer eine
Bequemlichkeit zu verschaffen. Mit liebenswürdiger Anmut
bemerkte er, es sei ihm sehr angenehm, einige
Augenblicke zu haben, um sich zu sammeln, und auf den
Knien wohnte er in einem Winkel der Kirche den drei
Messen des Hausgeistlichen bei, so dass er seine erst
gegen Mittag anfangen konnte
(Charl.-Aug., p.
568.).
Nach dem Essen, bei dem er nur sehr wenig zu sich nahm,
wohnte er der Einkleidung zweier Novizinnen von der
Heimsuchung bei und predigte über die Worte aus der
Epistel (Lesung aus der Bibel, speziell NT) des Tages.
„Indem wir ablegen die Gottlosigkeit und die irdischen
Begierden lasst uns mäßig, gerecht und fromm in dieser
Welt leben." Nach einigen Augenblicken der Ruhe hielt er
darauf den Schwestern eine Konferenz, empfing noch eine
Menge von Besuchen und begab sich zur Königin-Mutter,
welche am folgenden Tage abreiste, um ihr noch einen
letzten Besuch zu machen; erst spät in der Nacht konnte
er trotz seiner äußersten Müdigkeit vom Hofe nach Hause
zurückkehren (Ebendas.,
p. 568. – La Riviere, p. 654.).
Am Tage des
heiligen Stephanus richtete er Abends gegen fünf Uhr,
nachdem er von einem Freunde, bei dem er gespeist hatte,
zurückgekommen war, an seine Töchter von der Heimsuchung
eine letzte Ansprache, die gegen zwei Stunden dauerte.
Gleich im Anfange erklärte er ihnen, dass dies das
letzte Mal sei, dass er zu ihnen rede. Er sprach zu
ihnen über die göttliche Liebe, gab ihnen noch manche
Belehrungen über die Beichte und heilige Kommunion,
sowie über andere Gegenstände und fügte dann hinzu:
„Vergesset nicht, dass wir in dieser Welt nach nichts
anderem Verlangen tragen sollen, als nach der
Vereinigung unserer Seele mit Gott; Ihr seid recht
glücklich, geliebte Töchter, denn Eure Regeln und alle
Eure Übungen führen Euch dahin ; haltet Euch nur treu
daran, ohne etwas Anderes zu begehren oder zu suchen."
Da er noch
weiter sprechen wollte, ohne nur daran zu denken, dass
es Zeit sei aufzuhören, erschienen seine Bedienten mit
Fackeln und erinnerten ihn, dass es schon spät sei.
„Gerne würde ich die ganze Nacht hier zubringen, ohne
daran zu denken, sprach er; aber der Gehorsam ruft und
ich muss fort." – „Aber vorher, bat die Oberin, sagen
Sie uns doch noch ein Mal, was Sie am tiefsten in unser
Herz geschrieben sehen wünschen." --- „Geliebte Töchter,
erwiderte er, nichts sollet Ihr begehren, nichts sollet
Ihr abweisen; duldet Alles und nehmet Alles bereitwillig
an wie es kommt; in diesem einen Worte ist Alles
enthalten. Betrachtet den kleinen Jesus in der Krippe;
er nimmt an Armut und Blöße, die Gesellschaft von
Tieren, Kälte, das Ungemach der Witterung, Alles was der
Vater ihm sendet. Es steht nirgends geschrieben, dass er
je seine Hände ausstreckte, um etwas zu begehren, er
überließ sich ganz und gar der Sorge seiner Mutter. Auch
wies er nicht von sich die kleinen Erleichterungen, die
sie ihm verschaffte; er nahm an die Dienstleistungen des
heiligen Joseph, empfing die Anbetung der Könige und der
Hirten, und alles dies mit demselben Gleichmute. So
sollen auch wir nichts begehren, nichts abweisen,
sondern alles dulden und annehmen, was Gott uns immer
sendet." -- „Darf man sich denn wärmen, fragten die
Schwestern, wenn es recht kalt ist?" -- „Wenn Feuer da
ist, antwortete er, so sieht man wohl, dass der Gehorsam
es verlangt, dass man sich wärme, nur soll es nicht mit
zu großem Eifer geschehen." Darauf ging er fort, nachdem
er ihnen noch gesagt hatte, dass er sie alle in seinem
Herzen trage (Annee
de la visitation, 27. novembre).
