THEOLOGISCHE WÜRDIGUNG
Barbara Weigand im Urteil von Bischöfen und Priestern
Im Selbstverlag als Ur-Manuskript gedruckt Gemäß den Dekreten von Papst Urban VIII. und der Heiligen Ritenkongregation wird erklärt, daß diesen veröffentlichten Darlegungen keine andere als die zuverlässig bezeugte menschliche Glaubwürdigkeit beizumessen ist und nicht beabsichtigt ist, in irgendeiner Weise dem Urteil der heiligen katholischen und apostolischen Kirche vorzugreifen.
Das Dekret der Glaubenskongregation (A.A.S.N. 58-18 vom 29. Dezember 1966), das die Canones 1399 und 2318 aufhebt, wurde von Papst Paul VI. am 14. Oktober 1966 gebilligt und auf seine Anordnung veröffentlicht. Auf Grund dieses Dekretes ist es nicht verboten, ohne Imprimatur Schriften über Erscheinungen, Offenbarungen, Visionen, Prophezeiungen oder Wunder zu verbreiten.
1. Auflage 2003
Die Manuskripte sind im Ur-Text belassen.
Copyright © und Herausgeber: Schriftenapostolat Barbara Weigand Wolfgang E. Bastian,
Postfach 1319 D-50364 Erftstadt Schriftleitung: Sekretariat Wolfgang E. Bastian,
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Umfasst sieben
Bände „Offenbarungen an Barbara Weigand“ und daneben
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Barbara Weigand im Urteil von Bischöfen und Priestern
Verfasser:
Msgr. DDr.
Wilhelm Büttner
Pfarrer Hugo Holzamer
P. BonifatiusGünther,OCD
P. Peter Lippert, S. J.
Pfarrer P. M. Weihmann
Pfarrer Engelbert Kleiser
Herausgegeben im Selbstverlag Schriftenapostolat Barbara Weigand Wolfgang E. Bastian
Postfach 1319 in D-50364 Erftstadt
Barbara Weigand 1845 - 1943
Inhaltsverzeichnis
Begleitworte
Msgr. DDr. Wilhelm Büttner
THEOLOGISCHE PRÜFUNG UND WÜRDIGUNG
I. DIE SCHIPPACHER SCHRIFTEN
1. Entstehung d. Schriften v. Barbaras Hand, von Luise
Hannappel u. Hausgenossen
Die Aufzeichnungen von Barbaras
Hand
Die Aufzeichnungen von Luise Hannappel
Die Aufzeichnungen der Hausgenossen
2. Abschriften
und Verbote
3. Authentizität
der Schriften
II. DIE SCHIPPACHER OFFENBARUNGEN
1. Die Rechtslage
2. Allgemeines über den Charakter der Aufzeichnungen
3. Grundsätzliches zur Beurteilung der Schriften
a) Die
Grenzen der wissenschaftlichen Zuständigkeit
b) Verständnis für
die mystische Sprache
c) Fühlen mit dem Mystiker
d) Zurückhaltung im Urteil
e) Die kirchlichen Vorschriften
4. Kriterien
für die Echtheit
5. Die guten Wirkungen der Schippacher Mystik
6. Bewährung
in Zeit und Kritik
III. DIE KIRCHENBEHÖRDLICHEN
PRÜFUNGEN
1. Bischof
Haffner Jahre 1896
2. Ordinariat
Köln im Jahre 1909
3.
Ordinariat Freiburg im Jahre 1914
4.
Ordinariat Würzburg im Jahre 1916
a)
Das Verhör der Barbara Weigand am 5. Januar 1916
b) Die Prüfung
der Weigand'schen Offenbarungen und Werke
IV. DIE TRÄGERIN
DER OFFENBARUNGEN
1. Nachträge
zu ihrem Sittenbild
2. Die gesunde
Jungfrau
a) Grenzen
der ärztlichen Prüfungsmethode
b) Das physiologische
Bild der Ekstasen
c) Ursachen und
Kennzeichen der Hysterie
d) Unter der Brille des
Arztes
VI. SCHIPPACH IM URTEIL VON
BISCHÖFEN UND PRIESTERN
1. Urteile
über Barbara Weigand
a) Über ihr Leben von
1845 - 1885
b)
Über ihr Leben von 1885 bis zu ihrem Tode 1943
2. Urteile
über den Liebesbund
3. Urteile
über den Kirchenbau
P. Bonifatius Günther
OCD
THEOLOGISCHE
WÜRDIGUNG ÜBER BARBARA WEIGAND
1. Enthalten die Aufzeichnungen Verstöße gegen die kirchliche
Lehre?
2. Schwierigkeiten für die Schriften der Barbara Weigand
3. Die Tatsache ihres heroischen Lebens
4. Das Bild Gottes
5.
Wie ist die Echtheit zu beurteilen?
6. Was soll man zu der Untersuchung im Elisabethenstift
sagen?
7. Wie sind ,,die Gesichte und Ansprachen" zu erklären?
Pater Peter Lippert, S. J
SCHIPPACH EINE ENTGEGNUNG UND RICHTIGSTELLUNG
Pfarrer P. M. Weihmann
BRIEF AN S. H. PAPST PIUS
XII.
1. Einleitung
2. Brief
Pfarrer Engelbert Kleiser
BRIEF DES ERBLINDETEN PFARRERS
ENGELBERT KLEISER
von Bickesheim in Baden
BEGLEITWORTE
Was jahrzehntelang als unmöglich erschien,
hat sich in den letzten zwei Jahren voll erfüllt: Die als ,,Schippacher Schriften"
bekannten Gesichte und Ansprachen der Gottesdienerin Barbara Weigand wurden als
Manuskripte allesamt zusammengetragen, aufgearbeitet und als ,,Offenbarungen an
Barbara Weigand" in sieben wertvollen Bänden gedruckt und kostenlos abgegeben. Inzwischen
sind mehrere Bände vergriffen, so daß eine zweite
Auflage erforderlich wurde.
Der rote Faden, der die ganzen Schippacher Offenbarungen durchzieht und ihr Herzstück
bildet, die Sendung der Barbara Weigand darstellt, ist die Einführung der öfteren
Kommunion. Dafür betet und opfert Barbara Weigand schon in den 70er Jahren heroisch,
indem sie mehrmals in der Woche je 5 Stunden hin und zurück zu Fuß von Schippach
nach Aschaffenburg ging, und zwar des nachts, um im dortigen Kapuzinerkloster kommunizieren
zu können, weil daheim an Werktagen der Tabernakel geschlossen blieb. Was hat Barbara
Weigand für ihre Überzeugung und Liebe zur heiligen Kirche nicht alles an Leiden
und Schmähungen auf sich nehmen müssen, lange Zeit ihres Lebens hindurch bis zu
ihrem Tode. Wie sehr hat sie doch in Stille und Zurückgezogenheit darunter gelitten,
daß die Kirche ihre Sendung so sehr mißachtet und verketzert hat. Fast ein dreiviertel
Jahrhundert at sie in einzigartiger Hingabe dem lieben Heiland und der Gottesmutter
Maria als Werkzeug der heiligen Eucharistie gedient und sich danach verzehrt, in
Gehorsam und Verdemütigung eine getreue Magd des Herrn zu sein.
Wie heißt es so treffend in der Oration auf das Fest der Wundmale des heiligen Franziskus:
,,Als die Welt zu erkalten begann, hast du, um unsere Herzen mit dem Feuer deiner
Liebe zu entzünden, am Leibe des heiligen Franziskus die heiligen Wundmale deines
Leidens erneuert."
Wie treffend betont gerade zu diesem Gegenstand Papst Pius XII. in seiner Enzyklika
Mystici Corporis vom 29. Juni 1943, daß ,,solche mit Wundergaben ausgestatteten
Menschen niemals in der Kirche fehlen werden." ,,Bald - und dies zumal in schwierigen
Zeitumständen - erweckt Er im Schoße der Mutter Kirche Männer und Frauen, die durch
den Glanz ihrer Heiligkeit hervorleuchten, um den übrigen Christgläubigen zum Beispiel
zu dienen für das Wachstum Seines geheimnisvollen Leibes." ,,Ohne Fehl erstrahlt
unsere verehrungswürdige Mutter ... endlich in den himmlischen Gaben und Charismen,
durch die sie in unerschöpflicher Fruchtbarkeit unabsehbare Scharen von Märtyrern,
Jungfrauen und Bekennern hervorbringt."
Am 1. Juni 1946 sprach vor dem Kardinalskollegium Papst Pius XII. die folgenden
Worte: ,,Wir fühlen uns gedrängt, aufs neue Unsere Stimme zu erheben, um Unseren
Söhnen und Töchtern der katholischen Welt die Warnung in Erinnerung zu rufen, die
der göttliche Heiland im Laufe der Jahrhunderte in Seinen Offenbarungen an bevorzugte
Seelen nie aufgehört hat einzuschärfen: Entwaffnet die strafende Gerechtigkeit durch
einen Kreuzzug der Sühne in der ganzen Welt!" Wir sehen: Barbara Weigands Glaube,
vom Herrn mit einer besonderen Mission für unsere Zeit betraut worden zu sein, widersprach
in keiner Weise dem katholischen Glauben. Wohl aber zeugt die Ablehnung des Charisma
von Barbara Weigand durch deutsche Priester und Kirchenobere von jener rationalistischen
Denkweise, gegen welche sich gerade um jene Zeit Papst Pius X. so energisch wenden
mußte.
Priester und die katholische Presse haben sich
mit der Jungfrau Barbara Weigand und ihren Werken jahrelang und ausgiebig befaßt.
In ungezählten Presseartikeln, in Fachzeitschriften und in dickleibigen Bänden ist
von ihrer Person und ihren Werken geschrieben und der Öffentlichkeit ein Bild vorgeführt
worden, das alles andere, nur keine geschichtliche Wahrheit ist. Das konnte aber
gar nicht anders sein: das dort vorgetragene Bild mußte ein Zerrbild werden, da,
wie authentisch feststeht, die aktivsten Gegner weder jemals eine Originalurkunde
von Schippach in Händen noch auch die Schippacher Jungfrau jemals zu Gesicht bekommen
hatten.
Es gab aber auch Priester, und dazu zählen vor
allem auch die Autoren der in diesem Buch enthaltenen Manuskripte, welche aus genauer
Kenntnis dieser Person, die sie als Seelsorger, Beichtväter, Gewissensberater oder
durch gründliches Aktenstudium gewonnen hatten, den Schippacher Vorgängen gegenübertraten
und darum in der Lage waren, nicht nur das äußere Gehabe der Jungfrau mit scharfem
Blick zu verfolgen, sondern auch in ihr Inneres zu schauen und die tiefsten Wurzeln
ihres Wollens und selbstlosen Handelns zu erkennen: diese Priester aber haben der
Jungfrau Barbara Weigand und ihren Werken hohes Lob widerfahren lassen. Sie haben
umfassende Studien als theologische Prüfungen und Gutachten erstellt und ihre Ergebnisse
der aufgestachelten katholischen Presse und den damit befaßten Kirchenoberen mutig
entgegengestellt. Diese zu veröffentlichen ist jetzt an der Zeit!
Als theologische Prüfungen und Würdigungen stellen
sie das Leben und Wirken von Barbara Weigand ins Licht katholischer Lehre und Grundüberzeugungen
und geben somit der einen Wahrheit Zeugnis und die Ehre. Es sind Stimmen, die aus
allen Perioden ihres langen Lebens genommen sind und sich somit zu einer lückenlosen
Kette von Zeugnissen für das Vollkommenheitsstreben und den lauteren Charakter der
Schippacher Jungfrau zusammenschließen; es sind Dokumente von Augen- und Ohrenzeugen.
P. Joseph Bergmiller S.D.S., ein ausgezeichneter
Kenner der Schippacher Bewegung schrieb wenige Wochen vor seinem Tode (26. September
1942): ,,Ich Unterzeichneter erkläre vor Gott und meinem Gewissen und im Angesichte
des Todes, den ich in kurzer Zeit erwarte, daß ich in den ca. 30 Jahren seit 1913,
in denen ich mit Barbara Weigand von Schippach bekannt bin, dieselbe immer sowohl
im Umgang wie im schriftlichen Verkehr als höchst ehrenwerte, fromme, wahrheitsliebende
und in jeder Hinsicht tugendhafte Jungfrau kennengelernt habe. Nie, auch nicht in
den Jahren ihrer schwersten Verfolgungen und öffentlichen Verleumdungen, in denen
ihre Gegner kaum weiter mehr hätten gehen können, bin ich an der Ehrlichkeit und
Gewissenhaftigkeit ihrer Person nie irre geworden. Oft äußerte ich in jenen traurigen
Jahren den Zweiflern gegenüber, daß ich für die Wahrheitsliebe der Barbara Weigand
die Hand in das Feuer legen würde."
Dieses Buch ist an alle gerichtet, die sich mit den Offenbarungen an Barbara Weigand
auch theologisch auseinandersetzen wollen. Für alle an Privatpersonen gegebenen
Offenbarungen gilt ja das Pauluswort: ,,Prüfet alles, und was gut ist, behaltet!"
Mit einem gewissen Bedauern sehen wir, daß die offiziellen Stellen der Kirche, vor
allem die regional zuständigen Diözesen Würzburg und Mainz, sich in Sachen Barbara
Weigand bedeckt halten. Wir hegen den innigsten Wunsch und beten dafür, daß es dort
zu einer größeren Aufgeschlossenheit gegenüber diesem Offenbarungswerk kommen möge.
Pfarrer Hugo Holzamer bringt es auf den Punkt, wenn er seine theologische Würdigung
mit der Schlußbemerkung ziert: Möge die Zeit wiederkehren, wo dem Glanze der Heiligkeit
und dem Wehen des Heiligen Geistes auch in unserem Vaterlande wieder freie Bahn
geschaffen ist. Dazu ist notwendig, daß sich vor allem unsere Priester und Theologen
erinnern, daß sie sich befähigen müssen, nicht etwa die Verfolger, sondern die geistlichen
Führer frommer und begnadigter Seelen zu sein. Diese Befähigung erlangen sie aber
nicht an den Pfützen des Rationalismus und bei den Trebern des Modernismus, sondern
nur bei der gesunden und reichen Kost des Vaterhauses, wie sie auch in der Mystik
nur die Tradition der katholischen Kirche bietet. Anstatt mit dem Abhub einer fälschlich
sogenannten Wissenschaft des Irr- und Unglaubens mögen unsere Priester mit den großen
Meistern der mystischen Theologie der Vorzeit sich mehr und mehr beschäftigen. Dann
werden uns Irrwege und Ärgernisse, wie sie in der Bekämpfung der Sache von Schippach
wieder offenbar wurden, erspart bleiben.
Friedrichsdorf, im Oktober 2003
Schriftleitung und Herausgeber
Inhaltsverzeichnis
THEOLOGISCHE
PRÜFUNG UND WÜRDIGUNG
Päpstlicher Geheimkämmerer und Geistlicher Rat
Msgr. DDr. Wilhelm Büttner
I. DIE SCHIPPACHER
SCHRIFTEN
1. Entstehung
der Schriften von Barbaras Hand, von Luise Hannappel und von Hausgenossen
,,Nachdem ich arme und unwürdige Magd des
Herrn vom Jahre 1886 bis 1894 in der Stadt Mainz unaussprechlich viele Gnaden vom
Herrn empfangen habe, will ich aus Dankbarkeit gegen Ihn wenigstens dieses Jahr
1894 anfangen, einiges aufzuschreiben, daß ich die Danksagung nicht vergesse".
Mit diesen demütigen Worten beginnt Barbara Weigand
die Aufzeichnungen ihrer inneren Erlebnisse seit dem Jahre 1894. Von da an schrieb
sie über ihr Leben und ihre seelischen Zustände bis herauf in ihr Greisenalter Notizen,
von denen allerdings die meisten aus den unten anzugebenden Gründen nur mehr abschriftlich
vorhanden sind.
Außerdem hatte sich seit dem Jahre 1895 der Schippacher
Jungfrau eine sehr gebildete Mainzer Dame angeschlossen, Fräulein Luise Hannappel,
welche nun ihrerseits Aufzeichnungen machte, die dann zusammen mit jenen von Barbara
und einiger anderer Personen unter dem Namen ,,Schippacher Schriften" bekannt geworden
sind.
Die Aufzeichnungen
von Barbaras Hand
Leider stehen, wie schon erwähnt, die meisten
ihrer handgeschriebenen Zettel nurmehr in Abschriften zur Verfügung, da die Urschriften
anlässlich der behördlichen Untersuchungen an die kirchlichen Vorgesetzten eingeschickt
oder von diesen einverlangt wurden und sich demzufolge unter den Ordinariatsakten
von Mainz und Köln und beim Heiligen Offizium in Rom befinden. Die Akten des Ordinariats
Würzburg wurden am 16. März 1945 ein Raub der Flammen. Die Abschriften fertigten
zumeist Luise Hannappel, also eine Augen- und Ohrenzeugin, Frau Zulauf, Frl. Stahl
und ein Herr Schweratt; sie tragen die eigenhändige Unterschrift Barbaras, die sie
damit zum Werte von Urschriften erhebt.
Über ihre Erlebnisse bis zum Jahr 1896 gibt einen
guten Überblick das ,,Leben", ein Heftchen von 84 Seiten in Oktavformat, das sie
im Jahre 1896 auf Veranlassung ihres damaligen Seelenführers P. Ludwig O.Cap. schrieb.
Die Aufzeichnungen in diesem Büchlein sind in einfacher, schlichter Form verfasst,
laufen ohne Einteilung in Lebensabschnitte ununterbrochen fort und erschweren wegen
der nicht immer streng eingehaltenen zeitlichen Aufeinanderfolge nicht wenig die
Lektüre und den Überblick. Inhaltlich bringen sie in Offenheit und Aufrichtigkeit
Gutes und weniger Gutes über die Schreiberin und zeugen schon deshalb von der Ehrlichkeit,
von der sie bei der Abfassung erfüllt war. Ruhig und reserviert, ohne Anmaßung und
Überheblichkeit, einfach und bescheiden schließt die Schreiberin ihr ,,Leben" mit
dem Bekenntnis: ,,Dieses ist mein Leben und einige der Gnaden, die ich glaube, daß
der liebe Gott sie in mir gewirkt hat."
Als Barbara dieses ihr ,,Leben" verfasste, zählte
sie fünfzig Lebensjahre und stand bereits im Brennpunkt des Meinungsstreites mit
ihren Mainzer Beichtvätern, über deren Haltung sie ein anschauliches Bild enthüllt,
wobei sie ihren Schmerz über gewisse Vorkommnisse nicht zu unterdrücken vermag.
Über die Gnadenerweise seit dem Jahre 1887 führte
sie Buch auf Befehl ihres Beichtvaters P. Alphons O.Cap., dem sie diese Aufzeichnungen
regelmäßig zu bringen hatte.
,,Als ich", schreibt sie, ,,diesem von meinen
übernatürlichen Dingen gesagt hatte, wies er mich anfangs barsch ab. Später aber
befahl er mir, alles aufzuschreiben, und ihm zu bringen. Dies tat ich auch mehrere
Jahre hindurch, bis kurz vor dem Tode meines Bruders" (gest. 5. April 1892).
Anderwärts bemerkt sie, daß sie drei Jahre lang
dem Pater ihre Aufzeichnungen gebracht habe.
Wiederum schreibt sie vom Jahre 1893: ,,Sechs
Jahre vorher hatte mir derselbe Beichtvater befohlen unter Gehorsam, nichts zu verschweigen
von meinen übernatürlichen Gnaden, ihm stets alles aufrichtig zu sagen, und weil
ich im Beichtstuhle nicht alles sagen konnte, befahl er mir, es aufzuschreiben und
ihm zu bringen, und wenn es noch so schlecht geschrieben war, weil ich meistens
bei der Nacht und im kalten Zimmer schreiben mußte und mich deswegen entschuldigte,
sagte er jedesmal beruhigend: ,,Kümmere dich nicht, ich kann es lesen".
Diese Aufzeichnungen sind im Kapuzinerkloster
zu Mainz nicht mehr vorhanden. Auch später, als bereits Teilnehmerinnen an den Ekstasen
den regelmäßigen Schreibdienst besorgten, kam es öfters vor, daß Barbara, in den
natürlichen Zustand zurückgekehrt, mit eigener Hand aus der Erinnerung niederschrieb,
so z. B. die Nummern 29, 30, 31, 43, 59, 101, 156, außerdem die Auditionen außerhalb
der Ekstasen.
Ferner stammen von Barbaras Hand die meisten Aufzeichnungen nach dem Jahre 1900
oder aus jenen Zeiten, in welchen der Freundin das Aufschreiben von der geistlichen
Behörde untersagt war. Endlich finden sich nach dem Jahre 1910 nur noch gelegentliche
und vereinzelte Einträge, ebenfalls von ihr aus dem Gedächtnis wiedergegeben. Über
die Zeit von 1907 bis 1909 finde ich eine aufschlussreiche Bemerkung in einem Briefe
Barbaras an den Generalvikar von Mainz vom 5. März 1909, worin sie schreibt:
,,Nach dem Tode des P. Ludwig (gest. 12. Juni 1907) richtete ich mich nach dem Willen
meines Beichtvaters, den ich aus wichtigen Gründen nicht angebe, so daß ich lange
Zeit nicht einmal Briefe beantwortete, bis er mir sagte: Ich erlaube Ihnen, nun
einen anderen Seelenführer zu wählen; denn die Freiheit des Geistes ist jedem Christen
gestattet. Darauf sah ich mich um nach jemand und erhielt die Erlaubnis, die Gnaden
aufzuschreiben; aber nur einmal dürften sie aufgeschrieben und ihm zugeschickt werden.
So wird es auch gehalten in letzter Zeit."
Noch in ihrem höchsten Greisenalter schrieb sie innere Erleuchtungen auf und brachte
sie ihrem Beichtvater.
Zur Niederschrift ihrer Erleuchtungen glaubte sich Barbara durch die innere Stimme
gedrängt, wie sie z. B. im Jahre 1904 ihrem Beichtvater meldet: ,,Am Anfang der
Woche sagte der Herr: Diese Woche schreibe auf, was Ich dir sage, und richte dich,
es bis Samstag deinem Beichtvater einzuhändigen".
Schon im Jahre 1901 hatte sie in einem Briefe an das Ordinariat Mainz die Versicherung
abgegeben: ,,Alles, was ich schreibe, tue ich, weil ich innerlich dazu aufgefordert
werde".
Inhaltsverzeichnis
Die Aufzeichnungen
von Luise Hannappel
Weitaus der größte Teil der Aufzeichnungen stammt
jedoch von Luise Hannappel, die bis zu ihrem Tode, am 15. Dezember 1923, in unverbrüchlicher
Freundschaft an der Seite der Schippacher Jungfrau stand und Freud und Leid mit
ihr teilte.
Wie Luise Hannappel mit Barbara bekannt wurde,
mag sie uns mit ihren eigenen Worten erzählen, die sie in ihrem Bericht an den Bischof
von Würzburg niedergelegt hat: ,,Da noch nicht lange meine Mutter gestorben war,
ließ ich nicht nur viele heilige Messen lesen, sondern bat auch meine Haushälterin,
die mit vielen frommen Personen bekannt war, mir einige ihrer Bekannten zuzuführen,
um ihnen ein Melcherskreuz zu geben mit der Bitte, für meine liebe Verstorbene einmal
den Kreuzweg zu beten."
Auf diese Weise lernte ich Barbara Weigand kennen. Denn eines Tages kam meine Haushälterin
und sagte: ,,Ich weiß aber noch eine gute Beterin, die ist die frömmste in der ganzen
Stadt!" Sie führte mir dann gleich darauf, meinem Wunsche entsprechend, Barbara
zu. Doch blieb das bei einer kurzen Gebetsempfehlung, die aber dann sooft wiederholt
wurde, als ich Barbara bei einem Kirchgang traf. Da es nun vorkam, daß ich sie lange
nicht mehr sah und ich, nach dem Grunde fragend, hörte, daß sie krank sei, erkundigte
ich mich nach ihrer Adresse, ging hin und fand sie an einem Freitagmorgen, acht
Uhr, zwischen vier Wänden in Ekstase mit himmlischen Wesen laut redend. Meine Seele
war davon derart erschüttert, daß ich, noch ehe die Ekstatische zu sich kam, zu
meinem und zugleich zu ihrem Beichtvater (P. Alphons O.Cap.) lief, ihm davon Kenntnis
zu geben.
,,Wenn so etwas sein kann", sagte er, ,,so kann
das hier echt sein; denn ich beobachte die Person schon seit acht Jahren und ich
habe noch niemals jemand so andächtig den Kreuzweg beten sehen wie diese."
Nachdem sie dann auf den Rat des Paters hin noch
die Meinung ihres Bruders, P. Ludwig O. Cap., eingeholt und über Barbara sorgfältige
Erkundigungen eingezogen hatte, worüber abermals ,,einige Monate" vergingen, nahm
sie der Wichtigkeit der Sache halber nunmehr zu Barbara eine positive Haltung ein.
Auch glaubte sie, sich damals schon durch die innere Stimme der Jungfrau Barbara
zum Aufschreiben der Worte ermuntert: ,,Meine Tochter! Willst du bei Tag und Nacht
bereit sein, wann immer Ich dich rufen werde, Meine Stimme zu hören und sie der
Menschheit zu übermitteln? Die Kraft dazu werde Ich dir geben".
Das war im Frühjahr 1895. Denn P. Alphons redet
von ,,acht Jahren", seit er Barbara kenne; sie ist aber seit 1887, wie wir wissen,
sein Beichtkind. Auch anderweitige Zeugnisse bestätigen dieses Datum. So liegt vor
mir ein Blatt, geschrieben von Luise Hannappel im Jahre 1907 zur Abwehr des Vorwurfs,
sie ,,mache" die Sache. Darin redet sie von einem ,,Bekanntwerden Barbaras mit mir
1895", und wiederum: ,,Als Lieschen (gemeint ist die andere Freundin) 1894 vom Herrn
herbeigeführt wurde, um Babett im Leiden beizustehen, da blieb sie von da an Zeuge,
also ein Jahr vor mir."
An anderer Stelle spricht Barbara davon, daß
P. Ludwig zwölf Jahre lang ihre Vorgänge überwachte. Nun kam P. Ludwig gleichzeitig
mit seiner Schwester Luise zu näherer Bekanntschaft mit Barbara; da er im Jahre
1907 starb, muß also der Beginn seiner und seiner Schwester Bekanntschaft mit Barbara
in das Jahr 1895 gesetzt werden.
Dieses Datum entspricht auch ganz dem Beginn
der Aufzeichnungen durch Luise Hannappel, die mit der Vigil des Herz-Jesu-Festes
1895 ihren Anfang nahmen, da sich in einem Nachtrag zu diesem Tag die Bemerkung
findet: ,,Einiges nur, was man äußerlich hörte".
Hannappel besaß nach ihrem eigenen Geständnis eine besondere Gewandtheit im Schnellschreiben
und fing nun an, mit dem Redestrom der Ekstatischen gleichen Schritt zu halten,
was ihr aber, wie sie später selbst gesteht, nicht gelang. So bemerkt sie in einem
Anhang zum ,,Leben", sie habe anfangs nicht alles zu Papier bringen können, sondern
,,fast die Hälfte ausgelassen", bis sie sich nach und nach hineingeschult habe.
Am Schlusse ihrer kleinen Selbstbiographie nennt sie als Zeitpunkt des Beginnes
des regelmäßigen Mitschreibens ,,1895 Ende"; sonach sind alle Aufzeichnungen des
Jahres 1895, wie auch der Jahre 1896 und 1897 auf diese unvollkommene Art entstanden.
Seit dem Anfang des Jahres 1897 begann sie, die Stenographie zu erlernen, wozu ihr
Bischof Haffner selbst ein Lehrbuch zur Verfügung stellte, so daß sie seit ,,Ende
1897 Wort für Wort, wie es aus dem Munde von Barbara fließt, aufzeichnen kann, ohne
etwas zu verändern oder auszulassen, indem sie mit dem Diktat gleichen Schritt hält".
Inhaltsverzeichnis
Die Aufzeichnungen
der Hausgenossen
Einige Einträge in den Schriften stammen von
der Schwägerin Barbaras und ihren Dienstmädchen, wie eine Bemerkung vor Nr. 101
vom 31. März 1897 besagt: ,,Das Leiden begann in der Nacht auf den Sonntag, Schlag
Mitternacht. Es war niemand dabei wie ihre Schwägerin, die nur wenig aufschreiben
konnte, weil sie dem schnellen Redefluß nicht folgen konnte, darum nur Bruchstücke";
ebenso vor Nr. 103 vom 11. April 1897: ,,Diesesmal machten sich Frau Weigand und
die beiden Dienstmädchen daran und schrieben um die Wette auf, und dieses stellte
dann die Schreiberin zusammen und Babett fügte dann noch, soviel sie behalten hatte,
aus ihrem Gedächtnis dazu, doch ist es bei weitem nicht vollständig."
Auch in Nr. 101, S. 153 ist bemerkt, daß ,,die
Schwägerin dem schnellen Redefluß nicht folgen und deshalb nur weniges aufschreiben
kann."
Von einem authentischen Text kann hier natürlich
keine Rede sein. ,,Eructavit cor meum verbum bonum, lingua mea calamus scribae velociter
scribentis".
Inhaltsverzeichnis
2. Abschriften
und Verbote
Im Jahre 1896, ,,gleich nachdem einige Bücher
der Mitteilungen voll waren", brachte Hannappel diese Schriften ihrem Beichtvater
P. Bonifaz O.Cap. mit der Bitte, sie dem Bischof vorzulegen, was der Pater jedoch
ablehnte. Infolgedessen glaubte Hannappel, ,,wegen der seitherigen freundschaftlichen
Beziehungen", diesen Schritt selber tun zu dürfen. Aber der Bischof untersagte ihr
das weitere Aufschreiben, was auch befolgt wurde, wie aus den Schriften leicht festzustellen
ist, wo vom 6. Juli 1896 bis zum 13. September 1896 die Einträge fehlen, wie auch
anderwärts bestätigt wird, so am 2. August 1896 und am 6. August 1896.
Als Hannappel später den Bischof um Aufhebung
des Verbotes bat, sagte er nach ihrem Berichte: ,,Tun Sie von jetzt an, was Ihr
Beichtvater sagt", und sie fügt hinzu: ,,Dieser erlaubte mir, wieder aufzuschreiben."
Unterdessen teilte ich immer dem Bischof das
Neueste mit und er empfing mich stets mit Wohlwollen. Wir hielten dann eine Novene
zur Unbefleckten Empfängnis, damit die liebe Muttergottes bewirke, daß der Bischof
sich klar ausspreche. Und siehe da, als ich in dieser Novene wieder zu ihm kam,
sagte der Bischof in ganz feierlichem Ton: ,,Von heute an erlaube ich Ihnen aufzuschreiben
und Frau Zulauf darf Ihnen helfen abschreiben. An P. Ludwig können Sie es senden,
nur hier in der Stadt lassen Sie mir alles ruhig".
Das scheint Ende August oder Anfang September
gewesen zu sein, nach einem Eintrag vom 3. September 1896: ,,Von hier an wurde wieder
aufgeschrieben."
Hannappel ergänzt diese Bemerkung durch eine
Notiz in ihrem ,,Lebenslauf": ,,Seit der Zeit brachte ich dem Bischof bis zu seinem
Tod alle acht bis vierzehn Tage das Neueste und nahm das Alte mit zurück, um es
ihm dann später gebunden von neuem zu überreichen."
Als Luise Hannappel am 27. Oktober 1899 wegen
der Bußwallfahrten nach Gonsenheim vor eine bischöfliche Kommission gerufen wurde
und sich auf die obige mündliche Erlaubnis des Bischofs berief, konnte sich der
Bischof dieses Vorganges nicht mehr erinnern; schon fünf Tage später starb er.
An der wirklich erteilten Genehmigung zweifelte
aber auch der Kommissionsvorsitzende Domkapitular Dr. Brück nicht, wie seine Äußerung
ersehen lässt: ,,Der Bischof will nichts mehr von der Erlaubnis wissen; es muß aber
wohl so sein, sonst hätte er Ihnen die Bücher nicht abnehmen dürfen, die er mir
zur Prüfung übergab".
Dagegen wurde ein abermaliges Verbot von dem
neuen Beichtvater im Jahre 1898 ausgesprochen, das jedoch schon bald mit der Versetzung
des Paters erlosch.
Die Zahl der Abschriften der so entstandenen
Schippacher Schriften konnte wohl niemand feststellen; aber angesichts des umfangreichen
Stoffes - ich zähle 58 Oktavhefte von je etwa 200 Seiten und eine Anzahl loser Blätter
- und der primitiven Art des Kopierens mit Tinte und Feder, konnte diese Zahl nicht
groß gewesen sein. Das Schicksal der Hefte war ein sehr bewegtes. Im Jahre 1900
mußten alle erreichbaren Exemplare an Bischof Brück ausgeliefert werden.
Im Jahre 1909 ging eine Garnitur an das Ordinariat
in Köln, im Dezember 1915 wurden sie vom Ordinariat Würzburg zur Berichterstattung
an die Päpstliche Nuntiatur eingefordert und am 5. Januar 1916 dem Ordinariat zu
diesem Zweck übergeben.
Schon damals scheinen so gut wie keine mehr im
Umlauf gewesen zu sein; denn als der dem Kirchenbau sehr abgeneigte Vorstand des
Bezirksamtes Obernburg durch die Polizei nach den Schriften fahnden ließ, konnte
diese trotz eifriger Nachforschungen kein Exemplar mehr auftreiben. Nur Barbara
blieb im Besitz einer Garnitur. Da diese Schriften nicht nur ihre inneren Erlebnisse
enthalten, sondern zugleich ihren äußeren Lebenslauf und den ihrer weitverzweigten
Verwandtschaft schildern, bilden sie auch eine kostbare Fundgrube für die Familien-
und Sippenkunde und sind darum auch von hohem familiengeschichtlichen Werte.
Inhaltsverzeichnis
3. Authentizität
der Schriften
Bilden die Schriften die zuverlässige Wiedergabe
dessen, was Barbara Weigand in ihren Ekstasen gesprochen oder in ihren Visionen
geschaut hat? Haben die Schreiber die Aussprüche der Visionärin wiedergegeben? Oder
haben sie daran Änderungen vorgenommen? Haben sie vielleicht Teile dieser Reden
unterschlagen? Haben sie aus Eigenem hinzugefügt?
Soweit die Visionärin selber als Schreiberin
in Betracht kommt, ist die Beantwortung der Frage nicht schwierig: Sie hat ja ihre
Aufzeichnungen erst geraume Zeit nach den Ekstasen aus dem Gedächtnis gemacht, kann
also, zumal angesichts des oft recht umfangreichen Stoffes, auch trotz ihres sehr
guten Gedächtnisses unmöglich alles wortwörtlich wiedergegeben haben, was sie vorher
gesehen, gehört oder gesprochen hatte. Anders aber liegen die Dinge bei Hannappel
und den Hausgenossen, vorab bei ersterer, welche für die meisten Aufzeichnungen
in Betracht kommt. Da ist nun von vornherein die Vermutung abzuweisen, als ob Hannappel
absichtlich das Gehörte anders aufgeschrieben habe als es an ihre Ohren drang, oder
daß sie absichtlich die rasch hingeworfenen Aufzeichnungen bei der Reinschrift entsprechend
zurechtfrisiert hätte.
Schon gegenüber der geistlichen Behörde in Mainz
wie auch im Jahre 1921 gegenüber dem Ordinariat Würzburg erklärte sich Hannappel
bereit, einen Eid abzulegen: 1. daß sie die schöne Form nicht hinzugetan, 2. überhaupt
keine Form und nichts Wesentliches, sondern, daß die formvollendeten Vorträge ganz
das Werk der Barbara Weigand sind, 3. daß sie nichts nach eigenem Ermessen abgeändert,
erweitert, verschärft habe, 4. daß sie mit größter Gewissenhaftigkeit alles so aufgeschrieben
habe, wie das Diktat an ihr Ohr gedrungen sei."
Wohl sei es möglich, daß bei dem schnellen Diktat
und wegen oftmaligen Straßenlärms hie und da ein Wort, ja halbe und ganze Sätze
ausblieben, was jede Zweideutigkeit ausgeschaltet hätte.
,,Durch einen Tadel des Herrn veranlasst, habe
ich hie und da ein einziges Wort, das einen offenkundigen Fehler enthielt, oder
ein Bindewort wie ,,und", wo es fehlte, beigefügt oder ein unrichtig placiertes
Zeitwort an seine Stelle gesetzt."
Wenn die Ekstase vorbei war, habe sie mit den
Hausgenossen, mit Frau Weigand und den drei Mädchen, mit größter Ehrfurcht die Sache
noch einmal durchgegangen, um zu prüfen, ob alles genau mit dem Gesprochenen übereinstimme
und ein oder das andere Wort, das sie zusammen noch wussten, beigefügt. Seitdem
sie geläufig habe stenographieren können, habe sie ohnehin alles wörtlich aufnehmen
können.
Die Gewissenhaftigkeit der Luise Hannappel beim
Aufzeichnen des Gehörten wird ,,an Eidesstatt" in einer feierlichen Erklärung auch
von Maria Weigand bezeugt, die den Ekstasen ihrer Tante regelmäßig beiwohnte, und
auch von P. Felix Lieber OFM bestätigt, der seit 1909 die Seelenleitung der Visionärin
hatte.
Dieser Pater schrieb mir hierüber wörtlich: ,,Gleich
zu Anfang, als meine Wenigkeit 1909 die Seelenleitung der Barbara Weigand übernahm,
forderte ich von der Schreiberin, Fräulein Hannappel, Rechenschaft über die Art
und Weise, wie sie niederschrieb. Ich muß hiermit offiziell bezeugen, daß sie das
mit der größten Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit tat, ohne von dem ihrigen ein
Wort beizufügen oder etwas eigenmächtig auszulegen oder zu erklären. In zweifelhaften
Fällen fragte sie (selbst in meiner Gegenwart) die Barbara Weigand, wie sich der
Herr oder die Muttergottes ausgedrückt hatte; und was nicht mehr zu ermitteln war
bei späteren Mitteilungen, ließ sie es eben dabei, so daß ich sagen muß: Sie war
beim Niederschreiben der Mitteilungen durchaus gewissenhaft, ich möchte fast sagen:
Skrupulös, wie ich das bei verschiedenen Gelegenheiten in der Zeit meiner Seelenleitung
feststellen konnte".
Es liegt sonach kein Grund vor, die Ehrlichkeit
der Schreiberin in Zweifel zu ziehen. Daß Luise Hannappel gewissenhaft zu Werke
ging, mag man auch daraus sehen, daß sie Aussprüche, die offenbar nicht übernatürlichen
Ursprungs waren, nicht unterschlagen hat, was ihr doch ein Leichtes gewesen wäre.
Wo Hannappel stenographisch mitschrieb, dürfte somit der Text Anspruch auf größtmögliche
Authentizität erheben.
Aber man darf auch nicht übersehen, daß sie in
vielen Ekstasen nicht stenographisch, sondern kurrent oder nur bruchstückweise oder
überhaupt nicht schrieb, oder daß nur die Schwägerin und die Dienstmädchen in ihrer
unbeholfenen Art schrieben.
In allen diesen Fällen kann von wortgetreuer
Wiedergabe natürlich keine Rede sein. Selbst Hannappel gibt wiederholt ausdrücklich
zu, wegen des starken Redestroms der Visionärin nicht mitgekommen zu sein, z.B.
in Nr. 50, S. 152: ,,Am Feste Christi Himmelfahrt war der Redefluß so gewaltig,
daß nicht mitzukommen war und vieles verlorenging", oder in Nr. 104, S. 30: ,,Der
Redefluß war heute so stark, daß Schreiberin mehrmals einen Satz auslassen mußte,
um gleichen Schritt halten zu können."
Auch von Auslassungen redet sie ausdrücklich,
z. B. in Nr. 85, S. 4, daß sie ,,oft nicht zu schreiben imstande war" ob der großen
Zärtlichkeit des höchsten Herrn, oder in Nr. 57, S. 96: ,,Heute hat Schreiberin
sehr vieles ausgelassen, so daß sogar der Zusammenhang fehlt." In Nr. 62, S. 34
heißt es: ,,Darauf sagte Jesus ungefähr so", in Nr. 167, S. 29 ist bemerkt: ,,Als
der Herr anfing zu sprechen, machten sich die zwei Nichten und die zwei Dienstmädchen
dran aufzuschreiben, doch konnten sie es nicht alles fassen. Hier folgen nur die
Bruchstücke von ihren Aufzeichnungen."
Vieles verdankt seine Wiedergabe überhaupt aus
dem Gedächtnis von Luise Hannappel.
So ist vor Nr. 222, S. 108 bemerkt: ,,Unmöglich
ist es, aus dem Gedächtnis die liebevollen Worte des Herrn in richtiger Reihenfolge
und wortgetreu und vollständig wiederzugeben, hier folgen nur Bruchstücke"; oder
zu Nr. 61 S. 4: ,,Während der Ekstase wurde nichts aufgeschrieben, hier nur einiges
aus dem Gedächtnis von Hannappel"; oder zu Nr. 62, S. 8: ,,Nur einiges aus dem Gedächtnis
von Hannappel"; oder zu Nr. 62, S. 13: ,,Nach dem Gedächtnis aufgeschrieben"; oder
zu Nr. 63, S. 45: ,, Heute hat Schreiberin wenig im Gedächtnis behalten, noch weniger
die Reihenfolge"; oder zu Nr. 64, S. 50: ,,Heute hat Schreiberin noch weniger behalten";
,,Hannappel konnte es nicht behalten"; oder zu Nr. 102, S. 157: ,,Nach dem Gedächtnis
von Babett"; oder zu Nr. 229, S. 51: ,, Hier folgt nur einiges aus dem Gedächtnis
von Babett"; oder zu Nr. 65, S. 89: ,,Jesus spricht noch viel darüber, Hannappel
konnte es nicht behalten."
Wenn so auch manche Stellen in den Schippacher
Schriften der Authentizität entbehren, so muß doch das allermeiste als Ausspruch
der Jungfrau anerkannt werden; Barbara hat sich auch zeitlebens zu ihren Schriften
bekannt. Wenn man aber Sätze aus diesen Schriften verketzern wollte, wie es ehedem
von ihren Gegnern geschah, so müsste man zuerst die Originalität und Authentizität
dieser Texte prüfen und, wo die Urheberschaft der Visionärin nicht eindeutig feststand,
sich an den alten Moral- und Rechtsgrundsatz halten: In dubio pro reo, anstatt die
Jungfrau Barbara aufgrund zweifelhafter Sätze zum Tode zu verurteilen.
Das Schicksal, dem die von Barbara in der Ekstase
gesprochenen Worte verfielen, teilen sie übrigens mit jenen anderer Mystiker: ,,Die
Schreiber", sagt Poulain, ,,können leicht, ohne es zu wollen, den Text verändern.
Sie geben bei der Wahl der Ausdrücke ja doch immer etwas von dem ihrigen hinzu".
Von den Offenbarungen der heiligen Gertrud sind
das erste Buch und der Schlussteil des fünften Buches gar nicht von Gertrud, sondern
von einer ihrer Mitschwestern verfasst; dem Schreiber der heiligen Brigitta wird
vom Heiland ausdrücklich gestattet, ,,um der Schwachen willen beizufügen, was notwendig
und nützlich sei".
Der heiligen Hildegard wurde in einem Gesichte
aufgetragen, ihre Offenbarungen aufzuschreiben, aber die Form von einem anderen
feilen zu lassen.
Inhaltsverzeichnis
II. DIE SCHIPPACHER
OFFENBARUNGEN
Diese Schriften also, über deren Entstehung und
Schicksal uns das vorausgehende Kapitel unterrichtet hat, enthalten jene inneren
Erleuchtungen, die Barbara Weigand in heiliger Verzückung empfangen haben will.
Wegen dieses Anspruches mußten sich denn auch die kirchlichen Oberen mit ihnen befassen
und auch die theologische Wissenschaft hatte das Recht, den Inhalt dieser Schriften
auf seine Übereinstimmung mit dem kath. Glauben zu prüfen. Dieses Recht darf auch
der Verfasser dieses Buches für sich in Anspruch nehmen. Dazu fühlt er sich um so
mehr verpflichtet, als die Erforschung der Wahrheit über Schippach eine hoch sittliche
Aufgabe ist, an der nicht bloß die Wissenschaft, sondern ebenso das kirchliche Lehramt
ein Interesse hat. Hat doch der Heilige Vater Papst Pius XII. den Klerus zu wiederholten
Malen aufgefordert, der Wahrheit zu dienen, wie es ja auch der Wunsch der Kirche
ist, in Dingen der christlichen Freiheit auch die andere Seite zu Worte kommen zu
lassen:
,,In jenen Fragen, in welchen man, da eine Entscheidung
des Apostolischen Stuhles nicht vorliegt, ohne Gefahr für Glauben und Sitte dafür
oder dagegen Stellung nehmen kann, ist es niemand verwehrt, frei seine Meinung zu
äußern und aufrechtzuerhalten ...
Mit Freimut, aber mit Bescheidenheit möge ein
jeder seine Ansicht vorbringen und verteidigen, und keiner halte sich für berechtigt,
den Glauben und die kirchliche Gesinnung anderer deswegen zu verdächtigen, weil
sie anderer Meinung sind" (Enzyklika vom 1. Nov. 1914).
Eine Entscheidung Roms in Sachen Schippach ist
niemals ergangen.
Treten wir also in die Prüfung der
Schippacher Privatoffenbarungen ein!
Inhaltsverzeichnis
1. Die Rechtslage
Die Entscheidung über den übernatürlichen Charakter
von Privatoffenbarungen gehört nach dem Kirchenrecht in den Amtsbereich des Heiligen
Offiziums. Die Bischöfe haben nur die Vorarbeiten zu leisten, zu untersuchen und
ihre gutachtliche Äußerung abzugeben, dann aber die Akten dem Heiligen Stuhl zu
unterbreiten, dessen Entscheidung abzuwarten ist.
Gewöhnlich beschränkt sich die Antwort des Heiligen
Stuhles auf Weisungen formeller Art wie: Episcopus utatur jure suo, remittitur ad
jus Ordinarii, decreto Episcopi parendum est u. ä., aber eine sachliche Entscheidung
erfolgt von Rom aus gewöhnlich überhaupt nicht, so lange nicht der Seligsprechungsprozess
eingeleitet ist. Auch die sogenannte Approbation bedeutet noch keine Stellungnahme
zugunsten des übernatürlichen Charakters von Privatoffenbarungen.
,,Wenn die Kirche", schreibt Göpfert, ,,Privatoffenbarungen zuweilen approbiert,
so erklärt sie damit nur, daß in denselben üblicherweise nichts enthalten ist, was
dem Glauben und der Sitte widerstreitet, sondern daß sie im Gegenteil fromm und
ohne Aberglauben angenommen werden können".
Das Höchste was Rom zu Lebzeiten einer begnadigten
Person entschieden hat, war: ni trompeuse ni trompée (keine Betrügerin und keine
Betrogene), aber positive Entscheidungen gibt Rom nicht. Wie unangebracht war es
also, von Rom eine Entscheidung über die Offenbarungen der Barbara Weigand zu deren
Lebzeiten zu erwarten, weder nach der positiven noch nach der negativen Seite!
Der Heilige Stuhl hat es, getreu seiner Praxis,
abgelehnt, über die Echtheit der Schippacher Offenbarungen eine Entscheidung zu
treffen, wie die Akten unmissverständlich ausweisen.
Wie das Ordinariat Würzburg in seinem Amtsblatt
vom Jahre 1917, S. 226 mitteilt, bat es am 10. März 1916 auf Grund des Berichtes
seiner Prüfungskommission (über deren Tätigkeit siehe unten!) das Heilige Offizium
um Verwerfung der Schippacher Privatoffenbarungen (ut reprobatio fiat illarum revelationum,
quae sub nomine Barbarae Weigand feruntur), da sie pseudorevalationes (falsche Offenbarungen),
errores (Irrtümer) und fraudes (Betrügereien) seien.
Auf diese Bitte erging von Rom am 25. Juni 1917
die folgende Antwort: ,,Suprema haec Congregatio Sancti Officii, perlectis litteris
Amplitudinis Tuae, datis die 10. Martii 1916, circa assertas visiones ac revelationes
cuiusdam Barbarae Weigand a vico Schippach istius dioecesis commorantis ... respondendum
mandavit: Episcopi utantur jure suo. Hoc Sancti Officii responsum ad notitiam quaeso
adducas ceterorum ordinariorum, quorum forte intersit in hac re mentem Sanctae Sedis
cognoscere."
(Die Punkte ... betreffen die Erwähnung des Eucharistischen
Liebesbundes und der Sakramentskirche.)
Betrachtet man den Wortlaut dieser Antwort, so
ist zu ersehen, daß die Antwort des Heiligen Offiziums auf die Lektüre des Ordinariatsschreibens
hin (perlectis litteris Amplitudinis Tuae) gegeben wurde, also nicht auf Grund eigener
Prüfung. Darum will das Schreiben auch keine Stellungnahme zur Sache sein, sondern
lediglich eine Antwort (respondendum mandavit, responsum).
In diesem responsum liegt aber bei näherem Zusehen
etwas, was dem kirchenrechtlich geschulten Leser durchaus nicht nebensächlich erscheint,
nämlich die Tatsache, daß das Heilige Offizium in seiner Antwort die vom Ordinariat
Würzburg gebrauchten Ausdrücke pseudorevelationes, errores, fraudes vermeidet und
dafür die Wendung setzt: assertae visiones ac revelationes.
Damit hat die Heilige Kongregation bekundet,
daß sie sich die Würzburger Auffassung nicht zu eigen macht, sie vielmehr vermieden
wissen will. Diese Schlussfolgerung wird noch einleuchtender, wenn man sich vor
Augen hält, daß ja das Ordinariat Würzburg den Heiligen Stuhl ausdrücklich gebeten
hatte, seine Bezeichnung der Schippacher Offenbarungen als pseudorevelationes, errores
und fraudes zu approbieren.
Nun hat aber Rom diese Würzburger Bezeichnung
nicht approbiert und nicht konfirmiert, sondern umgestoßen und dafür den neutralen
Ausdruck assertae visiones ac revelationes gesetzt, der alle Möglichkeiten offen
hält. Das ist die mens des Heiligen Stuhles hinsichtlich der Schippacher Offenbarungen.
Diese neutrale Haltung Roms hat sich bis zum
heutigen Tage nicht geändert. Unbefriedigt von der Antwort des Heiligen Offiziums
drangen die Gegner Schippachs auf eine abermalige Verwerfung durch das Ordinariat
Würzburg, welches in der Tat am 11. Februar 1918 folgendes Dekret, Urteil genannt,
erließ:
,,Die sogen. Offenbarungen der Barbara Weigand
von Schippach sind zu verwerfen, denn sie entbehren jedes
Kennzeichen eines außerordentlichen göttlichen Gnaden- Einflusses, gefährden den
gesunden Glauben und enthalten Irrtümer und Verstöße gegen die kirchliche Ordnung."
Gegen dieses ,,Urteil" erhob Barbara Weigand
Beschwerde zum Heiligen Stuhl. Entgegen aller rechtlichen Ordnung wandte sich das
Ordinariat Würzburg am 25. März 1919 an das Heilige Offizium mit der Bitte um Verwerfung
der Weigandschen Appellation, worauf das Heilige Offizium am 3. November 1919 die
folgende Antwort erteilte:
,,Per litteras datas die 25. Martii 1919 Tuus
Vicarius Generalis instat, ut Sancta Sedes judicium ferat circa apellationem factam
a Joanne Abel et Barbara Weigand contra sententiam Curiae Episcopalis Herbipolensis
de die 11 Februarii 1916. Cum in hac re Suprema haec Congregatio die 13. Junii 1917,
prout Tibi signatum fuit, decrevisset, ut Episcopi uterentur jure suo, nihil est,
cur aliud judicium a Sancta Sede expetatur."
Damit lehnte es das Heilige Offizium abermals
und sehr kategorisch ab, von sich aus in die Schippacher Offenbarungen einzugreifen.
Im März 1942 richtete das Heilige Offizium an
den Bischof von Würzburg die Aufforderung: ,,Der Bischof möge an die Kongregation
über die Notwendigkeit und den Nutzen der Sakramentskirche, über die etwa vorhandenen
Mittel zu deren Vollendung sowie ihren Zusammenhang mit den Offenbarungen, welche
an die Barbara Weigand ergangen sein sollen, berichten" (Diöz.-Bl. 1942, S. 123).
Auch dieser Ausdruck lässt, wie ersichtlich,
die Frage nach dem Echtheitscharakter der Offenbarungen völlig unentschieden.
Darum konnten im Jahre 1949 römische Kreise und
sehr gute Kenner Schippachs dem Verfasser folgende bestimmte Auskünfte aus Rom übermitteln:
,,Der Heilige Stuhl nimmt zu den Privatoffenbarungen
von Schippach keine Stellung, bevor nicht der Seligsprechungsprozess der Dienerin
Gottes Barbara Weigand offiziell eingeleitet ist." ,,Das Heilige Offizium hat niemals
ein Urteil gegen Schippach ausgesprochen oder gegen Barbara Weigand (9. Sept. 1949
u. 1. Okt. 1949).
Damit dürfte zur Genüge erwiesen sein, daß der
Heilige Stuhl die Schippacher Offenbarungen keineswegs verworfen hat, und daß darum
deren Echtheitscharakter noch eine offene Frage darstellt, die gemäß der Enzyklika
des Papstes Benedikt XV. vom 1. November 1914 auch publizistisch in Ruhe und Pietät
erörtert werden darf.
Treten wir also in die Prüfung des Echtheitscharakters
der Schippacher Offenbarungen ein!
Verfasser braucht dabei nicht zu versichern,
daß er seine dabei zutage tretende Auffassung nicht für die allein und absolut richtige
hält, da er ja nicht entscheiden, sondern nur prüfen will. Wenn der Heilige Stuhl
einmal nach eigener Prüfung ganz anderer Meinung werden sollte als der Schreiber
dieser Zeilen, dann wird dieser der erste sein, der sich einer solchen Entscheidung
unterwirft. Meine Ausführungen beanspruchen bloß eine Glaubwürdigkeit nach den Regeln
der Klugheit und der wissenschaftlichen Methode. Diese Methode aber beruht auf der
Tatsache, daß ich Barbara Weigand mehr als fünfundzwanzig Jahre lang persönlich
kannte (nach Poulain erstes Erfordernis, wenn man bei der Prüfung mystischer Personen
mitreden will), auf der Tatsache, daß ich als ihr Beichtvater tiefer wie andere
in ihr Innenleben hineinschauen konnte, auf der Tatsache, daß ich als ihr Pfarrer
auch ihr äußeres Leben aus nächster Nähe zu beobachten Gelegenheit hatte, und auf
der Tatsache, daß ich als philosophisch, theologisch, kanonisch und historisch geschulter
Priester den ganzen Schippacher Fragenkomplex mehr als dreißig Jahre lang eingehend
studiert habe.
Inhaltsverzeichnis
2. Allgemeines
über den Charakter der Aufzeichnungen
Barbara Weigand war keine Schriftstellerin und
wollte keine sein. Sie hat nicht wie andere Mystikerinnen gelehrte Bücher verfassen
wollen; denn sie hat niemals eine andere Bildungsstätte besucht als die einfache
Volksschule des Dorfes Rück in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, wo sie die notwendigsten
Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen erhielt und die Grundwahrheiten des katholischen
Glaubens kennenlernte. Das blieb zeitlebens ihr einziger Bildungsgang.
Wiederholt kommt sie in ihrem späteren Leben
auf diese ihre niedrige Bildungsstufe zu sprechen und beruft sich auf die Einfachheit
ihres Bildungsstandes, wenn man ihre Aussprüche und Aufzeichnungen mit dem Maßstabe
einer wissenschaftlichen Kritik prüfen und jedes ihrer Worte auf die Goldwaage wissenschaftlicher
Exaktheit legen wollte.
Es war darum seinerzeit eine verfehlte Methode,
Barbara Weigands Schriften nur nach wissenschaftlichen Prinzipien und ihr Seelenleben
nur nach den Schippacher Heften beurteilen zu wollen, anstatt es wirklich als Leben
zu begreifen, als organisches Gebilde in seinem Wachstum, Blühen und Reifen, mit
seinen Witterungen und Stürmen, als Glied am mystischen Leibe Christi. Wieviel Unheil
hätte verhütet werden können, wenn man, anstatt sich in handgeschriebenen Heftchen
zu verbeißen, den Gebetsgeist, das Opferleben, die Sühnebereitschaft, die karitative
Wirksamkeit, den strengen sittlichen Wandel, den hinreißenden Einfluss der Jungfrau
auf ihre Umgebung zur Grundlage ihrer Beurteilung gemacht hätte!
Hätte man seinerzeit gegen die Weigandschen Äußerungen
etwa die zarten Grundsätze walten lassen, die Paul Keppler in seiner meisterhaften
Art gegenüber den Abschiedsreden Jesu anwandte, wo er weniger strenge Abfolge der
Gedanken als vielmehr pietätvolle Zeichnung des Gemüthaften verlangt, wäre sicherlich
über Schippach ein anderes Bild entstanden und dem Ansehen der katholischen Wissenschaft
und auch dem Episkopat viel Schaden erspart geblieben.
Bekanntlich hat Barbara Weigand ihre Schriften
allezeit als einen kostbaren Schatz gehütet und gegen Zugriffe verteidigt, da sie
in ihnen den Niederschlag ihrer in heiliger Ekstase empfangenen Gebetsgnaden erblickte.
