Lieber Marcello,
hier nun der zweite Teil meiner Antwort. Zwischen dem hl. Messopfer auf unseren Altären und dem Kreuzesopfer auf Kalvaria besteht kein Unterschied als der, dass sich das Opfer in der hl. Messe unblutig vollzieht. Die hl. Messe ist die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers. In jeder hl. Messe wird das EINE Opfer unseres Herrn Jesus Christus erneuert, also gegenwärtig gesetzt. Dies widerspricht nicht dem Schriftwort:
"Jeder Priester tritt täglich hin zur Verrichtung seines Dienstes und bringt immer wieder die gleichen Opfer dar, die niemals imstande sind, Sünden hinwegzunehmen. Dieser [der Herr Jesus Christus] aber brachte nur ein einziges Opfer für die Sünden dar und setzte sich für immer zur 'Rechten' Gottes und wartet fortan, 'bis seine Feinde hingelegt werden zum Schemel seiner Füße' [Ps 110, 1]. Denn durch ein einziges Opfer hat er für immer jene, die geheiligt werden sollen, zur Vollendung geführt. Dies bezeugt uns aber auch der Heilige Geist; denn nach dem Worte: 'Das ist der Bund, den ich mit ihnen schließen werde nach jenen Tagen', spricht der Herr: 'Ich will meine Gesetze in ihre Herzen legen und sie einschreiben in ihren Sinn, und ihrer Sünden und Frevel werde ich nicht mehr gedenken' [Jer 31, 33f]. Sind aber diese vergeben, so ist weiter kein Opfer mehr nötig für die Sünde" (Hebr 10, 11-18).
Diese Worte sind nicht gegen das hl. Messopfer gerichtet, weil das Messopfer nicht immer wieder ein neues Opfer ist, sondern das eine und einzige Opfer Jesu Christi, das er-neuert wird. Es ist das alte, zeitlose Opfer, das vergegenwärtigt wird. Paulus verwirft hier vielmehr die abscheuliche Praxis der Tieropfer.
Bereits "Die griechische Philosophie hat das Opfer vergeistigt und erweitert: Gott sei allein mit reinem Opfer und sittlicher Gutheit zu dienen, was nötigenfalls den Einsatz des eigenen Lebens gebiete, demgegenüber die alten Blutopfer nun als Besudelung galten. Heraklit († 480 v. Chr.) spottete offen: 'Aber Reinigung von (Blutschuld) suchen sie, indem sie sich mit neuem Blut besudeln'. Seine neue Forderung heißt: 'Bei den Opfern sind zwei Arten zu unterscheiden. Die einen werden dargebracht von innerlich vollständig gereinigten Menschen. Die anderen aber sind materiell'. Das immaterielle, eben das 'geistige Opfer', war nun zu vollziehen. Die philosophische Opferdeutung kulminierte [d.h. erreichte den Höhepunkt] in der 'thysia logike', die die uralte Formel ‚Leben für Leben‘ transformierte [d.h. umwandelte] und ihr eine bis zur Gegenwart andauernde Bedeutung vermittelte, nämlich die Aufopferung in personalem Einsatz“ (Prof. Dr. Arnold Angenedt: „Toleranz und Gewalt – Das Christentum zwischen Bibel und Schwert“, Münster 2009, S. 53).
„Wie die griechische Philosophie verkündeten ebenso die Propheten ein vergeistigtes Opferverständnis: Statt der Blut- und Brandopfer forderten sie eine Hör- und Zeugnisbereitschaft für Gott und dessen Wort, zusätzlich aber noch Sozialbereitschaft gegenüber den Armen. Das Hören des Gotteswortes erläutert etwa Psalm 40: 'An Schlacht- und Speiseopfern hast du kein Gefallen, Brand- und Sündopfer forderst du nicht. Doch das Gehör hast du mir eingepflanzt; darum sage ich: Ja, ich komme … deinen Willen zu tun' (Ps 40,7f.). Für Gerechtigkeit gegenüber den Witwen, Waisen, Armen und Unterdrückten sei das Jesaja-Buch zitiert: 'Das Blut der Stiere, der Lämmer und Böcke ist mir zuwider! Sorgt für das Recht! Helft den Unterdrückten! Verschafft den Waisen Recht, tretet ein für Witwen!' (Jes 1,11;17). Gefordert sind Hörbereitschaft gegenüber Gott und Sozialsinn gegenüber den Menschen, wofür der Prophet Hosea die prägnante Formel bietet: 'Liebe will ich, nicht Schlachtopfer, Gotteserkenntnis statt Brandopfer' (Hos 6,6). Im Neuen Testament wiederholt Jesus zweimal dieses Wort (Mt 9,13; 12,7)" (Prof. Dr. Arnold Angenedt: „Toleranz und Gewalt – Das Christentum zwischen Bibel und Schwert“, Münster 2009, S. 53f).
