Autor Thema: Die Letzten Dinge im Leben der Heiligen  (Gelesen 7791 mal)

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Anemone

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Die Letzten Dinge im Leben der Heiligen
« am: 26. Februar 2011, 17:42:50 »
Die Letzten Dinge im Leben der Heiligen



Prof.Dr. Ferdinand Holböck, Salzburg




   Zum rechten Verstehen des mir gestellten Themas "Die Letzten Dinge im Leben der Heiligen" beginne ich mit dem Bekenntnis, daß die Heiligen für mich authentische, d. h. echte, zuverlässige und von Gott durch Wunder beglaubigte Glaubenszeugen, u. a. auch für die Wahrheit von den Letzten Dingen, sind: Sie glaubten in ihrem Leben und Sterben an die Letzten Dinge und lebten daraus und starben mit der Gewißheit, daß der Tod für sie das Tor zum eigentlichen Leben in Herrlichkeit des Himmels ist.

   Bei den Heiligen war es nicht so wie heute bei einem großen Prozentsatz von Menschen, auch Christen, auch Katholiken, die einem Fortleben nach dem Tod entweder äußerst skeptisch oder sogar total ungläubig gegenüberstehen. Die Heiligen glaubten im Leben und Sterben allen Anfechtungen zum Trotz im Glaubensbekenntnis auch an die letzten Artikel, also an die Aufersteheung des Fleisches und an ein ewiges Leben; sie waren in diesem ihrem Glauben persönlich überzeugt von dem, was sie im Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum kräftig formuliert so ausspachen: "... et e x p e c t o resurrectionem mortuorum et vitam venturi saeculi".

    Wenn nun konkret über die Letzten Dinge oder Ereignisse im Leben der Heiligen gesprochen werden soll, so möchte ich mich auf die Feststellung konzentrieren, daß den Heiligen gegenüber dem Heidentum eine radikale gewandelte Sicht des Todes eigen war, und zwar die Sicht des Todes, wie sie unser Herr Jesus Christus in seiner Auferstehung grundgelegt und der Völkerapostel Paulus wohl am klarsten zum Ausdruck gebracht hat, etwa im prägnanten Bekenntnis: "Christus ist für mich das Leben und Sterben Gewinn" (Phil 1, 21). Dieser Satz umreißt eigentlich in äußerster Kürze das Anliegen, das fast in jedem der Briefe des hl. Paulus ausgesprochen wird: Teilnahme an Tod und Auferstehung Christi im Leben und Sterben des Christen und in seinem Fortleben in der Ewigkeit.

   Für den hl Paulus bestand seit seiner Bekehrung vor Damaskus der Sinn des Lebens in nichts anderem mehr als nur darin: Christus Jesus vollende an mir und an allen zu Christus Gehörenden und an der ganzen Schöpfung das österliche Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung.

__________________

1 Man vergleiche dazu etwa: Röm 6, 1-12; Kor 5, 14-21;6,9; Gal 2, 20; Eph 2, 1-7; Kol 2, 12; 2 Tim 2,11


   Beachten wir, wie er das in Phil 3, 7-11 formuliert hat: "Was mir einst Gewinn war, das habe ich um Christi willen als Verlust erkannt. Ja noch mehr: Ich sehe alles als Verlust an, weil die Erkenntnis Christi, meines Herrn, alles übertrifft. Seinetwegen habe ich alles aufgegeben und halte es für Unrat, um Christus zu gewinnen und in Ihm zu sein ... Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinem Leiden; sein Tod soll mich prägen. So hoffe ich auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen ... Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich aus nach dem, was vor mir liegt. Das Ziel vor Augen jage ich nach dem Siegespreis, der himmlischen Berufung, die Gott (Vater) uns in Christus Jesus schenkt".

   Aus dieser paulinischen Sicht des Todes und dem damit verbundenen Eintauchen in das österliche Geheimnis lebten letztlich eigentlich alle Heiligen.
   
Es ist ergreifend, an manchen Heiligen ganz besonders beeindruckend feststellen zu können, wie sie an das Mysterium paschale, an dem sie durch die Taufe und die Eucharistie Anteil erhalten hatten, sehr bewußt geglaubt und danach gelebt haben und in welchem sie entsprechend gestorben und hinübergegangen sind zur ewigen Anteilnahme an Christi Erlösertod und seiner Auferstehung.

