Im folgenden sei noch an einigen, fast willkürlich ausgesuchten Heiligen aufgezeigt, was sie über die Letzten Dinge gedacht und diesbezüglich zu erleben begonnen haben:
Da steht - gewissermaßen in der Nachfolge des hl. Paulus - die Heldengestalt des hl. Ignatius von Antiochien vor uns: Unter Kaiser Trajan (98-117) wurde er gefesselt nach Rom gebracht, wo er den Tod durch wilde Tiere zu erwarten hatte: Auf seiner Todesfahrt über das Meer schrieb er noch seine sieben berühmten Abschiedsbriefe: In dem Brief an die Römer (6, 1-7, 2) schreibt er: "Nichts nützen mir die Reize der Welt noch die Königreiche dieser Erde. Es ist besser für mich zu sterben, um mich mit Jesus Christus zu vereinen, als über die äußersten Enden der Erde zu herrschen: Ihn suche ich, der für uns gestorben ist, nach Ihm sehne ich mich, der für uns auferstanden ist. Nun naht meine (eigentliche) Geburt ... Laßt mich das reine Licht empfangen! Wenn ich dort angelangt sein werde, werde ich (erst richtig) Mensch sein ... Als ein wahrhaft Lebender schreibe ich euch voll Sehnsucht nach dem Tod". In diesen Sätzen des hl. Ignatius von Antiochien tritt nach einer richtigen Bemerkung von Jean Danielou "2 ein scharfes Empfinden für die überlegene Wirklichkeit der verklärten jenseitigen Welt zutage: Der Tod wird gesehen als Geburt, die uns das wahre Leben eröffnet; er ist die wahre Geburt (der "dies natalis" für den Himmel): Bis dahin ist das Leben des Menschen unvollendet; erst dann weiß sich Ignatius von Antiochien als Mensch (im vollen Sinne seiner Berufung und Bestimmung) ... Wir haben hier den echten eschatologischen Humanismus vor uns, für den die eigentliche Verwirklichung des Menschen sich erst in der Auferstehung vollzieht".
Ganz ähnlich dachten jene Märtyrer, die uns in den zweifellos echten Märtyrerakten in ihrem Sterben entgegentreten; dabei sind manche dieser Märtyrerakten ungemein aufschlußreich über das, was die Blutzeugen der frühchristlichen Zeit über die Letzten Dinge gedacht haben: Es sei ausdrücklich nur auf das "Mysrerium Polycarpi" und auf die "Passio sanctarum Perpatuae et Felicitatis" (202/203 n. Chr.) hingewiesen.
Im zweifellos echten und dabei ältesten Bericht über den Tod eines Märtyrers heißt es über den Tod des hl. Polykarp: Ehe die Bestien über den ehrwürdigen Leib des Bischofs herfielen, stand er da, "die Hände auf dem Rücken gefesselt, wie ein erlesener Widder, ausgesucht aus einer großen Herde zur Opfergabe, zugerüstet zu einem tadellosen Brandopfer für Gott"; und er erhob seine Augen zum Himmel und betete: " Herr Gott, Allherrscher, Vater deines geliebten und gebenedeiten Knechten Jesus Christus, durch den wir über dich Kenntnis empfangen, Gott der Engel und Mächte und der ganzen Schöpfung und des ganzen Geschlechtes der Gerechten, die von dir leben: Ich benedeie dich, weil du mich gewürdigt hast, an diesem Tag und in dieser Stunde Anteil zu nehmen an der Zahl deiner Zeugen, am Kelch deines Christus zur Auferstehung des ewigen Lebens mit Seele und Leib in der Unvergänglichkeit des Hl. Geistes: Daß ich doch heute unter ihnen von dir angenommen werde als fettes und angenehmes Opfer, wie du es vorausbereitet und vorausgezeigt und erfüllt hast, du trugloser und wahrhaftiger Gott!"
