Forum ZDW

Verehrung - Heilige - Biographien => Heilige und Biographien => Thema gestartet von: Caelum am 02. Dezember 2019, 12:35:12

Titel: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 02. Dezember 2019, 12:35:12
DAS UNGENÜGEN DES ALTEN BUNDES

Johannes sagt, daß wir aus der Fülle Christi "eine Gnade für eine andere" empfangen haben (Joh 1,16). Diese Aussage führt uns zur Erkenntnis, daß wir aus seiner Fülle eine Gnade und statt ihrer eine andere empfangen haben. Es ist also zu überlegen, worin die erste Gnade besteht, für die wir die zweite empfangen haben, und worin diese neue Gnade selbst besteht.
Nach Chrysostomus ist die erste Gnade, die das ganze Menschengeschlecht empfangen hat, die Gnade des Alten Bundes gewesen, die mit dem Empfang des Gesetzes zusammenfiel... Es ist etwas Großes, daß den im Götzendienst gefangenen Menschen von Gott die Gebote gegeben wurden... Aber genügte denn diese erste Gnade? Ich antworte: Nein, denn durch das Gesetz erhält man nur die Erkenntnis der Sünde, nicht ihre Tilgung. Im Hebräerbrief 7,19 heißt es: "Niemanden hat das Gesetz zur Vollkommenheit geführt." Deshalb mußte eine neue Gnade kommen, um die Sünden zu tilgen und uns mit Gott zu versöhnen. Deshalb sagt der Evangelist: "Das Gesetz ist durch Moses gegeben, die Gnade aber und die Wahrheit ist durch Jesus Christus",... als durch den Herrn und Urheber der Wahrheit und Gnade.
Die Notwendigkeit der neuen Gnade beruht also auf dem Ungenügen des Gesetzes, das zwar zeigte, was man tun sollte, das aber zur Erfüllung seiner Vorschriften keine Hilfe bot. Deshalb wurde es der Anlaß zum Tode, und in diesem Sinne sagt Paulus, das Gesetz sei ein Diener des Todes gewesen: "Denn wenn schon der Dienst der Verdammung glänzend war, so ist der Dienst der Rechtfertigung von überwältigendem Glanze" (2 Kor 3,9). Das Gesetz versprach zwar die Hilfe der Gnade, aber es gab sie nicht, denn "es hat niemanden zur Vollkommenheit geführt" (Hebr 7,19). Das Gesetz war in seinen Opfern und heiligen Handlungen zwar ein Abbild der neuen Gnadenwirklichkeit, aber es brachte sie nicht zur offenen Erkenntnis. Und darum war es notwendig, daß Christus kam, der die Gnade hervorbrachte durch seinen Tod, durch den er die Sünde zunichte machte. Durch sein Sterben hat er uns die Gnade verdient, die uns hilft zur Erfüllung der Gebote Gottes. "Wir wissen ja, daß unser alter Mensch gekreuzigt wurde, damit... wir nicht mehr Sklaven der Sünde sind" (Röm 6,6). Christus hat zudem die schattenhaften Abbilder des Gesetzes zur Erfüllung gebracht, durch die Wirklichkeit ersetzt und die den Vätern gegebenen Verheißungen eingelöst. Er lehrte die der Welt verborgenen Wahrheit, wie es Johannes 18,37 heißt: "Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen"... Christus selbst ist durch seine Wesenheit die ungeschaffene Wahrheit, welche ewig ist, nicht geworden, sondern vom Vater gezeugt. Durch ihn aber sind geworden alle geschöpflichen Wahrheiten, die an der Ur-Wahrheit teilhaben und sie widerspiegeln, aufstrahlend in heiligen Seelen.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 02. Dezember 2019, 13:09:10
DIE VERSUCHUNGEN SIND PRÜFUNGEN DES MENSCHEN

Der Mensch wird versucht von der eigenen Sinnlichkeit, vom Teufel und von der Welt. Die Sinnlichkeit versucht ihn auf zweifache Art: Zunächst lockt sie an zum Bösen, denn sie erstrebt immer die eigene Lust, und darin ist oftmals Sündhaftes einbeschlossen. Denn wer in sinnlichen Freuden aufgeht, der setzt das Geistige zurück. Sodann versucht die Sinnlichkeit, indem sie uns vom Guten losreißt. Denn sich selbst überlassen, würde der Geist immer an den Geistesgütern Freude haben. Aber die Sinnlichkeit kommt und hindert den Geist. "Dem innern Gesetze nach habe ich zwar Freude am Gesetze Gottes. Aber ich nehme in meinen Gliedern ein anderes Gesetz wahr, das im Streite liegt mit dem Gesetze meines Geistes. Es macht mich zum Gefangenen unter dem Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern herrscht" (Röm 7,24 f.).
Diese Versuchung durch die Sinnlichkeit ist nun deshalb so gefahrvoll, weil unser Feind, die ungeordnete Sinnlichkeit, mit uns verbunden ist. Denn, sagt Boethius, keine Seuche ist so gefährlich wie ein mit uns vertrauter Feind. Daher muß man sich ihr gegenüber sehr in acht nehmen: "Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet" (Mt 26,41)...
Der Teufel heißt mit Nachdruck "der Versucher" schlechthin (1 Thess 3,5). Mit größter Verschlagenheit geht er bei der Versuchung zu Werke. Wie ein guter Feldherr bei der Belagerung einer Festung, so späht er die schwachen Stellen des Gegners aus. Wo der Mensch am schwächsten ist, da versucht er ihn. Und so versucht er den Menschen gerade in den Sünden, zu denen er eine besonders starke Neigung hat. Hat jemand die Sinnlichkeit bereits bezwungen, dann versucht er ihn zum Zorn, zum Stolz und zu anderen Geistessünden. Dabei geht der Störenfried auf doppelte Weise vor: Er stellt dem Menschen nicht sofort etwas offenbar Böses, sondern anfänglich etwas scheinbar Gutes vor Augen. So will er ihn im Anfang wenigstens etwas von seinem guten Vorsatz abbringen. Denn wenn er den Menschen erst durch etwas aus der Ordnung gebracht hat, kann er ihn leichter zur Sünde verführen. "Der Widersacher selbst verwandelt sich in einen Lichtengel" (2 Kor 11,14). Nachdem er dann den Menschen zur Sünde verführt hat, verstrickt er ihn darin, um das Auferstehen von der Sünde zu vereiteln. Und somit hat es der Störenfried auf zweierlei abgesehen: Er täuscht den Menschen, und den Getäuschten hält er in der Sünde gefangen.
Die Welt schließlich versucht uns auf zweifache Art: erstens durch ein übergroßes und maßloses Verlangen nach irdischen Gütern; zweitens durch die Gewalttätigkeiten der Verfolger und Tyrannen. "Alle, die in Christus Jesus fromm leben wollen, müssen Verfolgung leiden" (2 Tim 3,12). "Fürchtet euch nicht vor denen, welche den Leib töten" (Mt 10,28). So ist also klar, was Versuchung ist, und wie der Mensch aus ihr befreit wird. Dabei muß man bedenken, daß Christus uns nicht beten lehrt, daß wir überhaupt nicht versucht werden mögen, sondern: daß wir nicht in Versuchung zu Fall kommen. Denn wenn der Mensch die Versuchung besiegt, dann erwirbt er sich die Krone. Darum sagt die Schrift: "Haltet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Prüfungen geratet!" (Jak 1,2).
     Erläuterung zum Vaterunser: "Und führe uns nicht in Versuchung"
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 03. Dezember 2019, 10:49:32
WIR SIND SEIN LEIB

Auf Grund ihrer Ähnlichkeit mit dem natürlichen Menschenleib bezeichnet man die Gesamtkirche als einen mystischen Leib. Denn in diesem wie in jenem haben die verschiedenen Glieder auch verschiedene Aufgaben (Röm 12,4 f.; 1 Kor 12,12 ff.) In demselben Sinne heißt nun auch Christus das Haupt der Kirche auf Grund der Ähnlichkeit mit dem natürlichen Haupte. Dabei läßt sich ein Dreifaches hervorheben: die Stellung des Hauptes, seine Vollkommenheit und seine Kraft:
Seine Stellung: Das Haupt ist der erste und höchste Teil des Menschenleibes. Aus diesem Grunde pflegt man auch allgemein das Erste als Haupt zu bezeichnen...
Seine Vollkommenheit: Im Haupte leben und weben alle inneren und äußeren Sinne, während in den übrigen Gliedern nur der Tastsinn vorhanden ist...
Seine Kraft: Wegen der im Haupte herrschenden belebenden und bewegenden Kraft gehen vom Haupte Kraft und Bewegung der Einzelglieder aus sowie die Lenkung ihrer Betätigung. Daher bezeichnet man auch den Lenker eines Volkes als sein Haupt...
Diese drei Dinge kommen Christus im geistigen Sinne zu: Erstens ist kraft seiner Gottverbundenheit seine Gnade die höchste und - wenn auch nicht zeitlich - die erste. Denn alle anderen Menschen empfingen ihre Gnade im Hinblick auf seine Gnade. Das lehrt der Römerbrief (8,24): "Die er vorhererkannt, die hat er auch vorherbestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu werden. Er sollte der Erstgeborene unter vielen Brüdern sein."
Zweitens: Die Vollkommenheit hatte Christus in seiner Fülle aller Gnaden, von der Johannes (1,14) sagt: "Wir sahen ihn, voll der Gnade und Wahrheit."
Drittens: Er besitzt die Kraft, seine Gnade in alle Glieder der Kirche einströmen zu lassen. Johannes sagt: "Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen" (Joh 1,16).
Und so wird es klar, daß wir Christus mit Recht das Haupt der Kirche nennen.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 03. Dezember 2019, 11:07:55
CHRISTUS DAS HAUPT ALLER MENSCHEN

Zwischen den natürlichen Menschenleib und dem mystischen Leib der Kirche besteht folgender Unterschied: Dem natürlichen Leibe gehören alle Glieder gleichzeitig an, dem mystischen Leibe jedoch nicht. Das gilt zunächst von der Kirche in ihrem natürlichen Dasein, denn darin wird ihr Leib aus den Menschen aller Zeiten gebildet, die vom Anfang der Welt bis zu ihrem Ende jemals leben. Dasselbe gilt aber auch von ihrem übernatürlichen Sein, weil sich in der Kirche jederzeit solche befinden, die das Leben der Gnade noch entbehren, es aber später erhalten werden, während gleichzeitig andere schon in der Gnade leben. Somit kann man als Glieder des mystischen Leibes nicht nur die bezeichnen, die ihm tatsächlich angehören, sondern auch die, welche nur der Möglichkeit nach seine Glieder sind. Von diesen werden manche niemals dem Leibe wirklich eingegliedert, andere dagegen werden zu ihrer Zeit zu seinen lebendigen Gliedern, und zwar in drei verschiedenen Stufen: durch den Glauben, durch die Liebe hier auf Erden, durch die selige Gottesschau im Himmel.
Daraus ergibt sich folgendes: Christus ist ganz allgemein und für alle Zeiten das Haupt aller Menschen, aber in verschiedenen Graden. In erster Lienie und hauptsächlich ist er das Haupt derer, die ihm durch die Herrlichkeit der Gottschau wirklich vereinigt sind; zweitens derer, die ihm durch die Liebe wirklich vereint sind; drittens derer, die ihm durch den Glauben wirklich vereint sind; viertens derer, die ihm nur der Möglichkeit nach verbunden sind, einer Möglichkeit, die zwar noch nicht Wirklichkeit ward, aber doch werden soll nach göttlicher Vorherbestimmung; fünftens ist er auch das Haupt derer, die ihm verbunden sind einer Möglichkeit nach, die niemals verwirklicht wird. Das sind die Menschen, die in dieser Welt leben, doch nicht für die Seligkeit vorherbestimmt sind. Sobald sie aber aus dieser Welt abscheiden, hören sie ganz und gar auf, Glieder Christi zu sein, weil sie dann jede Möglichkeit verlieren, mit Christus vereint zu werden.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 03. Dezember 2019, 11:19:59
LEBENDIGE UND TOTE GLIEDER DER KIRCHE

Bei Paulus lesen wir: "Christus hat... sich für die Kirche dahingegeben..., damit er sich eine Kirche bereite, strahlend rein, ohne Flecken, ohne Runzeln oder sonst etwas dieser Art" (Eph 5,25 ff.).
Diese herrliche Kirche, die keine Makel und Runzel hat, ist das Endziel, zu dem wir durch Christi Leiden hingeführt werden. Dieses Ziel besteht aber erst im Leben der Heimat, nicht im Leben der Pilgerschaft, von dem Johannes schreibt: "Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selst" (1 Joh 1,8). Von todbringenden, schweren Sünden sind allerdings die Glieder frei, die Christus durch die Liebe wirklich vereinigt sind. Die jedoch solch schwere Sünden auf sich geladen, die sind nicht in Wirklichkeit, sondern nur der Möglichkeit nach Glieder Christi. Man könnte sie wohl auch unvollendete Glieder Christi nennen, weil sie noch durch den toten Glauben mit Christus verbunden sind. Dieser Glaube verbindet sie nur in etwa, nicht schlechthin mit Christus und gibt ihnen keinen Anteil an Christi Gnadenleben. Denn "der Glaube ohne Werke ist tot" (Jak 2,20). Und doch empfangen auch diese Menschen von Christus noch eine Art Fünklein Leben, das im Glauben besteht. Es ist wie bei einem abgestorbenen Gliede, das immer noch ein wenig vom Menschen bewegt werden kann.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 03. Dezember 2019, 15:43:35
cHRISTUS HAT DEN APOSTEL PETRUS ZUM SICHTBAREN HAUPT SEINER KIRCHE BESTELLT

