4.8. Johannes Maria Vianney (1786-1859)LebenAls Kind einfacher Bauersleute kam Jean am 8. Mai 1786 in der Nähe von Lyon zur Welt. Seine Jugend war von den Wirren der Französischen Revolution geprägt, die auch Phasen der Unterdrückung und Verfolgung von Glaube und Kirche hervorbrachte. Der Junge erhielt heimlich Religionsunterricht. Schon mit jungen Jahren wollte er Priester werden.
Mit 19 Jahren nahm er seine Studien als Seminarist auf. Vianney war kein Intellektueller und sollte es auch nie in seinem Leben werden. Die Studien fielen ihm schwer. Wie widerspenstig erschien ihm die lateinische Grammatik! Der junge Mann hat zwar einen lebhaften und feinen Ausdruck beim Sprechen, man hört ihn gerne reden, doch sobald er eine Feder in den Fingern hält, wird er langsam, gehemmt. Im Priesterseminar von Lyon scheinen seine Bemühungen fruchtlos zu bleiben. Die Anfechtung ist groß, als er nach fünf oder sechs Monaten von den Vorstehern gebeten wird, aufzugeben, da sie glauben, dass er unmöglich bestehen kann. Viele seiner Mitschüler sind sehr betroffen, als sie ihn das Seminar verlassen sehen. Auch selbst tief betrübt, vertraut er sich der Vorsehung an.
Pfarrer Balley, väterlicher Freund und geistlicher Mentor Vianneys gibt nicht auf. Schließlich ergibt sich die Gelegenheit, bei Generalvikar Courbon, der die Erzdiözese von Lyon verwaltet, vorstellig zu werden. "Ist der Geistliche Vianney fromm?" fragt dieser. "Verehrt er die heilige Jungfrau? Betet er den Rosenkranz?" - "Ja, er ist ein Vorbild an Frömmigkeit." - "Ein Vorbild an Frömmigkeit! Nun gut, ich berufe ihn. Die Gnade Gottes wird den Rest bewirken..." So empfängt er die Priesterweihe und wird 1819 in die weitgehend verwahrloste Pfarrei von Ars in der Umgebung von Lyon versetzt.
Dort nun setzt das Unerklärliche ein. Durch Beharrlichkeit und eine unerschöpfliche Geduld, durch entwaffnende Freundlichkeit und immerwährende Güte bekehrt der Pfarrer seine Gemeinde innerhalb weniger Jahre vollständig. Bald ist er über die Region hinaus bekannt, so dass regelrechte Wallfahrten einsetzten. Die Menschen strömten in Massen nach Ars, weniger um die Predigten des schlichten Seelsorgers zu hören, in denen er immer wieder stockt oder beschämt Gedanken abbricht, sondern um seine außergewöhnliche Persönlichkeit zu erleben und vor allem, um bei ihm zu beichten.
Märtyrer des BeichtstuhlsWalter Nigg bezeichnet in seinem Buch "Große Heilige" den Pfarrer von Ars als einen Märtyrer des Beichtstuhls. Damit trifft er wohl den Kern dessen, was das Leben dieses heiligen Priesters ausmacht. Es gab Zeiten, da verbrachte er bis zu 18 Stunden am Tag in diesem engen und stickigen Holzkasten. Von überall her kamen Menschen, um bei diesem Priester zu beichten, dem nach seiner Priesterweihe der Bischof erst nach langem Zögern überhaupt die Vollmacht zum Beichtehören erteilt hat, weil er ihn dazu nicht für fähig hielt.
Der Pfarrer von Ars war kein Seelenführer, der seine Beichtkinder über längere Strecken ihres Lebensweges begleitet hätte. Eher waren es wohl Menschen, die einmal bei ihm beichten wollten, weil sie sich davon eine besondere Art der Vergebung versprachen. Sicher, im Sakrament wirkt Gott und gewährt die Vergebung der Sünden unabhängig von der Heiligkeit des Priesters. Was Vianney in besonderer Weise auszeichnete war seine Gabe der Seelenschau. Er besaß die Fähigkeit, direkt in die Seele des Menschen zu blicken.