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2 DANIELOU, J., Die Lehre vom Tod bei den Kirchenvätern, in: Das Mysterium des Todes, Frankfurt 1955, 137
In der Form eines kultischen Darbringungswortes befahl also der ehrwürdige Bischof Polykarp von Smyrna sich sterbend in die Hände Gottes und ließ diese Bitte wie am eucharistischen Altar gleichsam aus einem großen Danksagungsgebet hervorwachsen"3. Weitere noch ganz knappe Sterbegebete von Märtyrern aus den ältesten echten Märtyrer-Akten könnte man anführen; so betete etwa der hl. Konon 4: "Herr Jesus, nimm meine Seele auf! Errette mich vor den beutegierigen Hunden! Laß mich Ruhe finden bei all deinen Gerechten, die deinen Willen erfüllen! Ja, mein Gott, du König der Ewigkeit!
Die "Passio s. Perpetuae et Felicitatis" bringt den rührenden Bericht über die letzten Tage im Leben zweier heldenhafter junger Mütter, der vornehmen Perpetua und ihrer Sklavin Felicitas; dabei erfahren wir Wichtiges über die Jenseitsvorstellungen der damaligen Christen.
Als in der Geschichte der christlichen Frömmigkeit zu dem Heiligkeitsideal der Märtyrer schließlich das der Einsiedler, der Mönche, und das der ersten gottgeweihten Jungfrauen hinzukam, entstand - zuerst im Osten, dann auch im Abendland - die frühchristliche Hegiographie, die - gleich den Märtyrer-Akten und Märtyrer-Legenden - ein fast unübersehbares Schrifttum hervorbrachte. Aus der großen Masse dieser literarischen Produkte heben sich einzelne Darstellungen bezüglich der Bedeutung für die Eschatologie vorteilhaft ab: Man müßte sie der Reihe nach durchsehen um zu erfahren, was diese heiligen Mönche und gottgeweihten Jungfrauen über die Letzten Dinge gedacht haben; es fällt in dieser Hinsicht vor allem das vom großen Kapadokier Gregor von Nyssa (+394) verfaßte Leben der heiligen Makrina, seiner leiblichen Schwester, auf, und der damit verbunden Dialog des hl. Gregor von Nyssa über die Seele und die Auferstehung ("Vita s. Macrinae" und "Dialogus de anima et resurrectione").
Als Gregor von Nyssa 379 von der Synode in Antiochien heimkehrte, fand er seine Schwester Makrina sterbend vor. Im "Dialog über die Seele und Auferstehung" läßt er nun seine sterbende Schwester die christliche Anschauung über Seele, Tod, Unsterblichkeit, Auferstehung und Wiederherstellung aller Dinge im 13. Kapitel aussprechen. Es sei daraus das schöne Gebet angeführt, das - wie Gregor von Nyssa berichtet - von seiner Schwester Makrina auf dem Sterbebett gesprochen wurde; darin wird die Ansicht eines heiligen Geschwiesterpaares über die letzten Ereignisse, Tod, Gericht und ewige Vergeltung eindrucksvoll wiedergegeben:
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3 SCHOENEN, A., In Deine Hände, Herr, empfehle ich meinen Geist, Erwägungen zur Commendatto animae, in: TH. BOGLER, Tod und Leben. Von den Letzten Dingen, Maria Laach 1959,44
4 Martyrium des hl. Kanon 6, 4
"Schon war der großte Teil des Tages vorüber, und die Sonne neigte sich dem Untergang. Makrina aber bewahrte ihre ganze Lebhaftigkeit. Und je näher ihr Abschied rückte, umso drängender strebte sie dem Vielgeliebten entgegen, gleichsam als sähe sie die Schönheit des Bräutigams jetzt deutlicher. Ihr Lager war nähmlich nach Osten gerichtet (von wo wir Christen die Wiederkunft Christi zum Gericht erwarten, das für den einzelnen im Augenblick des Todes erfolgt). Sie hörte jetzt auf, mit uns zu sprechen, und unterhielt sich die übrige Zeit im Gebet mit Gott, die Hände flehentlich ausgestreckt und mit leiser Stimme murmelnd: "Du hast