Liebes Gnadenkind!
Deinen Aussagen möchte ich die Ansprache von Papst Joh. Paul II. am Weltjugendtag 2003, ein Zeugnis rechter Marienverehrung, entgegenstellen:
"Siehe, deine Mutter!" (Joh 19,27)
Liebe Jugendliche!
1. Es ist für mich immer wieder neu eine große Freude, euch zum Weltjugendtag eine besondere Botschaft zu schreiben. Damit möchte ich euch zeigen, dass ich euch gern habe. Wie leuchtende Erinnerungen, die sich mir eingeprägt haben, kommen mir die Bilder von unseren Begegnungen bei den Weltjugendtagen in den Sinn: Die Jugendlichen und der Papst schauen miteinander und mit vielen Bischöfen und Priestern auf Christus, das Licht der Welt. Sie rufen ihn an und sie verkünden ihn der ganzen Menschheitsfamilie. Ich danke Gott für das Glaubenszeugnis, das ihr noch vor kurzem in Toronto gegeben habt, und erneuere zugleich die Einladung, die ich am Ufer des Lake Ontario ausgesprochen habe: »Die Kirche schaut heute voll Zuversicht auf euch und erwartet, dass ihr das Volk der Seligpreisungen werdet!« (Exhibition Place, 25. Juli 2002).
Für den XVIII. Weltjugendtag, den ihr in den verschiedenen Diözesen der Welt feiert, habe ich ein Thema ausgewählt, das im Zusammenhang mit dem Jahr des Rosenkranzes steht: »Siehe, deine Mutter!« (Joh 19,27). Bevor Jesus stirbt, schenkt er dem Apostel Johannes das Kostbarste, was er hat: seine Mutter, Maria. Dies sind die letzten Worte des Erlösers; daher erhalten sie eine gewisse Feierlichkeit und bilden gleichsam sein geistliches Vermächtnis.
2. Die Worte des Engels Gabriel in Nazareth: »Sei gegrüßt, du Begnadete!« (Lk 1,28) erhellen auch die Szene auf dem Kalvarienberg. Die Verkündigung steht am Anfang, das Kreuz weist hin auf die Erfüllung. Bei der Verkündigung schenkt Maria dem Sohn Gottes in ihrem Schoß die menschliche Natur; unter dem Kreuz nimmt sie in der Person des Johannes die ganze Menschheit in ihr Herz auf.
Seit dem ersten Augenblick der Inkarnation ist sie Mutter Gottes; in den letzten Augenblicken des Lebens ihres Sohnes Jesus wird sie die Mutter aller Menschen. Sie, die ohne Sünde ist, “lernt” auf dem Kalvarienberg an sich selbst das Leid der Sünde kennen, das der Sohn auf sich nimmt, um die Menschen zu retten. Unter dem Kreuz, an dem derjenige stirbt, den sie bei der Verkündigung durch ihr “Ja” empfangen hat, erhält Maria von ihm in gewisser Weise eine “zweite Verkündigung”: »Frau, siehe, dein Sohn!« (Joh 19,26).
Am Kreuz kann der Sohn sein Leiden in das Herz seiner Mutter ausgießen. Jedes leidende Kind hat dieses Bedürfnis. Auch ihr, liebe Jugendliche, seht euch mit dem Leid konfrontiert: mit der Einsamkeit, mit Misserfolgen und Enttäuschungen im persönlichen Leben, mit Schwierigkeiten, sich in die Welt der Erwachsenen und ins Berufsleben einzufügen, mit Trennungen und Trauerfällen in euren Familien, mit kriegerischer Gewalt und dem Tod von Unschuldigen. Eines ist jedoch sicher: Ihr sollt wissen, dass ihr in den schwierigen Momenten, die im Leben keines Menschen fehlen, nicht allein seid. Jesus schenkt auch euch, wie Johannes unter dem Kreuz, seine Mutter, damit sie euch mit ihrer Zärtlichkeit tröste.
3. Im Evangelium heißt es dann weiter: »von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich« (Joh 19,27). Dieser Ausdruck, der seit den Anfängen der Kirche oft kommentiert wurde, bezeichnet nicht nur den Ort, wo Johannes wohnte. Es geht hier nicht so sehr um den materiellen Aspekt dieser Aufnahme, sondern vielmehr um deren geistliche Dimension, um die neue Bindung, die zwischen Maria und Johannes entsteht.
Liebe Jugendliche, ihr habt etwa das gleiche Alter wie Johannes und denselben Wunsch, mit Jesus zu leben. Heute richtet Christus an euch ganz ausdrücklich die Bitte, Maria “zu euch nach Hause” zu nehmen, sie aufzunehmen “in das, was euch gehört” um von ihr zu lernen.
Sie »bewahrte alle diese Dinge in ihrem Herzen und dachte darüber nach« (Lk 2,19). Von ihr lernen wir die innere Bereitschaft des Hinhörens und die Haltung der Demut und der Großherzigkeit; diese Eigenschaften zeichnen sie als erste Mitarbeiterin Gottes im Heilswerk aus. Sie übt ihr mütterliches Dienst-Amt aus, indem sie euch erzieht und formt, bis Christus vollkommen in euch Gestalt angenommen hat (vgl. Rosarium Virginis Mariae, 15).
4. Aus diesem Grund wiederhole ich auch heute den Wahlspruch für meinen Dienst als Bischof und Papst: »Totus tuus«. In meinem Leben habe ich stets die liebvolle und wirksame Gegenwart der Mutter des Herrn erfahren und Maria begleitet mich jeden Tag bei der Erfüllung meines Auftrags als Nachfolger des Apostels Petrus.