Die Menschen waren gefesselt von seiner Fähigkeit, Sünden klar zu benennen, eine tiefe Gewissenserforschung und Reue hervorzurufen und gleichzeitig die Liebe Gottes im Verzeihen spürbar werden zu lassen. Zu ihm strömten Menschen jedes Standes und Ranges, Reiche und Arme, Gelehrte und selbst Würdenträger der Kirche, wie der Bischof seiner Diözese. Hier gab es jemanden, der erkannte, was sie quälte, wofür sie sich schämten und bei ihm konnten sie es Gott übergeben, konnten sie ihre Sünden abladen, weil sie wussten, dass der heilige Priester sie zusammen mit ihnen vor Gott trug.
Sicher trug auch der Pfarrer von Ars selbst schwer an den Sünden der Menschen. Er übernahm in Stellvertregung für sie einen großen Teil der Bußleistung. "Ich gebe ihnen eine kleine Buße, den Rest leiste ich selber für sie", sagte er zu seinen Beichtkindern. Diese Buße leistete er durch eine Selbstkasteiung, die an die Grenzen des Menschenmöglichen ging. Der Gedanke des stellvertretenden Leidens ist heute nicht sehr beliebt. Aber doch beruft Gott immer wieder Menschen zu diesem Dienst. Wir sollen das Leid nicht suchen, das müssen wir auf jeden Fall beachten. Aber wenn Gott zu diesem Dienst ruft, so gilt es ihn zu übernehmen.
Vianney wurde nie überheblich, selbst als täglich hunderte Menschen zu ihm pilgerten, blieb er der einfache Dorfpfarrer. Nie schrieb er sich irgendwelche Leistungen zu. Stets wurde er von Selbstzweifeln gequält und war der Überzeugung, ein unfähiger Mensch zu sein. Er hat sich ein Leben lang die Demut bewahrt, die ihn erkennen ließ, dass er nichts aus seiner Kraft und Vollkommenheit tat, sondern dass stets Gott durch ihn wirkte zum Heil der Menschen. Das ist das große Verdienst des Heiligen Pfarrers von Ars. Durch seine Schlichtheit konnte die Welt die Größe Gottes erkennen. Er war ein Büßer, der die Sünden seiner Zeit auf sich nahm und so das Erbarmen Gottes für unzählige Menschen erfahrbar gemacht hat.
Sünde steht stets auch in Zusammenhang mit dem Vater der Sünde, dem Teufel, der die Menschen versucht. Gegen ihn trat Vianney zum Kampf an. "Diese Geister werden nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben", sagt Jesus (Mk 9.29) und das Leben der Pfarrers von Ars bewahrheitet dieses Wort. Die Askese des Heiligen ist ein oft mißverstandener Aspekt in seinem Leben. Wir erschaudern, wenn wir noch heute die Blutspritzer in seinem Zimmer sehen. Durch stundenlange Geißelung und das Tragen eines Bußhemdes quälte er seinen Körper. Er aß wenig. Meist kochte er nur einmal in der Woche Kartoffeln, von denen er dann jeden Tag etwas aß, selbst wenn sie schon schimmlig waren.
Gewöhnlich erhob er sich um 2 Uhr nachts, um die Beichte der Wartenden zu hören, in der Regel 15 Stunden lang, der Rest des Tages war mit Heiligen Messen, Gebeten, Gesprächen und Ansprachen ausgefüllt. Dabei plagten ihn abwechselnd Kopfschmerzen, ein Bruchleiden und ein hartnäckiger Husten. Gleichwohl lebt er in steter Furcht, Gott nicht gerecht zu werden, und bezeichnet seine aufkommende Verzweiflung darüber als seine "Versuchung".
Gegen Ende seines Lebens sehnte sich Vianney nach der Stille eines Klosters und unternahm regelrechte Fluchtversuche, die jedoch kläglich scheiterten. Er wurde stets von der alarmierten Gemeinde, die ihn dann weinend umdrängte, zurück in seinen Beichtstuhl getragen. Trotz Krankheit und Schmerzen verharrte er aus Liebe zu den Menschen bis einige Tage vor seinem Tode in seinem Beichtstuhl. Bald nach einem Schwächeanfall während einer Predigt starb er am 4. August 1859.