   Es wäre sicher aufschlußreich zu zeigen, was beispielweise die verschiedenen Kirchenlehrer über die Letzten Dinge (Tod, Gericht, Himmel, Hölle) gedacht und geschrieben haben. So war es sicher bereichernd, von Professor Dr. Leo Elders einen ausfürlichen Überblick über das Thema "Leben nach dem Tod in der Lehre des hl. Thomas von Aquin" zu bekommen. Mindestens ebenso wichtig, so scheint mir, wäre zu wissen, wie der hl. Thomas von Aquin aus dem österlichen Geheimnis gelebt und dann gestorben ist: Wie ergreifend ist doch der Bericht über sein unerwartetes Sterben in der Zisterzienserabtei Fossanuova, wie er noch seinen Glauben an die Realpräsenz Christi in der hl. Eucharistie bezeugt und dann das "Mysterium fidei" in aller Demut als Wegzehrung empfangen und dann für immer Anteil bekommen hat an Christi Tod und Auferstehung.

   Mit Christi Tod und Auserstehung hat die eschatologische Endzeit, der "neue Himmel und die neue Erde" schon begonnen: das sichtbare rein geschöpfliche Zeichen dafür ist die mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommene jungfräuliche Gottesmutter Maria, die in diesem an ihr wunderbar erfolgten Ereignis eigentlich gar keine Ausnahme, sondern nur eine Vorausnahme dessen war und ist, was an allen Heiligen geschehen wird.


Fortsetzung folgt.


Anemone

  • Gast
Re:Die Letzten Dinge im Leben der Heiligen
« Antwort #1 am: 27. Februar 2011, 16:39:32 »
 Im folgenden sei noch an einigen, fast willkürlich ausgesuchten Heiligen aufgezeigt, was sie über die Letzten Dinge gedacht und diesbezüglich zu erleben begonnen haben:

   Da steht - gewissermaßen in der Nachfolge des hl. Paulus - die Heldengestalt des hl. Ignatius von Antiochien vor uns: Unter Kaiser Trajan (98-117) wurde er gefesselt nach Rom gebracht, wo er den Tod durch wilde Tiere zu erwarten hatte: Auf seiner Todesfahrt über das Meer schrieb er noch seine sieben berühmten Abschiedsbriefe: In dem Brief an die Römer (6, 1-7, 2) schreibt er: "Nichts nützen mir die Reize der Welt noch die Königreiche dieser Erde. Es ist besser für mich zu sterben, um mich mit Jesus Christus zu vereinen, als über die äußersten Enden der Erde zu herrschen: Ihn suche ich, der für uns gestorben ist, nach Ihm sehne ich mich, der für uns auferstanden ist. Nun naht meine (eigentliche) Geburt ... Laßt mich das reine Licht empfangen! Wenn ich dort angelangt sein werde, werde ich (erst richtig) Mensch sein ... Als ein wahrhaft Lebender schreibe ich euch voll Sehnsucht nach dem Tod". In diesen Sätzen des hl. Ignatius von Antiochien tritt nach einer richtigen Bemerkung von Jean Danielou "2 ein scharfes Empfinden für die überlegene Wirklichkeit der verklärten jenseitigen Welt zutage: Der Tod wird gesehen als Geburt, die uns das wahre Leben eröffnet; er ist die wahre Geburt (der "dies natalis" für den Himmel): Bis dahin ist das Leben des Menschen unvollendet; erst dann weiß sich Ignatius von Antiochien als Mensch (im vollen Sinne seiner Berufung und Bestimmung) ... Wir haben hier den echten eschatologischen Humanismus vor uns, für den die eigentliche Verwirklichung des Menschen sich erst in der Auferstehung vollzieht".

   Ganz ähnlich dachten jene Märtyrer, die uns in den zweifellos echten Märtyrerakten in ihrem Sterben entgegentreten; dabei sind manche dieser Märtyrerakten ungemein aufschlußreich über das, was die Blutzeugen der frühchristlichen Zeit über die Letzten Dinge gedacht haben: Es sei ausdrücklich nur auf das "Mysrerium Polycarpi" und auf die "Passio sanctarum Perpatuae et Felicitatis" (202/203 n. Chr.) hingewiesen.