"Er fragte sie: 'Ihr aber, für wen haltet ihr mich?' Simon Petrus gab zur Antwort: 'Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.' Da sprach Jesus zu ihm: 'Selig bist du, Simon, Sohn des Jonas! Denn nicht Fleisch und Blut hat dir das geoffenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist. Und so sage ich dir: Du bist Petrus, auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen'" (Mt 16,15 ff.).
Damit gibt der Herr dem Petrus eine Belohnung für sein Bekenntnis. Petrus hatte für seine Menschheit und für seine Gottheit Zeugnis abgelegt, und dafür belohnt ihn nun der Herr. Er gibt ihm zunächst einen Namen und dann eine Vollmacht. Und nach der Namengebung erschließt er sogleich den Sinn dieses Namens: (Du bist Petrus, das heißt Fels,) "und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen". Dazu war er ja in diese Welt gekommen, um die Kirche zu gründen: "Schon gründe ich in Sions Fundamente einen erprobten und kostbaren Eckstein, der sicher ruht auf festem Grunde" (Is 28,16)... Das Besondere eines Felsens liegt darin, daß er zum Fundament gelegt wird, und daß er ferner (dem Bau) Festigkeit verleiht. Man denke an das Gleichnis von "dem klugen Mann, der sein Haus auf Felsengrund baute" (Mt 7,24)...

"Auf diesem Felsen", das heißt: auf dir als dem Felsen. Und wie ich selbst Fels bin, so werde ich über dir als dem Felsen meine Kirche bauen. Aber wie? Ist denn Christus oder ist Petrus das Fundament? Die Antwort muß lauten: Christus ist es an sich, Petrus ist es, weil er die Anerkennung Christi besitzt und sein Stellvertreter ist. So heißt es auch im Epheserbrief (2,20): "Ihr seid auf dem Fundament der Apostel und Propheten aufgebaut, und Jesus Christus selbst ist der Eckstein." Und die geheime Offenbarung (21,14) sagt: "Die Stadt hatte zwölf Fundamente, auf denen die zwölf Namen der Apostel und der Name des Lammes standen." Christus also ist das Fundament, die Apostel aber nicht an sich, sondern kraft der ihnen von Christus übertragenen Vollmacht. Der Psalm sagt: "Ihre Fundamente liegen auf heiligen Bergen" (Ps 86,1). Ganz besonders gilt von dem Haus des Petrus, daß es niemals zerstört werden wird. Man denke an das oben angeführte Gleichnis (Mt 7,24). Und somit kann man wohl dagegen anstürmen, man kann es aber nicht erstürmen.

"Und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen" (Mt 16,18). Bei Jeremias (1,19) heißt es: "Sie werden gegen dich ankämpfen, aber dich nicht überwältigen." Und wer sind die Pforten der Hölle? Das sind die Irrlehrer, denn wie man durch die Tür in das Haus eintritt, so geht man durch diese in die Hölle ein. Das sind ferner die Tyrannen, die Teufel und die Sünden.

Und wenn man auch anderen Kirchen Vorwürfe machen könnte um der Irrlehrer willen, so ist doch die Römische Kirche niemals durch Irrlehren entstellt worden, weil sie auf dem Felsen festgegründet war. So standen Irrlehrer in Konstantinopel auf, und die Arbeit der Apostel war verloren, allein die Kirche Petri blieb unversehrt. Deshalb heißt es auch bei Lukas (22,32): 'Ich habe für dich gebetet, Petrus, daß dein Glaube nicht wanke." Das gilt nicht nur von der Kirche des Petrus, sondern auch vom Glauben des Petrus und von der ganzen abendländischen Kirche. Deshalb bin ich auch überzeugt, daß die Abendländer dem Petrus eine größere Ehrfurcht schulden als den anderen Aposteln.

"Und dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben" (Mt 16,19). Das ist die zweite Gabe, die Christus in seiner Menschheit dem Petrus verliehen hat. Denn er hat deshalb seine Kirche auf Erden gegründet und Petrus zu seinem Stellvertreter eingesetzt, um uns in den Himmel zu führen. "So haben wir denn kraft des Blutes Christi zuversichtliche Hoffnung auf den Eintritt in das Allerheiligste" (Hebr 10,19). Christus hat aber den Petrus als seinen Stellvertreter eingesetzt und gab ihm das Amt, in den Himmel zu führen, und deshalb verlieh er (ihm) die Schlüsselgewalt. Denn der Schlüssel führt hinein, und somit hat Petrus das Amt, hineinzuführen. Ein Doppeltes tut der Herr: Erst überträgt er die Schlüssel, und dann lehrt er ihren Gebrauch: "Was immer du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein." Man muß darauf achten, was die Schlüssel bedeuten. Ein verschlossenes Haus verhindert den Eintritt; der Schlüssel schiebt jedoch den Riegel zurück. Das Himmelreich hatte auch Riegel, aber nicht von seiner Seite aus: "Ich sah: und siehr, eine Tür war aufgetan" (Offb 4,1). Das Hinternis lag vielmehr auf unserer Seite und bestand in der Sünde, denn "nicht Unreines darf darin eingehen" (Offb 21,27). Diese Hinternisse hat Christus durch sein Leiden hinweggeräumt, denn "er hat uns von unseren Sünden durch sein Blut erlöst" (Offb 1,5). Und dieses Leiden hat er mitgeteilt, daß durch den Dienst (der Kirche) die Sünden nachgelassen würden, was durch die Kraft des Blutes Christi wirklich geschieht. Deshalb haben die Sakramente ihre Wirksamkeit aus der Kraft des Blutes Christi...

Der Herr sagt: "Die will ich geben", weil die Schlüssel noch nicht hergestellt waren. Man kann aber etwas nicht eher schenken, als es da ist. Sie sollten erst hergestellt werden in seinem Leiden, und darum war ihre Wirksamkeit im Leiden begründet. Deshalb hat sie der Herr hier versprochen, aber nach seinem Leiden tatsächlich überreicht, als er sprach: "Weide meine Schafe" (Joh 21,17).
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: amos am 04. Dezember 2019, 13:59:54
 Lieber Caelum, mit Deiner Beitragsreihe "Thomas von Aquin, machst Du mir eine sehr große Freude! Herzlichen Dank dafür!

In meinen Sturm- und Drangjahren hatte ich auch damals  schon "Thomas von Aquin" in meiner Tasche. Er war für mich eine große Orientierungshilfe, auch wenn ich ihn nicht immer ganz richtig verstanden habe.
Ich war auf der großen Suche nach meiner Verwirklichung in Gott. Hierbei war mir auch "Augustinus" sehr behilflich.
Meine Seele nahm alles wohlwollend, in Freuden, ja manchmal auch sehr beglückend auf -
Jedoch stand meine menschliche Natur, mir manchmal mehr als mir lieb war, im
Wege! Der "Rheinländer" kam bei mir immer wieder durch!
Der Heilige Geist zeigte mir durch seine Gnadengaben den richtigen Weg; ich jedoch bin ihm leider nicht immer in der richtigen Richtung gefolgt.
Herr, erbarme dich meiner -

Es grüßt Dich herzlich und wünscht Dir Gottes Segen, amos
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 05. Dezember 2019, 16:12:00
Lieber amos, das freut mich, dass ich dir eine Freude damit mache.
Dieses alte Buch von Thomas von Aquin ist verständlich geschrieben, was man von so manch anderer Schrift von ihm nicht sagen kann.

Amos, für Gott ist das JETZT wichtig. Ich mußte auch erst über 40 Jahre alt werden, um dann - Gott seis gedankt - umzukehren.

Herzliche Grüße und Gottes reichen Segen!
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 05. Dezember 2019, 16:42:00
DER PRIMAT ALS GRUNDLAGE DER KIRCHLICHEN EINHEIT

Zur Einheit der Kirche ist es erforderlich, daß alle Gläubigen im Glauben übereinstimmen. In dem gesamten Glaubensbereich kommt es aber manchmal vor, daß Fragen aufgeworfen werden. Nun würde die Kirche durch die Verschiedenheit der Meinungen zerteilt werden, wenn sie nicht durch den Lehrentscheid eines Einzigen in der Einheit bewahrt würde. Zur Erhaltung der Einheit der Kirche ist es also erforderlich, daß einer da ist, der der Gesamtkirche vorsteht. Nun liegt es doch auf der Hand, daß Christus seine Kirche, die er geliebt und für die er sein Blut vergossen hat, nicht im Stich gelassen hat in dem was notwendig ist. Sagt doch der Herr sogar von der alttestamentlichen Kirche: "Was hätte ich noch für meinen Weinberg tun können und habe es nicht getan? (Is 5,4). Es läßt sich also nicht anzweifeln, daß auf Grund der Anordnung Christi ein Einziger der Gesamtkirche vorsteht.

Zudem darf niemand daran zweifeln, daß die Leitung der Kirche aufs beste geordnet ist, weil sie ja durch den begründet ist, "durch den die Könige herrschen und die Gesetzgeber das Rechte bestimmen" (Spr 8,15). Die beste Leitung einer Vielheit besteht aber darin, daß sie von einem Einzigen regiert wird; und das ergibt sich offensichtlich aus dem Endziel der Regierung, welches der Friede ist. Denn Friede und Einheit der Untergebenen sind das Endziel des Regenten. Nun ist einer doch ein passenderer Urgrund für die Einheit als viele. Es ist also offenbar, daß die Leitung der Kirche so grundgelegt ist, daß Einer der Gesamtkirche vorsteht...

Wenn aber jemand entgegnen wollte, daß Christus das eine Haupt und der eine Hirt ist, welcher ja der eine Bräutigam der einen Kirche ist, dann würde seine Antwort nicht ausreichen. Denn es ist doch offenbar, daß Christus selbst alle Sakramente der Kirche vollzieht. Er ist es nämlich, der tauft, und Er ist es, der die Sünden vergibt. Er ist der wahre Priester, der sich dargebracht hat auf dem Altare des Kreuzes, und durch dessen Kraft sein Leib täglich auf dem Altare geweiht wird. Und doch hat Er, weil Er nicht in Leibhafter Gegenwart mit allen Gläubigen zusammensein sollte, sich Verwalter erwählt, durch die er die genannten (Sakramente und Lehren) den Gläubigen austeilen wollte, wie oben dargelegt wurde. Somit mußte er auch aus demselben Grunde, weil er seine leibhafte Gegenwart der Kirche entziehen wollte, irgendeinen beauftragen, daß er an seiner Statt die Sorge für die Gesamtkirche trage. Und so sind seine Worte zu verstehen, die er an Petrus richtete vor der Himmelfahrt: "Weide meine Schafe" (Joh 21, 17) und vor seinem Leiden: "Und du, wenn du dich bekehrt hast, stärke deine Brüder" (Lk 22,32). Und ihm allein hat er versprochen: "Dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben" (Mt 16,19), damit offenbar werde, daß die Gewalt der Schlüssel durch ihn auf andere übertragen werden soll zur Einhaltung der Einheit der Kirche.

Man kann aber nicht sagen, daß diese Würde zwar von Christus dem Petrus gegeben sei, aber doch nicht auf andere übertragen werde. Denn es ist offenbar, daß Christus die Kirche so eingerichtet hat, daß sie bis zum Ende der Weltzeit fortbestehen soll, wie Isaias sagt: "Auf dem Throne Davids und über seinem Königreiche wird er sitzen, auf daß er es stärke und kräftige durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit" (Is 9,7). Daraus folgt offensichtlich, daß er die, welche damals im Dienste waren, so eingesetzt hat, daß ihre Vollmacht auf die Nachfolger übertragen würde, zum Nutzen der Kirche bis zum Ende der Weltzeit, zumal der Herr selbst sagt: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28,20).
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 06. Dezember 2019, 08:02:24
DIE EINHEIT DES KIRCHLICHEN LEHRAMTES

Das Glaubensbekenntnis neu zu fassen, ist dann notwendig, wenn neu entstandene Irrtümer zu überwinden sind. Diese Verkündigung des Glaubensbekenntnisses steht kraft seines Amtes dem zu, der die Vollmacht hat, endgültig zu bestimmen, was zum Glauben gehört, so daß es von allen mit unerschütterlichem Glauben festgehalten werden muß. Das gehört aber zur Vollmacht des Papstes, dem die wichtigeren und schwierigeren Fragen der Kirche vorzulegen sind, wie es in den Dekretalen heißt (Extra de baptismo cap. Majores). Deshalb hat auch der Herr zu Petrus gesagt: "Ich habe für dich gebetet, Petrus, daß dein Glaube nicht wanke. Dafür stütze und stärke du dereinst deine Brüder" (Lk 22,32).

