Gründonnerstag
I.
Das Letzte Abendmahl war eine Stunde des Abschieds, ein Zeitpunkt der letzten Verfügung,
Unser Herr Jesus Christus wollte nicht ohne Testament aus der Welt scheiden, denn „er liebte die, die ihm der Vater gegeben hatte, bis zum Ende.“
Aber was sollte Er hinterlassen, was vermachen? Als Mensch war er unvorstellbar arm, als Gott unbeschreiblich reich. Materielle Güter konnte er nicht verschenken. Er besaß keine. Er hatte nur sich selbst, seine Liebe.
Bei jedem anderen Menschen hörte die Liebe im Augenblick des Todes auf. Kein Mensch kann sich selbst, seine Person als lebendiges Vermächtnis zurücklassen. Jesus hat es geschafft! Er war doch Gott, seine Macht war unbeschränkt. Sie hat sich allerdings bei diesem Vermächtnis auch erschöpft. Jesus hat sich selbst, als ganze und lebende Person, den Aposteln und der Kirche überantwortet. Er wird auf Golgota schreiten, gekreuzigt und begraben werden, auferstehen und in den Himmel auffahren, aber dennoch wird er weiterhin auf Erden verbleiben – in jeder konsekrierten Hostie, in jedem Tabernakel, in jeder Stadt, fast in jedem Dorf weiterleben. Er wird uns überall auf der Welt nahe sein, wo wir auch sind und wohin wir auch kommen.
Seine Weisheit, Liebe und Freigebigkeit erfordern unseren Lobgesang. Er ist jetzt vor uns da.
Wir wollen zu Ihm rufen:
Herr Jesus Christus, obwohl Du die Weisheit Gottes selber bist, wusstest Du nicht, was noch besser sein könnte als das Geschenk der Eucharistie…
Obwohl Du der allmächtige Gott bist, konntest Du nichts Größeres bewirken, als Deine Gegenwart unter der Gestalt des Brotes und des Weines…
Obwohl Du das freigebigste Wesen bist, konntest Du uns mit keiner reicheren Gabe beschenken, als mit dem allerheiligsten Altarsakrament…
Obwohl Du der gerechteste Richter bist, hast Du nicht gezögert, uns unwürdigen Menschen Deinen Leib und Dein Blut anzuvertrauen…
Obwohl Du der Urquell der Barmherzigkeit bist, konntest Du uns Dein Wohlwollen nicht besser erweisen, als durch die Einsetzung des allerheiligsten Sakramentes…
Obwohl zwischen Dir und uns ein unendlicher Abstand klafft, hast Du Dich durch die Gestalt von leblosen Dingen, wie Brot und Wein es sind, tief unter uns erniedrigt…
Wir wollen beten:
Herr Jesus Christus, im wunderbaren Sakrament des Altares hast Du uns das Gedächtnis Deines Leidens und Deiner Auferstehung hinterlassen. Gibt uns die Gnade, die heiligsten Geheimnisse Deines Leibes und Blutes so zu verehren, dass uns die Frucht der Erlösung zuteil wird. Der Du lebst und herrschest in Ewigkeit. – Amen.
II.
Das Wort „Eucharistie“ bedeutet griechisch Danksagung.
Die alten Christen waren bei der hl. Messe und für die hl. Messe mit so großer Dankbarkeit erfüllt, dass sie die Bezeichnung Eucharistie auf die hl. Messe übertrugen. Das Zweite Vatikanische Konzil sieht in der Liturgie die Seele des gesamten christlichen Lebens, aber auch die Liturgie hat eine Seele und eine Herzmitte: Es ist die Eucharistie. Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Eucharistie und Jesus Christus, der Gottmensch, ein und dasselbe ist. Wenn nicht Christus der Mittelpunkt, der Ausgangspunkt und der Zielpunkt wäre, was oder wer könnte sonst seine Stelle einnehmen?
Die Eucharistie wurde im Abendmahlsaal am Sionshügel in Jerusalem geboren, und wir feiern am Gründonnerstag deren Geburtsstunde. Sollten wir uns nicht bemühen, die tiefe Dankbarkeit der ersten Christen in uns aufleben zu lassen?
Wir erlebten oftmals im Leben ein feierliches Hochamt mit Assistenz, Chor und Orchester, aber die erste hl. Messe, die der Heiland selbst zelebrierte, bei der er seinen eigenen Leib und sein eigenes Blut in Händen hielt, war ein einfacher Vorgang. „Esset – das ist mein Leib! Trinket – das ist mein Blut!“ Dann folgt ein Nachsatz: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“
Hätte Christus diese Aufforderung nicht ausgesprochen, hätten wir keine hl. Messe, keine hl. Kommunion, keinen Tabernakel, ja wir hätten nicht einmal die blasseste Ahnung, dass es ein Altarsakrament geben könnte.