   Im zweifellos echten und dabei ältesten Bericht über den Tod eines Märtyrers heißt es über den Tod des hl. Polykarp: Ehe die Bestien über den ehrwürdigen Leib des Bischofs herfielen, stand er da, "die Hände auf dem Rücken gefesselt, wie ein erlesener Widder, ausgesucht aus einer großen Herde zur Opfergabe, zugerüstet zu einem tadellosen Brandopfer für Gott"; und er erhob seine Augen zum Himmel und betete: " Herr Gott, Allherrscher, Vater deines geliebten und gebenedeiten Knechten Jesus Christus, durch den wir über dich Kenntnis empfangen, Gott der Engel und Mächte und der ganzen Schöpfung und des ganzen Geschlechtes der Gerechten, die von dir leben: Ich benedeie dich, weil du mich gewürdigt hast, an diesem Tag und in dieser Stunde Anteil zu nehmen an der Zahl deiner Zeugen, am Kelch deines Christus zur Auferstehung des ewigen Lebens mit Seele und Leib in der Unvergänglichkeit des Hl. Geistes: Daß ich doch heute unter ihnen von dir angenommen werde als fettes und angenehmes Opfer, wie du es vorausbereitet und vorausgezeigt und erfüllt hast, du trugloser und wahrhaftiger Gott!"
________________________

2   DANIELOU, J., Die Lehre vom Tod bei den Kirchenvätern, in: Das Mysterium des Todes, Frankfurt 1955, 137 

   In der Form eines kultischen Darbringungswortes befahl also der ehrwürdige Bischof Polykarp von Smyrna sich sterbend in die Hände Gottes und ließ diese Bitte wie am eucharistischen Altar gleichsam aus einem großen Danksagungsgebet hervorwachsen"3. Weitere noch ganz knappe Sterbegebete von Märtyrern aus den ältesten echten Märtyrer-Akten könnte man anführen; so betete etwa der hl. Konon 4: "Herr Jesus, nimm meine Seele auf! Errette mich vor den beutegierigen Hunden! Laß mich Ruhe finden bei all deinen Gerechten, die deinen Willen erfüllen! Ja, mein Gott, du König der Ewigkeit!

   Die "Passio s. Perpetuae et Felicitatis" bringt den rührenden Bericht über die letzten Tage im Leben zweier heldenhafter junger Mütter, der vornehmen Perpetua und ihrer Sklavin Felicitas; dabei erfahren wir Wichtiges über die Jenseitsvorstellungen der damaligen Christen.

   Als in der Geschichte der christlichen Frömmigkeit zu dem Heiligkeitsideal der Märtyrer schließlich das der Einsiedler, der Mönche, und das der ersten gottgeweihten Jungfrauen hinzukam, entstand - zuerst im Osten, dann auch im Abendland - die frühchristliche Hegiographie, die - gleich den Märtyrer-Akten und Märtyrer-Legenden - ein fast unübersehbares Schrifttum hervorbrachte. Aus der großen Masse dieser literarischen Produkte heben sich einzelne Darstellungen bezüglich der Bedeutung für die Eschatologie vorteilhaft ab: Man müßte sie der Reihe nach durchsehen um zu erfahren, was diese heiligen Mönche und gottgeweihten Jungfrauen über die Letzten Dinge gedacht haben; es fällt in dieser Hinsicht vor allem das vom großen Kapadokier Gregor von Nyssa (+394) verfaßte Leben der heiligen Makrina, seiner leiblichen Schwester, auf, und der damit verbunden Dialog des hl. Gregor von Nyssa über die Seele und die Auferstehung ("Vita s. Macrinae" und "Dialogus de anima et resurrectione").

   Als Gregor von Nyssa 379 von der Synode in Antiochien heimkehrte, fand er seine Schwester Makrina sterbend vor. Im "Dialog über die Seele und Auferstehung" läßt er nun seine sterbende Schwester die christliche Anschauung über Seele, Tod, Unsterblichkeit, Auferstehung und Wiederherstellung aller Dinge im 13. Kapitel aussprechen. Es sei daraus das schöne Gebet angeführt, das - wie Gregor von Nyssa berichtet - von seiner Schwester Makrina auf dem Sterbebett gesprochen wurde; darin wird die Ansicht eines heiligen Geschwiesterpaares über die letzten Ereignisse, Tod, Gericht und ewige Vergeltung eindrucksvoll wiedergegeben:

__________________________

3 SCHOENEN, A., In Deine Hände, Herr, empfehle ich meinen Geist, Erwägungen zur Commendatto animae, in: TH. BOGLER, Tod und Leben. Von den Letzten Dingen, Maria Laach 1959,44
   4 Martyrium des hl. Kanon 6, 4