Der Grund dafür ist: Die ganze Kirche muß einen Glauben haben, wie der erste Korintherbrief mahnt: "Seid alle einig! Laßt keine Spaltungen unter euch aufkommen! Seid eines Sinnes, einer Meinung!" (1 Kor 1,10). Das kann nur bewahrt werden, wenn eine neu entstandene Glaubensfrage durch den Vorsteher der Gesamtkirche entschieden wird, dessen Urteil darum von der ganzen Kirche mit fester Zustimmung angenommen werden muß. Deshalb steht eine Neuausgabe des Glaubensbekenntnisses kraft seines Amtes nur dem Papste zu, und das gilt auch von allen anderen Angelegenheiten der Gesamtkirche, wie zum Beispiel von der Einberufung eines allgemeinen Konzils.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 09. Dezember 2019, 07:24:55
DIE BISCHÖFE ALS NACHFOLGER DER APOSTEL

Nur die zwölf Auserwählten haben von Christus die Sendung empfangen: "Er rief seine Jünger zu sich und wählte zwölf von ihnen aus, die er Apostel nannte" (Lk 6,13). Die anderen Jünger haben nicht diese ursprüngliche, sondern nur eine untergeordnete Sendung. Deshalb sind den Aposteln die Bischöfe nachgefolgt, welchen die besondere Sorge für die Herde des Herrn anvertraut ist. Die übrigen Priester sind jedoch den zweiundsiebzig Jüngern nachgefolgt und vollbringen die ihnen von den Bischöfen zugewiesenen Aufgaben.

Obwohl allen Aposteln gemeinsam die Löse- und Bindegewalt übertragen wurde, so ward sie doch zuerst nur dem Petrus verliehen, damit eine bestimmte Ordnung in dieser Gewalt deutlich werde. Dadurch sollte nämlich die Tatsache zum Ausdruck kommen, daß von Petrus diese Gewalt auf die anderen herabsteigen sollte, und deshalb sagte der Herr zu ihm allein: "Stütze und stärke du dereinst deine Brüder" (Lk 22,32), und: "Weide du meine Schafe", das heißt: statt meiner. Dazu bemerkt Chrysostomus: "Sei du der Vorgesetzte und das Haupt deiner Brüder, auf daß sie sich statt meiner annehmen und dich auf deinem Throne überall auf Erden verkünden und festigen."

Denn da die ganze Kirche ein Leib ist, muß zur Erhaltung dieser Einheit eine bestimmte Regierungsgewalt für die Gesamtkirche da sein, die noch über der die Einzelkirche leitenden bischöflichen Gewalt steht: Und das ist die Vollmacht des Papstes. Deshalb werden die Leugner dieser Vollmacht als Kirchenspalter bezeichnet, da sie gleichsam die Einheit der Kirche zerspalten.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 09. Dezember 2019, 08:21:49
DER BISCHOF IST STELLVERTRETER CHRISTI UND SICHTBARES HAUPT SEINES BISTUMS

Wie die Vollkommenheiten aller Dinge urbildlich in Gott vorher existieren, so ist Christus das Urbild der kirchlichen Ämter. Und deshalb stellt jeder Diener der Kirche irgendwelche Züge des Bildes Christi dar... Der hat jedoch einen höheren Rang, der Christus in größerer Vollkommenheit darstellt. Nun stellt der Priester Christus dar als den, der in eigener Person einen bestimmten Auftrag erfüllt hat; während ihn der Bischof darstellt als den, der andere zu Dienern eingesetzt und die Kirche gegründet hat. Somit steht es auch dem Bischof zu, für die göttlichen Dienstleistungen die Hand aufzulegen, als einer, der Begründer des göttlichen Kultes ist nach dem Vorbild Jesu Chrsiti. Deshalb heißt der Bischof auch in besonderer Weise der Bräutigam der Kirche, wie Jesus Christus.

Der Bischofsring ist ein Sinnbild der Geheimnisse des Glaubens, durch den die Kirche Christus bräutlich vermählt ist. Als Christi Stellvertreter ist ja der Bischof der Kirche angetraut. Der Erzbischof trägt außerdem das Pallium als Zeichen jener goldenen Kette, die man den rechtschaffenen Kämpfern nach altem Brauch auf die Schultern legte.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 09. Dezember 2019, 09:40:24
DIE EINHEIT DER KIRCHE

Paulus schreibt an die Epheser (4,4): "Bestrebt euch, die Einheit im Geiste durch das Band des Friedens zu bewahren. Es ist ein Leib und ein Geist, wie auch eure Berufung euch eine Hoffnung gegeben hat." Der Apostel spricht hier von der Einheit der Kirche nach Art der Einheit eines menschlichen Leibes. Mit den Worten: "Es ist ein Leib", will er gleichsam sagen: Bleibt verbunden durch das Band des Friedens, damit ihr ein Leib seid..., damit alle Gläubigen in gegenseitiger Hinordnung leben, wie die Glieder, die einen Leib bilden. "Denn wie wir an dem einen Leibe viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder den gleichen Dienst verrichten, so bilden wir viele zusammen einen Leib in Christus, einzeln aber sind wir Glieder untereinander" (Röm 12,4).

"Und ein Geist...", das heißt: Ihr sollt kraft der Glaubens- und Liebeseinheit eine geistige Einstimmung besitzen... Dann erklärt Paulus den Sinn dieser Einheit mit den Worten: "wie auch eure Berufung euch eine Hoffnung gegeben hat"... Damit sagt er: Weil ihr zu dem einen Ziele des ewigen Lebens berufen seid, deshalb müßt ihr mit der Geisteseinheit in der einen Hoffnung wandeln, die euch eure Berufung gegeben hat, das heißt: auf das eine Hoffnungsziel hin, zu dem eure Berufung euch hinführt... "Der Gott der Gnade aber, der euch durch Jesus Christus zu seiner ewigen Herrlichkeit berufen hat, wird euch, die ihr kurze Zeit zu leiden habt, ausrüsten, stärken, kräftigen und befestigen. Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen" (1 Petr 5,10 f.)...

"Ein Herr, Ein Glaube, Eine Taufe, Ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen" (Eph 4,5 f.). Nachdem er sie ermahnt hat, die kirchliche Einheit zu bewahren, legt Paulus den Ephesern das Wesen dieser Einheit dar. Man muß dabei bedenken, daß die Kirche kraft ihrer Ähnlichkeit mit einem bürgerlichen Gemeinwesen eine unterschiedliche Einheit darstellt. Denn sie ist sozusagen nicht eine einfache, sondern eine aus verschiedenen Teilen zusammengesetzte Einheit...
Damit ein bürgerliches Gemeinwesen einheitlich sei, muß eine vierfache Gemeinsamkeit dasein, nämlich: ein Lenker, ein Gesetz, dieselben Kennzeichen und die gleiche Zielsetzung. Diese vier Stücke finden sich nach Paulus in der Kirche. Deshalb sagt er: Ihr müßt einen Leib und einen Geist haben, weil ihr in der Einheit der Kirche seid, die eine einige ist aus folgenden Gründen:
Erstens: Sie hat einen Herrscher, nämlich Christus. Und in diesem Sinne sagt Paulus: Es ist nur "Ein Herr", nicht mehrere, deren verschiedenartiges Wollen euch auseinanderbringen müßte. Heißt es doch: "Christus steht als Sohn über seinem Hause" (Hebr 3,6). "So erkenne denn das ganze Haus Israel mit Sicherheit: Eben den Jesus, den ihr ans Kreuz geschlagen habt, hat Gott zum Herrn und zum gesalbten gemacht" (Apg 2,36). "Wir haben nur einen Herrn: Jesus Christus, (durch den alle Dinge und auch wir das Dasein haben") (1 Kor 8,6). "An jenem Tage ist der Herr der Einzige, und 'der Einzige' ist sein Name" (Zach 14,9).

Zweitens: Die Kirche hat nur ein Gesetz, denn das Gesetz der Kirche ist das Gesetz des Glaubens. "Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen! Durch welches Gesetz? Durch das der Werke? Nein, durch das Gesetz des Glaubens" (Röm 3,27). Einerseits versteht man unter dem Glauben unsere Glaubenswahrheiten, so wenn man sagt: "Das ist der katholische Glaube, und niemand kann selig werden, der ihn nicht gläubiger Zustimmung festhält" (Athanasianisches Glaubensbekenntnis). Glaube heißt hier das, was man glauben muß. Andererseits versteht man darunter auch die Glaubenshaltung, mit der man im Herzen glaubt. Und für beide Bedeutungen gilt die zuvor angeführte Behauptung. Bei der ersten ergibt sich folgender Sinn: Der Glaube ist einer, das heißt: Ihr müßt dasselbe glauben und in gleicher Weise tätig sein, denn ein und dasselbe glauben alle Gläubigen. Deshalb heißt die Kirche auch die allumfassende oder die katholische. Und so steht auch im ersten Korintherbrief (1,10): "Ihr sollt alle dasselbe sagen", das heißt: dasselbe glauben. In der anderen Bedeutung handelt es sich um den einen Glauben, das heißt die eine Glaubenshaltung, mit der man glaubt. Ich meine nicht einen zahlenmäßig, sondern der Artgleichheit nach einzigen Glauben, weil derselbe in aller Herzen sein muß. So spricht man ja auch von einem Willen bei denjenigen, die dasselbe wollen.

Drittens: Die Kennzeichen der Kirche sind (für alle) dieselben. Das sind die Sakramente Christi, unter denen die Taufe an erster Stelle steht als die Tür zu allen anderen Sakramenten. Und deshalb sagt Paulus: "Eine Taufe." Ein Einiges heißt sie aus einem dreifachen Grunde: Zunächst sind die Taufen nicht nach ihren Spendern verschieden, weil sie eine gleichartiges Wirkung hervorbringen, gleichgültig, wer sie spendet. Denn der innerliche Taufspender ist ein und derselbe, nämlich Christus: "Auf wen du den Geist herabsteigen und über wem du ihn schweben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geiste tauft" (Joh 1,33). Sodann heißt die Taufe ein Einiges, weil sie im Namen der Dreieinigkeit gespendet wird: "Taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" (Mt 28,19). Schließlich auch deshalb, weil sie nicht wiederholt werden kann. Buße, Ehe, Eucharistie und Letzte Ölung können zwar mehrmals empfangen werden, nicht aber die Taufe. "Denn wer einmal (durch die Taufe) erleuchtet war, die Himmelsgabe genossen und den Heiligen Geist empfangen, wer das herrliche Gotteswort und die Kräfte der künftigen Welt gekostet hat und dann abgefallen ist, läßt sich unmöglich wieder zur Umkehr bringen" (Hebr 6,4 ff.). Die Taufe wird nicht wiederholt wegen des bleibenden Males, und weil ihre Ursache nicht wiederholt wird, denn wir sind durch die Taufe auf den Tod mit ihm begraben... ("Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, auch an seinem Leben teilzunehmen. Wissen wir doch, daß Christus, von den Toten auferstanden, nicht wieder stirbt. Der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Mit seinem Tode ist er ein für allemal tot für die Sünde, mit seinem Leben aber lebt er nur für Gott. So betrachtet auch ihr euch als solche, die tot sind für die Sünde, die aber leben für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn") (Röm 6,4-11)...

Viertens: Die Kirche hat ein und daselbe Ziel, nämlich Gott. Der Sohn führt uns ja zum Vater: "Dann kommt das Ende, wenn er seine Königsherrschaft Gott dem Vater übergibt, nachdem er zuvor alle Herrschaft, Macht und Gewalt zunichte gemacht hat. Er muß ja herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. Als letzter Feind wird der Tod vernichtet (1 Kor 15,24 ff.). Und in diesem Sinne sagt Paulus: "Ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allem" (Eph 4,6).
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 10. Dezember 2019, 07:29:54
DIE KATHOLISCHE KIRCHE

Der christliche Glaube kann als katholischer bezeichnet werden zunächst im Hinblick auf seine Bekenner. Denn der Apostel Paulus bezeugt, daß der Glaube der wahre sei, auf den schon das Gesetz und die Propheten hingewiesen hätten (Röm 3,21). Da zur Zeit der Propheten die verschiedenen Völker auch verschiedenen Götterkulten sich hingaben und nur das Volk Israel dem wahren Gott die schuldige Verehrung erwies, bestand damals keine allumfassende Religion. Deshalb hat der Heilige Geist durch den Mund der Propheten vorausgesagt, daß der Kult des wahren Gottes von allen angenommen werden sollte: "Jedes Knie wird sich beugen vor mir, und jede Zunge wird mir huldigen" (Is 45,24). Das geht in Erfüllung in unserem Glauben, in der christlichen Religion, die deshalb mit Recht die katholische heißt, weil sie von den Menschen aller Stände und Länder angenommen ist. Und deshalb heißen die, welche von diesem Glauben, von dieser allgemein verheißenen und angenommenen Religion zu irgendwelchen Sondermeinungen abgefallen sind, nicht mehr Katholiken, sondern Abgespaltene, gleichsam von der Gemeinschaft Abgetrennte.