Diesen Glauben haben auch ungezählte fromme Seelen aus allen Ständen, Geistliche
und Laien, mit ihr geteilt.
Bischöfe und Priester, Männer vom Fach, hochangesehene
geistliche Schriftsteller, hohe Staatsbeamte, Juristen und Kaufleute haben sich
für die Glaubwürdigkeit der dort niedergelegten Gedanken ausgesprochen und ihre
aszetischen Erwägungen der ,,Nachfolge Christi" an die Seite gestellt.
Andere aber sahen zur gleichen Zeit in diesen Schriften den Ausbund alles Schlechten.
So heißt es z. B. in damals erschienenen Schriften und in zahlreichen Zeitungsartikeln,
die Schippacher Offenbarungen seien ,,an sich nicht wert, auch nur einen Bogen Papier
darüber zu verschreiben oder eine Minute Zeit darauf zu verwenden"; sie seien ,,förmlicher
Aberglaube", ,,Unkraut", das ,,ausgerottet" werden müsse, sie seien ,,Halluzinationen",
,,Ausgeburten eines kranken Hirns", ,,Plattheiten", ,,Süßlichkeiten", ,,Ungereimtheiten",
,,Sammelsurium", ,,wirres Durcheinander", ,,Produkte hysterischer Anfälle", ,,religiöse
Wahnideen", ,,Wühlereien der üppigsten Pseudomystik", ,,häretische Abgeschmacktheiten",
,,Ausgeburten einer unsinnigen Phantasie", ,,unsittliche Andächtelei", ,,innerlicher
Unrat", ,,schlimmster Unsinn".
Kann es noch hässlichere Ausdrücke geben? Und
diese Beurteilung wurde durch die Presse in die Öffentlichkeit und in die Amtszimmer
kirchlicher Behörden getragen, während den Kennern und objektiven Beurteilern Schippachs
jede öffentliche Richtigstellung durch Verweigerung des Imprimatur bis auf diesen
Tag unmöglich gemacht wird.
Kann man da noch von Freiheit der Meinungsäußerung
reden, wie sie Papst Benedikt XV. in der oben erwähnten Enzyklika vom 1. November
1914 den katholischen Christen zubilligte? Dabei muß man bedenken, daß jene hässliche
Beurteilung von Priestern stammt, die Barbara Weigand niemals in ihrem Leben gesehen
hatten!
So sehr Barbara Weigand an ihren Schriften hing,
so ist sie doch die letzte gewesen, die jedem ihrer Worte eine absolute Gültigkeit
hätte beimessen wollen; sie wusste nur zu gut, daß dort Gutes und weniger Gutes
nebeneinander stehe und bat deshalb die Kritiker wiederholt, sich an das Apostelwort
zu halten: ,,Prüfet alles! Was gut ist, behaltet!" Man solle sich doch nicht an
Kleinigkeiten und Äußerlichkeiten stoßen, sondern den Geist würdigen, der in den
Schriften wehe.
Am 7. April 1899 bittet sie einen priesterlichen
Freund, er möge alles gut durchstudieren, ohne Anstoß an Kleinigkeiten zu nehmen.
Die Hauptsache sei, daß er den Geist herausziehe, den Jesus darin niedergelegt.
Dann solle er bedenken, daß sich Jesu Geist mit ihrem menschlichen Geist verbinde,
und daß sich dieser menschliche Geist hie und da mit einmische; sie sei aber ein
armes Dorfmädchen, da sie keine höhere Schule besucht habe.
An anderer Stelle preist sie ,,glücklich diejenigen,
die sich an den Geist anschließen, der hier weht!". ,,Alle, die sich anschließen
an den Geist, der da bestätigt wird in den Schriften, der mein Geist ist, sollen
und werden gerettet werden". Wenn auch nicht alles lauteres Gold sei, so könne es
doch wertvolle sittliche Wahrheit sein. ,,Ihr, meine Kinder", hörte sie einmal,
,,werdet nicht müde, die Worte aufzuschreiben, die ich zu euch rede durch meine
Dienerin. Diejenigen aber, die zweifeln und sagen wollen, es sei immer dasselbe,
mögen doch die Schriften und Worte gut studieren, ob sie nicht darin heilsame Lehren
für ihr Leben finden ... Der Hausvater, der da sucht, findet immer etwas Neues in
diesem alten Evangelium. Der Hausvater bist du, katholischer Priester! Such nur,
und du wirst zu dem Alten immer auch wieder Neues finden".
Inhaltsverzeichnis
3. Grundsätzliches
zur Beurteilung der Schriften
a) Die Grenzen der wissenschaftlichen
Zuständigkeit
Wer über mystische Erlebnisse und Schriften ein
Urteil abgeben will, muß vor allem ein gründliches Studium der mystischen Theologie
hinter sich haben; Gelehrsamkeit allein macht noch lange nicht zur Übernahme eines
derartigen Richteramtes fähig. ,,Kritisiere jeder", sagt Grabinski, ,,soviel er
kritisieren zu müssen glaubt, aber nur wenn er über die Dinge, die er beurteilen
will, gründlich orientiert ist, und wenn er vor allem auch auf diesem Gebiet Erfahrungen
aufzuweisen hat. Bloßes allgemeines Wissen befähigt noch lange nicht zu einem wirklich
maßgebenden Urteil". Wer über mystische Erscheinungen, Ekstasen,
Visionen, Personen, Schriften, Anregungen urteilen will, muß die mystische Theologie
wohl beherrschen, und dies ist eine schwierige Sache; denn die mystische Theologie
ist nach den Worten Denifles ,,unter allen theologischen Disziplinen die wohl schwierigste".
Hat sich ein Beurteiler ,,mit dieser schwierigen
Wissenschaft nicht vertraut gemacht, so wird er dem Innenleben des Mystikers zum
Teil verständnislos gegenüberstehen und deshalb sein psychologisches Bild sicher
verzeichnen, mag es sich um Franz von Assisi oder Ignatius, um Canisius oder Borja,
um Franz von Sales oder Franziska von Chantal handeln".
So ein moderner Autor, über dessen Klarheit der
Darstellung ich mich herzlich gefreut habe. Dann zitiert er eine ganz zutreffende
Äußerung seines Ordensgenossen Michael, daß der Historiker, wenn er nicht selbst
Mystiker sei, für das Gebiet der echten Mystik nicht zuständig sei, da er sich auf
einem ihm fremden Gebiet bewege.
Ähnlich drückt sich Surin aus: ,,Die mystische
Theologie ist eine eigene Wissenschaft, die ihre eigenen Prinzipien, ihre eigenen
Schlussergebnisse und ihre eigene Sprache besitzt, unabhängig von jeder anderen
Wissenschaft. Es gibt aber manche Leute, die, ohne sich viel in den Werken über
mystisches Leben umgesehen zu haben, sich für berechtigt halten, darüber zu urteilen
und gar abfällig zu urteilen. Auffallend ist es, daß man sich in allen Wissenschaften
gerne auf Fachleute beruft, in dieser Wissenschaft hält sich aber jeder für einen
Meister".
,,Selbst tüchtige Theologen und Historiker",
meint Richtstätter, ,,können der mystischen Terminologie hilflos und verständnislos
gegenüberstehen". ,,Auch Priester, die in Theologie und Aszese wohl bewandert sind,
denen es aber nicht gegeben ist, das eigentliche Wesen der außergewöhnlichen Beschauung
zu erfassen, auch wenn sie gewandt und interessant über Mystik zu reden oder zu
schreiben wissen", zeigen oft für höhere mystische Ergebnisse wenig Verständnis
und eine erschreckende Unfähigkeit in der Bewertung mystischer Vorkommnisse im Einzelfalle.
Die letzte Beobachtung konnte man auch bei Schippach
machen, wo selbst tüchtige Theologen versagten. Aber von den allermeisten der seinerzeitigen
Veröffentlichungen wird man nicht behaupten können, daß sie auch nur einen Hauch
fachmännischen Wissens atmeten. Jene Presseerzeugnisse sind getragen von einer Unkenntnis
der Mystik, die nur Lächeln erwecken könnte, wenn sie nicht so verheerende Folgen
gezeitigt hätte. Nur Ignoranten und das moderne Zeitungspublikum konnten sich durch
das Massive der Sprache und den geistlichen Stand der Verfasser, denen das heilige
Land der Mystik terra ignota war, hinwegtäuschen lassen.
Den tieferen Grund für das Versagen der Theologen,
gerade in mystischen Dingen, gibt der heilige Bonaventura, gleich groß als spekulativer
Theologe wie als Mystiker, wenn er von den mystischen Gnaden sagt: ,,Willst du wissen,
wie das geschieht, so frage die Gnade, nicht die Wissenschaft, das Verlangen und
nicht das Verständnis, den Bräutigam und nicht den Lehrer". Das ist dieselbe Erkenntnis,
die Karrer in die Worte kleidet: ,,Hier schweigt die Wissenschaft, wir sind auf
heiligem Boden", oder wie Jeiler ausspricht: ,,Es ist katholische Lehre, daß der
Heilige Geist innerlich den Leib der Kirche mit all ihren Gliedern übernatürlich
belebt, erleuchtet und erwärmt. Das Maß seiner Gnaden und Gaben wird dabei keineswegs
nach dem Grade ausgeteilt, den die Empfänger in der äußeren hierarchischen Ordnung
der Kirche einnahmen, sondern nicht selten sind die in den Augen der Menschen Geringsten
und Kleinsten am meisten bevorzugt. Der Geist weht, wo er will, und für alle Zeiten
gilt das Wort des Herrn: ,,Ich preise dich, Vater des Himmels und der Erde,
daß du dieses vor den Weisen und Klugen verborgen und den
Kleinen geoffenbart hast!".
Dieses Wort erklärt auch die Tatsache, daß Privatoffenbarungen
und außerordentliche Charismata schlichten Personen, auch weiblichen Geschlechts,
häufiger zuteil werden als Hochgestellten und Gelehrten. Als einst gelehrte Theologen
die heilige Katharina von Siena in Verwirrung bringen wollten, antwortete sie: ,,Welch
ein Unheil ist die stolze Wissenschaft! Euch schadet sie sehr, ohne irgend jemand
zu nützen!"
Inhaltsverzeichnis
b) Verständnis für die mystische Sprache
Wer mystische Schriften prüfen und beurteilen
will, muß der Eigenart der mystischen Sprache Rechnung tragen. ,,Wenn manche schwerverständliche
Stellen vorkommen sollten", so leitet der englische Benediktiner Dom Louismet sein
Buch über die Beschauung ein, ,,dann möchte ich meine Leser bitten, nicht mutlos
zu werden und ihr Beginnen nicht aufzugeben. Solch dunkle Stellen muß man aufmerksam
lesen und wieder lesen, und wenn kein Licht hineinkommt, dann soll man einfach darüber
hinweggehen. Später, wenn das ganze Buch einmal gelesen ist, und besonders, wenn
man angefangen hat, es mit wahrem Ernst im Leben auszuführen, dann wird die Schwierigkeit
aller Wahrscheinlichkeit nach sich ganz beheben und was anfangs dunkel erschien,
das wird dann klar und lichtvoll und wertvoll".
Was hier ein Schriftsteller von einem fachwissenschaftlichen
Werke sagt, das gilt in noch viel höherem Grade von den eigentlichen mystischen
Schriften, wie Zahn mit Recht betont: ,,Es bedarf nicht bloß einer Vorschulung und
eines aufmerksamen Einlesens, wenn man der mystischen Literatur Geschmack und Segen
abgewinnen will, sondern auch Sorgfalt und Hingabe, wenn man die mündlichen Äußerungen
der Jünger des mystischen Lebens recht verstehen und beurteilen will".
Immer mahnen darum die Autoren zur Vorsicht in
der Abgabe eines Urteils, weil die Mystik eine so schwierige und geheimnisvolle
Sache ist, deren Innerstes dem Außenstehenden letzten Endes überhaupt verschlossen
bleibt. ,,Man will damit (mit dem Worte ,,Mystik") ausdrücken, daß sie etwas Geheimnisvolles
in sich schließt, das selbst die Eingeweihten nicht durchschauen. Da gibt es Erscheinungen,
die man niemals vollständig verstehen wird".
Es kann nun sein, daß uns gewisse Wendungen,
rhetorische Ausdrücke im Munde von begnadigten Personen nicht recht zusagen, daß
sie uns unwahrscheinlich, unmöglich oder übertrieben vorkommen. Geht es nun an,
sofort den Stab über solche Wendungen und damit über die ganze Sache zu brechen?
Das wäre weit gefehlt. Solche Ausdrücke muß man zu erklären versuchen, darf sie
aber nicht von seinem Standpunkt aus ablehnen.
Vor allem, so mahnt Zahn, müsse man die Umwelt
beachten, welcher die Aussagen der Mystiker entstammten und in welche sie zurückversetzt
werden müssten, um recht verstanden zu werden. Was diesen Kreisen der höchsten Erbauung
dienen könne, das sei vielleicht geeignet, bei weniger günstigen Dispositionen zu
stören und zu schaden: eine goldene Regel, die aber leider im Falle Schippach recht
wenig beachtet wurde.
Finden wir doch in den Presseangriffen der Jahre
1914 bis 1919, daß dort sogar Stil, Dialekt, sprachliche Unrichtigkeiten zum Gegenstand
des Gespöttes gemacht wurden, daß man an Hör- und Schreibfehler, an unvollständige
und sprachlich nicht durchgebildete Sätze in den Schriften die höhnische Bemerkung
knüpfte, der Jesus der Schippacher Offenbarungen könne nicht einmal einen sprachlich
richtigen Satz sprechen.
Auch darf man aus absolut klingenden Wendungen
nicht allzu viel herauslesen, sondern man soll nach Preger ,,als Regel der Auslegung
festhalten, daß die Absolutheit des Ausdrucks nur aus dem Bestreben kommt, eine
Seite der Betrachtung ausdrucksvoller hervorzuheben". Daß man Ausdrücke schon deshalb
nicht pressen darf, weil man ja gar nicht weiß, was der Autor darunter verstanden
hat, wird durch die Tatsache beleuchtet, daß ein und dasselbe Wort verschiedene
Bedeutungen haben kann. Wenn nun eine allzu scharfe Kritik die Worte in mystischen
Schriften in einem anderen Sinne auslegt als sie der Mystiker gemeint hat, wie man
dies z. B. mit den Worten ,,Sühne", ,,Verdienst" in den Schippacher Schriften getan
hat, so ,,beweist man mit einer solchen Zitationsweise nur aufs neue, daß man es
fertig bringen kann, jede Stelle mit seinen eigenen Augen zu lesen und nach seinem
eigenen Sinn zu verwenden". Wenn man einen Autor zitiert, so Poulain, ,,muß man
sehen, was das Wort bei ihm im Zusammenhang bedeutet". Mit der letzteren Bemerkung
stoßen wir auf eine wichtige Regel zum Verständnis und zur Beurteilung mystischer
Schriften: Die Ausdrücke der Mystiker muß man im Zusammenhang und nach dem Geist
des Ganzen erklären. Gar schön verlangt Zahn diese Behandlung auch für sein Buch:
,,Darum möchte ich bitten, weniger das Ganze nach losgerissenen Stücken als die
einzelnen Teile nach dem Ganzen zu beurteilen", und anderwärts entschuldigt er gewisse
Abirrungen in der Mystik mit dem Hinweis auf das Ganze, wenn er meint: ,,Man darf
nicht wegen der irrigen Missbräuche das ganze Gebiet der Mystik interdizieren",
oder wenn er Leser ablehnt, ,,welche der entsprechenden Reife entbehren", also nicht
fähig seien, den Ernst der Geschehnisse oder den Geist des Ganzen richtig aufzufassen.
Das gilt ganz gewiss für die große Masse des
modernen Zeitungspublikums. ,,Viele Ausdrücke", bemerkt einmal Zahn ganz richtig,
,,verlieren ihre Einseitigkeit durch anderweitige Zeugnisse", ,,scheinbar entgegenstehende
Sätze erklären sich durch den Zusammenhang", ,,einzelne dunkle Worte und schwierige
Stellen müssen nach der gesamten Anschauungs- und Ausdrucksweise des Autors beurteilt
werden, nicht aber darf man umgekehrt einfache Wort und Gedanken durch Eintragung
von Schwierigkeiten verdunkeln."
Auch dem Dogmatiker sind Grenzen gezogen. Es ist unnötig zu betonen, daß Visionen
und Privatoffenbarungen keine neuen Wahrheiten vermitteln können; darum ist auch
das Recht des Dogmatikers anzuerkennen, Privatoffenbarungen nach dieser Richtung
hin zu prüfen. Aber wie der Dogmatiker kein Recht besitzt, etwa über die stufen-
oder artmäßige Abgrenzung der mystischen Gnaden eine lehramtliche Entscheidung ins
Feld zu führen, so hat er noch weniger das Recht, die Terminologie der Mystiker
nach dem strengen Maßstab der konventionell gewordenen Fachausdrücke oder der dogmatischen
Theologie zu messen; vielmehr müssen die Aussagen des Mystikers ,,unter Berücksichtigung
seiner selbstgebildeten Ausdrucksweise" geprüft werden.
,,Der Dogmatiker würde seine Befugnisse überschreiten,
wollte er auf Grund einer persönlichen, umstrittenen theologischen Meinung dem Heiligen
Geiste Grenzen vorschreiben, wie er in einer von ihm besonders bevorzugten Menschenseele
in außergewöhnlicher Weise seelisch nur allein wirken dürfe. Auf Grund dessen, was
der Mystiker (also nicht andere, z. B. Abschreiber oder Kritiker!) als ein inneres
Erlebnis darstellt ..., ist der Theologie und Psychologie die Möglichkeit geboten,
das Tatsachenmaterial (also nicht Schreibfehler oder Zutaten der Schreiber oder
Vermutungen der Kritiker!) wissenschaftlich auszuwerten. Ob die höheren Gebetsgnaden
der eingegossenen Beschauung vom Dogmatiker in der richtigen Weise dargestellt werden,
findet der Mystiker ... sofort heraus. Sein Urteil ist darum auch für den Dogmatiker
von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Denn was helfen seine scharfsinnigsten
Untersuchungen und Argumentationen, wenn der Mystiker achselzuckend erklärt: ,,Das
ist ja gar nicht mein mystisches Erlebnis ... sondern etwas ganz anderes".
So spricht mit erfrischender Klarheit ein erfahrener
Geistesmann. Sein Ordensgenosse Noldin hatte schon vor ihm vor der Verabsolutierung
mystischer Worte durch Theologen gewarnt: ,,Die Mitteilungen des Herrn an einzelne
auserwählte Seelen haben nie jene allgemeine Fassung und Gestaltung wie die Dogmen
des Christentums; sie nehmen vielmehr ein individuelles Gepräge an ... Es kann sich
aber sehr oft ereignen, daß die Offenbarungen des Herrn in ihrer individuellen Gestaltung,
in welcher sie zu uns gelangen, einem anders gearteten Geiste und Gemüte nicht zusagen".
Das ist objektive Sprache und Wissenschaft. Auch
wenn die Offenbarungen von Schippach, z. B. die Mahnungen an die Priester zu einem
Leben der Armut und Einfachheit oder die Aufforderungen zur Sühneleistung oder die
Aufrufe an die Bischöfe zur Einführung der öfteren heiligen Kommunion und zur Förderung
der Heiligen Stunde oder die Mahnungen zum öffentlichen Bekenntnis des katholischen
Glaubens, einem anders gearteten Geiste und Gemüte nicht zusagten, so durfte man
deswegen solche Worte nicht verketzern und ihre Urheberin nicht schmähen, wie es
leider seinerzeit geschehen ist.
Jedenfalls kann ich als Pfarrer und Beichtvater
der Schippacher Jungfrau versichern, daß das, was man seinerzeit in Presse und Predigt
als Meinung der Barbara Weigand über gewisse dogmatische und moralische Fragen hinstellte,
nicht das seelische Erlebnis jener Person gewesen ist. Das ist authentische Interpretation.
Hier vermögen alle Superlative, aller Groß- und Fettdruck, alle Ausrufezeichen nichts,
wenn Barbara Weigand sich wehrt und erklärt: ,,Das ist ja gar nicht mein mystisches
Erlebnis, was ihr da herausgefunden haben wollt."
Sie hat übrigens gegen die seinerzeit ihr gemachten
Unterstellungen in ihrem Appellationsschreiben an den Heiligen Stuhl feierlich Verwahrung
eingelegt.
Inhaltsverzeichnis
c) Fühlen mit
dem Mystiker
Eine Voraussetzung für das Verständnis mystischer
Schriften bildet auch das Fühlen mit dem Mystiker. Es ist dieses Gebot eigentlich
nur die positive Seite jener anderen Erwägung, daß man bei einer solchen Arbeit
nicht nach seinen vorgefassten Meinungen oder starren wissenschaftlichen Maximen
vorgehen dürfe. Wie auf dem Gebiet des Seelenlebens überhaupt, so ist es im Reiche
der erfahrungsmäßigen Mystik, dieser feinsten und zartesten Blüte des menschlichen
Innenlebens, nötig, sich in das Seelenleben des Begnadigten so gut es geht einzuleben,
den Standpunkt des Mystikers einmal als den gegebenen zu betrachten und seine Gedanken
einmal zu den eigenen zu machen. Das nenne ich psychologisch prüfen.
Was Poulain dem Seelenführer in bezug auf die
Leitung der täglichen inneren Gebete anrät, das gilt auch für den, der über mystische
Erlebnisse anderer urteilen will: ,,Man muß den Menschen mit sich selbst vergleichen,
nicht mit einem anderen besonders begnadigten Menschen".
Darum geht es den Mystikern oft so schlecht,
weil sie von ihrer Umwelt oft nicht oder - vielleicht absichtlich - falsch verstanden
werden; die Geschichte der Heiligen ist der Beweis.
,,Ohne eine gewisse geistige Verwandschaft",
bemerkt einmal zutreffend Karrer, ,,wird es schwer, wenn nicht unmöglich sein, die
Heiligen in ihrem Intimsten zu verstehen. Am allermeisten wird der Mystiker missverstanden".
Auch Zahn gibt diesem Gedanken Raum, wenn er das Wort Leubas zitiert, ,,daß im großen
und ganzen die kirchlichen Mystiker selber und überhaupt die Gläubigen der Kirche
viel richtiger über Charakter und Tendenzen der Mystik geurteilt haben als die meisten
der modernen Schriftsteller". Treffend bemerkt hierzu der italienische Religionspsychologe
Guido Ferrandi: ,,Da nur der Mystiker imstande ist, seine religiösen Erfahrungen
zu beschreiben, so muß der Psychologe, wenn er wirklich eine wissenschaftliche Methode
befolgen will, seine Aussagen als Wahrheit hinnehmen." Das wollen wir in Pietät
und Liebe auch gegenüber Schippach gelten lassen.
Inhaltsverzeichnis
d) Zurückhaltung
im Urteil
Eine weitere Regel zur Prüfung mystischer Vorgänge
und Schriften mahnt eindringlichst zur Zurückhaltung im Urteil, da ja nicht leicht
eine Materie so große Schwierigkeiten darbietet als gerade die Mystik.
Denn da gilt es zunächst einmal die natürlichen
und übernatürlichen Faktoren, so gut es geht, auseinanderzuhalten, eine Schwierigkeit,
auf die auch Zahn mit den Worten hinweist, ,,wie auch auf anderen Gebieten unserem
Geiste nicht beschieden ist, Gottes Walten in uns gegenüber unserem eigenen Wirken
nach den Maßstäben unserer Begriffe abzugrenzen".
Diese Mischung von göttlicher und menschlicher
Tätigkeit auszuscheiden, ist freilich mitunter ein Ding der Unmöglichkeit.
Wo nicht ausgesprochene Beweise Gottes vorliegen
wie ein Wunder oder eine bestimmt in Erfüllung gegangene Weissagung, lässt sich
eine solche Ausscheidung nur durch Abwägen der Gründe für und wider vornehmen, allein
,,praktisch gibt dieses Mittel meist nur eine geringere oder größere Wahrscheinlichkeit".
Die Mystik ist eben ,,das unbekannte Land, voll von Wundern und Geheimnissen", in
welchem ,,es nicht immer leicht ist, sofort zu erkennen, inwieweit natürliche Anlage
oder die außergewöhnliche Wirkung einer mystischen Gnade vorliegt". Man weiß, daß
auch zwischen der Pseudomystik und der echten Mystik die Grenzen oft ineinander
laufen, erst recht zwischen dem göttlichen und dem menschlichen Faktor in sonst
anerkannten Privatoffenbarungen.
Vielleicht noch größer ist die Schwierigkeit
in der Deutung der mystischen Sprache, worauf wir oben schon hingewiesen haben.
Poulain kommt immer wieder auf diese Schwierigkeit zu sprechen und Zahn widmet der
Relativität der mystischen Sprache volle 21 Seiten seines Handbuches. Überall erklingt
die Mahnung, wie vorsichtig man mit den Ausdrücken der Mystiker umgehen müsse, damit
man nicht ihr ganzes mystisches Leben in Misskredit bringe. So meint eine begnadigte
Seele in einem besonderen Falle: ,,Ehrlich gestanden: ich bin entsetzt, wie falsch
die Ausdrücke verstanden sind. Sie bezeichnen jene inneren Vorgänge treffend für
diejenigen, die sie verstehen, andere aber können damit das Heiligste profanieren".
Diese Schwierigkeit erscheint noch einleuchtender, wenn wir bedenken, daß nicht
einmal der Mystiker selbst imstande ist, sein inneres Erlebnis in eine klare äußere
Form zu kleiden. ,,Es ist deshalb nicht erstaunlich, daß wir so oft bei Mystikern
die Bemerkung lesen, es sei unaussprechlich, was sie erlebt haben". Auch Barbara
Weigand gibt in ihren Schriften diesem Empfinden öfter Ausdruck.
Die dunkle Sprache der Mystiker, deren Unvermögen,
ihr inneres Erlebnis in eine klare Form zu bringen, die weite Deutungsfähigkeit
ihrer Terminologie, die Schwierigkeit im Auseinanderhalten von göttlichem und menschlichem
Faktor: die Erwägung aller dieser Momente sollte einen jeden ehrlichen Forscher
zu äußerster Vorsicht und Zurückhaltung im Urteil gemahnen. Klassisch einfach legt
darum Poulain allen die wohlgemeinte Mahnung ans Herz: ,,Die Entscheidung hinausschieben.
Wir sehen, daß man Zeit und lange Untersuchung braucht, um bei Offenbarungen zu
einem sicheren Urteil zu kommen".
Der große Amort dehnt diese lange Zeit bis über
den Tod der betreffenden Person hinaus aus, wenn er meint, vor dem Tode der fraglichen
Person könne man, Ausnahmen abgerechnet, niemals über eine Offenbarung sicher sein.
Wenigstens müsse man bei Offenbarungen, die ein bestimmtes Ziel hätten, z. B. das
Anregen einer Wallfahrt, erst die Ereignisse sich entwickeln lassen und abwarten,
bis die Offenbarungsreihe abgeschlossen sei, ehe man sein Urteil abgebe.
Wie sehr hat man sich seinerzeit von Freund und
Feind gegen diese Mahnung verfehlt! Barbara Weigand starb erst
im Jahre 1943; aber schon im Jahre 1900 und besonders in den Jahren 1914 bis 1919
waren die Zeitungsschreiber mit ihrem Urteil fix und fertig. Auch an diesem Maßstab
gemessen erscheinen die seinerzeitigen ablehnenden Urteile über Schippach zum mindesten
als voreilig und verfrüht.
Inhaltsverzeichnis
e) Die kirchlichen
Vorschriften
Bei der Prüfung und Bewertung mystischer Schriften
müssen außer den besprochenen wissenschaftlichen Grundsätzen auch die besonderen
kirchlichen Vorschriften Beachtung finden, die in den Erlassen Papst Urbans VIII.
vom 13. März 1625 und 5. Juli 1634 niedergelegt sind. Danach wird der Diözesanbischof
zur Prüfung von Offenbarungen den Rat der Theologen und anderer frommer und gelehrter
Leute heranziehen und alsdann die Akten dem Heiligen Stuhle unterbreiten, dessen
Entscheidung abzuwarten ist.
Zeitungen dürfen nach der milderen Ansicht der Moralisten darüber berichten, ,,wenn
sie sich enthalten, über deren übernatürlichen Charakter ein Urteil abzugeben".
Nun besehe man sich das Vorgehen gegen die Offenbarungen
der Barbara Weigand! Obwohl ganz allein Rom zu entscheiden hat, maßte sich ehedem
die Presse dieses Recht an und erklärte die Schippacher Offenbarungen als unecht,
als Quatsch und Sammelsurium. Wo blieb da die Achtung vor der höchsten kirchlichen
Obrigkeit?
Inhaltsverzeichnis
4. Kriterien
für die Echtheit
Zahn bringt als abschließendes Ergebnis seiner
Studien für die ,,Kriterien für Visionen und Visionäre" die Folgerung: ,,Der Schluss
auf die Existenz einer besonderen und außerordentlichen göttlichen Erleuchtung und
Einwirkung ist um so begründeter, je mehr die vermöge jener Gesichte oder Ansprachen
gewonnene theoretische und praktische Einsicht über das Maß der persönlichen Veranlagung
und der verfügbaren Bildungsmittel, der bisherigen äußeren und inneren Schulung
nachweisbar hinausgeht". Nun bedarf es wohl keines Beweises mehr, daß die von Barbara
Weigand in ihren Ekstasen und Visionen empfangenen und in ihren Schriften niedergelegten
theoretischen und praktischen Einsichten in das innere religiöse Leben, in die aszetischen
Forderungen der Zeit, in das Schicksal der Kirche, in die gefährlichen Zeitströmungen
und in die wirksamen Mittel zu deren Bekämpfung, besonders in die Notwendigkeit
des Empfanges der heiligen Kommunion sowie in die Leistungen von Opfer und Sühne,
ganz sicher über das Maß der persönlichen Veranlagung und der verfügbaren Bildungsmittel
sowie der äußeren und inneren Schulung des einfachen Mädchens von einem unbekannten
Spessartdörfchen hinausgehen, eines Mädchens, das nachweisbar keine andere religiöse
und aszetische Bildung genossen hat als jene einer primitiven fränkischen Dorfschule
aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Gerade auch die Erkenntnis der vom antichristlichen
Sozialismus drohenden Gefahr, bekundet in einer Zeit, in welcher dieser praktisch
bei uns im öffentlichen und staatlichen Leben noch ohne nennenswerten Einfluss war,
überstieg zweifellos die Bildungsstufe eines Bauernmädchens oder einer Wirtshausmagd.
Weder in ihrer Heimatgemeinde, noch in deren
Umgebung bestand irgendeine Gelegenheit, wo die Jungfrau die von ihr wiedergegebenen
Gedanken über so weittragende, in das religiöse, moralische, soziale, kirchliche
und pädagogische Leben eingreifende Probleme hätte auffangen können, was auch Bischof
Haffner von Mainz im Jahre 1896 anerkannte, wenn er dazu bemerkte, ,,die zum Teil
auf die Zeitverhältnisse (Sozialismus, Liberalismus) eingehenden Mahnungen und Klagen
seien dem Gesichtskreis der Barbara fernerliegend."
Aber noch mehr als diese Einsicht in die Größe
der sozialistischen Gefahr, die nach Barbara Weigand unabweislich zu einer blutigen
Revolution in ganz Europa führen würde (wie es dann auch geschehen ist), übersteigt
ihre Erkenntnis von der Rettung der Welt durch ein wahrhaft eucharistisches Leben
ihren Bildungsstand und ihre Schulung. Hier liegt der Jungfrau Lebenswerk, an dem
nicht zu deuteln und zu rütteln ist; an diesem rocher de bronce zerschellen alle
Angriffe und Verkleinerungsversuche.
Unsere Gottesfreundin hat schon in den siebziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts den Prophetenruf in die Welt gesandt, den drohenden
Zeitübeln werde nur durch ein wahrhaft eucharistisches Leben begegnet werden können;
sie hat selber unter Widersprüchen, Kämpfen und Opfern ein solches Leben gelebt,
sie hat diesem Ideal zuliebe Elternhaus und Heimat verlassen, hat mehr als ein Menschenalter
hindurch für dieses Ideal gearbeitet, bis ihr Sehnen und Sehen in den Dekreten Pius
X. seine Erfüllung gefunden.
Schon vor ihrer Übersiedlung nach Mainz (1885)
übte sie fünfzehn Jahre lang ein ganz außergewöhnliches eucharistisches Leben und
als sie nach Mainz zog, tat sie dies gerade deswegen, weil ihr daheim in ihrer Schippacher
Kirche der tägliche Empfang der heiligen Kommunion unmöglich gemacht wurde.
Und da sagt man dann dreißig Jahre später, sie
habe diese Einsicht aus der Mainzer Wirtsstube bekommen! Glaubt wirklich ein objektiv
denkender Mensch, die Gespräche der Mainzer Wirtshausgäste hätten sich mit der Notwendigkeit
der Einführung der Oftkommunion befasst? Oder wenn man ihre diesbezüglichen Mahnrufe
als Reminiszenzen aus Büchern und Predigten hinstellt, so nenne man klipp und klar
jene Bücher und Prediger in Schippach und Mainz, welche in den siebziger, achtziger
und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts verkündeten, Papst und Bischöfe müssten
die Oftkommunion allen Gläubigen zugänglich machen, und wenn man solche Bücher und
Prediger ausfindig gemacht hat, dann beweise man wissenschaftlich einwandfrei, daß
sich Barbara Weigand ihre Ideen aus diesen Büchern und Predigten geholt habe; das
wäre dann eine ,,quellenmäßig-exakte und theologisch-gediegene Weise", welche das
ängstliche Bestreben, bei Barbara Weigand ja keine übernatürliche Einwirkung gelten
zu lassen, nur aufs beste stützen könnte.
Aber ein solcher Beweis wird nie gelingen; denn
in jenen Jahrzehnten haben in Deutschland weder die theologische Wissenschaft, noch
die Literatur, noch die Hierarchie, noch die kirchliche Praxis die Notwendigkeit
der täglichen Kommunion für alle propagiert, sie vielmehr bekämpft.
Daß sich Barbara Weigands Gedanken somit weit über ihren Bildungsstand erhoben,
dürfte außer allem Zweifel stehen. Diesen Eindruck gewinnt jeder vorurteilsfreie
Leser ihrer Schriften. Zum Beleg hierfür erwähne ich die Stimme eines Priesters,
der sich am 30. Oktober 1907 in einem 24 Seiten starken Gutachten über den Echtheitscharakter
der Weigandschen Offenbarungen freimütig aussprach. In diesem dem Verfasser im Original
vor-
liegenden Gutachten schreibt der in mystischen Dingen erfahrene und vom Fürstbischof
von Breslau zur Prüfung von Ekstatischen herangezogene Lizentiat, der Theologe Julius
Micke in Neisse (Oberschlesien), über dessen Persönlichkeit mir das Fürstbischöfliche
Ordinariat von Breslau auf meine Anfrage unterm 20. Oktober 1944 die näheren Auskünfte
in bereitwilligster Weise erteilte, zu dem berührten Punkte wie folgt (S. 5 ff):
,,In den Aufzeichnungen ist mit Recht hervorgehoben worden, daß der Geist, der aus
diesen Mitteilungen spreche, in Betracht gezogen werden müsse, um diese Frage (sc.
ob göttlichen oder menschlichen Ursprungs) zu beantworten. Sehen wir den Inhalt
der Mitteilung näher an, so ergibt sich, daß er in moralisch-aszetischer Hinsicht
übereinstimmt mit dem, was wir in den Schriften von Heiligen, welche die heilige
Kirche als solche anerkannt hat, finden; ebenso mit dem, was die besten und anerkanntesten
aszetischen Schriftsteller lehren .
Dieselbe Erkenntnis mag sich auch dem in Gott
ruhenden vormaligen Bischof von Mainz, Paul Leopold Haffner, aufgedrängt und ihn
zu dem Urteil veranlasst haben: Es ist in diesen Kundgebungen nichts neues enthalten.
Dagegen aber stellte sich folgende Erwägung ein: Wenn jemand, der theologische Studien
gemacht, Leben und Schriften der Heiligen und aszetische Bücher studiert hat, solche
Gedanken entwickelte, so wäre allerdings kein Grund zu der Annahme vorhanden, daß
sie aus unmittelbar göttlicher Quelle geflossen sind. Anders aber liegt die Sache
bei einer Person, die nur den gewöhnlichen elementaren Unterricht in der Religion
empfangen und nirgends Zeit oder Gelegenheit gehabt hat, durch Studien sich tiefer
und weiterreichende Erkenntnisse zu verschaffen.
Auch noch ein anderer Punkt sprach zugunsten
der Barbara. Über den Geist des Jahrhunderts und die in demselben immer mehr zu
Tage tretenden antichristlichen Strömungen tritt eine so klare und sichere Beurteilung
hervor, daß diese wohl erklärlich wäre bei einem Manne, der die Bewegungen der Zeit
im öffentlichen Leben, in Kunst, Wissenschaft usw. aufmerksam verfolgt hat und im
Lichte der christlichen Wahrheit beurteilt; wer aber wie Barbara seine Tage erst
in der Einsamkeit eines abgeschiedenen Dorfes und dann in einem ,,Winkel" einer
Stadt unter steten untergeordneten Beschäftigungen verlebt hat, kann solche Anschauungen
schwerlich aus dem eigenen Geiste geschöpft haben.
Vornehmlich bestärkte mich in der Annahme, es liege hier doch wohl ein unmittelbarer
Verkehr des Erlösers mit der Seele der Barbara Weigand vor, ein Vergleich dessen,
was als eine Hauptaufgabe der Barbara erscheint, nämlich: durch persönliche Opfer
und Leiden den öfteren Empfang der heiligen Kommunion herbeiführen zu helfen, mit
der Kundgebung, welche der heilige Vater Pius X. in gleicher Absicht erlassen hat."
So urteilte ein Priester, der die Schriften der Schippacher Jungfrau im Geiste der
Pietät, der Ruhe und Objektivität prüfte.
Poulain nennt im Anschluss an die heilige Theresia
ein weiteres Kriterium formaler Art zur Unterscheidung echter Offenbarungen von
falschen, wenn er schreibt: ,,Bei wahren Ekstasen wächst die intellektuelle Erkenntnis
in wirklich erstaunlicher Weise ... Großartige Bilder, tiefe Ideen bereiten sich
ihrem Geiste, so daß es ihnen ganz unmöglich ist, das zu erkären, was sie gesehen
haben".
,,Gerade das Gegenteil zeigt sich bei krankhaften,
falschen Ekstasen. Es zeigt sich ein Rückgang der Verstandestätigkeit zugunsten
einer kleinlichen Phantasietätigkeit." Was in der falschen Ekstase gesprochen werde,
seien ,,nur banale Wahrheiten"; ,,die Nervenleidenden werden von der Phantasie stark
beherrscht, in ihren Gedanken ist wenig Zusammenhang." So Poulain.
Ganz ähnlich äußert sich Mager in seinem Buche
,,Mystik als Lehre und Leben" (Innsbruck 1934) S. 265 f: ,,Der Inhalt der Halluzinationen
ist sittlich, kulturell, religiös sinn- und wertlos, wenn nicht geradezu schädlich
... Das seelische Niveau (des Mystikers dagegen) erfährt eine ungemeine Erhöhung.
Alles tritt in den Dienst des großen Zweckes, den die Offenbarungsreligion verwirklicht,
der erhabenen Ziele, denen das Reich Gottes zustrebt ... Beim Halluzinanten sinkt
das geistige Bewusstseinsniveau, im Mystiker steigt es. Es ist eine entgegengesetzte
Zielrichtung, in der sich beide bewegen."
Nun, ich glaube nicht mehr beweisen zu müssen,
daß die Schippacher Offenbarungen Ideen vortragen, die wegen ihrer Güte und Tiefe
heute Gemeingut katholischer Frömmigkeit geworden sind. Oder sind der Kampf gegen
den atheistischen Sozialismus, der Zusammenschluss aller Gutgesinnten um den Zentralpunkt
der heiligen Eucharistie, der tiefernste Sühnegedanke, die Feier der Heiligen Stunde,
das Laienapostolat, die Förderung der Oftkommunion und der wunderschöne Gedanke
zur Erbauung einer eucharistischen Friedenskirche ,,sittlich, kulturell, religiös
sinn- und wertlos", ,,nur banale Wahrheiten"?
In engem Zusammenhang mit dieser intellektuellen
Erkenntnis steht die Vervollkommnung des Glaubens und des religiösen Wissens, die
häufig bei den Mystikern zutage tritt. Maumigny legt gerade auf diese Erscheinung
im Leben der Begnadigten besonderen Wert und verweist wie Groeteken auf die Tatsache,
daß unstudierte Leute wie der heilige Paschalis Baylon auf die schwierigsten theologischen
Fragen hätten antworten können, was nur auf die durch eine höhere Einwirkung bereicherte
und vervollkommnete Erkenntnis zurückzuführen sei. Auch Trochu erwähnt diese außerordentliche
Erscheinung im Leben des heiligen Pfarrers Vianney, welcher mit einer verblüffenden
Leichtigkeit und erstaunlichen Genauigkeit die verwirrtesten theologischen Fälle
gelöst habe, obwohl er bekanntlich im Studium der Theologie nicht zu den ersten
seines Kurses gezählt hatte. Den Schlüssel zu diesem Rätsel, so bezeugt sein Biograph,
habe der heilige Pfarrer selber geliefert mit seinen Worten: ,,Wer vom heiligen
Geist geleitet wird, denkt richtig. Deshalb gibt es so viele Unstudierte, die viel
mehr wissen als die Gelehrten."
Wer muß hier nicht unwillkürlich an die Art denken,
in welcher Barbara Weigand ihren gelehrten Prüfungskommissären in Mainz und Würzburg
entgegentrat und deren Einwendungen zuschanden machte? Hat nicht der eine dieser
Prüfungskommissäre selber gestehen müssen: ,,Es ließe sich ein ganzes Kapitel schreiben
über die kluge Art, wie Barbara Weigand auf alle Anklagen und Einwendungen zu antworten
weiß?"
Warum konnte sie dies? Weil ihr Wissen nicht
aus den Büchern floss, sondern aus höherer Eingebung, weil es keine scientia acquisita,
sondern eine scientia desuper infusa gewesen ist.
,,Ich werde euch Beredsamkeit und Weisheit verleihen,
der alle eure Gegner nicht zu widerstehen und zu widersprechen vermögen" (Luc. 21,
15). ,,Nulla alia est vera scientia nisi ea quae a Spiritu Sancto datur, sed haec
humilibus tantummodo tribuitur" (Hl. Franz v. Sales).
Im 25. Kapitel ihres ,,Lebens" berichtet die
heilige Theresia Näheres über die Beschaffenheit der inneren Worte. ,,Wollen wir
menschliche Worte nicht hören", schreibt die Heilige, ,,so können wir uns die Ohren
zuhalten ... Bei den Worten, die Gott zur Seele spricht, ist es ganz anders; sie
erzwingen sich Gehör, von hören- oder nichthörenwollen ist keine Rede, und der Verstand
wird genötigt, aufs allerdeutlichste das zu vernehmen, was Gott für gut findet zu
sagen."
Daß es auch der Schippacher Jungfrau nicht möglich
war, die Stimme Gottes abzuweisen, daß vielmehr solche Worte ganz ohne ihr Zutun,
ja gegen ihren Willen (scientia passiva!) sich aufdrängten, kann aus ihren Schriften
unschwer festgestellt werden, z. B. dort, wo sie den Auftrag erhält, die Botschaft
von der Einführung der Oftkommunion vor ihren Bischof zu bringen. ,,Ich erschrak",
so berichtet sie, ,,als ich diese Stimme hörte."
,,Die Worte des Herrn sind unvergesslich, haften im Gedächtnis ... Prophetische
Worte wird gewiss niemand vergessen." ,,Die Heiligen erinnern sich nach der Ekstase
der Erscheinungen, während das bei Nervenleidenden fast nie der Fall ist." ,,Ein
Merkmal, an dem man die Worte Gottes erkennen kann, ist, daß sie sehr lange der
Seele wie eingegraben bleiben und daß einige nie mehr aus derselben verschwinden."
Auch dieses Kennzeichen findet sich bei Barbara
Weigand in geradezu auffallender Weise. Hat sie doch selbst noch nach Jahren frühere
Erleuchtungen niedergeschrieben und bis ins höchste Greisenalter mit verblüffender
Genauigkeit innere Ansprachen wiedergegeben, deren sie vor dreißig, vierzig und
fünfzig Jahren gewürdigt worden war. Diese Treue in der Wiedergabe war schon dem
im Jahre 1896 sie beobachtenden Sanitätsrat Dr. Müller aufgefallen, wie er auch
in seinem Gutachten eigens hervorhob.
Ein gutes Kennzeichen der Echtheit ist nach den
Autoren die Art des Sprechens in der Ekstase. So äußert sich die heilige Theresia:
,,Es sind ganz deutlich ausgebildete Worte ... Die Seele vernimmt sie viel klarer
als wenn sie ihr durch die Sinne zukämen ... Dagegen sind die Worte, welche die
Einbildungskraft vortäuscht, meist unbestimmt, unzusammenhängend, die Sätze werden
nicht vollendet, die Stimme stockt. Während darum bei den Scheinvisionen und falschen
Offenbarungen die Wiedergabe abgehackt wird, laufen die Lippen der echten Visionäre
geradezu über, so daß es unmöglich ist, das Gesprochene zu Papier zu bringen.
Bekanntlich sprach die heilige Magdalena von
Pazzi in der Ekstase so rasch, daß sechs Schreiber zum Aufzeichnen nötig waren.
Und Barbara Weigand? Bei ihr kann man wahrlich nicht von abgehackten Sätzen reden;
die Sätze quollen über ihre Lippen wie aus einem unversiegbaren Reservoir, wie denn
auch ihre Prüfungskommissäre zugeben mußten, daß die Schreiberinnen ,,bei dem starken
Redestrom der Seherin" im Schreiben nicht mitgekommen seien. Wo sich also in den
Schippacher Schriften unvollendete Sätze finden, stammen diese Mängel nicht von
der Visionärin, sondern aus der ungenügenden Schnellschreibekunst der Aufzeichner.
Also auch an diesem Maßstab gemessen, erweisen sich die Schippacher Offenbarungen
eher als echt denn als unecht. Der Form nach tragen somit die Weigandschen Offenbarungen
so ernste und beachtliche Kriterien an sich, daß man sie nicht einfach abtun kann,
wie ihre Gegner gemeint haben; sie stehen jedenfalls mit den Erscheinungsformen
falscher Ekstasen und unechter Offenbarungen sehr im Widerspruch. Doch genügen solche
Kriterien, so günstig sie auch lauten mögen, noch nicht zu einem wissenschaftlich
haltbaren Urteile über die Echtheit. Hierzu muß man auch den Inhalt der Offenbarungen
ins Auge fassen.
Echte Privatoffenbarungen verlieren sich, wie wir gehört, nicht in kleinlichen Bemerkungen,
banalen Wahrheiten oder sentimentalen Ergüssen, sondern fordern zu großen Werken
auf. Poulain findet ,,bei wahren Ekstasen eine Weite des Geistes, welche große,
weitausschauende, schwer durchzuführende Pläne fasst."
Auf die Schippacher Offenbarungen angewendet:
da findet sich kein Ohrenschmaus, kein sentimental-romanhafter Zug, da werden Aufgaben
von elementarer Kraft gestellt: Zusammenschluss aller Gutgesinnten zum Widerstand
gegen die Fluten des Unglaubens und der Unsittlichkeit, mutiges und offenes Glaubensbekenntnis
im Gegensatz zur Feigheit, Gleichgültigkeit und Menschenfurcht unserer Zeit, lebendige
Teilnahme am kirchlichen Kulte, am Gottesdienst und an Prozessionen, Unterstützung
der priesterlichen Tätigkeit durch kräftiges Laienapostolat, durch Opfer und Sühne
für die Verbrechen der Welt, bewusster Verzicht auf die Genüsse der Welt, öftere
heilige Kommunion, Erbauung einer schönen Kirche zu Ehren des Eucharistischen Königs:
das sind wahrhaftig keine ,,banalen Dinge", sondern ,,große Werke", ,,weitausschauende,
schwer durchzuführende
Pläne."
Von geradezu epochaler Bedeutung erweisen sich
die lauten Aufrufe in jenen Offenbarungen zur Erfüllung unserer Sühnepflicht gegen
das Heiligste Herz Jesu, wie sie Papst Pius XI. dreißig Jahre später in seinem Rundschreiben
vom 8. Mai 1928 in ergreifenden Worten ausgesprochen hat.
,,Wir sehen", so ruft dort der Statthalter Christi,
,,wie göttliche und menschliche Rechte mit Füßen getreten, Gotteshäuser niedergerissen
und zerstört werden, Ordensmänner und gottgeweihte Jungfrauen aus ihren Klöstern
vertrieben, verhöhnt, grausam gequält und durch Hunger und Gefangenschaft misshandelt
werden. Wir sehen, wie ganze Scharen von Kindern dem Mutterschoß der Kirche entrissen
und verführt werden, Christus abzuschwören und zu lästern und sich den schlimmsten
Verbrechen der Sittenlosigkeit hinzugeben ...
All das ist so betrübend, daß man fast sagen
möchte, es werde dadurch schon jetzt der Anfang der Leiden angekündigt und eingeleitet,
den der Mensch der Sünde herbeiführen wird, der sich über alles erhebt, was Gott
und Religion heißt."
Angesichts solcher Verbrechen ruft der Heilige
Vater alle Gutgesinnten zur Sühneleistung auf und belobt besonders jene edlen Seelen,
welche sich die Sühne zum Lebensberuf gemacht haben. Wer sähe darin nicht Barbara
Weigands - vor sechzig Jahren als Stimme Gottes - vorgetragene Aufforderung zu tatkräftiger
Sühne von höchster Warte bestätigt? (Siehe auch Rundschreiben Papst Pius XII. vom
15. Mai 1956).
Echte Offenbarungen stehen auch in enger Verbindung mit der kirchlichen Liturgie;
falsche Visionäre haben sich zu allen Zeiten vom kirchlichen Leben für entbunden
gehalten und sind ihre eigenen Wege gegangen wie Michael de Molinos, unter dessen
von Innozenz XI. am 20. November 1687 verurteilten Sätzen sich auch dieser befand:
,,Male agit anima, quae procedit per hanc vitam aeternam, si in diebus solemnibus
vult aliquo conatu particulari excitare in se devotum aliquem sensum, quoniam animae
omnes dies sunt aequales, omnes festivi."
Das Gegenteil dieses verurteilten Satzes wird
also richtig sein: ,,An Festtagen wird sich die innerlich gerichtete Seele in besonderer
Weise zu Gott hingezogen fühlen." Darum schreibt auch Zahn: ,,Die echte mystische
Frömmigkeit fühlt sich mit innerer Folgerichtigkeit hingezogen und emporgetragen
zum kirchlichen Kultus als Letztem, Höchsten."
Wenn wir die Offenbarungen der Barbara Weigand
unter diesem Gesichtswinkel auf ihre Echtheit prüfen, dann finden wir, daß sie harmonisch
eingeschlossen sind in den Ring des Kirchenjahres mit seinen erhebenden Festen und
Feierlichkeiten. Kein bedeutenderes Fest des Herrn, der Muttergottes oder eines
größeren Heiligen geht vorüber, ohne daß der Festgedanke in oft recht tiefgründiger
und anschaulicher Weise herausgehoben und mit den Zeitaufgaben in Kontakt gesetzt
wird.
Da zeigen sich Mystik, Dogma und Leben in schönster
Harmonie. Selbst die Gegner konnten an dieser Tatsache nicht vorübergehen, ohne
ihr Achtung und Anerkennung zu zollen: ,,Man möchte ja", sagte der eine von ihnen,
,,Barbara Weigand um die Gabe beneiden, wie sie die Gedanken des Kirchenjahres oft
in kühnster und überraschender Weise in die betrachtende Form von Zwiegesprächen
mit Jesus, Maria und den Heiligen zu kleiden und auf alle möglichen Lebensverhältnisse
anzuwenden versteht!"
Ist es da nun nicht vernünftiger, Barbara Weigand
zu glauben, wenn sie als Urheber dieser schönen Gedanken die Stimme von oben angibt,
als diesen Ursprung in ihrem menschlichen Gehirn zu suchen, das nach demselben Autor
,,krank" und nur geeignet war, ,,Sammelsurium" und ,,Ausgeburten" hervorzubringen?
Die Schippacher Offenbarungen stehen also in erfreulicher und enger Verbindung mit
der Liturgie, so daß es wirklich zu bedauern ist, daß man diese Schriften mit ihrem
tiefen Verständnis des Kirchenjahres immer noch mit dem Schutte der Verketzerung
zudeckt, anstatt sie dem katholischen Volke zugänglich zu machen.
Und ist nicht auch das Verlangen, eine schöne
Kirche zu bauen, damit eine Pfarrgemeinde ihre Liturgie würdig feiern kann, und
das Bestreben, diese Kirche der besonderen Verehrung der heiligen Eucharistie, des
Mittelpunktes aller Liturgie, zu weihen, ist nicht auch dieses Verlangen in hohem
Grade liturgisch?
Die Autoren verlangen von echten Visionen und Ansprachen eine hohe Auffassung der
Sittlichkeit. Während der moralische Standpunkt bei den hysterisch Kranken sehr
tief steht, sagt Zahn, ist die ,,von echten Visionären gepflegte Idee von der Sittlichkeit
eine sehr erhabene, die sie ständig in allen Handlungen vor Augen haben; ihr Glück
suchen sie in Selbstlosigkeit und im Dienste anderer." ,,Die Liebe der gottminnenden
Seele bleibt nicht in ihr verborgen, sie kommt immer der ganzen Kirche zugute. Im
Dienst der Brüder muß sich die begnadigte Seele bewähren." Alle diese Anforderungen
hat Barbara Weigand geradezu buchstäblich erfüllt, wie uns die früheren Kapitel
dieses Buches an vielen Stellen gezeigt haben; es sei nur an ihre Arbeit im Dienste
der Verwandten, lange Jahre nur um Gotteslohn, an ihre Sorge für notleidende Kinder,
an die Pflege verlassener Kranker, an ihre Bemühungen um Errichtung der Heimatpfarrei
und um Erbauung einer Kirche daselbst, an ihre Unterstützung der Diözesaneinrichtungen
erinnert!
Und wie sich ihr Leben ,,im Dienste der Brüder
verzehrte", so fordern ihre Offenbarungen zum Verzicht auf die Welt, zur Selbstverleugnung,
Opferliebe, Sühneleistung, zur Mithilfe an der Ausbreitung des Reiches Gottes. Auch
von der Zeitkrankheit der Ehrsucht, des Egoismus und Mammonismus blieb unsere Gottesfreundin
unbefleckt. Ihre Person und ihre Schriften künden somit von einer hohen Auffassung
der Sittlichkeit.
Endlich, so meint Poulain, könnten einen zuverlässigen
Anhaltspunkt für die Echtheit von Privatoffenbarungen auch die Werke abgeben, zu
denen solche Offenbarungen die Anregung gäben, z. B. eine Ordensgründung, die Einführung
einer Andacht oder die Erbauung eines Heiligtums. Seien solche Werke gut, dem Seelenheil
nützlich oder förderlich, dann sei das ein Zeichen, daß sie von Gott gewollt seien.
Nun ist es ja vor aller Augen liegend, ein wie notwendiges und nützliches Werk die
Erbauung der Sakramentskirche in Schippach wäre, und wie zeitgemäß und nützlich
der aus den Weigandschen Offenbarungen stammende Liebesbund ist, wird durch die
Tatsache seiner Approbation und das laute Lob von Bischöfen zur Genüge erwiesen,
wie denn auch die Würzburger Prüfungskommissäre und das dortige Ordinariat seinen
edlen Zweck wiederholt anerkannt haben.
Somit zeugen auch Inhalt und Werke für die Echtheit
der Schippacher Offenbarungen.
Inhaltsverzeichnis
5. Die guten
Wirkungen der Schippacher Mystik
Wir haben schon früher vernommen daß die echte
Vision die Seele mit einem hohen Maße von Mut, Kühnheit und Ausdauer ausrüstet.
Die Sicherheit der inneren Worte ist so groß, daß nach dem Zeugnis der heiligen
Theresia ,,die Seele vom Augenblick an, wo sie diese Worte hört, nicht mehr schwankt;
sie würde dafür sogar zu sterben bereit sein, mag auch der böse Feind sie quälen
und zu entmutigen sich bemühen.
Das gilt besonders dann, wenn diese Worte den
Dienst Gottes und das Wohl der Seelen betreffen und das Gelingen der Aufgabe schwer
zu sein scheint." In ihrem ,,Leben" äußert die große Mystikerin denselben Gedanken:
,,Nach der Ekstase fühlt man einen solchen Starkmut, daß man sich auf der Stelle
mit Freuden in Stücke hauen ließe, wenn es die Ehre Gottes erheische. Nun keimen
die heldenmütigen Entschlüsse und Versprechen auf ... Nun wird die Fahne Jesu entfaltet.
Gleich dem Befehlshaber einer Festung steigt die Seele zur höchsten Zinne empor
... und pflanzt dort die Fahne ihres göttlichen Königs auf. Ruhig, weil sie in Sicherheit
ist, blickt sie in die Tiefe und fordert die Kämpfe heraus anstatt sie zu fürchten."