   "Schon war der großte Teil des Tages vorüber, und die Sonne neigte sich dem Untergang. Makrina aber bewahrte ihre ganze Lebhaftigkeit. Und je näher ihr Abschied rückte, umso drängender strebte sie dem Vielgeliebten entgegen, gleichsam als sähe sie die Schönheit des Bräutigams jetzt deutlicher. Ihr Lager war nähmlich nach Osten gerichtet (von wo wir Christen die Wiederkunft Christi zum Gericht erwarten, das für den einzelnen im Augenblick des Todes erfolgt). Sie hörte jetzt auf, mit uns zu sprechen, und unterhielt sich die übrige Zeit im Gebet mit Gott, die Hände flehentlich ausgestreckt und mit leiser Stimme murmelnd: "Du hast uns befreit von Todesfurcht. Du hast Das Ende unseres irdischen Lebens zum Ursprung des wahren Lebens gemacht. Eine Zeitlang läßt Du unsere Leiber im Schlaf ruhen, um sie beim Schall der letzten Posaune aufzuwecken: Du übergibst der Erde unser Irdisches, das Du mit Deinen Händen geformt hast, um ihr wieder zu nehmen, was Du ihr gabst. Was sterblich und ungestalt an uns ist, gestaltest Du um durch die Gnade der Unverweslichkeit. Du hast uns befreit vom Fluch und von der Sünde, da Du das eine wie das andere für uns geworden bist. Du hast die Häupter des Drachen zerschmettert, der den Menschen wegen seines Ungehorsams in seinem Rachen hielt. Du hast uns den Pfad der Auferstehung eröffnet, da Du die Pforten der Unterwelt aufstießest und den Teufel, den unrechmäßigen Herrn des Todes, entwaffnetest, um den Widersacher zu vernichten und unser Leben zu beschützen. Ewiger Gott, Dir gehöre ich vom Mutterschoß an, Dich hat meine Seele aus allen Kräften geliebt; Dir war ich geweiht seit meiner Kindheit und bis heute: sende mir einen Engel des Lichts, daß er mich an der Hand zum Ort der Erquickung geleite, zum Wasser der Ruhe, in den Schoß der heiligen Väter. Du hast das Flammenschwert zerschmettert und hast den, der mit Dir gekreuzigt gewurde und der sich Deiner Barmherzigkeit empfahl, ins Paradies geführt - gedenke auch meiner in Deinem Reich! Denn auch ich bin mir Dir gekreuzigt gewesen, da ich mein Fleisch in Deiner Furcht durchbohrt und Dein Gericht gefürchtet habe. Möge der Widersacher mir den Weg nicht versperren! Mögen meine Sünden vor Deinen Augen nicht bestehen! War meine Natur schwach und brachte mich zu Fall, so daß ich in Worten, Werken oder Gedanken gesündigt habe, so vergib mir! Du hast ja die Macht, auf Erden Sünden nachzulassen. Laß mich die Erquickung genießen und laß meine Seele, vom Leib befreit, ohne Makel von Dir erfunden werden!"5

   Nachdem Gregor von Nyssa das letzte Gebet seiner sterbenden Schwester Makrina berichtet hat, schreibt er zuletzt noch über ihr unmittelbar darauffolgendes Sterben: "Während sie das sagte, machte sie das Zeichen des Kreuzes auf die Augen, den Mund und das Herz. Als dann der Abend kam und man Licht hereinbrachte, wurden ihre Augen weit und richteten sich auf seinen Glanz, und wir sahen deutlich wie sie inbrünstig die abendliche Danksagung (`eucharistia epilukrios` heißt es im griechischen Text) verrichtete. Als sie geendet und die Hand erhoben hatte, um ihr Antlitz mit dem Kreuz zu bezeichnen, stieß sie einen tiefen Seufzer aus und verließ dieses (irdische) Leben"

_________________________

5  GREGOR VON NYSSA, Vita sanctae Macrinae PG 46, 984b-985a


 Jean Danielou6 meint: "Der Reichtum dieser Texte ist unausschöpfbar. Die Worte Makrinas enthalten alle Themen der Totenliturgie: das `refrigerium` und die `requies`, den Schoß Abrahams und den seelengeleitenden Engel, die zerschmetterten Drachenhäupter und den Teufel, der den Weg zum Himmel versperrt. Erschütternder noch sind die Gesten: das nach Osten gerichtete Bett der Sterbenden, das Bekenntnis der in Gedanken, Worten und Werken begangenen Sünden, das Zeichen des Kreuzes auf Augen, Mund und Herz, das Beten des phosilaron (des Abendhymnus). Wir haben hier wirklich ein lebendes Zeugnis dafür, daß die Lehre der Kirchenväter (das gelebte Zeugnis der Heiligen) nichts anders ist als die Formulierung der schlichten Wirklichkeit des Christenlebens ihrer Zeit".

