Papst unterstützt Pläne deutscher Bischöfe!
Erzbischof Baldisseri: „Die Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene wird ohne Tabus diskutiert“ 30. November 2013
(Rom) Kurienerzbischof Lorenzo Baldisseri, der von Papst Franzuskus ernannte neue Sekretär der Bischofssynode erklärte, daß das Thema der wiederverheirateten Geschiedenen offen bleibe: „Wir werden darüber ohne Tabus sprechen. Die orthodoxe Erfahrung kann uns eine Hilfe sein“. Ein Interview mit dem neuen Synodensekretär des Vatikanisten Andrea Tornielli für Vatican Insider. Es gibt Aufschluß, was der vom Papst beauftragte zuständige Verantwortliche zu den Themen Bischofssynode, wiederverheiratet Geschiedene, Kollegialität und Fragebogen zum Thema Familie denkt.
Msgr. Lorenzo Baldisseri, Jahrgang 1940, während des Konklaves Sekretär des Kardinalskollegiums, gehörte zu den ersten Beförderungen von Papst Franziskus. Im September ernannte er ihn zum neuen Sekretär der Bischofssynode, der der neue Papst offenbar ein stärkeres Gewicht geben will. Erzbischof Baldisseri hatte Papst Franziskus nach seiner Wahl im Konklave seinen Kardinalspileolus aufgesetzt. Es wird daher angenommen, daß er demnächst in den Kardinalsstand erhoben wird. Der noch von Papst Johannes Paul II. ernannte Vorgänger als Sekretär der Bischofssynode, Erzbischof Eterovic, wurde von Papst Franziskus als Apostolischer Nuntius nach Deutschland geschickt.
Msgr. Baldisseri, seit vier Jahrzehnten im diplomatischen Dienst des Vatikans, hat die Aufgabe, die Bischofssynode vorzubereiten, die sich 2014 und 2015 mit dem Thema Familie befassen wird. In diesem Zusammenhang wurde allen Bischöfen der Welt ein Vorbereitungsdokument übermittelt, das einen Fragebogen enthält, mit dem der Vatikan eine weltweite Bestandsaufnahme der Situation durchführen und die Meinungen der Bischöfe hören will. Progressive Kreise publizieren das Dokument als Aufforderung an alle Katholiken, ihre Meinung kundzutun mit dem offensichtlichen Ziel, die römischen Entscheidungen „plebiszitär“ zu beeinflussen.
Papst Franziskus geht in „Evangelii Gaudium“ nicht auf die Frage der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten ein. Kirchliche Kreise, die, um die kirchliche Lehre mit der „gelebten Wirklichkeit“ in Einklang zu bringen, richten ihr Augenmerk auf die Passage: „Die Eucharistie ist, obwohl sie die Fülle des sakramentalen Lebens darstellt, nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen“ (EG 47).
Tornielli: Wie sind diese Worte zu lesen?
Baldissseri: Unterstreichen wir auch den nächsten Satz: „Diese Überzeugungen haben auch pastorale Konsequenzen, und wir sind berufen, sie mit Besonnenheit und Wagemut in Betracht zu ziehen.“ Der Papst fügt diese zwei Elemente zusammen. Das bedeutet, daß er will, daß diese Probleme mit Besonnenheit studiert werden und daher unter Beachtung der Glaubenslehre. Aber auch mit Wagemut, was für mich gleichbedeutend ist mit „ohne Angst“, indem man auf die konkreten Situationen der Menschen schaut.
Tornielli: Wird sich also etwas ändern?
Baldisseri: Das Lehramt ist nicht eingegipst, es ist die Begleitung der Glaubenslehre zum Volk. Es gibt eine ständige Vertiefung und die Anwendungen auf die verschiedenen Fälle. Die Kirche muß es verstehen, eine Anwendung der Lehre im konkreten Fall der Menschen zu finden. Dieser Zugang darf uns nicht sofort an generelle Schlußfolgerungen denken lassen, an Normen für alle. Wir müssen von den konkreten Fällen ausgehen. Und dort kann man dann auch eine neue Art entwickeln, die Lehre zu berücksichtigen. Im Grunde intervenieren wir auch mit den Ehenichtigkeitserklärungen Fall für Fall. Das ist Seelsorge und nicht ein Schema.
Tornielli: Ist es also richtig, daraus zu schließen, daß das Thema der Sakramente für wiederverheiratet Geschiedene offen ist?
Baldisseri: Wenn es auf die Liste des Fragebogens gesetzt wurde, heißt das, daß man es behandeln will. Und man will ohne Tabus darüber sprechen, sonst hätte man es nicht erwähnt. Das scheint mir offensichtlich.
Tornielli: Im Interview auf dem Rückflug von Rio hat der Papst in diesem Zusammenhang – ohne eine Position zu beziehen – an den orthodoxen Weg erinnert, der in bestimmten Fällen die Segnung einer zweiten Verbindung vorsieht…
Baldisseri: Die Erfahrung der orthodoxen Kirche hann uns eine Hilfe sein, um den Weg zu erleuchten, nicht nur was die Sinodalität und die Kollegialität anbelangt, sondern auch im Zusammenhang, über den wir sprechen. Jetzt ist aber nicht der Augenblick zu diskutiren, welches die beste Lösung wäre, es sind Themen, die von der Synode behandelt werden. Wir haben jetzt darüber zu sprechen begonnen, auf eine neue Weise als in der Vergangenheit, mit einer Anfrage nach Informationen und Überlegungen an die Basis, an die Diözesen und Pfarreien, und das wird uns sehr helfen, zusammen mit den Erfahrungen der anderen Kirchen, wie jenen des Ostens. Wie Sie erinnert haben, hat auch der Papst Bezug auf jene orthodoxe Praxis genommen.
Tornielli: Der Fragebogen, der verschickt wurde, ist eine Meinungsumfrage?
Nein, das ist er nicht, das muß betont werden. Er ist keine Meinungsumfrage, wie man es heutzutage versteht und auch nicht ein Referendum. Es war hingegen der Wille, direkt von den Menschen ihre Erfahrung kennenzulernen, nicht nur die individuelle, sondern auch als Gruppe, um statistische Daten zu sammeln, Überlegungen, Ausarbeitungen. So werden die Bischöfe der Synode am Puls der Situation sein, ohne auf Bücher oder soziologische Erhebungen angewiesen zu sein. Unser Fragebogen ist weit mehr als eine soziologische Untersuchung. Er ist eine auch kirchliche und geistliche Überlegung. Und die Fragen sind offen…
Tornielli: Können Sie die Neuheit dieser Synode in zwei Schüben, mit zwei Versammlungen zum selben Thema im Abstand von einem Jahr erklären?
Es ist eine Neuheit, die den neuen Dynamiken entspricht, die der Papst wollte und die sich irgendwie an jenen des Konzils inspiriert. Franziskus will eine dynamische und ständige Synode, nicht als strukturierten Organismus, aber als Aktion, als Osmose zwischen dem Zentrum und der Peripherie. Und er will sie offen für alle Themen, um Empfehlungen aufzugreifen, die von den Ortskirchen kommen. Der Rat des Sekretariats, derzeit zusammengesetzt aus 15 Personen, wird größeres Gewicht erlangen, und das bedeutet, daß der Papst auch hier die Möglichkeit haben wird, einen ständigen Rat für seine Regierung konsultieren kann.
Text: Vatican Insider/Giuseppe Nardi