Aber auch im Hinblick auf die Glaubenslehren offenbart sich im christlichen Glauben die katholische Wahrheit. Denn im Altertum gab es verschiedene Künste und Lebenswege, mit denen man für die verschiedenen Bedürfnisse der Menschen Vorsorge traf oder doch zu treffen glaubte. So suchten einige das Wohl des Menschen nur im Körperlichen, im Reichtum, im Ruhme oder in der Lust. Andere dagegen sahen das Gut des Menschen nur in den Gütern der Seele, so in den sittlichen oder in der geistigen Tugenden. Augustinus berichtet im "Gottesstaat", daß manche der Ansicht waren, man habe die Götter zu verehren um der leiblichen Lebensgüter willen, wogegen andere meinten: um jener Güter willen, die nach diesem Leben kommen. Porphyrius behauptete ferner, daß die Seele durch bestimmte heidnische Sühneriten in ihrer Einbildungskraft, also nicht vollständig, gereinigt werde. Er lehrte ferner, wie Augustinus im zehnten Buche des "Gottesstaates" berichtet, daß noch kein Glaube Aufnahme gefunden habe, der einen allumfassenden Weg für die Befreiung der Seele enthielte.

Das aber ist, wie Augustinus daselbst lehrt, die christliche Religion. Denn sie lehrt, daß Gott nicht nur um der ewigen, sondern auch um seiner zeitlichen Wohltaten willen verehrt werden muß. Sie führt den Menschen nicht nur im Geistesleben, sondern auch im Gebrauch der sichtbaren Weltdinge. Sie verheißt die Glücksgeborgenheit für die Seele und für den Leib. Und deshalb heißen ihre Vorschriften allumfassend, weil sie das ganze Menschenleben und alles, was irgendwie dazugehört, einbegreifen und in die rechte Ordnung bringen.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 10. Dezember 2019, 07:56:32
DIE APOSTOLISCHE KIRCHE

"Ihr seid auf dem Fundament der Apostel und Propheten aufgebaut, und Jesus Christus selbst ist der Eckstein. In ihm ist der ganze Bau fest zusammengefügt und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn empor" (Eph 2,20 f.).
Es ist bedeutsam, daß die Apostel als Fundamente bezeichnet werden. "Seine Fundamente liegen auf heiligen Bergen" (Ps 86,2). "Deinen Grund will ich legen auf Saphirsteine", das heißt: auf himmlische Männer (Is 54,11). Ausdrücklich heißen die Apostel "Fundamente" in der Geheimen Offenbarung (21,14): "Die Mauern der Stadt hatten zwölf Fundamente, auf denen zwölf Namen geschrieben standen, die Namen der zwölf Apostel des Lammes." Sie heißen Fundamente, weil sie durch ihre Lehre Christus verkündigen. "Auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen" (Mt 16,18). Paulus spricht von Aposteln und Propheten, weil beider Lehre zum Heile notwendig ist. "Jeder Lehrer, der in der Verkündigung des Himmelreiches bewandert ist, gleicht einem Hausvater, der aus seinem Schatze Altes und Neues hervorholt" (Mt 13,52). Ferner will Paulus die Übereinstimmung und das einheitliche Fundament beider aufzeigen. Denn was die Propheten als zukünftig voraussagten, das verkündigten die Apostel als geschehene Wirklichkeit. Darum beginnt der Römerbrief mit den Worten: "Paulus, Knecht Christi Jesu, zum Apostel berufen und auserwählt für die Frohbotschaft von seinem Sone, die Gott durch seine Propheten vorherverkündigt hatte" (Röm 1,1 f.). Erstlich ist jedoch Jesus Christus allein das Fundament; deshalb sagt Paulus auch: "und Jesus Christus ist der Eckstein" (Eph 2,12).

Der Herr selbst hat gesagt: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Weltzeit" (Mt 28,20). Das gilt aber nicht nur für die Apostel. Denn sie sind alle längst gestorben, und noch immer ist die Weltzeit nicht vollendet... Es ist ein und dieselbe Kirche, die damals bestand, und die jetzt noch fortbesteht. Denn in ihr sind derselbe Glaube, dieselben Sakramente, dieselbe Vollmacht und dasselbe Bekenntnis. Und in diesem Sinne sagt Paulus: "Ist etwa Christus geteilt? Das sei ferne" (1 Kor 1,13).

Die Apostel und ihre Nachfolger sind (also) insofern Gottes Stellvertreter, als sie die durch den Glauben und durch die Glaubenssakramente begründete Kirche zu leiten haben. Sowenig es ihnen demnach erlaubt ist, eine andere Kirche zu gründen, ebenso wenig steht es ihnen zu, einen anderen Glauben zu verkündigen oder andere Sakramente einzusetzen. Die Kirche ist vielmehr aufgebaut durch "die Sakramente die aus der Seitenwunde des am Kreuze hängenden Christus geflossen sind" (Petrus Lombardus zu Röm 5,14).
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 10. Dezember 2019, 12:33:24
DIE KIRCHE AUF ERDEN LEITET UNS HIN ZUR TRIUMPHIERENDEN GEMEINSCHAFT DER SELIGEN

"Um Eines bitte ich den Herrn. Nur dies erflehe ich für mich: im Haus des Herrn zu weilen alle Tage meines Lebens" (Ps 26,4). Das geistige Gotteshaus ist die streitende Kirche. Paulus schreibt an Timotheus: "Du sollst wissen, wie man sich in Gottes Haus zu verhalten hat, das ja die Kirche des lebendigen Gottes ist, eine Säule und Grundfeste der Wahrheit" (1 Tim 3,15). Es gibt noch eine andere Kirche, die triumphierende, von der es im zweiten Korintherbrief (5,1) heißt: "Wir wissen ja, wenn unser irdisches Haus abgebrochen wird, erhalten wir einen festen Bau von Gott, ein ewiges Haus im Himmel, das nicht von Menschenhand erbaut ist." Man kann den obigen Psalmvers von beiden Arten der Kirche verstehen, denn das erste Haus ist der Weg und das Tor zum zweiten, wie der Psalm sagt: "Das ist das Tor des Herrn, durch das die Gerechten hineingehen" (Ps 117,20). Und darum muß es unsere Sehnsucht sein, in diesem Hause der Kirche zu wohnen. Und zwar "alle Tage meines Lebens" bis zu seinem Ende. "Sie soll in Ewigkeit mein Ruheplatz sein, ich will hier wohnen, denn hier gefällt es mir" (Ps 131,14).

Nun wohnt man in Gottes Hause durch den Glauben und die Liebe sowie durch entsprechende gute Werke. "Er läßt sie nach gleicher Lebensart in (seinem) Hause wohnen" (Ps 67,7), und zwar, gottlob, für immer. Wir sollen darin wohnen und nicht daraus entfernt werden. Man trennt sich aber von der Kirche durch die Sünde, durch Exkommunikation, durch Abspaltung von der Kirche oder durch Irrlehre. Wer also in ihr, das heißt in dieser Kirche, bis zum Ende wohnt, der wird für dauernd in ihr wohnen. "Selig, die in Deinem Hause wohnen, Herr" (Ps 83,5).

Nunmehr erklärt der Psalmist, warum er im Hause Gottes wohnen will: "um des Herrn Lieblichkeit zu kosten und sie in seinem Tempel zu betrachten" (Ps 26,4)... Hieronymus liest statt dessen: "um die Schönheit des Herrn zu schauen". Damit ist der Lohn bezeichnet, wie Augustinus meint und Johannes (17,3) bezeugt: "Das aber ist das ewige Leben: Dich zu erkennen, den einzig wahren Gott, und den Du gesandt hast: Jesus Christus." Drei Werte begreift diese Gottschauung in sich, nach deren offender Schau der Mensch von Natur aus verlangt: Erstens das Schöne. Die höchste Schönheit ist in Gott selbst. Denn die Schönheit besteht in der Wohlgestalt, und Gott ist die Urform, die allen Wesen Form und Gestalt verleiht. - Zweitens die Freude und das Freisein von Trauer. Und darum heißt es: "Um des Herrn Lieblichkeit zu schauen", das heißt, Gottes Güte, in der die höchste Freude liegt. "In seiner Rechten liegen Wonnen immerdar" (Ps 15,11). - Drittens die Schau der Weltordnung. Denn es ist eine hohe Wonne, in alle Dinge des Weltalls Einsicht zu haben. Und darum ist die offene Schau des Planes der göttlichen Vorsehung solch eine große Freude. Darum sagt der Psalmist, daß er des Herrn Willen schauen möchte, das heißt den von Gottes Willen aufgestellten Heilsplan. "Prüfet, was der Wille Gottes, was gut, wohlgefällig und vollkommen ist" (Röm 12,2). Das tun wir in diesem Leben unvollkommen im Glaubenslicht, wir werden es aber vollkommen tun im künftigen Leben, wo die Heiligen Gott schauen von Angesicht zu Angesicht: "Wir alle aber schauen mit unverhülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn und werden so zum gleichen Bilde umgestaltet von Herrlichkeit zu Herrlichkeit" (2 Kor 3,18).
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 11. Dezember 2019, 07:28:20
DIE KIRCHE UND DIE GEMEINSCHAFT DER HEILIGEN

Wie im natürlichen Leibe die Betätigung eines Einzelgliedes dem ganzen Leibe zugutekommt, so ist es auch im geistigen Leibe der Kirche. Weil alle Gläubigen einen Leib bilden, wird das Gut des einen auch dem anderen mitgeteilt. "Als einzelne sind wir Glieder untereinander" (Röm 12,5). Deshalb lehren die Apostel auch unter anderem, daß es in der Kirche eine Gemeinschaft der Güter gibt, die man als Gemeinschaft der Heiligen bezeichnet.

Von den Gliedern der Kirche ist Christus das adeligste, weil er das Haupt ist. "Ihn hat er als Haupt über die ganze Kirche gesetzt, die sein Leib ist" (Eph 1,22 f.). Und wie die Kraft des Hauptes allen Gliedern zuteil wird, so wird auch das Gut Christi allen Christen mitgeteilt. Diese Teilnahme wird verwirklicht durch die Sakramente der Kirche, in denen die Kraft des Leidens Christi wirksam ist, und zwar bewirkt sie die Mitteilung der Gnade zur Vergebung der Sünden.
(Erläuterung des Apost. Glaubensbekenntnis: Die Gemeinschaft der Heiligen.)

Die Kirche ist aufgebaut durch die Sakramente, die aus der Seite des am Kreuze hängenden Christus geflossen sind.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 11. Dezember 2019, 07:40:23
DIE SAKRAMENTE SIND HEILIGE ZEICHEN

Da das Sakrament eine heiligende Sache bezeichnet, muß es auch die Wirkung bezeichnen, die schon in der heiligenden Ursache als solcher mitverstanden wird. Im eigendlichen Sinne besagt "Sakrament" etwas, was angeordnet ist, um unsere Heiligung zu bezeichnen, bei der man folgende drei Dinge ins Auge fassen kann: Die Ursache unserer Heiligung selbst, nämlich das Leiden Christi; ferner: das Wesen unserer Heiligung, das in der Gnade und den Tugenden besteht; und schließlich das letzte Ziel unserer Heiligung, das ewige Leben. Alle diese Dinge werden durch die Sakramente bezeichnet. Darum ist das Sakrament sowohl ein Erinnerungszeichen des voraufgegangenen Leidens Christi, als auch ein hinweisendes Zeichen der durch Christi Leiden in uns bewirkten Gnade, wie auch ein vorausdeutendes Zeichen, ein Vorzeichen der künftigen Herrlichkeit.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 11. Dezember 2019, 09:24:57
DIE HEILSBEDEUTUNG DER SAKRAMENTE

Der Tod Christi ist sozusagen die Allgemeinursache des menschlichen Heiles, wie schon oben gesagt wurde. Weil aber die Allgemeinursache jeder Einzelwirkung zugewandt werden muß, deshalb mußten den Menschen bestimmte Hilfsmittel dargeboten werden, durch die ihnen die Wohltat des Todes Christi auf eine bestimmte Weise verbunden wurde. Diese Hilfsmittel tragen den Namen "Sakramente der Kirche". Es war aber notwendig, daß sie unter gewissen sichtbaren Zeichen gereicht wurden, und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens: Wie für die übrigen Weltdinge, so sorgt Gott auch für den Menschen in einer Weise, die seiner Natur entspricht. Die Menschennatur ist nun derart eingerichtet, daß sie durch Sinnfälliges hingeführt wird zur Erfassung des Geistigen und Übersinnlichen. Und darum mußten die geistlichen Hilfsmittel den Menschen unter sinnfälligen Zeichen geschenkt werden.

