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römisch-katholisch => Predigten und Vorträge => Thema gestartet von: videre am 12. Mai 2012, 11:15:11

Titel: Freunde Jesu
Beitrag von: videre am 12. Mai 2012, 11:15:11

Freunde Jesu

"Hallo Kollege!"

"Hallo Kollege!" begrüßt ein Bekannter jeden Besucher. Wer ihn zum ersten Mal trifft, ist angetan: "Dieser Mensch nennt mich schon Kollege!". Doch wenn er mich fragt: "Wie geht's dem Kollegen", weiß ich nicht immer, nach wem er fragt. Meint er jemand aus dem Seelsorgeteam? Meint er jemand aus dem Freundeskreis? Denkt er an Menschen, mit denen ich in Vereinen zusammen bin? Meint er Frau oder Mann?

"Ihr seid meine Freunde"

Da hatten es die Jünger Jesu einfacher. Als Jünger kannten und erlebten sie sich schon lange. Sie wussten aus Erfahrung, dass Jesus sie immer wieder auf seinen Vater hinweist. Immer wieder erinnerte er sie an Seiten Gottes oder machte neue bekannt.

So geschah es auch im Abendmahlssaal:
            Der Vater hat mich geliebt.
            Diese Liebe habe ich an euch weitergegeben.
            Bleibt in meiner Liebe zum Vater.
            Dann geht es euch gut.
            Die Krönung ist eine Liebe, die das Leben kosten kann.
            Alles Leben von Euch für alle Zukunft der Menschen, die euch vertrauen.
            Kommt, macht dieses Programm mit!

            Ich traue es euch zu, denn ich habe euch dazu ausgesucht!

Die "Belohnung" dafür kam auch gleich: "Wenn Ihr so handelt, nenne ich Euch Freunde. Das ist das größte Lob, das ich Euch aussprechen kann. Denn ich setze Euch mit mir auf die gleiche Stufe."

Ich weiß gar nicht, wie ich wohl in der Situation reagiert hätte. Was wäre stärker? Der Stolz über das Ansinnen Jesu oder die Beklemmung vor den möglichen Konsequenzen? Bebt das Herz vor Freude oder vor Sorge, den Aufgaben nicht gerecht zu werden?

Für die Jünger war das entschieden. Als man das Evangelium aufschrieb, wussten alle: Die Jünger hatten sich auf den Weg Jesu eingelassen. Sie waren tatsächlich zu Freunden geworden, die im Sinne Jesu weiter handelten. Aus dem Nachhinein kann ich leichter über die Beklemmung lächeln, die mich vielleicht erwischt hat. Aber heute?
Jesu Einladung an die Jünger heißt ja auch: Verbindlich und für das ganze Leben. Das ist dieselbe Frage, wie sie vor der Ehe, dem Ordenseintritt oder der Weihe steht.

Gott ist Liebe

In diese Gedanken kommt auch der Text der Lesung aus dem 1. Johannesbrief: Gott ist Liebe - und er hat uns seine Liebe gezeigt. Das ist ganz auf der Linie des Evangeliums. Liebe Gottes zum Menschen - weil der Mensch so wertvoll ist. Es geht nicht darum, dass der Mensch es "verdient" hat - er ist nur so wichtig für Gott, dass ER die Liebe lebt.

Auch die Erfahrung der jungen Kirche hilft weiter. Täglich finden sich neue Menschen. Die Gemeinde wächst an Zahl und Kraft. Jedes neue Mitglied zeigt an: "Eure Botschaft über Gott hilft und trägt uns. Ihr seid überzeugend in der Art, in der ihr diesen Glauben verkündet!" In der Berufung des Kornelius kommen zwei Dinge dazu:
* Er lässt sich mit seinem ganzen Haus taufen
* Er findet den Weg zur Gemeinde von außerhalb des Judentums. Christentum darf sich öffnen.

Bin ich Freund Jesu?


Ich habe euch Freunde genannt - so sagte es Jesus zu seinen Jüngern. Und hier und heute? Gilt das Wort nicht auch für uns?
Traditioneller Kirchgang ist schon lange nicht mehr. Wir sind aus Überzeugung gekommen. Die Alternativen der Tagesgestaltung haben uns nicht erfüllt. Das ist schon mal etwas. Der Weg zu einem Leben für die Freunde hingeben ist weit. Aber die Zeit, die wir für andere einsetzen in dem, was wir ehrenamtlich tun?
Wenn ich den Eindruck habe, Jesus würde mich noch nicht Freund nennen, weil ich zu wenig tue, habe ich es in der Hand: Wo will ich mehr tun? Wo wird die Herausforderung mich hinführen? Werde ich so Freundin oder Freund Jesu?

"Ich habe euch Freunde genannt" sagte Jesus seinen Jüngern. "Ich darf Mama zu dir sagen" konnte jeder von uns zu seiner Mutter sagen. Sind nicht auch sie die gewesen, bei denen wir merkten:
- Sie setzen sich für uns ein, wenn wir es brauchen.
- Sie geben ihre Erfahrung mit Glauben weiter.
- Sie sind es, bei denen wir lernen, was das Wort Liebe bedeutet.

von Norbert Riebartsch