DIE EINHEIT DER KIRCHE
Paulus schreibt an die Epheser (4,4): "Bestrebt euch, die Einheit im Geiste durch das Band des Friedens zu bewahren. Es ist ein Leib und ein Geist, wie auch eure Berufung euch eine Hoffnung gegeben hat." Der Apostel spricht hier von der Einheit der Kirche nach Art der Einheit eines menschlichen Leibes. Mit den Worten: "Es ist ein Leib", will er gleichsam sagen: Bleibt verbunden durch das Band des Friedens, damit ihr ein Leib seid..., damit alle Gläubigen in gegenseitiger Hinordnung leben, wie die Glieder, die einen Leib bilden. "Denn wie wir an dem einen Leibe viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder den gleichen Dienst verrichten, so bilden wir viele zusammen einen Leib in Christus, einzeln aber sind wir Glieder untereinander" (Röm 12,4).
"Und ein Geist...", das heißt: Ihr sollt kraft der Glaubens- und Liebeseinheit eine geistige Einstimmung besitzen... Dann erklärt Paulus den Sinn dieser Einheit mit den Worten: "wie auch eure Berufung euch eine Hoffnung gegeben hat"... Damit sagt er: Weil ihr zu dem einen Ziele des ewigen Lebens berufen seid, deshalb müßt ihr mit der Geisteseinheit in der einen Hoffnung wandeln, die euch eure Berufung gegeben hat, das heißt: auf das eine Hoffnungsziel hin, zu dem eure Berufung euch hinführt... "Der Gott der Gnade aber, der euch durch Jesus Christus zu seiner ewigen Herrlichkeit berufen hat, wird euch, die ihr kurze Zeit zu leiden habt, ausrüsten, stärken, kräftigen und befestigen. Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen" (1 Petr 5,10 f.)...
"Ein Herr, Ein Glaube, Eine Taufe, Ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen" (Eph 4,5 f.). Nachdem er sie ermahnt hat, die kirchliche Einheit zu bewahren, legt Paulus den Ephesern das Wesen dieser Einheit dar. Man muß dabei bedenken, daß die Kirche kraft ihrer Ähnlichkeit mit einem bürgerlichen Gemeinwesen eine unterschiedliche Einheit darstellt. Denn sie ist sozusagen nicht eine einfache, sondern eine aus verschiedenen Teilen zusammengesetzte Einheit...
Damit ein bürgerliches Gemeinwesen einheitlich sei, muß eine vierfache Gemeinsamkeit dasein, nämlich: ein Lenker, ein Gesetz, dieselben Kennzeichen und die gleiche Zielsetzung. Diese vier Stücke finden sich nach Paulus in der Kirche. Deshalb sagt er: Ihr müßt einen Leib und einen Geist haben, weil ihr in der Einheit der Kirche seid, die eine einige ist aus folgenden Gründen:
Erstens: Sie hat einen Herrscher, nämlich Christus. Und in diesem Sinne sagt Paulus: Es ist nur "Ein Herr", nicht mehrere, deren verschiedenartiges Wollen euch auseinanderbringen müßte. Heißt es doch: "Christus steht als Sohn über seinem Hause" (Hebr 3,6). "So erkenne denn das ganze Haus Israel mit Sicherheit: Eben den Jesus, den ihr ans Kreuz geschlagen habt, hat Gott zum Herrn und zum gesalbten gemacht" (Apg 2,36). "Wir haben nur einen Herrn: Jesus Christus, (durch den alle Dinge und auch wir das Dasein haben") (1 Kor 8,6). "An jenem Tage ist der Herr der Einzige, und 'der Einzige' ist sein Name" (Zach 14,9).
Zweitens: Die Kirche hat nur ein Gesetz, denn das Gesetz der Kirche ist das Gesetz des Glaubens. "Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen! Durch welches Gesetz? Durch das der Werke? Nein, durch das Gesetz des Glaubens" (Röm 3,27). Einerseits versteht man unter dem Glauben unsere Glaubenswahrheiten, so wenn man sagt: "Das ist der katholische Glaube, und niemand kann selig werden, der ihn nicht gläubiger Zustimmung festhält" (Athanasianisches Glaubensbekenntnis). Glaube heißt hier das, was man glauben muß. Andererseits versteht man darunter auch die Glaubenshaltung, mit der man im Herzen glaubt. Und für beide Bedeutungen gilt die zuvor angeführte Behauptung. Bei der ersten ergibt sich folgender Sinn: Der Glaube ist einer, das heißt: Ihr müßt dasselbe glauben und in gleicher Weise tätig sein, denn ein und dasselbe glauben alle Gläubigen. Deshalb heißt die Kirche auch die allumfassende oder die katholische. Und so steht auch im ersten Korintherbrief (1,10): "Ihr sollt alle dasselbe sagen", das heißt: dasselbe glauben. In der anderen Bedeutung handelt es sich um den einen Glauben, das heißt die eine Glaubenshaltung, mit der man glaubt. Ich meine nicht einen zahlenmäßig, sondern der Artgleichheit nach einzigen Glauben, weil derselbe in aller Herzen sein muß. So spricht man ja auch von einem Willen bei denjenigen, die dasselbe wollen.
Drittens: Die Kennzeichen der Kirche sind (für alle) dieselben. Das sind die Sakramente Christi, unter denen die Taufe an erster Stelle steht als die Tür zu allen anderen Sakramenten. Und deshalb sagt Paulus: "Eine Taufe." Ein Einiges heißt sie aus einem dreifachen Grunde: Zunächst sind die Taufen nicht nach ihren Spendern verschieden, weil sie eine gleichartiges Wirkung hervorbringen, gleichgültig, wer sie spendet. Denn der innerliche Taufspender ist ein und derselbe, nämlich Christus: "Auf wen du den Geist herabsteigen und über wem du ihn schweben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geiste tauft" (Joh 1,33). Sodann heißt die Taufe ein Einiges, weil sie im Namen der Dreieinigkeit gespendet wird: "Taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" (Mt 28,19). Schließlich auch deshalb, weil sie nicht wiederholt werden kann. Buße, Ehe, Eucharistie und Letzte Ölung können zwar mehrmals empfangen werden, nicht aber die Taufe. "Denn wer einmal (durch die Taufe) erleuchtet war, die Himmelsgabe genossen und den Heiligen Geist empfangen, wer das herrliche Gotteswort und die Kräfte der künftigen Welt gekostet hat und dann abgefallen ist, läßt sich unmöglich wieder zur Umkehr bringen" (Hebr 6,4 ff.). Die Taufe wird nicht wiederholt wegen des bleibenden Males, und weil ihre Ursache nicht wiederholt wird, denn wir sind durch die Taufe auf den Tod mit ihm begraben... ("Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, auch an seinem Leben teilzunehmen. Wissen wir doch, daß Christus, von den Toten auferstanden, nicht wieder stirbt. Der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Mit seinem Tode ist er ein für allemal tot für die Sünde, mit seinem Leben aber lebt er nur für Gott. So betrachtet auch ihr euch als solche, die tot sind für die Sünde, die aber leben für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn") (Röm 6,4-11)...
Viertens: Die Kirche hat ein und daselbe Ziel, nämlich Gott. Der Sohn führt uns ja zum Vater: "Dann kommt das Ende, wenn er seine Königsherrschaft Gott dem Vater übergibt, nachdem er zuvor alle Herrschaft, Macht und Gewalt zunichte gemacht hat. Er muß ja herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. Als letzter Feind wird der Tod vernichtet (1 Kor 15,24 ff.). Und in diesem Sinne sagt Paulus: "Ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allem" (Eph 4,6).