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Auch Bescheidenheit kann Arroganz sein
« am: 30. März 2013, 13:09:10 »
18.03.13
Papst Franziskus
Auch Bescheidenheit kann Arroganz sein

Bislang prägen Demutsgesten den Stil von Papst Franziskus. Doch was ist ihre tiefere Bedeutung? Es liegt auch eine Gefahr darin, dass sich der Amtsinhaber mit seinem Amt gleichsetzt. Von Alexander von Schönburg
Macht ihn seine demonstrative Demut zum Popstar? Statt der extra für das Oberhaupt der katholischen Kirche angefertigten roten Slipper (Symbol für das Blut der Märtyrer, die für den Glauben ihr Blut vergossen haben) trug Papst Franziskus während seiner ersten Audienz die eigenen schwarzen Schnürschuhe


Foto: Getty Images
Macht ihn seine demonstrative Demut zum Popstar? Statt der extra für das Oberhaupt der katholischen Kirche angefertigten roten Slipper trug Papst Franziskus während seiner ersten Audienz die eigenen schwarzen Schnürschuhe

Für einen Boulevardjournalisten (wie mich) ist der neue Papst ein Gottesgeschenk. Die Symbolik des von ihm gewählten Namens, der ihn in die Nachfolge des größten Revoluzzers der Kirchengeschichte stellt! Der Verzicht auf die auf ihn nach seiner Wahl wartende Mercedes-Limousine und dann die Fahrt im Autobus mitsamt den Kardinälen!

Tags darauf die überraschende Geste, selbst im Wohnheim "Domus Paolo VI." aufzutauchen, dort sein Gepäck abzuholen und die Rechnung zu zahlen! Die Weigerung, bei der Huldigung durch die Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle auf dem "Papstthron" zu sitzen und die Glückwünsche stattdessen stehend entgegenzunehmen … Seine Gesten – das macht ihn schon jetzt zum Popstar – sind fotografisch lückenlos dokumentiert und haben via Facebook und Twitter (#papabus) längst millionenfach den Globus umrundet.

Selbst die Tatsache, dass er sich an seinem ersten Morgen im Amt erst um seine Pflichten als Bischof von Rom kümmerte und sich – im VW, mit minimaler Eskorte – zur Basilika Santa Maria Maggiore fahren ließ, um dort vor der römischen Schutzikone Salus Populi Romani zu beten, wird bereits als Demutsgeste und als Statement gegen päpstlichen Zentralismus und die Überhöhung des Petrusamtes interpretiert.

Bruch mit dem Pontifikat Benedikts XVI.


Die Kardinäle Kasper und Marx sprechen bereits ganz offen von einem "neuen Anfang" in Rom. Auf den ersten Blick eine banale Formulierung, im Wissen um Nuancen und Usancen der bischöflichen Sprache aber eine unverhohlene Distanzierung vom Pontifikat Benedikts XVI. Wer braucht schon einen Neuanfang, wenn vorher alles wunschgemäß war?

Mit Bergoglio wurde der große Gegenspieler Ratzingers im Konklave von 2005 zum Papst gewählt. Hauptunterstützer Bergoglios beim Konklave 2013 war, wie inzwischen bekannt ist, Kardinal Walter Kasper. Als Chefideologe der Ökumene war Kasper der theologische Hauptgegner Ratzingers in der römischen Kurie.

Die Wahl Bergoglios nicht als offenen Bruch mit dem Pontifikat Benedikts XVI. zu sehen ist fast ebenso naiv wie die Vermutung, Bergoglios Wahl sei eine Niederlage der "dunklen Seite der Macht", des ominösen römischen "Apparats", der Kurie. Längst ist durchgesickert, dass es gerade die hohen Kurienvertreter waren, allen voran der starke Mann unter Johannes Paul II., Kardinaldekan Sodano, der in Allianz mit Kardinal Kasper die Fäden für die Wahl Bergoglios zog.

Franziskus' Demutsgesten sind Vorzeichen

Erwähnenswert ist das überhaupt nur, weil all die von uns bejubelten Demutsgesten des neuen Papstes selbstverständlich sehr viel mehr sind als nur Demonstrationen eines neuen, bescheidenen "Stils". Sie sind Vorzeichen einer inhaltlichen Revolution. Sie künden von einer Neudefinition des Papstamtes, somit auch der Neudefinition des Bischofsamtes und damit natürlich letztlich auch des Priesteramtes.