Zweitens: Die Instrumente müssen zur Erstursache in einem bestimmten Verhältnis stehen. Die erste und allgemeine Ursache des menschlichen Heiles ist nun das menschgewordene WORT, wie im Vorhergehenden klar wurde. Darum war es angemessen, daß die Hilfsmittel, in denen die Kraft der Allgemeinursache zum Menschen hingelangt, jener Ursache derart ähnlich sind, daß in ihnen die göttliche Kraft unter sichtbaren Zeichen unsichtbar wirksam ist.

Drittens: Der Mensch war in Sünde gefallen durch ungeordnete Hinwendung zu sinnfälligen Dingen. Er sollte aber nicht meinen, das Sichtbare sei von Natur aus böse und in diesem Sinne habe er durch seine Hinwendung zum Sichtbaren gesündigt. Deshalb geziemte es sich, daß dem Menschen die Heilsmittel eben durch sichtbare Dinge dargeboten wurden. So sollte folgendes klar werden: Die sichtbaren Weltdinge als solche sind als Gottes Geschöpfe von Natur aus gut. Sie werden aber den Menschen schädlich, wenn sie sich diesen Dingen ungeordnet hingeben; heilsam werden sie jedoch, wenn die Menschen sie in rechter Ordnung benützen.

Daraus wird schon die falsche Meinung einiger Irrlehrer widerlegt, die alles derartige Sinnfällige von den Sakramenten der Kirche entfernen wollen. Es ist nicht zu verwundern, daß dieselben Leute der Ansicht sind, alle sichtbaren Dinge seien von Natur aus böse und von einem bösen Urheber hervorgebracht...

Es liegt auch nichts Unangemessenes darin, daß geistliches Heil durch sichtbare und körperliche Dinge gespendet wird. Denn diese sichtbaren Dinge sind gleichsam Werkzeuge des menschgewordenen Gottes, der gelitten hat. Ein Werkzeug wirkt aber nicht aus der Kraft des Erstwirkenden, von dem es zu seiner Wirksamkeit angewandt wird. Und somit wirken auch dieser Art sichtbare Dinge das geistliche Heil nicht aus ihrer natürlichen Eigenart, sondern kraft der Einsetzung Christi selbst, aus der sie ihre werkzeugliche Kraft erhalten.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 11. Dezember 2019, 11:10:46
DAS LEIDEN CHRISTI IST DIE QUELLE ALLER KRAFT DER SAKRAMENTE

Wie gesagt, ist das Sakrament bei der Gnadenverursachung wie ein Werkzeug tätig. Nun gibt es zwei Arten von Werkzeugen: Das getrennte, wie zum Beispiel ein Stab, und das naturverbundene, wie zum Beispiel eine Hand. Das getrennte Werkzeug erhält seine Bewegung durch das naturverbundene, wie zum Beispiel der Stab durch die Hand. Die Erstursache der Gnade ist nun Gott selbst. Zu ihm verhält sich Christi Menschheit wie ein naturverbundenes, das Sakrament jedoch wie ein getrenntes Werkzeug. Und darum ist es notwendig so, daß die heilswirksame Kraft von der Gottheit Christi her durch seine Menschheit in die Sakramente hinabströmt.

Offenbar ist nun die sakramentliche Gnade auf zwei Aufgaben ausgerichtet: sie soll die Schäden der vergangenen Sünden beheben, die zwar als Handlung vorübergingen, aber als Schuld geblieben waren. Ferner soll sie die Seele ausstatten für die Feier des göttlichen Kultes im Sinne der christlichen Religion. Aus dem früher Gesagten ist aber bereits klar, daß Christus uns vorzüglich durch sein Leiden von unseren Sünden befreit hat, nicht nur im Sinne des hinreichenden Verdienstes, sondern auch im Sinne der Genugtuung. Ebenso hat er durch sein Leiden auch den heiligen Dienst der christlichen Religion eröffnet, indem er "sich selbst als Weihegabe und Opfer Gott dargebracht hat" (Eph 5,2). Daher ist klar, daß die Sakramente der Kirche ihre Kraft namentlich aus dem Leiden Christi haben, dessen Kraft durch den Sakramentenempfang mit uns verbunden wird. Davon war es ein Sinnbild, daß aus der Seite des am Kreuze hängenden Christus Wasser und Blut herausflossen. Das erste deutet auf die Taufe, das zweite auf die Eucharistie hin, welche die wichtigsten Sakramente sind.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 11. Dezember 2019, 13:40:20
HYMNE DES HEILIGEN THOMAS VON AQUIN

LAUDA SION SALVATOREM

IHM, der uns das Heil bereitet,
Der uns vor als Hirte schreitet,
Sion, sing ein Feierlied!
Sing´, soviel es Dir gegeben,
Magst IHN noch so hoch erheben,
Nimmer IHM genug geschieht.

Heute hochbeglückt verehret,
Was zum Heil uns ward bescheret:
Urlebendig Lebensbrot,
Das zur Abendfeierstunde
In der Jünger Tafelrunde,
Einst - fürwahr - DER MEISTER bot.

Singt und klingt, zum Lob verbündet!
Jubelt, jauchzet auf und kündet
Eure Herzensfreude weit!
Hat DER HERR doch wunderweise
Diesen Tag im Jahreskreise
Durch Sein heiliges Mahl geweiht.

Auf des neuen Königs Tische
Steht in österlicher Frische
Auch das neue Osterlamm:
Leibhaft - nicht nur Bild und Zeichen.
Überlebtes muß nun weichen
Nacht vor neuen Tags Geflamm.

Was DER HERR einst selbst vollbrachte,
Tuen wir, wie ER vermachte:
Feiern Seinen Opfertod.
Hehrer Vollmacht unterwiesen,
Unser Heil uns zu erkiesen,
Weihen wir nun Wein und Brot.

CHRISTUS selbst ist´s, der hier handelt,
In Sein Fleisch das Brot verwandelt
Und zu Seinem Blut den Wein.
Augen täuschen sich und Zungen,
Doch von Treu zum HERRN durchdrungen,
Glauben wir - trotz Augenschein.

In Gestalten gar erlesen,
Die entleert vom eignen Wesen,
Birgt sich - der die Wesen schafft.
ER durchdringt uns beiderweise,
Einverleibt als Trank und Speise,
Ganz mit ungeschiedener Kraft.

Nehmt und esset! CHRISTUS weilet
Ungebrochen - unzerteilet -
Unzerstückelt - unversehrt.
Kommen tausend, kommt nur einer:
Mehr noch minder isset keiner.
CHRIST, DER HERR, bleibt unverzehrt.

Reine wie Unreine nahen,
Alle sie ihr Los empfahen,
Die zum Leben, die zum Tod.
Heil den Reinen - Heiles-Erben!
Doch, wer unrein ist, wird sterben
An demselben Wunderbrot.

Wenn zerbrechen die Gestalten,
Schreck euch nicht der bloße Schein.
Jeder Teil wird nun enthalten,
Was das Ganze hüllte ein.
Wird zerbrochen auch das Zeichen,
Was es kündet ohnegleichen,
Nimmer wird durch Abbruch weichen:
Tiefgeheim-verborgnes Sein.

Seht: Dies Brot, der Engel Labe,
Erdenpilgern wird´s zur Speis.
Gottes Söhne, heilige Gabe,
Gebt sie nicht den Hunden preis!
In des Isaak Opfermute,
In des Osterlammes Blute,
In des Manna Wundergute
Leuchtet´s vor geheimerweis.

GUTER HIRT, zu uns Dich kehre,
Dich als wahrhaft Brot beschere,
Heg´uns, daß uns nichts versehrt.
Laß Dein Auge ob uns blauen,
HEILAND, laß das Heil uns schauen
In dem Reich, das ewig währt.

Was Du fügst, wird wohlgedeihen.
Uns vor ewigem Tod zu feiern,
Uns Dein Tisch hienieden nährt.
Wie Du hier Dich uns gewährst,
Ruf zu Deiner Tafelrunde
Uns in Deiner Heilgen Bunde,
HERR, in Deinem Licht verklärt!
              Amen!
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 12. Dezember 2019, 13:23:47
DER ORGANISCHE AUFBAU DER SIEBEN SAKRAMENTE

Wir sagten aber, daß die Hilfsmittel für das Heil des Geistes den Menschen unter sinnfälligen Zeichen übergeben sind. Deshalb war es auch angemessen, daß die für das geistliche Leben sorgenden Hilfsmittel sich voneinander so unterscheiden, daß sie in einem Ähnlichkeitsverhältnis zum leiblichen Leben stehen.

Das geistliche Leben weist nämlich eine gewisse Übereinstimmung mit dem leiblichen auf, wie ja auch sonst das Leibliche eine Ähnlichkeit mit dem Geistlichen hat. Im leiblichen Leben wird nun der Mensch auf doppelte Weise vervollkommnet: einerseits in bezug auf die eigene Person und andererseits im Hinblick auf das Ganze der menschlichen Gemeinschaft, in der er lebt. Der Mensch ist ja von Natur aus ein Gemeinschaftswesen. In bezug auf sich selbst wird der Mensch im leiblichen Leben auf zweifache Weise vervollkommnet: einmal an sich, indem er eine bestimmte Lebensvollkommenheit erwirbt, und dann nebenbei dadurch, daß er die Lebenshemmungen forträumt, zum Beispiel Krankheiten und derartiges mehr. Das leibliche Wesen an sich wird jedoch in dreifacher Weise vollkommen gemacht:

Erstens durch die Zeugung, durch die der Mensch zu sein und zu leben beginnt. Und an ihrer Stelle steht im geistlichen Leben die Taufe, die eine geistliche Wiedergeburt ist. Darum heißt es im Titusbrief: "Durch das Bad der Wiedergeburt und durch die Erneuerung im Heiligen Geiste brachte er uns das Heil" (Tit 3,5).

Zweitens durch das Wachstum, durch das der Mensch zur vollendeten Größe und Stärke geführt wird. An seiner Stelle steht im geistlichen Leben die Firmung, durch die der Heilige Geist zum Starksein gespendet wird. Deshalb sagt der Herr zu den bereits getauften Jüngern: "Bleibet in der Stadt, bis ihr mit der Kraft von oben ausgerüstet seid" (Lk 24,49).

Drittens durch die Ernährung, durch die das Leben und die Kraft im Menschen erhalten werden. An ihrer Stelle steht im geistlichen Leben die Eucharistie. Deshalb sagt der Herr: "Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esset und sein Blut nicht trinket, habt ihr das Leben nicht in euch" (Joh 6,53).

Und das würde dem Menschen genügen, wenn er leiblich und geistlich ein leidensunfähiges Leben hätte. Weil er aber zuweilen erkrankt sowohl im leiblichen wie auch durch die Sünde im geistlichen Leben, so hat der Mensch eine Heilbehandlung nötig. Diese hat zwei Arten: eine, durch welche die Gesundheit wiederhergestellt wird, und an ihrer Stelle haben wir im geistlichen Leben die Buße. So sagt der Psalmist: "Heile meine Seele, denn ich habe gesündigt vor Dir" (Ps 40,5). Sodann eine andere Heilbehandlung, welche die frühere Kraft wiederherstellt durch richtige Ernährung und Einübung. An ihrer Stelle haben wir im geistlichen Leben die Letzte Ölung, welche die Reste der Sünden forträumt und den Menschen bereit macht für die endliche Herrlichkeit. Davon schreibt Jakobus: "Und wenn er in Sünden ist, so werden sie ihm vergeben" (Jak 5,15).

In seiner Beziehung zur Gemeinschaft wird der Mensch in zweifacher Weise vervollkommnet. Erstens durch den Empfang der Vollmacht, eine Vielheit (von Menschen) zu führen und öffentliche Handlungen zu vollziehen. Dem entspricht im geistlichen Leben das Sakrament der Weihe. Deshalb sagt der Hebräerbrief (7,27), "daß die Priester nicht nur für sich, sondern auch für das Volk Opfer darbringen". Zweitens hinsichtlich der natürlichen Fortpflanzung. Und das geschieht durch die Ehe sowohl im leiblichen wie auch im geistlichen Leben. Denn sie ist nicht nur ein Sakrament, sondern auch ein Dienst der Natur.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 13. Dezember 2019, 07:43:29
DREI SAKRAMENTE PRÄGEN DER SEELE EIN UNAUSLÖSCHLICHES MAL EIN

Die Sakramente des Neuen Bundes sind auf zwei Dinge ausgerichtet: auf die Heilung der Sünde und auf den göttlichen Kult. Es ist nun allen Sakramenten gemeinsam, daß sie ein Heilmittel gegen die Sünde darreichen, indem sie Gnade spenden. Aber nicht alle Sakramente sind unmittelbar auf den göttlichen Kult ausgerichtet. Man denke nur an die Buße: Durch dieses Sakrament wird der Mensch zwar von der Sünde befreit, aber es wird ihm nichts Neues gegeben, das zum göttlichen Kult gehört; er wird vielmehr in seinen früheren Stand wieder eingesetzt.