Als er am
folgenden Morgen, dem Feste des heiligen Johannes,
aufstand, gewahrte er, dass seine Sehkraft sehr
geschwächt war. „Das bedeutet mir, sprach er zu den
Seinigen, dass ich fort muss, und ich danke Gott dafür;
sinkt der Leib zusammen, so drückt er die Seele nieder."
Darauf beichtete er, las die heilige Messe mit
außerordentlicher Inbrunst, reichte in derselben die
heilige Kommunion sämtlichen Schwestern, und nachdem er
die Oberin Beichte gehört hatte, sprach er noch eine
Weile mit ihr. Da sie eine Veränderung in seinem Blicke
und in seinen Gesichtszügen bemerkte, frug sie ihn, ob
er nicht wohl sei; er antwortete weiter nichts, als dass
jenen, welche Gott lieben, Alles zum Besten gereiche,
und segnete sie mit den Worten: „Adieu, meine Tochter,
mein Geist und mein Herz bleibt Ihnen zurück."
Als er aus
der Kirche trat, begegnete er dem Herzoge von Bellegarde,
Gouverneur der Bourgogne, und Herrn von Villeroy, dem
Gouverneur von Lyon, mit denen er lange unbedeckten
Hauptes sprach, wiewohl es empfindlich kalt und feucht
war. Darauf begab er sich zum Prinzen von Piemont, vor
dem er ebenfalls lange mit unbedecktem Haupte stand, und
kehrte dann todmüde und vollständig erschöpft nach Hause
zurück (Charl.-Aug.,
p. 571.).
Sein Bedienter wollte ihm seine Stiefel ausziehen, um es
ihm bequemer zu machen. „Nun wohl, da Du es so willst,
sprach er, aber wir werden nicht weit gehen."
Nach der
Mahlzeit, bei der er nur äußerst wenig genossen halte,
blieb er lange in Nachdenken versunken, mit den Armen
auf den Tisch gestützt. Darauf schrieb er zwei Briefe
und hatte soeben einen dritten begonnen, als er durch
den Besuch mehrerer Patres von verschiedenen Orden
unterbrochen wurde, welche in der Meinung, dass er nach
Annecy zurückgehe, gekommen waren, um ihm eine
glückliche Reise zu wünschen und seinen Segen zu
erbitten. Als sie sich verabschiedeten, bemerkten seine
Bedienten, die gewohnt waren, ihn jeden Besuch mit der
größten Höflichkeit behandeln zu sehen, dass er, anstatt
ihnen das Geleite zu geben, auf seinem Stuhle sitzen
blieb; sie schlossen daraus, dass er sehr unwohl sein
müsse und zeigten die lebhafteste Besorgnis. Als er das
gewahrte, sprach er. ,.Ihr glaubt vielleicht, dass ich
krank bin?" und als einer derselben ihm von einer
Predigt erzählte, in welcher der Redner der Königin
anempfohlen hatte, ihre Diener recht zu lieben, fragte
er mit schwacher Stimme: „Und Du mein Freund, liebst Du
mich recht?" Da der treue Diener nur Tränen auf diese
Frage zur Antwort hatten fuhr der gute Herr fort. „Auch
ich liebe Dich sehr; aber lass uns noch mehr Gott
lieben, der unser oberster Herr ist." Nach diesen Worten
fiel er in Ohnmacht; es war da zwei Uhr nachmittags
(Ebendas., p.
571 et suiv.).
Man öffnete sogleich alle Fenster, um ihm frische Lust
zu schaffen, und brachte ihn zu Bette. Eine halbe Stunde
später gesellte sich ein Schlaganfall hinzu, der ihn
vollständig lähmte und ihn teilnahmslos für Alles zu
machen schien. Die eiligst herbeigerufenen Ärzte
empfahlen dringend, um jeden Preis diese schläfrige
Teilnahmslosigkeit zu beseitigen, mit ihm zu sprechen,
ihm die Schläfe mit warmen Tüchern zu reiben, ihm
bittere Arzneien zu geben; geduldig ließ er alles mit
sich geschehen, denn sein klares Bewusstsein und sein
voller Verstand waren ihm mittlerweile zurückgekehrt.