Unser Herr Jesus Christus hat den Tieropfern endgültig ein Ende gesetzt. Im Neuen Bund, den der Herr Jesus Christus selber gestiftet hat, gibt es nur noch ein Opfer, das hl. Messopfer, das nichts anderes ist als das Kreuzesopfer Christi auf Golgotha. Es gibt keine Tieropfer mehr. Der Herr selber hat sich als Opferlamm für uns am Stamm des Kreuzes dahingegeben. „[…] nicht mit dem Blut von Böcken und jungen Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut, […] so hat er eine ewige Erlösung bewirkt“ (Hebr 9,12). „[…] durch diese [Tier-]Opfer wird alljährlich nur an die Sünden erinnert, denn das Blut von Stieren und Böcken kann unmöglich Sünden wegnehmen“ (Hebr 10,3f). „Jeder Priester steht Tag für Tag da, versieht seinen Dienst und bringt viele Male die gleichen Opfer dar, die doch niemals Sünden wegnehmen können. Dieser aber hat nur ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht […]“ (Hebr 10,11f).
Der Herr Jesus Christus brachte sich auf Kalvaria und bringt sich bei der hl. Messe bis in unsere Tage selbst als Opfer dar. Er ist zugleich Priester und Opfergabe. Der Heiland vermittelt uns so eine neue Mentalität des Sich-Hinopferns, der persönlichen Aufopferung. Nur durch eine opferbereite Liebe kann das Böse überwunden und können die Sünden hinweggenommen werden. Das ist das christliche Opferverständnis.
Der Priester steht als von Gott Berufener und von Gott Gesandter beim hl. Messopfer am Altar, um das Erlösungswerk Christi fortzuführen. Er ist Christi Werkzeug, durch ihn handelt der Herr, denn aus eigener Kraft könnte der Priester die hl. Wandlung nicht verursachen.
Auch in der Beichte ist der Priester Werkzeug Christi. Im Beichtstuhl begegnen wir Unserem Herrn. Niemand anderes als der Herr spricht uns in diesem hl. Sakrament von unseren Sünden los. Der menschliche Amtspriester ist nur sein Werkzeug, durch den er die Absolution erteilt. Die Beichte macht aber nur dann Sinn, wenn man seine Sünden wirklich als solche erkennt, bereut und sich ernstlich vornimmt zu bessern. Die Beichte ist wertlos, wenn man keine Reue hat und keinen Vorsatz macht, sich zu bessern. Die öftere Beichte soll uns wirklich ein Mittel sein, der Vollkommenheit immer näher zu kommen, die der Herr von uns verlangt: "Ihr sollt [...] vollkommen sein, wie es auch euer Vater im Himmel ist" (Mt 5, 48). Die Beichte ist also nicht dazu da, dass sie von der gleichen Sündenschuld immer wieder befreit, wenn der Katholik nicht einmal versucht, sie nicht mehr zu begehen. Dies wäre unsinnig und dennoch ist diese Vorstellung weit verbreitet.
Folgende Zitate stammen aus dem Katechismus der Katholischen Kirche:
1441 Gott allein kann Sünden vergeben [Vgl. Mk 2,7]. Weil Jesus der Sohn Gottes ist, sagt er von sich, "dass der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Sünden zu vergeben" (Mk 2,10). Er übt diese göttliche Vollmacht aus: "Deine Sünden sind dir vergeben!" (Mk 2,5; Lk 7,48). Mehr noch: kraft seiner göttlichen Autorität gibt er Menschen diese Vollmacht [Vgl. Joh 20, 21-23], damit sie diese in seinem Namen ausüben (Vgl. dazu auch 270, 431, 589).
1442 Christus hat gewollt, dass seine Kirche als ganze in ihrem Gebet, ihrem Leben und Handeln Zeichen und Werkzeug der Vergebung und Versöhnung sei, die er uns um den Preis seines Blutes erworben hat. Er hat jedoch die Ausübung der Absolutionsgewalt dem apostolischen Amt anvertraut. Dieses ist mit dem "Dienst der Versöhnung" (2 Kor 5,18) beauftragt. Der Apostel ist "an Christi Statt" gesandt; durch ihn ermahnt und bittet Gott selbst: "Lasst euch mit Gott versöhnen!" (2 Kor 5,20) (Vgl. dazu auch 983).