Worte des Heiligen Dieser einfache und ungebildete Landpfarrer war mit seinem Charisma ein tiefer Stachel im Fleisch des Zeitgeistes, der sich dem Rationalismus, dem Positivismus und einer allgemeinen Wissenschafts- gläubigkeit verschrieben hatte. Mit vielen anderen Heiligen verbindet den Pfarrer von Ars vor allem die Erfahrung, dass sich das Wirken und die Gnade Gottes nicht im Einklang mit Mehrheitsmeinungen und Zeitströmungen entfalten und sich nicht rational fassen lassen. Er hat deutlich gemacht, dass nicht nur das Irdische den Lauf der Welt bestimmt und dass der Mensch mehr ist als ein Rädchen im Getriebe der Weltwirtschaft. Dazu hier einige Worte des Heiligen Pfarrers von Ars:
Nicht vom Brot allein
Der Mensch ist nicht nur ein Arbeitstier,
er ist auch ein nach dem Bilde Gottes geschaffener Geist.
Er hat nicht nur materielle Bedürfnisse und niedrige Wünsche,
er hat die Bedürfnisse der Seele und die Wünsche des Herzens.
Er lebt nicht nur vom Brot,
er lebt vom Gebet, vom Glauben, von Anbetung und Liebe.
Hl. Pfarrer von Ars
Über das GebetDer Mensch kennt zwei Rufe, den des Engels und den des Tieres. Der Ruf des Engels ist das Gebet, der Ruf des Tieres aber die Sünde. Der liebe Gott braucht uns nicht. Wenn er uns auffordert zu beten, dann deshalb, weil er unser Glück will und wir dies nur im Gebet finden. Wenn er seine kleinen Geschöpfe kommen sieht, neigt er sich uns zu, wie ein Vater es tut, um sein Kind anzuhören, das mit ihm sprechen will.
Wenn der Teufel jemanden zugrunde richten will, beginnt er damit, ihm einen großen Widerwillen gegen das Gebet einzuflößen. Beim Gebet hat die Zeit keine Stunde.
Je mehr man betet, desto mehr kann man beten. Es ist wie mit einem Fisch, der zuerst an die Oberfläche des Wassers schwimmt, dann immer tiefer taucht. So taucht auch die Seele in die tiefste Tiefe und verliert sich in der Freude am Gespräch mit Gott.
Betet für die Sünder! Das ist das schönste und nützlichste aller Gebete. Denn die Gerechten sind ja auf dem Weg zu Himmel, die Seelen im Fegfeuer sind sicher hineinzukommen, aber die armen Sünder ..., die armen Sünder ... Alle Gebete sind gut, aber es gibt kein besseres als dieses.
Die Liebe zu GottIch liebe Dich, Herr, und die einzige Gnade, um die ich Dich bitte, ist die, Dich ewig lieben zu dürfen.
Ich liebe Dich, mein Gott, und ich sehne mich nur nach dem Himmel, um das Glück zu haben, Dich vollkommen zu lieben.
Ich liebe Dich, o mein unendlich guter Gott, und ich fürchte die Hölle nur, weil man dort nie den süßen Trost hat, Dich zu lieben.
Mein Gott, wenn mein Mund nicht jeden Augenblick sagen kann, dass ich Dich liebe, so möchte ich, dass mein Herz es bei jedem Schlag wiederholt.
Mein Gott, gib mir die Gnade, zu leiden, indem ich Dich liebe, und zu lieben, indem ich leide.
Ich liebe Dich, mein göttlicher Heiland, weil Du für mich gekreuzigt worden bist; ich liebe Dich, mein Gott, weil Du mich hinieden gekreuzigt sein lässt für Dich.
Mein Gott, gib mir die Gnade, dass ich Dich liebe in dem Augenblick, wo ich sterbe, und lass mich dann wissen, dass ich Dich liebe. Mein Gott, je mehr ich meinem Ende näherkomme, desto mehr lass meine Liebe wachsen und vollkommener werden.
Gott lieben heißt nicht, dass wir jeden Augenblick ein Gefühl der Zuneigung zu ihm verspüren. Solch ein Gefühl steht nicht immer in unserer Macht.
Die Reue ist die Liebe in der Schuld.
Je mehr man sich arm macht aus Liebe zu Gott, desto mehr wird man in Wirklichkeit reich.