Nun kann aber ein Sakrament auf dreifache Weise zum göttlichen Kult gehören: erstens wegen der Kulthandlung selbst, zweitens wegen des Handelnden und drittens wegen des Empfängers. Wegen der Kulthandlung selbst gehört zum göttlichen Kult die Eucharistie, in welcher der göttliche Kult in erster Linie besteht, weil sie das Opfer der Kirche ist. Durch dieses Sakrament wird dem Menschen kein Mal eingeprägt, weil er durch dieses Sakrament nicht auf etwas Höherstehendes hingeordnet wird, das in Sakramenten bewirkt oder empfangen werden müßte. Denn die Eucharistie ist ja "Zielpunkt und Vollendung aller Sakramente", wie Dionysius sagt (im dritten Kapitel der Kirchlichen Hierarchie). Sie enthält jedoch Christus selbst, in dem zwar kein Mal ist, wohl aber die ganze Fülle des Priestertums.

Auf die, welche die sakramentlichen Handlungen vollziehen, ist das Sakrament der Priesterweihe hingeordnet, denn durch dieses Sakrament werden sie damit beauftragt, anderen die Sakramente zu spenden. Den Empfängern steht jedoch das Sakrament der Taufe zu, durch das der Mensch die Vollmacht empfängt, die übrigen Sakramente der Kirche zu empfangen. Deshalb heißt die Taufe "die Tür zu den Sakramenten". Auf dasselbe ist in einer bestimmten Weise auch die Firmung hingeordnet, wie weiter unten dargelegt werden soll. Darum wird durch diese drei Sakramente ein Mal eingeprägt: durch die Taufe, die Firmung und die Weihe.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 13. Dezember 2019, 14:44:31
DIESE SAKRAMENTLICHEN MALE BEGRÜNDEN DIE ANTEILNAHME AM ALLGEMEINEN UND BESONDEREN PRIESTERTUM JESU CHRISTI

Die Sakramente des Neuen Bundes prägen ein Mal ein, sofern durch sie die Menschen mit dem göttlichen Kult im Sinne der christlichen Heilshandlungen beauftragt werden. Nachdem daher Dionysius gesagt hat: "Gott verleiht dem, der zur Taufe hinzutritt, durch ein besonderes Zeichen die Teilnahme an sich selbst", fährt er fort: "indem er ihn zu einem vergöttlichten Menschen und zu einem Vermittler göttlicher Dinge macht" (Kirchl. Hierarchie, 2. Kapitel). Der göttliche Kult besteht nun darin, daß man Göttliches empfängt oder an andere weiterspendet. Zu beiden ist aber ein besonderes Vermögen erforderlich: Um an andere etwas weiterzuspenden, ist ein tätiges Vermögen erfordert; um etwas zu empfangen, ein leidendes. Daher begreift das sakramentliche Mal ein geistliches Vermögen in sich, das auf die Feier des göttlichen Kultes hingeordnet ist.

Man muß dabei aber beachten, daß dieses geistliche Vermögen ein werkzeugliches ist, wie oben auch schon von der in den Sakramenten wohnenden Kraft gesagt wurde. Denn ein sakramentliches Mal zu tragen, steht den Dienern Gottes zu, der Diener aber steht (zu seinem Herrn) im Verhältnis eines Werkzeuges.

Das sakramentale Mal ist eine Teilnahme am Priestertum Christi in seinen Gläubigen, so daß, wie Christus die Vollgewalt des geistlichen Priestertums besitzt, seine Gläubigen ihm darin gleichgestaltet werden, daß sie teilhaben an einer geistlichen Gewalt hinsichtlich der Sakramente und dessen, was zum göttlichen Kulte gehört. Aus diesem Grunde kommt es Christus auch nicht zu, ein solches Mal zu tragen. Vielmehr verhält sich die Vollmacht seines Priestertums zum sakramentlichen Mal wie die Fülle und die Vollendung zu einer Teilhabe daran. Christi Priestertum ist aber ein ewiges, wie der Psalmist sagt: ""Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedech" (Ps 109,4). Und das ist der Grund, weshalb alle durch sein Priestertum erfolgende Heiligung eine dauernde ist, solange die geweihte Sache bleibt. Das sieht man auch an den leblosen Dingen, denn die Weihe einer Kirche oder eines Altars bleibt immerdar, solange sie nicht zerstört werden. Da nun die Seele in ihrem geistigen Teil, in dem der Glaube wohnt, Trägerin des sakramentlichen Males ist, ...so bleibt, wie der Verstand immerdauernd und unvergänglich ist, offensichtlich auch das sakramentliche Mal unaustilgbar in der Seele.

Obwohl nun nach diesem Leben der äußere Kult nicht mehr bleibt, so verbleibt doch das Ziel dieses Kultes. Deshalb bleibt auch das sakramentliche Mal nach diesem Leben, und zwar in den Guten zu ihrer Verherrlichung, in den Bösen aber zu ihrer Beschämung. So bleibt ja auch das Soldatenmal nach erkämpften Siege in den Soldaten: den Siegern zur Ehre, den Besiegten zum Leid.



DAS SAKRAMENT DER TAUFE ALS TEILNAHME AM HERRENLEIDEN

Durch die Taufe wird der Mensch dem Leiden und dem Tode Christi einverleibt, nach dem Worte Pauli: "Wenn wir mit Christus gestorben sind, so glauben wir, auch an seinem Leben teilzunehmen" (Röm 6,8). Daraus ersieht man, daß jeder Getaufte so an dem Heilmittel des Leidens Christi Anteil erhält, als hätte er selbst gelitten und als wäre er selbst gestorben.

Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 17. Dezember 2019, 07:50:22
DAS HERRENMAHL IM ORGANISMUS DER SAKRAMENTE

Das Leibesleben bedarf der körperlichen Nahrung, nicht nur damit es zur vollen Größe weiterwachse, sondern auch um das natürliche Leben des Leibes zu erhalten, damit es sich nicht infolge der ständigen Beeinträchtigungen auflöse und seine Kraft hinschwinde. Ebenso mußte man auch im geistlichen Leben eine geistliche Speise haben, durch welche die Wiedergeborenen in ihrem Tugendleben erhalten werden und darin wachsen.

Und weil die geistlichen Wirkungen uns passenderweise unter dem Gleichnis sichtbarer Dinge übergeben werden, so wird uns auch diese geistliche Nahrung unter den Gestalten jener Dinge gespendet, welche die Menschen am meisten zur Ernährung des Leibes zu gebrauchen pflegen. Von dieser Art sind aber Brot und Wein, und darum wird uns dieses Sakrament unter den Gestalten von Brot und Wein dargereicht.

Dabei muß man sich vor Augen halten, daß im Bereich der leiblichen Wesen der Erzeuger in einer andersgearteten Verbindung mit dem Erzeugten steht als die Nahrung mit dem Ernährten. Der Erzeuger braucht sich mit dem Erzeugten nicht mit seinem Wesensbestand, sondern nur in der Ebenbildlichkeit und der Kraft zu verbinden. Die Nahrung muß jedoch in ihrem Wesensbestand mit dem Ernährten verbunden werden. Damit nun den körperlichen Zeichen die geistlichen Wirkungen entsprechen, verbinden sich uns das Mysterium des menschgewordenen WORTES in der Taufe, die eine geistliche Wiedergeburt ist, in anderer Weise als in diesem Sakrament der Eucharistie, das eine geistliche Nahrung ist. Denn in der Taufe ist das menschgewordene WORT nur seiner Kraft nach erhalten, aber im Sakrament der Eucharistie ist er selbst - das bekennen wir - in seinem Wesensbestande enthalten.

Und weil die Vollendung unseres Heiles durch Christi Leiden und Sterben geschehen ist, wodurch sein Blut von seinem Fleische getrennt ward, so wird uns in getrennten Gestalten das Sakrament seines Leibes, unter der Gestalt des Brotes, und seines Blutes, unter der Gestalt des Weines, dargereicht. So sollten wir in diesem Sakramente das Andenken und die Vergegenwärtigung des Herrenleidens haben. Und damit gehen die Worte des Herrn in Erfüllung: "Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise, und mein Blut ist wahrhaft ein Trank" (Joh 6,56).
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 17. Dezember 2019, 08:46:08
DAS HERRENMAHL IST OPFER

Aus zwei Gründen wird die Feier dieses Sakramentes eine Hinopferung Christi genannt. Erstens weil, wie Augustinus sagt, "die Bilder mit den Namen jener Dinge bezeichnet werden, deren Bilder sie sind. So sagen wir, wenn wir ein Tafelbild oder ein Wandgemälde sehen: 'Der ist Cicero' und: 'Der ist Sallust'"

Die Feier dieses Sakramentes ist aber ein Abbild, das uns Christi Leiden vergegenwärtigt, welches seine wirkliche Hinopferung ist. Und deshalb bezeichnet man die Feier dieses Sakramentes als die Hinopferung Christi. Darum sagt auch Ambrosius in seiner Erklärung zum Hebräerbrief: "In Christus ist einmal die Opfergabe geopfert worden, die ein ewiges Heil dauernd zu wirken vermag. Und was tun wir also? Opfern wir denn nicht an jedem einzelnen Tag? Jawohl, aber wir tun es zum Gedächtnis des Todes Christi" (Zu Hebr 10,1).

Zweitens wird die Feier dieses Sakramentes als Hinopferung Christi bezeichnet im Hinblick auf die Wirksamkeit des Leidens Christi, denn durch dieses Sakrament werden wir teilhaftig der Frucht des Herrenleidens. In diesem Sinne heißt es in einem sonntäglichen Stillgebet (am 9. Sonntag nach Pfingsten): "Jedesmal, wenn das Gedächtnis dieses Opfers gefeiert wird, wird das Werk unserer Erlösung gewirkt."

Im Hinblick auf die erstgenannte Weise (der obigen Begründung) kann man sagen, Christus sei auch in den Vorbildern des Alten Testamentes geopfert worden. So spricht die Geheime Offenbarung von denen, "deren Namen eingeschrieben sind im Lebensbuche des Lammes, das seit Anbeginn der Welt geschlachtet wurde" (Offb 13,8). Im Hinblick auf die zweite Weise aber ist es einzig diesem Sakramente eigen, daß in seiner Feier Christus hingeopfert wird.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 18. Dezember 2019, 08:14:53
DAS OPFER DER HEILIGEN MESSE IST VERGEGENWÄRTIGUNG DES HERRENLEIDENS

Paulus schreibt den Korinthern: "Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch überliefert habe: Der Herr Jesus nahm in der Nacht, da er verraten wurde, Brot, dankte, brach es und sprach: 'Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Andenken.' Ebenso nahm er nach dem Mahle den Kelch und sprach: 'Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blute. So oft ihr ihn trinket, tut dies zu meinem Andenken'" (1 Kor 11,23-25)...

Das Blut Christi im Sakramente vergegenwärtigt unmittelbar das Leiden, durch das es vergossen ward, und durch das alle Vorschriften des alten Gesetzes beendet wurden. Deshalb heißt es auch im Hebräerbrief, daß Christus "mit seinem eigenen Blute ein für allemal in das Allerheiligste hineinging: er, der eine ewig gültige Erlösung bewirkt hat" (Hebr 9,12)...

Nun sind einige der Ansicht, daß nicht alle Worte, die die Kirche bei der Konsekration des Blutes anwendet, notwendigerweise zu den formgebenden Worten gehören, sondern nur die folgenden: "Das ist der Kelch meines Blutes"; nicht aber das übrige, das sich daran anschließt: "des neuen und ewigen Bundes, Mysterium des Glaubens, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden".

Diese Ansicht scheint jedoch diesem Sachverhalt nicht gerecht zu werden: Alles folgende ist eine nähere Bestimmung des Ausgesagten und gehört deshalb zum Sinn und zur Bedeutung dieser Aussage mit hinzu. Und weil, wie schon oft dargelegt, das Formgebende des Sakramentes dadurch wirksam ist, daß es bezeichnet, so gehört auch das Ganze mit zur Wirkkraft der formgebenden Worte. Dem steht auch nicht die Begründung entgegen, welche die anderen anführen: Bei der Konsekration des Leibes genügen die Worte: "Das ist mein Leib". Denn das besonders konsekrierte Blut vergegenwärtigt in besonderer Weise das Leiden Christi, durch das sein Blut vom Leibe getrennt wurde. Deshalb mußte bei der Konsekration des Blutes die Kraft des Leidens Christi zum Ausdruck gebracht werden, die mehrere Beziehungen aufweist:

Die erste im Hinblick auf unsere Schuld, die durch Christi Leiden aufgehoben wird. Davon sagt die Geheime Offenbarung: "Er hat uns von unseren Sünden reingewaschen in seinem Blute" (Offb 1,5). Und diese Beziehung ist in den Worten ausgesprochen: "Das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden..."

Die zweite im Hinblick auf ihr Verhältnis zum Leben der Gerechtigkeit, das die Kraft des Herrenleidens durch den Glauben bewirkt. Das bezeugt der Römerbrief: "Durch seine Gnade werden sie ohne Verdienst gerechtfertigt kraft der Erlösung in Christus Jesus. Ihn hat Gott in seinem Blute als Sühnopfer durch den Glauben hingestellt" (Röm 3,24f.). Und diese Beziehung kommt zum Ausdruck in dem Worte "Mysterium", das heißt: Geheimnis "des Glaubens". Denn der Glaube an das Leiden Christi war - wie die Wahrheit im Zeichen - geheimnisvoll verborgen in allen Opfern des Alten Bundes. Die Bezeichnung hat die Kirche aus apostolischer Überlieferung, denn im Kanon der Heiligen Schrift ist er nicht enthalten.