Der Rektor der Jesuiten sagte ihm Akte des Glaubens, der
Hoffnung, der Liebe und der Reue vor, und andächtig
wiederholte sie der heilige Kranke in den
Zwischenräumen, in denen er der Sprache mächtig war. Auf
alles, was man zu ihm sagte, hatte er nur erbauliche
Worte (Ebendas.,
p. 573 et suiv.).
„Ach, in welchem Zustande erblicke ich Sie!" sprach
schmerzlich bewegt ein ihm befreundeter Pater. – „Mein
Vater, versetzte er, ich erwarte hier die Barmherzigkeit
Gottes. Sehnsüchtig harrte ich auf den Herrn und er hat
auf mich Acht gehabt
(Ps. XXXIX, 1.)."
-- „Wenn es der Wille Gottes wäre, sprach der Pater
auf's neue, würden Sie denn nicht gerne in diesem
Augenblicke sterben?" --- „Wenn Gott es will, antwortete
der heilige Kranke mit sanftem Lächeln, so will ich es
auch; in dieser Stunde oder zu einer anderen, was liegt
daran? Es ist gut auf den Herrn zu hoffen
(Ps. CXVII, 9.).
Er ist der Herr; er tue was gut ist in seinen Augen
(Kön. II, 18.)."
Er legte darauf das Glaubensbekenntnis ab und setzte
hinzu: „Ich will sterben in dem Glauben der
katholischen, apostolischen und römischen Kirche, der
einzig wahren Religion; so schwöre und bekenne ich es.
Ich verlange die letzte Ölung." --- „Hochwürdigster
Herr, sprach da ein anderer ihm befreundeter
Jesuiten-Pater zu ihm: möge dieser Kelch an mir
vorübergehen!“ -- „Nicht doch, erwiderte er, wir wollen
lieber sagen: Mein Gott, nicht mein, sondern dein Wille
geschehe." – „Nun denn, sprach der Pater, so bringen Sie
sich ganz der heiligen Dreifaltigkeit zum Opfer dar.“ --
„Ach, aus vollstem Herzen weihe und bringe ich Gott zum
Opfer alles, was in mir ist, mein Gedächtnis und meine
Handlungen Gott dem Vater, meinen Verstand und meine
Worte Gott dem Sohne, meinen Willen und meine Gedanken
Gott dem heiligen Geiste, mein Herz, meinen Leib, meine
Zunge, meine Sinne und alle meine Schmerzen der
heiligsten Menschheit Jesu Christi, der nicht zögerte,
sich den Händen der Gottlosen zu überliefern und sich
dem Tode am Kreuze zu unterziehen." Ein anderer, der es
für gut hielt, ihm Hoffnung zu machen, dass er wieder
gesund werde, machte die Bemerkung, er habe die
Zuversicht, ihn bald noch auf dem bischöflichen Stuhle
von Genf zu sehen. „Nach dem Stuhle Genf's, entgegnete
er, habe ich nie Verlangen getragen, sondern nur nach
der Bekehrung dieser Stadt
(Nach dem Kanonikus
Gard. – Charl.-Aug., p. 576.)."
