Die Einigung mit den Piusbrüdern darf keine Mogelpackung sein (20.04.2012)Das Faktum ist bisher eher dürftig. Es kommt ein Brief des Oberen der Piusbrüder im Vatikan an, der Anlass zur Hoffnung gebe, so Vatikansprecher Federico Lombardi. Dieser Brief aber ist das vorläufige Ende eines langwierigen Prozesses. Dieser wurde von den Piusbrüdern durch einen Schlingerkurs noch in die Länge gezogen – man erinnere sich an die Predigt von Fellay vom Februar dieses Jahres, wo er eine Einigung mit dem Vatikan nahezu ausschloss - und schließlich durch ein vatikanisches Ultimatum beendet. Das Ergebnis liegt nun in Rom vor: Die Unterschrift des Oberen der Piusbrüder unter einer modifizierten Version einer vom Vatikan vorgelegten Einigungsformel.
Der Prozess begann im Januar 2009. Bernard Fellay hatte um die Aufhebung der Exkommunikation gebeten, die nach der Bischofsweihe von Bernard Tissier de Mallerais, Richard Williamson, Alfonso de Galarreta und Bernard Fellay durch den Traditionalistenbischof Marcel Lefebvre 1988 in Kraft getreten war. Papst Benedikt hob die Exkommunikation auf.
Die inneren Differenzen schwächen die PiusbruderschaftWarum aber hat Fellay jetzt unterschrieben, als vom Vatikan mit dem Datum des 15. April das Ende der Verhandlungen endgültig festgelegt wurde? Warum hat er noch vor wenigen Monaten das Signal ausgesandt: Aus der Einigung wird nichts? Es gibt darauf nur eine schlüssige Erklärung: Die innere Zerrissenheit der Piusbrüder. Es muss im Interesse Fellays gelegen haben, möglichst Vielen innerhalb der Piusbruderschaft glaubhaft zu machen, dass man sich dem Vatikan nicht anbiedern will. Es sollte deutlich werden, dass das eigentliche, wahre und richtige Verständnis von katholischer Kirche nicht in Rom, sondern in Econe, am Stammsitz der Piusbruderschaft, gehütet und bewahrt wird. Aufgrund dieses Verständnisses von Kirche, die sich in einer Art theologischem Überlegenheitsgefühl äußert, liegt die Zerrissenheit der Piusbruderschaft in ihren Genen. Sie sind keine Sedisvakantisten. Sie anerkennen, dass dem Papst in Rom das letzte Wort in Glaubensangelegenheiten, die die katholische Kirche betreffen, zukommt. Gleichzeitig aber glauben sie, dass der Papst durch das II. Vatikanische Konzil in Irrtum geraten sei, vor dem sie, die Piusbrüder, ihn bewahren müssen. Dies ist ein entschiedenes und gleichzeitiges Ja-Nein zum Papst. Darüber hinaus bilden sie ein Sammelbecken für Katholiken, die politische Positionen vertreten, die auf irrigen und falschen historischen Annahmen beruhen, wie Bischof Williamson.
Außerhalb der katholischen Kirche kein EinflussFür Fellay scheint nun der Moment gekommen zu sein, wo am meisten vom Gedankengut der Piusbruderschaft in die katholische Kirche hinüberzuretten ist. Dies in die Piusbruderschaft hinein zu vermitteln, war wohl das Ziel seines Feilschens und Pokerns mit dem Vatikan. Ließe man diese Gelegenheit verstreichen, so wäre der Weg in eine endgültige Spaltung vorgezeichnet. Damit aber müsste man auch die eigene Lehre, die Grundlage des theologischen Überlegenheitsgefühls ist, verabschieden und in das Lager der Sedisvakantisten hinüberwechseln. Dies werden auch einige der Piusbrüder tun, die sich der nun unterzeichneten Einigungsformel nicht unterwerfen wollen. Drei der vier Bischöfe haben sich bereits derartig geäußert. Andere hingegen werden die Position vertreten: Wir müssen weiterpokern, um noch mehr vom Gedankengut der Piusbrüder in die Kirche zu bringen. So steht wohl eine Dreiteilung der Piusbrüder an: Jene, die mit Fellay in die römisch-katholische Kirche zurückkehren. Dann bleiben die Weiterpokerer, die den Moment der Vereinigung noch nicht gekommen sehen, sie werden möglicherweise neue Bischöfe weihen. Dies zu vermeiden war wohl die Absicht Fellays. Ob es ihm gelungen ist, wird sich zeigen. Und es bleiben die Sedisvakantisten und politischen Irrläufer, die sich in Richtung einer Sekte weiterentwickeln werden. Ob sie sich irgendwann einen König oder einen eigenen Papst oder eine Kombination von beidem geben werden, beides würde in ihr Weltbild passen.