,,Die Seele hat eine solche Gewissheit, daß diese
Erscheinungen von Gott kommen, daß, wenn man ihr auch das Gegenteil sagen würde,
sie nicht einmal den Gedanken fassen könnte, getäuscht zu sein." Auch an diesem
Maßstab gemessen erweisen sich die Visionen und Ansprachen der Jungfrau Weigand
als echt. Ihr Glaube an ihre mystischen Schauungen und Auditionen war unerschütterlich,
wie ja auch die beständigen Vorwürfe ihrer Gegner, sie lasse sich ihre Erleuchtungen
nicht ausreden, zur Genüge beweisen. Auch von knechtischer Furcht, diesem erbärmlichen
Produkte einer charakterlosen Zeit, hat die Schippacher Jungfrau zeitlebens nichts
gewusst.
Natürlich können den Begnadigten auch Leiden
und Prüfungen nicht fehlen. ,,Die Erfahrung lehrt", schreibt Poulain, ,,daß Gott
denen, die nach Vollkommenheit streben, Prüfungen zu schicken pflegt, und zwar manchmal
während des ganzen Lebens", und Zahn meint: ,,Bei allen, welche des mystischen Lebens
kundig sind, besteht völlige Übereinstimmung darüber, daß das Geheimnis des Kreuzes
... im mystischen Leben erst recht waltet und herrscht." Das Kreuz hat aber Barbara
Weigand gewiss nicht gefehlt: Verkennungen, Kränkungen, Verfolgungen, öffentliche
Schmähungen der niedrigsten Art bildeten die bitteren Beigaben ihres langen Lebens.
Erst die spätere Geschichtsschreibung wird dieses Kapitel des Kampfes gegen Schippach
mit schonungsloser Offenheit schreiben können. Trotz der bitteren Erfahrungen, die
unsere Gottesfreundin in jenen Jahren machte, bewahrte sie eine Ruhe und Gelassenheit,
die ihr ebenfalls ein günstiges Zeugnis ausstellen, da nach den Worten Richtstätters
die begnadigte Seele ,,es als eine Wohltat empfindet, wenn sie unverdiente Verachtung,
bittere Kränkung, Misskennung und Demütigungen tragen muß." Daß die Jungfrau Barbara
trotz des ihr zugefügten seelischen Leidens gegen ihre Widersacher keine feindselige
Gesinnung hegte, kann ich als ihr Pfarrer laut bestätigen, wie dies auch von anderen
Personen bezeugt wird, die damals mit ihr zusammenkamen.
So schreibt mir ein Priester: ,,Ich habe Barbara Weigand in ihrer Heimat im Kreise
ihrer Verwandten aufgesucht (1916). Sie kennen selbst diese schlichten Leute, die
nichts aus sich machen und nicht im mindesten darauf aus sind, mit der Begnadigung
ihrer Tante zu prunken oder für diese oder sich selbst irgend eine Bedeutung oder
Ehre in Anspruch zu nehmen.
Barbara Weigand passt in diesen Kreis; sie kam
ermüdet von harter Feldarbeit zurück und hatte auch für mich nur wenig Zeit, weil
sie noch manches zu besorgen hatte. Die kurze Unterhaltung verriet mir wieder ihre
tiefste Frömmigkeit, ihre glühende Liebe zu Jesus und ihre echte Demut; denn was
sie sagte, war nicht herbeigezogen, nicht eine gewollte Wiedergabe von Reminiszenzen
aus Erbauungsbüchern und Predigten, sondern wir besprachen die gegebenen Verhältnisse,
den begonnenen Bau der Sakramentskirche, die Zurücknahme der Bauerlaubnis und die
sich hieraus ergebende traurige Lage der Barbara Weigand.
Das alles fasste sie von dem erhabenen Standpunkt
einer innerlichen Vereinigung mit Gottes Willen auf. Kein Wort des Hasses oder auch
nur ein abfälliges Urteil gegen diejenigen, von denen sie so viele Verfolgungen
zu leiden hatte, kam über ihre Lippen. Von sich selbst sprach sie gar nichts, von
der Sakramentskirche und von allem, was damit zusammenhing, sprach sie nur insofern
man sie fragte, und dann merkte man ihr das Bestreben an, die eigene Person ganz
in den Hintergrund zu drängen."
Aus dieser heiligen Ruhe und Ergebung der so
hart geprüften Greisin habe ich als Pfarrer von Rück-Schippach mehr als einmal Kraft
und Zuversicht in meinen persönlichen und beruflichen Bedrängnissen schöpfen können.
Die nachhaltig gute Wirkung der Weigandschen
Mystik auf andere Personen wird durch eine ganze Wolke von Zeugnissen bestätigt,
von denen im Rahmen dieser Schrift natürlich nur wenige berücksichtigt werden können;
die Tatsache der schnellen (Geändert. Die Red.) Ausbreitung des Liebesbundes in
Mainz, Aachen, Trier, Köln, Freiburg, wo die Zahl rasch in die Tausende anwuchs,
ist hierfür allein schon ein Beweis. Priester erbauten sich besonders an ihren zeitnahen
aszetischen Forderungen. ,,Ihre aszetischen Erwägungen", so ist in einem Priesterbrief
zu lesen, ,,sind so erbaulich, daß ich sie mit der `Nachfolge Christi´ des Thomas
von Kempen vergleichen möchte. Es war mir immer eine seelische Erfrischung meines
geistigen Lebens, wenn ich solche Offenbarungen der Barbara Weigand lesen konnte.
Ich fand sie so frisch und unmittelbar, so genau den Bedürfnissen unserer Zeit angepasst,
daß ich großen Nutzen daraus schöpfte."
Geradezu ergreifend ist auch, was der eucharistische
Apostel von Schifferstadt, Pfarrer Weihmann, über die Quelle seiner außerordentlichen
Erfolge in der Seelsorge berichtet.
Dieser Priester, der in seiner Pfarrei die Jahreskommunionen auf über 20000 ansteigen
sah, durch dessen hinreißende Triduen beispielsweise die Jahreskommunionen in Eppelheim
von 6000 auf 39000, in Mörsch von 24000 auf über 150000 stiegen, dieser Priester
steht nicht an, als Quellgrund dieses offenkundigen Segens Schippach zu bezeichnen,
wie er es in seinem Berichte vom 1. Mai 1943 an den Heiligen Vater getan hat. Hören
wir seine eigenen Worte!
,,Eine zweite Quelle des außerordentlichen Himmelssegens
meines Eucharistischen Kreuzzuges ... sehe ich in Schippach. Ich bekenne dies ehrlich
und wahrheitsgetreu und glaube nicht, daß ich mich täusche ... Seit 1922 mit Schippach
bekannt, besuchte ich im Jahre 1925 nach meiner ersten Romwallfahrt zum erstenmal
Barbara Weigand in Schippach, die damals bei ihren 80 Jahren noch außerordentlich
rüstig und schaffensfroh war.
Wir beteten auf den Knien liegend ca. vier Stunden
auf den Ruinen der Sakramentskirche um den Siegeszug des Eucharistischen Heilandes,
wobei Barbara mir prophetisch versicherte, daß ich zum Siege des Eucharistischen
Heilandes und zum Bau der Sakramentskirche viel mithelfen dürfte.
Heute bin ich überzeugt, daß das ,,Eucharistische
Charisma" neben der Weihe am Grab Pius X. auch in Schippach begründet ist ... In
der Folgezeit konnte ich Barbara Weigand noch öfters besuchen und tiefen Einblick
in den Beginn ihrer Begnadigung und in ihr reiches Innenleben gewinnen, das noch
in der Neunzigjährigen von Liebe zum eucharistischen und leidenden Heiland glühte.
Bei einem Kreuzweg, den sie laut und frei aus dem Herzen vorbetete, war ich von
ihrer zarten Christusmystik ganz ergriffen ... Auch der hochselige Bischof Ludwig
Maria Hugo von Mainz, ein Fachmann in der Mystik und Seelenführer von Begnadigten,
mit dem ich persönlich gut befreundet war, sprach mit größter Hochachtung von Barbara
Weigand als einer zwar derben, aber durchaus ehrlichen, frommen, opferstarken, ja
heiligmäßigen Person und war von der Echtheit ihrer Begnadigung überzeugt ..."
Eine unmittelbare Teilnehmerin ihrer Ekstasen,
eines der Dienstmädchen im Weigandschen Hause zu Mainz, Frau Anna Fischer in Großwallstadt,
schrieb dem Verfasser unterm 13. September 1942 einen Brief, der als Bericht eines
Augen- und Ohrenzeugen verdient, hier wenigstens im Auszug wiedergegeben zu werden:
,,Als Dienstbote der Familie Weigand in Mainz
bin ich Augen- und Ohrenzeuge der außergewöhnlichen Vorgänge im Leben der Barbara
Weigand gewesen und habe das Leben und Streben, das in dieser Familie herrschte,
schätzen gelernt. Am 2. November 1899 trat ich, 19 Jahre alt, als Hausmädchen in
den Dienst bei Familie Weigand ein ... ich durfte bleiben bis Sommer 1904 ... Wir
hatten sehr viel Arbeit bis spät in die Nacht und keine Zeit für Erholung und Vergnügen.
Was mich in diesem Hause festgehalten hat, war das außergewöhnliche Leben der Barbara
Weigand. Ihr Gebets- und Opferleben machten auf mich einen guten Eindruck. Ich durfte
manchmal ihre Bußgänge nach Marienborn und Gonsenheim mitmachen. Barbara Weigand
und ihre Freundin Elisabeth Feile gingen dabei barfuß. Ihre großen Absichten der
Sühne und Bitten für die ganze Welt und für die Anliegen der heiligen Kirche bei
diesen Bußgängen ermutigten mich ebenfalls, barfuß mitzugehen. Wir kannten dabei
keine Menschenfurcht. Wir wussten, daß Gott Sühne verlangt hat. Wir Dienstmädchen
gingen täglich zur heiligen Messe und zur heiligen Kommunion. Die großen Gebetsmeinungen
der Barbara Weigand lernten uns das Gebet hochschätzen.
Das Größte, das ich bei Barbara Weigand erleben
durfte, waren die Ekstasen. Am 8. Dezember 1899 durfte ich zum erstenmal dabei sein.
Familie Weigand hatte mir in den ersten Wochen meines Dortseins nichts davon gesagt.
Der erste Eindruck war: ich fühlte mich dem Himmel nahe. Was Barbara Weigand in
dieser Ekstase sprach, konnte ich gut glauben, daß es die Worte der Muttergottes
waren ... Ich wünschte immer: O daß doch alle Menchen das Glück hätten, dabei zu
sein! Möge der liebe Gott uns bald den Kirchenbau in Schippach erleben lassen zu
Seiner Ehre und zum Frieden und Heil der Seelen und der Welt!"
Einen nachhaltigen Einfluss übte die Gottesfreundin
von Schippach auf ihre eigene Familie aus. Eine leibliche Schwester trat bei den
Englischen Fräulein in Augsburg ein und verbrachte dort 28 Jahre im Ordensstande,
ein Neffe wurde Priester in der Diözese Würzburg, ein zweiter fiel im ersten Weltkrieg
als Alumnus des Mainzer Priesterseminars, ein dritter und ein Großneffe wurden Laienbrüder
bei den Salesianern, zwei Nichten legten im Jahre 1902 das Gelübde der Jungfräulichkeit
ab, eine Großnichte nahm den Ordensschleier, zwei Neffen, Landwirte in Schippach,
wurden Terziaren vom heiligen Franziskus.
Von ihrer Jugendzeit in Mainz, die sie ganz unter
der Obhut von Tante Babette verlebte, schreibt die dort im Jahre 1884 geborene Nichte
Maria: ,,Ich kann mich gut erinnern, wie wir Kinder unter der Obhut der Tante waren,
wie sie uns beten lehrte und warnte vor dem Bösen und wie sie unseren Verkehr mit
anderen Kindern streng und sorgsam überwachte. Der Tag meiner Schulentlassung eröffnete
mir einen Lebensabschnitt von seliger Freiheit. Ich hörte nun nicht mehr meine Mitschülerinnen
von Theater und Tanz reden und konnte jetzt ungestört dem unvergänglichen Glücke
zueilen. Unser Haus ward immer mehr zum Paradies und die Kirche zum Himmel. Durch
Tante Babette lernten wir Gott recht lieben, die Heiligen verehren, das Gebet und
den Gottesdienst über alles hochschätzen und durch sie wurden wir bekannt mit anderen
guten Menschen, deren Beispiele uns neu begeisterten."
Die Dienstmädchen im Weigandschen Hause konnten sich dem sittigen den Einflusse
der Tante nicht entziehen und rechneten ihren Aufenthalt daselbst ,,zu den schönsten
ihres Lebens", wie es in dem oben abgedruckten Briefe eines dieser Mädchen zu lesen
ist. ,,Mit größtem Eifer", schreibt ihre Nichte, ,,sorgte Tante stets für brave
Dienstmädchen. Von ungefähr 1890 an hatten wir stets zwei Dienstmädchen und von
1901 an stets drei. Der tägliche Besuch der heiligen Messe war bei allen unseren
Dienstmädchen bald ganz selbstverständlich. Sie betrachteten das frühe Aufstehen
um fünf Uhr nicht als ein zu großes Opfer, da sie höchst selten vor zwölf Uhr zur
Ruhe gingen, sondern als einen Dienst Gottes und als eine Stärkung für die Seele.
Unsere Dienstmädchen und ich berieten uns heimlich
in der Küche, wie wir nur dem lieben Gott besondere Freude machen könnten. Die gute
N. sagte: Ich sage: Gelobt sei Jesus Christus, so oft ich an dir vorübergehe, und
wenn ich es nicht sagen kann in der Wirtschaft, dann zupfe ich dich und dann denkst
du immer: In Ewigkeit! Amen.
Ich sagte: Ich will fleißig die Papierstückchen
unter den Tischen hervorheben aus Liebe zu Gott; und diese beiden guten Vorsätze
wurden jahrelang treu ausgeführt, bis uns der Lebensweg auseinanderführte. Soviel
ich mich erinnern kann, waren unsere Dienstmädchen auch alle im Dritten Orden. Auch
verzichteten sie gerne auf einen freien Sonntagnachmittag. Aber mit Eifer suchte
jedes Mädchen Gelegenheit, einer Nachmittagsandacht beiwohnen zu können. So wurden
auch die sakramentalischen Betstunden am Werktag und die Fasten- und Adventspredigten
eifrig besucht. Meine Mutter ließ während der Abwesenheit der Mädchen die Arbeit
kommen wie sie nur wollte; denn das Gebet wurde über alles hochgeschätzt. In der
Kirche und in der Küche haben wir uns jeden Tag gerüstet für das Leben in der Wirtschaft."
Wo ein solcher Geist in der Familie der Wirtsleute
wehte, konnte es nicht ausbleiben, daß ihn auch die Gäste zu spüren bekamen. ,,Wir
hatten eine vielbesuchte Wirtschaft", schreibt die Tochter des Hauses, ,,und unsere
Gäste kamen jahrelang Tag für Tag. Es waren meistens Arbeitsleute verschiedener
Berufe. Da gab es täglich kirchenfeindliche Religionsgespräche nach sozialistischer
Redensart. Für alle Personen, die zu unserem Haushalt gehörten, waren solche Gespräche
eine Gelegenheit, unserem wirklich so wenig schönen Beruf eine schöne Seite abzugewinnen
und sich bewusst zu werden, wozu man in der Wirtschaft lebt. Jedes Dienstmädchen
sogar machte einem solchen Gespräch ein Ende, manchmal mit einem guten Wort der
Belehrung oder mit einer Äußerung, daß man uns als Katholiken beleidigt, oder man
hat einem recht frechen Menschen direkt den Aufenthalt gekündigt. Die Zurechtgewiesenen
kamen täglich wieder, mit Ausnahme der Frechsten. Einige ältere Gäste, die in ihrer
Religion nicht besser waren als die meisten, sagten gewöhnlich schon, wenn einer
seinen Unglauben präsentieren wollte: Das darf man hier nicht sagen, sonst wird
man vor die Tür gesetzt. Unsere Gäste sagten manchmal zu unseren Dienstmädchen:
Wir gäben euch ganz gern ein Trinkgeld, aber ihr tragt ja doch alles zu den Kapuzinern.
In der Fastenzeit redeten wir dem einen und dem andern zu, abends in die Fastenpredigt
zu gehen. Wir hatten dann manchmal die Freude, daß eine ganze Tischgesellschaft
in die Predigt ging. Wir hatten ein tiefes Mitleid mit den armen Menschen, die ihr
ewiges Ziel nicht kannten, und haben viel für sie gebetet."
Welch herrliches Bild echt katholischer Gastwirtsleute
entrollen diese wenigen Zeilen! Welcher Glaubensmut!
Welche Überzeugungskraft!
Welcher apostolischer Geist!
Das war Geist vom Geiste der Jungfrau Barbara Weigand und ihrer Offenbarungen.
Inhaltsverzeichnis
6. Bewährung
in Zeit und Kritik
Unser Gewährsmann Poulain verlangt zur Prüfung
der Echtheit von Privatoffenbarungen auch die Beantwortung der Frage: ,,Haben die
Offenbarungen die Probe der Zeit und der Kritik bestanden?"
Zum ersten: Probe der Zeit! Wir haben gesehen,
daß die Zeit vielen Gedanken der Jungfrau Barbara, derentwegen sie einstmals sogar
von Priestern verlacht wurde, völlig recht gegeben hat, z. B. jenen vom Unheil,
das der gottlose Sozialismus anrichten werde, von der blutigen Völkerrevolution,
vom Ansturm Satans, von der Verfolgung der Kirche, von der Verführung der Jugend,
von dem großen Glaubensabfall, von den Strafgerichten über die Völker und die Kirche,
von der Schließung der Kirchen, vom Zerfall der katholischen Vereine, aber auch
den Offenbarungen von der Einführung der Oftkommunion, von den zahlreichen Selig-
und Heiligsprechungen, von Heiliger Stunde und Christkönigsverehrung, von Sühne
und Opfer, von der Ausbreitung des Liebesbundes. Die Zeit hat für Barbara Weigand
gearbeitet.
Und die Probe der Kritik? An Kritik, Kritikern
und Kritikastern hat es den Schippacher Offenbarungen wahrscheinlich nicht gefehlt;
selbst Leute, die niemals eine Zeile dieser Schriften gelesen und die Visionärin
in keinem Augenblick ihres langen Lebens auch nur gesehen hatten, hielten sich nach
dem Lesen der Zeitungsartikel für befugt, ihr Urteil abzugeben.
Politische Zeitungen urteilten mit derselben
Unwissenheit über die Geheimnisse mystischen Schauens ab, mit der sie noch im Oktober
1918 die Festigkeit der deutschen äußeren und inneren Front ,,bewiesen". Die Probe
dieser Kritik haben die Schippacher Offenbarungen wohl bestanden. Und wenn sich
vor vierzig und fünfzig Jahren selbst Theologen in die Reihe der Gegner Schippachs
stellten, so sind auch deren Angriffe inzwischen restlos zusammengebrochen.
Die Schippacher Offenbarungen haben auf der ganzen
Linie gesiegt; die von Barbara Weigand vorgetragenen Gedanken sind restlos Wirklichkeit
geworden; ihre Prophezeiungen sind sämtlich in Erfüllung gegangen; ihre Kirche ragt
weit in die Lande.
Man kann also mit gutem Grunde die Schippacher
Offenbarungen in ihrem wesentlichen Inhalte als echte Offenbarungen bezeichnen.
Inhaltsverzeichnis
III. DIE KIRCHENBEHÖRDLICHEN
PRÜFUNGEN
Wir haben im Vorstehenden den Inhalt der Schippacher
Schriften nach den für die Prüfung solcher Aufzeichnungen von den besten Kennern
der mystischen Theologie aufgestellten Grundsätzen einer objektiven Prüfung unterzogen
und sind dabei zu einem für die Schippacher Offenbarungen recht günstigen Resultat
gekommen.
Eine ganz andere Beurteilung erfuhren bekanntlich diese Schriften in der Vergangenheit
von den kirchlichen Behörden, die sich seinerzeit amtlich mit ihnen befassten.
Sehen wir uns nun diese amtlichen Untersuchungen einmal etwas näher an und betrachten
wir besonders die Arbeitsweisen, die bei diesen wichtigen Geschäften angewandt wurden:
Das Resultat wird erschreckend sein.
Inhaltsverzeichnis
1. Bischof Haffner
im Jahre 1896
In der Bittwoche des Jahres 1896, ,,nachdem einige Bücher der Mitteilungen voll
waren", brachte Luise Hannappel diese Hefte ihrem Beichtvater mit der Bitte, sie
dem Mainzer Oberhirten vorzulegen. Da sich der Pater hierzu jedoch nicht entschließen
wollte, nahm sich Hannappel selbst das Herz und überreichte sie persönlich dem Bischof,
der sie annahm, las und am 28. Juni 1896 sein Urteil in die folgenden Sätze zusammenfasste:
,,Betr. Aufzeichnungen der kranken Jungfrau Barbara.
Nach Prüfung der mir übergebenen Hefte bemerke ich folgendes:
1. Die Lebensbeschreibung lässt erkennen, daß die Barbara eine schlichte,
tugendhafte und fromme Person ist. Sie macht den Eindruck einer Betrügerin nicht.
Persönlich kenne ich sie nicht und habe darum ein bestimmtes Urteil nicht.
2. Die Krankheitserscheinungen kenne ich auch nicht, zweifle aber
nicht, daß sie in die unermessliche, mannigfaltige Gruppe hysterischer Krämpfe gehören.
3. Die der bisherigen Bildung Barbaras gegenüber auffallend feine
und edle Sprache, sofern sie nicht etwa von der Schreiberin herrührt (wie bei Katharina
Emmerich von Brentano), lässt sich wohl natürlich erklären aus der abnormen Nervenerregung,
welche an die Krämpfe sich anschließt.
4. In den Aufzeichnungen erscheinen besonders bedenklich die Aussprüche
über Personen, die sich im Fegfeuer befinden. Als göttliche Eingebung sie zu betrachten,
liegt kein Grund vor, sie haben einen Zweck nicht. Sie sind leichtfertige Annahmen
und müssen unterdrückt werden.
5. Gegen den Glauben verstoßen die frommen Ermahnungen, Betrachtungen
und Ergießungen nicht, sie übersteigen aber nicht die Linie der gewöhnlichen frommen
Anschauungen, welche in Gebetbüchern, Predigten und Betrachtungen sich finden, und
können darum wohl natürlich erklärt werden.
6. Die z. T. auf die Zeitverhältnisse
(Sozialismus, Liberalismus) eingehenden Mahnungen und Klagen sind sehr wohl natürlich
zu erklären, obgleich dem Gesichtspunkt (Gesichtskreis? d. V.) der Barbara fernerliegend.
7. Wenn die Mitteilungen als Worte
des Heilandes sich darstellen und als Offenbarungen desselben vorgetragen werden,
so kann das auf reiner Phantasie beruhen. Was B. denkt und will, das kleidet sie
in ihrer Phantasie in die Form von Aussprüchen und Befehlen des Herrn. Es soll das
nicht als absichtlicher Betrug angesehen werden, wohl aber als Selbsttäuschung.
Die Formeln kann B. aus zahllosen Schriften entnommen haben.
8. Besondere Kennzeichen übernatürlicher
Erleuchtung sind keine vorhanden.
9. Es ist darum die Annahme einer
solchen als unbegründet und irrig zu verwerfen. Der Arzt soll die Kranke beobachten.
Die Aufzeichnung ihrer Mitteilungen aber hat zu unterbleiben.
gez. + Paulus
Leopold."
Aus dieser Äußerung des Bischofs erhellt, daß er Barbara persönlich nicht kannte.
Nach Poulain aber muß man ,,zuerst die Person kennenlernen", wenn man über sie urteilen
will. Aber aus der Lebensbeschreibung gewinnt der Bischof den Eindruck, daß Barbara
eine schlichte, tugendhafte und fromme Person sei, der jede absichtliche Täuschung
fernliegt. Sodann bestätigt der Bischof, daß der Inhalt der Schriften gegen den
Glauben nicht verstößt. Ferner anerkennt der Bischof ,,die der bisherigen Bildung
Barbaras gegenüber auffallend feine und edle Sprache."
Wenn der Bischof sodann meint, die frommen Ergüsse
überstiegen nicht die Linie der gewöhnlichen frommen Anschauungen, welche sich in
Gebetbüchern, Predigten und Betrachtungen fänden, so täuschte er sich.
Denn die Aufforderungen Barbaras zu Buße und
Sühne oder zur allgemeinen Einführung der häufigen, ja täglichen Kommunion als Heilmittel
gegen die Schäden der Zeit, lagen im Jahre 1896 durchaus nicht in der Linie der
gewöhnlichen frommen Anschauungen und wurden zu jener Zeit in Deutschland auch nicht
in Gebetbüchern und Predigten vorgetragen, vielmehr darin heftig bekämpft. Noch
im Jahre 1902 wurde auf den Mainzer Kanzeln gegen Oftkommunion und Heilige Stunde
gepredigt.
Der auf Anordnung des Bischofs die Barbara beobachtende
Arzt, Sanitätsrat Dr. Müller, aber fällte über die ,,Krankheit" Barbaras ein ganz
anderes Urteil als der Bischof, wie wir später sehen werden.
Die Beanstandungen des Bischofs können somit der wirklichen Sachlage nicht standhalten.
Inhaltsverzeichnis
2. Ordinariat
Köln im Jahre 1909
Wie uns aus der Geschichte der Approbation des
Liebesbundes bekannt ist, unterbreiteten die Aachener Damen, Freifräulein von Scheibler
und Fräulein Theisen, am 22. März 1909 Seiner Eminenz, dem Hochwürdigsten Herrn
Kardinal Antonius von Fischer, in Köln auf desselben besonderen Wunsch die Schriften
der Barbara Weigand zur geneigten Prüfung.
Seine Eminenz vertrauten die Schriften dem Domkapitular
und Professor Dr. Berrenrath zur theologischen Prüfung an, die nach der ganz zutreffenden
Ansicht des Kardinals längere Zeit in Anspruch nehme; noch am 28. Juni 1909 schrieben
Seine Eminenz an Freifräulein von Scheibler: ,,Die Schriftstücke sind so ausgedehnt,
daß längere Zeit nötig ist."
Und wie prüfte Professor Dr. Berrenrath? Hören
wir seine eigenen Worte in seinem Briefe an P. Felix Lieber:
,,Köln, den 2. März 1910. Unser
Generalvikariat beauftragte mich mit der Prüfung der angeblichen Offenbarungen der
Barbara Weigand ... Der einzige Untergrund (Stil?) für mein Urteil sollten sein
und sind tatsächlich gewesen die Aufzeichnungen, welche die B.W. über sich selbst
und welche von anderen über sie und ihre angeblichen übernatürlichen Erlebnisse
bis zum Jahre 1900 gemacht haben (Stil?). Ich widmete der Arbeit drei volle Wochen."
Professor Dr. Berrenrath fand es also nicht für
nötig, alle vorgelegten Weigandschen Schriften zu prüfen oder auch nur durchzulesen,
sondern nur einen Teil, nämlich jene bis zum Jahre 1900; die Aufzeichnungen der
folgenden Jahre von 1900 bis 1909 würdigte er einer Prüfung nicht. Und die bis zum
Jahre 1900 reichenden Schriftstücke prüfte er in ganzen drei Wochen!
Man bedenke: Die Prüfung der Schriften, für die
auch der Kardinal eine längere Zeit für erforderlich hielt, jener Schriften, in
welchen nach den Worten eines anderen Prüfungskommissärs ,,ein förmliches theologisches
System" enthalten war, jener Schriften, in welchen angeblich die Hierarchie der
katholischen Weltkirche gesprengt wurde, jener Schriften, in welchen angeblich eine
neue Sekte gegründet wurde, zu deren Niederschlagung man die Polizeigewalt eines
Königreiches benötigte, jener Schriften, über die der kirchlichen Behörde von Köln
ein hochamtliches Gutachten vorgelegt werden sollte - die Prüfung dieser Schriften
erledigte ein deutscher Professor in ganzen drei Wochen. Ich habe mehr als dreißig
Jahre an diesen Schriften studiert, zu deren Prüfung man sich, wie wir früher hörten,
nach den Ratschlägen der großen Theologen aller Jahrhunderte sehr, sehr lange Zeit,
oft sogar ein Lebensalter, nehmen soll. Eine solche Rekordleistung eines deutschen
Professors dürfte in der Geschichte der mystischen Theologie einzigartig dastehen.
Selbstverständlich fand Professor Dr. Berrenrath in den Schippacher Schriften ,,keinen
übernatürlichen Einschlag."
Inhaltsverzeichnis
3. Ordinariat
Freiburg im Jahre 1914
Im ,,Anzeigeblatt für die Erzdiözese Freiburg"
Nr. 12 vom 31. Juli 1914 wurde folgender Erlass des Erzbischöflichen Ordinariates
Freiburg vom 20. Juli 1914 veröffentlicht:
,,Es ist zu unserer Kenntnis
gekommen, daß auf Grund von ,,Offenbarungen" einer ,,ekstatischen" Jungfrau
Babetta eine Sakramentskirche in der Nähe von Aschaffenburg gebaut werden
soll und zu diesem Zwecke auch in der Diözese Freiburg Beiträge gesammelt
werden. Die ,,Offenbarungen" in drei Bändchen, welche zum Abschreiben
weitergegeben werden, enthalten Sätze ..."
Der Prüfung in Freiburg wurden also drei Bändchen
zugrunde gelegt. Bei aller Achtung vor einem Ordinariatserlass, wird man jedoch
eine Prüfung von nur drei Heftchen aus einem Schriftgut von nahezu 60 Heften mit
dem besten Willen nicht als eine auch nur annähernd gründliche bezeichnen können;
ein Doctorand, der ähnlich verführe, würde nicht einmal zur mündlichen Prüfung zugelassen.
Den Namen seines Gewährsmannes gibt zwar das Ordinariat in seinem obigen Erlass
nicht an; aber der Gutachter hat später seinen Namen selber der breitesten Öffentlichkeit
bekannt gemacht. In seinem Buche ,,Grundfragen der kirchlichen Mystik" erwähnt nämlich
Universitätsprofessor Dr. Engelbert Krebs, er habe für das Ordinariat Freiburg das
theologische Gutachten über Schippach abgegeben und außer den Heftchen auch das
,,mit verwertet", was er von früher zufällig Gelesenem ,,noch in Erinnerung behalten"
habe.
Ein solches Material muß man aber denn doch schon
mehr als dürftig und eine solche Arbeitsweise wirklich oberflächlich nennen. Lose
Erinnerungen statt authentische Texte - nur drei Heftchen aus 58 und vielen nicht
gehefteten Blättern - völlige Unkenntnis über Wohnort und Persönlichkeit der Urheberin
jener Schriften: Das ist wirklich ein sehr bescheidenes Material zur Erstattung
eines theologischen Gutachtens eines Professors an eine kirchliche Behörde. Kein
Wunder, daß denn auch das Ergebnis jener Kreb´schen Prüfung ein geradezu klägliches
genannt werden muß. Nicht einmal den Ort, wo die ,,Weltkirche" erbaut werden sollte,
hat Professor Dr. Krebs richtig angeben können, wenn er Schippach hartnäckig in
den Odenwald verlegt. Was würde denn die wissenschaftliche Welt sagen, wenn ein
Professor in einem Buche Freiburg in den Wasgenwald oder das Hermannsdenkmal vom
Teutoburger Wald auf den Niederwald verlegen würde?
Darum müssen wir schon Kardinal Mercier recht
geben, als er zur gleichen Zeit schrieb, ein Geschichtsforscher, der so zu Werke
gehe wie Professor Krebs, ,,könne auf einen wissenschaftlichen Namen keinen Anspruch
haben".
Wir werden später hören, daß Professor Mager
OSB in Salzburg der Arbeitsweise von Krebs dieselbe Einschätzung zuteil werden lässt.
Bekanntlich hat Professor Krebs aus seinen drei
Heftchen auch herausgefunden, daß Barbara Weigand ,,die Luft der Krankenstube" atme.
Hätte sich Krebs, bevor er sich in theologischen
Gutachten und Büchern so absprechend über die Schippacher Jungfrau äußerte, die
Mühe genommen, einmal nach Schippach im Spessart zu fahren und die fragliche Person
kennenzulernen (nach Poulain erstes Erfordernis!), dann hätte er Barbara Weigand
nicht in der Krankenstube angetroffen, sondern bei harter Arbeit im Hause oder auf
dem Felde und seine Publikationen wären dann gewiss auch von solch groben Verstößen
gegen die Diagnostik, gegen die Topographie und gegen die christliche Moral frei
geblieben.
Ja, seine Verstöße gegen die christliche Moral!
Barbara Weigand, die nach dem Zeugnis aller, die sie kannten, im unbestrittenen
Ruf der Frömmigkeit stehende brave, demütige, sittenreine, uneigennützige, opferstarke,
ganz im Dienste Gottes und ihrer Mitmenschen aufgehende Jungfrau, die uneigennützige
Stifterin einer Pfarrei, die tatkräftige Förderin eines Pfarrkirchenbaues, diese
heiligmäßige Barbara Weigand ist nach dem Professor Dr. Krebs von Freiburg eine
,,Pseudoprophetin von Schippach", eine ,,Pariser Wahrsagerin", ein ,,antikes Orakel",
eine Person, ,,die in hellem Trotz kirchliche Obern schmäht" (das spricht Professor
Krebs, der wenige Jahre vorher den Kardinal Mercier in unerhörter Weise schmähte),
eine Person, aus deren ,,ungesundem Treiben" und aus deren ,,Abgeschmacktheiten"
zweimal ,,ein Pferdefuß herausschaut", die ein ,,Büro für neue Andächteleien" (wohl
öftere hl. Kommunion, Heilige Stunde, Ehrenwache) aufgemacht habe, in welchem der
,,Geist der unkirchlichen Auflehnung und des Trotzes" gepredigt werde (die Sabotage-Artikel
der priesterlichen Schippachfeinde gegen den Bischof von Würzburg in den Zeitungen
waren wohl keine unkirchliche Auflehnung?), eine Person, die ,,eine unsittliche
Andächtelei" und einen ,,innerlichen Unrat" in die Liturgie einführe; jene Priester
aber, die sich für die Wahrheit und Gerechtigkeit auch gegenüber Schippach einsetzten,
verrieten nach Krebs dadurch nur ihren ,,theologischen Bildungstiefstand" und die
,,Blößen ihrer theologischen Unbildung", mochten sich auch Bischöfe, Prälaten, Ordensgenerale
und gefeierte Theologen wie Dr. Ignaz Klug oder P. Peter Lippert S.J. darunter befinden.
Also sprach und druckte in wenig vornehmer deutscher
Gelehrtensprache Universitätsprofessor Dr. Engelbert Krebs, der Dreiheftchengutachter
des Ordinariats Freiburg, gegen Schippach. Da wir seine theologischen Unrichtigkeiten
am geeigneten Orte zurückweisen werden, wollen wir hier nur noch einen Blick werfen
auf seine Stellung zur katholischen Mystik, zum Supranaturalismus und zur kirchlichen
Hierarchie, um noch deutlicher zu erkennen, wie wenig geeignet zur Erstattung eines
theologischen Gutachtens gerade in mystischen Fragen Professor Krebs gewesen ist.
Daß sich Krebs von der Auffassung des Mystischen,
wie es bei den großen Mystikern der Vorzeit, den praktischen wie den theoretischen,
zutage tritt, bewusst entfernt, ist ihm allein zwar nicht eigentümlich, aber doch
für ihn kennzeichnend.
Was die heilige Theresia mystisch im eigentlichen
Sinne nennt, nämlich das, was wir durch uns selbst nicht erwerben können, welche
Sorgfalt und Mühe wir uns auch geben mögen", was von den großen Theologen Rodriguez,
Lessius, Scaramelli, Suarez, Alvarez, de Ponte, Sandaeus, was von Klentgen, Scheeben,
Meschler, Pummerer, Böminghaus, Hock, Richtstätter, Ries, Mager, Grabmann, Poulain,
Fischer, Algermissen übereinstimmend betont wird, daß die Mystik das gewöhnliche
Gnadenleben artmäßig überschreite, das wird von Krebs abgelehnt.
Ihm ist Mystik Ziel und Frucht aller gesunden
Frömmigkeit. Ist es da zu verwundern, wenn er noch einen Schritt weitergeht und
auch bei den Mohammedanern und Heiden ,,echte" Mystik vorfindet? Behauptet er doch
allen Ernstes, ,,daß Gottes Gnade in Plotin ... stark wirksam war", und daß die
Rührung des Protestanten Jean Paul beim Empfange des Abendmahles eine ,,geistliche
Kommunion" und ,,echte Mystik" gewesen sei. Die geistliche Kommunion setzt aber
doch den im Sakrament gegenwärtigen Jesus voraus, was im protestantischen Abendmahl,
dem keine Wandlung vorhergeht, doch nicht der Fall ist. Mit Recht schreibt darum
Dorsch: ,,Es gibt nur eine wahre und wirkliche Mystik und diese ist ein übernatürliches
Charisma der einen, von Christus gestifteten Kirche."
Solcherlei falsche Anschauungen vertritt Krebs
in seinem Buche. P. Mager hat dieses Buch und seinen Verfasser noch viel strenger
tadeln müssen.
Hören wir sein Urteil:
,,Die Ausführungen leiden an manchen, oft beträchtlichen,
selbst grundsätzlichen Schwächen. Wer sie an dem Maßstabe exakter Wissenschaft durchprüft,
wird sich immer wieder stoßen an einer gewissen Einseitigkeit der Einstellung, an
Unklarheiten, die zuweilen ans Widerspruchsvolle grenzen, an Wirklichkeiten, die
nicht selten ins Tendenziöse übergehen. Vor allem vermissen wir gerade an entscheidenden
Punkten jene Vertiefung, die an den Kern der Grundfragen heranführt. Vorwort und
die temperamentvolle Ausschließlichkeit, mit der fast jedes Kapitel auf das Lehramtliche
verweist, erwecken die Erwartung, daß der Verfasser eine klare ... Begriffsbestimmung
der Mystik ... vorlegte.
Statt dessen müssen wir uns mit verschiedenen,
ganz allgemein gehaltenen, innerlich voneinander abweichenden Erklärungen ... zufrieden
geben. Ja, man wird den Eindruck nicht los, als lese der Verfasser stillschweigend
zuerst eine vorgefasste Anschauung in das Material hinein, um sie dann als im Material
enthalten, wieder herauszulesen. So kommt es, daß häufig persönliche Meinung im
Gewand und mit dem Ansehen lehramtlicher Entscheidung auftritt.
Ferner unterscheidet der Verfasser nicht zwischen
Mystik als Lehre und Mystik als seelischen Zustand ... So befindet er sich in einem
verhängnisvollen Irrtum ... Aus der kaum verständlichen Haltung des Verfassers zur
Bedeutung der Religionswissenschaft und Psychologie für die Wesensbestimmung der
Mystik fließt eine der Hauptschwächen seines Werkes.
Nur so ist die mit sämtlichen mystischen Aufzeichnungen
aller Jahrhunderte unvereinbare Behauptung möglich, daß innere Ergriffenheit z.B.
eines Diakons am Vorabend oder am Tage seiner Priesterweihe sei als mystisches Erlebnis
anzusprechen. So wird ferner die tendenziöse Willkür erklärlich, mit der Stellen
aus den Schriften der heiligen Theresia angezogen werden.
Überhaupt geht die Art und Weise im Heranziehen
und Zurechtbringen von Texten für die vorgefasste Anschauung des Verfassers über
die Grenzen des wissenschaftlich Zulässigen ... Voreingenommenheit ... machte den
Verfasser blind für die Grundfragen der Mystik ... Bloße Sophistik ist es ... usw."
So beurteilt Mager das Buch, in welchem Krebs
auch Schippach so sehr schmäht. Willkür, Voreingenommenheit, Tendenz, vorgefasste
Meinung, Einseitigkeit, Widersprüche, Animosität, Unwissenschaftlichkeit, das Ausgeben
persönlicher Meinungen für Kirchenlehre, unzulässige Verwertung von Zitaten: Alle
diese wissenschaftlichen Schwächen offenbart Krebs auch in seinem Kampf gegen Schippach.
Auch die Haltung, welche Krebs zum Supranaturalismus
überhaupt einnahm, hätte ihn als theologischen Gutachter in so eminent übernatürlichen
Dingen, wie es die mystischen sind, ausschließen müssen. Diese seine für einen Katholiken
kaum begreifliche Haltung brachte er in einem schon erwähnten Hochlandartikel gegen
den belgischen Kardinal Mercier zum Ausdruck.
Dieser Kirchenfürst hatte auch während der Besetzung
seines Landes im Ersten Weltkrieg die unerschütterliche Überzeugung von der Wiedererlangung
der nationalen Unabhängigkeit seines Landes und gelobte zu diesem Zwecke die Errichtung
eines Herz-Jesu-Heiligtums und die Organisierung von Wallfahrten zu Ehren der Muttergottes,
der Patronin der nationalen Unabhängigkeit.
Diese Verknüpfung einer irdischen Sache mit einer
religiösen, die gewiss echt katholisches Glaubensbewusstsein verrät, erschien dem
deutschen Professor ,,geradezu unbegreiflich".
,,Wir Deutsche", so erwiderte Krebs, ,,würden
es nicht wagen, den Patronat dieser Heiligen, die wir als Fürbitter und Vermittler
himmlischer Gnaden auffassen, mit so bestimmten irdischen Ämtern zu belasten".
Dann kommt noch rasch ein Seitenhieb auf die
,,Romanen", denen ,,die Vermengung nationalen und religiösen Empfindens ... eigen"
sei; so etwas sei ,,uns nüchternen Deutschen geradezu unbegreiflich."
Ja, wir Deutsche sind allerdings sehr nüchtern
geworden, seitdem die antisupranaturalistische deutsche Reformation den katholischen
Menschen bei uns fast zum Aussterben gebracht hat. Das kann man fast zahlenmäßig
genau nachweisen. Während nämlich von den ersten zehn kanonisierten Heiligen acht
Deutsche waren, sind es von den 205 kanonisierten Heiligen vom Jahre 1588 (Einsetzung
der Ritenkongregation) bis zum Jahre 1955 nur drei Deutsche, die dieser Ehre der
Altäre teilhaftig wurden (Linzer Quartalschr. 1958, S. 178). So lassen wir vor lauter
Nüchternheit den Heiligenkalender mit Italienern, Spaniern und Franzosen füllen,
lassen unwissende Hirtenkinder in Lourdes und Fatima zu göttlichen Sendboten an
die ganze Welt werden, lassen die ,,Romanen" herrliche nationale und Weltheiligtümer
bauen und schlagen daheim bei uns eine in Bau begriffene Kirche zu Ehren des Eucharistischen
Königs in Trümmer.
Eine solche Kirche wäre in Italien, Frankreich,
Spanien oder Portugal mit Freuden begrüßt und gebaut worden. Ja, das Trümmerfeld
von Schippach passt vorzüglich zu uns nüchternen Deutschen!"
Übrigens sind es nicht bloß die ,,Romanen, denen
die ,,Vermengung nationalen und religiösen Empfindens" eigen ist. Man denke nur
an die Verehrung des heiligen Stanislaus Kostka in seinem Heimatland Polen. Wie
aus dessen Heiligsprechungsakten zu ersehen ist, verehrten ihn Könige und Volk geradezu
als Patron in der Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit. So nennt ihn König
Johann Sobiewski (1674 - 1696), bekannt als ,,Befreier Wiens", in seinem Bericht
nach Rom ,,nunc mei ac exercitus universi contra Orientis tyrannum (den Türken)
specialem patronum, und König Michael Wisnowiecki (1669 - 1673) bestätigt, Stanislaus
sei in der Schlacht bei Chotin und Kamenetz der Retter Polens vor den Türken geworden.
Selbst zu lebende, im Rufe der Frömmigkeit stehenden Personen lenkten die Christen
der Vorzeit gern ihre Schritte, um von ihnen Rat und Hilfe in irdischen Dingen zu
holen. Man lese nur Fischers ungemein anregende Forschungen, von denen hier einige
Erwähnung finden sollen.
Der Mystiker Bernhard von Clairvaux wird gezwungen,
das ganze kirchliche und politische Leben seiner Zeit zu leiten. Dionysius der Kartäuser
wird vom Papst zur Reform in Anspruch genommen, von Fürsten zur Beilegung von Streitigkeiten
aufgesucht. Zur heiligen Hildegard von Bingen, Brigitta von Schweden, Katharina
von Siena, Kreszentia von Kaufbeuren strömten die Hilfesuchenden scharenweise. Die
Namen Meinrad, Vinzenz von Paul, Nikolaus von der Flüe, Vianney von Ars, Johannes
Bosco lassen sich fast um so viele vermehren als das Kalendarium an Namen von Heiligen
aufweist. Bekannt ist die politische Tätigkeit der heiligen Jeanne d´Arc, weniger
bekannt die Tatsache, daß der Feldzug der Liga gegen den Winterkönig Friedrich V.
samt der Schlachten am Weißen Berg auf die übernatürlichen Weisungen des ehrwürdigen
Dominicus a Jesu Maria hin geführt und gewonnen wurden. Derselbe Mystiker entdeckte
die Verschwörung gegen Maria von Medici, stiftete Frieden im lothringischen Herzogshaus,
zwischen den Städten Valencia und Alicante; er rettete Philipp II. durch übernatürliche
Erleuchtung vor der Ermordung. Der ehrwürdige Philipp Jeningen bewahrt durch sein
Gebet das Fürstentum Ellwangen vor Verwüstung durch die Horden Ludwigs XIV. Die
weltabgeschiedene Johanna Maria vom Kreuz ist die treue Beraterin des kaiserlichen
Feldherrn Gallas; sie ermuntert ihn zur Schlacht bei Nördlingen, die den Sturz der
Schwedenherrschaft herbeiführte; Kurfürst Maximilian von Bayern holt sich Rat bei
der Schwester.
Daß übrigens die deutschen Katholiken der Vorzeit
auch nicht alle so nüchtern waren, wie uns Krebs weismachen möchte, lehrt uns ein
Blick in die Geschichte.
Der Wallfahrtsort Altötting ist geradezu das
bayerische Nationalheiligtum, in welchem die Himmelskönigin vorzugsweise als Schutzheilige
des Landes verehrt wird. Das Fest der Patrona Bavaria trägt deutlich nationalen
Einschlag: ,,Rem, regem, regimen, regionem, religionem Conserva Bavaris, Virgo Patrona,
tuis!"
Die Dreifaltigkeitskirche in München verdankt
ihre Entstehung einem Gelübde der Stadt während der Besetzung durch die Österreicher
im Spanischen Erbfolgekrieg. Die Weihe des Tirolerlandes an das Heiligste Herz Jesu
geschah in den Wirren der Franzosenkriege in der Hoffnung auf nationalen Schutz.
Und spielt nicht in der Verehrung der Vierzehn Nothelfer, des heiligen Wendelinus,
Sebastianus, Leonhard, Antonius und nicht zuletzt der Muttergottes von der Immerwährenden
Hilfe die Hoffnung auf Hilfe in irdischen Dingen die erste Rolle? Preist nicht unser
Frankenvolk Maria immer noch als ,,Herzogin von Franken"?
So handelten unsere katholischen Vorfahren; sie
betrachteten die Muttergottes, die Heiligen und die heiligmäßigen Personen nicht
nur als Vermittler himmlischer Gnaden, sondern ebenso als Helfer in zeitlichen Nöten.
In diesem echt katholischen Glaubensbewusstsein
sah auch Kardinal Mercier richtiger als Professor Krebs; denn Belgien erlangte seine
nationale Unabhängigkeit wieder, während Deutschland die seinige verlor - trotz
seiner größeren Kanonen und seiner stärksten Bataillone.
Da die wissenschaftlichen Argumente von Professor
Krebs oft auf recht schwachen Füßen standen, suchte er die Schwäche seiner Position
durch den lauten Ton seiner Sprache zu tarnen, wie wir schon oben aus seinen Äußerungen
über Barbara Weigand ersahen. Doch dort handelte es sich ja nur um ein altes Spessartweib,
das zu jener Zeit von allen Kanzeln und in allen Zeitungen wie Freiwild gejagt,
,,zertreten und zermalmt" werden durfte. Aber Krebs scheute vor Beschimpfungen auch
nicht zurück, wenn sein Gegner im Senate der Kirche saß und wissenschaftlichen Weltruhm
genoß. Als ihm nämlich Kardinal Mercier vorhielt, seine Arbeitsweise sei unwissenschaftlich,
da geriet Krebs in hellen Zorn und warf dem anerkannt frommen und gelehrten Kardinal
,,Ungerechtigkeit", ,,Unwahrhaftigkeit", ,,bewusste verleumderische Täuschung" vor
und beschuldigte ihn eitler Schauspielerei.
So ging der 36-jährige Gutachter des Ordinariates
Freiburg in Sachen Schippach mit einem 66-jährigen Erzbischof und Kardinal der heiligen
römischen Kirche um.
Alles in allem: Professor Krebs war nach seinem
dürftigen Quellenmaterial, nach seiner Stellung zum Supranaturalismus, nach seiner
Unkenntnis der Schippacher Dinge und nach seinem ehrfurchtslosen Benehmen gegen
einen Kardinal als Gutachter und Sachverständiger in Sachen Schippach völlig ungeeignet.
Inhaltsverzeichnis
4. Ordinariat
Würzburg im Jahre 1916
Wie uns das Kapitel über den Schippacher Kirchenbau
gezeigt hat, eröffnete gleichzeitig mit dem Beginn der Bauarbeiten in Schippach
auch die Katholische Presse ihren Kampf gegen das dort in Angriff genommene Heiligtum.
Seit dem Sommer 1914 erschienen in Aachen, Mainz, Freiburg, Augsburg und anderswo
baufeindliche Artikel, in denen die Kirche in Schippach als ,,Aprilscherz", als
,,größte Torheit" bezeichnet wurde. Ihren Höhepunkt erreichten diese Presseangriffe,
als der Bau im Sommer 1915 dank des persönlichen Eingreifens des Würzburger Bischofs
und der Bauführung durch eine Weltfirma seiner Vollendung entgegen schritt.
Gleichzeitig mit den Presseangriffen traten auch
bischöfliche Behörden in Aktion und übersandten ihre gegen Schippach gesammelten
Akten an die Apostolische Nuntiatur: So Freiburg am 31. Juli 1914, Mainz am 2. Dezember
1914, Köln am 3. Dezember 1914.
Als im Herbst des Jahres 1915 die Zeitungsangriffe
gegen den Kirchenbau in Schippach ein immer größeres Ausmaß annahmen und der Nuntius
in München von Freund und Feind mit Eingaben überschüttet wurde, konnte es zur Klärung
des Tatbestandes nur die eine Lösung geben: Gründliche und vorurteilsfreie Untersuchung.
In Erfüllung eines dahingehenden Auftrages der Nuntiatur bestellte das Ordinariat
Würzburg eine Kommission, die sich aus den Domherren Dr. Krampf und Stahler sowie
dem Theologieprofessor Dr. Zahn zusammensetzte; später wurde noch der Subregens
am Priesterseminar Dr. Brander in die Kommission berufen, die in ihm ihr rührigstes
Mitglied gewann.
Die Kommission nannte sich Prüfungskommission
und hatte nominell die Aufgabe, den Kirchenbau in Schippach und die mit ihm zusammenhängenden
Fragen: Die Privatoffenbarungen der Barbara Weigand und deren mystische Zustände
sowie den Eucharistischen Liebesbund wissenschaftlich zu prüfen, um das Ordinariat
in die Lage zu versetzen, dem Heiligen Stuhl einen wahrheitsgetreuen Bericht zu
erstatten.
Wer allerdings die Denkweise der bis dahin schon
sehr aktiv gegen den Kirchenbau tätig gewesenen beiden Kapitulare kannte, war wohl
keinen Augenblick im Zweifel darüber, welches das Ergebnis ihrer ,,Prüfung" sein
würde. In Wirklichkeit sollte die Kommission gar keine Prüfungs- sondern eher eine
Begräbniskommission sein, so eine Miniaturform nach Art des späteren Hitler´schen
Volksgerichtshofes, die das unter dem Druck der Presse beim Ordinariat Würzburg
bereits beschlossene Todesurteil über den Kirchenbau mit einem legalen Mantel umgeben
sollte, wie auch das sehr schippachfeindliche ,,Mainzer Journal" am 13. März 1916
mit verblüffender Offenheit bestätigte.
Die Kommission trat an ihre Aufgabe in doppelter
Weise heran: Durch ein Verhör der Barbara Weigand und ihrer Freundin Luise Hannappel
und dann durch die Lektüre der Schippacher Schriften.
Inhaltsverzeichnis
a) Das Verhör
der Barbara Weigand am 5. Januar 1916
Am 20. Dezember 1915 richtete das Ordinariat
Würzburg ein Schreiben an das Pfarramt Elsenfeld, es solle sich ,,mit den beteiligten
Personen ins Benehmen setzen", von ihnen die Beantwortung verschiedener Fragen fordern
und die Weigandschen Schriften dem Ordinariat ,,zur Berichterstattung an die Päpstliche
Nuntiatur" vorlegen. Pfarrer Welzbacher übersandte den Fragebogen am 28. Dezember
1915 an Luise Hannappel nach Mainz mit der Bitte um baldige Erledigung:
,,Anbei übersende ich Ihnen
einen Fragebogen vom Hochwürdigsten Bischöflichen Ordinariate Würzburg und bitte
Sie, mir auf einem gesonderten Bogen die einzelnen Fragen beantworten
zu wollen. Ferner wollen Sie mir die im letzten Absatz des Schreibens genannten
Niederschriften und Bücher ebenfalls - soweit möglich - übersenden ..., da ich die
Sache bis zum 30. Dezember d. Js. an die Oberhirtliche Stelle vorlegen soll."
Weder im Fragebogen noch in diesem Begleitschreiben
ist von einem persönlichen Erscheinen der Barbara Weigand in Würzburg die Rede,
da ein mündliches Verhör der Jungfrau vor der Kommission gar nicht beabsichtigt
war. Aber der Barbara kam diese Gelegenheit zu einer mündlichen Aussprache am Ordinariat
über die Zeitungshetze sehr erwünscht, wie eine von ihrer Hand stammende Bleistiftnotiz
auf dem Brief des Pfarrers ersehen lässt: ,,Ich glaube, es ist besser, wenn wir
die Fragen mündlich beantworten können."
So beschlossen also die beiden Frauen,
persönlich nach Würzburg zu reisen. Am 5. Januar 1916 erschienen sie in der fränkischen
Bischofsstadt und begaben sich zunächst zu ihrem Oberhirten, den sie schon in den
früheren Jahren wegen der saumseligen Behandlung der Pfarrei- und Kirchenbausache
durch ihren Heimatpfarrer wiederholt aufgesucht hatten.
,,Er war sehr traurig", schreibt Barbara an ihren
geistlichen Neffen; ,,seine Schwester sagte uns unter Tränen: Mein Bruder wird von
allen Seiten gedrängt, die Sache zu vernichten; Fräulein Hannappel und ich seien
Hexen, die verbrannt werden sollten; ganze Stöße Briefe lägen da."
Vom bischöflichen Palais begaben sich die beiden
Frauen sodann auf das Ordinariat und übergaben die mitgebrachten Schriften treuherzig
in die Hände des Generalvikars, der die Anwesenheit der beiden benutzte, sie rasch
auch einmal der Kommission vorzustellen.
In aller Eile wurde nun eine völlig formlose
Sitzung der drei Kommissionsmitglieder Stahler, Krampf und Zahn anberaumt und ohne
jegliche Vorbereitung begann das Verhör. Subregens Dr. Brander fehlte bei der eigens
anberaumten Sitzung. Aus diesem Fehlen hat man aus Ordinariatskreisen mir gegenüber
behauptet, Dr. Brander sei gar nicht Mitglied der Prüfungskommission gewesen. Aber
meine im Krieg gottlob nicht zu Verlust geganenen Urkunden reden eine andere Sprache.
Am 26. Februar 1916 schrieb Dr. Brander einen
Brief an den geistlichen Neffen der Barbara, um ihn zur Einflussnahme auf seine
Tante zu bewegen. Darin schreibt Dr. Brander wörtlich: ,,Ich war ein Glied der Prüfungskommission."
Der Brief befindet sich in meinen Akten.
Schon diese rein zufällige Veranlassung
zum Zusammentritt der Kommission, noch mehr der ganz formlose Verlauf des Verhörs
ist bezeichnend für die unwissenschaftliche und unprozessuale Art, in welcher man
in der Sache verfuhr. Man vergaß sogar in der Hast, einen Aktuar beizuziehen und
ein Protokoll aufzunehmen, wie die Kommissionsmitglieder am 11. Februar 1918 selber
bezeugten. So mangelhaft arbeitete schon in formeller Hinsicht die Kommission bei
einem so wichtigen Akte, in welchem sie im Auftrag des Nuntius die Urheberin der
,,Weltkirche von Schippach" und die angebliche ,,Stifterin einer Sekte" amtlich
prüfen wollte. Angesichts dieses Fehlens einer protokollarischen Festhaltung der
Gespräche, sind wir deshalb nur auf die Berichte angewiesen, welche die beiden Frauen
unabhängig voneinander in Briefen an geistliche Freunde von jener Unterhaltung im
Ordinariatsgebäude mitgeteilt haben.
Ich bringe zunächst die Schilderung, die Luise
Hannappel in einem Briefe vom 12. Januar 1916 an P. Felix Lieber gibt, woraus zu
entnehmen ist, daß von 4 bis 5 Uhr Barbara Weigand, von 5 bis 6 Uhr Luise Hannappel,
von 6 bis 7 1/4 Uhr beide zusammen verhört wurden.