Er beichtete sodann und äußerte nochmals den Wunsch, die
letzte Ölung zu empfangen. Als der Generalvikar von
Lyon, der mittlerweile gekommen war, ihm sagte, er wolle
für ihn das Allerheiligste in der Kirche der Heimsuchung
aufsetzen lassen, entgegnete er: ,,Nein, nein, ich bin
dessen nicht wert." --- „Aber möchten Sie denn
wenigstens nicht, dass man für Sie bete?" -- „O ja, für
mich armen Sünder." -- „Wollen Sie nicht die
allerseligste Jungfrau anrufen?" -- „Ach, ich habe zu
ihr gebetet jeden Tag meines Lebens." Bei diesen Worten
fiel er in eine tiefe Betäubung. Um ihn daraus
aufzurütteln, da sie ihm sehr schädlich war, fiel es dem
Generalvikar ein, ihn zu fragen, was er von der
katholischen Religion denke, ob er nicht etwa im
Innersten des Herzens Kalvinist sei? „O, rief er da, vor
Schrecken bei dem Gedanken an die Irrlehre wieder zu
sich kommend, mit Anstrengung aus: „Gott bewahre mich
davor! ich bin nie ein Irrgläubiger gewesen; das würde
ein zu schrecklicher Verrat an mir selbst sein." Und bei
diesen Worten machte er ein großes Zeichen des Kreuzes
von der Stirne bis zur Brust. „Fürchten Sie denn, begann
der Generalvikar einige Augenblicke nachher auf's neue,
gar nicht den Tod? Die größten Heiligen waren bei seinem
Herannahen von Angst erfüllt, und das mit Recht. O Tod,
wie ist der Gedanke an dich so bitter!" -- „Für
denjenigen, welcher seine Ruhe in seinem Reichtume sucht
(Sir. XLI, 1.)“,
entgegnete der Bischof; er wollte damit sagen, dass der
Tod für ihn keine Bitterkeit habe, da er keine
Anhänglichkeit an das Irdische hatte
(Geist des h. Franz
v. Sales, V, 10. – La Riviere, p. 657.).
Da sein
Zustand sich unterdessen immer mehr verschlimmerte, so
erteilte man ihm eine Stunde nach Mitternacht die letzte
Ölung, nach welcher er so sehr verlangt hatte, ohne ihm
jedoch wegen seiner häufigen Erbrechungen die heilige
Wegzehrung zu reichen. Mit der größten Andacht
antwortete er auf alle Gebete, da er in diesem
feierlichen Augenblicke wie durch ein Wunder die volle
Freiheit seines Geistes wiedererlangt hatte. Nach der
heiligen Handlung liess er sich seinen Rosenkranz um
seinen Arm legen, der mit mehreren gesegneten Medaillen
versehen war, welche er von Rom und Loretto mitgebracht
hatte, und bat die bei ihm wachenden Geistlichen, ihm
hie und da Akte des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe,
der Ergebung in den Willen Gottes, der Reue und der
Demut vorzusprechen.
Als der Tag
anbrach, der für ihn der letzte sein sollte, besuchte
ihn der Bischof von Damaskus. Er erkannte ihn sogleich
und hielt ihm die Hand entgegen zum Zeichen des
Wohlwollens und Willkommmens. „Ich komme, sprach der
Bischof, um Ihnen in dem letzten Kampfe beizustehen; ein
Bruder, der von einem Bruder unterstützt wird, ist wie
eine starke Stadt
(Sprichw., XVIII,
19.)."
-- „Und der Herr wird beide erretten“, antwortete er.
Ein paar Augenblicke nachher sprach der Bischof auf's
neue: „Wirf Deine Sorge auf den Herrn
(Ps. LIV, 23.)."
-- „Und er wird Dich ernähren
(Ebendas.)",
antwortete der Kranke, und fügte hinzu: „Meine Speise
ist, dass ich den Willen meines Vaters tue
(Charl.-Aug., p. 575
et suiv. – La Riviere, p. 656 et suiv.)."
Der Herzog
von Nemours, Heinrich von Savoyen, kam, wiewohl er
heftig an der Gicht litt, nach dem Bischofe von
Damaskus. Ergriffen von dem Zustande, in welchem er den
verehrungswürdigen Kranken erblickte, kniete er an
seinem Bette nieder und bat ihn mit Tränen in den Augen
um seinen Segen für sich und seinen Sohn, den Prinzen
von Genevois, den der heilige Bischof in Paris getauft
hatte. Man fragte ihn, ob er den erkenne, der zu ihm
spreche. „gewiss, antwortete er, es ist der Herzog von
Nemours; ich bin sein Vasall." Und seine Hand, wiewohl
nur mit Mühe erhebend, segnete er ihn und den jungen
Prinzen (Charl.-Aug.,
p. 576.).
Frau Olier
erschien ebenfalls mit ihren Kindern, um seinen letzten
Segen zu erbitten, und der heilige Kranke segnete sie
mit zufriedenem und ruhigem Blicke, der die hohe
Hoffnung bekundete, welche er auf den jüngsten Knaben,
Johann Jakob, setzte, welcher der Vater einer
Genossenschaft werden sollte, die sich der Heiligung des
Klerus widmete.