Maria ist die Mutter der göttlichen Gnade, weil sie die Mutter des Urhebers der Gnade ist. Vertraut euch ihr voll und ganz an. So werdet ihr die Schönheit Christi widerstrahlen. Wenn ihr für den Hauch des Geistes offen seid, werdet ihr zu unerschrockenen Aposteln und fähig, um euch herum das Feuer der Liebe und das Licht der Wahrheit zu verbreiten. In der Schule Marias werdet ihr entdecken, welchen konkreten Einsatz Christus von euch erwartet. Ihr werdet lernen, ihm in eurem Leben den ersten Platz zu geben und eure Gedanken und euer Handeln auf ihn auszurichten.
Ihr wisst, liebe Jugendliche: Das Christentum ist weder eine bloße Meinung, noch besteht es aus leeren Worten. Das Christentum ist Christus! Eine Person, der Lebendige! Jesus begegnen, ihn lieben und dafür leben, dass er geliebt wird: Das ist die christliche Berufung.
Maria wird euch geschenkt, um euch zu helfen, eine immer echtere und persönlichere Beziehung zu Jesus zu finden.
Durch ihr Beispiel lehrt euch Maria, mit liebendem Blick auf ihn zu schauen, der uns zuerst geliebt hat. Durch ihre Fürsprache formt sie in euch ein Herz von Jüngerinnen und Jüngern, die fähig sind, auf den Sohn zu hören, der das wahre Antlitz des Vaters und die wahre Würde des Menschen offenbart.
5. Am 16. Oktober 2002 habe ich das “Jahr des Rosenkranzes” ausgerufen und alle Söhne und Töchter der Kirche eingeladen, sich durch dieses alte marianische Gebet in einer einfachen und tiefen Weise in die Betrachtung des Antlitzes Christi einzuüben.
Den Rosenkranz beten bedeutet nämlich lernen, auf Jesus zu schauen mit den Augen seiner Mutter und Jesus zu lieben mit dem Herzen seiner Mutter.
Heute übergebe ich geistigerweise auch euch, liebe Jugendliche, den Rosenkranz. Durch das Gebet und die Betrachtung der Geheimnisse, führt euch Maria ganz sicher zu ihrem Sohn! Schämt euch nicht, den Rosenkranz zu beten - wenn ihr allein seid, auf dem Schulweg, in der Universität, auf der Arbeit, auf der Straße und in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Gewöhnt euch daran, ihn gemeinsam zu beten, in euren Gruppen, Bewegungen und Verbänden; zögert nicht, dieses Gebet zu Hause euren Eltern und Geschwistern vorzuschlagen, denn es belebt und festigt die Beziehungen in der Familie. Dieses Gebet wird euch helfen, stark im Glauben zu sein, beständig in der Liebe und ausdauernd in der Hoffnung.
Mit Maria, der Dienerin des Herrn, werdet ihr die Freude und Fruchtbarkeit des Lebens im Verborgenen entdecken. Mit ihr, der Jüngerin des Meisters, werdet ihr Jesus auf den Straßen von Palästina folgen und werdet Zeugen seiner Verkündigung und seiner Wunder sein. Mit ihr, der schmerzhaften Mutter, werdet ihr Jesus im Leiden und im Tod begleiten. Mit ihr, der Jungfrau der Hoffnung, werdet ihr die frohe Botschaft von Ostern und das unschätzbare Geschenk des Heiligen Geistes aufnehmen.
6. Liebe Jugendliche, nur Jesus kennt euer Herz und eure tiefsten Wünsche. Nur er, der euch bis zum Tod geliebt hat (vgl. Joh 13,1), kann erfüllen, was ihr erstrebt; er hat Worte ewigen Lebens, die dem Leben Sinn verleihen. Niemand außer Christus wird euch das wahre Glück schenken können. Folgt dem Beispiel Marias und gebt ihm euer vorbehaltloses “Ja”. Lasst in eurem Leben keinen Platz für Egoismus und Trägheit. Mehr denn je drängt die Zeit, dass ihr “Wächter des Morgens” seid, die Wachen, die die Morgenröte und den neuen Frühling des Evangeliums ankündigen, dessen Knospen schon sichtbar sind. Die Menschheit braucht dringend das Zeugnis von freien und mutigen Jugendlichen, die es wagen, gegen den Strom anzugehen und mit Kraft und Begeisterung den eigenen Glauben an Gott, den Herrn und Erlöser zu bekennen.
Auch ihr wisst, meine lieben Freunde, dass dies keine einfache Aufgabe ist. Sie wird sogar unmöglich, wenn man nur auf die eigenen Kräfte baut. Aber, »was für Menschen unmöglich ist, ist für Gott möglich« (Lk 18,27; 1,37). Die echten Jünger Christi wissen, dass sie schwach sind. Darum setzen sie ihr ganzes Vertrauen auf die Gnade Gottes, die sie mit ungeteiltem Herzen aufnehmen, in der Überzeugung, dass sie ohne ihn nichts tun können (vgl. Joh 15,5). Was sie charakterisiert und von den anderen Menschen unterscheidet, sind nicht so sehr Talente und natürliche Begabungen, sondern vielmehr ihre feste Entschlossenheit, Jesus nachzufolgen. Ahmt sie nach, so wie sie Christus nachgeahmt haben! »Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid, welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes den Heiligen schenkt und wie überragend groß seine Macht sich an uns, den Gläubigen, erweist durch das Wirken seiner Kraft und Stärke« (Eph 1,18-19).
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Ich vertraue euch der Jungfrau Maria an, der Mutter Christi und Mutter der Kirche. Als Zeichen meines Vertrauens in euch und als Ausdruck meiner Zuneigung begleite ich euch mit einem besonderen Apostolischen Segen.
Vatikan, 8. März 2003
JOHANNES PAULUS II
LG, Hemma