Hl. Ephraim der Syrer
Über den richtigen Umgang mit Kummer
Geistliche, aus der Erfahrung kommende Ratschläge zum Umgang mit Versuchungen und Kummer
Quelle: Heiliges Kloster Pantokratoros
Mit freundlicher Genehmigung des Klosters
Übersetzung: Sr. Matthaia
Wie sich die Augenbrauen einander nähern, so sind die Versuchungen dem Menschen nahe. Gott hat in seiner Weisheit dafür gesorgt, dass es so ist - uns zum Nutzen; damit du nämlich aufgrund der Nöte beständig an die Tür der Erbarmens Gottes klopfst, und damit, wegen der Angst vor schmerzlichen Ereignissen, der Samen der Erinnerung an Gott in deinen Geist gelegt wird, so dass du dich Ihm mit Gebeten näherst und dein Herz durch das immerwährende Gedenken Gottes geheiligt wird. Und solange du Ihn bittest, wird er dich erhören.
Wer auf dem Weg Gottes wandelt, muss ihm danken für alle Betrübnisse, die ihm begegnen und er muss sein nachlässiges Selbst anklagen und entehren und wissen, dass der Herr, der ihn liebt und sich um ihn kümmert, ihm die Betrübnisse nicht schicken würde um ihn aufzuwecken, wenn er nicht irgendwie nachlässig gewesen wäre. Gott kann ein Leid auch zugelassen haben, weil der Mensch stolz geworden ist, er soll es nur verstehen und nicht unruhig werden und die Ursache in sich selbst finden, damit das Unglück nicht doppelt so groß werde, d.h. er soll es ertragen und nicht wünschen geheilt zu werden. Bei Gott, wo die Quelle der Gerechtigkeit ist, gibt es keine Ungerechtigkeit. Anders sollen wir nicht denken.
Scheue die Leiden nicht, weil sie dir helfen, die Wahrheit und die Liebe Gottes zu erfahren. Fürchte dich nicht vor den Versuchungen, da du durch sie Herrliches erlangen wirst! Bete, dass du nicht in Versuchungen der Seele gerätst, auf die des Leibes aber bereite dich aus allen Kräften vor! Denn ohne dieselben kannst du dich nicht Gott nahen, in ihnen ist das göttliche Wohlgefallen niedergelegt. Wer vor den Versuchungen flieht, der flieht vor der Tugend.
Ohne Versuchung wird die Fürsorge Gottes für uns nicht empfunden, das Vertrauen zu ihm nicht erworben, die Weisheit des Geistes nicht erlernt und die Liebe Gottes nicht in der Seele gefestigt. Vor den Versuchungen betet der Mensch zu Gott wie ein Fremder; Von der Zeit an, da er aber um der Liebe Gottes willen in Versuchungen gerät, ohne seine Haltung Gott gegenüber zu verändern, betrachtet ihn Gott als Einen, demgegenüber er verpflichtet ist und als einen wahren Freund. Denn er hat gegen den Feind gekämpft und gesiegt, um den Willen Gottes zu erfüllen.
Gott schenkt keine große Gnade, der nicht vorher eine große Versuchung vorausgegangen ist, denn entsprechend der Schwere der Versuchungen werden die Gnaden durch die Weisheit Gottes bestimmt, was die Menschen gewöhnlich aber nicht verstehen. Am Ausmaß des Kummers, den Gottes Fürsorge dir schickt, verstehst du, wie sehr Seine Großherzigkeit dich ehrt. Denn entsprechend der Trauer, die du verkostest, ist der Trost, der dir zuteil wird.
Wenn du mich fragst, was der Grund für all das ist, antworte ich dir: Deine Nachlässigkeit; denn du hast dich nicht darum gekümmert deine Heilung zu finden. Die Heilung all dessen ist eine, und mit ihr findet der Mensch sofort in seiner Seele den Trost, nachdem er sich sehnt. Und worin besteht also diese Heilung? Es ist die Demut des Herzens. Ohne sie ist es unmöglich den Zaun der Versuchungen zu zerstören; du wirst im Gegenteil entdecken, dass die Versuchungen stärker sind und dich völlig schwächen werden...
Nach dem Maß deiner Demut, schenkt dir Gott auch die Kraft deine Nöte zu ertragen. Und nach dem Maß deiner Geduld, wird die Last deines Kummers leicht und du wirst getröstet. Und je mehr du getröstet wirst, um so mehr wächst deine Liebe zu Gott. Und je mehr du Gott liebst, desto größer wird die Freude, die dir der Heilige Geist schenkt. Unser barmherziger Vater, der die Versuchungen seiner wahren Kinder zum Guten führen will, nimmt sie ihnen nicht weg, sondern gibt ihnen die Kraft sie zu ertragen. All diese Güter (Trost, Liebe, Freude) empfangen die Kämpfer als Frucht der Geduld, damit ihre Seelen zur Vollkommenheit gelangen. Möge Christus, unser Gott uns durch seine Gnade würdigen, die Bitterkeit der Versuchungen um seiner Liebe willen mit dankbarem Herzen zu ertragen. Amen.