,,Das Evangelium der Herren", schreibt da Luise
Hannappel, ist die ,,Augsburger Postzeitung" und das ,,Aachener Piusblatt." Das
alles halten sie für die reine Wahrheit. Darum sagte auch Stahler: ,,Besser, daß
die 200000 Mark, die verbaut sind, zugrunde gehen und 100000 Mark daliegende Steine
vermodern, als daß die Liberalen über unsere heilige Kirche spotten!" Ich sagte:
,,Meine Herren, hören Sie doch nicht auf die Gegner, freuen Sie sich doch lieber
über das himmlische Geschenk. Haben Sie Mitleid mit sich selbst, dem lieben Bayernlande
und der heiligen katholischen Kirche, für die so viel von Ihrem Entschluss abhängt."
,,Ja", sagten sie, ,,das schöne Werk hätten wir ja gerne, aber wir werden so viel
beschimpft wegen der Offenbarungen."
Im übrigen habe ich ihnen energisch zugesetzt
... Zuletzt sagte ich: ,,Wenn man eine Person, die mähen und Kartoffel hacken kann,
als hysterisch darstellt, so kann man ebenso die Dinge auf den Kopf stellen und
sagen: ,,Hysterie ist eine Frauenkrankheit, von der viele Männer befallen sind."
Da lachten sie alle zusammen.
Diese Darstellung des Verlaufs findet ihre Bestätigung in einem Brief der Barbara
vom 17. Januar 1916 an ihren geistlichen Neffen, wo sich jedoch noch die Bemerkung
findet: ,,Herr Dr. Zahn war liebreich, freundlich, besonders gegen Fräulein Hannappel,
aber Herr Stahler und Herr Krampf waren ganz nach dem Mainzer Schnitt. Herr Stahler
verbot uns, wir dürften draußen nichts sagen, wie man mit uns umgegangen sei."
Am folgenden Tag begab sich Barbara nochmals
zum Vorsitzenden Stahler und überreichte ihm ein Schriftstück mit der Bitte, es
zu den Akten zu nehmen. ,,Beim Abschied", so schreibt Barbara an ihren Neffen, ,,sagte
ich: Man möge doch bedenken im Ordinariat, welcher Schaden es für den Kirchenbau
sei, wenn nicht weiter dürfe gebaut werden, und wie alle guten, treuen Seelen erschüttert
werden an ihrem heiligen Glauben, wenn diese Artikel in den Zeitungen und diese
Hetze weiter getrieben werden. So schieden wir von denen, die dankbar sein sollten,
daß der liebe Gott ihre Diözese so bevorzugt hat ... Der liebe Gott wird seine Sache
schon durchfechten."
So berichten die einzigen vorhandenen Urkunden
über das erste und einmalige Erscheinen der Barbara Weigand vor der Würzburger Prüfungskommission.
Erst 25 Monate später, als man in Würzburg Barbara
Weigand gemäß den Schmähartikeln der Presse als den Ausbund alles Schlechten hinzustellen
sich anschickte, fiel es auch den Kommissionsmitgliedern ein, etwas über jene Begegnung
mit Barbara zu Papiere zu bringen.
Sie verfassten nämlich am 11. Februar 1918 ein
Schriftstück, das die Überschrift trägt: ,,Gutachtliche Äußerungen über die persönlichen
Eindrücke in bezug auf Barbara Weigand und Luise Hannappel bei deren Erscheinen
vor der bischöflichen Kommission zu Würzburg am 5. Januar 1916 " und legten es den
Richtern - das waren sie selber - vor.
In diesem Schriftstück nun wird Barbara als sittlich
minderwertig hingestellt: Sie habe sich in jenem Verhör ,,in ihren Aussagen völlig
unzuverlässig" gezeigt, habe ,,der Wahrheit widersprechende Angaben" gemacht, die
,,einen befremdenden Eindruck" gemacht hätten, habe ,,Lust am Weissagen" und andere
sittliche Mängel an sich geoffenbart.
Wenn man dieses Schriftstück liest, gewinnt man
unwillkürlich den Eindruck, daß es den Verfassern nicht recht behaglich zu Mute
gewesen sei; man könnte fast meinen, sie hätten sich selber ob der Armseligkeit
des Schriftstückes geschämt. Schon die Entschuldigung, daß sie erst jetzt, nach
fünfundzwanzig Monaten, die Schändlichkeit ihrer damaligen Beobachtungen erkennten
und zur Fixierung ihrer damaligen Eindrücke kämen, klingt doch recht kläglich, und
ihr Hinweis, es sei bei jenem Verhör kein Protokoll geführt worden, muß geradezu
als Eingeständnis ihrer jetzigen Schwäche angesehen werden.
Die Wahrheit über die Unterlassung einer schriftlichen
Festhaltung des damaligen Verhörs ist vielmehr diese. Es lag damals eben kein Grund
vor, die Äußerungen der Jungfrau schriftlich zu fixieren, weil sie damals keine
unwahren Angaben machte; es lag damals keine Veranlassung vor, ein Protokoll zu
führen, weil die drei Männer bei jenem Verhör keine sittlichen Mängel an der Jungfrau
entdeckten oder Äußerungen von ihr zu beanstanden Grund hatten. Man stelle sich
doch nur einmal die Situation von damals vor:
Die Urheberin der ,,Weltkirche von Schippach",
die Begründerin eines neuen ,,theologischen Systems", das der katholischen Lehre
schnurstracks widerstreitet, die ,,Stifterin einer Sekte", die man nur mit Hilfe
der Staatsgewalt niederschlagen kann, die Person, welche ,,die kirchliche Hierarchie
sprengen", und eine ,,häretische ecclesiola" gründen will oder schon gegründet hat,
die ,,feuerspeiende Hexe", die ,,den ewigen Hohepriester Jesus Christus" ganz ungeheuerlich
herabgewürdigt hat, die ,,Pariser Wahrsagerin", die ,,anmaßende Person", die ,,in
hellem Trotz die kirchlichen Obern schmäht", die Person, die zwanzig Jahre lang
,,die kirchliche Obrigkeit hintergangen" hat, die Person, die ,,den Bischof Haffner
in die Hölle versetzt", hat ... diese ,,höchstgefährliche Person" steht eben jetzt,
5. Januar 1916, nachmittags von 4 - 7 Uhr, im Ordinariatsgebäude zu Würzburg vor
der zur Niederschlagung ihrer ,,Sekte" und zur Unschädlichmachung dieser Person
eingesetzten hochamtlichen geistlichen Kommission, bestehend aus einem deutschen
Universitätsprofessor und zwei deutschen Domkapitularen; sie wird von der im Auftrag
des Päpstlichen Nuntius eingesetzten Kommission verhört, sie zeigt sich ,,in ihren
Aussagen völlig unzuverlässig", sie ,,macht der Wahrheit widersprechende Angaben"
... und keinem der drei hochamtlichen Kommissionsmitglieder fällt es ein, diese
,,der Wahrheit widersprechenden Angaben" sofort authentisch schriftlich festzuhalten?
Mit einem solchen Protokoll, enthaltend wortwörtlich
die angeblich ,,der Wahrheit widersprechenden Angaben", aufgenommen während des
Verhörs, hätte die Kommission doch sofort ein vorzügliches Dokument für die sittliche
Minderwertigkeit der Barbara Weigand besessen, ein Dokument, mit dem man sie sofort
hätte ,,zertreten, nein zermalmen" können. Aber weder an jenem 5. Januar 1916, noch
in den Verlautbarungen der drei Prüfungskommissäre in den folgenden zwei Jahren
ist von lügenhaften Aussagen der Jungfrau bei jenem Verhör die Rede. Warum nicht?
Doch nur deswegen nicht, weil sie dort keine unwahren Aussagen gemacht hatte. Hätte
sie sich damals solche Blößen gegeben, dann hätten sich die drei geschworenen Gegner
der Jungfrau diese günstige Gelegenheit zu ihrer moralischen Vernichtung ganz gewiss
nicht entgehen lassen.
Im Gegenteil! Noch zwei Monate nach jenem Verhör,
am 1. März 1916, bestätigte der Vorsitzende jener Prüfungskommission, Domkapitular
Stahler, im Kultusministerium zu München vor dem Ministerialrat Goldenberger auf
Befragen die Untadeligkeit der Jungfrau, wie denn das Ordinariat Würzburg vorher
immer seine schützende Hand über sein Diözesankind Barbara Weigand gehalten und
sie noch am 2. Oktober 1914 im amtlichen ,,Diözesanblatt" eine ,,im Rufe der Frömmigkeit
stehende Person" genannt hatte.
Das wurde erst anders, als seit dem Herbst 1916
die Schmähschriften und Aufsätze, besonders aus der Feder Dr. Branders, erschienen.
Diese Pamphlete mit ihrer Herabsetzung des sittlichen Charakters der Jungfrau brachten
es fertig, auch die Domherren von Würzburg in die Reihe jener zu ziehen, die das
Charakterbild der Gottesfreundin von Schippach so maßlos entstellten. So projizierten
die beiden vormaligen Prüfungskommissäre das durch die späteren Presseerzeugnisse
geschaffene Zerrbild von Barbara auf die zwei Jahre früher stattgehabte Begegnung
mit ihr und dichteten ihr jetzt Fehler an, die sie damals in keiner Weise wahrgenommen
hatten. Es darf aber erfreulicherweise schon an dieser Stelle
vermerkt werden, daß jene üble Kritik an der Jungfrau am Ordinariat Würzburg wieder
einer ruhigen und durchwegs günstigen Beurteilung der Jungfrau Platz gemacht hat.
Heute sprechen alle Würzburger Domherren nur mit Hochachtung von Barbara Weigand.
Nur Domkapitular Prälat Dr. Brander will unentwegt
an seinem furchtbaren Urteil über Barbara Weigand, wie er es in seinen Aufsätzen
und Broschüren von ehedem der Öffentlichkeit vorsetzte, festhalten; denn er schrieb
erst in allerjüngster Zeit dem Verfasser : ,,Ich gehe ins 80. Lebensjahr und habe
noch nie Reue gehabt über mein Vorgehen."
Ich erzitterte, als ich diese Worte las.
Wenn sodann in jenen ,,Gutachtlichen Äußerungen"
vom 11. Februar 1918 der Jungfrau ,,Lust am Weissagen" vorgeworfen wird, weil sie
auf kommende Strafgerichte hinwies, so ist auch diese ihre Schau in die Zukunft
durch die folgenden Ereignisse nur zu deutlich bestätigt worden. Zwar hatte man
ihr schon in Mainz einmal höhnisch entgegengehalten: ,,Wo bleiben denn die Strafgerichte?
Ich sehe keine" und in Würzburg glaubten hohe Geistliche diese Schau der Jungfrau
ebenfalls mit einem höhnischen Lächeln abtun zu können. Was aber der März 1945 über
die schöne Bischofsstadt brachte, war noch mehr als eine Bestätigung der Schau der
,,Seherin von Schippach" in die Zukunft.
Alles in allem: Den ,,Gutachtlichen Äußerungen" vom 11. Februar 1918 ist kein Wert
beizumessen.
Inhaltsverzeichnis
b) Die Prüfung
der Weigandschen Offenbarungen und Werke
Nachdem die Kommission mit dem Verhör der Jungfrau
am 5. Januar 1916 die Prüfung der siebzigjährigen Greisin beendet hatte, trat sie
an die Untersuchung der Schriften heran, um über die Ekstasen, Visionen, Offenbarungen,
den Liebesbund und die Sakramentskirche ihren Bericht dem Ordinariat vorzulegen.
Als Sachbearbeiter hierfür wurden Professor Dr.
Zahn, das schon genannte Kommissionsmitglied, und Subregens Dr. Brander vom Priesterseminar
bestimmt, denen der Generalvikar die von Barbara Weigand erhaltenen Schriften übergab.
Die beiden Würzburger Priester hatten eine ebenso
schwierige wie verantwortungsvolle Aufgabe. Sollten sie ja nicht nur einen objektiven
Befund über das konkrete Problem des Kirchenbaues liefern, um den sich ja alles
drehte, sondern auch so delikate Fragen, wie sie nun einmal mystischekstatische
Vorgänge sind, untersuchen, dann ein so umfangreiches Schriftenmaterial von nahezu
60 Heften und einer Unmenge von Korrespondenzen wissenschaftlich einwandfrei studieren,
außerdem über den damals bereits in fast allen Ländern Europas verbreiteten Eucharistischen
Liebesbund die nötige wissenschaftliche Klärung bringen. Diese Arbeit war riesengroß
und - zumal in Anbetracht des zu unterrichtenden Heiligen Stuhles - in hohem Grade
verantwortungsvoll. Alle Augen waren auf die Würzburger Prüfung gerichtet. Werfen
wir zunächst einen Blick auf die Arbeitsweise der Prüfungskommissäre!
Während alle großen Mystiker und Theologen von
dem, der mystische Schriften prüfen und beurteilen will, pietätvolles Eingehen,
Fühlen mit dem Mystiker, Sichversetzen in die Seele des anderen verlangen, gesteht
der eine Prüfungskommissär, daß er nur ,,mit Widerwillen" sich der Lektüre gewidmet
habe. Widerwille aber und Antipathie sind bekanntlich für jeden Historiker und jeden
Richter ganz ungeeignete Instrumente zur Erforschung der objektiven Wahrheit; sie
trüben den Blick für die Wirklichkeit und lesen aus den Schriften das heraus, was
der Leser vorher in sie hineingelegt hat. Tatsächlich berichtet denn auch dieser
Prüfungskommissär, er habe seine ,,Annahmen" und ,,von vornherein gemachten Vermutungen"
genau bestätigt gefunden!
Gerne operiert er in seinem Prüfungsbericht,
niedergelegt in einer Broschüre, mit Ausdrücken wie ,,soll" (dicitur), ,,scheint",
,,wahrscheinlich", ,,höchstwahrscheinlich", Wendungen, die nicht von sonderlicher
Festigkeit zeugen.
Wie innerlich fremd diesem Prüfungskommissär
die mystische Theologie war, mag man aus einem Brief ersehen, den er am 26. Februar
1916 an den geistlichen Neffen der Barbara richtete, um diesen gegen seine Tante
mobil zu machen. In diesem Briefe schreibt der Prüfungskommissär wörtlich: ,,Was
jetzt tun? Ich gebe Ihnen den dringenden Rat: Legen Sie Ihrer Tante nahe ... unbedingt
jede weitere ekstatische Tätigkeit aufzugeben!"
Nun ist bekanntlich die mystische Schauung ihrem
Wesen nach contemplativ passiva und darum dem eigenen persönlichen Wollen oder Nichtwollen
ganz entzogen. ,,Der Geist Gottes weht, wo er will!"
Genau so verlangte das ganz im Banne dieses Prüfungskommissärs
stehende Ordinariat von Barbara Weigand, sie solle ,,auf Ehre und Gewissen" durch
Unterschrift erklären, daß sie sich nichts mehr vom Heiland sagen lassen wolle!
,,Vom König ging an Gott das Wort: Kein Wunder mehr an diesem Ort!"
Dieses Vorgehen gegen Schippach ähnelt sehr jenem
gegen Konnersreuth, wie mir der Metzer Psychiater Dr. Witry brieflich von seinen
Beobachtungen in Konnersreuth berichtete:
,,Mit der Medizin lässt sich ruhig reden, aber
die katholischen Theologieprofessoren spielen sich als Vormundschaft Gottes auf,
so daß man kopfschüttelnd davongeht!" Das ist das Übel des deutschen Katholizismus.
Das Unwissenschaftliche der Würzburger Prüfung kann man auch daraus ersehen, daß
die Kommissäre die Texte der Schippacher Schriften unbesehen und ohne Quellenforschung
als authentisch hinnahmen, obwohl doch die Wiedergabe der von Barbara in der Ekstase
gesprochenen Worte sehr oft nicht wortgetreu sein konnte und obwohl jene Schriften
nur Kopien darstellten, von verschiedener Hand geschrieben, so daß der eine Prüfungskommissär
selber einmal gesteht, er wisse nicht, was von Barbara Weigand oder von anderen
herstammt. Trotz dieser Erkenntnis, die einen jeden Richter von der Fällung eines
Todesurteiles abhalten würde, hängte er doch wieder alles der Visionärin an die
Rockschöße, sogar die Schreibfehler der Abschreiber, um dann höhnisch auszurufen,
der Jesus der Schippacher Offenbarungen könne nicht einmal einen sprachlich richtigen
Satz aussprechen!
Mit solchen lächerlichen Glossen speisten die
geistlichen Prüfungskommissäre die Katholische Presse in ihrem schmutzigen Kampf
gegen Schippach, das dort geplante Heiligtum und die heiligmäßige Jungfrau Barbara
Weigand ab.
Ich würde in Sack und Asche Buße tun und Ströme von Tränen am Grabe der Schippacher
Jungfrau vergießen, wenn ich mich an jenem hässlichen Kampfe gegen sie mitschuldig
gemacht hätte.
Staunen wird man auch, wenn man sich die Dauer
der Würzburger Prüfung etwas näher betrachtet.
Am 5. Januar 1916 übergab Barbara ihre Schriften
dem Generalvikar, so daß die Kommissäre frühestens am 6. Januar 1916 mit ihrer Prüfung
beginnen konnten; am 11. Februar 1916 aber lagen die Prüfungsergebnisse über alle
Schippacher Fragen bereits in der Ordinariatssitzung vor, so daß die Prüfung höchstens
vier Wochen hatte dauern können. Die beiden Kommissäre aber hatten nicht einmal
diese vier Wochen ungestört dem Prüfungsgeschäfte widmen können, da sie ja auch
ihren Amtspflichten im Hörsaal und im Seminar genügen mußten. Nun erforderte der
zu prüfende Fragenkomplex das Studium der vom Jahre 1869 an währenden Schippacher
Bewegung, die damals also schon 46 Jahre alt war und ihre Kreise bis weit über die
deutschen Grenzen hinaus gezogen hatte, ein Studium, zu dem die Ausfindigmachung,
Sammlung, Sichtung, Ordnung, Durcharbeitung und Verwertung einer gewaltigen Dokumentenmasse
erforderlich war.
Ich habe in jahrelanger mühevoller Forschungsarbeit
ungezählte Urkunden aller Art angesammelt und in die umfangreichen Aktenbestände
bei den Behörden und den Freunden Schippachs Einsicht genommen, habe bis über die
Reichsgrenzen hinaus korrespondiert und Forschungsreisen unternommen und mehr als
dreißig Jahre lang in den Akten studiert - und in Würzburg wollten zwei Männer in
knapp vier Wochen fachmännisch über diese Bewegung urteilen, obwohl sie eingestandenermaßen
außer den Schippacher Heften so gut wie keine Urkunde in Händen hatten? Im besonderen
sollten die Prüfungskommissäre eine gründliche Untersuchung über den Liebesbund
anstellen, der damals schon in mehreren Sprachen approbiert und über einen großen
Teil Europas verbreitet war, das damals im mörderischen Weltkrieg lag, der keine
Korrespondenz mit dem Ausland zuließ.
Endlich handelte es sich bei der Würzburger Prüfung
um die ,,schwierigste aller theologischen Disziplinen" (Denifle), um jenes geheimnisvolle
Gebiet, in welchem man nach Poulain oft ein Menschenalter hindurch prüfen muß, um
zu einem zuverlässigen Urteil zu gelangen. Klassisch einfach legt darum Poulain
allen, die es mit der Untersuchung mystischer Dinge zu tun haben, die wohlgemeinte
Mahnung ans Herz: ,,Die Entscheidung hinausschieben. Wir sehen, daß man Zeit und
lange Untersuchung braucht, um bei Offenbarungen zu einem sicheren Urteil zu kommen."
Selbst Zahn hat als Theoretiker gemeint, ,,daß man in viel mehr Fällen eine Entscheidung,
die auf allgemeine Zustimmung wird rechnen dürfen, nur auf mühsamem, langem Pfade
einzelner Durchforschung erreichen wird.".
Als Prüfungskommissär über Schippach aber vergaß
er diese seine eigene Mahnung und war mit seinem ablehnenden Urteil schon in vier
Wochen fix und fertig.
So viel wollte über die Arbeitsweise der amtlichen
Prüfungskommissäre in Köln, Freiburg und Würzburg bemerkt werden; ihre falschen
sachlichen Prüfungsergebnisse hinsichtlich der Offenbarungen, des Liebesbundes und
des Kirchenbaues werden später zur Erörterung kommen, soweit sie nicht schon bisher
kritisch untersucht wurden. Jedenfalls dürfte der Leser schon aus dem Gesagten die
Überzeugung gewonnen haben, daß die Prüfungen Schippachs durch die amtlichen Prüfungsorgane
in Köln, Freiburg und Würzburg die Erfordernisse, die man an amtliche Prüfungen
stellen muß, sich in keiner Weise erfüllt haben.
Inhaltsverzeichnis
IV. DIE TRÄGERIN
DER OFFENBARUNGEN
1. Nachträge
zu ihrem Sittenbild
Im ersten Teil dieser Schrift haben wir uns Mühe
gegeben, das religiössittliche Leben der Schippacher Jungfrau aufgrund sorgfältigen
Studiums und besonders auch aufgrund unserer persönlichen Kenntnis dieser wundersamen
Frau zu zeichnen. Wir sind diesem Leben nachgegangen bis in die Tage seiner Kindheit
und in die glücklichen Jahre einer rein und fromm zugebrachten Jugendzeit, wir waren
Augen- und Ohrenzeugen ihres unermüdlichen Schaffens im Elternhaus, haben voll ehrfürchtiger
Scheu die große Beterin belauscht, haben die innigen Rufe der in freiwilliger Jungfräulichkeit
gottgeweihten Seele vernommen, wie sie ihren himmlischen Bräutigam im heiligsten
Sakramente sucht, haben sie begleitet auf ihren frommen Wanderungen an heilige Orte,
haben aufrichtigen Anteil genommen an den harten Prüfungen, die Unverstand und Herzenshärte
ihr bereiteten, durften die Werke ihrer praktischen Nächstenliebe bewundern und
ihre derzeit weit vorauseilenden Rufe zur eucharistischen Erneuerung der Welt vernehmen,
wir sahen sie, die große Beterin, stundenlang vor dem Tabernakel knien und so andächtig
wie niemand sonst den Kreuzweg beten, wir sahen sie im ärmlichen Gewand auf beschwerlichem
Fußmarsch büßen und sühnen für die Sünden der Welt, wir begleiteten sie auf ihren
Bettelgängen von Haus zu Haus um milde Gaben für Errichtung einer Seelsorgestelle
und eines Gotteshauses in ihrer Heimat, wir durften einen Blick durch die Türspalte
werfen in ihr zeitlebens armes Stüblein und auf ihre den Luxus unserer Zeit beschämende
einfache Kleidung, dieweilen sie die ihr von reichen Freundinnen zufließenden Gelder
in seltener Uneigennützigkeit restlos für die Erbauung eines Gotteshauses abgibt,
wir ergriffen ihre schwieligen Hände, an denen der Rosenkranz durch die Finger glitt,
und blickten in ihr treuherziges schalkhaftes Auge, wenn sie mit beredtem Munde
aus ihrem langen Leben erzählte: Das war Barbara Weigand, lebendig gewordene Frömmigkeit.
Wenn wir diesem anziehenden Bilde doch noch einige Züge beifügen, so tun wir dies,
um zu zeigen, daß ihr sittliches Leben im schönsten Einklang stand mit ihren inneren
Erleuchtungen.
Als Barbara Weigand nach der Mainzer Untersuchung
im Elisabethenstift im August 1900 wieder das erstemal bei P. Bonifaz O. Cap., der
jene Prüfung geleitet hatte, beichtete - nach der Haltung dieses Paters bei jener
Untersuchung gewiss ein heroischer Akt der Selbstverdemütigung! - sagte ihr der
Beichtvater: ,,Bleiben Sie bei Ihrer Überzeugung! Wenn es Gott ist, der in Ihnen
spricht, wird er sich schon durchsetzen. Ihr Leben muß den Ausschlag geben."
Damit hatte der Pater zwar nicht das Wesen der umstrittenen Frage, aber doch einen
sehr wichtigen Umstand zur Beurteilung der Echtheit der Weigandschen Vorgänge berührt,
die sich in einem wahrhaft frommen Leben bewähren müssten.
Eine Voraussetzung wahrer mystischer Geisteshaltung
liegt in der treuen Erfüllung der Standespflichten. Nach der übereinstimmenden Ansicht
der Autoren wäre es eine ganz irrige Vorstellung vom Wesen der Beschauungsgnade
und ihrer Beigaben, wenn man sie als nachteilig für die gewöhnliche Berufsarbeit
erachten würde. Der wahre Mystiker ist kein weltfremder und kein arbeitsscheuer
Mensch! Wir besitzen vielmehr Beispiele genug aus alter und neuer Zeit, welche uns
die Begnadigten als mitten im Leben stehende Menschen zeigen, die alle Hände voll
zu tun hatten, um ihre Berufspflichten zu erfüllen. Es wäre darum ein verdächtiges
Zeichen, wenn man sich mit Berufung auf die innere Stimme von seiner Berufsarbeit
für entbunden erachtete. Schön bemerkt Poulain über solche Begnadigte, welche trotz
der hohen Kontemplation ihren Beruf in der Schule, im Hause oder am Krankenbett
versahen: ,,Statt mit Träumereien über alle möglichen guten Lebensstände die Zeit
zu verlieren, nützen sie den aus, der ihnen zugefallen war".
Barbara Weigand hat wie keine zweite ein Leben
aufopfernder Berufsarbeit hinter sich, wofür wir nur auf die ersten Kapitel dieser
Schrift verweisen möchten. Dort lernten wir das Mädchen Barbara kennen, das als
,,Mütterchen" den Haushalt führt und von Acker zu Acker, von Wiese zu Wiese eilt!
Als Stütze im Hause des Bruders in Mainz ist sie die stets geschäftige Martha, der
monatelang die Leitung eines großen Wirtshausbetriebes obliegt! Wieder in die Heimat
zurückgekehrt arbeitet sie als Greisin in erstaunlicher Rüstigkeit in den bäuerlichen
Betrieben ihrer Neffen, bis der Neunzigjährigen die Sense aus der schwieligen Hand
entfällt! Diese Arbeitsamkeit dürfte in der Geschichte der Mystik wohl einzigartig
dastehen.
Mit der treuen Erfüllung der Berufspflichten
hängt bei den echten Mystikern eng zusammen der Sinn für die reale Wirklichkeit.
Gar schön schreibt hierzu Rösler: ,,Der Wirklichkeitssinn des Mystikers bekundet
auffallendes Verständnis für die Verhältnisse und Bedürfnisse des menschlichen Lebens
in den verschiedensten und schwierigsten Lagen; der falsche Mystiker ist dazu unbrauchbar".
Barbara Weigand hat auch diese Probe ihres inneren
Lebens glänzend bestanden. Wer die opferwillige, ewig geschäftige, nie rastende,
keiner Arbeit ausweichende Jungfrau kannte, wer die Werke der Nächstenliebe sah,
die sie übte, wer die heroische Selbstüberwindung beobachtete, mit der sie sich
der Pflege der Kranken widmete, wer weiß, wie sie alle Vorkommnisse des häuslichen,
pfarrlichen und öffentlichen Lebens mit ihrem Gebete begleitete, wie sie tatkräftig
den kirchlichen Bedürfnissen ihrer Heimatgemeinde entgegenkam, wie sie sich von
der Ferne für die Errichtung einer Pfarrei mühte, wie sie für die Erstellung eines
Pfarrhauses, einer Pfarrkirche, die Errichtung einer Pfarrpfründe arbeitete und
die Heimatgemeinde entgegenkam, wie sie sich von der Ferne für die Errichtung einer
Pfarrei mühte, wie sie für die Erstellung eines Pfarrhauses, einer Pfarrkirche,
die Errichtung von Pfarrpfründen arbeitete und die amtlich hierzu verpflichteten
Zauderer beschämte, wie sie hier ein abgenutztes Messgewand, dort eine schadhafte
Albe ausbesserte, wie sie für Kindergarten, Hauskrankenpflege, Diözesanexerzitienheim,
Seminare beisteuerte; kurzum: Wer Barbara Weigand so wie sie in Wirklichkeit war,
nicht nach dem Zerrbild der Presse, kannte, der wird ihr den Sinn für die reale
Wirklichkeit nicht absprechen
können.
Die echten Ekstatischen sind keine kleinlichen
Seelen, sondern Menschen mit einem überragenden Weitblick des Geistes und ausgesprochener
Festigkeit des Willens. ,,Omnis sanctus pertinax." ,,Ihr Wille", sagt Poulain, ,,ist
so energisch, daß sie den Kampf mit allen Schwierigkeiten aufnehmen, um ihr Beginnen
durchzuführen ... Ekstatische zeichnen sich besonders durch ihre Energie aus". ,,Wer
bei Widerstand (sc. seitens der Vorgesetzen) sich aufregt oder sich entmutigen lässt,
zeigt, daß er wenig Vertrauen auf die Macht Gottes besitzt und wenig Gleichförmigkeit
mit seinem heiligen Willen hat ... Will Gott, daß seine Absicht verwirklicht wird,
so wird der Allweise den Widerstand schon niederschlagen, wenn der Augenblick gekommen
ist".
,,Überragender Weitblick des Geistes!" Eine Person,
welche die Zukunft so lange vorher richtig voraussah, besaß wirklich einen überragenden
Weitblick des Geistes. Und der Arzt Dr. Kemen berichtet an den Päpstlichen Nuntius:
,,Ihre Intelligenz ist außergewöhnlich hoch." Auch die Klagen ihrer gelehrten Gegner,
Doktoren der Theologie, daß Barbara ,,auf alle Einwendungen zu erwidern wisse",
bestätigen die hohe Intelligenz der Jungfrau. Noch mehr: die Entschlossenheit und
Entschiedenheit, mit der eine Bauernjungfrau ihre Anregungen über ein halbes Jahrhundert
lang vorträgt, verteidigt, trotz aller Hindernisse vor Bischöfe und Päpste bringt,
die Unerschütterlichkeit des Glaubens an die Ausbreitung des Liebesbundes und die
Verwirklichung des Kichenbaues: diese Momente sprechen doch für das Vorhandensein
eines Etwas, das man mit einem flüchtigen Hinweis auf ein Handbuch der Pastoralmedizin
nicht einfach abtun kann. Fast möchte man versucht sein, auch in ihrer robusten
Gesundheit bis ins höchste Greisenalter einen Beweis für ihre hohe Intelligenz und
ihre unbeugsame Willenskraft zu erblicken; denn, wie P. Lippert einmal sagt, sind
Vernunft- und Willensmenschen meist sehr gesund, wenn auch vielleicht ihre Gesundheit
mitunter auch etwas allzu Robustes hat".
Selbstverständlich bewirkt wahre Begnadigung auch den Kampf gegen die böse Natur
und Freude am Gebete. Es war ja bekanntlich einer der verhängnisvollsten Irrtümer
des Quietismus, daß er die Notwendigkeit des Bittgebetes des Betenden für sich selbst
leugnete. Der wahre Mystiker wird auch im Gebetsleben in den Spuren seines göttlichen
Meisters wandeln. Barbara Weigand war nun zeitlebens eine Beterin von allergrößtem
Ausmaß, so daß man sich nur wundern muß, wie bei so vielverzweigten und abziehenden
Beschäftigungen im Bauernhause und in einer Wirtschaft nachgehende Person noch so
viel Zeit zum Beten aufbringen konnte. Dieses ans Unfassbare grenzende Gebetsleben
der Jungfrau Barbara hat denn auch der amtierende Pfarrer von Schippach an ihrem
Grabe besonders rühmend hervorgehoben.
Alle großen Mystiker bekunden eine ergreifende
Liebe zur Verehrung des leidenden Heilandes, eine Beobachtung, die wir auch an der
Jungfrau von Schippach bestätigt finden, die wohl vom 24. bis zum 97. Lebensjahr
täglich die Stationen des Kreuzweges betete.
Daß die Mystiker einen ausgesprochenen Zug zum
Allerheiligsten Sakrament an den Tag legen, bestätigen ihre Biographien ohne Ausnahme.
Daß aber Barbara Weigand ihr langes Leben gerade der heiligen Eucharistie geweiht,
und daß sie für dieses Ideal die allergrößten Opfer gebracht hat, wird man der unermüdlichen
Verfechterin der Oftkommunion und der Urheberin der Sakramentskirche von Schippach
nicht bestreiten wollen.
Geradezu sympolisch scheint es auch zu sein,
daß sie es war, die schon Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zur
Beschaffung eines neuen Tabernakels in ihrem Heimatkirchlein wesentlich beitrug.
Eine auffallende Erscheinung konstatiert Richstätter
bei allen großen Mystikern: Die Neigung zum Kulte des Herzens Jesu. Nun: Wenn der
,,Eucharistische Liebesbund des göttlichen Herzens Jesu" wirklich das Werk der Barbara
Weigand ist - und er ist es - dann ist damit ein weiteres Kriterium zugunsten der
Echtheit ihrer Offenbarungen gegeben.
Es dürfte in diesem Zusammenhang gewiss auch
an eine Begebenheit erinnert werden, die sich schon in den siebziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts in Schippach zutrug, als die Jungfrau Barbara in ihrem frommen
Eifer eine Herz-Jesu-Statue kaufte, die der Kaplan mangels eines anderen geeigneten
Platzes auf dem Altar des dortigen Kirchleins aufstellte. Kaum aber gewahrte sie
der zuständige Pfarrer, als er öffentlich in der Kirche gegen die Stifterin des
Bildes loszog und die Entfernung der Statue anordnete. Ob es nun die Platzfrage
war, die den Pfarrer zu seiner Philippika bewog, oder die Abneigung gegen eine solche
,,Neuerung", mag dahingestellt bleiben, jedenfalls beweist das Vorkommnis die Tatsache,
daß die Jungfrau Barbara schon zu einer Zeit, als die Herz-Jesu-Verehrung bei uns
noch keine Popularität genoß, diese Übung in ausnehmender Weise pflegte.
Daß Barbara Weigand zeitlebens eine demütige
Person gewesen ist, wird ihr von allen, die sie kannten, freudig bezeugt; sie offenbarte
in ihrer ganzen Geistes- und Sittenhaltung allezeit die gewinnenden Züge ungekünstelter
Einfachheit, außergewöhnlicher Anspruchslosigkeit und natürlicher Bescheidenheit,
die ihr rasch die Herzen gewann und, wie wir wissen, schon ihrem Mainzer Beichtvater
P. Alphons sowie Bischof Haffner angenehm aufgefallen waren. Wer immer der Jungfrau
Barbara in ehrlicher Absicht gegenübertrat, konnte sich dem gewinnenden Wesen der
einfachen Person nicht entziehen. Männer, Frauen, Kinder, selbst ungehobelte Burschen
begegneten ihr mit einer gewissen heiligen Scheu: Niemals habe ich als Pfarrer der
Gemeinde ein Wort der Geringschätzung aus dem Munde anderer Dorfbewohner vernommen.
Dasselbe bestätigte mir brieflich ein früherer Kaplan von Schippach, Pfarrer Riedmann,
und der Ortspfarrer rühmte an ihrem Grabe in ehrenden Worten das einfache und bescheidene
Wesen der verstorbenen Gottesfreundin. Auch leistete Barbara den Anordnungen ihrer
geistlichen Obern willig Folge, wo immer diese Befehle es vermieden, ihr gottverpflichtetes
Gewissen zu belasten. Nur dort, wo ihr Zumutungen gestellt wurden, die sie in Konflikt
mit der inneren Stimme brachten, erhob sie bescheidene Gegenvorstellungen und blieb
ihrem Gewissen treu. Daß man aber dieses Festhalten an der eigenen Überzeugung in
Dingen der christlichen Freiheit nicht Stolz und Ungehorsam nennen darf, werden
wir später eingehend beweisen.
So können wir sagen: Die persönlichen Erfordernisse
für mystische Vorgänge waren bei Barbara Weigand in vollem Maße gegeben.
Inhaltsverzeichnis
2. Die gesunde
Jungfrau
Einer der lautesten Vorwürfe, die ehedem gegen
die Schippacher Jungfrau erhoben wurden, war jenes billige Schlagwort, mit dem man
auch sonst so schnell bei der Hand ist, um Fragen nicht alltäglicher Art zu lösen:
die Hysterie. Barbara Weigand sei eine hysterische Person: so habe ein Arzt im Jahre
1900 erklärt, und das sei auch aus den Schippacher Schriften ,,photographisch genau"
zu erkennen. Also müsse man auch die Werke der Jungfrau: den Eucharistischen Liebesbund
und die Sakramentskirche ablehnen, was dann bekanntlich auch geschah.
Nun enthält eine solche Schlussfolgerung doch
allerlei Mängel. Kann denn nicht auch eine kranke Person mystisch begnadigt sein,
einen Bund der Frömmigkeit gründen und die Anregung zu einem Kirchenbau geben? Waren
nicht viele Begnadigte zeitlebens krank oder kränklich, wobei die Symptome der Hysterie
manchmal recht deutlich in Erscheinung traten? ,,Nichts hindert Gott", bemerkt hierzu
Poulain, ,,übernatürliche Gebetsgnaden auch krankhaften Personen zu verleihen und
dann wird auch in der äußeren Erscheinung das Krankhafte hervortreten".
Wenn man nun aber schon Barbara Weigand als hysterisch
erklärte und deswegen den Liebesbund und den Kirchenbau verwarf, dann hätte man
ganze Arbeit leisten und auch die anderen von der selben Person stammenden Anregungen
und Werke, wie die Stiftung der Pfarrei, die Schenkungen an den Bischöflichen Stuhl,
die Gedanken von Buße und Sühne, die Aufrufe zur Einführung der häufigen Kommunion,
als Produkte hysterischer Anfälle zurückweisen müssen. Wir sehen: schon vom Standpunkt
der Logik aus war die Ablehnung Schippachs nicht zu rechtfertigen. Aber wir sind
auch in der Lage, den Vorwurf der Hysterie durch recht beachtliche andere Gründe
zu entkräften.
Inhaltsverzeichnis
a) Grenzen der
ärztlichen Prüfungsmethode
Wenn auch in der Gegenwart die ärztliche Wissenschaft
in einzelnen ihrer Vertreter den Problemen des Seelenlebens wieder mehr Verständnis
entgegenbringt, so bleibt doch bis in die jüngste Vergangenheit herauf ganz allgemein
die Beobachtung zu Recht bestehend, daß man vom ärztlichen Standpunkt aus dem übernatürlichen
Verständnis seelischer Erscheinungen sehr wenig Beachtung schenkte, es vielmehr
fast kategorisch ablehnte. Auch die moderne Psychologie ist weithin rein natürlich,
diesseitig, weltlich eingestellt und hat sich von der Metaphysik leider nur allzuweit
entfernt. So kann es nicht verwunderlich sein, daß sie bei ihrer antisupranaturalistischen
Einstellung zu den Problemen des Seelenlebens die meisten Erscheinungen des religiösen
Lebens psychischen Verirrungen und damit pathologischen Ursachen zuschreibt. Wir
wissen, daß diese Wissenschaft zwischen wahrer und falscher Mystik, zwischen echter
und unechter Ekstase, zwischen dem Seelenflug der Heiligen und krankhaften Zuständen
überhaupt keinen Unterschied mehr gelten lässt, daß ihr die einen soviel wert sind
wie die anderen, weil sie alle in gleicher Weise als Krankheitserscheinungen der
Seele ansieht. Das haben wir ja erst in unseren Tagen bei Konnersreuth erlebt. Der
Wahn, alles Außerordentliche, besonders bei religiösen Erscheinungen, als pathologische
Phänomene zu bezeichnen, übersteigt heute alle Grenzen. Diese moderne Wissenschaft
ist mit ihrem Seziermesser sogar bis zum Stifter unserer heiligen Religion selber
vorgedrungen und vor der Blasphemie nicht zurückgeschreckt, den Heiland der pathologischen
Veranlagung zu bezichtigen. Soll ich daran erinnern, daß Rasmußen ihn als Epileptiker
und Paranoiker bezeichnet, daß Baumann ihm Nervenüberreizung vorwirft, daß Holtzmann
ihn der phantastischen Schwärmerei, Loosten geradezu der Geisteskrankheit beschuldigt?
Ausdrücke wie ,,krankhaft starke Erregung", ,,Halluzinationen", ,,überspanntes Selbstgefühl",
,,Zwangsgedanken", ,,krankhaft abnormes Geistesleben", ,,nervöse Überreiztheit",
,,fixe Idee", ,,hysterische Ekstase" begegnen uns genau wie in der Bekämpfung Schippachs
auch bei der Behandlung unseres Herrn und Heilandes.
Wenn man nun schon vor dem Gottessohne nicht
zurückschreckt, dann kann es erst recht nicht wundernehmen, daß man auch die Heiligen
in die Niederungen einer ungläubigen Wissenschaft herabzieht und ihre seelischen
Erlebnisse als ,,Ausgeburten ihres kranken Hirns" bezeichnet. Wer in der Hagiographie
einigermaßen Bescheid weiß, dem kann es nicht entgehen, daß die Heiligen oft genug
das Verdikt nicht nur einer ungläubigen Umgebung, sondern auch jenes einer noch
ungläubigeren Wissenschaft traf.
Wurden Vorwürfe der bezeichneten Art nicht schon
gegen die Apostel erhoben, oder beispielsweise gegen Juliana von Lüttich, Franz
von Assisi, Katharina von Siena, Heinrich Suso, Joseph von Cupertino, Theresia von
Avila, Margarete Alacoque, Katharina Emmerich, Bernadette Soubirous, Gemma Galgani,
Benigna Consolata Ferrero, Barbara Fister, Therese Neumann? Ist es nicht geradezu
eine Manie, außerordentlich hervortretende Menschen sogleich auf ihre geistige Gesundheit
zu prüfen? ,,Statt der Biographien sind die Pathographien an der Tagesordnung",
schreibt Kneib und unterstreicht das Wort Luckas´, daß mit der Psychiatrie in ihrer
Anwendung auf bedeutende Menschen geradezu Unfug getrieben werde; es werde mit einer
Sicherheit über die Menschen geurteilt, als ob nichts in der Welt so zuverlässig
sei als eine psychiatrische Diagnose. Nehme man aber die Kompendien von Krafft-Ebbing,
Kräpelin oder Spezialarbeiten zur Hand, so staune man, wie tief die Psychiatrie
noch in den Kinderschuhen stecke; zudem sei nicht einmal der geistige Normalmensch
genau definiert."
Der schon erwähnte Loosten scheut sich nicht,
Genialität und Abnormität überhaupt gleichzusetzen; Mohammed, Rousseau, Kant seien
ebenso wie die Propheten Jeremias und Ezechiel oder der Apostel Paulus pathologisch
zu nehmen.
Die gleichen Anschauungen vertritt Moerchen in
seiner ,,Psychologie der Heiligkeit" oder Ideler in seinem ,,Versuch einer Theorie
des religiösen Wahnsinns", wo er als Vertreter des religiösen Wahnsinns aus leidenschaftlicher
Liebe zu Gott den heiligen Antonius, als Beispiel für den dialektischen Wahnsinn
des Fanatismus den heiligen Ignatius von Loyola, als Beleg für mystisch fromme Geschlechtsliebe
die heilige Katharina von Siena und die heilige Margarete Alacoque hinstellt. Als
ganz richtige Folge zieht Rasmußen aus solchen Gedankengängen den Schluss, ,,alles,
was an den Prophetengestalten überraschend wirke, könne täglich in unseren Irrenanstalten
beobachtet werden." Keck und kühn dringen die Pathologen in das Heiligtum des religiösen
Innenlebens und gebärden sich, wie wenn sie dort zu Hause wären. ,,Wir sind es ja
gewohnt", wird einmal zutreffend bemerkt, ,,diese heiligen und unendlich zarten
Dinge mit der rauhen Hand psychopathischer Zergliederung angepackt und in die alltäglichen
Erfahrungen des Psychiaters herabgezogen zu sehen." Und Karrer hat ganz recht, wenn
er schreibt: ,,Überliefert die seelischen Erfahrungen eines Johannes vom Kreuz oder
einer heiligen Theresia gewissen Religionspsychologen: sie werden daraus bestenfalls
interessante Halluzinationen machen."
Auch unser fränkischer Landsmann, Spiritual Hock,
doch wohl unbestritten eine Autorität in mystischen Fragen, wendet sich scharf gegen
das Hinüberzerren mystischer Erlebnisse in das Gebiet des Anormalen. ,,Wohin kommen
wir", ruft er mit Entrüstung aus, ,,wenn man alle möglichen anormalen Zustände des
menschlichen Erkenntnisvermögens zusammensucht und dann durch Vermutungen und andere
Wendungen, die schwer zu packen sind, den Anschein erweckt, das, was fromme Seelen,
die im innerlichen Gebet vorangeschritten sind, in ihrem Verkehr mit Gott an religiösen
Erkenntnissen erleben, sie mit diesen anormalen Geisteszuständen zu identifizieren?
Das führt letzten Endes zur Behauptung, die ganze Mystik sei Selbsttäuschung und
die Heiligen der katholischen Kirche seien pathologisch zu nehmen, sie seien alle
mehr oder weniger geistesgestört gewesen".
Diese Auffassung, in der die experimentelle Psychologie
und Pathologie, der Kardiograph, die Waage, das Seziermesser, die Badewanne, der
Eisbeutel und sonstige Apparate herhalten müssen, um die mystischen Phänomene zu
lösen, wollen gewisse Theologen auch in die katholische Beurteilung der außergewöhnlichen
Erscheinungen herüberführen. ,,Eine rationalistisch gerichtete Auffassung", sagt
Richstätter, ,,möchte auch in katholischen Kreisen beim Mystiker wie bei der mystischen
Beschauung manche Ähnlichkeit mit der natürlichen Anlage des religiösen oder künstlerischen
Genies entdecken ... Mystische Visionen, Ansprachen, Ekstasen usw. versucht man
Erscheinungen an die Seite zu stellen, wie sie die experimentelle Psychologie oder
Psychopathie bei entsprechender Veranlagung und abnorm gesteigerter Nervenerregung
hin und wieder nachzuweisen und rein natürlich zu erklären vermag."
Neu ist ja die Sache nicht, nur die Schilder
sind gewechselt; anerkannte Mystiker der Vorzeit können ebenso ein Liedlein davon
singen wie bekannte Gottesfreunde in der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit; es
sei nur an die große heilige Theresia erinnert, deren innere Vorgänge Hahn dadurch
zu erklären versuchte, daß er sie auf psychopathische Zustände zurückführte. Ganz
mit Recht wendet sich der große Historiker Pastor gegen eine solche Verzerrung des
mystischen Gnadenlebens der Heiligen durch einen Theologen und stellt ihm Gabriele
Cunningham gegenüber, welche die spanische Mystikerin gegen solche Vorwürfe in Schutz
nahm. Das Buch Hahns kam auf den Index.
Gegen das Bestreben, in mystischen Dingen nicht
dem Theologen, sondern dem Arzt das entscheidende Wort zu lassen, hat schon Scaramelli
entschieden Stellung genommen, wenn er erklärte, ,,daß gemeinhin die Ärzte der Erfahrung
ermangelten, die erforderlich sei, um mystische Zustände zu beurteilen, und geneigt
seien, alles der Natur zuzuschreiben."
War etwa die ärztliche Wissenschaft und Praxis
um die Jahrhundertwende übernatürlicher eingestellt? Nun ist es doch bezeichnend,
daß die Gegner Schippachs den Rat Scaramellis, den Arzt in mystischen Fragen möglichst
aus dem Spiele zu lassen, völlig überhörten, sich vielmehr krampfhaft an die Aussage
des Arztes Dr. Ebner vom Jahre 1900 klammerten, welcher Barbara Weigand für hysterisch
erklärt hatte. Das Tendenziöse der Verwertung dieses Zeugnisses tritt aber sofort
in dem Umstand zutage, daß dieselben Gegner von den Zeugnissen zweier anderer Ärzte,
welche die Hysterie der Jungfrau kategorisch abgelehnt hatten, keine Notiz nahmen.
Kann man eine solche Behandlung unseres Gegenstandes noch objektiv nennen? So suchte
man mit Hilfe recht problematischer weltlicher Wissenschaften und eines Arztes,
das mystische Leben der Jungfrau von Schippach abzufertigen.
Aber sonderbar! Diese ,,hysterisch-ekstatische"
Wirtshausmagd, deren Aufzeichnungen ,,keinen Bogen Papier und keine Minute Zeit
wert sind", gründet damit ein ,,theologisches System", das man nur mit Hilfe der
Großmacht Presse und des bracchium saeculare niederwerfen kann, diese ,,einfältige
Seele" ,,weiß auf alle Einwendungen" ihrer Gegner, deutscher Universitätsprofessoren,
,,zu antworten", beherrscht die Festgedanken der kirchlichen Liturgie in einer Weise,
daß Doktoren der Theologie sie ,,um diese Gabe beneiden", ,,sieht" die kommenden
Prüfungen der Völker und der Kirche schon ein Menschenalter vorher ,,deutlich voraus",
gründet einen Bund mit anerkannt ,,trefflichen Lebensregeln", der sich trotz aller
Hindernisse in den Ländern aller Kultursprachen ausbreitet. Was doch nicht ,,geisteskranke"
Spessartjungfrauen alles fertig bringen!
Und diese ,,bedauernswerte" Person, die angeblich
nur ,,die Luft der Krankenstube" atmet und ,,nur für den Arzt von Interesse" ist,
benötigt ihrer Lebtage ernstlich keinen Arzt, bleibt bis ins höchste Greisenalter
körperlich und geistig kerngesund, arbeitet noch mit 90 Lebensjahren wie eine Fünfzigerin
und wird in völliger Frische über 97 Jahre alt! Eine solche Person darf nicht auf
Grund des Zeugnisses eines Arztes verurteilt werden!
Inhaltsverzeichnis
b)
Das physiologische Bild der Ekstasen
Während der Arzt Dr. Ebner zur Begründung seiner
Diagnose auf Hysterie sich auf seine zweimalige persönliche Beobachtung der Barbara
Weigand am 1. und 3. August 1900 berufen konnte, wollten die späteren literarischen
Gegner, welche aber die Jungfrau niemals zu Gesicht bekamen, deren Hysterie in den
physiologischen Erscheinungen gegeben sehen, welche laut den Schippacher Schriften
mit den Leidensstürmen und Ekstasen der Jungfrau verbunden waren. Sie haben auf
das Stocken des Atems, auf das Starre, die Empfindungslosigkeit, das Würgen, Erbrechen,
Stottern, Schleudern der Arme hingewiesen, in denen sie ,,einen geradezu klassischen
Beweis des hier vorliegenden falschen Mystizismus" erblicken; ,,jeder Arzt" werde
daraus ,,die klaren Symptome der Hysterie feststellen."
Barbara Weigand offenbare ,,photographisch genau"
die Erscheinungen der hysterischen Ekstase: Stimmbandlähmung, Husten, Grimasseschneiden,
Ticks, Krampfanfälle; alle diese Dinge zeugten klar von ihrer Hysterie und seien
,,wegen ihrer Widerlichkeit mit der Würde Gottes unvereinbar."
Nun ist zunächst zu bemerken, daß diese Erscheinungen
nicht bei der eigentlichen Ekstase, sondern bei den der Ekstase vorausgehenden Leidensstürmen
zutage traten, wie uns schon das frühere Kapitel dieses Buches über die Ekstasen
belehrt hat. Auch bei den Vorgängen am 3. August 1900, welche der ärztlichen Beurteilung
unterlagen, wird ausdrücklich zwischen den Stürmen und der nachfolgenden Ekstase
unterschieden, wie dies auch das Ordinariat Mainz in seiner Zuschrift an den Provinzial
der Kapuziner ganz richtig getan hat. Jenes Schleudern, Schütteln, Herumwerfen,
Erbrechen bildete also einen Teil des Passionsleidens, durch welches die Jungfrau
mit dem leidenden Heiland für die Sünden der Welt sühnen sollte. Das Leiden des
Heilandes aber bot auch keineswegs den Anblick des Schönen. ,,Seine Gestalt", sagt
Meschler vom blutschwitzenden Heiland, ,,muß einen mitleidswürdigen Anblick geboten
haben. Sein Antlitz war blass, seine Glieder zitterten, die Brust zog sich krampfhaft
zusammen, der Odem stockte, sein Auge blickte erschreckt bald zum Himmel, bald zur
Erde, bald auf die Apostel."
Bei der Geißelung nimmt das Bild noch unschönere
Züge an: ,,Das Fleisch flammt auf und schwillt; Striemen, rot und braun, laufen
auf. Die Haut springt erst in zarten Rissen, dann öffnen sich ganze Furchen, immer
tiefer und länger. Das Blut dringt hervor, es rieselt bald in Bächlein und dringt
weiter in Strömen, bis der ganze Leib darin gebadet ist, bis es im schmutzigen Platzraum
umherspritzt und um die Säule Lachen bildet. Der Schmerz presst Tränen aus dem Auge
und leises Wimmern und Seufzer aus dem Munde. Man band den Heiland los und wahrscheinlich
fiel er an der Geißelsäule zu Boden wie ein zertretener und zerriebener Wurm. Er
hat wirklich keine Gestalt und Schönheit mehr, der letzte der Männer, der Mann der
Schmerzen."
Und erst die Kreuzigung selber! ,,Die Finger
krümmen sich krampfhaft, die Brust hebt sich empor und die Muskeln krachen. Der
ganze Leib jämmerlich zerspannt, alle Nerven spielen und zittern."
Wurde nicht gerade dieses Bild des leidenden
Heilandes erst in unseren Tagen auch eines Gottes für unwürdig gehalten? Und wenn
man an dem Erbrechen während der Leidensstürme Anstoß nimmt, so muß gerade an den
Zweck dieses Leidens erinnert werden, das ja Sühne sein sollte für die ekelhaften
Sünden der Welt, die nach den Worten der Schrift Gott auch zum Erbrechen reizen
und ihn den Ruf erpressen: Ich will dich ausspeien aus meinem Munde."
,,Wenn Gott", so bemerkt hierzu schon P. Ludwig
in seinem Schreiben vom 4. August 1902 an das Ordinariat Mainz, ,,die Schönheiten
des Himmels oder die Tugend eines Gerechten schildert, gebraucht er die schönsten
und poetischten Bilder. Ganz anders aber lautet seine Sprache, wenn er von der Abscheulichkeit
der Sünde spricht." Wäre es da verwunderlich, wenn die Hässlichkeit der Sünde auch
in etwa in dem Sühneleiden für diese Sünden zum Ausdruck käme? Daß aber die übrigen
Erscheinungen wie Hinfallen, Erkalten, Starrwerden, Unverrückbarkeit des Blickes
u.ä., welche auch bei der eigentlichen Ekstase zutage traten, durchaus keinen unschönen
Anblick boten, wird von niemand zuverlässiger bezeugt als von P. Bonifaz, der schon
bei der ersten Leidensekstase in der Kapuzinerkirche zugegen war und, wie wir wissen,
auch den Vorgängen am 1. und 3. August 1900 im St. Elisabethenstift als amtlicher
Prüfungskommisär beiwohnte.
Von P. Felix Lieber ausdrücklich über seine Eindrücke
gerade in bezug auf die physiologischen Begleiterscheinungen befragt, gab genannter
Pater Bonifaz, bekanntlich ein Gegner der Echtheit der Weigandschen Ekstasen, am
28. Februar 1910 die klare Antwort, sie seien ,,höchst dezent" gewesen. Und er war
Augenzeuge! Durfte sie dann ein Schriftsteller, der Barbara Weigand niemals sah,
weder im normalen Zustande noch in ihren Ekstasen, als widerlich und mit der Würde
Gottes unvereinbar bezeichnen? Wie sagt Poulain: ,,Zuerst muß man die Person kennenlernen!"
Solche Zustände finden sich zudem fast bei allen
Ekstatikern. Hören wir einmal, was die heilige Theresia darüber sagt: ,,Während
die Seele ihren Gott sucht, fühlt sie, wie der Atem ausgeht und sie in eine selige
Ohnmacht versinkt. Sie kann ohne Anstrengung nicht einmal die Hand regen; die Augen
schließen sich von selbst ... In der Ekstase fühlt man ... wie die natürliche Wärme
mehr und mehr verschwindet und der Körper allmählich kalt wird ... Die Ekstase kommt
meistens allen Gedanken und jeder Vorbereitung mit einem plötzlichen und stürmischen
Anfall zuvor ... Einmal bemerkte ich, daß sich die Ekstase wieder einstellen werde.
Sogleich warf ich mich auf den Boden. Die Schwestern sagen, daß der Puls zuweilen
- kaum mehr schlug. Die Hände sind ganz steif und unbeweglich, die Gebeine gestreckt
und der Schmerz ist so heftig, daß ich noch am andern Tage die Empfindung habe,
als sei mir jede Ader zerrissen und jedes Glied verrenkt." So die große spanische
Mystikerin.
Nun frage ich: Sind die Vorgänge bei den Weigandschen
Ekstasen: als plötzlicher Anfall, Atemstocken, Verlust der sinnlichen Empfindung,
Lähmung der Glieder, Regungslosigkeit, von den oben genannten Erscheinungen bei
der heiligen Theresia wirklich so grundverschieden, daß man in den Weigandschen
physiologischen Vorgängen ,,die klaren Symptome der Hysterie", in den Theresianischen
dagegen die klaren Symptome der echten Ekstase erkennt? Sind nicht bei beiden Personen
die Vorgänge ganz die gleichen? Plötzlicher Anfall hier wie dort, Stockung des Atems
hier wie dort, Bewegungslosigkeit hier wie dort, Kälte des Körpers hier wie dort,
körperliche Erschlaffung hier wie dort. Worin soll denn also der grundstürzende
physiologische Unterschied zwischen der echten und der hysterischen Ekstase liegen?
