Anna Schäffer - eine Trösterin der Leidenden
Bild von Anna Schäffer in der Pfarrkirche v. Mindelstätten
Kein Star, aber eine HeiligeDie bevorstehende Heiligsprechung von Anna Schäffer zeigt wieder einmal mehr, dass vor Gott andere Dinge zählen als bei den Menschen. Anna Schäffer hat nicht durch – nach menschlichem Ermessen – große Leistungen geglänzt, hat nicht durch politische Reden die Welt bewegt, sie strahlte nicht im Blitzlichtgewitter wie mancher Filmstar oder manche Operndiva. Aber sie war eine großartige Frau, die die Menschen nicht vergessen sollen, weil sie dafür Zeugnis gab, wie Leben im Leiden gelingen kann – und das durch die Zuwendung zum liebenden Gott.
Anna Schäffer war die meiste Zeit ihres Lebens schwer krank und bettlägerig. Gegen den Gesundheitswahn, dass nur der Wert hat, der von Muskelkraft und Tatendrang so strotzt, zeigte sie, dass gerade der, der mit dem Leiden in rechter Weise umgeht, ein erfülltes wie wertvolles Leben führen kann.
Schon der Psychologe und Begründer der Logotherapie Viktor Frankl wurde nicht müde zu betonen, dass der Mensch, der sein Leiden annimmt, zu innerem Wachstum gelangt.
Er kann durch diese Annahme auch seinen Mitmenschen die Angst davor nehmen, selbst krank und gebrechlich zu werden. Und er kann anderen Leidenden eine Stütze sein, sodass sie nicht mit dem Leiden hadern, sondern es annehmen.
Natürlich kommt für den Christen hier eine weitere Dimension dazu, denn er ist herausgefordert, das Leid im Licht des Glaubens an Gott zu verstehen, gerade auch, weil uns immer schon die Frage umtreibt, warum Gott das Leiden nicht abschafft.
„Kann er es nicht – dann ist er nicht allmächtig. Oder will er es nicht – dann ist er nicht allgütig“, ist eine oft gehörte, allerdings verzweifelte Antwort.
Anna Schäffer zeigt durch ihr Lebenszeugnis einen anderen Weg.
Durch ihre Krankheit verweist sie auf einen Gott, der Leiden zulässt und doch ganz und gar Liebe ist.
Heilmittel Eucharistie
Anna Schäffer war 19 Jahre alt, als sie einen furchtbaren Unfall hatte. Sie arbeitete im Forsthaus von Stammham, nicht weit von ihrem Heimatort Mindelstetten, und musste in der Waschküche ein Ofenrohr reparieren. Dazu stieg sie auf einen Mauervorsprung, glitt aber dort so unglücklich aus, dass sie mit beiden Beinen in die kochend heiße Waschlauge fiel.
Trotz intensiver ärztlicher Hilfe sollte sich Anna Schäffer nie mehr von diesem Unglück erholen. Im Gegenteil – ihre Krankheit verschlimmerte sich von Jahr zu Jahr.
Zunächst hat Anna Schäffer mit ihrem Leiden gehadert.
Bereits vor dem Unglück im Forsthaus von Stammham hatte sie eine Vision, in der ihr Christus – in der Gestalt des Guten Hirten – sagte, sie werde noch viel leiden müssen. Damals arbeitete die 16jährige als Dienstmädchen in Landshut, und als sie die Worte Jesu hörte, beendete sie ihr Arbeitsverhältnis und verließ die Stadt, in der Hoffnung, dass ihr das prophezeite Unheil erspart bleibe.
Doch dem Unglück konnte sie trotzdem nicht entgehen.
Nachdem sie zunächst ihre Krankheit nicht annehmen wollte, gelangte Anna Schäffer zu der Überzeugung, dass Gott sie dazu berufen hat, ihm, der selbst am Kreuz schwer gelitten hat, durch ihr Leiden nachzufolgen.
Dass ihr das Bejahen des Schicksals gelang, verdankte sie zu einem großen Teil dem Sakrament der Eucharistie, das zum Zentrum ihres Lebens wurde.
Täglich empfing sie die heilige Kommunion.