Gegen zehn
Uhr fanden es die Ärzte für ratsam, ihm zur Ader zu
lassen; bald darauf kam sein ehemaliger Beichtvater, der
Pater Forrier, und auf die Frage, ob er sich seiner
erinnere, antwortete er ihm: „Wenn ich Deiner vergesse,
möge dann meine Rechte der Vergessenheit anheimfallen
(Ps. CXXXVI,
5.)."
-- „Sprechen Sie zu Gott, fuhr der Pater fort, wie einst
der heilige Martin: Herr, wenn ich Delnem Volke noch
notwendig bin, so weise ich nicht die Arbeit von mir
zurück." -- „Ich notwendig! versetzte er, nein, nein,
ich bin ein durch und durch unnützer Knecht; ein
unnützer, unnützer, unnützer Knecht", wiederholte er
drei Mal.
Als er
bemerkte, mit welchem Eifer ein guter Bruder von der
Gesellschaft Jesu ihm in seinen Bedürfnissen behilflich
zu sein suchte, sprach er zu ihm: „Sie bemühen sich viel
um meinetwegen, mein lieber Bruder; was werde ich für
Sie tun können?" -- „Hochwürdigster Herr, erwiderte
dieser, gedenken Sie meiner, wenn Sie im Reiche Gottes
sein werden." Und der Heilige nickte ihm wohlwollend zu,
zum Zeichen, dass er dies verspreche.
Als er die
Tränen seiner Diener gewahrte, die schluchzend sein Bett
umstanden, sprach er zu ihnen: „Weinet nicht, meine
Kinder; ist es denn nicht notwendig, dass der Wille
Gottes erfüllt werde?" Nach diesen Worten fiel er wieder
in die frühere Betäubung zurück. Zum Bewusstsein
zurückgekehrt, redete er nur mehr mit Gott, indem er
seine Barmherzigkeit anrief und häufige Akte des
Vertrauens machte. Den Psalm Erbarme Dich meiner, o
Herr, hatte er besonders viel im Munde und als ihn Einer
mit leiser Stimme den Vers lispeln hörte: „Wasche mich
mehr und mehr von meiner Ungerechtigkeit, o Herr, und
von meiner Sünde reinige mich", und die Bemerkung
machte, dass in seinem gewissen kein Flecken mehr zu
tilgen sei, versetzte er sogleich: „O, Sie täuschen
sich." Zu anderen Malen sprach er mit dem Psalmisten:
„Mein Herz und mein Fleisch frohlocken in Gott dem
Lebendigen
(Ps. LXXXIII, 3.).
Die Barmherzigkeit des Herrn will ich in Ewigkeit
preisen (Ps.
LXXXVIII, 2.).
Es wies mein Herz den Trost zurück; da dachte ich an
Gott und fand Genuss darin
(Ps. LXXVI, 4.).
Wann werde ich hingehen und vor ihm erscheinen
(Ps. XLI, 3.)?"
Auch wiederholte er gerne die Worte des Hohen Liedes:
„Zeige mir, mein Geliebter, wo Du weidest, wo Du ruhest
am Mittage"; und als jemand, um in ihm den Gedanken an
das Paradies wach zu erhalten, die Worte sagte: „Heilig,
heilig, heilig", fügte er hinzu: „Voll ist die ganze
Erde seines Ruhmes", und fuhr dann fort, das Te Deum (laudamus
= Dich, Gott, loben wir) zu beten, jenen herrlichen
Gesang der himmlischen Heerscharen, denen er bald
angehören sollte.
Die
Betäubung kehrte von Zeit zu Zeit immer wieder, und um
ihn auf derselben zurückzubringen, ließen ihn die Ärzte
große Schmerzen erdulden; sie rissen ihm Haare aus,
rieben ihm heftig Beine und Schulter, bis sie ganz wund
wurden. Als er durch den Schmerz wieder zu sich gekommen
war, bemerkte er den Erzbischof von Embrun; aber anstatt
mit ihm zu sprechen, ließ er nur Seufzer der Liebe aus
vollem Herzen zu Gott emporsteigen: „O mein Gott, all'
mein Verlangen ist vor Dir und mein Seufzen ist Dir
bekannt! Mein Gott und mein Alles! meine Sehnsucht und
die Sehnsucht der ewigen Hügel!" Als ihm jemand
bemerkte, er möge seine Schmerzen mit denen des
dornengekrönten Jesus vereinigen, erwiderte er: „Was ich
leide, verdient nicht den Namen von Schmerzen im
Vergleiche mit jenen."