Die Heiligen zeigen in der Tat ihre Liebe zu Gott durch das, was sie um seines Namens willen ertragen, z.B. wenn Er ihnen Bedrängnisse schickt - ohne sich jedoch von ihnen zu entfernen - weil er sie liebt. Aus dieser, ihrer leidenden Liebe, gewinnt ihr Herz Freimut, so dass sie sich frei und mit der Gewissheit, dass ihre Bitten erhört und erfüllt werden, an Ihn wenden. Groß ist die Kraft des freimütigen Gebetes. Deshalb lässt Gott seine Heiligen jedes Leid ertragen, damit sie Erfahrung sammeln und sich von Seiner Hilfe überzeugen, und wie sehr Er für sie sorgt und auf sie acht gibt. So erwerben sie Weisheit und Klugheit aus den Versuchungen, damit sie nicht unwissend werden, zumal ihnen die geistliche Übung fehlen würde, sowohl im Guten als im Bösen, und damit sie aus ihren Prüfungen das Wissen all der Dinge erwerben, das sie benötigen, weil sie sonst durch ihre Unwissenheit verführt und zum Gespött der Dämonen würden. Denn wenn sie nur gute Erfahrungen und keine Erfahrung im Kampf mit dem Bösen gehabt hätten, wären sie völlig unvorbereitet in den Krieg gezogen...
Der Mensch kann das Gute nicht kosten und schätzen, wenn er vorher die Bitternis der Versuchungen nicht erfahren hat.
Die Menschen kommen dann zur wahren Erkenntnis, wenn Gott ihnen seine Macht entzieht, sie ihrer menschlichen Schwachheit bewusst werden lässt und der Schwierigkeiten, die die Versuchungen verursachen, und der List des Feindes, und mit welchem Gegner sie zu kämpfen haben, und wie schwach ihre menschliche Natur ist, und wie die göttliche Kraft sie schützt, und wie sehr sie voranschreiten und Fortschritte machen in der Tugend, und wie sie ohne die Kraft Gottes machtlos sind gegenüber jedweder Leidenschaft. Gott tut das, damit sie aus all diesen negativen Erfahrungen echte Demut gewinnen, und damit sie sich Ihm nähern und auf seine sichere Hilfe warten und beten mit Geduld. Und wie sollen sie all das lernen, wenn nicht durch die Erfahrung der vielen Betrübnisse, die Gott zulässt? Auch wird der Glaube durch die Versuchungen fest, da man sich von der göttlichen Hilfe überzeugt, die man viele Male in seinem Kampf erfährt.
Die Kämpfer werden also versucht, damit sie ihren geistlichen Reichtum vergrößern, die Nachlässigen, damit sie sich in Acht nehmen vor dem, was für sie schädlich ist, die Schläfrigen, damit sie geweckt werden, die Entfernten, damit sie sich Gott nähern und die Freunde Gottes, damit sie mit Freimut in sein heiliges Haus eintreten können. Ein Sohn, der im Leben unerfahren ist, kann den Reichtum seines Vaters nicht verwalten und sich nicht damit helfen. Deswegen schickt Gott seinen Kindern am Anfang Schwierigkeiten und Leiden, und dann zeigt Er seine Geschenke. Gott sei Dank, der uns durch bittere Medikamente den Genuss der geistlichen Gesundheit schenkt.
Gibt es jemand, der sich keine Sorgen macht und der nicht müde wird während er turnt? Und gibt es jemand, dem die Zeit nicht bitter erscheint, während der er das Gift der Versuchungen und der Betrübnisse trinkt? Ohne also dass man dieses Stadium durchsteht, kann man nicht stark werden. Und die Geduld in den Versuchungen ist auch nicht unser eigen. Wie kann denn der Mensch, ein Tongefäß, das Wasser in sich halten, wenn ihn das göttliche Feuer nicht fest macht? Wenn wir unser Haupt beugen, dann wird uns Gott alles Gute und Nützliche geben, worum wir Ihn im Gebet in Demut, dauerndem Verlangen und mit Geduld bitten.
Wie die kleinen Kinder Angst vor erschreckenden Anblicken haben, zu ihren Eltern laufen, sich an deren Kleidern festklammern und ihre Hilfe suchen, so macht es auch die Seele: je bedrückter und bekümmerter sie aus Furcht vor den Versuchungen ist, desto mehr wendet sie sich an Gott und hängt an ihm, und sie bittet ihn in unermüdlichen Gebeten. Und je mehr die Versuchungen sie befallen, eine nach der anderen, desto mehr betet sie. Wenn die Versuchungen jedoch aufhören und sie wieder ihre Ruhe findet, dann verliert sie den Bezug zur Wirklichkeit und entfernt sich von Gott.
Die Betrübnisse und die Gefahren töten die Sinnlichkeit, während Zeiten des Wohlergehens und der Gleichgültigkeit sie nähren. Deswegen freuen sich sowohl Gott als auch die heiligen Engel in unseren Betrübnissen und Bedrängnissen, während der Teufel und seine Genossen sich freuen, wenn wir faul sind und es uns wohl sein lassen.
Überlasse also Gott die Sorge für dich, und in allen Schwierigkeiten klage dich selbst an, denn du selbst bist die Ursache von allem.
All die Leiden und Bedrängnisse quälen uns doppelt, wenn wir keine Geduld haben. Der geduldige Mensch vertreibt die Bitternis der Drangsal, während der Kleinmut die Verzweiflung der Hölle gebiert. Die Geduld ist die Mutter des Trostes; sie ist eine seelische Kraft, die aus einem weiten Herzen geboren wird. Es ist schwierig für den Menschen, diese Kraft während seiner Bedrängnisse zu finden, wenn er nicht die göttliche Gnade besitzt, die ihm durch das beständige Gebet und durch Tränen zuteil wird.