Zunächst wurde sie dazu noch in die Pfarrkirche in ihrem Heimatort Mindelstetten gebracht.
Als sich ihr Leiden so verschlimmerte, dass sie nicht mehr aufstehen konnte, spendete ihr Heimatpfarrer Karl Rieger die Kommunion am Krankenbett.
Wie wichtig der Kranken das Sakrament des Altares war, zeigt sich darin, dass sie oftmals das Herz Jesu nicht nur – wie üblich – mit Flammen, sondern auch mit Kornähren zeichnete.
Damit wollte sie zeigen, dass die unermessliche Liebe des Gottessohnes, auf die das Herz Jesu verweist, engstens mit dem Altarssakrament verbunden ist.
Doch die Weizenähre hatte für Anna Schäffer noch eine andere Bedeutung. Der Weizen erinnerte sie immer wieder an das Wort Jesu:
„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt, bleibt es allein. Wenn es aber in die Erde fällt und stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24).
Anna Schäffer wurde ein solches Weizenkorn.
Durch ihr Leiden brachte sie vielen reiche Frucht. Sie stand mit vielen Menschen in Not in Verbindung und wurde für sie zu einer echten Trösterin.
Die großartige Berufung der Anna Schäffer war die des Briefapostolats für Notleidende.
Unzählige Menschen traten mit ihr in Verbindung, sogar aus den USA kam Post bei ihr an. Während des Ersten Weltkrieges wandten sich viele Soldaten, die in Not waren an sie.
Aber Anna Schäffer war auch eine Katechetin vom Krankenbett aus. Die Kinder von Mindelstetten kamen zu ihr, und sie erzählte ihnen von Christus, von der Gottesmutter und den Heiligen. Annas Glaubensfreude beeindruckte die Buben und Mädchen und sie besuchten sie immer wieder.
Gott ist mit den Leidenden
In ihren letzten Lebensjahren verschlechterte sich Anna Schäffers Zustand dramatisch. Die Beine konnte sie nur gar nicht mehr bewegen, sie musste schmerzhafte Krämpfe aufgrund einer Erkrankung des Rückenmarks ertragen, und schließlich wurde bei ihr Darmkrebs festgestellt.
Im Spätsommer 1925 stürzte sie unglücklich aus dem Bett und verletzte sich dabei so schwer am Kopf, dass sie kaum noch sprechen konnte.
Am 5. Oktober 1925 wurde Anna Schäffer im Alter von 43 Jahren von ihrem Leiden durch den Tod erlöst – mit den Worten auf den Lippen „Jesus, dir leb ich.“
Unter großer Anteilnahme wurde sie am 8. Oktober zu Grabe getragen. Pfarrer Rieger, Annas langjähriger geistlicher Führer, hielt das Requiem – überzeugt, dass eine Heilige bestattet wurde.
Und tatsächlich wurde Mindelstetten im Lauf der Jahre zu einem Pilgerort.
Grab v. Anna Schäffer in der Pfarrkirche v. Mindelstätten
Am 26. Juli 1972 gab der damalige Bischof von Regensburg, Rudolf Graber, grünes Licht für die Eröffnung des Seligsprechungsprozesses.
Am 7. März 1999 hat Papst Johannes Paul II. – selbst ein beeindruckender Zeuge für das Ertragen schwerer Krankheit im Glauben an Gott – Anna Schäffer selig gesprochen.
Mit Anna Schäffer wird durch die Heiligsprechung eine Frau zur Ehre der Altäre erhoben, die durch ihr beispielhaftes Leben deutlich machte, dass ein kranker Mensch nie wertlos ist und in seinem Leiden ein tiefer Sinn liegt.
Durch ihre innige Verehrung der Eucharistie, aber auch durch ihre Glaubensfreude trotz großer Schmerzen zeigte sie, dass Gott ihr gerade in ihrer Krankheit nahe war.
Wir können von ihr heute und in Zukunft lernen, dass Gott kein Leiden gleichgültig ist, sondern er uns gerade dann mit seiner Nähe beschenkt, auch wenn wir es nicht immer spüren.
aus "Der Fels" II/2012
v.Raymund Fobes