______________________

 6  DANIELOU, J., abd.S.143



Fortsetzung folgt.

Anemone

  • Gast
Re:Die Letzten Dinge im Leben der Heiligen
« Antwort #2 am: 28. Februar 2011, 15:24:10 »
   Im Abendland darf nicht unerwähnt bleiben, was die vier großen abendländischen Kirchenväter Ambrosius, Hieronymus, Augustinus und Gregor der Große über die Letzten Dinge gedacht und erlebt haben:

   Von Ambrosius (339-397) sei auf seine beiden Trauerreden auf seinen Bruder Satyrus hingewiesen; die eine hielt er am Begräbnistag für seinen Bruder, der 378 in seinen Armen gestorben war; die andere dann beim Gedächtnisgottesdienst. Diese beiden Reden legen ein eindrucksvolles Zeugnis ab sowohl von der herzlichen Zuneigung, die die beiden Brüder verband, als auch von ihrer Jenseitsvorstellung und Auferstehungshoffnung: Darüber äußert sich Ambrosius auch in verschiedenen anderen Schriften, wie etwa im Kommentar zu Ps 118 und 36, im Sermo 20, 12 und im Brief 2, 14. Er kommt da auf die Letzten Dinge (Himmel, Hölle, Fegefeuer) zu sprechen und meint, die Seelen aller Verstorbenen müssen durch Feuerflammen hindurchgehen; die Gerechten gehen hindurch, so wie Israel durch das Rote Meer ging; die Ungläubigen aber so wie Pharao; für sie wird das Feuer von ewiger Dauer zum Rächer ihrer Bosheit (zum "ultor ignis"). Bei der dritten Klasse von Menschen, bei den Sündern, unterscheidet Ambrosius zwei Gruppen, je nachdem bei ihnen auf der Gerichtswaage die guten oder die schlechten Werke überwiegen; für die erste Gruppe werden die Feuerflammen zum Reinigungsfeuer, dem das Paradies folgt. Aber auch für die zweite Gruppe läßt Ambrosius die Hoffnung auf Errettung bestehen, er lehrt aber nirgends die origenistische Apokatastasis für die in der Todsünde verstorbenen Christen.

   Ähnlich wie Ambrosius war Hieronymus (um 347-420) der Überzeugung, daß zwar alle Gottesleugner ("negantes et impii")  ewiger Höllenstrafe verfallen, nicht aber die Christgläubigen, auch wenn sie "peccatores" im Augenblick des Todes sind; diese werden vielmehr im Gericht ein Urteil finden, das "gemäßigt und mit Milde gemischt" ist; so schreibt Hieronymus in dem Kommentar zu Jesaia 66, 24; noch deutlicher spricht er sich in der Epistola 119 aus: "Qui enim tota mente in Christo confidit, etiam si homo lapsus mortuus fuerit in peccato, fide vivit in perpetuum". Hieronimus ist in dieser seiner barmherzigen Haltung der Anziehungskraft des großen Origenes teilweise erlegen; und dies noch zu einer Zeit, da er seinen früher so hochgeschätzten Meister der Exegese seit langem schon bekämpfte. Die Höllenstrafen sind nach Hieronymus nicht nur seelisch-geistig, sondern auch körperlich.