Wir haben also genügend Gründe, um ohne Unterlass zu danken.
Herr Jesus Christus, Du hast die erste hl. Messe gefeiert und die Macht und den Auftrag dazu auch den Aposteln und ihren Nachfolgern, den Bischöfen und Priestern, übertragen. Wir danken Dir und preisen Dich!
Du hast uns in der Eucharistie das einzige Opfer des Neuen Bundes hinterlassen und in ihr die Vergegenwärtigung Deines Leidens, Deines Todes und Deiner Auferstehung. Wir danken Dir und preisen Dich!
Du hast uns in der Eucharistie Deinen heiligen Leib und Dein kostbares Blut als Speise und Trank für unsere Seele und für das „Leben der Welt“ übergeben. Wir danken Dir und preisen Dich!
Du hast uns in der Eucharistie Deine geheimnisvolle und liebevolle Gegenwart und Nähe geschenkt und gesichert. Wir danken Dir und preisen Dich!
Du hast uns in der Eucharistie das wirksamste Mittel und zugleich das verlässlichste Unterpfand der ewigen Glückseligkeit nach dem Tode ausgehändigt. Wir danken Dir und preisen Dich!
Du hast uns in der Eucharistie den überzeugendsten Beweis Deiner Liebe und zugleich eine unversiegbare Quelle Deiner Barmherzigkeit angeboren. Wir danken Dir und preisen Dich!
Herr und Gott, Du gibst uns Anteil an Deinen heiligen Geheimnissen. Erhöre die Bitten Deines Volkes, damit jeder, der Dich in Deinen Kirchen anfleht, von Dir auch mit der Erfüllung seiner Wünsche beglückt werde. Darum bitten wir durch Christus unseren Herrn. – Amen.
III.
Jesus Christus hat das Altarsakrament nicht nur in der bedrückenden Atmosphäre des bevorstehenden Leidens, sondern auch in der beängstigenden Stimmung des schwärzesten Verrates gestiftet.
Einer der ersten Zeugen der ersten hl. Messe, einer der ersten Kommunikanten, einer der ersten Freunde Christi, einer der zwölf Apostel hat unterdessen an Verrat gedacht und ihn ausgeführt.
Zur gleichen Zeit, als Jesus sich ganz hingab, wurde er für 30 Silberstücke verkauft.
Unter den ersten ausgeteilten Kommunionen war schon eine unwürdige, bei der ersten Konzelebration war schon der erste abgefallene Priester zugegen. Die Geschichte der Verunehrung und Veruntreuung der Eucharistie ist also gerade so alt, wie die Eucharistie selber. Wie grell musste sich die Liebe Christi, die beim Letzten Abendmahl ihren Höhepunkt erreichte, von der Niederträchtigkeit des verräterischen Judas abheben, der in diesem Augenblick nicht das Wort Christi hörte, sondern an die klingenden Münzen in seinem Geldbeutel dachte!
Die unwürdige Kommunion des Judas war der erste sakramentale Gottesraub. Leider war er nicht der letzte. Jesus wird auch heute noch mit dem Dolch des Verrates gerade in dem Augenblick überfallen, in dem Er die Arme ausbreitet zur innigen Umarmung und Vereinigung im Augenblick der hl. Kommunion.
Ob wir nun selbst zu den Verrätern gehört haben oder nicht, wir alle schulden dem Heiland Sühne und Abbitte für unsere Sünden und für die Sünden unserer Mitmenschen.
Im Geiste der Buße wollen wir zu Ihm rufen:
Herr Jesus Christus, wie oft bist Du in Deinen und unseren Kirchen in Dein Eigentum gekommen, aber die Deinen nahmen Dich nicht auf…
Beim heiligen Messopfer standen wir gleichsam unter Deinem Kreuz, aber wir ähnelten manchmal mehr den gefühllosen Soldaten als den frommen Frauen…
Du bist in der hl. Kommunion in unsere Herzen eingetreten, aber die Kühle, die Du dort vorfandest, hatte nichts gemeinsam mit der Glut, die Du mitbrachtest…
Unsere Gotteshäuser sind so oft und so lange menschenleer, weil wir übersehen oder vergessen, dass Du in ihnen Dein „Zelt unter den Menschen“ aufgeschlagen hast…
Auch unter den Besuchern der Kirchen gibt es manchmal zahlreiche Christen, die sich mehr für die Kunstschätze als für Dich interessieren…
Wie oft musstest Du unzufrieden sein, wenn es an uns liegt, für die Kirchen Sorge zu tragen und für ihre Erhaltung, Reinigung und Ausschmückung Opfer zu bringen…
Wir wollen beten:
Erzeige, Herr, uns Deine unendliche Barmherzigkeit und wende von uns die Strafen ab, die wir durch unsere Sünden verdient haben. Der Du lebst und herrschest von Ewigkeit zu Ewigkeit. - Amen.