Als die
Ärzte zuletzt gewahrten, dass der Kranke in der
äußersten Gefahr sei, wollten sie noch ein letztes
Mittel anwenden. Man hatte ihm ein spanisches
Zugpflaster auf den Kopf gelegt; als man es entfernte,
riss man ihm die oberste Haut mit weg. Zwei Mal legten
sie ihm glühendes Eisen auf den Nacken und ein Mal auf
den Kopf, in den sie bis tief auf den Knochen
hineinbrannten
(Charl.-Aug., p.
577.);
und während dieser Marter, die so heftig war, dass sie
ihm unwillkürliche Tränen erpresste, ließ er auch nicht
einen Laut der Klage hören. Man fragte ihn, ob er die
Schmerzen fühle. „Ja, antwortete er, ich fühle sie; aber
machen Sie mit dem Kranken Alles was Sie wollen." Sein
Antlitz verlor nichts von seiner ruhigen Heiterkeit und
Sanftmut, und seine Lippen flüsterten kein anderes Wort,
als die Namen Jesus und Maria. Wie das Lamm unter der
Hand seines Scherers, so litt er Alles, was man wollte,
tat er Alles was man ihm vorschrieb; und getreu seinem
Grundsatze, nichts zu verlangen, nichts abzuweisen,
verlangte er nie eine Erleichterung, wies er nie ein
Heilmittel zurück, wie gewaltsam es auch war oder welche
Abneigung die Natur auch dagegen empfinden mochte.
Ein
rascherer Tod schien das einzige Ergebnis dieser
grausamen Operationen zu sein, und von dem Augenblicke
an ließ er nur mehr wenige Worte vernehmen. Der
Generalvikar fragte ihn, wo er begraben werden wolle; er
antwortete nicht. Eine Schwester sagte, um ihm Freude zu
machen, wiewohl es nicht wahr war, dass sein Bruder, der
Bischof von Chalcedon, gekommen sei. „Meine Schwester,
sprach er, man darf nie lügen." Als man ihn fragte, ob
es ihm nicht leid tue, seine lieben Töchter von der
Heimsuchung zu verlassen und ob er für die im Werden
begriffene Genossenschaft nicht bekümmert sei,
antwortete er: „Wer das Werk begonnen hat, der wird es
auch vollenden
(Phil. I, 6.)."
Als man ihn ferner fragte, ob er nicht fürchte, im
letzten Kampfe gegen den Teufel zu unterliegen, sprach
er: „Mein Auge ist allzeit auf den Herrn gerichtet; denn
er wird meine Füße aus der Schlinge ziehen
(Ps. XXIV, 15.)."
– ,,Aber, entgegnete Einer, es fand sich selbst einer
unter den Aposteln, der untreu wurde." – „Ich habe auf
den Herrn gehofft, erwiderte er; er hat meine Bitten
erhört und mich aus der Tiefe des Elends gezogen und aus
dem Schlamme des Kotes
(Ps. XXXIX, 3.).“
Und er setzte hinzu: „Der es begonnen hat, wird es
vollenden."
Darauf
wandte er sich zu einem der Seinigen und sprach, indem
er ihm die Hand drückte: „Es wird Abend und der Tag hat
sich geneigt
(Luc. XXIV, 29.)."