Antwort: es gibt keinen. Poulain sagt darum ganz zutreffend, daß die physiologischen
Begleiterscheinungen bei echten und hysterischen Ekstasen ganz die gleichen sein
könnten und darum als Kriterium von Echtheit und Unechtheit völlig auszuscheiden
hätten. ,,Aus den physiologischen Wirkungen", sagt er, ,,lassen sich im allgemeinen
keine Schlüsse ziehen. Die äußere Erscheinung kann bei echten wie bei falschen Ekstasen
gleich sein." Auch an anderen Stellen warnt er vor falschen Schlußfolgerungen aus
den Äußerlichkeiten. ,,In der letzten Zeit, so ist weiter bei ihm zu lesen, ,,haben
die Ärzte sorgfältig gewisse Krankheitserscheinungen studiert, welche mit den Ekstasen
der Heiligen große Ähnlichkeit haben. Die meisten von ihnen vermeiden es aber, darauf
hinzuweisen, daß diese Ähnlichkeit ... ganz ohne Bedeutung ist." Ähnlich äußert
sich Bonniot: ,,Auch die Ekstasen brauchen den Organismus und seine Disposition
als unmittelbare Verbindung. Dieses Schreien, die Anzeichen der Schwäche, die krankhaften
Symptome, das Zittern, das Starre der Glieder, die Unbeweglichkeit, das Zurückgehen
der Temperatur, das Stocken des Blutes: alles das sind, streng genommen, Erscheinungen
der physischen Veranlagungen Ekstatischer.
Wenn einfache Leute es anders auffassen, so fällt
es auf Rechnung ihrer Unwissenheit." Das ist dieselbe Erkenntnis, die Rademacher
in seinem Buche ,,Das Seelenleben der Heiligen" zum Ausdruck bringt und ein Fachmann
in die Worte kleidet: Die rein körperlichen Erscheinungen können vollkommen moralisch
einwandfrei als ein Versagen der Nervenkraft unter der seelischen Hochspannung aufgefasst
werden." Noch mehr: ,,Nichts hindert Gott, übernatürliche Gebetsgnaden auch krankhaften
Personen zu verleihen, und dann wird auch in der äußeren Erscheinung das Krankhafte
hervortreten."
Viele Begnadigte waren auch zeitlebens krank
oder kränklich, so Theresia vom Kinde Jesus, Maria Droste-Vischering, Angela von
Foligno, Lidwina, Joseph von Copertino, Katharina von Siena, Gemma Galgani, Katharina
Emmerich, Maria von Mörl, Bernadette Soubirous, Margarete Alacoque, Luzie Christine,
Barbara Pfister, Therese Neumann.
Wir sehen also, daß aus den körperlichen und
physiologischen Begleiterscheinungen ein Schluss auf Hysterie nicht gezogen werden
kann.
Aber auch noch nach einer anderen Hinsicht zeigen
sich die Ekstasen der Barbara Weigand als nicht hysterisch. Wie nämlich Familler
mit Recht betont, ist die hysterische Ekstase ein gewolltes Schaustück", also eine
Betrügerei. Über einen solchen Vorwurf aber, Barbara Weigand habe Ekstasen vorgemacht,
ist die Schippacher Jungfrau nach dem übereinstimmenden Urteil aller, die sie kannten,
so himmelweit erhaben, daß jedes Wort der Verteidigung überflüssig erscheint. Es
sei nur erinnert an das Wort Bischof Haffners: ,,Sie macht den Eindruck einer Betrügerin
nicht", oder ihres Pfarrers und Beichtvaters Dr. Velte von St. Ignaz: ,,Für wissentlichen
Betrug kann und darf ich es nicht ansehen ... Ich halte ihre Visionen nicht für
wissentlich Erdichtetes; daß sie nicht lügt, dessen bin ich gewiss." Auch das Ordinariat
Mainz hat in seinem amtlichen Urteil vom 14. August 1900 der Jungfrau das ehrende
Zeugnis ausgestellt, ,,daß genannte Barbara Weigand durchaus den Eindruck einer
braven Person macht, der jede absichtliche Täuschung fernliegt."
So ist es: Barbara hat keine Ekstasen vorgemacht,
wie es die Hysterischen zu tun pflegen, woraus Hysterie gezogen werden kann.
Aber auch noch nach einer anderen Hinsicht zeigen
sich die Ekstasen der Barbara Weigand als nicht hysterisch. Wie nämlich Familler
mit Recht betont, ist die hysterische Ekstase eine gewollte.
Inhaltsverzeichnis
c) Ursachen
und Kennzeichen der Hysterie
Als Ursachen der Hysterie bezeichnen die Autoren
übereinstimmend schwächliche Körperkonstitution, Bleichsucht, Blutarmut, zerrüttetes
Nervensystem, erbliche Belastung. Scaramelli meint, solche Zustände kämen gern bei
,,Personen des schwachen Geschlechtes und Leuten von matten Körperkräften" vor,
Zahn gibt einer ,,erheblichen Unterernährung" die Schuld, Richstätter schreibt sie
,,in den meisten Fällen leicht erregbarem Nervensystem" zu, nach Schüch sind die
hysterischen Personen ,,meistens von zarter Konstitution und schwachen Nerven",
Herders Lexikon nennt die Hysterie ,,eine auf angeborener oder erworbener nervöser
Anlage beruhende Neurose ... Beim Zustandekommen spielen Ernährungsstörungen wie
Bleichsucht, Blutarmut, bei Frauen Gebärmutterleiden, aber auch Schrecken eine Rolle."
Nun besehe man sich einmal die Person der Barbara
Weigand, wie sie leibt und lebt! Diese Bauernjungfrau, in biederen bäuerlichen Verhältnissen
aufgewachsen, mit guter Hausmannskost ernährt im Elternhause und in der bekanntlich
sehr gut gehenden Mainzer Wirtschaft zu einer Zeit, wo man von einer behördlichen
Rationierung der Ernährung noch nichts wusste, dieses Mädchen mit seiner geregelten
Lebensweise, großgeworden inmitten des hochragenden Spessartwaldes mit seiner kräftigen,
würzigen Luft, die heute von Tausenden zur Stärkung ihrer Nerven aufgesucht wird,
Barbara Weigand mit ihrem guten Gewissen, ihrer keusch verlebten Jugend, die keine
nächtlichen Ausschweifungen, keine nervenaufpeitschenden Genüsse kannte, Barbara
Weigand mit ihrem unbefleckten Körper und Geist, ihrem robusten, kräftigen, vierschrötigen
Körper, ihrem dicken Schädel, ihren breiten Schultern, ihrem knochigen Gesicht,
ihrem von Entschlossenheit zeugenden Kinn, ihren derben Fäusten, ihren schwieligen
Händen, ihrem festen Tritt, ihrer staunenswerten Rüstigkeit bis ins höchste Greisenalter,
dank der die Neunzigjährige noch Tag für Tag Feldarbeiten verrichtete und breite
Mahden mähte: diese Barbara Weigand hat auch nicht eine Spur von den Ursachen der
Hysterie an sich getragen.
,,Barbara Weigand", so schrieb mir der von 1904
bis 1907 in Schippach tätige Lokalkaplan, spätere Pfarrer Riedmann, ,,war damals
kein schwächliches Weiblein, sondern von außergewöhnlich starker Körperkonstitution
..." Das Urteil des Arztes Dr. Kemen vom Januar 1916 lautet im gleichen Sinne. Nach
ihm ist ,,Fräulein Weigand eine mittelgroße, starkknochige Frau mit groben Gesichtszügen
und recht gesunder Gesichtsfarbe ... Kräftige, gutgenährte Frau von gesunder Gesichtsfarbe."
Von ,,zarter Konstitution", ,,Bleichsucht, Blutarmut", ,,Unterernährung" keine Spur.
Eine Person mit schwachen Nerven hätte zudem die schmachvolle und rohe Behandlung,
die ihr jahrzehntelang von den Kanzeln, in den Zeitungen und im persönlichen Verkehr
widerfuhr, überhaupt nicht ausgehalten. Nur dank ihrer Nerven, stark wie Schiffstaue,
und einer außergewöhnlichen Beistandsgnade konnte sie jedes Martyrium ertragen und
ihre Gegner an Lebensjahren und Rüstigkeit des Alters weit übertreffen.
Der Psychologe Kardinal Mercier rechnet die Hysterie
zu jenen pathologischen Zuständen, welche zwar längere Zeit hindurch andauern könnten,
jedoch nicht allzu lange währten; wörtlich schreibt er, die Hysterie sei ,,keineswegs
eine andauernde Affektion".
Nun lebte Barbara Weigand nachweislich seit ihrem
25. Lebensjahr, vielleicht schon früher, bis in ihr höchstes Greisenalter in jenen
Zuständen, welche ihre Gegner als hysterisch bezeichnen. Kann man nun wirklich annehmen,
daß sich gerade bei der offensichtlich körperlich so rüstigen Person Weigand die
angebliche Hysterie, welche nach dem Urteile eines so bedeutenden Gelehrten ,,keineswegs
eine andauernde" Erscheinung ist, ihr ganzes langes Leben, vielleicht 70 Jahre,
hindurch erhalten habe?
Als ein wesentliches und zugleich sehr auffallendes
Symptom der Hysterie bezeichnen die Autoren übereinstimmend die Unbeständigkeit,
den Wechsel der Stimmung.
Die Psychologen Axenfeld und Huchard schreiben
dazu: ,,Ein erster Zug ihres Charakters ist die Beweglichkeit. Sie gehen von einem
Tag zum andern, einer Stunde, einer Minute zur andern mit unglaublicher Schnelligkeit
über von der Freude zur Trauer, vom Lachen zum Weinen; wankelmütig, phantastisch
oder launenhaft reden sie zu gewissen Zeiten mit einer außerordentlichen Geschwätzigkeit,
während sie in anderen finster und schweigend werden, eine völlige Stummheit bewahren
oder in einen Zustand von Träumerei oder geistiger Niedergeschlagenheit versenkt
erscheinen. Ihr Charakter wechselt wie die Bilder eines Kaleidoskops. Gestern waren
sie heiter, liebenswürdig, anmutig; heute sind sie übellaunig, argwöhnisch, zornmütig.
Sie empfinden eine sehr große Abneinung gegen eine Person, welche sie gestern liebten
oder achteten, oder im Gegenteil: sie zeigen eine unbegreifliche Sympathie für eine
andere; daher verfolgen sie auch gewisse Personen in gleicher Erbitterung mit ihrem
Hasse, wie sie zuvor Hartnäckigkeit dareinsetzten, sie mit Zärtlichkeit zu umgeben."
Capellmann drückt sich ähnlich aus: ,,Hochgradiger
Wechsel der Stimmung zwischen Lustigkeit und Trübsinn bis zur Angst, Gereiztheit,
Schreckhaftigkeit, die rätselhaften Neigungen und Abneigungen machen die Kranken
zu einer wahren Qual"; ,,Stimmung und Affekt wechseln unvermittelt rasch"; ,,diese
Kranken unterliegen fortwährend raschem Stimmungswechsel."
Nun wird es auch bei Barbara Weigand im Laufe
ihres langen Lebens Stimmungswechsel gegeben haben; eine Person, die so im Widerstreit
der Meinungen stand, die auf so harte Probe gestellt wurde, müsste kein Mensch gewesen
sein, wenn sie nicht auch dem Stimmungswechsel unterworfen gewesen wäre. Daß aber
bei ihr die Grundstimmung allezeit dieselbe blieb, daß sie in ihrem Leben, in ihren
Reden, in ihren Anmutungen und in ihrer Haltung dieselbe Stimmung des Gemessenen,
der Gelassenheit, Festigkeit, des Gottvertrauens und des unerschütterlichen Glaubens
an den Sieg ihrer Sache zur Schau trug: das konnte jeder bestätigen, der mit ihr
ins Gespräch kam.
Mit der Unbeständigkeit der Hysterischen hängt
aufs engste zusammen die Schwäche ihres Willens. Poulain und andere Autoren sind
geneigt, hierin das wesentliche Merkmal der Hysterie überhaupt zu sehen. ,,Ihr Wille",
bemerkt ein angesehener Psychologe, ,,ist immer schwankend und schwach, in einem
Zustand beweglichen Gleichgewichts: er dreht sich beim geringsten Winde wie die
Wetterfahnen auf unseren Dächern; die Beweglichkeit, die Unbeständigkeit und das
Wechselhafte in ihren Wünschen, ihren Ideen und Gefühlszuständen machen ihren ganzen
geistigen Zustand aus." Wenn es nun je ein Kennzeichen gab, das Barbara Weigand
über den Verdacht der Hysterie hinaushob, dann war es ihr Wille, ihr unbeugsamer
Wille. Man brauchte nur ihren festgeschlossenen Mund und ihr hervortretendes Kinn
zu betrachten, die sich auch auf den Bildern ausprägen, um darin den Zug ins Feste,
Energische deutlich wahrzunehmen. Auch der untersuchende Arzt Dr. Kemen gewann ,,den
Eindruck einer vollständig vernünftigen, recht energischen Frau."
Bei ihr gab es keine Spur eines flatterhaften,
hysterischen Wetterfahnenwillens. Auch ihre Gegner konnten an diesem ausgeprägten
Charakterzug der Jungfrau nicht vorbeigehen und mußten ihr wohl oder übel das Zeugnis
ausstellen, daß sie von ihren Entschlüssen nicht so leicht abzubringen war. Freilich,
bei Barbara Weigand durfte diese Festigkeit, diese Stärke des Willens, die man nun
einmal nicht leugnen konnte, nichts Gutes sein.
In die angedichtete Hysterie wollte freilich
diese Willensstärke gar nicht hineinpassen; aber die Gegner wussten sich schon zu
helfen: gings nicht, ihr einen physiologischen oder psychischen Defekt daraus zu
machen, flugs machte man ihr einen moralischen daraus: es ist Eigensinn. Also auch
die Gegner hatten den Eindruck, daß an Barbara Weigand von Schwäche des Willens,
,,dem Hauptcharakter der Hysterie", nichts zu finden war.
Die Hysterischen sind natürlich, weil willensschwach,
auch Suggestionen leicht zugänglich. Daß aber Barbara Weigand sich auch von Suggestionen
freihielt, bestätigen wiederum ihre Gegner, wenn sie der Jungfrau vorwerfen, sie
habe sich weder von Beichtvätern noch von Ordinariaten noch durch Zeitungsartikel
in ihrem Glauben an die übernatürliche Stimme erschüttern lassen.
Es ist ferner begreiflich, daß in den wirklich
Hysterischen bei der Schwäche ihres Willens die sittlichen Grundsätze keine Festigkeit
gewinnen. Zahn sieht in diesem Mangel einer gefestigten Lebensanschauung, im Fehlen
des sittlichen Hochstandes mit Recht eine Eigentümlichkeit des hysterischen Temperamentes
und empfiehlt die Übung der christlichen Tugenden als beste Prophylaxe gegen Hysterie.
Zu diesem Punkte genügt es, auf die ersten Kapitel dieses Buches zu verweisen und
auf die Zeugnisse aller ihrer Vorgesetzten von der Jugend bis zum Alter, und der
Vorwurf, Barbara Weigand sei eine sittlich minderwertige Person gewesen, wird sofort
verstummen, wenn er überhaupt sollte ernstlich erhoben werden.
Daß in dem seelischen Zustand der Hysterischen
eine logisch geordnete Gedankenverbindung, eine klare und ruhige Urteilsbildung
nicht möglich ist, liegt auf der Hand. Pruner-Seitz nennen die Hysterischen ,,planlos",
Capellmann konstatiert ,,Bewusstseinslücken", Pastor vermisst die Fähigkeit der
Urteilsbildung.
Nun betrachte man sich wiederum Barbara Weigand,
wie sie in Wirklichkeit war, nicht ihr Zerrbild in den Zeitungen! An dem, was sie
über die Zeitverhältnisse, über die Mittel zur Besserung, über die Ursachen des
sittlichen und religiösen Niedergangs schon vor sechzig und mehr Jahren gesagt hat,
hat sie bis an ihr Lebensende festgehalten; was sie aber darin über Materialismus,
Sozialismus, Genusssucht, Diesseitsstreben, Gottlosigkeit, was sie über Kirche,
Gebet, Opfer, Sühne, über die öftere heilige Kommunion, über das Laienapostolat,
über die Heiligsprechungen, über die Heimsuchungen und vieles andere verkündet hat,
das sind wirklich keine Unsinnigkeiten, sondern tiefernste Erwägungen, die von überraschend
klarer Urteilsbildung zeugen. Und daß es ihren Worten auch nicht an logischem Aufbau
mangelte, daß es bei ihr keine ,,Bewusstseinslücken" gab, bestätigen uns die sorgsam
beobachtenden Ärzte Dr. Müller und Dr. Kemen.
Erinnern wir uns der Worte des letzteren: ,,Die
Unterhaltung mit ihr verrät keine logischen Fehler; ihre Intelligenz ist außergewöhnlich
hoch, die Ausdrucksweise und ihr Gedankengang verraten eine geistige Bildungsstufe,
wie man sie bei einer Frau ihrer Art sonst wohl kaum findet ... Auf Zwischenfragen
antwortet sie bereitwillig in sicherer, nicht schwankender Weise. Dabei fällt auf,
daß sie trotz mehrfacher Unterbrechung nie den Faden der Erzählung verliert, sondern
genau da fortfährt, wo man sie unterbrach."
Zwanzig Jahre früher hatte Dr. Müller bezeugt:
,,Alles, was sie im ekstatischen Zustand spricht, hat Hand und Fuß, was bei Hypnotischen
und Kranken nicht der Fall ist ... Eine solche Bestimmtheit kommt bei keinem Kranken
vor."
Ja, als Kronzeugen für die klare Urteilsbildung
und die logische Struktur der Weigandschen Gedankengänge könnte man gerade ihren
schärfsten Opponenten anführen, welcher bekanntlich in den Äußerungen der Jungfrau
,,ein förmliches theologisches System" erblickte, also ein gedankenreiches und logisch
aufgerichtetes Lehrgebäude, das zu konstruieren bekanntlich nur hochbegabten Theologen
gelingt. Daß auch hysterische Bauernmädchen vom Spessart und bedauernswert kranke
Wirtshausmägde von Mainz zur Ausbildung eines theologischen Systems fähig seien,
dürfte bis zur Nr. 11 der ,,Allgemeinen Rundschau" vom 18. März 1916 wohl noch kein
Theologe gewusst haben.
Erfahrung und Wissenschaft kennen ein weiteres
Merkmal der Hysterie: die Sucht aufzufallen, sich interessant zu machen. Wenn man
nun bei jenen, die sich interessant zu machen suchen, unterschiedslos auf Hysterie
diagnostizieren wollte, müsste man gewiss auch viele Geistliche in diese Kategorie
von Menschen einreihen. Steht doch auch Sellmair nicht an, ,,Hysterie die typische
Priesterkrankheit" zu nennen.
Daß auch Barbara Weigand zuweilen aufgefallen
ist, mag schon richtig sein; auch viele Heilige sind aufgefallen und schließlich
fällt jeder Mensch auf, der nicht durch dick und dünn mit dem großen Haufen geht.
Aber Barbara Weigand hat es nicht gesucht aufzufallen. Wir haben schon früher gehört,
welch günstige Gelegenheit hierzu sich ihr z. B. bei Errichtung der Pfarrei Rück-Schippach,
ihres ureigensten Werkes, geboten hätte. Auch zahlreiche Besucher Schippachs, welche
einmal um jeden Preis die in den Zeitungen so sehr angeprangerte ,,Visionärin" sehen
wollten, waren sichtlich enttäuscht, daß sie so gar nichts Auffälliges an der Frau
fanden. Auch ich habe als ihr Pfarrer nur das eine Auffallende an ihr gefunden,
daß sie sich in der Erfüllung ihrer religiösen Pflichten viel eifriger zeigte als
die meisten ihrer Landsleute.
Pruner-Seitz verzeichnen als ein anderes Kennzeichen
der Hysterie die Teilnahmslosigkeit am Geschicke anderer. Der Hysteriker ist so
von sich eingenommen, steht so im Banne seiner eigenen Idiosynkrasien, daß ihm Sinn
und Sorge für die anderen völlig abgehen. Auch über einen solchen Verdacht war die
Jungfrau von Schippach erhaben: ihr Leben der Arbeit, der Opfer für die anderen,
der Selbstlosigkeit, mit der sie Gebet, Arbeit und Vermögen in den Dienst anderer,
besonders ihrer Landsleute, gestellt hat, beweist jedenfalls nur das Gegenteil von
Hysterie.
Der Hysterische ist bekanntlich auch sehr stark
von sexuellen Regungen beherrscht. Pruner-Seitz meinen hierzu: ,,Immer ist eine
mehr oder minder lebhafte Beteiligung des Geschlechtslebens mit im Spiele; ihre
Phantasiegebilde und Wahnideen sind meist davon infiziert." Capellmann schreibt:
,,Nicht selten wird unter der äußeren Erscheinung der religiösen Schwärmerei eine
bis zur Nymphomanie gesteigerte geschlechtliche Erregung schlau genug verdeckt."
Auch Zahn erwähnt unter den Erscheinungen der Hysterie die Neigung zu sexuellen
Verirrungen. Zur Ehre der Gegner sei es gesagt, daß m. W. keiner es öffentlich gewagt
hat, die Ehre der Jungfrau Weigand in diesem Punkte ernstlich anzuzweifeln.
Übereinstimmung zwischen Wissenschaft und Erfahrung
besteht auch darüber, daß die Hysterischen eine ausgesprochene Neigung zur Lüge
an den Tag legen.
So schreibt Kardinal Mercier ohne Einschränkung:
,,Die Hysterischen zeigen Neigung zur Lüge"; Capellmann wirft ihnen absichtliche
Irreführung vor: ,,Die Kranken scheuen, um ihrem Täuschungstrieb zu frönen, weder
Schmerz noch Anstrengung und Entbehrung jeder Art. Alles wird versucht und ertragen,
um das einmal angefangene Trugspiel durchzuführen"; das Herdersche Lexikon spricht
von dem ,,Bestreben, sich zu verstellen", vom ,,Hang zur Lüge", zur ,,Intrige und
zum Stehlen." Also Übereinstimmung auf der ganzen Linie.
Nun hat sich ja die gegnerische Kritik, soweit
ich sie kenne, bis zum Jahre 1916 wohl gehütet, der Schippacher Jungfrau Verstellung,
absichtliche Irreführung und Lüge zum Vorwurf zu machen; vielmehr haben ihr alle
Instanzen, die mit ihr zu tun hatten, das uneingeschränkte Lob gespendet, daß sie
über jeden Verdacht der Lüge erhaben sei. Es sei nur an das Urteil Bischof Haffners
aus dem Jahre 1896 oder an jenes des Ordinariates Mainz vom 14. August 1900 erinnert,
wo ihr ausdrücklich bestätigt wurde, daß sie ,,durchaus den Eindruck einer braven
Person macht, der jede absichtliche Täuschung fernliegt."
Ihr Mainzer Pfarrer und Beichtvater Dr. Velte
sprach noch im Jahre 1912 schriftlich seine feste Überzeugung aus in den Worten:
,,Daß sie nicht lügt, dessen bin ich gewiss." Eine Lügnerin wäre ganz gewiss auch
vom Ordinariat Würzburg im Oktober 1914 nicht ,,eine im Rufe der Frömmigkeit stehende
Person" genannt und von Bischof Hugo von Mainz mit eigenhändig geschriebenen Briefen
ausgezeichnet worden.
Endlich zeigen sich die Hysterischen auch unfähig
zu ernster Berufsarbeit. Wer aber die Schippacher Jungfrau kannte, wird es nicht
wagen, einen solchen Vorwurf gegen sie zu erheben; da würden die Mainzer Wirtshausgäste,
wenn sie noch lebten, ihre damaligen Hausgenossen und die ganze Bevölkerung von
Rück und Schippach lauten Protest erheben.
Sapienti sat! Wir glauben hinreichend bewiesen
zu haben, daß sich bei Barbara Weigand auch nicht ein einziges jener Merkmale findet,
welche die Wissenschaft und die Erfahrung als charakteristische Kennzeichen der
Hysterie festellen. Da aber die physiologischen Erscheinungen ebenfalls nichts für
die Hysterie beweisen, wird man gut tun, diesen Vorwurf gegen die Schippacher Jungfrau
so schnell wie möglich fallen zu lassen. ,,Mit der Fällung einer Laiendiagnose auf
Hysterie wird (zudem) jeder kluge und gewissenhafte Priester sehr, sehr vorsichtig
sein", mahnt auch Schattauer in der Linzer Quartalschrift. Sachverständige Männer,
Ärzte so gut wie Theologen, haben diesen Vorwurf zudem in aller Form zurückgewiesen.
Es sei nur an die Ärzte Dr. Müller und Dr. Kemen
erinnert, welch letzterer ausdrücklich hervorhob: ,,Ebensowenig ergab die Untersuchung
Anhaltspunkte resp. Beweise für eine bestehende Hysterie." Auch andere Priester
als der Verfasser gewannen von Barbara Weigand denselben Eindruck einer völlig gesunden
und normalen Frau. So schrieb mir ein theologisch und philosophisch gründlich gebildeter
und erfahrener Priester, Spiritual und Beichtvater in einem Frauenkloster, der vorher
Seelsorger an einer Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke war, also sicherlich
auch mit Hysterikern viel zu tun hatte, folgendes:
,,Ich habe Barbara Weigand persönlich kennengelernt,
an verschiedenen Tagen mit ihr gesprochen, sie beobachtet, Erkundigungen eingezogen,
aber von Hysterie nichts gefunden.
Ich habe schon oft das bekannte ,,hy" am Kopfende
der Kranken gelesen, aber bei Barbara Weigand habe ich die hy-Symptome nicht gefunden.
Nach N. N. wäre Barbara Weigand eine schwere Hysterikerin. Eine solche ist nicht
imstande, die Symptome ihres Leidens auch nur drei Tage ganz zu verheimlichen."
Ein anderer Priester, der Barbara Weigand im
Jahr 1916 ebenfalls aufsuchte, und sie längere Zeit beobachtete, schilderte mir
seine Eindrücke schriftlich in folgenden Worten:
,,Ihre seelische Verfassung, welche sich in dieser
Art zu reden kundgibt, und ihre robuste Gesundheit schließen die ihr sooft angedichtete
Hysterie völlig aus. Es ist traurig, daß dieser Vorwurf sooft gerade von Geistlichen
gegen sie erhoben wird. Ich glaube, diese Herren wissen wegen ihrer Unwissenheit
oder ihrer Vorurteile nichts mit den mystischen Tatsachen im Leben der Barbara Weigand
anzufangen, und suchen über diesen Mangel mit dem Worte Hysterie hinwegzukommen,
ohne auch nur zu wissen, was Hysterie eigentlich ist. Diese ist eine krankhafte
Überreizung des Nervensystems, besonders des plexus solaris, die sich vorzüglich
in den Funktionen der Geschlechtsorgane bemerkbar macht und sehr oft oder sogar
meistens im Missbrauch der geschlechtlichen Organe begründet ist. Es ist empörend,
daß sogar Priester - wohl unbedachter Weise - einen solchen Vorwurf gegen Barbara
Weigand erheben und damit die Ehre eines tieffrommen, musterhaft reinen Bauernmädchens
in der niedrigsten Weise beschmutzen."
So ist es: Barbara Weigand war keine Hysterikerin, sondern eine geistig und körperlich
kerngesunde Frau. Das bestätigen ihr auch zwei angesehene Ärzte, deren Zeugnisse
wir im folgenden Abschnitt bringen werden. Doch zuvor wollen wir uns noch die Entstehung
des auf Hysterie lautenden Gutachtens eines Mainzer Arztes etwas näher betrachten!
Inhaltsverzeichnis
d) Unter der
Brille des Arztes
Als die lothringische Stigmatisierte Katharina
Filljung im Herbst 1882 ihre Zuflucht zum Heiligen Stuhl nahm, gab ihr der Konsultor
des Heiligen Offiziums, P. Laurencot S.J., den eindringlichen Rat, sich ja ihre
persönliche Freiheit nicht nehmen zu lassen: ,,Gardez-vous de vous laisser enfermer
dans un couvent. Ne faites pas comme N.; elle s´est laissé enfermer dans un couvent;
elle est morte. Ne vous laissez enfermer dans un couvent".
Was dieser Pater aus seiner reichen Erfahrung
befürchtete, sollte sich auch an Barbara Weigand wenigstens teilweise erfüllen.
Am Dienstag, den 24. Juli 1900, erhielt sie nämlich ein Schreiben des Bischofs,
sie solle sich so bald als möglich ins St. Elisabethen-Stift begeben, wo drei Herren
ihre Ekstasen beobachten würden. Barbara erschien bereits am folgenden Tag im Bischöflichen
Palais und meldete, daß sie sich anderen Tags in das bezeichnete Haus begeben wolle.
Am genannten Tag überschritt sie ,,mutig und entschlossen" die Schwelle des St.
Elisabethen-Stiftes.
Die Kommission, welcher der Bischof die Untersuchung
der Jungfrau übertragen hatte, bestand aus ihrem Beichtvater, P. Bonifaz O.Cap.,
dem Rektor Dr. Hubert vom Knabenkonvikt; zwei Priestern, die schon längst offen
gegen den übernatürlichen Charakter der Weigandschen Vorgänge Stellung genommen
hatten, und dem praktischen Arzt Dr. Ebner.
Barbara erhielt ein Zimmer angewiesen, und die
Oberin des Hauses hatte den Auftrag, sobald sich die Anzeichen außerordentlicher
Zustände bemerkbar machen würden, die genannten Herren zu verständigen. Bereits
am Freitag, den 27. Juli, hatte Barbara während der heiligen Messe, der sie beiwohnte,
eine Vision und begann laut zu reden, so daß sie von der Oberin auf ihr Zimmer geführt
werden mußte. Da sich aber außer einer gewissen Blässe und Kälte, welche die Oberin
nur für eine natürliche Schwäche hielt, und den Worten, die sie sprach, nichts besonderes
Körperliches ereignete, unterließ es die Oberin, die Prüfungskommission zu rufen.
Darum äußerte sich P. Bonifaz am folgenden Tag
spöttisch zu Luise Hannappel: ,,Der Heiland kommt nicht mehr, es ist alles aus."
Auch der Arzt fand bei seinen Tagesvisiten nichts besonderes vor und unterhielt
sich freundlich mit der Jungfrau. Aber am Mittwoch, dem 1. August, dem Tage vor
Portiuncula, stellte sich das Passionsleiden mit den drei Stürmen und der anschließenden
Sprechekstase in der bekannten Weise ein, und die Herren wurden allsogleich gerufen.
Sie beschränkten sich zunächst auf bloßes Beobachten. ,,Als ich zu mir kam", schreibt
Barbara nach der Prüfung, ,,sahen sie alle ganz verstört aus. Der Arzt, der sonst
immer bleich aussah, hatte dunkelrote Augen und Wangen ... Der Weltpriester hatte
am meisten Mitleid." So der Bericht.
Am 3. August, Herz-Jesu-Freitag, meldeten sich
die Vorboten des Leidens abermals. Die drei Herren wurden gerufen, und der Arzt
versuchte nun seine Heilkunst. Er ließ kein Mittel unversucht, um herauszubringen,
ob es nicht Krankheit sei. Er ließ ihr Tropfen eingeben, dann Rizinusöl, dann ließ
er ihr ab und zu Milch einschütten, obwohl der Magen nichts annahm und sie dieselbe
jedesmal wieder erbrechen mußte, weshalb der Weltpriester die Bemerkung machte:
Lasst das doch, ihr seht ja, daß es nicht geht. Die beiden geistlichen Herren gingen
dann fort. Unterdessen ließ der Arzt ihr soviel Wasser einpumpen, bis es ihr zum
Mund herauskommen wollte. Es war so schmerzlich für Barbara, daß sie daran war zu
sterben. Sie wurde eiskalt und lag da wie tot, und die Schwester rief Gott und alle
Heiligen an: Schwestern, Schwestern, kommt mir zu Hilfe, Jesus, Maria, Josef, steht
mir bei, heiliger Antonius, komm mir zu Hilfe, ach, lieber Gott, sie stirbt!
Barbara bekam fortwährend Ohnmachtsanfälle. Das
dauerte einige Zeit. Als sie Barbara wieder ins Bett geschafft hatten, sagte der
Arzt: So, jetzt schlafen Sie ruhig. Aber kaum gesagt, kam der erste der drei Stürme.
Der Arzt wollte ihn verhindern und fasste ihren Kopf mit aller Kraft, um es ihm
unmöglich zu machen, daß er sich schüttle; aber es half nichts. Die Kraft war so
groß, daß er mit herumgeschleudert wurde. Bei dem zweiten Sturm griff ihr der Arzt
mit aller Wucht die Arme, um sie festzuhalten, aber die Gewalt schüttelte den starken
Mann mit herum. Er sprang vor sie hin und sagte: Sie sind mir vom Bischof übergeben
und Sie haben mir zu folgen und zu tun, was ich sage! Dann hielt er ihr etwas Glänzendes
entgegen und schrie: Wollen Sie mir folgen! Wollen Sie augenblicklich hierher sehen!
Barbara strengte alle ihre Kräfte an, die Augen jedoch waren ihr von einer unsichtbaren
Macht gehalten, sie konnte sie nicht drehen und auf den Punkt richten. Desto zorniger
rief der Arzt: Heute, wenn Sie mir nicht folgen, sollen Sie sehen! Er tobte wie
rasend und wollte, sie solle an einen Punkt hinsehen, konnte es aber doch nicht
erreichen.
Als der Arzt jedoch ein geweihtes Bild der Heiligen
Familie von der Wand nahm und es Barbara vorhielt, da konnte sie sofort darauf sehen,
weil die Gewalt sie verließ. Als die drei Stürme herum waren, sprach der Herr wie
immer.
Die ganze folgende Nacht konnte sie kaum Atem schöpfen, weil sie noch mit Wasser
angefüllt war und litt sehr viel ... Nach der Ekstase sagte die Generaloberin, die
auch dabei gewesen, zu Barbara: Ach, lieber Gott, was machst du aber durch. Aber
glaube sicher, daß du auch einen großen Lohn bekommst in der Ewigkeit! Anderen Tages
kam der Arzt und sagte, er könne nichts anderes erklären, als daß alles Hysterie
sei. Von mir aus, sagte er, können Sie jetzt gehen!"
Das war nach den Aufzeichnungen in den Schippacher
Akten - ein Protokoll wurde während dieser Untersuchung nicht geführt - der Verlauf
der Untersuchung durch den Arzt Dr. Ebner am 1. und 3. August 1900 im St. Elisabethen-Stift
zu Mainz, aufgrund derer der Jungfrau Barbara Weigand bis ans Ende ihres Lebens
in der Presse und in kirchenbehördlichen Erlassen der Stempel der Hystrie aufgeprägt
wurde. Man glaubt, in dem Verhalten und in dem Urteil Dr. Ebners fast eine getreue
Kopie seines Amtsbruders, des Kantonalarztes Dr. Kuhn, zu erblicken, der ein halbes
Jahrhundert vorher über Elisabeth Eppinger, die Gründerin der Kongregation der Niederbronner
Schwestern, gemeint hatte: ,,Ihre Gesichte gehören zur Kategorie weiblicher Grillen".
Unwillkürlich denkt der Verfasser hier auch an
die pfälzische Stigmatisierte, Barbara Pfister, welche unsere Schippacher Gottesfreundin
in Mainz besuchte und ihr dabei von ihrer Behandlung durch den Speyrer Gerichtsarzt
erzählte, der sich gerühmt hatte, er werde ,,die Schmier (die stigmatischen Blutungen)
bald heraus haben" (siehe auch Molz a. a. O., S. 55).
Ist es nach der Schilderung der besagten ,,Untersuchung"
nicht schwierig, die Diagnose Dr. Ebners auf Hysterie als eine völlig verfehlte
zu bezeichnen, so sind wir auch noch in der glücklichen Lage, die Zeugnisse zweier
anderer Ärzte zu besitzen, welche aufgrund sorgsamer Beobachtungen Barbara Weigand
von jedem Verdacht der Hysterie freisprechen. Beide Zeugnisse lagen zeitlich vor
den Presseangriffen des Jahres 1916, wurden aber von den Pressegegnern der Öffentlichkeit
verschwiegen.
Schon vier Jahre vor der Untersuchung Dr. Ebners,
nämlich im Juli und August 1896, wohnte auf Weisung Bischof Haffners Sanitätsrat
Dr. Müller in Mainz, Nachbar und Hausarzt der Familie Weigand, fünfmal dem Passionsleiden
und den Ekstasen der Jungfrau bei und fällte aufgrund seiner Beobachtungen das folgende
Urteil:
,,Daß das Leiden, dem ich fünfmal
beigewohnt, keine natürliche Krankheit ist, sondern der Theologie
angehört zur Beurteilung, erhellt aus folgenden Gründen: Das Leiden kommt nur an
Freitagen und Festtagen, womit keine Krankheit zusammenhängt;
Die drei Stürme (Krisen) in den Leiden sind immer dieselben, ganz gleich, was bei
keiner Krankheit vorkommt; Alles, was sie im ekstatischen Zustand spricht, hat Hand
und Fuß, was bei Hysterischen und Kranken nicht der Fall ist;
In den Schriften kommt oft vor:
,,Dann und dann habe ich dir das und das gesagt", was ich nachgeschlagen und wirklich
so gefunden habe. Eine solche Bestimmtheit kommt bei keinem Kranken vor; Barbara
Weigand weiß hernach den ganzen Sinn dessen, was sie gehört und gesehen hat, während
Hysterische nicht wissen, was mit ihnen vorgegangen ist; Wenn es eine natürliche
Krankheit wäre, könnte sie das noch kein Jahr aushalten; dann stürbe sie bald."
So Sanitätsrat Dr. Müller. Dieser Arzt hat also
eine ganz andere Meinung von der Jungfrau als Dr. Ebner. Sanitätsrat Dr. Müller
hat aufgrund seiner fünfmaligen Teilnahme an den Ekstasen den Eindruck gewonnen,
daß es ,,keine natürliche Krankheit" ist und begründet dieses sein Urteil mit klaren
und bestimmten Hinweisen. Die ,,Krankheit" der Jungfrau, ihr Leiden, so sagt der
Arzt, ist kein Gebiet für den Arzt, sondern ,,gehört der Theologie an zur Beurteilung".
Darum zieht sich der Sanitätsrat wieder auf sein ureigenes ärztliches Gebiet zurück.
Wie also das Urteil Dr. Müllers wesentlich von
jenem Dr. Ebners abweicht, so erbrachte auch die Untersuchung der Jungfrau durch
Oberstabsarzt Dr. Kemen von Kreuznach am 28. September 1915 eine glänzende Rechtfertigung
der geistigen und körperlichen Gesundheit der Jungfrau Barbara, wie der genannte
Arzt in seinem Bericht vom 22. Januar 1916 an Nuntius Frühwirth mit wissenschaftlicher
Ruhe ausführt. Lassen wir das Wesentliche seines Gutachtens im Wortlaut folgen!
,,Fräulein Weigand ist eine
mittelgroße, starkknochige Frau mit groben Gesichtszügen von recht gesunder Gesichtsfarbe.
Sie hat das Aussehen einer Bauersfrau von ungefähr fünfzig Jahren, wobei ich berücksichtige,
daß Bauersfrauen von solchem Aussehen meist kaum vierzig Jahre alt sind. In Wirklichkeit
ist sie siebzig Jahre alt. Mit ruhigem, festen Schritt, absolut unbefangen tritt
sie ein und begrüßt uns. Sie blickt jeden von uns frei und furchtlos an, als wenn
sie uns längst kännte. Ihre Sprache ist deutlich, laut und natürlich. Sie spricht
den Dialekt ihres Ortes, jedoch etwas verfeinert, und wenn sie zitiert, bemüht sie
sich, hochdeutsch zu reden. In der Unterhaltung vermischt sie Dialekt und Hochdeutsch.
Ihre Ausdrucksweise ist durchaus natürlich und ungezwungen; sie sucht nicht nach
Worten, sondern die Rede kommt in ruhigem Fluss von ihren Lippen. Sie vermeidet
jegliches Pathos; auch wenn sie Worte des Heilandes zitiert, sind diese ungekünstelt
und bewegen sich in der Form, wie sie in ihren Schriften verzeichnet stehen. Von
der Echtheit ihrer Visionen ist sie felsenfest überzeugt, war dies jedoch, wie sie
sagt, früher nicht. Was sie gehört und gesehen haben will, ist für sie absolute
Wahrheit. Sie gerät beim Erzählen all dieser auffallenden Visionen nicht in die
geringste Aufregung; nur als sie davon spricht, daß man sie für hysterisch halte,
wird sie erregt und ruft dabei aus: ,,43 Jahre lang soll ich mich und die Welt getäuscht
haben - dann müsste man an Gott zweifeln!"
Die Unterhaltung mit ihr verrät keine logischen Fehler; ihre Intelligenz ist außergewöhnlich
hoch, die Ausdrucksweise und ihr Gedankengang verraten eine geistige Bildungsstufe,
wie man sie bei einer Frau ihrer Art sonst wohl kaum findet.
Die körperliche Untersuchung ergibt folgenden
Befund: Kräftige, gutgenährte Frau, von gesunder Gesichtsfarbe und lebhaftem Blick.
Die Herztöne sind rein, der Puls ist gleichmäßig, weich, 72 in der Minute, die Arterien
sind nicht geschlängelt, nicht starr, es bestehen keine arteriosklerotischen Erscheinungen.
Die Pupillen sind gleich weit und reagieren gleichmäßig auf Lichteinfall; der Patellarreflex
ist schwach auslösbar; es besteht kein Fußklonus; Stehen und Gehen mit geschlossenen
Augen ist ohne Schwanken möglich, es besteht kein Zittern der gespreizten Finger.
Es existiert kein Anhaltspunkt für ein organisches
Leiden des Zentralnervensystems noch eines funktionellen Leidens. Ebensowenig ergab
die Untersuchung Anhaltspunkte resp. Beweise für eine bestehende Hysterie. Fräulein
Weigand macht vielmehr den Eindruck einer vollständig vernünftigen, recht energischen
Frau mit gelegentlich humorvollen Anwandlungen in ihrer Erzählung. Auf Zwischenfragen
antwortet sie bereitwillig in sicherer, nicht schwankender Weise. Dabei fällt auf,
daß sie trotz mehrfacher Unterbrechungen nie den Faden der Erzählung verliert, sondern
genau da fortfährt, wo man sie unterbrach ..."
(Es Folgen einige unwesentliche Schlusssätze
und Höflichtskeitsformeln gegenüber dem hohen Empfänger des Gutachtens.)
Die Ärzte Dr. Müller und Dr. Kemen reden also
eine ganz andere Sprache als Dr. Ebner. Aber nur dem letzteren wurde geglaubt, weil
man seine Aussage haben wollte. Daher auch das Verschweigen der beiden anderen Zeugnisse
in den gegnerischen Publikationen! ,,Neque verum occultando" (can 1794 CIC)?
Inhaltsverzeichnis
V. EINWÄNDE
UND WIDERLEGUNGEN
Wer die seinerzeit im Zusammenhang mit dem Schippacher
Kirchenbau gegen Barbara Weigand, ihre Worte und Werke veröffentlichten Druckerzeugnisse
heute durchliest, kann es kaum für möglich halten, daß damals ein solcher Ton gerade
aus geistlichen Federn gegen Schippach angeschlagen wurde. Diese Ausdrucksweise,
dieses tiefe Niveau der Sprache, diese Spottartikel, haben sich inzwischen selbst
gerichtet; sie bedürfen keiner Widerlegung mehr. Auch von den vielen sachlichen
Unrichtigkeiten in jenen Publikationen haben wir bereits einige am einschlägigen
Orte zurückgewiesen. Um aber diese Widerlegung möglichst vollständig zu gestalten,
sollen im folgenden jene noch nicht besprochenen Anklagen gegen Schippach mit kritischem
Auge geprüft werden. Diese Anklagen betrafen angebliche Verstöße gegen den Glauben,
angebliche Irrtümer gegen die Mariologie, die angeblich falsche Schippacher Engellehre,
Einwände gegen den Liebesbund, gegen den Kirchenbau, gegen die Person der Barbara
Weigand und sonstige Beanstandungen.
Inhaltsverzeichnis
1. Angebliche
dogmatische Verstöße
Es besteht nicht der geringste Zweifel, daß die
Schippacher Offenbarungen wie alle Privatoffenbarungen mit dem Maßstab korrekter
dogmatischer Theologie gemessen werden müssen, wie wir schon in den grundsätzlichen
Bemerkungen über die Lektüre mystischer Schriften des näheren ausgeführt haben.
Finden sich in Privatoffenbarungen offenkundige dogmatische Irrtümer, so können
solche unmöglich von Gott stammen; denn ,,Gott kann nicht irren und nicht fehlen."
Aber es gilt auch hier die wissenschaftliche
Forderung, die kirchliche Lehre dogmatisch genau zu nehmen, nicht subjektive Privatmeinungen
für kirchliche Lehre auszugeben und auf Grund eigener schiefer Ansichten die Aussprüche
der Mystiker in Verruf zu bringen, wie es nach Ausweis der Geschichte der Mystik
nicht selten schon geschehen ist. Die rabies theologorum hat schon mehr als einen
guten Menschen zur Strecke gebracht. Auch wird es angesichts der geschichtlichen
Tatsache, daß sich der Irrtum auch in solche Privatoffenbarungen einschleichen kann,
welche allgemein als echt angesehen werden, gut sein, einmal die wichtigsten Quellen
zu besehen, aus welchen Irrtümer entspringen können.
Wie der Mystiker selbst, so erwähnen auch die
Kenner der mystischen Theologie immer wieder die große Schwierigkeit, wenn nicht
geradezu Unfähigkeit, die innere Erfahrung in Worte zu kleiden. In dieser Schwierigkeit
für das innere Erlebnis den adäquaten sprachlichen Ausdruck zu finden, sehen die
Theologen eine erste Quelle für das Entstehen von Irrtümern in Privatoffenbarungen.
Gar einfach schildert die Schwester von der Geburt
ihrem Beichtvater Genet diese Schwierigkeit: ,,Gott lässt mich zuweilen auch bloß
die Dinge schauen, ohne mir die passenden Ausdrücke für dieselben mitzuteilen. Dies
bringt mich oft in große Verlegenheit und macht mir viel zu schaffen, bis mir Gott
zuweilen zu Hilfe kommt und sagt: Sieh, das mußt du so ausdrücken! In diesem Fall
wird es mir leichter und ich finde daran sogar Freude. Geschieht dies aber nicht,
so muß ich selbst nach einem Ausdruck suchen."
Der Beichtvater erwidert der Schwester: ,,Wenn
Gott Ihnen zuweilen bloß das Wesen, den Grund einer Sache zu erkennen gab, die Wahl
der gehörigen Ausdrücke jedoch Ihnen selbst überließ ..., so sollen Sie oder Ihr
Berichterstatter ... in die Sache mit dem Verstand tiefer eindringen, nicht bloß
leidende Werkzeuge des Heiligen Geistes sein."
Die Schwester empfand des öftern diese Schwierigkeit:
,,Ich sehe Dinge in Gott, deren Wahrheit ich wohl fühle, in die ich aber nicht näher
eindringen kann ... Ich habe zwar das gehörige Verständnis davon, kann aber die
passenden Worte dazu nicht finden."
Richstätter kommt wiederholt auf diese Schwierigkeit
zu sprechen und zitiert Gerson, den heiligen Johannes vom Kreuz, Denifle und Martin,
welcher bei der dritten Zentenarfeier des Todes der heiligen Theresia erwähnte,
wie schwer es der Heiligen gefallen sei, verständlich zu machen, was die Seele bei
der Beschauung empfinde. Er selber fügt dann bei: ,,Sobald der Mystiker das rein
geistig Geschaute in materielle Wortbilder kleiden will, erhebt sich für ihn nicht
bloß eine große Schwierigkeit, sondern es kann hier auch eine Fehlerquelle liegen,
da er das Geschaute nicht ganz richtig wiedergibt oder da die Bilder, die er gebrauchen
muß, von andern nicht richtig gedeutet werden."
Manchmal kann es auch vorkommen, daß der Mystiker
die ihm gewordene Offenbarung falsch versteht, d.h. anders deutet, als sie ihm von
Gott gegeben ist. Wenn der Mystiker seine Aufgabe, seine Mission, nicht richtig
erfasst, wird er auch die ihm gewordene Offenbarung nicht richtig verstehen, wird
vielleicht zu viel, vielleicht zu wenig herauslesen, kann vielleicht den Zusammenhang
nicht herstellen, wenn ihm Gott die Offenbarung bloß teilweise gibt und die Ergänzung
ihm selber überlässt. ,,Eine himmlische Offenbarung", sagt Poulain, ,,kann bisweilen
falsch verstanden werden von dem, der sie empfängt. Der Grund hiervon liegt manchmal
in der Unbestimmtheit der Offenbarung. Gott gibt hie und da nur halbes Erkennen.
Seine Worte haben oft einen tieferen Sinn, den man nicht versteht."
,,Gerade bei geschichtlichen Visionen gebe Gott die Szene oft nur in großen Umrissen
... Wer ihnen also eine klare, absolute Genauigkeit beilegt, täuscht sich."
,,Gott pflegt", sagt P. Ehrle, ,,den heiligen
Stiftern die allgemeinen Umrisse der von ihnen auszuführenden Werke einzugeben;
doch die genauere Detaillierung derselben überlässt er nicht selten den ,,Zweiten
Ursachen", den Vorkommnissen und Erfahrungen ihres Lebensganges, womit eine gewisse
allmähliche Entfaltung ihrer Stiftung gegeben ist."
So könne natürlich bei Personen, denen die Gesetze
höherer Eingebungen verborgen seien, die Gefahr eines falschen Verstehens einer
Offenbarung sehr nahe liegen.
Einen typischen Beleg hierzu haben wir dort,
wo die Jungfrau von einer Vision berichtet, in welcher von ihrem Tode die Rede war.
,,O wie freue ich mich", schreibt sie nachträglich zu dieser Offenbarung, ,,denn
das Jahr 1916 wird mein Sterbejahr sein ... Am Herz-Jesu-Fest 1894 wurde mir dieses
zu wissen getan, daß ich in meinem 70. Lebensjahr anfangen soll, mich auf meinen
Tod vorzubereiten."
Man erkennt hier deutlich den Unterschied zwischen
Offenbarung und Deutung. Geoffenbart wurde ihr, sie solle in ihrem 70. Lebensjahr
(d. i. nach dem 10. Dezember 1915) anfangen, sich auf ihren Tod vorzubereiten; sie
aber verstand diese Offenbarung in dem Sinne, daß sie unmittelbar danach, also im
Jahre 1916, auch schon sterben würde. Tatsächlich liegt aber in jener Offenbarung
nur die Vorhersage, daß sie 70 Jahre erreichen werde, und daß dann ihr Lebenswerk
vollendet sei. Beides ist buchstäblich eingetroffen. Dagegen hat sich ihre falsche
Deutung, daß sie unmittelbar nach Erreichung des 70. Lebensjahres auch schon sterben
würde, nicht erfüllt.
Eine weitere Quelle von Irrtümern kann in dem
Umstand erblickt werden, daß bei allen Visionen und Offenbarungen die menschliche
Aktivität im Spiele ist, und daß sich der Ideengehalt in der Ekstase oft an den
Ideengehalt der Seele vor der Ekstase anschließt.
Die Theologen sehen gerade in der Erhaltung der
menschlichen Eigenart und Geisteskraft beim mystischen Erlebnis ein gesundes Zeichen
echter Mystik. Da ist es doch ganz natürlich, daß der menschliche Faktor auch der
Fallibilität tributpflichtig bleibt. So meint Poulain, wenn sich im mystischen Zustande
Sinnenbilder und Vernunftschlüsse fänden, so rührten diese wenigstens teilweise
von unserer Mitwirkung her. ,,Das gehört aber nicht zum Wesen der mystischen Vereinigung,
es ist vielmehr reine Zutat." Daher erleben wir es auch, daß selbst die echten Privatoffenbarungen
oft das individuelle Antlitz der betreffenden Person aufweisen. ,,Daß bei der Wiedergabe
von Visionen ... die Eigenart der Persönlichkeit und die eigene Gedankenwelt sich
ausprägen muß, ist selbstverständlich und es wäre unbillig, sich daran zu stoßen.
Unbillig wäre es aber auch, jeden Ausdruck bis zum äußersten ausdeuten zu wollen
und das, woran der Mystiker gar nicht gedacht hatte, hineinlegen zu wollen."
Wie sehr haben sich die Gegner von 1916 gerade
auch gegen diese Auslegungsregel verfehlt, indem sie ganz rechtgläubig klingenden
Wendungen einen an den Haaren herbeigezogenen falschen Sinn unterschoben!
Übrigens hat Barbara Weigand schon in ihrem Appellationschreiben
vom 1. März 1918 an den Heiligen Vater gegen jene falsche Deutung ihrer Worte feierlich
Verwahrung eingelegt: ,,Die Unterzeichnete erklärt, daß sie ihre Worte niemals in
dem häretischen oder sonstwie glaubenswidrigen Sinne ausgesprochen hat, welchen
Dr. Brander in diese Worte hineinzulegen sich bemüht."
Auch den zum Beweise der Unechtheit der Weigandschen
Offenbarungen herangezogenen Umstand, daß sie bei der Mainzer Prüfung im Jahre 1900
den Vornamen des Bischofs Ketteler mit Viktor Emmanuel statt mit Wilhelm Emmanuel
wiedergegeben habe, kann aus dem Fortbestehen der vorekstatischen Gedankenwelt sehr
wohl erklärt werden, wenn er nicht auf das Konto der nachträglichen Berichterstatter
an das Ordinariat zu setzen ist (ein Protokoll wurde ja damals nicht geführt!).
Irrtümer können auch daher rühren, daß andere
die Ausdrücke der Mystiker falsch verstehen. ,,Für alle", sagt Richstätter, ,,bleibt
die nicht geringe Schwierigkeit, die Ausdrücke so zu verstehen, wie sie vom Mystiker
gemeint sind." ,,Es ist mir kaum jemals so klar geworden ..., wie vorsichtig man
mit solchen Ausdrücken sein muß. Ehrlich gestanden: ich bin entsetzt, wie falsch
sie verstanden sind. Sie bezeichnen jene inneren Gnaden treffend für diejenigen,
die sie verstehen, aber andere können damit das Heiligste profanieren."
Eine häufig vorkommende Fehlerquelle entspringt
aus der falschen Aufzeichnung der Schreiber. ,,Die Schreiber können leicht, ohne
es zu wollen, den Text verändern. Sie geben bei der Wahl der Ausdrücke ja doch immer
etwas von dem ihrigen hinzu. Sie glauben oft mit gutem Gewissen ganze Sätze beifügen
zu dürfen, um die Offenbarung klarer zu machen. Wir wissen, sagen sie, daß die Heilige
es so meint." Man erwäge zudem, mit welcher Schnelligkeit manche Begnadigte während
und nach der Ekstase gesprochen haben: Die heilige Magdalena von Pazzi z. B. sprach
oft so rasch, daß sechs Schreiber zum Aufzeichnen notwendig waren. Auch Zahn gibt
die Möglichkeit visionärer Irrungen infolge Schuld der Schreiber zu.
Den Hinweis Poulains auf Lataste ergänzt er durch das Beispiel von der heiligen
Gertrud, von deren Offenbarungen das erste Buch und der Schlußteil des fünften Buches
gar nicht von Gertrud, sondern von einer ihrer Mitschwestern verfasst seien, und
den Hinweis auf die heilige Brigitta, deren Sekretär vom Heiland ausdrücklich gestattet
worden sei, ,,um der Schwachen willen beizufügen, was notwendig und nützlich sei."
Der heiligen Hildegard wurde in einem Gesichte
aufgetragen, ihre Offenbarungen zwar aufzuschreiben, aber die Form von einem anderen
feilen zu lassen, ,,der nach den feststehenden Regeln der Grammatik die Casus, Genera
und Tempora in Ordnung brachte."
Ich meine, wenn schon in approbierten Privatoffenbarungen
solche Umstände nicht gegen die Echtheit zeugen, man dürfe dann auch in den Weigandschen
Offenbarungen Irrungen, die offenkundig auf das Konto der Schreiberinnen und der
Abschreiber zu setzen sind, nicht gegen die Echtheit jener Mitteilungen ins Feld
führen, zumal ja die Aufschreiberinnen bei dem starken Redestrom der Jungfrau unmöglich
mitkommen konnten und viele Offenbarungen sehr gekürzt aufgeschrieben wurden.
Die Irrtümer also, welche aus solchen Quellen
fließen, hindern keineswegs, den damit behafteten Offenbarungen Vertrauen zu schenken.
Was Irrtum ist, bleibt Irrtum, aber deswegen braucht noch lange nicht alles Irrtum
zu sein.
Bedenklicher ist jedoch eine andere Gruppe von
Irrtumsquellen, wie Gedächtnisschwäche, Verstellung, leichte Phantasie, Abhängigkeit
von der Zeitanschauung, Mangel an Leitung, Mangel an Askese, Einfluss des Satans.
Zum ersten meint Poulain, Täuschung des Gedächtnisses
könne natürlich bei echten wie bei falschen Mystikern vorkommen und darum an sich
noch keine Instanz gegen die Echtheit solcher Mitteilungen bilden. Nun mußte aber
jeder, der Barbara Weigand kannte, über die Frische des Gedächtnisses staunen, deren
sich selbst noch die Greisin erfreute; Mitteilungen, die ihr vor dreißig und vierzig
Jahren gegeben worden waren, trug sie noch in hohem Alter mit lebendiger Anschaulichkeit
vor. Diese Kraft ihres Gedächtnisses fiel schon dem sie im Juli und August 1896
beobachtenden Arzte, Sanitätsrat Dr. Müller, auf und bewog ihn zu der Bemerkung:
,,In den Schriften kommt oft vor: dann und dann habe ich dir das und das gesagt,
was ich nachgeschlagen und wirklich so gefunden habe; eine solche Bestimmtheit kommt
bei keinem Kranken vor."