Die dritte ist die Beziehung dieser Kraft zu jenem Leben der Herrlichkeit, in das wir durch Christi Leiden hineingeführt werden, wie der Hebräerbrief sagt: "So haben wir denn kraft des Blutes Christi zuversichtliche Hoffnung auf den Eintritt in das Allerheiligste" (Hebr 10,19). Und im Hinblick darauf heißt es: "Des neuen und ewigen Bundes." Ewig heißt dieser Bundesschluß, weil er eine Anordnung betreffs des ewigen Erbteiles darstellt; neu heißt er im Unterschied zu dem alten, der zeitliche Güter versprach. Deshalb sagt der Hebräerbrief: "Somit ist er der Mittler des Neuen Bundes, in dem die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen sollten. Doch mußte er zuvor... in den Tod gehen" (Hebr 9,15).

Schließlich setzte der Herr den Gebrauch dieses Sakramentes ein mit den Worten: "Sooft ihr ihn trinket, tut dies zu meinem Andenken", das heißt zum Gedächtnis meines Leidens. Davon sagt schon der Prophet: "Wenn ich daran denke, droht das Herz mir in der Brust zu springen" (Klagel 3,20)...

Nachdem Paulus die Worte des Herrn "Tut dies zu meinem Andenken" berichtet hat, gibt er folgende Erklärung: "Denn sooft ihr dieses Brot eßt und diesen Kelch trinkt, feiert ihr den Tod des Herrn, bis er wiederkommt" (1 Kor 11,26). "Brot" sagt er deshalb, weil die Gestalten verbleiben, "dieses Brot", weil der (durch die Gestalten) bezeichnete und (in ihnen) enthaltene Leib des Herrn ein und derselbe ist. "Und (sooft ihr) diesen Kelch trinket, feiert ihr den Tod des Herrn", indem ihr seinen Tod durch dieses Sakrament vergegenwärtigt. Und das "bis er wiederkommt", das heißt: bis zu seiner letzten Ankunft. Damit gibt Paulus zu verstehen, daß dieser Gottesdienst der Kirche nicht aufhören wird bis zum Ende der Welt, wie es bei Matthäus heißt: "Sehr, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Weltzeit" (Mt 28,20).
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 18. Dezember 2019, 14:39:18
IM MESSOPFER WIRD DURCH CHRISTUS AUCH DER MYSTISCHE LEIB DES HERRN GEOPFERT

Der Priester betet (im Canon der heiligen Messe nach der Wandlung): "Allmächtiger Gott, wir bitten Dich demutsvoll: Laß diese Gaben durch die Hände Deines heiligen Engels emportragen auf Deinen himmlischen Altar, vor das Angesicht Deiner göttlichen Majestät."

Mit diesen Worten bittet der Priester weder um die Übertragung der sakramentlichen Gestalten in den Himmel noch um die des wahren Leibes Christi, der ja unaufhörlich dort weilt. Er erfleht das vielmehr für den mystischen Leib, der ja in diesem Sakramente gleichnishaft dargestellt ist. (Die Kirche setzt sich zusammen aus vielen Gläubigen, wie das Brot aus vielen Körnern hergestellt wird und der Wein aus vielen Trauben zusammenfließt)... Der "himmlische Altar" ist entweder die triumphierende Kirche, in die wir hinüber getragen werden möchte, oder Gott selbst, an dem wir bittend teilzunehmen wünschen. Von diesem Altare gilt das Wort: "Nicht auf Stufen sollst du zu meinem Altare emporsteigen" (Ex 20,26), das heißt: In der Dreieinigkeit sollst du keine Stufenfolge machen.

Auch kann man unter dem "Engel" Christus selbst verstehen, welcher der Engel des großen Heilsratschlusses ist: Er vereinigt seinen mystischen Leib mit Gott Vater und mit der triumphierenden Kirche... Christus ist die uns von Gott zugesandte Opfergabe..., und die Opfergabe ist zu Gott durch seinen heiligen Engel emporgesandt, auf daß sie Gott wohlgefällig sei.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 18. Dezember 2019, 14:52:43
DER HERRENLEIB ALS OPFERMAHL

Dieses Sakrament ist, wie gesagt, nicht nur Sakrament, sondern auch Opfer. Denn insofern in diesem Sakramente das Leiden Christi vergegenwärtigt wird, durch welches Christus "sich Gott als Opfergabe dargebracht hat" (Eph 5,2), stellt es ein Opfer dar. Insofern jedoch in diesem Sakramente die unsichtbare Gnade unter sichtbarer Gestalt dargereicht wird, stellt es ein Sakrament dar. Und somit kommt dies Sakrament denen, die es empfangen, sowohl nach Art des Sakramentes als auch nach Art des Opfers zugute, denn es wird dargebracht für alle, die es empfangen. Im Kanon der heiligen Messe heißt es ja: "Laß uns alle, die wir gemeinsam von diesem Altare das hochheilige Fleisch und Blut Deines Sohnes empfangen, mit allem Gnadensegen des Himmels erfüllt werden."

Den anderen aber, die das Sakrament nicht empfangen, kommt es nach Art des Opfers zugute, weil es für das Heil dargebracht wird. Deshalb beten wir im Kanon der heiligen Messe: "Gedenke, Herr, Deiner Diener und Dienerinnen und aller Umstehenden, deren gläubige Opfergesinnung Du kennst. Für sie bringen wir dieses Lobopfer dar, und sie selbst opfern es Dir für sich und alle die Ihrigen, damit ihre Seele gerettet und ihre Hoffnung auf Heil gesichert werde." Und der Herr selbst hat beide Arten dieses Zugutekommens ausgesprochen mit den Worten: "Das für euch", das heißt für die Empfänger, "und für viele", das heißt für die vielen anderen, "vergossen wird zur Vergebung der Sünden" (die Einsetzungsworte des Canon Missae, vgl. Mt 26,28).
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 19. Dezember 2019, 15:12:49
DIE FRUCHT DES EUCHARISTISCHEN OPFERS

Wie schon gesagt wurde, wird durch dieses Sakrament das Leiden Christi vergegenwärtigt. Und darum wirkt das Sakrament im Menschen die Frucht, welche das Leiden Christi in der Welt gewirkt hat. In seiner Auslegung (des Johannesevangeliums, in der 84. Homilie) zu der Stelle "Sogleich floß Blut und Wasser heraus" gibt Chrysostomus deshalb folgende Erklärung: "Von hier aus nehmen ja die heiligen Mysterien ihren Ausgang: Wenn du zu dem ehrfurchtschauernden Kelche hinzutrittst, so nahst du dich ihm, um gleichsam aus der Seite Christi selbst zu trinken." Daher sagt auch der Herr selbst: "Das ist mein Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden" (Mt 26,28: "für die Vielen").
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 19. Dezember 2019, 15:30:05
DIE GNADENVOLLE GEGENWART CHRISTI IN DER EUCHARISTIE

Die unermeßlichen Wohltaten, die Gott in seiner Freigebigkeit dem christlichen Volk spendet, verleihen ihm eine unschätzbare Würde. Denn es gibt und gab niemals irgendein noch so großes Volk, dem die Gottheit so nahegekommen wäre, wie unser Gott uns nahe ist. Denn der einziggeborene Sohn Gottes wollte uns an seiner Gottheit teilnehmen lassen. Darum nahm er unsere Natur an und wurde Mensch, um uns Menschen zu vergöttlichen. Zudem schenkte er das, was er von unserer Natur angenommen hatte, uns zu unserem Heile wieder. Seinen Leib brachte er als Versöhnungsopfer auf dem Altare des Kreuzes Gott dem Vater dar, und sein Blut vergoß er, um uns loszukaufen und reinzuwaschen, damit wir von der elenden Knechtschaft erlöst und von allen Sünden gereinigt würden. Damit aber das Andenken an diese große Heilstat immerfort in uns wach bleibe, hinterließ er unter den Gestalten von Brot und Wein den Gläubigen seinen Leib zur Speise und sein Blut zum Tranke.

O kostbares, staunenswertes Gastmahl, voll des Heiles und aller Lieblichkeit! Was kann es Herrlicheres geben als dieses Gastmahl? Hier wird uns nicht das Fleisch von Kälbern und Böcken - wie ehemals im Alten Bunde -, sondern Christus, der wahre Gott, als Speise dargereicht. Was kann es Wunderbareres geben als dieses Sakrament? In ihm werden Brot und Wein wesenhaft in Christi Leib und Blut verwandelt. Und somit ist Christus als wirklicher Gott und Mensch unter der bescheidenen Gestalt von Brot und Wein gegenwärtig. Er wird also von den Gläubigen genossen, aber nicht zerteilt. Vielmehr bleibt er, wenn auch die sakramentlichen Gestalten gebrochen werden, dennoch unter jedem Bruchteile unversehrt gegenwärtig. Die Gestalten haben hier ihr Dasein ohne ein sie tragendes Wesen. Hier soll der Glaube Raum haben, da ein Sichtbares unsichtbarerweise und verborgen unter einer fremden Gestalt genossen wird. Und ferner sollen die Sinne vor Täuschung bewahrt bleiben, die nur nach den bekannten Gestalten urteilen.

Persönliche Anmerkung
 Darum heißt es auch bei Joh 20,29: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 28. Dezember 2019, 09:43:42
DIE WAHRE GEGENWART CHRISTI IM SAKRAMENT DES ALTARES

Daß der wirkliche Leib und das wirkliche Blut Christi in diesem Sakramente sind, das läßt sich nicht sinnfällig erfassen, sondern nur durch den Glauben, der sich stützt auf Gottes Autorität. Deshalb sagt Cyrill zu Lk 22,19 "Dies ist mein Leib, der für euch hingegeben wird": "Zweifle nicht, ob das wahr sei, sondern nimm die Worte des Erlösers im Glauben an. Da er die Wahrheit ist, lügt er nicht".

Das ist aber auch angemessen, und zwar erstens wegen der Vollkommenheit des Neuen Gesetzes. Denn die Opfer des Alten Gesetzes enthielten das Leiden Christi nur im Vorbilde: "Das Gesetz enthält nur ein Schattenbild der zukünftigen Heilsgüter, nicht die Gestalt der Dinge selbst" (Hebr 10,1). Darum mußte das von Christus eingesetzte Opfer des Neuen Gesetzes etwas darüber hinaus besitzen: es mußte den durch sein Leiden hindurchgegangenen Christus selbst enthalten, und zwar nicht nur im Zeichen oder im Bilde, sondern auch in der wahren Wirklichkeit. Darum ist dieses Sakrament, das Christus selbst wirklich enthält, nach Dionysius "die Vollendung aller übrigen Sakramente", in welchen man an der Kraft Christi teil hat.

Zweitens verlangt dies die Liebe Christi, von der getrieben Er zu unserem Heile einen wirklichen Leib unserer Natur annahm. Und da es nach Aristoteles eine besondere Eigentümlichkeit der Freundschaft ist, mit den Freunden zusammen Mahl zu halten, so verspricht Er uns seine leibliche Gegenwart als Belohnung: "Wo der Leib ist, da sammeln sich auch die Adler" (Mt 24,28). Inzwischen aber beraubt er uns auch während dieser Pilgerfahrt nicht seiner leiblichen Gegenwart, sondern verbindet uns durch seinen wirklichen Leib und sein wirkliches Blut mit sich in diesem Sakramente. Deshalb sagt er Joh 6,56: "Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm". Darum ist dieses Sakrament ein Zeichen der größten Liebe und eine Stärkung unserer Hoffnung auf Grund dieser so vertrauten Verbindung mit uns.

Drittens verlangt dies die Vollkommenheit des Glaubens, der wie auf die Gottheit so auch auf seine Menschheit geht, nach Joh 14,1: "Ihr glaubet an Gott, so glaubt auch an mich". Und da der Glaube auf Unsichtbares geht, bietet uns Christus, wie seine Gottheit, so auch sein Fleisch auf unsichtbare Weise in diesem Sakrament dar.

Das haben einige nicht beachtet und behaupten, Christi Leib und Blut seien in diesem Sakramente nur wie in einem Zeichen. Darum wurde auch Berengar, der erste Erfinder dieses Irrtums, nachher gezwungen, seine Irrlehre zu widerrufen und die Wahrheit des Glaubens zu bekennen.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 07. Januar 2020, 13:50:57
DIE WESENSVERWANDLUNG

Da in diesem Sakrament der wirkliche Leib Christi ist und nicht dort neu zu sein anfängt infolge von Ortsbewegung und auch nicht dort ist wie an einem Orte, so muß man sagen, daß er dort zu sein anfängt durch Verwandlung der Brotsubstanz in ihn selber.