uns befreit von Todesfurcht. Du hast Das Ende unseres irdischen Lebens zum Ursprung des wahren Lebens gemacht. Eine Zeitlang läßt Du unsere Leiber im Schlaf ruhen, um sie beim Schall der letzten Posaune aufzuwecken: Du übergibst der Erde unser Irdisches, das Du mit Deinen Händen geformt hast, um ihr wieder zu nehmen, was Du ihr gabst. Was sterblich und ungestalt an uns ist, gestaltest Du um durch die Gnade der Unverweslichkeit. Du hast uns befreit vom Fluch und von der Sünde, da Du das eine wie das andere für uns geworden bist. Du hast die Häupter des Drachen zerschmettert, der den Menschen wegen seines Ungehorsams in seinem Rachen hielt. Du hast uns den Pfad der Auferstehung eröffnet, da Du die Pforten der Unterwelt aufstießest und den Teufel, den unrechmäßigen Herrn des Todes, entwaffnetest, um den Widersacher zu vernichten und unser Leben zu beschützen. Ewiger Gott, Dir gehöre ich vom Mutterschoß an, Dich hat meine Seele aus allen Kräften geliebt; Dir war ich geweiht seit meiner Kindheit und bis heute: sende mir einen Engel des Lichts, daß er mich an der Hand zum Ort der Erquickung geleite, zum Wasser der Ruhe, in den Schoß der heiligen Väter. Du hast das Flammenschwert zerschmettert und hast den, der mit Dir gekreuzigt gewurde und der sich Deiner Barmherzigkeit empfahl, ins Paradies geführt - gedenke auch meiner in Deinem Reich! Denn auch ich bin mir Dir gekreuzigt gewesen, da ich mein Fleisch in Deiner Furcht durchbohrt und Dein Gericht gefürchtet habe. Möge der Widersacher mir den Weg nicht versperren! Mögen meine Sünden vor Deinen Augen nicht bestehen! War meine Natur schwach und brachte mich zu Fall, so daß ich in Worten, Werken oder Gedanken gesündigt habe, so vergib mir! Du hast ja die Macht, auf Erden Sünden nachzulassen. Laß mich die Erquickung genießen und laß meine Seele, vom Leib befreit, ohne Makel von Dir erfunden werden!"5
Nachdem Gregor von Nyssa das letzte Gebet seiner sterbenden Schwester Makrina berichtet hat, schreibt er zuletzt noch über ihr unmittelbar darauffolgendes Sterben: "Während sie das sagte, machte sie das Zeichen des Kreuzes auf die Augen, den Mund und das Herz. Als dann der Abend kam und man Licht hereinbrachte, wurden ihre Augen weit und richteten sich auf seinen Glanz, und wir sahen deutlich wie sie inbrünstig die abendliche Danksagung (`eucharistia epilukrios` heißt es im griechischen Text) verrichtete. Als sie geendet und die Hand erhoben hatte, um ihr Antlitz mit dem Kreuz zu bezeichnen, stieß sie einen tiefen Seufzer aus und verließ dieses (irdische) Leben"
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5 GREGOR VON NYSSA, Vita sanctae Macrinae PG 46, 984b-985a
Jean Danielou6 meint: "Der Reichtum dieser Texte ist unausschöpfbar. Die Worte Makrinas enthalten alle Themen der Totenliturgie: das `refrigerium` und die `requies`, den Schoß Abrahams und den seelengeleitenden Engel, die zerschmetterten Drachenhäupter und den Teufel, der den Weg zum Himmel versperrt. Erschütternder noch sind die Gesten: das nach Osten gerichtete Bett der Sterbenden, das Bekenntnis der in Gedanken, Worten und Werken begangenen Sünden, das Zeichen des Kreuzes auf Augen, Mund und Herz, das Beten des phosilaron (des Abendhymnus). Wir haben hier wirklich ein lebendes Zeugnis dafür, daß die Lehre der Kirchenväter (das gelebte Zeugnis der Heiligen) nichts anders ist als die Formulierung der schlichten Wirklichkeit des Christenlebens ihrer Zeit".
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6 DANIELOU, J., abd.S.143
Fortsetzung folgt.