Nachdem er sodann noch den Namen Jesus ausgesprochen
hatte, verlor er die Sprache, und nur an der Bewegung
seiner Lippen und Augen, die er bei jeder frommen
Anmutung, die man ihm vorsprach, zum Himmel erhob,
erkannte man, dass er noch lebte. Als endlich der letzte
Augenblick nahte, knieten alle Umstehenden nieder und
beteten die Sterbegebete; als sie zum dritten Male, da
es das Fest der unschuldigen Kinder war, die Worte
wiederholt hatten, „Alle heiligen unschuldigen Kindlein,
bittet für ihn", gab er seine reine und unschuldige
Seele seinem Gotte zurück, mit derselben Ruhe, welche
sein ganzes Leben geregelt hatte, um acht Uhr Abends im
sechsundfünfzigsten Jahre seines Lebens und im
zwanzigsten seines Episkopates
(Charl.-Aug., p.
578.).
Sein Tod
wurde alsbald auf übernatürliche Weise seinem Bruder
Ludwig von Sales, der sich gerade auf Schloss la Thuile
aufhielt, offenbart; ferner Karl August, seinem Neffen,
der gefährlich krank darnieder liegend, plötzlich durch
die Erscheinung seines Onkels gesund wurde; Frau von
Chantal, die damals in Grenoble weilte und im Gebete
deutlich die Worte vernahm: „Er ist nicht mehr"; sodann
der Anna Jakobina Coste, deren Tugend der Heilige so
sehr hoch hielt, und dem Prior von Talloires, der so
innig mit ihm befreundet war
(Vie de St. Francois
de Sales, par le P. de la Riviere, ecrite en 1624, liv.
IV. – Charl.-Aug., p. 581. ).
In der Stadt L.yon verbreitete sich die Nachricht wie
ein Lauffeuer, und schon damals erscholl der einstimmige
und unwillkürliche Ruf, dass der Tote ein Heiliger sei;
haufenweise strömten die Einwohner herbei, um seine
sterblichen Reste zu verehren und rührten Rosenkränze
und andere Andachtsgegenstände an seinem Leichname an.
Herr Olier ließ ihn öffnen und einbalsamieren; man fand
das Herz groß und sehr erweitert, jedoch gesund und
ganz, die Leber verbrannt, einen Lungenflügel wie von
einem Degen durchstochen, die rechte Gehirnhöhle mit
geronnenem Blute angefüllt und die linke voll Wasser,
was mit der Lähmung des linken Armes und der linken
Seite übereinstimmt. Besonders merkwürdig war aber der
Zustand, in welchem man die Galle fand; sie war ganz
verhärtet und vertrocknet und in dreihundert kleine
Steinchen geteilt, die aneinander in Form eines
Rosenkranzes saßen, hellgelb oder in verschiedenen
Farben glänzend, die einen rund, andere dreieckig und
noch andere achteckig, eine eigentümliche Erscheinung,
welche die Ärzte der beständigen Gewalt zuschrieben, die
er anwenden musste, um den Zorn, zu dem er von Natur
geneigt war, zu überwinden und zu unterdrücken
(Charl.-Aug., p. 579.
– La Riviere, p. 664.).
Alles Blut,
welches bei der Obduktion herausfloss, wurde von der
Frömmigkeit der Gläubigen als eine kostbare Reliquie in
linnenen Tüchern aufgefangen, und in der Tat wurden in
der Folge mehrere wunderbare Heilungen durch es bewirkt.
Man. ging so weit, dass man selbst die Stellen auf dem
Tische oder am Boden abschabte, auf welche einige
Tropfen gefallen waren, und dass man in frommer
Verehrung Alles zusammensuchte, was im Gebrauche des
heiligen Kranken gewesen oder mit ihm in Berührung
gekommen war. Sein Herz wurde dem Kloster der
Heimsuchung gegeben; es lag zuerst in einer silbernen,
nachher in einer kostbaren goldenen Kapsel, welche
letztere Ludwig XIII. geschenkt hatte, um seine
Dankbarkeit für eine wunderbare Genesung zu bezeigen,
die ihm durch Berührung dieses Herzens zuteil geworden
war; einen der größten Steine seiner Galle erhielt Maria
von Medicis, einen anderen Anna von Österreich, zwei die
Prinzen Karl Emmanuel und Victor Amadeus von Savoyen.
Alle diese Gegenstände wurden mit großer Ehrfurcht
behandelt und kostbar eingefasst
(Nach de Chaugy.).
Alles Übrige, was dem Heiligen angehört hatte, wurde an
Fürsten, Große und Klöster verteilt, und Jedermann war
begierig, irgend eine Reliquie von dem heiligen Bischofe
zu erhalten.