Diese Verwandlung hat aber keine Ähnlichkeit mit natürlichen Wandlungen, sondern ist ganz und gar übernatürlich und von Gottes Macht allein gewirkt. In diesem Sinn sagt Ambrosius: "Es ist klar, daß die Jungfrau außerhalb der Naturordnung geboren hat. Und was wir (bei der Wandlung) bewirken, ist der Leib aus der Jungfrau. Was suchst du also die Naturordnung im Leibe Christi, da doch der Herr Jesus selbst außerhalb dieser Ordnung aus der Jungfrau geboren ist?" Und zu Joh 6,53 "Die Worte, die ich euch gesagt habe" über dieses Sakrament, "sind Geist und Leben" bemerkt Chrysostomus: "Das heißt, sie sind geistlich und haben nichts Irdisches, noch die natürlichen Folgerungen, sondern sie sind aus jeder solcher Notwendigkeit herausgehoben, wie sie hier auf Erden herrscht, und aus den Gesetzen, die hier gelten".

Es liegt ja auf der Hand, daß jedes Wirkende insoweit wirkt, als es selbst wirklich ist. Jedes geschöpfliche Wirkende ist nun begrenzt in seiner Wirklichkeit, weil es zu einer bestimmten Gattung und Art gehört. Und darum erstreckt sich die Wirksamkeit jedwedes geschaffenen Wirkenden über eine bestimmte Wirklichkeit. Jedes Ding hat aber eine Bestimmung im Wirklichsein durch seine Form. Darum kann kein natürliches oder geschaffenes Wirkendes etwas anderes bewirken als eine Änderung der Form. Und deshalb ist jedwede naturgesetzliche Wandlung eine solche der Form. Gott aber ist unbegrenzte Wirklichkeit, und somit erstreckt sich seine Wirksamkeit auf die gesamte Natur des Seienden. Er kann also nicht nur eine Verwandlung der Form bewirken, so daß zwei verschiedene Formen in dem gleichen Träger aufeinander folgen, sondern Er kann die Verwandlung der ganzen Seienden bewirken, so daß die ganze Substanz von dem einen umgewandelt wird in die ganze Substanz von dem anderen.

Und das wird durch Gottes Macht in diesem Sakramente vollbracht, denn die ganze Substanz des Brotes wird verwandelt in die ganze Substanz des Leibes Christi und die ganze Substanz des Weines in die ganze Substanz des Blutes Christi. Demzufolge ist diese Verwandlung nicht eine solche der Form, sondern der Substanz. Auch fällt sie unter keine Art der naturhaften Veränderungen, sondern sie kann mit einem nur ihr eigenen Namen bezeichnet werden als "Wesensverwandlung".
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 08. Januar 2020, 07:50:49
DAS ALTARSAKRAMENT ALS MITTE DES CHRISTLICHEN LEBENS

Kein Sakrament bringt mehr Heil als dieses, durch das die Sünden abgewaschen, die Tugend vermehrt und die Seele mit einer überströmenden Fülle von Geistesgnaden überschüttet wird. Es wird in der Kirche dargebracht für Lebende und Verstorbene, damit auch allen zugute komme, was zum Heile aller eingesetzt wurde. Keiner vermag die Lieblichkeit dieses Sakramentes auszusprechen. Hier kosten wir das Glück des Geistes in seinem Urquell. Hier wird das Andenken an die übergroße Liebe gefeiert, die Christus in seinem Leiden kundgetan hat. Um diese unermeßliche Liebe den Herzen seiner Gläubigen ganz tief einzuprägen, hat Christus beim Letzten Abendmahle dieses Sakrament eingesetzt, als er das Ostermahl mit den Jüngern gefeiert hatte und sich schon anschickte, zum Vater hinüberzugehen. Er hat es eingesetzt als ein ewiges Denkmahl seines Leidens, als die Erfüllung der alten Vorbilder, als das größte seiner Wunderwerke. So hinterließ er seinen Jüngern, die über seinen Heimgang traurig waren, einen ganz einzigartigen Trost.

Für die frommen Gläubigen gehört es sich deshalb, die Einsetzung dieses segensvollen, wunderbaren Sakramentes feierlich zu begehen. Wir wollen damit Gott unsere Huldigung darbringen, der auf unsagbare Weise in diesem sichtbaren Sakramente gegenwärtig ist. Wir wollen seine Macht preisen, die in diesem Sakramente so zahlreiche Wunder vollbringt. Wir wollen Gott für dieses heilbringende, liebliche Gnadengeschenk unseren schuldigen Dank abstatten.

Wenn auch am Gründonnerstag, an dem dieses Sakrament bekanntlich eingesetzt wurde, bei der heiligen Messe ein besonderes Gedächtnis seiner Einsetzung stattfindet, so handelt doch der ganze übrige Gottesdienst dieses Tages von dem Leiden Christi, mit dessen Verehrung die Kirche in dieser Zeit ganz beschäftigt ist. Damit aber das gläubige Volk die Einsetzung dieses hohen Sakramentes durch eine eigene Festfeier begehen könne, hat Papst Urban IV. in seiner Liebe zu diesem heiligen Sakrament angeordnet, das Gedächtnis seiner Einsetzung solle am ersten Donnerstag nach der Pfingstoktav von allen Gläubigen gefeiert werden. Wir empfangen dieses Sakrament das ganze Jahr hindurch zu unserem Heile, und seine Einsetzung sollen wir gerade zu der Zeit besonders feiern, da der Heilige Geist die Herzen der Jünger belehrte zum vollen Verständnis der Heilsgeheimnisse dieses Sakramentes. Damals begannen ja auch die Gläubigen, dieses heilige Sakrament oftmals zu empfangen.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 09. Januar 2020, 08:12:05
DAS SAKRAMENT DER BUSSE: SEINE EINSETZUNG UND SEINE VERBINDUNG MIT DEM HERRENLEIDEN

In diesem Sakramente ist die Leistung des büßenden Menschen gleichsam der Bildestoff, und die Leistung des Priesters als des Dieners Christi ist gleichsam das, was dem Sakramente die Form gibt und es vollendet. Nun existiert auch bei den anderen Sakramenten der Bildestoff schon vorher, sei es von Natur aus, wie das Wasser, oder sei es durch die Kunst, wie das Brot. Um in ein Sakrament aufgenommen zu werden, bedarf ein solcher Bildestoff jedoch der Einsetzung, die ihn dazu bestimmt. Die Form und die Kraft der Sakramente beruhen gänzlich auf der Einsetzung Christi, aus dessen Leiden die Kraft der Sakramente hervorgeht.

Somit besteht also der Bildestoff dieses Sakramentes schon vorher von Natur aus, denn seine Natur treibt den Menschen dazu an, für das Böse, das er verübt hat, Buße zu tun. Daß aber der Mensch auf diese oder jene bestimmte Weise Buße tun muß, das beruht auf göttlicher Anordnung. Deshalb sagte der Herr den Menschen zu Beginn seiner Predigt, daß sie nicht nur Bußgesinnung haben, sondern Buße tun sollten (Mt 4,17). Damit deutete er schon die bestimmten Arten dessen an, was der Mensch bei diesem Sakrament zu leisten hat. - Die Leistung seiner beauftragten Diener hat Christus jedoch bestimmt, als er dem Petrus sagte: "Ich will dir die Schlüssel des Himmelreiches geben. Was immer du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein; und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein" (Mt 16,18 f.).

Die Wirksamkeit dieses Sakramentes und den Urquell seiner Kraft offenbarte er jedoch nach seiner Auferstehung, als er sagte, daß "in seinem Namen allen Völkern... Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden soll". Vorher hatte er dabei sein Leiden und seine Auferstehung erwähnt. Denn aus der Kraft des Namens Jesu, des Leidenden und Auferstehenden, bewirkt dieses Sakrament die Vergebung der Sünden.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: Caelum am 10. Januar 2020, 07:44:19
DURCH DIE SCHWERE SÜNDE GEHT DEN CHRISTEN DAS NEUE LEBEN VERLOREN

Obwohl nun durch die Sakramente den Menschen die Gnade gespendet wird, so werden sie doch nicht durch den Empfang der Gnade unfähig, zu sündigen...

Die Unfähigkeit, zu sündigen, kann im Menschen nur zugleich mit einer Unabänderlichkeit des Willens bestehen. Diese Unabänderlichkeit des Willens kann der Mensch jedoch nur besitzen, wenn er das Endziel erreicht hat. Denn der Wille wird dadurch unabänderlich gemacht, daß er gänzlich erfüllt wird, daß er nichts mehr hat, wohin er sich abwenden könnte von dem Ziel, in dem er befestigt ist. Diese Erfüllung seines Willens kann der Mensch aber nur besitzen, wenn er tatsächlich das Endziel erreicht hat. Denn solange ihm noch etwas zu wünschen übrigbleibt, ist der Wille noch nicht ausgefüllt. Und deshalb eignet dem Menschen keine Sündenunfähigkeit, bevor er bis zum Endziel vorgedrungen ist. Und das wird dem Menschen nicht durch jene Gnade gegeben, die ihm in den Sakramenten gespendet wird. Denn die Sakramente sind Hilfsmittel für den Menschen, der sich noch auf dem Wege zum Ziele befindet. Kein Mensch wird also sündenunfähig gemacht durch die Gnade, die er in den Sakramenten empfangen hat...

Ferner: Es ist doch offenbar überflüssig, diejenigen zu warnen, sie sollten nicht sündigen, die gar nicht sündigen können. Aber tatsächlich warnt die Lehre des Evangeliums und der Apostel die Gläubigen, die bereits durch die Sakramente des Heiligen Geistes die Gnade empfangen haben. So heißt es im Hebräerbrief (12,15):"Habt acht, daß keiner die Gnade Gottes verscherzt, daß kein Giftkraut aufschießt und Schaden anrichtet." Und der Epheserbrief (4,30) sagt: "Betrübet nicht den Heiligen Geist, in dem ihr besiegelt seid." Ebenso warnt der erste Korintherbrief ( 10,12): "Wer festzustehen glaubt, der sehe zu, daß er nicht falle." Ja, Paulus sagt sogar von sich selbst: "Ich härte meinen Leib ab und mache ihn mir dienstbar, damit ich nicht selbst einst verworfen werde, nachdem ich anderen gepredigt habe" (1 Kor 9,27). Die Menschen werden also nicht durch die in den Sakramenten empfangene Gnade unfähig, zu sündigen.

Dadurch werden diejenigen Irrlehrer widerlegt, die fälschlich behaupten, der Mensch könne nicht mehr sündigen, wenn er die Geistesgnade empfangen habe. Wenn er jedoch sündige, dann habe er die Gnade des Heiligen Geistes niemals gehabt. Zur Stütze dieser falschen Ansicht bedienen sich folgender Schriftstellen: "Die Liebe hört nimmer auf" (1 Kor 13,8). - "Jeder, der in Ihm bleibt, sündigt nicht. Wer aber sündigt, hat Ihn nicht gesehen und nicht erkannt" (1 Joh 3,6). - "Jeder, der aus Gott geboren ist, tut keine Sünde. Sein Lebenskeim bleibt in ihm. Er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist" (ebd. 3,9).

Diese Stellen sind jedoch keine beweiskräftigen Stützen ihrer Behauptungen. Denn der Satz, daß die Liebe nimmer aufhört, hat nicht den Sinn, daß einer, der die Liebe hat, sie niemals verlieren kann. Heißt es doch in der Geheimen Offenbarung (2,4): "Aber ich habe gegen dich, daß du deine erste Liebe nicht mehr hast." Vielmehr hat der Satz "Die Liebe hört nimmer auf" folgenden Sinn: Während die übrigen Gaben des Heiligen Geistes, die eine Unvollkommenheit einbegreifen - wie der prophetische Geist und ähnliches -, "aufhören, wenn die Vollendung kommt" (1 Kor 13,10), bleibt die Liebe erhalten in jenem Stand der Vollendung.

Die Stellen aus dem Johannesbrief wollen jedoch besagen, daß die Gaben des Heiligen Geistes, durch die der Mensch zum Gotteskind angenommen oder wiedergeboren wird, an sich eine solch mächtige Kraft haben, daß sie den Menschen sündenlos erhalten können, und daß der Mensch, der ihnen entsprechend lebt, nicht sündigen kann. Er kann aber im Gegensatz zu ihnen handeln und sündigen, indem er sich von ihnen entfernt. Die Aussage: Wer aus Gott geboren ist, kann nicht sündigen, hat denselben Sinn, wie wenn man sagt: ...Der Gerechte tut nichts Ungerechtes, insofern er nämlich ein Gerechter ist.
Titel: Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
Beitrag von: amos am 11. Januar 2020, 07:07:39
Zitat:Wer aus Gott geboren ist, kann nicht sündigen, hat denselben Sinn, wie wenn man sagt: ...Der Gerechte tut nichts Ungerechtes, insofern er nämlich ein Gerechter ist.Zitatende

Jeder Mensch ist Sünde. Jeder Mensch ist nicht die absolute Wahrheit. Jeder Mensch besteht aus Geist und Seele. Und hier liegt das Problem!

Herr, erbarme dich unser.