Daß Barbara Weigands Ekstasen, Visionen und Offenbarungen
nicht auf Verstellung, d.h. wissentlichen Betrug beruhen, ist so gewiss, daß jedes
Wort hierzu überflüssig sein dürfte. Es sei nur hingewiesen auf Zff. 2 des amtlichen
Urteils des Ordinariates Mainz vom 14. August 1900, wo bestätigt wird, ,,daß genannte
Barbara Weigand durchaus den Eindruck einer braven Person macht, der jede absichtliche
Täuschung fernliegt", und auf die Aussagen ihres Beichtvaters Dr. Velte vom 30.
März 1911 und 24. Juni 1912, wo der Dekan von St. Ignaz die Überzeugung ausspricht:
Für wissentlichen Betrug kann und darf ich es nicht ansehen ... Barbara teilte mir
manchmal ihre Visionen mit, und ich halte dieselben nicht für wissentlich Erdichtetes
... daß sie nicht lügt, dessen bin ich gewiss." Schon Bischof Haffner hatte 1896
denselben Eindruck gewonnen: ,,Sie macht den Eindruck einer Betrügerin nicht."
Phantasie oder Selbsttäuschung? ,,Auch eine redliche
Person", meint Poulain, ,,kann durch ihre lebhafte Phantasie oder ihren zu lebhaften
Geist getäuscht werden." Die Autoren schreiben nun mit Recht die üppig blühende
Phantasie einem leicht erregbaren Nervensystem und einer schwächlichen Körperkonstitution
zu. Nun war aber Barbara Weigand zeitlebens eine Person von kräftiger Gesundheit,
robustem Körperbau und starken Nerven, um die ich noch die Achtzig- und Neunzigjährige
aufrichtig beneidet habe. Daß aber im Rahmen der menschlichen Tätigkeit manchmal
auch ihre Phantasie mitgespielt haben kann, daß Barbara sich auch hie und da einmal
getäuscht haben kann, wird kein vernünftiger Mensch bestreiten wollen; doch wird
man nicht alles als Selbsttäuschung bezeichnen dürfen. Poulain gibt zur Unterscheidung
einen guten Rat: beobachten. ,,Oft muß man lange beobachten", sagt er, ,,bis man
Klarheit bekommt." Merkwürdigerweise aber wurde der Vorwurf, Barbara Weigands Visionen
und Offenbarungen beruhten auf Selbsttäuschung, gerade von solchen erhoben, die
die Jungfrau nicht oder fast niemals beobachtet hatten.
Die Abhängigkeit von der Zeitanschauung kann
eine weitere Quelle von Irrtümern bilden, wie die Geschichte der Mystik an zahlreichen
Beispielen ersehen lässt. So finden sich z. B. die schärfsten Gegensätze der theologischen
Schulen in bezug auf noch nicht definierte Glaubenswahrheiten in echten, approbierten
Offenbarungen, aber es konnte doch nur die eine Meinung richtig sein. Wenn die heilige
Katharina von Siena, wie sie angibt, vom Herrn belehrt wurde, seine heiligste Mutter
Maria sei mit der Erbsünde behaftet gewesen, so folgte sie einfach der damaligen
Anschauung ihres Ordens. Eine solche Offenbarung gehörte aber nicht zu ihrer Mission.
Denn ,,es entspricht der milden Weisheit Gottes, daß auf den Gebieten, welche außerhalb
des besonderen Zweckes der Vision und der Sendung liegen, die Begnadigten auf der
ihrem Milieu entsprechenden Erkenntnisstufe verbleiben."
Die heilige Theresia und die heilige Katharina
von Pazzi täuschten sich über den Ursprung ihrer Ordensregeln, weil sie hierin einfach
der Zeitanschauung folgten. Hinsichtlich der Örtlichkeiten und Persönlichkeiten
bei den Leidensszenen des Herrn finden sich in approbierten Privatoffenbarungen
verschiedene Angaben, wie sich denn sogar die Evangelien, gewiss ,,echte Offenbarungen",
manchesmal über eine wahre Begebenheit verschieden äußern. Sind nicht solche Beobachtungen
geeignet, gewisse Entgleisungen Barbara Weigands außerhalb ihrer Mission zu erklären,
ohne ein verwerfendes Verdikt auf alle ihre Auditionen auszudehnen?
Als gefährliche Quelle von Irrtümern gilt dämonischer
Einfluss; er spielt bekanntlich im Leben fast aller Visionäre eine große Rolle.
Woran aber erkennt man Offenbarungen, die vom bösen Feinde stammen? Klassisch einfach
antwortet hierauf Poulain: ,,Offenbarungen, die vom Teufel ausgehen, sind immer
darauf gerichtet, Gutes zu hindern oder Böses zu stiften."
Glaubt nun wirklich jemand, die Schippacher Offenbarungen
über den Liebesbund und seine edlen Bestrebungen, über die Einführung der öfteren
heiligen Kommunion, über mutiges und offenes Bekenntnis des katholischen Glaubens,
über den Geist der Entsagung, des Opfers, der Buße und des Gebetes, über die Erbauung
einer schönen Kirche zu Ehren des Eucharistischen Königs, über die Hochschätzung
des Priesterstandes und die Pflicht zu seiner Unterstützung: glaubt wirklich jemand,
diese Offenbarungen stammten vom Teufel?
Wenn solche Gedanken das Werk des Teufels sind,
dann bin ich, wie einst Bischof Räß einmal geäußert hat, ganz gern geneigt, ihm
ein Dummheitszeugnis auszustellen. Die aller Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit und christlicher
Liebe bare Pressehetze gegen Barbara Weigand, das Trümmerfeld von Schippach, dieses
himmelschreiende scandalum mit seiner jahrelangen Verursachung von Sünden, scheint
aber viel eher in die Arbeitsweise Satans hineinzupassen, der seit dem unseligen
Tage, an dem die Polizei die Bauleute von der Schippacher Sakramentskirche vertrieb,
im Elsavatal viel Gutes hinderte und viel Böses stiftete.
Wir sehen also, daß Irrtümer in Privatoffenbarungen
mancherlei Ursachen haben können und deswegen an sich noch keine Instanz für deren
generelle Ablehnung bilden. Das ist katholische Lehre, die der Moralist Göpfert
in die Worte kleidet: ,,Die Offenbarungen können nicht den Anspruch auf allseitige
objektive Tatsächlichkeit ihres Inhaltes erheben, was schon daraus hervorgeht, daß
sie bei verschiedenen begnadigten Personen sich widersprechen; es kann eben das
wirklich Geoffenbarte mit dem schon vorhandenen Vorstellungsinhalt sich mischen
und in die Darstellung des Geschauten selbst kann sich der Irrtum einschleichen."
Nun hat Barbara Weigand ihre Visionen und Auditionen
entweder nur nachträglich, die meisten aber überhaupt nicht selber dargestellt,
so daß ein authentischer Text bekanntlich nicht vorliegt. Wenn also in den Schippacher
Schriften Schreib- und Dialektfehler, Anakoluthe, sprachlich mangelhafte Satzbildungen
vorkommen und wenn die Schreiber und Abschreiber die darin erwähnten Namen von lebenden
Personen nicht ausschreiben, sondern dafür den Buchstaben N. oder Zahlen setzten,
so hat dies mit dem von Barbara Weigand wirklich Geschauten nichts zu tun und durfte
auch nicht als ,,sicheres Zeichen der Unechtheit" bezeichnet werden. Auch sind Privatoffenbarungen
nicht dazu da, um unsere Kenntnisse in der Grammatik, Orthographie oder dem Satzbau
zu bereichern. Wer sie an solchen Maßstäben misst, zeigt damit nur, daß er von der
Wissenschaft der mystischen Theologie nicht einmal die Elemente sein eigen nennt.
Selbst tatsächliche Irrtümer finden sich, wie wir gesehen, in echten und approbierten
Privatoffenbarungen. Zwar bleibt es zu aller Zeit wahr, was die Gegner Schippachs
mit so großer Emphase, wenn auch ganz unnötig, gerufen haben: ,,Gott kann niemals
irren oder fehlen!" Diese Binsenwahrheit bestreitet kein Freund Schippachs; aber
die Menschen können irren und fehlen. Wo darum ein Irrtum in Privatoffenbarungen
festgestellt ist, da ist dieser Irrtum von den Menschen gekommen aus den oben besprochenen
Quellen. Solche Irrtümer scheidet man bei der Drucklegung von Privatoffenbarungen
aus oder, wenn man sie in den Druck mit aufnimmt, fügt man - diesen Rat gibt Poulain
- die Bemerkung bei: ,,Hier hat sich die begnadigte Person getäuscht."
Wenn man von einzelnen Irrtümern sogleich auf
den Irrtum des Ganzen schließen wollte, wieviele Privatoffenbarungen blieben denn
dann noch ,,echt"? Poulain zählt 31 Heilige und Selige auf, welche in ihren Visionen
und Offenbarungen ganz oder teilweise dem Irrtum tributpflichtig geworden sind.
Der Augustinerchorherr Amort beanstandet in seinem Werke De revelationibus regulae
tutae manches bei der heiligen Gertrud, der seligen Veronica von Binasco und der
ehrwürdigen Maria Agreda, bei dieser sogar über 400 Sätze. Trotz ihrer 133 Verstöße
gegen den Glauben wurde die heilige Brigitta kanonisiert und werden jene Schriften,
in denen es von Irrtümern ,,nur so wimmelt", mit Erbauung gelesen und die Oration
zu ihrem Feste rühmt trotz alledem, daß Gott sie mit übernatürlicher Erleuchtung
ausgezeichnet hat (Domine Deus noster, qui beatae Birgittae per Filium tuum unigenitum
secreta caelestia revelasti).
Auch in den Offenbarungen der Schwester Maria
vom göttlichen Herzen Jesu, Droste zu Vischering, welche die Weltweihe an das heiligste
Herz Jesu anregte, ist durchaus nicht alles echt, aber Poulain bemerkt dazu sehr
vernünftig: ,,Wir haben in denselben wieder ein konkretes Beispiel, wie vorsichtig
übernatürliche Mitteilungen einzeln zu prüfen sind, sowie auch, daß einige nicht
echte noch keinen hinreichenden Grund liefern, alle als unecht zu erklären."
Wenn es also selbst in approbierten Privatoffenbarungen Verstöße gegen den Glauben
gibt, wenn solche Irrtümer keineswegs mit der Echtheit in Widerspruch stehen, wenn
solche Verstöße fast naturnotwendig mit der menschlichen Mitwirkung bei der Verarbeitung
des Geschauten gegeben sind, wenn die Kirche solchen Verstößen kein Gewicht beilegt:
dann widerstreiten auch etwaige Irrtümer in den Schippacher Schriften nicht von
vornherein deren Echtheit. Das wird uns die folgende Untersuchung deutlich erweisen.
Inhaltsverzeichnis
a) Die Mission
der Barbara Weigand
Der Anspruch der Schippacher Jungfrau, für unsere
Zeit eine besondere Aufgabe zu haben, verfiel vor einem Menschenalter der schroffsten
Ablehnung. ,,Barbara Weigand", so heißt es z. B. ironisch in einem weitverbreiteten
Buche, ,,ist für unsere Gegenwart mit einer außerordentlichen Mission von Gott betraut;
sie ist das Sprachrohr und das Werkzeug Christi, durch welches er das Volk Gottes
auf den rechten Weg zurückführen will." Ein solcher Anspruch ,,widerspreche klar
dem katholischen Glauben" und sei nichts als eine Anmaßung. Es bedürfe zudem für
unsere Zeit keiner außerordentlichen Mittel zur Rettung der Welt; die Macht und
die Kraft des Evangeliums seien dieselben wie zu den Zeiten der Apostel; die Welt
von heute sei nicht schlechter als die damalige. Wir Priester seien schon allein
imstande, mit der Bekehrung der Welt fertig zu werden, auch ohne charismatisch Begabte
à la Barbara Weigand. Wenn einst die Apostel, ausgerüstet mit der Lehre und den
Gnadenmitteln Christi, ausgezogen seien, um eine heidnische Welt zu bekehren, warum
sollte es heute nicht mehr möglich sein? So die Anklage. Gehen wir den einzelnen
Anklagen etwas nach!
Also Barbara Weigands Meinung, eine besondere
Aufgabe für unsere Zeit zu haben, soll ,,klar dem katholischen Glauben widersprechen!"
Was hat nicht im Leben der Schippacher Jungfrau alles dem katholischen Glauben widersprechen
sollen! Ob sie mit einer solchen Mission wirklich von Gott betraut war, wissen wir
zwar nicht und ihre diesbezügliche Meinung konnte objektiv irrig sein, aber dem
katholischen Glauben widersprach eine solche Meinung keineswegs. Welchem katholischen
Glaubenssatz widerspricht es, wenn Barbara Weigand sich mit einer außerordentlichen
Mission betraut glaubte? Wann und wo ist ein katholischer Glaubenssatz aufgestellt
worden, daß man sich nicht mit einer außerordentlichen Mission von Gott betraut
glauben dürfe? In welchem Buche der Heiligen Schrift, auf welchem Konzil, in welcher
Kathedralentscheidung ist der Glaubenssatz ausgesprochen, niemand, und darum auch
Barbara Weigand nicht, dürfe sich als Sprachrohr und Werkzeug Gottes betrachten?
Einen solchen Glaubenssatz gibt es nicht. So etwas hat die katholische Kirche nie
gelehrt. Wohl aber lehrt die Kirchengeschichte,
daß Gott zu allen Zeiten Männer und Frauen erweckt und mit einer besonderen Mission
betraut hat.
Diese geschichtliche Tatsache entspricht auch
ganz der Fundamentalwahrheit der mystischen Theologie, daß die mystische Gnade den
damit Beschenkten nicht nur zur eigenen Heiligung (gratia gratum faciens), sondern
vielmehr zum Wohle der Mitmenschen (gratia gratis data) verliehen wird.
Zutreffend erinnert Zahn einmal an das Wort des
heiligen Paulus: ,,Ich sehne mich, euch zu sehen, damit ich euch etwas mitteile
von geistiger Gnadengabe, um euch zu stärken", und bemerkt dazu, in jedem Mystiker
lebe etwas von der Gesinnung des Weltapostels, von einer Gesinnung, die zur apostolischen
Arbeit und zum Apostolat des Gebets für die Kirche hinführe.
Diese Aufgabe sieht Zahn als den Hauptzweck der
mystischen Begnadigung an, wenn er meint, die Charismata, ,,dienten zunächst nicht
sowohl dem Seelenheil des einzelnen charismatisch Begabten, als vielmehr der Förderung
des Reiches Gottes in den Seelen, in der Welt." ,,Weil die Mystik nach den Gesetzen
des Reiches Gottes sich regelt, muß sie auch mit vollem, tätigen Ernst sich beteiligen,
wenn im großen Chor der Menschheit das Adveniat regnum tuum gebetet wird. Der Mystiker
wird bereit sein, mit hinauszufahren auf das Meer dieser Welt, wenn es gilt, die
Netze in ihre Fluten einzusenken, um Seelen zu gewinnen." Ganz so Meschler.
,,Die Gnadengaben sind übernatürliche Kräfte
und Tätigkeiten, welche der Kirche verliehen sind zum geistlichen Nutzen anderer,
nicht zur Heiligung des Trägers derselben ... die Gnadengaben werden nicht zur Heiligung
und Vervollkommnung dessen verliehen, der sie empfängt, sondern vielmehr zum Nutzen
anderer und der gesamten Kirche."
Vom Gedanken, Träger einer Mission zu sein, waren
darum auch alle echten Mystiker erfüllt. Alle, welche eine nach außen hervortretende
apostolische Tätigkeit entfalteten, haben diese Tätigkeit begründet mit einer Weisung
von oben, mit einem Auftrag Gottes. Man lese nach, wie Juliana von Lüttich die Einführung
des Fronleichnamsfestes, wie Maria Droste Vischering die Weltweihe an das Heiligste
Herz Jesu, wie Margarete Maria Alacoque die Feier der Herz- Jesu-Freitage, wie die
heilige Theresia die Reform ihres Ordens, wie der heilige Johannes vom Kreuz seine
Ordensstatuten, wie Bernadette Soubirous die Erbauung der Lourdeskapelle, wie der
heilige Simon Stock die Gründung der Skapulierbruderschaft, wie Euphemia Dorer Ordensreform
und Herz-Jesu-Verehrung, wie Benigna Consolata, die heilige Theresia vom Kinde Jesus,
der heilige Franz von Assisi, die selige Julie Billiart, die Kinder von Fatima ihre
Aufgaben begründen: immer sind es Befehle vom Himmel her, welche die Begnadigten
antreiben, auch unter den größten Schwierigkeiten, für ihre Ideen zu wirken. ,,Ich
will dich zum Werkzeug gebrauchen, um viele Seelen zu retten", nach diesem Weckrufe
des Herrn handelten ungezählte große Gestalten unserer
Kirchengeschichte.
Selbstverständlich konnten und durften die Begnadigten
solche Aufträge nicht verheimlichen, sondern mußten sie zur Kenntnis der zuständigen
Stellen bringen. Darum ist auch die Behauptung, die man gegen Barbara Weigand richtete:
das Hintragen ihrer inneren Erleuchtungen zu den Bischöfen widerspreche dem Charakter
echter Mystik, völlig abwegig.
Überall, wo die Mystiker sich berufen fühlten,
in einer Sache anregend zu wirken, haben sie - trotz zeitweiliger Verbote - nicht
geschwiegen. Nun berichtet Barbara mehr als einmal, vom Herrn die Stimme vernommen
zu haben: ,,Du mußt immer wieder die Vorgesetzten um die öftere Kommunion bitten,
und du wirst diese Gnade erlangen, wenn du einmal deinen Willen dem meinigen ganz
unterworfen hast. Du sollst das Werkzeug sein, dessen ich mich bedienen will, um
auch anderen dieses Glück zu verschaffen." ,,Sieh, jetzt habe ich dir dieses Glück
verschafft; sorge aber auch dafür, daß es anderen ebenso zuteil werde. Gehe zu deinem
Bischof und sage ihm, es sei mein Wille, daß die öftere Kommunion überall eingeführt
werde."
Wenn wir uns nun in die Lage der Jungfrau hineinversetzen
und mit ihr fühlen, wie es die mystische Theologie gebietet, was mußte dann Barbara
Weigand tun, als sie diese Stimme vernahm? Nach der Lehre der katholischen Moral
mußte sie der Stimme folgen. Das war kein ,,Größenwahn" und keine ,,eitle Ostentationssucht",
sondern einfach Gehorsam gegen die Stimme - wenn nicht Gottes - dann wenigstens
ihres Gewissens. ,,Es ist gut, das Geheimnis des Königs zu verbergen, aber ehrenvoll
ist es auch, die Werke Gottes zu offenbaren und zu preisen."
Auch die Ablehnung der Weigandschen Mission mit
dem Ausrufe, wir Priester bräuchten keine außerordentlichen Mittel zur Rettung der
Welt, wir würden schon allein mit deren Bekehrung fertig, klingt reichlich selbstbewusst.
Eine solche Sprache dürfte uns heute angesichts des allgemeinen religiösen und sittlichen
Niedergangs gewiss nicht mehr anstehen. Oder haben wir die deutsche Überheblichkeit
auch in religiösen Dingen noch nicht aufgegeben? Wenn wir Priester es allein in
der Hand haben, eine heidnische Welt zu bekehren, warum sieht es denn dann in Stadt
und Land so übel aus? Und die andere nicht weniger kühne Behauptung, die Welt von
heute sei auch nicht schlechter als die heidnische zu den Zeiten der Apostel?
Nun kann man ja über diese Frage verschiedener
Meinung sein. Aber die Hirtenbriefe und Predigten der deutschen Bischöfe, die Weherufe
aus den Konzentrationslagern, die Leichenberge in den Krematorien und Gaskammern
und die Akten der Nürnberger Prozesse scheinen die ,,Schwarzseherei" der Schippacher
Jungfrau doch ziemlich deutlich zu bestätigen. Sah sich nicht der Bischof von Würzburg,
also von jener Stadt, in welcher die Anschuldigung der Jungfrau wegen ihrer ,,Schwarzseherei"
erhoben wurde, genötigt, in seiner Silvesterpredigt vom Jahre 1949 über den Niedergang
des religiösen Lebens in seiner Bischofsstadt bittere Klage zu erheben?
Vernehmen wir seine Worte:
,,Noch eine zweite Sorge lässt mich unsere Silvesterbetrachtung
mit der Not beginnen. Ich fürchte, es möchte neben dem knappen Brot und dem fehlenden
Geld die viel ernstere seelische und sittliche Not übersehen werden, die ständig
anschwillt. Der Zerfall unserer Familien schreitet erschreckend fort, die Entweihung
der Ehen wird immer mehr zur Selbstverständlichkeit. Im Vergleich zum Jahre 1938
ist im Jahre 1948 die Zahl der Ehescheidungen um ein Dreifaches gestiegen. In einem
Zeitraum von vier Wochen wurde von 59 Paaren, von denen wenigstens ein Partner katholisch
war, die Ehe eingegangen. 32 davon ließen sich vor dem Altar trauen, 27 gingen der
Kirche verloren, davon 18 aus geschiedenen Ehen. Meine lieben Würzburger! Mir graut,
wenn ich hundert Jahre weiter denke. Wo wird dann unsere Stadt stehen?"
Solche Worte aus Bischofsmund sehen der ,,Schwarzseherei"
der Schippacher Jungfrau doch recht ähnlich. Wenn die Würzburger Priester es in
der Hand haben, solchen Niedergang zu steuern, warum tun sie es dann nicht?
Zwischen der Ausrüstung der Apostel und unserer
gewöhnlichen priesterlichen Ausrüstung besteht eben doch ein sehr großer Unterschied.
Die Apostel waren nicht nur durch die Priesterweihe Ausspender der Geheimnisse Gottes,
wie wir Priester, sondern verfügten über Charismata, die uns Priestern abgehen:
die Gaben der Weissagung, der Unterscheidung der Geister, der Wunderkraft, der Sprachen,
der Weisheit und Wissenschaft, der Krankenheilung, der Teufelsaustreibung, der Totenerweckung.
,,Wer an mich glaubt, wird die Wunder tun, die
ich wirke, und noch größere." ,,Wer glaubt, denen sollen Zeichen folgen: in meinem
Namen werden sie ... in neuen Sprachen reden, Schlangen aufheben, und wenn sie Gift
getrunken haben, soll es ihnen nicht schaden." Gerade diesen außerordentlichen Gnadengaben
aber verdankten die Apostel ihre beispiellosen Erfolge in der Missionierung, wie
auch Meschler hervorhebt: ,,Die Kirche hat in den ersten Zeiten ihre rasche Verbreitung
namentlich dem Gebrauche dieser Gnadengaben zu verdanken ... Der Unterschied der
Kirche von heute und ehedem ist nur der, daß der Gebrauch dieser Geistesgaben, ehemals
viel häufiger, ja fast allgemein, war, jetzt aber nicht mehr ... In den ersten Zeiten
galt es, dem Christentum gleichsam mit Gewalt Eingang zu verschaffen ...
Der Heilige Geist sandte die Apostel schwach und arm an natürlichem Wissen und Vermögen
in die Welt, um so mehr mußte er sie ausrüsten mit übernatürlichen, wunderbaren
Gaben."
Diese Darstellung hört sich doch ganz anders
an als die obige Auslassung des charismenleugnenden Schippachgegners vom Jahre 1916,
der seinen Lesern weismachen wollte, die Apostel hätten keine andere Ausrüstung
besessen als wir Priester von heute.
Wenn es heute keine außerordentlichen Gnadengaben
mehr zur Bekehrung der Welt bedarf, wenn unsere gewöhnliche priesterliche Ausrüstung
genügt, warum erweckt denn dann Gott doch auch in unseren Tagen solche mit außerordentlichen
Gaben beschenkte Menschen? Warum dann noch Lourdes und Fatima? Ist das nicht eine
Verschwendung seitens Gottes? Wer so laut verkündet, unsere Zeit brauche keine Charismata,
der leugnet Wesen und Aufgabe aller wahren Mystik, die ja gerade auch für die anderen
da ist, wie wir oben bereits eingehend aus der mystischen Literatur erwiesen haben
und wie es z. B. auch so treffend in der Oration auf das Fest der Wundmale des heiligen
Franziskus heißt: Als die Welt zu erkalten begann, hast du, um unsere Herzen mit
dem Feuer deiner Liebe zu entzünden, am Leibe des heiligen Franziskus die heiligen
Wundmale deines Leidens erneuert."
Wie treffend betont gerade zu diesem Gegenstand
Papst Pius XII. in seiner Enzyklika Mystici Corporis vom 29. Juni 1943, daß ,,solche
mit Wundergaben ausgestattete Menschen niemals in der Kirche fehlen werden." ,,Bald
- und dies zumal in schwierigen Zeitumständen - erweckt Er im Schoße der Mutter
Kirche Männer und Frauen, die durch den Glanz ihrer Heiligkeit hervorleuchten, um
den übrigen Christgläubigen zum Beispiel zu dienen für das Wachstum Seines geheimnisvollen
Leibes." ,,Ohne Fehl erstrahlt unsere verehrungswürdige Mutter ... endlich in den
himmlischen Gaben und Charismen, durch die sie in unerschöpflicher Fruchtbarkeit
unabsehbare Scharen von Märtyrern, Jungfrauen und Bekennern hervorbringt."
Am 1. Juni 1946 sprach vor dem Kardinalskollegium
Papst Pius XII. die folgenden Worte: ,,Wir fühlen uns gedrängt, aufs neue Unsere
Stimme zu erheben, um Unseren Söhnen und Töchtern der katholischen Welt die Warnung
in Erinnerung zu rufen, die der göttliche Heiland im Laufe der Jahrhunderte in Seinen
Offenbarungen an bevorzugte Seelen nie aufgehört hat einzuschärfen: Entwaffnet die
strafende Gerechtigkeit durch einen Kreuzzug der Sühne in der ganzen Welt!"
Darum halten wir es mit dieser päpstlichen Stimme, die Paul Bourget in die Worte
gekleidet hat: ,,Nein, die Epoche der Wunder ist nicht abgeschlossen, aber es braucht
Heilige - und die sind selten."
Wir sehen: Barbara Weigands Glaube, vom Herrn
mit einer besonderen Mission für unsere Zeit betraut worden zu sein, widersprach
in keiner Weise dem katholischen Glauben. Wohl aber zeugt die Ablehnung der Charismata
durch deutsche katholische Priester von jener rationalistischen Denkweise, gegen
welche sich gerade um jene Zeit Papst Pius X. so energisch wenden mußte.
Inhaltsverzeichnis
b)
Barbara Weigand betreibe Sektiererei
Wohl der schwerste Vorwurf, der gegen Barbara
Weigand erhoben wurde, war jener der Sektiererei. Sie sei die Begründerin einer
neuen Sekte, weil sich in ihren Offenbarungen der Satz finde: ,,Jeder meiner Diener,
der sie (die Schriften) lesen wird, wird sie nicht lesen ohne geistigen Nutzen für
seine Seele; denn er muß sich eingestehen, daß er ein Buch des heiligen Evangeliums
liest, nicht als ob das Evangelium, das meine Kirche aufbewahrt, nicht genügte und
als ob ich hier meiner Kirche ein neues in die Hand geben wolle, nein, aber jeder
meiner Diener wird das Evangelium darin finden, d.h. mein Wort, meinen Geist."
Ich frage: Gibt diese Stelle, zumal im Zusammenhang
mit den anderen Äußerungen und dem ganzen Leben und Wirken der Jungfrau Barbara
betrachtet, einem objektiven, ruhig denkenden, pietätvollen, leidenschaftslosen,
unvoreingenommenen, wissenschaftlich prüfenden Leser wirklich das Recht, die Sprecherin
mit dem schweren Verdikte der Sektiererei zu belasten? Sagt denn nicht Barbara in
dieser Stelle ganz klar folgendes:
a) Das Evangelium der Kirche genügt;
b) ich will kein neues Evangelium bringen und
c) meine Schriften wollen mit dem Evangelium Christi übereinstimmen?
Weist sie nicht schon im voraus den möglichen
Vorwurf, sie ,,lehre" die Insuffizienz des kirchlichen Lehramts und der Heiligen
Schrift, laut und feierlich mit einer dreimaligen Entrüstung zurück (,,nicht", ,,nein,
nein")?
In der Tat hat die Schippacher Jungfrau niemals
die Insuffizienz des kirchlichen Lehramtes ,,gelehrt", wohl aber des öfteren betont,
sie wolle mit ihren Worten die alten Wahrheiten ins Gedächtnis zurückrufen und bekräftigen,
die Kirche und ihre Diener unterstützen; sie ruft auf zum Anschluss an Kirche und
Priester, zum Gehorsam gegen die Gebote und Vorschriften der Kirche und preist in
überschwänglichen Worten das Glück, dieser heiligen katholischen Kirche angehören
zu dürfen. Einer Person, die solche warme Worte für Kirche, Liturgie und Priester
findet und in ihrem langen Leben allezeit eine treue Tochter dieser Kirche geblieben
ist, darf man nicht den Vorwurf machen, sie betreibe Sektiererei.
Inhaltsverzeichnis
c) fides divina
Wer eine Analyse des mystischen Lebens einer
Person geben will, darf nicht starre aprioristische Sätze unbesehen auf das Seelenleben
der zu prüfenden Person übertragen, sondern muß versuchen, in die Seele eines solchen
Menschen so tief als möglich einzudringen. Treffend bemerkt hierzu der Religionspsychologe
Guido Ferrandi: ,,Da nur der Mystiker imstande ist, seine religiösen Erfahrungen
zu beschreiben, so muß der Psychologe, wenn er wirklich eine wissenschaftliche Methode
befolgen will, seine Aussagen als Wahrheit hinnehmen ... Wer sie erklären will,
muß sich auf den Standpunkt des Mystikers stellen".
Wie in vielen anderen Erscheinungen, so hat man
es auch dort nicht verstanden, sich in die Seele der Jungfrau einzuleben, wo sie
von dem Glauben an ihre übernatürlichen Mitteilungen spricht. Man machte es ihr
nämlich zum Vorwurf, sie verlange für ihre Offenbarungen nicht bloß eine fides humana,
sondern eine fides divina atque catholica. Nun befindet sich aber Barbara Weigand
wie jeder Mystiker den ihr gewordenen Offenbarungen gegenüber in einer ganz anderen
Lage als wir Außenstehende. Jene übernatürlichen Mitteilungen sind ihr unmittelbar
gewiss, sie braucht dafür keine Beweise, sie hat sie ja gehört und gesehen, sie
hat die innere intuitive Erkenntnis davon, oder wie Poulain sagt: ,,Was die Sicherheit
der Mystiker (über ihre Visionen) betrifft, sind sie so überzeugt, wie ich sicher
bin, ein Buch vor mir zu haben ... die großen Mystiker sind sicher über ihre Visionen".
Ganz anders wir Außenstehende.
Wir beurteilen solche Offenbarungen nur nach
den Regeln der Glaubwürdigkeit, d.h. wir bringen ihnen bloß eine fides humana entgegen.
Der eine von uns wird sie als probabiles und pie credibiles betrachten und demgemäß
glauben, der andere dagegen nicht; denn überzeugen können uns die Mystiker niemals
von sich aus mit Evidenz. Kann der Mystiker andere überzeugen, fragt einmal Poulain
und gibt darauf die Antwort: ,,Das wird ihnen nur bei solchen gelingen, die guten
Willens ohne Vorurteil sind". Wir Außenstehende brauchen Gründe und Beweise, wenn
wir solche Offenbarungen glauben sollen, der Empfänger dieser Stimmen jedoch nicht.
Weil diesem die Offenbarungen intuitiv gewiss sind, kann er sich auch nicht in die
Lage der Außenstehenden hineinversetzen und darum auch nicht begreifen, wie man
diese Offenbarungen bezweifeln könne. Barbara Weigand glaubte deshalb an ihre Offenbarungen
nicht bloß mit einer fides humana, sondern mit einer höheren fides, einer fides
divina, d.h. einem Fürwahrhalten auf die Autorität des in ihr sprechenden Gottes
hin. Das ist der psychologische Prozess, der sich in der begnadigten Seele abspielt.
Wenn die Begnadigte von den ihr gewordenen Offenbarungen nicht mehr hielte wie wir
Außenstehenden, wäre es schlecht um sie bestellt. Wenn also Barbara Weigand an ihre
Offenbarungen mit einer fides divina, d.h. einer absoluten Gewissheit glaubte, so
entsprach dieser Vorgang völlig der Psychologie des Glaubens und auch der katholischen
Glaubenslehre, wie z.B. Göpfert ausdrücklich bestätigt: ,,Eine fides simpliciter
divina, d.h. ein Führwahrhalten auf die Autorität Gottes hin muß in demjenigen sein,
dem besondere Offenbarungen von Gott gemacht worden sind". Dasselbe bestätigt uns
Rahner S.J., wenn er es als allgemeine Lehre der Theologen bezeichnet, ,,daß die
Tatsache der Echtheit einer Privatoffenbarung so deutlich für den Visionär selbst
sein kann, daß dieser berechtigt oder sogar verpflichtet ist, ihren Inhalt fide
divina zu glauben". Barbara Weigands fides divina an ihre Privatoffenbarungen war
sonach eine Erfüllung des christlichen Sittengesetzes, aber kein Verstoß gegen den
katholischen Glauben.
Inhaltsverzeichnis
d) Sühnegedanke
Zu den anziehendsten, ganz zeitgemäßen Partien
in den Schippacher Offenbarungen gehören unstreitig die Äußerungen über unsere Sühnepflicht
gegenüber dem beleidigten Herzen Gottes. Im Banne dieser hehren Aufgabe stand das
ganze lange Leben der Jungfrau, wie uns das einschlägige Kapitel dieses Buches deutlich
hat ersehen lassen. Aber auch dieses Ideal mußte sich ehedem schwere Anschuldigungen
gefallen lassen.
Da wurde im Jahre 1916 beanstandet, ,,daß die
Schippacher Seherin das Beten, Sühnen und Leiden jungfräulicher Seelen zu conditio
sine qua non für die Wirksamkeit der priesterlichen Tätigkeit macht. Das opus operatum
des heiligen Messopfers wird in Frage gestellt und seine Wirksamkeit wiederum abhängig
gemacht von der betenden Anteilnahme sühnender, mitopfernder Seelen. Ihr Sühnegedanke
... ist verquickt mit einer Reihe schwerer theologischer Irrtümer über die Heilsvermittlung,
die Zuwendung der Erlösungsfrüchte Christi, den geistlichen Kirchenschatz usw. Insbesondere
meint sie, sühnende Seelen müssten das Gnadenbrot ihren Zeitgenossen erst verdienen
... Barbara Weigand glaubt, daß auch für die Zuwendung der Erlöserfrüchte ein neues
Leiden notwendig sei. Da müssen nun büßende Seelen einspringen und an Stelle Christi
die Zuleitung der Verdienste Christi ihren Zeitgenossen ermöglichen.
Das Sühneleiden dieser Personen
wird so zur satisfactio vicaria, zur stellvertretenden Genugtuung. Zu dieser stellvertretenden
Genugtuung wird man befähigt insbesondere
durch die heilige Kommunion, die uns zum zweiten Christus mache und seine Gewalt
auf uns übertrage ... Sie leugnet den dogmatischen Fundamentalsatz vom überfließenden
Genugtuungsverdienst Christi ...
Ein
schwerer eucharistischer Irrtum der Barbara Weigand ist ferner der, daß sie die
unfehlbare Wirksamkeit des Gebetes und Opfers Christi bei der heiligen Messe dem
Vater gegenüber leugnet. Um es dogmatisch auszudrücken: das opus operatum beim heiligen
Messopfer wird geleugnet; seine Wirksamkeit wird nach allen Seiten hin geknüpft
an das opus operantium. Christi Gebet und Opfer bleibt solange unerhört und wirkungslos,
bis sühnende Seelen nach der Anweisung von Barbara Weigand dem heiligen Messopfer
beiwohnen. Erst deren Tätigkeit macht Gebet und Opfer erhörungsfähig und wirkungskräftig.
Das ist eine ganz ungeheuerliche Herabwürdigung des ewigen Hohepriesters Jesus Christus.“
Also
Barbara Weigand, die eucharistische Frühlingsblume von Schippach, die betende, sühnende,
leidende, der heiligen Messe täglich beiwohnende, unter heroischen Opfern dem Tisch
des Herrn sich nahende Jungfrau, die ein nahezu hundertjähriges Leben ganz dem eucharistischen
Gotte weihende Barbara Weigand hat sich einer ,,ganz ungeheuerlichen Herabwürdigung
des Hohenpriesters Jesus Christus“ schuldig gemacht? Ist diese Auslassung nicht
eigentlich ein rechtes Armutszeugnis, das der Schreiber obiger Worte dem theologischen
Wissen jener Bischöfe, Domherren, Professoren und Priestern ausstellt, die seit
zwanzig Jahren jene Schriften lasen und von den vielen ,,eucharistischen Irrwegen“
und der ,,ganz ungeheuerlichen Herabwürdigung des ewigen Hohenpriesters Jesus Christus“
ebensowenig wahrgenommen hatten wie von der angeblich ,,vollständig neuen Engellehre“?
Freilich konnten diese ,,Irrtümer“ nicht auffallen, weil sie in den Schippacher
Schriften nicht enthalten sind. Steht doch alles, was dort über Genugtuung, Sühne,
Leiden, heilige Kommunion, Messopfer gesagt wird, ganz im Einklang mit unserem heiligen
Glauben, wenn man es nur versteht, jene Texte in demselben Geiste der Pietät zu
lesen, in dem sie geschrieben sind.
Die
Fundamentallehre des katholischen Glaubens, daß Jesus Christus durch seinen Opfertod
am Kreuze alle Menschen erlöst hat, wird von Barbara Weigand keineswegs geleugnet,
sondern offen und frei bekannt. Am Schmerzhaften Freitag 1899, z. B. spricht Jesus
ganz deutlich: ,,Die Menschheit ist nun erlöst, das Wort des Vaters ist vom Himmel
gestiegen und hat den Willen des Vaters allen Menschen verkündet, die Gnade ist
verdient, daß alle Menschen können selig werden, wer nur selig werden will“, und
wieder am 25. Mai 1899: ,,Meine Verdienste allein reichen hin.“ Aber ,,das Werk
der Erlösung ist in der Kirche und in den einzelnen noch nicht vollendet (Schott,
Messbuch); trotz der allgemeinen Erlösung durch Jesus Christus gehen viele Menschen
verloren, wodurch jedoch der Universalität der Genugtuung Christi kein Abbruch geschieht.
Denn man muß unterscheiden: die Genugtuung Christi ist allgemein quoad sufficientiam,
aber nicht quoa efficaciam, d.h. die Universalität der Genugtuung ist eine objektive,
keine subjektive.
,,Durch
die objektive Sühneleistung Christi, des neuen Hauptes der Menschheit, ist nicht
auch schon jeder einzelne entsühnt und geheiligt! Er hat nur die Möglichkeit der
Entsühnung und Heiligung in der Versöhnungstat Christi“, schreibt Staab in seinem
Buche über die stellvertretende Genugtuung, und im Brevier lesen wir die Worte des
heiligen Augustinus:
,,Sanguis Dei, si vis, datus est pro te; si nolueris, non est datus pro te.“
Um
nun die objektive Erlösung zu einer subjektiven zu machen, d.h. um die satisfactio
sufficiens zu einer satisfactio efficax zu gestalten, also um die Sünder in concreto
zu retten, bedarf es der Zuleitung der Erlösungsfrüchte in die einzelnen Seelen.
,,Oportet universalem causam applicari ad unumquodque specialiter, ut effectum universalis
causae participet“. An dieser Zuleitung sollen wir uns alle beteiligen gemäß dem
Worte des heiligen Paulus: ,,Darum ermahne ich euch vor allem, daß Bitten, Gebete,
Fürbitten, Danksagungen geschehen für alle Menschen“, und der Mahnung der Kirche
beim heiligen Opfer: ,,Betet, Brüder, daß mein und euer Opfer angenehm werde bei
Gott dem allmächtigen Vater!“
Ganz
klar spricht der Heilige Vater Papst Pius XI. diesen Gedanken aus in seiner Enzyklika
vom Herz-Jesu-Fest, zu lesen im Römischen Brevier de IV die infra Octavam Sacr.
Cordis Jesu: ,,Quamquam
vero copiosa Christi redemptio abunde nobis omnia delicta donavit ..., etiam laudibus
et satisfactionibus, quas Christus in nomine peccatorum Deo persolvit, nostras quoque
laudes et satisfactiones adjicere possumus, immo etiam debemus ... Cum hoc augustissimo
Eucharistico sacrificio et ministrorum et aliorum fidelium immolatio conjungi debet.
Quin immo sanctus Cyprianus affirmare non dubitat sacrificium dominicum legitima
sanctificatione non celebrari nisi oblatio et sacrificium nostrum responderit passioni.“
Auch
Papst Pius XII. kommt in seiner Enzyklika Mystici Corporis vom 29. Juni 1943 wiederholt
auf diese Fundamentalwahrheit unseres Glaubens zu sprechen: ,,So hat denn Christus
durch seinen Tod am Kreuz nicht bloß der verletzten Gerechtigkeit des Ewigen Vaters
Genüge getan, sondern Er hat uns als seinen Brüdern zugleich eine unaussprechliche
Fülle von Gnaden verdient. Diese hätte Er selbst unmittelbar dem gesamten Menschengeschlecht
zuteilen können; Er wollte es aber tun durch die sichtbare Kirche, zu der die Menschen
sich vereinigen sollten, damit so bei der
Verteilung der göttlichen Erlösungsfrüchte
alle ihm gewissermaßen Helferdienste leisten könnten“ (S. 15). ,,Ein Leib verlangt
auch eine Vielheit von Gliedern, die so untereinander verbunden sein müssen, daß
sie sich gegenseitig Hilfe leisten“ (S. 16). ,,Jedoch muß auch festgehalten werden,
so seltsam es erscheinen mag, daß Christus nach der Hilfe seiner Glieder verlangt
... Überdies will unser Erlöser, soweit Er persönlich auf unsichtbare Weise die
Kirche regiert, die Mitwirkung der Glieder seines mystischen Leibes bei der Ausführung
des Erlösungswerkes ... Während Er nämlich am Kreuze starb, hat Er den unermesslichen
Schatz der Erlösung seiner Kirche vermacht, ohne daß sie ihrerseits dazu beitrug.
Wo es sich aber darum handelt, den Schatz auszuteilen, lässt Er seine unbefleckte
Braut an diesem Werke der Heiligung nicht nur teilnehmen, sondern Er will, daß dies
sogar in gewissem Sinne durch ihre Tätigkeit bewirkt werde. Ein wahrhaft schaudererregendes
Mysterium, das man niemals genug betrachten kann. Daß nämlich das Heil vieler abhängig
ist von den Gebeten und freiwilligen Bußübungen der Glieder des geheimnisvollen
Leibes Jesu Christi, die sie zu diesem Zwecke auf sich nehmen, und von der Mitwirkung,
die die Hirten und Gläubigen ... unserm göttlichen Erlöser zu leisten haben“ (S.
26). ,,Was unser Erlöser aber einst am Kreuze begonnen hat, das setzt Er in seiner
himmlischen Herrlichkeit ohne Unterlass fort ... Uns aber ist die Aufgabe geworden,
Christus in diesem Heilswirken hilfreiche Hand zu leisten, die wir aus dem Einen
und durch den Einen erlöst sind und selbst erlösen“ (S. 32).
,,Ebenso
bringen aber auch die Gläubigen selbst das unbefleckte Opfer, das einzig durch des
Priesters Wort auf dem Altar zugegen ward, durch die Hände desselben Priesters in
betender Gemeinschaft mit ihm dem Ewigen Vater dar als ein wohlgefälliges Lob- und
Sühneopfer für die Anliegen der ganzen Kirche“ (S. 42). ,,Zwar hat unser Heiland
seiner Kirche durch das bittere Leiden und den bitteren Tod einen geradezu unendlichen
Schatz von Gnaden verdient, doch diese Gnaden werden uns nach Gottes weisem Rat
nur zu Teilen zugedacht; ihre größere oder geringere Fülle hängt nicht wenig auch
von unseren guten Werken ab, durch die der von Gottes Huld gespendete Gnadenregen
auf die Seelen der Menschen herabgezogen wird. Er wird sicherlich in reicher Fülle
strömen, wenn wir nicht nur eifrig zu Gott beten und besonders am heiligen Messopfer
womöglich täglich andächtig teilnehmen, nicht nur in christliche Liebespflicht die
Not so vieler Bedürftigen zu lindern versuchen, sondern vor allem, wenn wir den
vergänglichen Gütern dieser Welt die ewigen vorziehen, wenn wir diesen sterblichen
Leib durch freiwillige Buße in Zucht halten, ihm Unerlaubtes versagen und auch Hartes
und Rauhes ihm abfordern, wenn wir endlich die Mühen und Leiden des gegenwärtigen
Lebens wie aus Gottes Hand ergeben annehmen. So werden wir gemäß dem Wort des Apostels
,,an unserem Fleische ergänzen, was an dem Leiden Christi noch fehlt für seinen
Leib, die Kirche“ (S. 51 f).
In
seinem Rundschreiben vom 20. November 1947 über die heilige Liturgie kommt der Heilige
Vater erneut auf diese notwendige Mitwirkung der Gläubigen zu sprechen. Indem er
dort ausdrücklich auf die obigen Sätze aus der Enzyklika über den Mystischen Leib
verweist, betont der Heilige Vater abermals: ,,Damit also die einzelnen Sünder im
Blute des Lammes reingewaschen werden, bedarf es der Mitwirkung der Christgläubigen“
(amtl. Text S. 17). Wer wollte in diesen Worten von höchster Warte nicht geradezu
eine feierliche Sanktion der Sühne- und Opferbereitschaft erblicken, wie sie in
den Satzungen des von Barbara Weigand gegründeten ,,Eucharistischen Liebesbundes“
gefordert wird?
Diese
Mithilfe, um die einmal durch Christus geleistete Genugtuung zu einer in den Seelen
wirksamen zu machen, ist es, der sich Barbara Weigand mit allen Fasern ihres Herzens
widmet, wenn sie durch ihr Gebet und ihre Sühne das Opfer des Herrn unterstützen
und die Herzen für die Zuleitung der Erlösungsfrüchte fähig machen will, wie wir
aus den zahlreichen oben mitgeteilten Äußerungen ersehen haben. So hört sie am 3.
September 1897 Jesus sprechen: ,,Es müssen sich Seelen verbinden mit mir, die diesen
Arm (der strafenden Gerechtigkeit) aufhalten“, oder im Februar 1899: ,,Es soll der
Zorn meines Vaters besänftigt werden; denn obwohl ich mich alle Tage und Nächte
vor meinem Vater niederwerfe, anbetend, sühnend, opfernd, leidend, in dem heiligen
Messopfer, so genügt ihm dies nicht mehr; es muß die Menschheit sich mit mir verbinden,
es müssen meine treuen Kinder sich verbinden mit mir und nur dann wird das Opfer
vollbracht sein.“ ,,Ihr, meine treuen Kinder, haltet zusammen, unterstützt die Priester
durch Opfer, Sühnen, Leiden.“ ,,Meine Verdienste allein reichen hin. Wenn aber keine
Seele da ist, die mit lebendigem Glauben mir die Güte herauszwingt aus meinem Herzen
..., dann bleiben die Gnaden unbenutzt. Man muß die Gnaden hineinzuleiten und zu
opfern wissen und nicht nur ein Opfer, sondern alle heiligen Messopfer ... zusammen
mir aufopfern und durch Maria, meine Mutter, mir opfern.“
Daraus
ist deutlich zu ersehen, daß die Gottesfreundin von Schippach mit ihrem Beten, Sühnen,
Leiden die objektive Erlösung durch Jesus Christus nicht verdrängen und durch eine
neue satisfactio vicaria ersetzen will, wie man ihr vorwarf, sondern daß sie mithelfen
möchte, damit die einmal geschehene Erlösung auch zur wirklich subjektiven Rettung
der Seele werde. ,,Helft mir, helft mir, Seelen will ich retten.“ Sie denkt gar
nicht daran, das opus operatum der heiligen Messe ,,in Frage zu stellen“ oder gar
zu ,,leugnen“. Christus hat, so bekennt sie vielemale, durch seinen Opfertod am
Kreuze ein für allemal für alle Sünden Genugtuung geleistet; der unendliche Behälter
ist bis zum Überfließen mit Heilswasser gefüllt. Aus der Überfülle dieses Heilswassers
schöpft das heilige Messopfer, um davon den einzelnen mitzuteilen; die heilige Messe
setzt die objektiven Werte des Kreuzopfers in subjektiven Umlauf.
Die
Wirkweise des heiligen Messopfers aber ist teils ex opere operatio teils ex opere
operantis. Dieses opus operantis zeigt sich in mehrfacher Tätigkeit: als die gottmenschliche
Opfertätigkeit des Hohenpriesters Jesus Christus, als Tätigkeit der Kirche, als
Tätigkeit der sonst am Opfer Beteiligten. Diese letzteren erhalten für sich und
andere in impretatorischer, propritatorischer und satisfaktorischer Beziehung um
so reichlichere Früchte, je inniger sie mit dem Priester verbunden sind. Die innigste
Verbindung aber, um mit dem Priester das Lamm Gottes aufzuopfern, ist vollständige
Sichverähnlichung mit dem Lamm Gottes durch Gebet, Sühne, Leiden und durch die sakramentale
Kommunion. Darin zeigt sich am besten die Gliedschaft am Leibe Christi, am ,,königlichen
Priestertum“. Weil aber die meisten Christen dieses ihr Priestertum nicht oder nur
unvollkommen ausüben, erweckt der Geist Gottes immer wieder einzelne Seelen, die
es als ihren Lebensberuf erkennen, mit ganzem Herzen und Willen in den Opferwillen
Christi einzugehen und dessen Opfer in beständigem Gebet und heroischem Leiden gleichsam
in sich zu erneuern. Besonders sind es jungfräuliche Frauenseelen, die als Opferseelen
die priesterlich apostolische Wirksamkeit, von der der Heilige Vater in seinem Rundschreiben
vom Mystischen Leibe Christi so rühmlich erwähnt, auszuüben sich bemühen.
Zu
diesem opus operantis will die Schippacher Jungfrau beitragen und aufrufen. ,,Es
müssen sich Seelen verbinden mit Christi Opfer, lautet ihr oft wiederkehrender Mahnruf.
Wie kann man eine solch sühnebereite Seele anklagen, sie ,,leugne das opus operatum“!
Ihre Gedanken sind jedem pietätvollen Leser, der seinen Nebenmenschen liebt und
mystische Schriften zu lesen versteht, ganz klar: sie will nicht mechanisch ,,in
die Messe gehen“, sondern mitopfern, daß das einmal vollbrachte Kreuzopfer und das
seine Früchte applizierende Messopfer, ,,das einzige Bindemittel zwischen meinem
Vater und euch“, ,,das einzige, wodurch der Menschheit können Gnaden erwiesen werden“,
,,nicht unbenützt bleibe“, sondern subjektiv wirksam werde. Von einer ,,Leugnung
des dogmatischen Fundamentalsatzes vom überfließenden Genugtuungsverdienst Christi“
zu sprechen, war also gewiss nicht am Platze.
Barbara
Weigand soll auch das Pauluswort an die Kolosser: ,,Ich freue mich jetzt in den
Leiden für euch und ersetze an meinem Fleische, was noch an den Leiden Christi für
seinen Leib, die Kirche, mangelt“, häretisch ausgelegt haben. Gewiss bedient sich
die Schippacher Bauernjungfrau nicht der geschulten und vorsichtig abgewogenen Worte
des Exergeten, aber von der Auslegung, als wolle Paulus die Suffizienz des Leidens
Christi leugnen, ist Barbara Weigand himmelweit entfernt. Die Schrifterklärer sehen
in der fraglichen Stelle das Gemeinsamkeitsverhältnis des Hauptes mit den Gliedern
der Kirche abgebildet, in welchem das Leiden des Hauptes den Gliedern und das Leiden
der Glieder dem Haupte und dem ganzen Organismus zugute kommt.
,,Gott
hat das Voll- und Gesamtmaß an Verdiensten sowohl für die Gesamtperson als auch
für Christus, das gottmenschliche Haupt, und die Gläubigen, die einzelnen Glieder,
bestimmt und vorgesehen“, schreibt Hallfell zur Lehre des heiligen Thomas. ,,Unter
den verdienstlichen Werken aber steht das Leiden obenan ... Der einzelne Gläubige
trägt noch seinen Verdienstanteil, der sich nach dem ihm gewordenen Maße bemisst,
dazu bei. Darum sagt der Apostel: adimplebo, d.h. ich bringe das mir gewordene Kleinmaß
an Leiden herzu, um damit das Leiden Christi aufzufüllen“.
Wie
schön gibt Barbara Weigand den Grundgedanken der Zusammen-
gehörigkeit zwischen Christus und den Gläubigen, die wechselseitige Ver-
bindung zwischen Haupt und Gliedern, den geistigen Güteraustausch im
Corpus Christi mysticum, wenn sie Jesus am 3. Juni 1898 also sprechen lässt: ,,Sie
alle (die sühnenden Seelen) müssen teilnehmen an den Leiden, die ich erdulden muß
Tag für Tag unter den Menschen; denn auch ich stehe unter diesem Geschlechte im
Sakrament als Hausvater in der großen Gottesfamilie, und alle meine treuen Kinder
müssen mit mir die Haushaltung führen ... Da heißt es: Hand in Hand gehen, zusammenstehen,
zum Vater halten, um das Brot, das himmlische Gnadenbrot, zu verdienen, damit es
ausreiche für so viele Kinder der katholischen Kirche“.
Die
beiden Nebensätze hätte gewiss ein Theologe anders abgefasst, aber der Sinn jener
Worte - im Zusammenhang und nach dem Geiste des Ganzen betrachtet - ist der uns
zur Genüge bekannte: zur tätigen sühnenden Liebe anzueifern. Muß übrigens die Darstellung
der Verbindung zwischen Haupt und Gliedern im Bilde der Haushaltung nicht geradezu
überraschen? Während der lateinische Text Col 1,25 das Wort dispensatio gebraucht,
das die deutschen Übersetzungen mit ,,Anordnung“, ,,Veranstaltung“, wiedergeben,
heißt das ursprüngliche griechische Wort oikonomia, auf deutsch ,,Haushalt“. Wie
kommt die Jungfrau zu diesem treffenden Ausdruck? Gibt das nicht zu denken?
Die
heilige Gemma Galgani hörte einst vom Heiland die Worte: ,,Meine Tochter! Ich bedarf
der Schlachtopfer, und zwar starke Opfer. Um den gerechten Zorn meines göttlichen
Vaters im Himmel zu besänftigen, sind mir Seelen notwendig, die durch ihre Leiden,
Trübsal und Mühseligkeiten Ersatz leisten für die Sünder.“ ,,Bedarf?“ ,,Notwendig?“
Emilie Schneider berichtet: ,,Als ich während des heiligen Messopfers sah, wie sich
mein geliebter Heiland mit unaussprechlicher Liebe für uns aufopferte, sah ich,
daß mein Heiland als Opfer nicht allen zugehörte.“ Die Schwester Maria Droste von
Vischering hörte den Heiland also sprechen: ,,Ich habe durch das Kreuz das Menschengeschlecht
erlöst ... Die Leiden meiner Auserwählten vollenden und setzen mein Werk fort.“
Eine übelwollende Kritik könnte in solchen Worten auch eine Insuffizienz des Erlösungswerkes
Christi finden, aber Pietät, Liebe und Verständnis deuten leicht den Sinn solcher
Aussprüche. Darum lasse man auch der frommen Büßerin von Schippach Gerechtigkeit
widerfahren!
Die
Sühnebereitschaft unserer Gottesfreundin zur Mithilfe in der Rettung der Seelen
kommt auch in den Satzungen ihres ,,Eucharistischen Liebesbundes“ zum Ausdruck.
Dieser hat den Zweck, ,,den Priestern zu helfen, in Vereinigung mit Maria alle unsterblichen
Seelen zu retten, die sich noch retten lassen wollen, durch fortwährendes Beten,
Sühnen und Leiden, um auf diese Weise die wahre Nächstenliebe zu betätigen und dazu
beizutragen, daß das Reich des Göttlichen Herzens Jesu über die Herzen der Menschen
verbreitet werde“ (bischöflich approbierter Text). Damit ist der Sühnegedanke der
Schippacher Schriften auch kirchlich sanktioniert.