1443 Während seines öffentlichen Lebens vergab Jesus nicht nur Sünden, sondern zeigte auch die Wirkung der Vergebung: Er gliederte die Sünder, denen er verziehen hatte, wieder in die Gemeinschaft des Gottesvolkes ein, aus der die Sünde sie entfernt oder sogar ausgeschlossen hatte. Ein offensichtliches Zeichen dafür ist es, dass Jesus Sünder an seinen Tisch lädt, ja dass er sich selbst an ihren Tisch setzt - eine Handlung, die auf ergreifende Weise zugleich die Vergebung durch Gott [Vgl. Lk 15] und die Rückkehr in den Schoß des Volkes Gottes [Vgl. Lk 19,9] zum Ausdruck bringt (Vgl. dazu auch 545).
1444 Indem der Herr den Aposteln seine eigene Vollmacht, Sünden zu vergeben, mitteilt, gibt er ihnen auch die Autorität, die Sünder mit der Kirche zu versöhnen. Dieser kirchliche Aspekt ihrer Aufgabe äußert sich vor allem im feierlichen Wort Christi an Simon Petrus: "Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein" (Mt 16,19). Es steht "fest, dass jenes Amt des Bindens und Lösens, das Petrus gegeben wurde, auch dem mit seinem Haupt verbundenen Apostelkollegium zugeteilt worden ist" [Vgl. Mt 18,18; 28, 16-20] (LG 22) (Vgl. dazu auch 981).
1445 Die Worte binden und lösen besagen: Wen ihr aus eurer Gemeinschaft ausschließen werdet, wird Gott auch aus der Gemeinschaft mit sich ausschließen; wen ihr von neuem in eure Gemeinschaft aufnehmen werdet, wird auch Gott wieder in die Gemeinschaft mit sich aufnehmen. Die Versöhnung mit der Kirche lässt sich von der Versöhnung mit Gott nicht trennen (Vgl. dazu auch 553).
1446 Christus hat das Bußsakrament für alle sündigen Glieder seiner Kirche eingesetzt, vor allem für jene, die nach der Taufe in schwere Sünde gefallen sind und so die Taufgnade verloren und die kirchliche Gemeinschaft verletzt haben. Ihnen bietet das Sakrament der Buße eine neue Möglichkeit, sich zu bekehren und die Gnade der Rechtfertigung wiederzuerlangen. Die Kirchenväter stellen dieses Sakrament dar als "die zweite [Rettungs]planke nach dem Schiffbruch des Verlusts der Gnade" (Tertullian, pæn. 4,2) [Vgl. K. v. Trient: DS 1542] (Vgl. dazu auch 979, 1856, 1990).
1447 Im Lauf der Jahrhunderte hat die konkrete Form, in der die Kirche diese vom Herrn erhaltene Vollmacht ausübt, starke Veränderungen durchlaufen. Während der ersten Jahrhunderte war die Versöhnung der Christen, die nach ihrer Taufe ganz besonders schwere Sünden begangen hatten (etwa Götzendienst, Mord und Ehebruch), an eine sehr strenge Disziplin gebunden: Die Pönitenten mussten für ihre Sünden oft jahrelang öffentlich Buße tun, bevor sie Vergebung erhielten. Zu diesem "Stand der Büßer" (der nur zur Buße für gewisse schwere Sünden da war) wurde man nur selten, in gewissen Regionen sogar nur einmal im Leben zugelassen. Von der monastischen Tradition des Ostens angeregt, brachten während des 7. Jahrhunderts irische Missionare die Praxis der "Privatbuße" nach Kontinentaleuropa. Diese verlangt keine langen öffentlichen Bußleistungen, bevor man die Versöhnung mit der Kirche erlangt. Das Sakrament vollzieht sich nun auf geheimere Weise zwischen dem Pönitenten und dem Priester. Diese neue Praxis sah die Möglichkeit der Wiederholung vor und führte so zu einem regelmäßigen Empfang des Bußsakramentes. Sie ermöglichte, die Vergebung schwerer und lässlicher Sünden in einer einzigen Feier vorzunehmen. Das ist in großen Linien die Form der Buße, die die Kirche bis heute anwendet.
1448 Trotz allen Veränderungen, welchen die Ordnung und die Feier dieses Sakramentes im Laufe der Jahrhunderte unterworfen waren, erkennt man die gleiche Grundstruktur. Sie enthält zwei Elemente, die gleichermaßen wesentlich sind: einerseits das Handeln des Menschen, der sich unter dem Walten des Heiligen Geistes bekehrt, nämlich Reue, Bekenntnis und Genugtuung; andererseits das Handeln Gottes durch den Dienst der Kirche. Die Kirche, die durch den Bischof und seine Priester im Namen Jesu Christi die Sündenvergebung schenkt und die Art und Weise der Genugtuung bestimmt, betet zudem für den Sünder und leistet mit ihm Buße. So wird der Sünder geheilt und wieder in die kirchliche Gemeinschaft aufgenommen.