Das zentrale Anliegen all jener "Modernisten", für die das Pontifikat Benedikts XVI. eine widerwillig zu erduldende Wanderung durch die Wüste bedeutete, war und ist: die mittelfristige Abschaffung des Weihepriestertums. Die Grundprämisse nämlich, dass sich Priester durch Weihe von den gewöhnlichen Laien unterscheiden, ist für Modernisten und Egalitaristen ein Graus.

Daher rührt auch der in deutschsprachigen Ländern besonders leidenschaftlich geführte Kampf, die – wegen Priestermangels angeblich notwendigen – von nicht geweihten Pfarrgemeinderät(inn)en durchgeführten Wortgottesdienste als ebenso gültig wie die von Priestern ("in persona Christi") zelebrierten Messen anzuerkennen. In den Niederlanden und der Schweiz sind auf dem Land Wortgottesdienste statt Messen bereits die Regel und gelten als vollgültiger Ersatz; hier hat der Egalitarismus, der militant antisakral ist, bereits gesiegt.

Seelen-Balsam für die Untertanen


Die Demutsgesten von Papst Franziskus sind viel mehr als gutes "spin-doctoring" oder gekonnte PR-Arbeit. Dafür sind sie viel zu authentisch. Sie beruhen auf einer Denkweise, die Anstoß an dem nimmt, was Jünger des Heiligen Thomas von Aquin die "himmlische Weltordnung" nennen. Die bis Giordano Bruno völlig evidente Auffassung, dass Gott die Welt hierarchisch geordnet hat, wurde – von Renaissance bis Aufklärung und Moderne – Schritt für Schritt durch eine Ideologie ersetzt, nach der es kein Oben und Unten mehr geben darf.

Ein Papst, der nicht auf dem Thron sitzen will? Das wird die Thomisten in der katholischen Kirche (die paar, die es noch gibt) unruhig schlafen lassen. Natürlich bejubeln wir es, wenn sich "die da oben" mit uns gemein machen. Für mich als "Bild"-Journalisten ist es jedes Mal ein Festtag, wenn wieder Fotos von Großbritanniens Queen auf dem Tisch liegen, wie sie am Bahnhof Waterloo in die Regionalbahn einsteigt.

Prinz Harry, ihr Enkel, ist übrigens gerade deshalb in England so populär, weil er sich so wunderbar unköniglich als stinknormaler "lager lout", auf Deutsch Ballermann-Prolet, gibt. Auch Bilder von der dänischen Kronprinzessin, wie sie im Palast den Hausmüll vor die Tür trägt (besagtes Foto war natürlich inszeniert!), sind Balsam für die egalitaristischen Seelen der Untertanen.

Ämtern, nicht Personen, gebührt Respekt


Die Frage ist aber nicht nur, ob die Monarchen, allen voran der Papst als letzter absolutistischer Monarch, sich einen Gefallen tun, wenn sie ihre eigene Überflüssigkeit durch Assimilation betreiben. Die Frage ist vielmehr, ob hinter diesen sorgsamen Gesten der Demut nicht vielmehr eine unverzeihliche Arroganz schlummert.

Dem 1957 erschienenen Buch "The King's Two Bodies" des Princeton-Gelehrten Ernst H. Kantorowicz verdanken wir, dass die uralte Idee, ein König verfüge über einen irdischen und einen übernatürlichen Körper, nicht in Vergessenheit geriet. Erstmals zu Papier gebracht wurde dieses für jede echte Monarchie grundlegende Prinzip 653 im Konzil von Toledo. In der Encyclopaedia Britannica heißt es in der Passage über das Konzil: "Zum König macht ihn das Recht, nicht seine eigene Person, weil er nicht König ist dank seiner Mittelmäßigkeit, sondern dank der Erhabenheit seines Amtes."

Das gilt für einen König. Und das gilt für einen Papst. Es sind nicht sie – die Inhaber der Ämter –, denen unsere Ehrerbietung gilt. Als Personen sind sie Menschen wie du und ich. Es sind ihre Ämter. Vor denen haben wir aber geradezu das Recht, uns zu verneigen.

Ist neben allzu ostentativer Bescheidenheit die Unart, sich selbst mit seinem Amt zu verwechseln, die vielleicht unverschämteste Form des Hochmuts?

Quelle:http://www.welt.de/kultur/article114537303/Auch-Bescheidenheit-kann-Arroganz-sein.html
« Letzte Änderung: 31. März 2013, 08:45:15 von Joel »

 

La Salette 1846



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