Wenn
ich schließlich nach genauer, wiederholter, unauffälliger Erforschung des Wollens
der Jungfrau feststelle, daß ihr eine Schmälerung der Verdienste Christi meilenweit
ferne lag, wird man eine Beanstandung ihrer Worte nicht mehr wagen können. Übrigens
ist ihr Opfer- und Sühnegedanke, den sie schon im Jahre 1894 in ihren Offenbarungen
niederlegte, zehn Jahre später in der ,,Vereinigung der Opferseelen des Göttlichen
Herzens Jesu“ kirchlich anerkannt worden. Die bischöfliche Behörde von Lüttich sah
darum keinen Anlass, die Publikation der von Sühne und Opfer handelnden Stellen
aus den Schippacher Offenbarungen zu verhindern, hat vielmehr ihre Drucklegung in
aller Form gebilligt. Möge sich darum das Wort eines großen Gegners Schippachs endlich
auch in Deutschland bewahrheiten: ,,Der unbefangene Leser wird alles ohne weiteres
im kirchlichen Sinne auslegen!“
Inhaltsverzeichnis
e) Eucharistisches Herz Jesu
Im
Zuge der Beanstandungen des Sühnebegriffes in den Schippacher Schriften wurde in
der Presse auch die Behauptung aufgestellt, der Titel ,,Eucharistisches Herz Jesu“
sei nach Entscheidungen der Ritenkongregation und des Heiligen Offiziums überhaupt
verboten und die Bezeichnung ,,Eucharistisches Kreuz“ sei gleichfalls missbräuchlich
und dogmatisch anstößig. Dagegen sei folgendes festgestellt:
Es gibt eine ,,Erzbruderschaft des Eucharistischen Herzens Jesu“ durch Breve Leos
XIII. v. 16.2.1903 an S. Gioachino in Rom errichtet, von Redemptoristen geleitet.
Es
gibt einen ,,Verein der Priester vom Eucharistischen Herzen Jesu“, Sitz an der Kirche
S. Alfonso in Rom, 1911 päpstlich gutgeheißen.
Papst
Leo XIII. hat durch Breve v. 17.6.1902 das folgende Gebet mit einem vollkommenen
Ablass ausgezeichnet: ,,O eucharistisches Herz Jesu, erhabenste Liebe unseres Herrn
...“
Beringer
überschreibt das Gebet: ,,Gebet zum eucharistischen Herzen Jesu“ und gibt eine Erklärung
der ,,Andacht zum eucharistischen Herzen Jesu“.
Papst
Pius X. hat durch Reskript der heiligen Ablasskongregation vom 12.6.1905 das folgende
Gebet mit 300 Tagen Ablass ausgezeichnet: ,,Gepriesen sei das heiligste eucharistische
Herz Jesu!“
In
einer Erklärung der Heiligen Inquisition vom 3.6.1891 findet sich der Ausdruck ,,Eucharistisches
Herz- Jesu!“
In
der kirchlich approbierten Schrift von Bröll ,,Der eucharistische Kreuzweg“ findet
sich auf S. 9 und S. 26 der Ausdruck: ,,Eucharistisches Herz Jesu“.
In
der ,,Monika, Zeitschrift für katholische Mütter und Hausfrauen“ Nr. 24 vom 16.
Dezember 1925 findet sich auf S. 240 der Ausdruck: ,,Eucharistisches Herz Jesu!“.
Papst
Pius X. hat am 10.9.1907 das folgende Gebet mit 300 Tagen Ablass ausgezeichnet:
,,Cor Jesu eucharisticum, cordis sacerdotalis exemplar, miserere nobis!“
Das
Missale Romanum, editio Pustet 1923, hat auf folio (136) eine Missa Eucharistici
Cordis Jesu.
Nach
einem mir übersandten Bittbrief um eine Beisteuer wurde in Weiher, Diözese Mainz,
eine Kirche ,,zu Ehren des eucharistischen Herzens Jesu“ gebaut; der gedruckte Bittbrief
trägt die ,,Bischöfliche Beglaubigung und Empfehlung“ durch das Ordinariat Mainz
vom 22. August 1925.
Am
23. August 1922 hat die heilige Poenitentiarie das folgende Gebetchen mit 300 Tagen
Ablass ausgezeichnet: ,,Ich bete dich an, o heiligstes Eucharistisches Herz Jesu!“
In
seiner großen Herz-Jesu-Enzyklika ,,Haurietis aquas“ vom 15. Mai 1956 rühmt der
Heilige Vater Pius XII. die überreichen Schätze des Heiligsten Herzens Jesu und
empfiehlt die besondere Verehrung des ,,Eucharistischen Herzens Jesu“: ,,Nec facile
percipere erit vim amoris, quo Christus campulsus nobis se ipse exhibuit spirituale
alimentum, nisi peculiari modo Eucharistici Cordis Jesu cultum fovendo“ (,,man wird
auch nicht leicht die Liebesgewalt begreifen können, die Christus gedrängt hat,
sich uns selbst zur Seelenspeise zu geben, ohne eine besondere Verehrung des Eucharistischen
Herzens Jesu“).
Erscheint
es nach den angeführten Tatsachen wirklich glaubhaft, daß die römischen Kongregationen
den Titel ,,Eucharistisches Herz Jesu“ verboten hätten, dieselben Kongregationen,
die zur gleichen Zeit diesen Titel mit Ablässen auszeichnen und eine ,,Missa zu
Ehren des Eucharistischen Herzens Jesu“ approbieren und dem Römischen Missale einfügen?
War es wirklich dogmatisch anstößig, wie die Gegner Schippachs behaupteten, wenn
Barbara Weigand vom ,,Eucharistischen Herzen Jesu“ sprach, dessen Kult der oberste
Lehrer der Christenheit ausdrücklich und feierlich als ,,Eucharistici Cordis Jesu
cultus“ empfiehlt? Und wenn, wie Henze in der Linzer Quartalsschrift 1958 S. 122
f ausführt, der Kult des ,,Eucharistischen Herzens Jesu“ jahrzehntelang unter den
Theologen eine Kontroverse bildete, die nunmehr von höchster Stelle positiv entschieden
worden sei, ist dann nicht Barbara Weigand schon sechzig Jahre früher auf dem richtigen
Wege gewesen und der natürlichen Weisheit der Theologen weit vorausgeeilt?
Zu
den angeblich schweren ,,dogmatischen Irrtümern“ soll nach den Presseerzeugnissen
der Jahre 1916 bis 1919 auch der Umstand gehören, daß Barbara Weigand von einem
Leiden Christi in der heiligen Eucharistie spreche. ,,Die heilige Eucharistie“,
so klagte man an, ,,ist nach Barbara Weigand nicht nur das Denkmal des Leidens Christi,
sondern ein fortgesetztes furchtbares Leiden. Jesus ist auch als Mensch zugegen
im Tabernakel und hat daher menschliche Bedürfnisse, braucht Trost und Erleichterung
in seinem Kummer. Die Liebesbundmitglieder sollen deswegen dem Herrn im Sakrament
sein ,,eucharistisches Kreuz“ erleichtern und selber ,,eucharistische Kreuzträger“
werden“. So die Anklage, die es an Sperrdrucken, Anführungs- und Ausrufezeichen
in den seinerzeitigen Veröffentlichungen nicht hat fehlen lassen.
Prüfen
wir auch diesen Vorwurf auf seine Berechtigung!
Da
wollen wir zunächst wieder die Dogmatik fragen, was sie uns über das Leiden Christi
in der heiligen Eucharistie zu sagen hat. Ich will dabei nicht auf die bestrickende
Theorie Thalhofers verweisen, sondern an den Grundgedanken De Lugos von der moralischen
exinanitio erinnern, von dem Erniedrigungszustand Christi in der heiligen Eucharistie.
Hierzu bemerkt der Dogmatiker Pohle: ,,Zunächst sollte niemand im Ernste leugnen
wollen, daß die Versetzung des verklärten Gottmenschen in den sakramentalen Speisezustand
und der damit verbundene Verzicht auf die Ausübung sensitiver Funktionen nach menschlicher
Schätzung einer realen Erniedrigung gleichkommt ... Leugnet man dies, so raubt man
der Kanzel ohne Not eine der fruchtbarsten Quellen kirchlicher Rhetorik, aus der
man immer erfolgreich schöpft, um die aufopfernde Herablassung und Verborgenheit
des Gottmenschen unter den leblosen Gestalten von Komestibilien, die demütige Zulassung
von Verunehrungen, Verunglimpfungen und Schändungen des allerheiligsten Sakramentes,
die Hilf- und Schutzlosigkeit gegen die willkürlichen Manipulationen der Priester
beim Einschließen, Herumtragen, Ausschütten der Spezies ... ins rechte Licht zu
stellen und diese Erniedrigung geradezu als eine unblutige mystische Fortsetzung
des Kreuzesopfers dem christlichen Volke recht eindringlich vor Augen zu stellen“.
Wenn
nun eine solche Erniedrigung des verklärten Gottmenschen im allerheiligsten Sakrament
gegeben ist, sollte es dann dogmatisch irrig sein, wenn die Sprache der Andacht
und Liebe auch die Ausdrücke der Schwäche, Hilflosigkeit und des Leidens auf den
eucharistischen Gottmenschen anwendet, daß sie von Schmerz und Tröstung redet?
In
der Tat ist es so. Man schlage nur das nächste Herz-Jesu-Buch, die nächste Sühneandacht
oder die Lebensbeschreibung einer heiligen Margareta Alacoque oder einer heiligen
Gemma Galgani auf und man wird auf Schritt und Tritt Worten begegnen wie ,,klagen“,
,,trauern“, ,,wehetun“, ,,betrübt sein“, ,,leiden“ ,,Kreuz tragen“ u. ä. ,,Sieh“,
so ruft Jesus zu Margareta Alacoque, ,,wie die Sünder mich misshandeln und verachten,
gibt es denn niemand, der Mitleid mit mir haben und Teilnahme zeigen möchte an dem
erbarmungswürdigen Zustand, in den die Sünder gerade an diesen Tagen (Fastnachtstage!)
mich versetzen?“ ,,Ich finde bei den Menschen nur Kälte“, klagt er ein andermal,
,,und auf meine liebreichen Einladungen antworten sie mir mit Verachtung. Gib du
mir wenigstens den Trost.“ Ein andermal verlangt der Heiland von der Schwester,
,,daß sie ihn in seinem Schmerz tröste“.
In
einem viel gelesenen Andachtsbuche finde ich die Frage: ,,Wer ist stärker im Leiden,
wer erduldet mehr Schmach: Jesus in der Kirche oder wir in unsern Häusern?“ In einer
vielgebeteten Abbitte heißt es: ,,So gerne möchte ich durch Tränen und Bußwerke
diesen Schmerz von dir nehmen.“ Zu Benigna Consolata klagt der Herr: ,,Du sollst
mich trösten.“ Die Schwester von der Geburt, deren Offenbarungen von mehr als sechs
Bischöfen, zwanzig Generalvikaren und Kanonikern, zehn bis zwölf Doktoren der Theologie
und mehr wie hundertfünfzig Pfarrern geprüft und für glaubwürdig erachtet werden,
berichtet in dem Abschnitt ,,Klagen Jesu im Altarsakramente“ folgende Ansprache
des Herrn: ,,Betrübe dich nicht, meine Tochter, es bleiben doch auch noch getreue
Seelen übrig. Ihre Zahl, vereinigt mit meinen guten Priestern, reicht hin, um mich
zu trösten ... Wisse meine Tochter, dir vertraue ich meinen Schmerz, dir klage ich
mein Leid ... Kann mein Herz unempfindlich bleiben? Soll es nicht bitteren Schmerz
darüber fühlen? ... Jesus sah mich mit trauriger Miene an, und da ich ihn um die
Ursache seines Kummers befragte, erwiderte er mir seufzend“. Ein andermal erzählte
die Schwester von der Stimme des Herrn, ,,deren wehmütig klägliche Laute“ sie aufs
tiefste gerührt hätten.
Der
im Jahre 1854 gegründete, von den Päpsten Pius IX. und Leo XIII. belobte und mit
Ablässen bereicherte ,,Verein der heiligen Sühnungskommunion“ hat den Zweck, ,,das
verwundete Herz Jesu in der heiligen Eucharistie zu trösten.“ Auf dem Eucharistischen
Priesterkongress zu Altötting im August 1926 sagte Bischof Ehrenfried von Würzburg
in seiner Predigt: ,,Es ist ein wirkliches Golgatha ohne Ende, das der eucharistische
Heiland auf sich genommen hat.“ In dem mit dem kirchlichen Imprimatur versehenen
Büchlein von Bröll ,,Der eucharistische Kreuzweg“ zähle ich nicht weniger als 28mal
Ausdrücke wie ,,eucharistisches Kreuz“, ,,eucharistischer Kreuzweg“. Im Jahre 1893
erschien in Mainz ein Büchlein von August Kluge, betitelt: ,,Der eucharistische
Kreuzweg, des Priesters Trost und Lehre.“
Warum
durfte also bloß Barbara Weigand nicht vom ,,eucharistischen Kreuzweg“ reden? Warum
waren gerade bei ihr solche Ausdrücke ,,dogmatische Irrtümer“?
Inhaltsverzeichnis
f) Fegefeuer
Erscheinungen von Heiligen
finden wir in den Schippacher Schriften mehrfach erwähnt. Die fromme Jungfrau sieht
öfter den heiligen Nährvater Josef, den heiligen Franziskus, ihre heilige Namenspatronin
Barbara und andere Heilige. Solche Visionen sind im Leben mystischer Personen nichts
Außergewöhnliches. So erscheint beispielsweise der heilige Franziskus der seligen
Kreszentia von Kaufbeuren, der heilige Augustinus der Anna Katharina Emmerich, der
heilige Gabriel Possenti der heiligen Gemma Galgani, die heilige Theresia von Avila
dem ehrwürdigen Dominicus a Jesu Maria, die heilige Theresia vom Kinde Jesus der
Oberin des Karmels von Lisieux, der heilige Dominicus der stigmatisierten Columba
Schonath, der heilige Petrus von Alcantara der heiligen Theresia von Avila. Weitere
Beispiele bietet in großer Anzahl die hagiographische Literatur. Auch Mitteilungen
über den Zustand Verstorbener und die Befreiung von Seelen aus dem Fegfeuer durch
das Gebet und die Sühne der frommen Jungfrau Barbara finden sich in den Schippacher
Schriften, Mitteilungen, derentwegen sich ihre Urheberin erbarmungslose Verhöhnungen
gefallen lassen mußte. Auch wurde sie häufig - selbst von Priestern - um Auskunft
über das Schicksal Verstorbener angegangen. Darin lag zweifellos eine Gefahr der
Selbsttäuschung; aber ebenso gut können ihre Mitteilungen göttlichen Ursprungs und
darum glaubwürdig sein. Denn es ist katholische Wahrheit, daß die Armen Seelen mit
Gottes Zulassung heiligmäßigen Personen erscheinen, ,,weil nur sie die Opferliebe
haben, um diesen Seelen durch Übernahme ihrer schweren Leiden wirklich zu helfen“.
Lehrt
doch auch der heilige Thomas ganz klar, daß die Armen Seelen sich manchmal den Blicken
der Menschen zeigen und den Lebenden erscheinen dürfen, um sie um Hilfe anzugehen,
und Kardinal Bona bestätigt dies ausdrücklich: ,,Von der Erscheinung verstorbener
Menschen, seliger und unseliger oder im Fegfeuer weilender Personen, gibt es in
der Heiligen Schrift, in der Kirchen- und Weltgeschichte so viele untrügliche Erfahrungsbeweise,
daß wohl kein kluger, vernünftiger Beobacher daran zweifeln kann.“
Daß
die Schippacher Jungfrau durch ihr ganz auf Gebet, Arbeit und Sühne eingestelltes
Leben für den Liebesdienst an den Armen Seelen besonders geeignet war, wird kein
gerecht denkender Mensch bestreiten wollen, und wenn sie dann auch des Glaubens
war, durch Gebet und Sühne den Seelen wirklich Befreiung erwirkt zu haben, wird
man sie dann für diese Überzeugung schelten dürfen? Oder wenn die göttliche Stimme
für ein gutes Werk von außerordentlicher Bedeutung, wie z. B. für die Förderung
der Erbauung einer Kirche, die Abkürzung der Fegfeuerstrafen in Aussicht stellt,
so vermag ich nicht einzusehen, was daran ,,geradezu widerlich“ sein soll, wie in
einem weigandfeindlichen Buche zu lesen ist. Lehren wir denn nicht unser Volk, daß
wir uns durch gute Werke, Gebet, Almosen, Leiden und Sühne Verdienste für die Ewigkeit
sammeln und die Strafen im Reinigungsort abkürzen können? Mahnen wir nicht die Gläubigen,
den Seelen im Fegfeuer auf diese Weise zu Hilfe zu kommen? Und wenn wir es getan,
dürfen wir dann nicht auch des Glaubens sein, daß unsere guten Werke auch genützt
haben? Eine Person, die so innig für die Armen Seelen beten und leiden konnte wie
Barbara Weigand, soll durch ihr Gebet und ihre Sühne wirklich nichts erreicht haben?
Ja, sie soll für ihre Überzeugung auch noch der Lächerlichkeit verfallen?
So
wenig also ein Grund bestand, am Verkehr der Jungfrau mit den Verstorbenen grundsätzlich
zu zweifeln, ebensowenig durfte man sich an einigen bestimmten Angaben stoßen, die
sie über den Zustand der Verstorbenen machte, da solche Aussagen Gemeingut aller
Begnadigten sind. So lesen wir im Leben der ehrwürdigen Dienerin Gottes Anna Maria
Taigi: ,,Eines Tages wollte sie in St. Lateran für eine verstorbene Person kommunizieren.
Während der Messe empfand sie plötzlich eine unbeschreibliche Seelenqual ... Beim
Gloria verwandelte sich der schmerzliche Zustand der frommen Frau auf einmal in
ein Übermaß von Freude und Heiterkeit. Anna Maria glaubte zu sterben vor Glück,
als nun die aus dem Fegfeuer befreite Seele sich ihr näherte und ihr sagte: Ich
danke dir, Schwester, für deine Teilnahme; ich werde deiner vor dem Throne Gottes
gedenken und gehe nun dank deiner Gebete zum Himmel ein.“
Am
15. Februar 1682 abends sieben Uhr starb in Paray-le-Monial der Beichtvater der
Schwester Margarete Alacoque. Als sie am folgenden Morgen um fünf Uhr den Tod des
Patres erfuhr, sagte sie tiefbetrübt: ,,Betet und lasst überall für ihn beten!“
Aber schon um zehn Uhr schrieb sie einen Zettel: ,,Hört auf zu trauern, ruft ihn
an, fürchtet nichts, er vermag euch mehr denn je zu helfen, er hat das Gebet nicht
nötig ..., er hat einen guten Platz im Himmel erhalten. Nur um eine Nachlässigkeit
zu sühnen, war seine Seele der Anschauung Gottes beraubt von der Zeit an, wo sie
den Leib verlassen hatte, bis zu seinem Begräbnis.“
Als
die Nichte Sebastiana der heiligen Marianna von Jesus starb, eilte deren Mutter
zu Marianna, um es ihr zu sagen, traf sie jedoch in Ekstase. Als Marianna erwachte,
sprach sie: ,,Danken wir dem Herrn, Sebastiana ist bereits im Himmel“. Vom heiligen
Johann Baptist Vianny berichtet sein Biograph Trochu mehrere Fälle, in denen der
Pfarrer von Ars über den Aufenthalt Verstorbener im Fegfeuer Auskunft gab. Die heilige
Magdalena von Pazzi hatte eine Mitschwester, die im Rufe der Heiligkeit verschieden
war. Noch war die Leiche in der Kirche aufgestellt, als die Heilige plötzlich sah,
wie sich die Seele der Verstorbenen zum Himmel erhob. Die heilige Theresia von Avila
erzählte, sie habe die Seele einer verstorbenen Mitschwester vier Stunden nach ihrem
Tode zum Himmel aufsteigen sehen. Die Heilige Margareta Alacoque kniete einmal vor
dem Allerheiligsten, als ihr eine Person erschien, die ganz in Flammen eingehüllt
war. Sie sprach zu ihr: ,,Ich bin jener Benediktinerpater, den Sie gekannt haben.“
Er bat sie, drei Monate hindurch alles für ihn aufzuopfern, was sie tun und leiden
werde. Nach drei Monaten erschien ihr der Ordensmann wieder, glänzend in Herrlichkeit,
dankte ihr und versprach ihr ein Fürbitter zu sein am Throne Gottes.
Der
seligen Kreszentia von Kaufbeuren erschien eine schon vor sechs Jahren verstorbene
Schwester und bat sie um Hilfe; eine andere bat sie um gute Werke, da sie schon
neun Jahre im Fegfeuer leide. Klara Moes mußte zwei Jahre für ihren verstorbenen
Bruder leiden, bis er erlöst wurde. Ein Priester litt schon zwanzig Jahre im Fegfeuer,
bis er Klara erschien und sie um ihre Hilfe bat; die Schwester betete vier Wochen
lang für ihn und ließ heilige Messen lesen, wärend deren die Seele erlöst wurde.
Die pfälzische Stigmatisierte Barbara Pfister, die zuweilen in Mainz den Ekstasen
der Barbara Weigand beigewohnt hatte, gab wiederholt Aufschluss über den Zustand
der Seelen im Fegfeuer. Anna Katharina Emmerich hatte ganz bestimmte
Visionen vom Fegfeuer. Der selige Vinzenz Pallotti machte eine ganz bestimmte Angabe
über die Aufnahme des Papstes Gregors XVI. in den Himmel: ,,Heute morgen ist Gregor
XVI. in den Himmel eingegangen“.
Vom heiligen Pfarrer von Ars berichtet
sein Biograph zahlreiche ganz bestimmte Aussagen über den Zustand Verstorbener sowie
über Art und Dauer ihrer Fegfeuerstrafen. Der heilige Johannes Bosco berichtet ganz
bestimmt von einer Erscheinung seines verstorbenen Freundes Comollo, die in der
Nacht vom vierten auf den fünften April 1839, der Nacht nach der Beisetzung des
Freundes, geschah, wobei sich der verstorbene Freund gemäß einem bei Lebzeiten gegebenen
Versprechen als lichte Gestalt offenbarte und feierlich rief: ,,Bosco, Bosco, Bosco,
ich bin gerettet.“
So stehen also die Angaben unserer
Gottesfreundin über die Seelen im Fegfeuer durchaus nicht im Widerspruch mit der
Erfahrung mystischer Seelen. Auch über die Zahl erlöster Seelen finden sich genug
Belege in der hagiographischen Literatur.
Am 11. Dezember 1763 teilte der
Heiland der Bamberger Nonne Columba Schonath mit, ,,er wolle ihr zu Liebe und Trost
drei arme Seelen aus dem Fegfeuer erlösen und ihr schenken, als ihres Vaters Bruder,
ihrer Mutter Schwestermann, dann eine Ordensschwester“.
Die Schwester Anna Josepha Lindmayr,
die Urheberin der Münchener Dreifaltigkeitskirche, hat viele Seelen aus dem Fegfeuer
erlöst, die alle mit Namen aufgeführt werden, vom Januar bis März 1691 allein vierhundert.
Außerdem vierzig Seelen aus ihrer Verwandtschaft.
Man schelte also die Jungfrau Barbara
nicht, wenn sie das Schriftwort in lebendigem Glauben erfasste: ,,Es ist ein heiliger
und heilsamer Gedanke, für die Verstorbenen zu beten, damit sie von ihren Sünden
erlöst werden“.
Inhaltsverzeichnis
2. Angebliche Irrtümer gegen die
Mariologie
Wie das ganze lange Leben der fast
hundertjährigen Gottesfreundin von Schippach dem Eucharistischen Herzen Jesu gehörte,
das ,,im Schoße der Jungfrau Maria vom Heiligen Geiste gebildet“ ward, so durchweht
ein warmer Hauch zarter Marienminne das Leben und die Schriften der Schippacher
Jungfrau. Aber auch in diese ihre Marienminne soll sich der Wurm dogmatischer und
moralischer Unzulässigkeit eingebohrt haben - so behaupteten dereinst ihre Gegner.
Sehen wir, ob dem so ist!
Inhaltsverzeichnis
a) Maria in der Urkirche
Am dritten Freitag im März 1896 hört
Barbara den heiligen Josef also sprechen: ,,Sieh, dies Beispiel wollte meine jungfräuliche
Gemahlin der Kirche geben, der Kirche aller Jahrhunderte bis zum Ende der Welt;
sie wollte und mußte leben in der jungen Kirche neben den Aposteln, den Jüngern
und Priestern, um diese zu unterstützen, um ihnen zu raten und zu helfen, wo es
nötig war“. Am 21. Mai 1897 spricht Maria: ,,Ihr sollt dies Band unterstützen, wie
es auch meine Aufgabe war, wie ich die Kirche, die mein göttlicher Sohn gestiftet
hat und (der er) in Petrus das Haupt eingesetzt hatte, unterstützen mußte durch
mein Gebet, durch meinen guten Rat, den ich ihm erteilte und allen Aposteln“. ,,Als
mein Sohn hinaufgefahren war zu seinem himmlischen Vater, da mußte ich zurückbleiben;
noch viele Jahre sollte ich der Mittelpunkt sein in der neuen Kirche, um die sich
die neue Kirche scharen sollte.
Ich sage: der Mittelpunkt; denn
obwohl mein Sohn das Haupt der Kirche gewählt hatte in Petrus seinem Jünger, sollte
ich doch der Mittelpunkt sein des Bandes, das der Herr geschlossen hatte am Kreuze.“
,,Wie aber meine Apostel sich unmittelbar
anschlossen an meine heilige Mutter, so verlange ich jetzt, daß alle Christen sich
anschließen an meine heilige Mutter.“ ,,Das christliche Volk, meine guten, treuen
Diener und Dienerinnen, sollten der Stimme der Hirtin folgen und an der Hand und
unter dem Schutze meiner lieben guten Mutter gehen sie sicher durch alle Stürme
hindurch.“
Wegen der oben wiedergegebenen
Stellen wurde Barbara Weigand im Jahr 1916 gleichfalls eines schweren geschichtlichen
und dogmatischen Verstoßes beschuldigt: ,,Maria wird von Barbara Weigand faktisch
zum Papst der Urkirche gemacht, Petrus führt neben ihr nur ein Schattendasein“,
ist in maßloser Übertreibung in einer schippachfeindlichen Broschüre zu lesen. Nun
sagt aber die Schippacher Jungfrau doch ganz klar ein Zweifaches: a) Das gottbestellte
Haupt der Kirche ist Petrus, b) Maria bildet in der Kirche den Mittelpunkt des Bundes
der Liebe.
Beides ist geschichtliche Wahrheit
und es hatte darum auch keiner der früheren theologisch gebildeten Leser jener Schriften
darin einen dogmatischen Irrtum gegen die Lehre vom Primat erblickt. Wenn man hinter
solchen Worten dogmatische Irrtümer wittern und damit Kirchenbauten vernichten wollte,
was müssten dann so viele Marienkirchen das Los der Schippacher Sakramentskirche
teilen! Mit welch überschwänglichen Worten preisen nicht ein heiliger Bernhard,
ein heiliger Leonhard von Porto Maurizio, ein heiliger Bonaventura, ein heiliger
Bernhardin von Siena, ein heiliger Ludwig Maria Grignion die Muttergottes!
In seiner Enzyklika Mystici Corporis vom 29. Juni 1943 verkündet Papst Pius XII.:
,,Sie war es, die durch ihre mächtige Fürbitte erlangte, daß der schon am Kreuz
geschenkte Geist des göttlichen Erlösers am Pfingsttag der neugeborenen Kirche in
wunderbaren Gaben gespendet wurde“. Zeigen nicht tatsächlich alle von der Kirche
approbierten bildlichen Darstellungen der Geistsendung Maria buchstäblich als Mittelpunkt
der apostolischen Gemeinde, z. B. das schöne Erzrelief des Meisters Eckart am Taufbecken
des Würzburger Doms aus dem Jahre 1279?
Wenn man aber schon an Barbara
Weigands Wort von Maria als dem Mittelpunkt der apostolischen Gemeinde Anstoß nimmt,
was sagt man dann zu jener Stelle in der Regel des Birgittenordens, wo bestimmt
wird, die Äbtissin solle ,,ähnlich wie Maria nach der Himmelfahrt ihres göttlichen
Sohnes das Haupt der Apostel und Jünger gewesen“, über die weiblichen und männlichen
Klöster regieren? Dabei stammt diese Regel aus einer Vision vom Heiland selbst und
erhielt im Jahre 1370 von Papst Urban V. die päpstliche Bestätigung.
Auch in einem Buche von Kardinal
Faulhaber ist zu lesen: ,,Maria bildete offenbar den Sammelpunkt der apostolischen
Gemeinde“. Ja, der im Jahre 1918 als schwerer Irrtum bezeichnete Ausdruck ,,Mittelpunkt
der jungen Kirche“ ist inzwischen offiziell kirchlich anerkannt worden. Denn das
von Bischof Julius eingeführte Würzburger Diözesangebetbuch Ave Maria vom Jahre
1949 hat auf S. 692 folgende Anrufung: ,,Heilige Maria, du warst der Mittelpunkt
der jungen Kirche!“
Damit ist Barbara Weigand wiederum
glänzend gerechtfertigt, und zwar von derselben kirchlichen Instanz, welche im Jahre
1918 den Ausdruck ,,Mittelpunkt der jungen Kirche“ als Irrtum bezeichnet hatte.
Inhaltsverzeichnis
b) Stellung im Erlösungswerk
Weil in den Schippacher Offenbarungen
Maria eine Mitwirkung beim Erlösungswerk zugeschrieben wird, mußte sich ihre Trägerin
abermals als Ketzerin brandmarken lassen. Man hat den Ausdruck ,,Miterlöserin“ als
dogmatisch unzulässig erklärt.
Ganz mit Unrecht. Maria hat in
der Tat aktiven Anteil am Erlösungswerk genommen, worüber heute wohl kaum mehr ein
theologischer Zweifel besteht. Selbst der Ausdruck ,,Miterlöserin“, ,,conredemptrix“
ist längst in die Terminologie der Theologie und hochamtlicher kirchlicher Schreiben
übergegangen. Schon der heilige Ludwig Maria Grignion von Montfort nennt Maria offen
,,Erlöserin des Menschengeschlechtes“, die Päpste Pius IX., Pius X. und Pius XI.
sowie Benedikt XV. haben den Ausdruck sanktioniert und appropiert, z.B. Pius X.
in seinem Rundschreiben zum Jubiläum des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis.
Man lese hierzu die Schrift von Hermann Seiler S.J.: Conredemptrix, Theologische
Studie zur Lehre der letzten Päpste über die Miterlöserschaft Mariens, Rom 1939.
Somit ist auch dieser Angriff gegen Schippach zusammengebrochen.
Inhaltsverzeichnis
c) Braut der Priester
Besonders schwere Angriffe wurden
ehedem gegen die Schau der Schippacher Jungfrau von Maria als der allerreinsten
Braut der Priester gerichtet.
Mag man wie bei allen Schauungen
und Ansprachen der Mystiker über die Tatsächlichkeit solcher Vorgänge denken wie
man will, so wird man doch dem schönen Gedanken von Maria als der Braut der Priester
seine Hochachtung nicht versagen können, wie denn auch pietätvolle geistliche Leser
in diesem Bilde einen neuen Antrieb zu engerem Anschlusse an die reinste Jungfrau
gefunden haben. Man hätte deshalb erwarten dürfen, daß wenigstens dieser fromme
Erguss unserer Gottesfreundin in den Augen ihrer Gegner Gnade finden würde. Aber
weit gefehlt: Bei Barbara Weigand mußte einfach alles schlecht sein. So fiel man
denn auch über das Bild von der Braut der Priester her und scheute sich nicht, jenen
Erguss als ,,unsittlich“, ,,Abgeschmacktheit einer unsinnigen Phantasie“, als ,,innerlichen
Unrat“ zu brandmarken, gegen den die Priester ,,mit Abscheu Protest erheben“ müssten;
die Priester ließen sich ihre Patronin ,,nicht zur allgemeinen Herzensgeliebten
im Sinne des Schippacher Orakels profanieren“.
Waren diese Worte, zu lesen in
einem von einem katholischen Priester verfassten Buche, wirklich am Platz? Verdiente
die fromme Jungfrau für ihren aus heißer Liebe zu einem makellosen Priesterstand
entsprungenen oder, wie sie glaubte, von oben ausgesprochenen Wunsch nach noch innigerem
Anschlusse an Maria wirklich eine solche kränkende Zurückweisung? Ist es wirklich
wahr, was man da behauptete, nach der Lehre der Kirche könne zwischen einem Menschen
und Maria gar kein bräutliches Verhältnis bestehen, weil sich weder ein Mensch ganz
an Maria noch Maria ganz an einen Menschen hingeben könne, wie es ein bräutliches
Verhältnis erfordere?
Diese ,,Kirchenlehre“ existiert
gottlob nicht. Wohl aber berichtet die Kirchengeschichte, daß sich heilige, selige
und sonstige fromme Priester ganz Maria hingegeben und sie sich zur Braut erkoren
haben, und daß kirchlich approbierte Gebete und Schriften diese Lehre offen verkünden.
So ist im berühmten Goldenen Buche des heiligen Ludwig Maria Grignion zu lesen:
,,Wenn Maria sieht, daß man sich ihr ganz schenkt, so schenkt sie sich auch ganz
und gar demjenigen, der ihr alles schenkt, sie macht sich zu seinem Unterpfand,
ersetzt alle seine Mängel und Fehler und wird ihm sein Ein und Alles bei Jesus,
kurz: wer sich Maria völlig geschenkt hat, dem gehört auch Maria ganz an“.
In dem weitverbreiteten, von Papst
Pius IX. am 5. August 1851 mit 100 Tagen Ablass ausgezeichneten Gebetchen ,,O Domina
mea!“ heißt es: ,,O meine Gebieterin, o meine Mutter! Dir bringe ich mich ganz dar.
Und um dir meine Hingabe zu beweisen, weihe ich dir heute meine Augen, meine Ohren,
meinen Mund, mein Herz, mich selber ganz und gar. Weil ich denn nun dir gehöre,
bewahre mich, verteidige mich als dein Gut und als dein Eigentum“.
Oder blättern wir etwas in der
Hagiographie! Da nennt der heilige Josef a Cupertino Maria ganz ausdrücklich seine
Braut; da wurde der selige Vinzent Pallotti am Silvesterabend 1832 mit der Muttergottes
mystisch vermählt; da ließ sich Maria dem seligen Hermann Josef antrauen, woher
sein Name Josef stammte.
In seinen programmatischen Forderungen
an die Marianischen Kongregationen vom 27. September 1948 verlangt der Heilige Vater
,,volle und stete Hingabe an den Dienst der jungfräulichen Gottesmutter Maria“.
Der fromme Propst Georg Seidenbusch,
der Schöpfer des vielgesungenen Liedes: ,,Kommt her, ihr Kreaturen all“, der die
Kongregation des heiligen Philippus Neri in Bayern und Österreich einführte, erwählte
sich schon als Student in München in der dortigen Pfarrkirche St. Peter Maria zu
seiner Braut und erneuerte dieses Gelöbnis jedes Jahr mit dem Erfolge, daß er nach
seinem eigenen Geständnis zeitlebens von schweren Versuchungen gegen die heilige
Reinheit bewahrt blieb. Hören wir den Wortlaut seines Verlöbnisses: ,,Machte mich
also aus innerlichem Antrieb zu dem Altar der seligsten Jungfrau und Muetter Gottes
Mariae Hilf von Passau, so dermalen wegen der eingefiehrten Marianischen Liebs-Verbündnis
im höchsten Flor, diemiethig hinzu, und bate Mariam, weilen bey dem Hochalter zwei
Adelige sich miteinander vermählten, ob sye, zwar als eine große Frau, aber sich
selbten ine diemiethig Magt genant, nicht mich armen möchte annemmen und mir glauben
mich mit ihr treuherzig zu vermählen.
Nun muß ich bekennen, daß ich inwendig
große Freyt empfangen und diemiethig mein Formular vor ihr abgelegt, und nit allein
gesagt: In Dominam et Advocatam, sed in charissimam Sponsam te eligo. Habe also
Maria in mein Gespons und Braut erwählet“.
Eine ganz ähnliche Begebenheit
wird uns aus dem Leben des heiligen Johannes Endes berichtet. ,,Um diese Zeit“ (Berufswahl),
erzählt sein Biograph P. Hector, ,,trieb ihn auch seine Liebe zu Maria zu einem
Akte der Hingabe, wie wir ihn im Leben des heiligen Edmund von Kanterburg finden.
Er erwählte sie zu seiner heißgeliebten Mutter oder vielmehr zu seiner Braut, und
legte, um diese geistige Verbindung in steter Erinnerung zu behalten, einen Ring
an den Finger einer Statue der seligsten Jungfrau.“
Wir sehen: Barbara Weigands Wunsch,
die Priester möchten sich Maria zu ihrer Braut erwählen, durfte Professor Dr. Krebs
nicht als ,,unsittliche Andächtelei“ und ,,innerlichen Unrat“ bezeichnen. Aber dieser
Erguss des Freiburger Professors gegen die Schippacher Mariologie ist typisch für
die Scheu der deutschen katholischen Theologie vor der Marianischen Frömmigkeit.
Hierüber hat Semmelroth S.J. im Jahre 1949 einen überaus lehrreichen Aufsatz veröffentlicht,
in welchem er diese Einstellung der deutschen Theologen ganz offen als im Gegensatz
stehend zu den ,,romanischen“ Theologen bezeichnet: ,,Es dürfte für unsere deutsche
Theologie kennzeichnend sein, daß sie gerade in der Mariologie Zurückhaltung und
Vorsicht zu ihrem Grundsatz gemacht hat. Wenn man von Scheeben absieht, so kann
man nicht sagen, daß die deutsche Theologie marianisches Gepräge trage ... Wir finden
bei den deutschen Theologen meist eine gewisse kühle Reserve, bisweilen sogar dem
anderswo Aufgestellten gegenüber geradezu Ablehnung.“
Bei Professor Krebs haben wir gesehen,
daß es nicht bloß Reserve war, die seinen marianischen Minimalimus kennzeichnete,
sondern kühne Angriffslust gegen jene, die anderer Meinung waren, z. B. gegen das
Vertrauen des Kardinals Mercier auf Maria als Patronin der nationalen Unabhängigkeit,
und schmutzige Verunglimpfung der zarten Marienminne der frommen Schippacher Jungfrau.
In der antimarianischen deutschen
Theologie liegt auch der Grund für das Fehlen von Muttergotteserscheinungen in deutschen
Landen. Die deutsche Theologie verweigert Maria das Visum.
Gottlob geht Rom andere Wege als
die deutsche Theologie.
Inhaltsverzeichnis
3. Angeblich falsche Engellehre
Am Feste des heiligen Evangelisten
Johannes 1895 glaubte Barbara beim Hochamte, während es zum Sanctus läutete, den
Altar von Engeln umringt zu sehen, die mit ihrem Angesicht zu Boden lagen und Gott
anbeteten. Nach der Wandlung habe sich einer von der Schar getrennt, sei auf sie
zugekommen und habe ihr gesagt, er sei ihr Schutzengel. Als die Jungfrau ob des
Glanzes des Engels erschrak, den sie als ,,hohen Fürsten“ erkannte, beruhigte er
sie, er sei erst seit drei Jahren ihr Schutzengel, ,,seitdem du im Bekenntnis des
heiligen Sakramentes so beharrlich gewesen und deshalb so vieles leiden mußtest“;
er sei aus dem Chor der Seraphim.
Ganz die gleiche Erscheinung wird
berichtet vom 1. November 1896 und wieder vom 8. September 1909. Barbara glaubte
also, zum Lohn für ihre Treue gegen das allerheiligste Sakrament einen zweiten Schutzengel,
und zwar einen aus einer höheren Ordnung, erhalten zu haben.
Auch diese ihre Meinung mußte sich
im Jahre 1916 die Zensur eines dogmatischen Verstoßes gefallen lassen. So heißt
es in einer weigandfeindlichen Schrift: ,,Vollständig neu in der Engellehre ist
auch die Mitteilung, daß Barbara Weigand seit drei Jahren zum Lohn ihrer Treue gegen
das heilige Sakrament einen anderen Schutzengel, und zwar bezeichnenderweise einen
der höchsten Seraphinen erhielt.“
Sehen wir einmal, ob diese Meinung
der Schippacher Jungfrau wirklich ein dogmatischer Irrtum ist und ob der Schutzengelwechsel
in der katholischen Engellehre und Heiligengeschichte wirklich etwas ,,vollständig
Neues“ darstellt, wie es in der schon mehrfach erwähnten antischippacher Schrift
behauptet wird.
Da ist jenem Vorwurf zunächst entgegenzuhalten,
daß Barbaras Meinung über einen zweiten Schutzengel schon deswegen kein dogmatischer
Irrtum sein kann, weil es kein Dogma gibt, daß jeder Mensch nur einen und denselben
Schutzengel habe.
Die Lehre von einem und einzigen
Schutzengel ist nämlich ,,weder in der Heiligen Schrift ausdrücklich ausgesprochen,
noch von der Kirche in einer feierlichen Glaubensentscheidung vorgelegt worden“;
sie ist lediglich eine sententia theologice certa; die theologische Gewissheit steht
aber nur zwischen Wahrscheinlichkeit und Glaubensgewissheit, ist aber selber noch
keine Glaubensgewissheit. Wenn aber - immer streng dogmatisch gesprochen - jene
Lehre nicht glaubenssicher ist, sondern nur theologisch sicher, dann ist ein Abweichen
davon auch kein dogmatischer Irrtum; denn auch das kirchliche Rechtsbuch sagt in
can. 1323 § 3 ganz deutlich: ,,Ein Dogma liegt nur dann vor, wenn es sicher feststeht,
daß etwas als Dogma erklärt oder definiert wurde.“
Es geht nicht an, die Schippacher
Schriften mit einem anderen Maßstab zu messen als mit diesem geraden Maßstab der
kirchlichen Lehre. Wenn man andere Menschen der Häresie und Sektenbildung anklagen
will, muß man die katholische Glaubenslehre dogmatisch genau nehmen, denn Häresie
ist bewusstes, hartnäckiges Festhalten an einer mit einem klar definierten Dogma
in Widerspruch stehenden Lehre, wie es auch genau im kirchlichen Rechtsbuch zu lesen
ist (can. 1325 § 2).
Barbara Weigands Meinung vom Schutzengelwechsel war also durchaus kein dogmatischer
Irrtum. War sie überhaupt ein Irrtum oder etwas ,,vollständig Neues“ in der katholischen
Engellehre? Oder gab es vielleicht bei anderen Personen auch schon Schutzengelwechsel
oder Schutzengelmehrung? Fragen wir darüber die Hagiographie!
Da hören wir nun, daß nicht gar
wenige Heilige, Selige oder im Rufe der Heiligkeit Verstorbene in ihrem Leben auch
schon zwei, mitunter sogar drei verschiedene Schutzengel erhielten: so der heilige
Gregor d. Gr., als er Papst wurde, der General der Unbeschuhten Karmeliten, Dominicus
a Jesu Maria (1630), die selige Dominikanerin Katharina von Racconigi (1547), Viktoria
Angeli, Maria Raggi, die ehrwürdige Birgittin Marina von Escobar (1633), die ehrwürdige
Karmelitin Margarete vom heiligsten Sakrament (1648), die Klarissin Pudentiana Zagnoni,
die heilige Margareta Maria Alacoque, Benigna Gojos, die heilige Äbtissin Humiliana
(1310), die stigmatisierte Dominikanerin Columba Schonath von Bamberg.
Die heilige Franziska von Rom erhielt
in drei verschiedenen Abschnitten ihres Lebens sogar drei verschiedene Schutzengel:
den ersten aus dem Chor der Engel, den zweiten aus dem Chor der Erzengel, den dritten
aus dem Chor der Mächte.
Und wenn man Barbara Weigands Glauben
an einen Schutzengel aus den höheren Ordnungen bemängelte und ironisierte, so ist
es heute allgemeine Lehre der Theologen, daß auch die Engel der höheren Chöre Sendungsgeschäfte
ausführen, wie denn auch der heilige Paulus (Hebr. 1,14) ausdrücklich ,,alle Geister“
den Menschen dienen läßt und auch die höchsten Geister Gottes Aufträge ausführten,
z. B. der Seraph bei Isaias (6,6) und die beiden Cherubim am Eingang zum Paradies
(Gen 3,24).
Wir sehen also, daß Barbaras Glaube
einen zweiten und höheren Schutzengel erhalten zu haben, weder etwas ,,vollständig
Neues in der katholischen Engellehre“ noch ein dogmatischer Irrtum war. An diesem
geradezu klassischen Beispiel kann man also handgreiflich sehen, wie man im Jahre
1916 ,,dogmatische Irrtümer“ in den Schippacher Schriften konstruierte, um deren
Urheberin zur Häretikerin zu stempeln und die Schippacher Sakramentskirche in Trümmer
zu schlagen.
Inhaltsverzeichnis
4. Angeblich falsche Prophezeiungen
Wir haben bereits in einem früheren
Kapitel eine Blütenlese seherischer Aussprüche gebracht, in welchen sich die Schippacher
Jungfrau mit künftigen Ereignissen befaßte, und wir haben dort gesehen, wie sich
die Schau der Seherin in die Zukunft der Menschheit und der Kirche mit überraschender
Klarheit als richtig erwiesen hat. Was Barbara Weigand vor sechzig und mehr Jahren
über die kommenden Heimsuchungen der Menschheit durch Kriege und Revolutionen, der
Kirche durch Verfolgungen und Glaubensabfall, was sie auch über ihr eigenes Leben
und das Schicksal ihrer Werke vor mehr als einem halben Jahrhundert als Stimme Gottes
vorgetragen hat, ist restlos in Erfüllung gegangen. Angesichts solch augenfälliger
Bestätigungen ihrer Prophezeiungen erscheint es eigentlich überflüssig, noch ein
Wort der Rechtfertigung zu bringen; weil aber zur Zeit die Bekämpfung Schippachs
so laut von angeblich falschen Prophezeiungen gesprochen wurde, wird es gut sein,
auch diesen Vorwürfen etwas nachzugehen.
Zunächst ist es unbestritten, daß
Prophezeiungen, die sich durch die nachfolgenden Ereignisse als unrichtig herausstellen,
nicht göttlichen Ursprungs sein können, sondern eine Folge jener Ursachen sind,
die auch auf anderen Gebieten visionäre Irrungen hervorrufen können. Aber man muß
sich auch vor dem falschen Schlusse hüten, solche vereinzelte Irrungen in bezug
auf künftige Dinge gegen den übernatürlichen Charakter von Privatoffenbarungen oder
gegen die außerordentliche Begnadigung der fraglichen Person schlechthin auszuspielen,
da sich Irrungen sogar bei heute unbestritten als begnadigt geltenden Personen finden,
z. B. beim heiligen Bernhard von Clairvaux. Sodann muß man bei Prophezeiungen mystisch
begnadigter Personen den Zweck ihrer Begnadigung wohl im Auge behalten: alles, was
nicht in der Richtung dieses Zweckes liegt, gehört nicht zur Mission des Begnadigten
und kann darum keinen Anspruch auf Irrtumslosigkeit erheben.
Es zeugte nun gewiß nicht von besonderer
Vornehmheit des Geistes, von dem ungemein vielen Guten und Schönen in den Schippacher
Schriften nichts zu berichten, dagegen mit Adleraugen nach Schwächen und angeblich
falschen Prophezeiungen zu fahnden und mit dem Finger auf solche hinzuweisen, wie
es in den Jahren 1914 bis 1920 in der Presse geschehen ist. So hieß es dort z. B.:
,,Bei Barbara Weigand liegen eine ganze Anzahl falscher Prophezeiungen bereits vor.“
Betrachten wir uns also einmal
diese ,,ganze Anzahl falscher Prophezeiungen“, welche nach Angabe der Gegner bereits
im Jahre 1916 vorlagen.
Inhaltsverzeichnis
a) Revolutionen
Einen breiten Raum nehmen in den
Schippacher Schriften die Hinweise auf die kommenden Strafgerichte ein, welche Gott
zur Züchtigung der von ihm abgefallenen Menschheit schicken werde. Furchtbare Kriege
und grausame Revolutionen werden über die Menschheit hereinbrechen: so verkündete
die Seherin von Schippach schon vor der Jahrhundertwende. Im Jahre 1914 war der
erste Weltkrieg entfesselt - der Jungfrau prophetische Ankündigung ging in Erfüllung.
Das wollten aber die Gegner im Jahre 1916 nicht gelten lassen und sie stellten darum
die Behauptung auf, Barbara Weigand habe mit ihrer Vorhersage keinen Krieg, sondern
eine blutige Revolution gemeint. Von einer solchen sei aber nichts zu sehen: also
sei Barbara Weigand eine ,,Lügenprophetin.“
Abgesehen davon, daß die Jungfrau
ganz deutlich von Kriegen redet, in denen ganz Europa, ja die ganze Welt zum Schlachtfeld
würde, spricht sie auch von blutigen Revolutionen und gewaltsamem Umsturz aller
Ordnung, wie die früher gebrachten Zitate beweisen und wie auch ihre Gegner bestätigen.
In beiden Heimsuchungen aber hat sie nur zu deutlich vorausgesehen, die wir wahrhaftig
nicht mehr zu beweisen brauchen. Denn auch solche schreckliche Revolutionen, wie
sie seit 1917, von Russland angefangen, bis auf diesen Tag die Menschheit heimsuchen,
hat die Weltgeschichte noch nicht gesehen. Barbara Weigands Ankündigung ist nur
zu deutlich bittere Wahrheit geworden.
Inhaltsverzeichnis
b) Heilige
In den Vorhersagungen über die
Kirche kommt die Seherin von Schippach wiederholt auf die vielen Heiligen zu sprechen,
die der Kirche im 19. und 20. Jahrhundert entsprießen würden. Erinnern wir uns der
Worte des Herrn vom 25. Juni 1897: ,,Noch nie seit den achtzehn Jahrhunderten wird
ein anderes Jahrhundert bestehen, in dem so viele Heilige gelebt haben und leben
werden als in diesem Jahrhundert.“ Oder seines Wortes vom 30. Juli 1897: ,,Ich will
Heilige bilden zu allen Zeiten, am allermeisten aber in dieser Zeit. Oder vom 6.
August 1897: ,,Ich habe euch gesagt, daß kein Jahrhundert so große Heilige erzeugen
wird.“ Oder vom letzten Freitag im März 1900: ,,Es werden sich so viele Heilige
bilden in diesem Jahrhundert, daß die Kirche, solange sie noch besteht, sich an
diesem Jahrhundert rühmen und erbauen kann.“
Diese prophetischen Worte zogen
der Schippacher Jungfrau nicht nur den Vorwurf der Fehlprophezeiung, sondern sogar
- man staune! - jenen der geistigen Abnormität zu: Wer so übertreibe, habe ,,das
Recht verwirkt, für normal genommen zu werden.“ Sehen wir also einmal, ob die Weigandsche
Prophezeiung von den vielen Heiligen in unserer Zeit wirklich eine Lügenprophezeiung
war, die nur ein Geisteskranker aussprechen könne!
Da lese ich im Bayerischen Klerusblatt
5 (1928) auf S. 233 in einem Aufsatz von Domkapitular Rindfleisch wörtlich: ,,Wenn
wir die Jahrhunderte der Kirche im Geiste überblicken, werden wir kaum eine Zeit
finden, in der so viele Selig- und Heiligsprechungen stattfanden wie gerade in unseren
Tagen.“ Nach einer von P. Häußler S. J. im Jahre 1942 aufgestellten Statistik gab
es bis dahin 233 namentlich kanonisierte Heilige, davon 42 seit dem Jahre 1900.
Hierzu kommen seit 1942 weitere 18 Heiligsprechungen, so daß die Hälfte unseres
Jahrhunderts bereits 60 Kanonisationen aufweist (ohne Seligsprechungen) - mehr als
je ein früheres Jahrhundert. Ein beträchtlicher Anteil hieran fällt dem Heiligen
Jahr 1950 zu, bei dessen Eröffnung die deutsche Presseagentur die folgende Meldung
aus dem Vatikan verbreitete: ,,Das Heilige Jahr 1950 wird in die Chronik der Heiligen
Jahre als das Jahr der Heilig- und Seligsprechungen eingehen, da nie zuvor in einem
Jahr so viele Diener Gottes heilig- oder seliggesprochen worden sind.“
Schon im offiziellen Katalog der
Ritenkongregation vom Jahre 1932 war die Zahl der zu Beatifizierenden oder Kanonizierenden
gegenüber dem Katalog von 1921 von 328 auf 551 angestiegen. Das betrifft jene, die
zur Ehre der Altäre feierlich erhoben werden sollen oder erhoben wurden. Ihre Zahl
ist also schon in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts größer als je in
einem der früheren Jahrhunderte. Genau so hatte es Barbara Weigand angekündigt.
Und dann: Die Hunderttausende, vielleicht Millionen von Blutzeugen die für ihren
christlichen Glauben in den schrecklichen Christenverfolgungen unserer Zeit auf
der ganzen Welt, Blutzeugen, deren Zahl nach Teusch die Anzahl der Märtyrer in den
großen Christenverfolgungen im alten Römischen Reich weit überschreitet!
Wenn in den Schreckensjahren des
spanischen Bürgerkrieges von 1936 bis 1939 allein 13 Bischöfe, 4101 Priester, Tausende
von Ordensleuten und etwa 700000 Laien um ihres Glaubens willen den Martertod erlitten
haben, wenn der Bezwinger des spanischen Antichristen im Anblicke dieses Martyriums
ausrufen konnte: ,,Die Verfolgung des christlichen Spaniens ist die ruhmreichste
Verfolgung, die die Kirche je erlitten hat“, wenn Papst Pius XI. schon in seiner
Ansprache vom 14. September 1936 an die spanischen Flüchtlinge das Bekenntnis aussprach:
,,Ein ganzer Himmel von christlichen und priesterlichen Tugenden, von Heldentaten
und Martyrien im heiligen und strahlenden Vollsinn des Wortes“, sehen wir dann nicht
Barbara Weigands Prophezeiung von den vielen Heiligen im zwanzigsten Jahrhundert
jetzt schon restlos in Erfüllung gegangen? Und die Martyrien in den vom Kommunismus
beherrschten Ländern? Hierüber berichtet die Deutsche Presseagentur am 14. Oktober
1950 aus dem Vatikan die folgende traurige Bilanz:
Vatikanstadt
(dpa). 11000 Priester und Mönche hingerichtet, im Gefängnis oder deportiert, drei
Bischöfe hingerichtet, ein Kardinal auf Lebenszeit im Gefängnis, zwei Erzbischöfe
zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt, ein Erzbischof unter Hausarrest und
Hunderte von Geistlichen im Exil, ist die mäßige Übersicht über den gegenwärtigen
Stand der Verfolgung der katholischen Kirche in den kommunistischen Ländern Osteuropas,
die der Vatikan am Samstag veröffentlichte.
In Rumänien sind alle lebenden Priester im Gefängnis, 700 sind hingerichtet worden.
In Bulgarien sind alle Einrichtungen
der katholischen Kirche als ungesetzlich erklärt, 120 Priester und kirchliche Würdenträger
sind im Gefängnis oder im Exil.
In Albanien wurden alle Bischöfe
als Volksfeinde verhaftet, zwei Bischöfe hingerichtet und der Erzbischof von Durazzo
zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.
In Polen wurden 7000 Priester von
der Polizei ,,gemaßregelt“. 1000 sind erschossen oder in KZs gebracht worden.
In der Tschechei sind alle katholischen
Organisationen aufgelöst. Erzbischof Beran steht unter Hausarrest. Alle katholischen
Schulen sind geschlossen.
In Ungarn wurden bis Juni 1950
538 Priester hingerichtet, zu Gefängnis verurteilt oder deportiert. Ein Bischof
wurde auf Veranlassung der sowjetischen Armee hingerichet, weil er Frauen zu schützen
versuchte, die von Soldaten vergewaltigt wurden. Kardinal Mindszenty erhielt lebenslängliches
Gefängnis. Im Juni wurden 1000 Mönche und Nonnen in KZs gebracht.
In Jugoslawien wurden 1954 Priester
hingerichtet, gefangengesetzt oder deportiert. 196 von ihnen wurden ohne Gerichtsverfahren
und 32 in Massenprozessen zum Tode verurteilt, Erzbischof Stepinac zu 16 Jahren
Gefängnis verurteilt. 409 Priestern gelang die Flucht.
In den zu Sowjetrepubliken erklärten
Baltenländern Estland, Lettland und Litauen wurden 1000 Priester und kirchliche
Würdenträger hingerichtet oder in das Gefängnis geworfen. In der Ukraine haben über
3600 Priester den Tod gefunden.
Darf nicht auch auf den größten
Teil dieser Opfer satanischer Verfolgung das obige Wort des Heiligen Vaters von
einem ,,wirklichen Martyrium“ Anwendung finden?
In der Schrift des Kardinals Suhard
von Paris: ,,Aufstieg oder Niedergang der Kirche“ ist folgendes zu lesen: ,,Wenn
es auch sicherlich zutrifft, daß die Massen Gott niemals so ferne waren wie heute,
so hat es vielleicht zu keiner Zeit so viele Heilige gegeben. Allein die Liste derer,
die die Kirche seit Beginn des Jahrhunderts selig- oder heiliggesprochen hat, würde
genügen, ihm den Ehrennamen des Jahrhunderts der Heiligen einzutragen.“
Und Bischof Josef Stangl von Würzburg,
also jener Stadt, in der ein hochgestellter Priester im Jahre 1916 die Weigandsche
Ankündigung von den vielen Heiligen unseres Jahrhunderts eine maßlose Übertreibung
und die Sprache eines anormalen Menschen nannte, sagte wörtlich in seiner Kilianipredigt
am 14. Juli 1958: ,,Das Zwanzigste Jahrhundert hat mehr Märtyrer als die vergangenen
Jahrhunderte“.
Wir sehen: Barbara Weigand ist
auch in ihren Aussagen über die Heiligkeit der Kirche im Zwanzigsten Jahrhundert
glänzend gerechtfertigt.