Das Risiko: Die Integration der PiusbrüderMit der nun von Fellay unterzeichneten Einigungsformel aber beginnt erst die eigentliche Arbeit, sowohl für die Piusbrüder, als auch für den Vatikan und die Bischöfe. Das Hauptproblem dieser Formel ist, dass sie bisher geheim gehalten wurde. In der Einigungsformel steckt die Belastbarkeit des Seils, mit dem noch ein weiterer, sperriger Stamm in die Stammesgemeinschaft der katholischen Kirche eingebunden wird. Diese Belastbarkeit kann zwar vom Vatikan vorgegeben werden, bewähren jedoch muss sie sich anderswo. Die Piusbrüder werden Aufgaben in der Kirche übernehmen wollen. Sie werden in Kirchen vorbeten, bei Synoden und Versammlungen sprechen und ihren Seelsorgestil in Diözesen praktizieren. Die Pius-Bischöfe oder Prälaten werden mit anderen Bischöfen in Synoden sitzen und in Absprache mit den Ortsbischöfen pastorale Aufgaben übernehmen. Dies muss gelingen, sonst ist die nächste Spaltung eine Frage der Zeit.
Es ist nun Aufgabe des Vatikans, dafür zu sorgen, dass die bislang geheim gehaltene Einigungsformel nicht zu einer Mogelpackung wird. Es wird dafür zu sorgen sein, dass die Piusbrüder das II. Vatikanische Konzil als das anerkennen, was es ist: Als authentischen, gültigen und im – wenn auch in vielerlei Hinsicht schillernden – Ergebnis verbindlichen Maßstab der Kirche, wie das Evangelium, das Erbe von Jesus Christus, heute zu verwirklichen ist. Die Piusbruderschaft wird aus der Rolle des Sonderlings, der ungestört machen kann, was er will, herauszuholen und in die Kommunikationsgemeinschaft Kirche zu integrieren sein. Dazu wird der zukünftige kirchenrechtliche Status der Piusbrüder nur eine grobe Weichenstellung sein können. Das Gelingen liegt wo anders.
Papst Benedikt mutet damit nicht nur dem Vatikan, sondern vor allem den Ortsbischöfen viel zu. Die Spielregeln zu diesem innerkirchlichen Integrationsprozess konnte man aus seiner Predigt am Gründonnerstag herauslesen. Sie waren in eine ganz andere Richtung formuliert, in jene der Priesterinitiative. Papst Benedikt sagte, er glaube den Autoren des Appells zum Ungehorsam, dass es ihnen um das Wohl der Kirche gehe. Damit sagt er gleichzeitig: Ich akzeptiere, dass ihr den Glauben an Jesus Christus teilt und seine Beziehung zu Gott. Ich akzeptiere, dass ihr aufrichtig daran mitarbeiten wollt, dass dies der Kirche auch gelingt.
Revolte ist keine Integration
Aber der Papst fragt auch kritisch: Ist Ungehorsam allerdings ein Weg? Versteht man Gehorsam als die Bereitschaft, einander Ge-Hör zu schenken, und noch einen Schritt weiter, als das aufrichtige Bemühen, einander verstehen zu wollen, dann muss man sagen: Ohne Gehorsam kann das Miteinander eines solchen Gebildes, wie es die Kirche ist, nicht gelingen. Andrerseits aber lässt sich auch sagen, wenn Jesus Christus als der verbindliche Bezugspunkt verstanden wird, wenn die Mitglieder der Kirche zeigen können, dass sie sich um das Gelingen der Christusbeziehung aufrichtig bemühen, und wenn diese Mitglieder einander Gehör und Bereitschaft zum Verstehen entgegenbringen wollen, dann wird das Projekt gelingen.
Der Brief von Fellay im Vatikan ist sicher das Ergebnis der Geduld und Entschiedenheit von Papst Benedikt. Mehr noch aber ist es der Beginn einer Prüfung für die Piusbruderschaft, für den Vatikan und die ganze Kirche, ob sie im Stande sind, die Herausforderungen der Zeit zum Einen, und die Treue zum Erbe von Jesus Christus zum Anderen zu meistern. Genau das wollte das II. Vatikanische Konzil auch. Angst vor Prüfungen scheint Papst Benedikt nicht zu haben. Wäre ja auch schlecht für einen ehemaligen Professor.
Theo Hipp, kath.de-Redaktion
Aus:
http://www.kath-kommentar.de/2012/04/die-einigung-mit-den-piusbrudern-darf-keine-mogelpackung-sein-20-04-20