Nachdem am
30. Dezember die feierlichen Exequien
(kirchliche
Begräbnisfeiern)
für den heiligen Toten in der Kirche der Heimsuchung
stattgefunden hatten, bei denen der Superior der
Feuillanten die Leichenrede hielt, rüstete sich am
folgenden Tage der treue Rolland mit dem übrigen Gefolge
des Bischofs, um mit dem geliebten Leichname die Reise
nach Annecy anzutreten; bereits ruhte derselbe auf der
Bahre, welche von zwei Maultieren getragen werden
sollte, als Olier erschien und sich der Abreise
widersetzte, da er einen so kostbaren Schatz der Stadt
Lyon erhalten wollte. Rolland ließ sich nicht irre
machen; unverzüglich brach er nach Annecy auf, um das
Testament des Verstorbenen zu holen, wonach ihm das
Recht zustand, ihn mit sich zu nehmen. Ganz Annecy fand
er in Tränen, wie wenn Jeder einen Vater verloren hätte.
Auf das Testament sich stützend, in welchem der Bischof
ausdrücklich bestimmte, dass er die Wahl seines
Begräbnisortes Jenen überlasse, welche sich zur Zeit
seines Todes in seinem Gefolge befinden würden, schrieb
der Magistrat von Annecy an den Fürsten von Piemont,
dieser wiederum an den König von Frankreich um
Herausgabe des Leichnams des Bischofs. Der Fürst von
Piemont führte in seinem Schreiben unter Anderem an,
dass, da Savoyen die Ehre gehabt habe, der Welt und der
Kirche diesen großen Mann hervorzubringen, es ihm auch
zustehe, die Hüterin und Wächterin seiner sterblichen
Überreste zu sein; übrigens überlasse sein letzter Wille
die Wahl des Begräbnisortes den Leuten seines Gefolges
und diese hätten Annecy gewählt. Diesen Gründen
gegenüber fügte sich der König, und auf seinen Befehl
hin konnten die Domherren von Annecy die Leiche ihres
Bischofes in ihre Stadt übertragen. Es wurde weiterhin
bestimmt, dass er ihnen in Croix-Rousse übergeben werden
solle, wohin ihn die Chorherren von St. Nizier von
Bellecour aus, wo er sich befand, auf ihren Schultern
tragen wollten. Am 18. Januar 1623 brach man von Lyon
auf; die ganze Reise hatte den Anschein einer
ununterbrochenen Prozession, da die Gläubigen
scharenweise ans den benachbarten Orten herbeiströmten,
um die Reste des heiligen Bischofs zu verehren und
Rosenkränze und Medaillen an die Bahre zu rühren, welche
sie trug. In Annecy angekommen wurden sie mit der
größten Feierlichkeit in der Kirche von der Heimsuchung
beigesetzt
(La Riviere, p. 668.). Könige und Fürsten,
Menschen aus allen Klassen und Ständen pilgerten nun
hierhin, um den Heiligen zu verehren, bis die
unglückseligen Tage der französischen Revolution kamen;
da wurde es notwendig, seine Reste vor der
Gottlosigkeit, der blinden Zerstörerin alles Heiligen
und Ehrwürdigen, in Sicherheit zu bringen. Als der
Friede der Welt wieder gegeben war, erbauten die Töchter
der Heimsuchung ein neues Kloster und eine neue Kirche;
in einem kostbaren Schreine, welchen ein entfernter
Verwandter des Heiligen, der Graf Paul Franz von Sales,
zu jener Zeit Gesandter des sardinischen Königs am
russischen Hofe, hatte anfertigen lassen, wurden die
Gebeine in feierlicher Prozession, bei der mehrere
Bischöfe anwesend waren, unter anderen der Erzbischof
von Paris, Herr von Quelen, in die neue Kirche von der
Heimsuchung übertragen und im Altare beigesetzt. Wie
früher so legen auch seitdem wieder zahlreiche Pilger,
deren jeden Tag dahin wallfahrten, Zeugnis ab von der
Verehrung der Völker für den Gottesmann, der so viel
Gutes tuend über die Erde dahinwandelte.

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