   Was den hl. Augustinus (354-430) betrifft, so könnten verschiedenste Texte aus seinen Predigten angeführt werden, in denen sein Verhältnis zum Tod und zu den übrigen Letzten Dingen zum Ausdruck kommt. Alle diese Texte aber werden übertroffen vom 10. und 11. Kapitel im neunten Buch seiner "Bekenntnisse", wo Augustinus über das Lebensende seiner Mutter Monica berichtet, das sich im Oktober 387 in Ostia Rom einstellte: Man muß diesen Text auf sich wirken lassen, um konkret "die Letzten Dinge im Leben von zwei Heiligen" mitzuerleben:

   "Als schon der Tag in nächste Nähe gerückt war, an dem meine Mutter Monica aus diesem Leben scheiden sollte - Du kanntest diesen Tag, während wir nichts davon wußten - da hattest Du, wie ich sicher glaube, durch Deine geheimen Anordnungen es gefügt, daß wir beide, sie und ich, allein an ein Fenster gelehnt standen, welches auf den inneren Garten des Hauses blickte, das uns beherbergte. Es war bei Ostia am Tiber, wo wir uns, der Menge entrückt, von den Anstrengungen der langen Reise für die Seefahrt (hinüber nach Afrika) erholen und stärken wollten. Überaus lieblich war unsere einsame Unterhaltung, da wir `vergaßen, was hinter uns lag, und uns ausstreckten nach dem, was vor uns lag`. In  Deiner Gegenwart, der Du die Wahrheit bist, fragten wir uns, welcher Art dereinst das Ewige Leben der Heiligen sein werde, das `kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und das in keines Menschen Herz gedrungen ist` ... Als nun die Rede dahin geführt hatte, daß uns keine durch die Sinne vermittelte Ergötzlichkeit, wie groß sie auch sein und in welch hellem Glanz irdischen Lichtes sie auch erstrahlen möge, neben den F r e u d e n jenes Lebens der Vergleichung, ja selbst nur der Erwähnung wert erschien, da richteten wir in steigender Inbrunst unsere Herzen auf das `Seiende selbst`, stufenweise durchwanderten wir die gesamte körperliche Welt und auch den Himmel, von dem aus Sonne, Mond und Sterne über der Erde leuchten. Und weiter aufsteigend, innerlich betrachtend und miteinander redend und Deine Werke bewundernd, gelangten wir zu unserer Seele; aber wir schritten auch über sie hinaus, damit wir zu dem Land unerschöpflicher Fruchtbarkeit gelangten, wo der Herr ewiglich Israel weidet auf den Gefilden der Wahrheit, wo Leben Vereinigung mit der Wahrheit ist, durch welche alles besteht, was ist und war und sein wird ... Solcherlei sagte ich, und wenn auch nicht genau in dieser Art und Weise und genau mit diesen Worten, so weißt Du doch, o Herr, daß wir an jenem Tag solcherlei miteinander redeten und uns unter diesen Reden die Welt mit ihren Ergötzungen jeden Reiz verlor. Die Mutter aber erwiderte: `Mein Sohn, was mich angeht, so lockt mich nichts mehr in diesem Leben. Ich weiß nicht, was ich hier noch beginnen soll und wozu ich hier bin. Von dieser Zeitlichkeit erhoffe ich mir nichts mehr. Was mich wünschen ließ, am leben zu bleiben, war allein, daß ich hoffe, dich vor meinem Tod als katholischen Christen zu sehen. Gott hat mir dies noch reichlicher gewährt, da ich dich zugleich als seinen Diener erblickte, der aller irdischen Glückseligkeit den Rücken gekehrt hat: Was tue ich noch hier?`

   Was ich darauf erwiderte, weiß ich mich nicht mehr genugsam zu erinnern. Denn gleich danach - es mochten 5 Tage oder wenig mehr vergangen sein - warf das Fieber sie aufs Krankenlager: An einem Tag ihrer Krankheit erlitt sie einen Ohnmachtsanfall und verlor für kurze Zeit das Bewußtsein. Wir liefen herzu; sie kam aber rasch wieder zu sich; und da sie mich und meinen Bruder an ihrem Bett stehen sah, sagte sie zu uns, als wollte sie etwas wissen: `Wo war ich?` Und da sie bemerkte, wie wir von Schmerz und Trauer erschüttert waren, sagte sie: `Begrabt eure Mutter hier!` Ich schwieg und unterdrückte das Weinen. Mein Bruder aber sagte einige Worte, daß er gewünscht und für glücklich erachtet hätte, wenn sie nicht in fremdem Land, sondern in der Heimat stürbe. Als sie das vernahm, warf sie ihm mit erschreckter Miene einen Abwehrenden Blick zu, weil er derartige Gedanken hege, wandte sich darauf zu mir und sprach: `Hör doch, was er sagt!` Alsdann sagte sie zu uns beiden: `Begrabt diesen Leib, wo immer er sei; um ihn sollt ihr euch keine Sorgen machen. Nur um das eine bitte ich euch, wo ihr auch sein werdet, gedenkt meiner am Altar des Herrn!` Nachdem sie diesen Satz, so gut es gehen wollte, zu Ende gebracht hatte, schwieg sie, und die Krankheit ergriff sie mit noch größerer Gewalt. Am 9. Tag der Krankheit, im 56. Jahr ihres Alters und dem 33. des meinigen ist ihre fromme, gottergebene Seele vom Leib befreit worden".



Fortsetzung folgt.

Anemone

  • Gast
Re:Die Letzten Dinge im Leben der Heiligen
« Antwort #3 am: 01. März 2011, 14:35:59 »
 Die Heiligen glaubten an die Letzten Dinge und lebten aus dem Wissen um sie; sie übten sich immer wieder in das ein, was ein mutiger heiliger Laie, nähmlich Lordkanzler Thomas More (+1535) "Die Kunst des rechten Sterbens" nannte, der dann selbst großartig, ja sogar mit Humor starb.

   Die Heiligen standen dem Tod gelassen gegenüber und nannten ihn "Bruder Tod", wie es beispielweise Franziskus von Assisi (+ 3. 10. 1226) in seinem "Sonnengesang" gatan hat: "Sei gelobt, mein Herr, durch unseren Bruder, den leiblichen Tod, dem kein Lebender entrinnt. Unheil aber wird jenen zuteil, die in Todsünde sterben. Doch selig jene, die in Deinem allerheiligsten Willen sich finden, denn der zweite Tod tut ihnen kein Leid mehr an".

   Hier klingt neben dem Gedanken an den Tod auch der an das Gericht an. Durch die Sigmatisierung auf dem La Verne Berg war Franziskus zuletzt "ein Abbild des Gekreuzigten", ein "gekreuzigter Mensch", der mit Christus ans Kreuz geschlagen wurde. Denn zu den Wundmalen, die sehr schmerzhaft waren, kamen als weiteres Kreuz sein Augenleiden, durch das er immer mehr erblindete, dann die schwere Erkrankung an Magen und Leber, so daß ihm der Leib und die Füße anschwollen und er öfters Blut erbrach und die Brüder mehr als einmal seinen Tod befürchteten. Dennoch nannte er diese schmerzhaften Krankheiten seine "Schwestern"; und als ein Bruder meinte, Gott möge doch mit Franziskus milder verfahren, erhielt er vom Heiligen die Antwort: "Bruder, würde ich nicht deine Einfalt kennen, so würde ich jede Gemeinschaft mit dir abbrechen, weil du Gottes Fügungen an mir zu tadeln gewagt hast". Dann warf sich Franziskus trotz seiner Schmerzen auf den Boden und rief aus; "Ich danke Dir, mein Herr und Gott, für alle diese Qualen und bitte Dich, mir noch hundertmal schlimmere zu schicken, wenn es Dir gefällt; denn das ist mir das Liebste, wenn Du mich schonungslos heimsuchst: das Bewußtsein, Deinen Willen zu erfüllen, darin liegt für mich ein übergroßer Trost".

   Als man Franziskus sagte, nach ärztlichem Ermessen werde er Anfang Oktober sterben, rief er freudig aus: "Sei willkommen, Bruder Tod!" Nachdem er im Angesicht des Todes noch einmal alle seine Brüder gesegnet hatten, ließ er sich noch aus dem Johannes-Evangelium (13, 1 ff.) den Bericht über die Abschiedsworte Jesu vorlesen und feierte mit den Seinen zum letzten Mal Tischgemeinschaft. wobei er jedem einen Bissen Brot reichte. Um dann dem entblößten Gekreuzigten auch im Sterben ganz ähnlich zu werden, ließ er sich entkleidet auf den Boden legen und gab freudig und dankbar seine Seele ihrem Schöpfer zurück.
   
Beides, der Gedanke an den Tod und an das persönliche Gericht, kommt auch im Bericht über das Sterben einer geistlichen Tochter des hl. Franziskus, nämlich der hl. Elisabeth von Thüringen (+17. 11. 1231), in ergreifender Weise zum Ausdrück. Im Lebensabriß dieser Heiligen, von ihrem Seelenführer Konrad von Marburg verfaßt, heißt es: "Als die Zeit Ihres Todes nahte und sie noch gesund war, ich aber von einer ziemlich schweren Krankheit geplagt wurde, fragte ich sie, wie sie nach meinem Tod ihr Leben einrichten wolle. Veranlaßt durch diese Frage sagte sie mir mit aller Bestimmtheit ihren nahen Tod voraus: In einem Gesicht sei ihr der Herr erschienen und habe ihr mit sanfter Stimme zugerufen: `Meine Geliebte, komm in die Wohnungen, die dir von Ewigkeit bereitet sind!`

   Am vierten Tag nach diesem meinem Gespräch mit ihr fiel Elisabeth in eine Krankheit. Als sie dann mehr als 12 Tage krank darniedergelegen war, versagte sie - es war am dritten Tag vor ihrem Tod - allen Personen weltlichen Standes den Zutritt zu ihr; auch die Adeligen, die doch häufig gekommen waren, um sie zu besuchen, ließ sie nicht mehr eintreten. Da nun jene fragten, warum sie so ausgeschlossen würden, sagte sie zu denen, die um ihre Krankenlager herum saßen, sie wolle noch nachsinnen über die Strenge des Gerichtes und über ihren allmächtigen Richter. Dann am Sonntag vor der Oktav des Martinifestes (16. November 1231) hörte ich nach der Mette noch ihre Beichte; sie hatte sich dabei aber durchaus nichts anderes vorzuwerfen als das, was sie mir oft schon gebeichtet hatte. Hierauf, um die erste Stunde, empfing sie den leib des Herrn. Dann sprach sie noch viel von dem Besten, was sie in Predigten gehört hatte ... Bald darauf verstummte sie. Süßeste Töne aber wurden ohne alle Bewegung ihrer Lippen und ihrer Kehle vernommen. Und als die Herumsitzenden sie fragten, was denn das sei, fragte sie uns, ob wir nicht auch die singenden Stimmen vernommen hätten. Nun lag sie von der Dämmerung an wie von himmlischer Freude erfüllt und mit Zeichen höchster Ergriffenheit bis zum ersten Hahnenschrei. Schließlich sagte sie: ´Siehe, die Stunde steht bevor, da die Jungfrau geboren hat!` Dann empfahl sie noch alle bei ihr Sitzenden voll Andacht Gott und ging wie im süßesten Schlaf aus diesem Erdenleben. Sie starb am 16. November im 25. Jahr ihres Lebens 7".

   Elisabeth hat sich in ihrer Witwenschaft gewissenhaft an die 12 Lebensregeln gehalten, die ihr Beichtvater Magister Konrad von Marburg ihr gegeben hatte.
   Die sechste dieser 12 Lebensregeln lautet: "Danke Gott dafür, daß Er dich durch seinen Tod von der Hölle und dem ewigen Tod erlöst hat".
   Die elfte dieser 12 Lebensregeln aber heißt: "Denk immer daran, wie kurz des Menschen Leben ist und daß die Jungen so gut wie die alten sterben: Darum strebe immer nach dem e w i g e n  L e b e n 8!"
  Man könnte jetzt noch lange fortfahren mit Beispielen von Heiligen aus der Neuzeit; vor allem auch aus dem Leben und Sterben jener Heiligen, die Papst Johannes Plaul II. in den 14 Jahren seiner bisherigen Regierung selig- oder heiliggesprochen hat9: Es würde sich vielfach sehr eindrucksvoll zeigen, wie das Leben der Heiligen ein dauerndes Sich-Einüben in den Tod als das Tor zum eigentlichen Leben war, ob sich nun das äußerte in einer dauernden "begnadeten Angst" oder - wie bei vielen Märtyrern - in einem von einer Magnificat-Stimmung getragenen Hinaufstreiten zum Schaffott.
  Man war durchdrungen von der tröstlichen Wahrheit, daß "denen die Gott lieben, alles zum Besten gereicht". Die heiligen wußten: "Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn; ob wir leben oder sterben, wir sind des Herrn" (Röm 14,8).



_______________________

7   NIGG, W., Elisabeth von Thüringen, Düsseldorf 1963, 65-66
8   NIGG, W., ebd. S. 67-68
9   Ich darf hier auf meine beiden Bände "Die neuen Heiligen der katholische Kirche" (Christiana-Verlag,
     Stein am Rhain 1991-1992) verweisen; der 3. Band ist gerade im Druck.





 

La Salette 1846



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