Inhaltsverzeichnis
c) Ausbreitung
Eine weitere falsche Prophezeiung
erblickten die Gegner in der Äußerung vom 12. Mai 1897: ,,Was ich mit dir rede,
wird von Mund zu Mund gelangen, ohne Aufsehen.“ Nun ist es doch wahr, daß die wunderschönen
und tiefen Worte über Buße, Sühne, Opfer, lebendigen Glauben, Leiden, heilige Kommunion,
offenes Bekenntnis des Glaubens, Kampf gegen die Vergnügungssucht sich bald über
mehrere Länder Europas verbreiteten, obwohl bei der primitiven Art des Abschreibens
begreiflicherweise nur wenige Exemplare der Niederschriften vorhanden waren und
die modernen Publikationsmittel, namentlich der Druck, so gut wie nicht zur Verfügung
standen. Wenn aber diese Gedanken, wie die Ausbreitung des Liebesbundes beweist,
trotzdem Gemeingut vieler Tausender wurden, so finden die obigen Worte darin ihre
laute Bestätigung.
Nicht anders verhält es sich mit
der weiteren ,,falschen“ Prophezeiung:
,,Du wirst dich nie zu verantworten haben, weder vor einem geistlichen noch vor
einem weltlichen Gericht.“
Barbara Weigand stand zwar oft
vor Generalvikaren, Domkapitularen, Professoren, Seminarregenten, Prüfungskommissären;
aber niemals vor einem geistlichen und auch niemals vor einem Weltkichen-Gericht.
Inhaltsverzeichnis
d) Einweihung der Kirche
Barbara Weigand soll die Einweihung
der Schippacher Kirche auf Fronleichnam 1915 geweissagt haben, was aber nicht eingetroffen
sei. Wie steht die Sache? Am 27. Mai 1913, zwei Tage vor dem Eintreffen des zur
kanonischen Visitation in Schippach erwarteten Bischofs, glaubte die Jungfrau die
Worte des Herrn zu hören: ,,Mein Diener (sc. der Bischof) möge sorgen, daß es angefangen
und tapfer dahintergegangen wird, daß die Kirche bis 1915, am Sakramentssonntag,
kann eingeweiht werden.“
Jedermann sieht, daß hier keine
Prophezeiung vorliegt, sondern eine Mahnung an den Bischof, die Kirchenbausache,
welche seine Behörde schon jahrelang beschäftigt hatte, kräftig zu fördern. Weil
aber diese Mahnung vergeblich war und der Kirchenbau infolgedessen immer noch nicht
begonnen wurde, konnte er natürlich im Jahre 1915 auch nicht fertiggestellt und
nicht eingeweiht werden. Von einer falschen Prophezeiung kann also keine Rede sein.
Inhaltsverzeichnis
e) Todesjahr
Auch das Jahr ihres Todes soll
Barbara Weigand falsch prophezeit haben, höhnten die Zeitungen: ,,Barbara Weigand
lebt und erfreut sich eines gesunden Appetits ... Die Prophetin hatte aber geoffenbart,
sie würde am Fronleichnamsfest 1916 sterben ... die Prophetin selbst glaubt nicht
mehr daran; wenigstens hat sie keine Veranstaltungen getroffen, sich auf den Heimgang
vorzubereiten.“
Was hat denn nun die Seherin von
Schippach eigentlich über ihren Tod geweissagt? Da lese ich in ihren Schriften wortwörtlich:
,,Am Herz-Jesu-Fest 1894 wurde mir zu wissen getan, daß ich in meinem 70. Lebensjahr
anfangen soll, mich auf meinen Tod vorzubereiten.“ Barbara Weigand war geboren am
10. Dezember 1845, mußte also, wenn sie so lange lebte, am 10. Dezember 1915 das
70. Lebensjahr erreichen. Der Herr hatte ihr also, wie sie im Jahre 1894 niederschreibt,
nur zu wissen getan, daß sie 70 Jahre alt würde und dann anfangen solle, sich auf
ihren Tod vorzubereiten. Der Tod konnte also 1916 oder später eintreten. So verstand
auch Luise Hannappel die obige Mitteilung des Herrn, wie aus ihrem Brief vom 27.
Mai 1913 an den Bischof von Würzburg zu ersehen ist: ,,Wenn Frl. Barbara Weigand
nach ihrem 70. Lebensjahr, 1916 oder später, stirbt ...“ Die im Jahre 1894, als
sie 49 Jahre zählte, erhaltene Zusicherung, daß sie 70 Lebensjahre erreichen würde
und dann noch Zeit habe, sich auf ihren Tod vorzubereiten, ist wieder buchstäblich
eingetroffen.
Das also ist die ,,ganze Anzahl
der bereits vorliegenden falschen Prophezeiungen“. Wir haben gesehen: es waren ganz
richtige Vorhersagungen.
Inhaltsverzeichnis
5. Einwände gegen den Liebesbund
Bereits in den Novembertagen des
Jahres 1905 bildete der Liebesbund, der damals die Freunde Schippachs noch ohne
jede Förmlichkeit mit einem rein geistigen Band umschloss, den Gegenstand einer
Inquisition seitens einiger Mainzer Priester, die durch ihre Fragen im Beichtstuhle
ihre Beichtkinder in Verwirrung brachten. Die Sache gelangte bald an die bischöfliche
Behörde, welche Luise Hannappel als vermeintliche Urheberin vor ihr Forum zitierte,
um von ihr Näheres über den Bund, seine Organisation, Zahl und Namen seiner Mitglieder
und deren religiöse Betätigung zu erfahren. Luise Hannappel fiel die Verteidigung
nicht schwer; denn die Zugehörigkeit zu dem rein geistigen Gebetsbund wurde von
jedem einzelnen stillschweigend erworben durch das geistige Versprechen, nach den
bewährten Regeln jenes Bundes sein Leben einzurichten; Verzeichnisse wurden auch
keine geführt, so daß Luise Hannappel gar nicht in der Lage war, über ihren engsten
Bekanntenkreis hinaus die Namen der Mitglieder anzugeben.
Zum Bischof Kirstein ihre Zuflucht
nehmend, konnte sie aus dessen Mund die tröstliche Versicherung hören, er wolle
den Dingen ihren Lauf lassen; denn sei es Gottes Sache, dann werde sie schon durchdringen.
Sein Generalvikar Engelhardt allerdings war anderer Meinung. Er stieß sich schon
an dem Namen ,,Liebesbund“, über den er sich P. Felix Lieber gegenüber weidlich
lustig machte, obwohl doch dieser ehrwürdige Name so alt ist wie die Kirche und
oft auch in offiziellen kirchlichen Büchern vorkommt, z.B. wieder im Diözesangebetbuch
des Bistums Würzburg vom Jahre 1948 auf Seite 691. Weil aber dieser Name im Munde
der Barbara Weigand erschien, mußte er wie alles, was aus diesem Munde kam, schlecht
sein.
Lauter und heftiger wurde jedoch
später der Kampf gegen den Bund in der Erzdiözese Köln, und zwar von der Geistlichkeit
der Stadt Aachen geführt. Als die dortigen Gegner durch die Approbationsverweigerung
des Ordinariates Köln ihr vorläufiges Ziel erreicht hatten, gab es einige Jahre
Ruhe, zumal auch die dortigen Mitglieder auf die dringende Mahnung des klugen P.
Felix Lieber sich jeder besonderen Tätigkeit enthielten, was ihnen seitens des Kardinals
von Köln das schriftliche Lob ihrer ,,bewährten echt katholischen Gesinnung“ einbrachte.
Nachdem aber der Bund im Frühjahr
1914 die offizielle Genehmigung einiger Ordinariate erhalten hatte, glaubten auch
die Aachener Freunde nach den nunmehr approbierten Satzungen leben und beten zu
dürfen. Aber sofort erschien auch die Geistlichkeit wieder auf dem Plan, diesmal
unter der Führung des Oberpfarrers Bayer von St. Paul, dem es besonders die Geldspenden
der Aachener für Pfarrei und Kirchenbau in Schippach angetan hatten. Es gelang ihm
in der Tat, vom neuen Kölner Erzbischof Kardinal Felix von Hartmann ein sogenanntes
Publicandum zu erwirken, das am 19. Juli 1914 von allen Kanzeln der Stadt verlesen,
an allen Kirchentüren angeschlagen, in allen Vereinsversammlungen bekanntgegeben
und an viele Adressaten nach auswärts versandt wurde. Dieses Publicandum hat folgenden
Wortlaut:
,,Im hohen Auftrag
Seiner Eminenz des hochwürdigsten Herrn Erzbischofs Felix Kardinal von Hartmann
tun wir den Gläubigen Folgendes kund: die Vereinigung, die sich seit einiger Zeit
auf auswärtige Veranlassung hin hier in Aachen gebildet hat, mit Namen ,,Liebesbund“,
ist niemals von der Kirche gutgeheißen worden, sondern ist vielmehr auf das schärfste
zu missbilligen. Es ist der Wunsch Sr. Eminenz, daß die Gläubigen sich von dem sogenannten
Liebesbunde fernhalten und dessen Bestrebungen in keiner Weise durch Geldspenden
unterstützen.
Vorstehendes Publicandum
soll am Sonntag, 19. ds., von allen Kanzeln der Stadt Aachen verkündet werden.
I.A. Dr. J. Drammer.“
,,Der Liebesbund ist niemals von der Kirche gutgeheißen worden“, so verkündeten
also die Priester am 19. Juli 1914 von allen Kanzeln der Stadt Aachen. Das war aber
doch eine offene Unwahrheit, denn am 6. April 1914 hatte der Fürstbischof von Trient,
am 16. Mai 1914 der Bischof von Salerno, am 29. Mai 1914 der Erzbischof von München,
am 30. Mai 1914 der Bischof von Temesvar den Liebesbund approbiert.
,,Der Bund ist auf das schärfste
zu missbilligen“, so hallte es von allen Kanzeln einer deutschen katholischen Stadt.
,,Wir billigen und segnen von ganzem Herzen den Eucharistischen Liebesbund und wünschen
ihm die weiteste Verbreitung“, so verkündete zur gleichen Zeit der Erzbischof von
Salerno.
,,Heilig ist der Zweck des Liebesbundes;
deshalb verstehe ich es wohl, daß der Liebesbund sich ausbreitet“, so begrüßte ihn
Seine Eminenz Kardinal Bisleti am 16. November 1914.
,,Da ich den überaus edlen und
heiligen Zweck des Bundes hochschätze, bin ich sehr gern bereit, seine Approbation
durch den Heiligen Stuhl zu begünstigen“, so schrieb am 23. Januar 1915 Fürstbischof
Celestino von Trient.
,,Dieser Bund ist in der Diözese
Fünfkirchen eingeführt und zeitigt von Tag zu Tag immer mehr der kostbarsten Früchte“,
so bestätigte am 23. Februar 1915 der dortige Bischof Julius Zichy in einem Brief
an den Heiligen Vater.
,,Ich bin tief überzeugt von der
zeitgemäßen Nützlichkeit eines solchen Werkes. Die weitere Ausbreitung desselben
ist sehr erwünscht“, so urteilte am 12. September 1942 der bischöfliche Administrator
von Metz.
Also überall dasselbe Lob. Nur
in der deutschen Stadt Aachen war der Bund ,,auf das schärfste zu missbilligen.“
Warum? Wir wissen es: weil seine Aachener Freunde ,,das viele Geld“ zu Pfarrei und
Kirchenbau nach Schippach schickten, anstatt es für die Erbauung eines Vereinshauses
in Aachen zu geben. Daher auch die rührende Mahnung im Publicandum, ,,dessen Bestrebungen
in keiner Weise durch Geldspenden zu unterstützen.“
Als heftigsten Gegner des Bundes
in Aachen erwies sich, wie schon erwähnt, der Vater des obigen Publicandum, der
Oberpfarrer von St. Paul, der sich in Predigten, Vereinsvorträgen,
in Eingaben an das Erzbischöfliche Ordinariat und besonders in seinen Veröffentlichungen
in den Aachener Zeitungen, die er dann an die anderen Ordinariate sandte, an Gehässigkeiten,
Entstellungen und Verdächtigungen das äußerste leistete, was ihm überhaupt möglich
war. Es regnete aus seinem Mund und seiner Feder nur so an wüsten Beschimpfungen,
wie seine Auslassungen im „Piusblatt“, im „Echo der Gegenwart“, im „Volksfreund“
und im „Aachener Generalanzeiger für Stadt und Land“ ersehen lassen.
Die allzu durchsichtigen Attacken der Aachener Geistlichkeit und
der dortigen katholischen Presse sollten jedoch noch weit übertroffen werden durch
die in den Mantel der Wissenschaft sich hüllenden Angriffe, die der Gewährsmann
des Ordinariats Würzburg im Jahre 1916 in Presseveröffentlichungen gegen den Bund
richtete. Vier Anschuldigungen waren es vornehmlich, die er gegen den Bund, seine
Stifterin und Anhänger erhob:
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a) die Approbation des Liebesbundes sei auf betrügerische
Weise erschlichen worden, |
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b) Barbara Weigand und ihre Anhänger hätten sich gegen
die Vorschriften des Index verfehlt, |
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c) der Liebesbund sei eine Gefahr für den Glauben
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d) der Liebesbund sei eine überflüssige Sache. |
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Gehen wir den vier Anschuldigungen etwas nach!
Inhaltsverzeichnis
zu a) Erschleichung der Approbation
Die Tatsache der kirchlichen Approbation des Bundes konnte im
Jahre 1916 doch nicht mehr so offen weggeleugnet werden, wie das im Jahre 1914 in
Aachen geschehen war. Weil aber diese Tatsache den Gegnern höchst unbequem war und
ihrem Axiom von der Schlechtigkeit des Bundes im Wege stand, suchte man sie auf
andere Weise zu entkräften: man erklärte sie für erschlichen. Den Beweis für diese
neue ehrenrührige Behauptung schenkte man sich; eine öffentliche Erwiderung und
Richtigstellung brauchte man nicht zu befürchten, denn die Freunde Schippachs waren
damals mundtot gemacht worden und durften keine öffentliche Selbstverteidigung führen,
während die Gegner Schippachs ihre unwahren Behauptungen unbehindert in den Zeitungen
und in eigenen Broschüren mit kirchlicher Druckerlaubnis publizieren konnten. So
veröffentlichte die Presse unter dem Schutze des Imprimatur die folgende unwahre
und ehrenrührige Darstellung: „Bei wievielen bischöflichen Behörden der Versuch
gemacht wurde, die kirchliche Sanktion des Bundes zu erhalten, entzieht sich unserer
Kenntnis. Von der erzbischöflichen Behörde zu Köln wissen wir es und ken- nen ihr
Verbot. Doch da verleugnet der Liebesbund seine Stifterin ... Und siehe, wahrscheinlich
(!) durch Mittelspersonen gelang es nunmehr, eine bischöfliche Approbation in Trient
zu erlangen.“
„Als in der Erzdiözese Köln dem Liebesbund der Barbara Weigand
die kirchliche Bestätigung verweigert worden war, suchte man anderswo dadurch zum
Ziele zu kommen, daß man den Zusammenhang des Gebetsvereins mit der Seherin und
mit göttlichen Offenbarungen verschwieg.“
„Der Redaktor der Statuten hat alles, was irgendwie die Herkunft
der Sache von Barbara Weigand hätte verraten können, gestrichen. Die kirchliche
Obrigkeit durfte keinen Versacht schöpfen.“
„Es gelang den Anhängern der Seherin, am 6. April 1914 die Approbation
des Bischofs von Trient für einen Gebetszettel zu erhalten, auf welchem Zweck und
Satzungen des Liebesbundes verzeichnet sind. Mehrere andere Ordinariate folgten
mit dem Imprimatur für die Statuten nach. Es war in diesen Statuten mit keiner Silbe
der Privatoffenbarungen der Barbara Weigand gedacht worden.“
So der Prüfungskommissär, der dem Ordinariat Würzburg die Gutachten
gegen Schippach lieferte. Ganz konform mit dieser Darstellung lautet denn auch der
Erlass des Ordinariats Würzburg vom 18. Februar 1916:
„An und für sich betrachtet erscheint der Wortlaut der Statuten
und Gebete des Liebesbundes einwandfrei und er erhielt auch deswegen offenbar in
Unkenntnis der geheimen Herkunft und Ziele dieses Gebetsbundes die Druckerlaubnis.“
Noch schärfer drückte sich das Ordinariat Würzburg aus in seinem
Antrag an den Heiligen Stuhl vom 10. März 1916 um ein päpstliches Verbot des Bundes,
so veröffentlicht im Amtsblatt:
„Der Eucharistische Liebesbund des göttlichen Herzens Jesu möge
allgemein verboten werden, wenn auch die Freunde der Barbara eine kirchliche Genehmigung
für denselben von mehreren Bischöfen erschlichen haben.“
Damit waren jene Priester, welche die Approbation des Bundes erwirkt
hatten, nämlich P. Felix Lieber, P. Angelicus Bugiel und dessen Oberer P. Josef
Bergmiller, amtlich und öffentlich vom Ordinariat Würzburg als Betrüger hingestellt
und ihre Orden (Franziskaner, Salvatorianer) schwer kompromittiert worden. Das war
im Jahre 1916. Selbstverständlich nahmen die so schwer beschuldigten Ordenspriester
den öffentlichen Vorwurf der Betrügerei nicht ruhig hin, sondern ergriffen Beschwerde
beim Ordinariat Würzburg und beim Päpstlichen Nuntius in München mit dem Erfolg,
daß das Ordinariat Würzburg im Jahre 1918 die Approbationserschleichung nicht mehr
als Tatsache, sondern nur als Möglichkeit für die Zukunft bezeichnete. Aber der
Makel blieb: „Calumniare audacter, semper aliquid haeret.“
Nun haben wir ja aus unserer aktenmäßigen Darstellung der Vorgänge
um die Approbation ersehen, daß ebenso wie die kirchlichen Behörden in Mainz und
Köln auch jene von Trient ganz offen über die Herkunft des Bundes aus den Privatoffenbarungen
der Barbara Weigand unterrichtet worden waren. Prälat Hutter von Trient war von
P. Angelicus Bugiel und seinem Obern P. Josef Bergmiller aufs genaueste mit Schippach
bekannt- gemacht worden und hatte selbst die Schriften der Barbara Weigand zum Gegenstand
seiner Lektüre genommen. Auf ausdrückliche Weisung von Prälat Hutter unterblieb
aber in dem offiziellen Text der Hinweis auf die Privatoffenbarungen, weil ja die
Sache in sich gut sei: eine Handlungsweise, die völlig der kirchlichen Praxis aller
Zeiten entsprach.
Die Behauptung von der Approbationserschleichung durch hinterlistige
Irreführung der kirchlichen Behörden trug zudem schon für jeden ehrlich denkenden
und seinen Mitmenschen liebenden Leser den Stempel der Unwahrscheinlichkeit an sich,
denn wir meinen, Ordenspriester gingen doch nicht darauf aus, Bischöfe und Ordinariate
zu betrügen, wie in unserem Falle das Ordinariat Würzburg und sein Gewährsmann ohne
jede Spur eines Beweises in die Welt hinausriefen.
Zu einem solchen schweren Vorwurf der Betrügerei („dolus malus“,
„subreptitiv“, „verschwieg“, „verleugnet“, „Doppelspiel“, „eingeschmuggelt“, „erschlichen“,
„fraudes“), der doch das Achte Gebot Gottes sehr wesentlich berührte, hätte eine
kirchliche Behörde schon einen stichhaltigen Beweis haben müssen. Was man sich doch
gegen Schippach alles erlaubte! Ohne den Tatbestand auch nur einigermaßen zu prüfen,
präsentierte die Würzburger Prüfungskommission dem dortigen Ordinariat ihre „von
vornherein“ gemachten Annahmen und dieses publizierte diese ehrenrührigen und völlig
unwahren Behauptungen sogar im kirchlichen Amtsblatt und berichtete sie als „Prüfungsergebnis“
an die anderen deutschen Ordinariate und sogar an den Heiligen Stuhl.
Während aber die deutschen Ordinariate den Bericht Würzburgs als
wahr hinnahmen, lehnte Rom ein Vorgehen gegen den Liebesbund bis heute rundweg ab.
Nein, nicht „Barbara Weigand hat viele fromme Seelen in die Irre geführt“, wie das
Ordinariat Freiburg schrieb, sondern das taten jene schippachfeindlichen Priester
in Aachen, Freiburg, Mainz und Würzburg, welche offenkundige Unwahrheiten auf den
Kanzeln, in der Presse und in Gutachten vortrugen und, wie ersichtlich, auch das
Ordinariat Freiburg in die Irre führten. Diese Unwahrheiten aber sind inzwischen
ebenso wie die Häuser, in denen sie fabriziert wurden, jämmerlich in sich zusammengebrochen.
Und wer kann ermessen, wieviel Einbuße die kirchliche und priesterliche Autorität
durch ihre Verbreitung offenkundiger Unwahrheiten erlitten hat?
Inhaltsverzeichnis
zu b) Verstöße gegen den
Index
Im Aufopferungsgebet, das die Liebesbundmitglieder jeden Abend
beten sollten, und das deshalb auch auf den approbierten Zetteln abgedruckt ist,
heißt es:
„Lieber heiliger Schutzengel, nimm mein armseliges Gebet und Tagewerk
und trage es in die Hände der lieben Muttergottes. Dich aber, o liebe Mutter, bitte
ich, du wollest alles, was mangelt, ersetzen und es in dem kost- baren Blute Jesu
reinigen und vervollkommnen.“
Darin erblickte der Gewährsmann des Würzburger Ordinariates eine
„bequeme Sittenlehre“: „Diese bequeme Sittenlehre ist neu in der Kirche, ebenso
die Art und Weise, wie, ohne die kirchliche Schlüsselgewalt in Anspruch zu nehmen,
Befreiung von Fehlern, Unvollkommenheiten und Mängeln und Teilhaftigmachung der
Verdienste Christi einem bestimmten Gebete als Wirkungen zugesprochen werden. Die
Constitutiv Leos XIII. Officiorum ac munerum vom 25.1.1897 bestimmt ausdrücklich:
Alle Bücher, Tagebücher, Verzeichnisse, Büchlein, Blätter usw., in welchen Ablassbewilligungen
enthalten sind, dürfen nicht ohne Erlaubnis der heiligen Kongregation der Ablässe
veröffentlicht werden (17. Regel des Index).“
Später wiederholt derselbe seine Anschuldigung: „Wir müssen auch
hier darauf hinweisen, daß Barbara Weigand und ihr Anhang irgendeine kirchliche
Bestätigung solcher Privilegien und Gnaden ... nicht einholte. Man verfehlte sich
überhaupt bei dieser Sache ... sicher gegen den Geist der Gesetze des Index.“
So die Anschuldigung. Prüfen wir sie an der Hand des kirchlichen
Rechtsbuches!
Bekanntlich wurde das angeschuldigte Aufopferungsgebet ganz ordnungsgemäß
mit kirchlicher Erlaubnis einer ganzen Anzahl von Ordinariaten gedruckt; ein Vorwurf
dagegen könnte also höchstens die approbierenden Bischöfe und Ordinariate treffen,
daß sie etwas approbiert hätten, was „neu in der Kirche“ sei. Für die handgeschriebenen
Schippacher Schriften aber trifft jene Konstitution vom 25. Januar 1897 überhaupt
nicht zu, weil sie nur für Veröffentlichungen durch den Druck gilt. Sie hat folgenden
Wortlaut:
„Indulgentiarum libri omnes, summaria, libelli, folia etc., in
quibus earum concessiones continentur, non publicentur absque competentis auctoritatis
licentia.“
Nun hat der Ausdruck „non publicentur“ an besagter Stelle nach
dem ganzen Zusammenhang und der ganzen Zweckbestimmung der Indexregel nur den Sinn:
„sollen nicht durch den Druck veröffentlicht werden“. Diese Interpretation hat die
Ablasskongregation durch ein allgemeines Dekret Urbis et Orbis vom 10. August 1899
selber gegeben. In diesem Dekret stellt nämlich die Kongregation neun Regeln zur
Unterscheidung echter und unechter Ablässe auf und fügt jeder Regel wieder eine
authentische Erklärung an.
Die vierte Regel dieses Dekretes heißt nun: „Allgemeine oder besondere
Ablässe, welche in Büchern, Büchlein oder Verzeichnissen, auf Blättern oder Zetteln
oder auch auf Bildern enthalten sind, die ohne Genehmigung der zuständigen Behörde
gedruckt sind, sollen nicht als echt angesehen werden.“
In der offiziellen Erklärung derselben Kongregation wird zur Begründung
die 17. Indexregel angeführt und beigefügt: „Es ist deshalb klar, daß die Echtheit
der irgendwie dem Druck übergebenen Ablässe, seien es allgemeine oder besondere,
nicht feststeht, solange die Gutheißung der zuständigen Behörde fehlt.“
Also die 17. Indexregel sagt: Ohne die vorgängige Erlaubnis der
zuständigen Behörde dürfen keine Bücher oder Büchlein, die Ablassbewilligungen enthalten,
gedruckt werden. Von dieser ganz natürlichen und offiziell bestätigten Auslegung
des Wortes „publicentur“ gehen alle Autoren aus, die auf die genannte Indexregel
zu sprechen kommen. Der Druck ist eben das Mittel zur Verbreitung der Bücher; eine
beschränkte Vervielfältigung durch Abschreiben oder Hektographieren oder Maschineschreiben
ist kirchen- rechtlich keine publicatio.
Nun sind die Heftchen und Blätter, in welchen der Gewährsmann
des Würzburger Ordinariates die angeblichen Verstöße gegen den Index gefunden haben
wollte, niemals gedruckt, sondern nur in mühsamem Abschreiben und einige Blätter
durch den Hektograph kopiert worden. Daß es nicht viele - vielleicht nur ein halbes
Dutzend - Abschriften sein konnten, liegt in der Natur des Abschreibens begründet
und kann auch aus der Tatsache ersehen werden, daß im Jahre 1916 selbst von der
Polizei in Schippach kein Exemplar mehr aufzutreiben war.
Da die Schippacher Schriften also gar nicht gedruckt wurden, traf
auch die 17. Indexregel auf sie nicht zu. Das scheint der Würzburger Gutachter später
doch auch gefühlt zu haben, wenn er sich später etwas zurückhaltender ausdrückte
und meinte, man habe sich „vielleicht nicht - streng genommen - gegen den Buchstaben“,
sondern nur „gegen den Geist des Index verfehlt.“ Nein: es lag weder ein Verstoß
gegen den Buchstaben noch ein solcher gegen den Geist des Index vor, wenn einige
Leute die Schriften der Barbara Weigand abschrieben. Weder Barbara Weigand noch
„ihr Anhang“, wie man sich in Würzburg wenig geschmackvoll über untadelige und fromme
Ordenspriester ausdrückte, haben sich irgendwie gegen den Index verfehlt.
Wohl aber hat sich der Gewährsmann des Würzburger Ordinariates,
der die obigen Anschuldigungen gegen die Freunde Schippachs erhob, selber sehr schwere
Verstöße gegen Geist und Buchstaben des Index zuschulden- kommen lassen; nämlich:
er hat den Wortlaut des 17. Dekretes der Konstitution vom 25. Januar 1897 falsch
wiedergegeben; er hat entgegen den päpstlichen Bestimmungen Privatoffenbarungen
einer lebenden Person drucken lassen; er hat mit dieser widerrechtlichen Publikation
das Urheber- recht verletzt; er hat damit einen groben Vertrauensmissbrauch begangen
und sich gegen das Amtsgeheimnis verfehlt.
Zum ersten Verstoß! Das fragliche Dekret hat folgenden Wortlaut:
„Indulgentiarum libri omnes, summaria, libelli, folia etc. in quibus earum concessiones
continentur, non publicentur absque competentis auctoritatis licentia.“
Der Gewährsmann des Ordinariates Würzburg übersetzt: „Alle Bücher,
Tagebücher, Verzeichnisse, Büchlein, Blätter usw., in welchen Ablassbewilligungen
enthalten sind, dürfen nicht ohne Erlaubnis der heiligen Kongregation der Ablässe
veröffentlicht werden.“
In dieser Übersetzung sind nicht weniger als drei schwere Fehler
enthalten, nämlich: das Wort „Indulgentiarum“ ist nicht übersetzt, das Wort „Tagebücher“
ist willkürlich eingefügt, „absque competentis auctoritatis licentia“ ist wiedergegeben
mit „ohne Erlaubnis der heiligen Kongregation der Ablässe“.
Nun ist es durchaus nicht gleich, ob das Wort „ Indulgentiarum“
übersetzt wird oder nicht. Wenn es unnötig wäre, hätte es der römische Text weggelassen.
Dieser Genitiv, der so kräftig an der Spitze steht, ist nämlich auf alle folgenden
Worte zu beziehen, so daß die Übersetzung lauten muß: „Alle Ablassbücher, Ablässeverzeichnisse,
Ablässebüchlein, Ablässeblätter“. Nicht alle Bücher, Verzeichnisse etc. sind schlechthin
gemeint, sondern nur solche, die sich mit Ablässen befasssen; es sind rechtliche
Ausdrücke, die man nicht ändern darf.
Weil nur Ablassbücher gemeint sind, passt auch ein Wort wie diaria,
Tagebücher, gar nicht in die Reihe; denn man kann sich nicht Ablasstage- bücher
vorstellen.
Weil die Schippacher Schriften zwar „Blätter“, aber keine „Ablassblätter“
sind, fallen sie auch nicht unter die echte 17. Indexregel. Schließlich heißt „absque
competentis auctoritatis licentia“ nicht „ohne Erlaubnis der heiligen Kongregation
der Ablässe“, sondern „ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde“. Diese ist aber nach
dem Reskript der Indexkongregation vom 7. August 1897 „entweder die Ablasskongregation
oder der Ordinarius loci“, wie es dann auch in den Codex Juris Canonici aufgenommen
wurde, wo can. 1388 § 1 den Bischof als die gewöhnliche Instanz für die Druckerlaubnis
von Ablassbewilligungen aufstellt.
Da nun die Liebesbundzettel von Bischöfen approbiert wurden, liefen
sie mit ihren Gebeten in aller Ordnung. Überhaupt erlangt jeder fromme Verein durch
die bischöfliche Approbation die Fähigkeit, geistliche Gnaden und Ablässe zu empfangen;
selbstverständlich können Bischöfe auch Ablässe erteilen.
Zum zweiten Verstoß! Nach den Erlassen Urbans VIII. vom 13. März
1625 und 5. Juli 1634 sowie nach der Konstitution Leos XIII. vom 25. Januar 1897
dürfen Bücher oder Schriften, die von neuen Erscheinungen, Offenbarungen und Visionen
berichten, nicht veröffentlicht werden, „ohne legitime Erlaubnis der zuständigen
kirchlichen Obern“. „Wo es sich um Inspirationen lebender Personen handelt, gehören
solche Schriften zur Erlangung der Druckerlaubnis vor den Apostolischen Stuhl.“
Zeitungen dürfen über solche Vorkommnisse nur berichten, „wenn sie sich enthalten,
über deren übernatürlichen Charakter ein Urteil abzugeben“.
Nun hat der Gewährsmann des Würzburger Ordinariates jahrelang
in Zeitungen, Zeitschriften und Broschüren über die Erscheinungen, Visionen und
Offenbarungen der lebenden Barbara Weigand ganze Spalten und Seiten drucken und
veröffentlichen lassen in der bestimmten Absicht, sie lächerlich zu machen. Dieses
Vorgehen verstößt somit klar nicht nur gegen den Geist, sondern sogar gegen den
Buchstaben des Index.
Zum dritten und vierten Verstoß! Die Schriften der Barbara Weigand
waren am 20. Dezember 1915 vom Ordinariat Würzburg „zur Berichterstattung an die
Päpstliche Nuntiatur“ einverlangt und von Barbara Weigand zu diesem Zwecke am 5.
Januar 1916 persönlich dem Generalvikar übergeben worden. Dieser vertraute sie der
Prüfungskommission zur Prüfung an. Der eine der beiden Prüfungskommissäre hatte
nun nichts Wichtigeres zu tun, als in Zeitungen, Zeitschriften und in einer eigenen
Broschüre tendenziös ausgesuchte Stichproben aus jenen Schippacher Schriften zu
veröffentlichen, mit Glossen, die sich in Verhöhnung der Schriften und ihrer Urheberin
gar nicht genug tun konnten und der Jungfrau samt ihren Verwandten ein Unmaß von
Leiden verursachten. Ein solches Verhalten verstieß in gröblicher Weise gegen das
Urheberrecht, das jeder Autor an seinen Schriften hat, sowie gegen das Amtsgeheimnis
und war zugleich ein grober Vertrauensbruch. Es hat sich selbst gerichtet.
Inhaltsverzeichnis
zu c) Gefährlich
„Der Liebesbund ist nicht bloß unnötig, sondern auch höchst gefährlich“,
so schrieb der Gutachter des Ordinariats Würzburg und brachte für seine These die
folgenden „Beweise“:
Erster „Beweis“: „Es steht unwiderleglich fest, daß er nach Form
und Inhalt auf die Offenbarungen der Barbara Weigand zurückgeht.“ Das ist nun völlig
richtig: im Liebesbund finden sich die Hauptpunkte der Weigand´schen Offenbarungen
zu jenen praktischen Lebensregeln kristallisiert, die wir früher in den Satzungen
des Bundes kennengelernt haben, zu jenen trefflichen Leitsätzen, die von zahlreichen
Bischöfen als überaus schön und zeitgemäß begrüßt, gesegnet und mit dem Wunsche
nach recht weiter Verbreitung gutgeheißen wurden. Dieses günstige Urteil gewinnt
jeder unbefangene Leser, sogar der Gewährsmann des Ordinariates gewann es, als er
in einem Anflug von Objektivität schrieb:
„Der unbefangene (!) Leser wird alles ohne weiteres im kirchlichen
Sinne auslegen ... Welch schöner Plan! Zusammenschluss aller guten und getreuen
Kinder der heiligen katholischen Kirche, um einen Damm zu bilden gegen den herrschenden
Zeitgeist! Was die Mitglieder des Liebesbundes nach dem Statutenbüchlein versprechen
sollen ... das alles sind treffliche Lebensregeln.“
Auch das Ordinariat Würzburg anerkannte in seinem Erlass vom 18.
Februar 1916 die Korrektheit des Bundes: „An und für sich betrachtet, erscheint
der Wortlaut der Statuten und Gebete des Liebesbundes einwandfrei.“
Also auch aus dem Munde der Gegner kam, solange sie unbefangen
urteilten, nur Lob. Da aber schon nach einem Wort der heiligen Schrift gute Früchte
nur von einem guten Baume kommen, kann auch der Schippacher Baum, auf den der Liebesbund
„nach Form und Inhalt“ zurückgeht, nicht schlecht sein.
Der zweite „Beweis“ für die Gefährlichkeit des Bundes lautet:
„Die Stifter des Liebesbundes sind entschlossen, unter allen Umständen und gegen
alle Instanzen ihre Sache durchzuführen, indem sie der Stimme Gottes gehorchen zu
müssen vorgeben.“
Nun weiß ein jeder Kenner der Mystik, daß die Begnadigten der
inneren Stimme allezeit gehorcht haben und die ihnen erteilten Befehle an die zuständigen
Personen weitergaben; ja es ist katholische Lehre, daß jeder der Stimme seines Gewissens
folgen muß. Wenn also Barbara Weigand glaubte, vom Herrn den Auftrag zur Bildung
des Liebesbundes und zu dessen Ausbreitung erhalten zu haben, dann mußte sie dieser
inneren Stimme folgen und auf legalem Weg alles unternehmen, um den Liebesbund zur
Anerkennung zu bringen. Auch ihr Rekurs nach Rom, in welchem der Gewährsmann des
Ordinariates Würzburg eine Gefahr erblickte, war doch eine erlaubte Sache. Oder
nicht?
Das dritte Argument für die Gefährlichkeit des Bundes soll dieses
sein: „Die Stifter des Liebesbundes sparen weder Lob noch Tadel, weder Versprechungen
noch Drohungen, weder Schmeicheleien noch Beschimpfungen, um Priester und Laien
zum Glauben an ihre Privatoffenbarungen zu bewegen.“
Barbara Weigand, die mit diesem Vorwurf persönlich gemeint ist,
hat es zwar zeitlebens gewünscht, daß man ihren Offenbarungen glaube, aber beschimpft
hat sie niemand. Diesen traurigen Ruhm haben sich vielmehr ihre Gegner, besonders
die priesterlichen Artikelschreiber und fanatisierten Prediger erworben, die sich
nicht scheuten, die Ehre einer unbescholtenen Jungfrau, deren sittlichem und frommem
Leben alle ihre Beichtväter unein- geschränktes Lob zollten, in den Schmutz der
Straße zu ziehen.
Der vierte „Beweis“ für die Gefährlichkeit des Bundes lautet:
„Die Stifter des Liebesbundes suchen auch andere (besonders Priester) zu Aposteln
ihrer Ideen zu machen und den Geist der Schriften zu verbreiten.“
Ist das wirklich eine Gefahr, den Geist jener Schriften, den wir
früher an zahlreichen Aussprüchen über Glauben, Kirche, Priestertum, Sühne, Opfer,
heilige Kommunion, kennengelernt haben, zu verbreiten? Haben nicht auch Bischöfe
und Kardinäle die Verbreitung dieses Geistes gewünscht? Und ist es eine Gefahr,
auch andere für die „trefflichen Lebensregeln“ des Liebesbundes zu gewinnen?
Der fünfte „Beweis“ für die Gefährlichkeit des Liebesbundes lautet:
„Die Stifter des Liebesbundes haben von Anfang an ihre Agitation heimlich getrieben
und waren nie verlegen um einen Ausweg, wenn die bisherigen Pläne auf Widerstand
stießen. Es ließe sich ein ganzes Kapitel schreiben über die kluge Art, wie Barbara
Weigand auf alle Anklagen und Einwendungen zu antworten weiß.“
„Heimlich“, das soll wohl heißen: sie haben unter Verschmähung
des modernen Tageslärms und seiner Propagandamittel, besonders der seichten
Tagespresse, den schönen Zweck ihres Bundes
verbreitet; die Pressehetze gegen den Bund, die Verhöhnung seiner Anhänger in den
Zeitungen und auf den Kanzeln sowie der Ruf der priesterlichen Gegner nach der Polizei
zum Einschreiten gegen Bußwallfahrten und Kirchenbau waren allerdings nicht heimlich.
Und die ,,kluge Art“, mit der sich Barbara verteidigte? Gewiss, sie verteidigte
sich, weil mit einem gesunden Hirn begabt, auf dem Boden der Wahrheit stehend und
aus höherer Erleuchtung schöpfend, gegen die unwahren und darum sich so oft selbstwidersprechenden
Behauptungen ihrer Gegner so geschickt, daß man dort oft keinen anderen Ausweg mehr
wusste, um Herr der Situation zu bleiben als zur ultima ratio aller Regierungsweisheit
seine Zuflucht zu nehmen, zum kategorischen Befehl: ,,Schweigen!“ Denn sich für
weiser halten als die übrigen, ist nach dem heiligen Gregor die regelmäßige Versuchung
der Vorgesetzen.
Und nun noch das letzte Argument, womit man die Gefährlichkeit des Bundes ,,bewies“:
,,Die Stifter des Liebesbundes können gerade jetzt (1916) in der Gegenwart auf drei
Dinge - als angebliche himmlische Bestätigung ihrer Privatoffenbarungen - hinweisen:
erstlich auf die tatsächliche durch einige Ordinariate erfolgte Approbation des
Liebesbundes und die tatsächliche Inangriffnahme des Schippacher Kirchenbaues ...,
zweitens auf die Kommuniondekrete Pius X., welche ihre Forderungen der öfteren Kommunion
zu erfüllen schienen (?), und drittens auf das so oft prophezeite Blutbad, wie es
jetzt im Weltkrieg eingetreten sei.“
Ganz richtig: diese drei Tatsachen sprachen wirklich für die Echtheit der Weigand´schen
Worte; auch die Kommuniondekrete Pius X. schienen nicht bloß die Forderung der Barbara
Weigand zu erfüllen, wie man sich um diese unbequeme Tatsache herumdrücken wollte,
sondern haben sie wirklich erfüllt; ebenso gab das Blutbad des Weltkrieges den Prophezeiungen
der Seherin wirklich recht. Diese drei Tatsachen - heute sind es noch mehr Vorhersagen
der Schippacher Jungfrau, die in Erfüllung gegangen sind - hätten also die Kritiker
doch etwas stutzig machen und vor einer Verdammung der Jungfrau, die nur ,,Unsinn“
ausspreche, abhalten sollen. Auf keinen Fall bildete die Berufung auf diese drei
Tatsachen eine Gefahr für den Glauben. Wie weit die blinde Bekämpfung des Liebesbundes
gegangen ist, mag uns noch ein Aachener Wahlflugblatt aus dem Jahre 1921 zeigen.
Nachdem der Verfasser darin sich in der bekannten absprechenden Art über die ,,unverheirateten
älteren weiblichen und männlichen Personen“, über die ,,Wallfahrten“, ,,neuen Heiligen“,
,,Wunder“, Begnadigten“, ,,Gesichte“, ,,Weissagungen“ lustig gemacht hat, fährt
er fort: ,,Neuerdings ist in die Entwicklung ein Umschwung gekommen. Von München
aus, wo die literarische Zentrale des Liebesbundes sich seit längerer Zeit befindet,
versucht man, bestimmte politische Grundsätze in den Bund hineinzutragen, die nunmehr
von bewusster und scharfer Reaktion durchwirkt werden. Man kämpft gegen Demokratie,
fordert versteckt und offen ein aristokratisches Regiment, liebäugelt in jeder Weise
nach rechts hin ... Der Gedanke der Trennung von Kirche und Staat ist verweht.“
Daß der Liebesbund sich jemals politisch betätigt
habe, konnte ich nirgends erfahren. Wahrscheinlich richtete sich diese Auslassung
gegen Dr. Hans Abel, den Ersten Vorsitzenden des Schippacher Kirchenbauvereins,
der damals als Mitglied des Münchener Stadtrates in unerschrockener Weise als echt
katholischer Mann für die Rechte unserer Kirche eintrat. Wenn er in Übereinstimmung
mit den Verlautbarungen der Päpste die Trennung von Staat und Kirche ablehnte, so
durfte ihm das nicht als Gefährdung des katholischen Glaubens ausgelegt werden.
So weit verloren sich Vernunft, Objektivität und katholisches Gewissen im Kampf
gegen Schippach.
Inhaltsverzeichnis
zu d)
Überflüssig
Da man trotz aller Argumente den Liebesbund doch
nicht als schlecht und glaubensgefährlich erweisen konnte, ihn aber um jeden Preis
vernichten wollte, griff man noch zu einem letzten Mittel ihn auszurotten, indem
man ihn als entbehrlich und überflüssig bezeichnete. ,,Sein Zweck“, so schrieb sein
großer Gegner, sei ,,entweder bereits durch das Evangelium ohnehin geboten oder
aber schon in elf anderen Bruderschaften und Gebetsvereinen verwirklicht.“ Also
sei der Liebesbund überflüssig.
Der größte Gegner des Liebesbundes gibt also zu,
daß der Zweck des Bundes schon im Evangelium geboten sei. Damit hat er aber auch
nolens volens zugegeben, daß der Liebesbund nur gute Ziele verfolgt, denn was im
Evangelium geboten ist, kann doch nur gut sein. Auch sollte man meinen, was im Evangelium
geboten ist, dürften katholische Priester nicht bekämpfen und nicht verbieten. Und
dann: ,,Überflüssig“? Der Begriff ist sehr subjektiv und dehnbar; wer soll ihn authentisch
umgrenzen? Dr. Brander? Nach seiner Kirchenbautheologie müssten bekanntlich alle
überflüssigen Kirchen niedergerissen werden, das wären im Stadtkern von Würzburg
eine ganz erhebliche Anzahl. Oder die Zeitungen? Wenn diese zu bestimmen haben,
wird Beringers Buch über die Ablässe und das Römische Brevier sehr dünn werden,
dann haben unsere glaubensstarken Vorfahren viele ,,überflüssige“ Kirchen gebaut
und ,,entbehrliche“ Klöster gegründet. Wenn nun aber die Bischöfe den Liebesbund
approbierten, dann haben sie doch damit gezeigt, daß sie ihn nicht für überflüssig
hielten trotz des Bestehens der elf anderen Vereinigungen, von deren Existenz diese
Bischöfe sicherlich auch schon wussten. Man sieht: die Auslassungen der Gegner passen
weder zu den Regeln der Logik noch zum Amte der Wächter der Reverenz.
Nein: der Liebesbund ist nicht überflüssig, sondern überaus zeitgemäß, wie der Erzbischof
von Salerno am 16. Mai 1914, Seine Eminenz Kardinal Bisleti am 16. November 1914,
der Fürstbischof von Trient am 23. Januar 1915, der Bischof von Fünfkirchen am 23.
Februar 1915, der Bistumsadministrator von Metz am 1. November 1941 und noch einmal
am 12. September 1942 laut und feierlich bekundet haben.
Hören wir nur einige Sätze aus dem Schreiben des
letzteren: ,,Ihren werten Brief habe ich mit großem Interesse gelesen, die Broschüre
über den Liebesbund gleichfalls. Ich kann Ihnen ruhig sagen, daß einer Verbreitung
derselben in unserer Diözese nicht bloß nichts im Wege steht, sondern daß dies durchaus
zu begrüßen ist. Mögen nur in diesen schweren Zeiten recht viele Seelen erstehen,
die von inniger Liebe zum Eucharistischen Herzen Jesu durchglüht sich als Opferseelen
ihm darbringen. Wir können nur dadurch wieder bessere Zeiten erlangen. Der Text
des täglichen Gebetes entspricht so recht den Anforderungen unserer Zeit und all
unseren Anliegen“ (Brief vom 1. November 1941).
Ähnlich im Briefe desselben Oberhirten vom 12.
September 1942: ,,Die Durchsicht der Satzungen, die Sie mir vorgelegt, haben mich
tief überzeugt von der zeitgemäßen Nützlichkeit eines solchen Werkes.“
So ist es: der Liebesbund entspricht auch ganz
den Forderungen, die der Heilige Vater Pius XI. in der Katholischen Aktion und in
seinem Rundschreiben vom 8. Mai 1928 über unsere Sühnepflicht, dann auch Papst Pius
XII. anlässlich seines fünfundzwanzigjährigen Bischofsjubiläums, dann wieder in
seinem Rundschreiben über die Weltweihe an das Heiligste Herz Mariae und abermals
in seiner Enzyklika vom Mystischen Leibe Christi an die Gläubigen der Welt gerichtet
haben. Darum wurde der Liebesbund von Rom aus auch nicht verboten, wie das Ordinariat
Würzburg im Jahre 1916 auf das Drängen seines Gutachters hin von Rom erbeten hatte.
Möge man sich endlich auch in Deutschland gegenüber
dem Liebesbund und seiner Stifterin zu dem Eingeständnis durchringen, das König
Heinrich IV. von Frankreich im Jahre 1607 gegenüber den von ihm vorher verfolgten
Jesuiten zu machen sich genötigt sah: ,,Ich liebe euch, seitdem ich euch kenne.“
Inhaltsverzeichnis
6. Einwände gegen den Kirchenbau
Die Kirche von Schippach steht - und sie steht
so, wie sie von Barbara Weigand gewollt und zehn Jahre lang mit einzig dastehender
Opferwilligkeit, Begeisterung und Zähigkeit gegen alle Lethargie und Missgunst erstrebt
worden war.
Sie ist die Pfarrkirche für die Pfarrei Rück-Schippach, erhielt als Patron den heiligen
Papst Pius X. und bildet so schon in ihrem Namen und in ihrem heiligen Patron ein
lautes Denkmal des Dankes für die hohen Gnadenerweise, welche dieser eucharistische
Papst der katholischen Welt vermittelt hat.
Das war es, was die eucharistische Frühlingsblüte
von Schippach wollte. Ihr kühnes prophetisches Wort: ,,Mei Kerch wird doch noch
fertig“, gesprochen in schwerster Zeit, als nach menschlichem Ermessen alle Aussichten
auf die Wiederaufnahme der Bauarbeiten geschwunden waren, gesprochen in einer Zeit,
als die maßgebenden Personen an der bischöflichen Kurie in Würzburg riefen: ,,Lieber
keine Kirche als die Kirche in Schippach!“, ,,Die Steine in Schippach mögen liegen
bleiben bis zum Ende der Welt!“, ihr prophetisches Wort, gesprochen in jener Zeit,
ist buchstäblich in Erfüllung gegangen.
Mit diesem Factum sind auch alle seinerzeit gegen
den Bau und seine Urheberin erhobenen Einwände zusammengebrochen; niemand wird es
mehr wagen, diese Kirche als ,,Unsinn“ oder ,,Aprilscherz“ zu bezeichnen. Gleichwohl
müssen wir Barbara Weigands Stellung zu dem Bau noch etwas näher betrachten.
Zwar hatte Pfarrer Metzger, wie wir früher aus
der Baugeschichte erfuhren, in seiner Begeisterung für die dem Werke zugrundeliegende
Idee, das Bauvorhaben aus dem Pfarrverband gelöst, um es desto ungehinderter dem
eucharistischen Zweck widmen zu können; aber diese Loslösung und die damit gegebene
Verteuerung standen mit dem Wollen der Jungfrau nicht im Einklang, wie ihre Äußerungen
aus jener Zeit unmissverständlich dartun. Schon beim ersten Auftauchen des Metzger´schen
Planes (20. Oktober 1913) zeigte sich Barbara völlig überrascht und verblüfft, wie
sie selber an ihren Seelenführer P. Felix schreibt (24. Oktober 1913): ,,... Frl.
Hannappel kam am Montag, brachte den Architekten und Herrn Pfarrer aus Rüsselsheim
mit und es war große Beratung über den Kirchenbau. Vom bischöflichen Ordinariat
ist soweit die Genehmigung da, daß die Kirche auf die vom Herrn verlangte Stelle
gebaut werden darf. Nun wollte aber Herr Pfarrer Metzger, der so durchdrungen ist
von der Wahrheit, in seiner Begeisterung, daß ein Denkmal für den Allerhöchsten
keine einfache Dorfkirche sein dürfe, und die beiden Herren wählten eine Kirche
zum Muster aus, die in Spanien von Jesuiten erbaut wurde. Als sie nun auf den Bauplatz
kamen, sagte der Architekt: ,,Die Kirche muß höher hinauf!“ und so gingen sie einen
Flintenschuss weiter. Auf einmal rief der Architekt: ,,Meine Herren! (Hochw. Herr
Kaplan war natürlich auch dabei). Jetzt seht euch um! Jeder Meter in die Höhe ist
tausend Taler wert für die Schönheit dieser Kirche“, und Herr Pfarrer Metzger stimmte
ihm bei.
Herr Kaplan, mein Bruder und wir alle waren aber ganz verblüfft. Ein so kostspieliges
Werk! Die Höhe! Herr Kaplan zitterte.“
Gegenüber diesen Plänen Pfarrer Metzgers und des
Baumeisters Koch verteidigte aber Barbara Weigand weiterhin ihren Plan mit Festigkeit
und Ausdauer, wie es auch im Ausschreiben zur Einreichung von Plänen deutlich zum
Ausdruck kam.
In diesem hochwichtigen Schriftstück heißt es:
,,Bezüglich der Grundrißanordnung wird bemerkt, daß Raum für ca. 1.500 Personen
sein muß, zur Hälfte Sitz- und zur Hälfte Stehplätze, wobei zu beachten ist, daß
sich 150 Sitzplätze für Kinder darunter befinden müssen. Für den Rohbau dürfen 120.000
Mark verwendet werden. Das gleichzeitig zu erbauende Pfarrhaus soll sich harmonisch
angliedern. Als Musterkirche wird jene von Kahl a. M. empfohlen.“
Auch in der ersten Zeichnung von Architekt Marschall,
die noch vorhanden ist, ist das Pfarrhaus unmittelbar an die Kirche grenzend eingezeichnet.
Noch während des ganzen November und Dezember 1913 kämpft Barbara für diesen ihren
Plan: So am 22. Oktober 1913: ,,Damit jede Überspannung eurer einfachen Verhältnisse
vermieden werde, so baut so, wie ihr rechnen könnt mit euren Geldmitteln“, oder
am 2. November 1913: ,,Alles, was jetzt noch gestiftet wird, soll für die innere
Ausstattung sein“, oder am 7. November 1913: ,,Mit den Mitteln, die jetzt beisammen
sind (das waren 120000 Mark) muß der Rohbau ausgeführt werden; er darf die Summe
nicht überschreiten“, oder am 29. November 1913: ,,... Man solle nur mit den Mitteln
rechnen, die vorhanden sind, indem man so baut, daß das Werk vollendet werden kann
... Die Hauptsache ist, daß Gott verherrlicht wird, besonders von den zwei Gemeinden“,
oder vom 25. November 1913: ,,... Wir haben uns entschlossen, die Kirche zu bauen
nach unseren Geldmitteln ...“, oder vom 20. Dezember 1913: ,,Wir sagten es Herrn
Koch offen heraus, daß wir nicht gewillt seien, weitere großartige Pläne ausschmieden
zu lassen, bevor er uns ausgerechnet habe, ob wir mit 120000 Mark die Kirche gebaut
bekämen ... Ihr glaubt nicht, wie wir uns herumreißen Tag und Nacht.“
Diese Worte der Jungfrau, niedergelegt in ihren
Briefen, schaffen volle Klarheit über ihr Vorhaben. Als dann Ende Dezember infolge
Ausbleibens der Hilfe durch ihren Heimatpfarrer, Pfarrer von Elsenfeld, die neuen
Männer mit ihrem Loyolaprojekt den Sieg davontrugen, war sie keineswegs davon erbaut
und nur in ernster Resignation fügt sie sich in die neue Entwicklung: Noch am 20.
Dezember 1913 meint sie: ,,Wir wollen auf die Hilfe Gottes rechnen, der allein alles
zum guten Abschluss führen wird. Gelingt dies schöne Werk, dann wird Gott verherrlicht
und viel Segen ausgehen über die ganze Umgebung.“
Als dann in der Weihnachtswoche die Würfel endgültig gefallen waren, schrieb sie,
wie von einer geheimen Ahnung des künftigen Schicksals des Baues erfüllt, an ihren
Neffen (31. Dezember 1913): ,,... Mit Gott habe ich begonnen, mit Gott hoffe ich
auch zu vollenden. Das Gelingen meines Werkes ist des Herrn Sache und so bleibe
ich zufrieden, wenn scheinbar auch alles misslingen sollte ... Ich habe große Angst,
weil mein Name als Erbauerin überall jetzt eingetragen wird.“
Ist es nicht buchstäblich so gekommen, wie Barbara
in seherischem Weitblick voraussah? Verwendung ihres Namens für die Projekte anderer,
Abweichen von dem einfachen und doch so schönen Plane der Jungfrau, Vergrößerung
und Verteuerung der Anlage, jahrelanges Misslingen des Ganzen, trotz allem ihr unbeugsames
Vertrauen auf den Endsieg ihres Werkes als des Herrn Sache. Der Herr hat ihr Werk
nun doch zum Siege geführt.
Aber hat nicht Barbara Weigand in den folgenden
Jahren den begonnenen Votivbau begünstigt und verteidigt? Hierauf ist folgendes
zu erwidern: Für die Schippacher Jungfrau stand in der Verfolgung des Kirchenbau-Vorhabens
immer der erhabene eucharistische Zweck im Vordergrund ihrer Gedankenwelt. Warum
sollte sie nicht schließlich auch den der Verwirklichung sich nähernden Votivbau,
der diesen eucharistischen Zweck ja in hervorragender Weise zu erfüllen geeignet
war, begünstigen, nachdem eben dieser Votivbau von ihrem eigenen Pfarrer (Februar
1914, September 1914), von ihrem Ordinariat Würzburg (November 1913, Mai 1914, September
1914, Oktober 1914, September 1915) und von ihrem Bischof (März 1914, Juli 1915)
begrüßt, gefördert, gewünscht und gesegnet worden war? Gerade als gehorsame Tochter
der Kirche durfte sie sich diesem Wunsch ihrer kirchlichen Obern gar nicht entgegenstellen.
Hätte sie das getan, dann hätte man ihr mit Recht den Vorwurf des Ungehorsams machen
können.
Damit entfallen auch alle Angriffe, die seinerzeit
im Zusammenhang mit dem Kirchenbau gegen die Schippacher Jungfrau erhoben wurden.
Da Barbara Weigand gar nicht die Urheberin des Millionenprojektes war, sondern nur
jene eines bescheidenen 120.000 Mark-Baues, war es also eine geschichtliche Unwahrheit
zu behaupten, ,,einzig und allein im Kopf der Barbara Weigand“ sei ,,der Gedanke
des Millionenprojektes“ entsprungen, die Kirche sei ,,die Ausgeburt eines kranken
Hirns“, Beweis ihres ,,Größenwahns“. Daß solche unwahre Behauptungen erhoben von
Priestern in aller Öffentlichkeit, auch zugleich eine schwere Ehrenkränkung der
Jungfrau bedeuteten, sieht doch jeder gerecht denkende Leser ein.
Auch die andere, ebenfalls in öffentlichen Druckschriften
aufgestellte Behauptung, die Kirche von Schippach ,,trage das Stigma des Ungehorsams
wie die Person und die anderen Werke der Barbara Weigand“ und ,,stehe im Widerspruch
mit der kirchlichen Behörde in Würzburg“, war Unwahrheit und Verleumdung zugleich.
So schrieb das ,,Aachener Piusblatt“: Es ist ein
großes Unrecht, Gelder zu sammeln für ein Unternehmen, dem die eigene bischöfliche
Behörde ablehnend gegenübersteht“ (29. November 1914), und das ,,Mainzer Journal“:
,,In Würzburg war die kirchliche Behörde gar nicht um Genehmigung des Baues angegegangen
worden“ (13. März 1916); sogar der Kirchliche Amtsanzeiger für die Diözese Trier
brachte in Nr. 10 (1915) die Unwahrheit, die Kirche in Schippach würde ohne Zustimmung
der zuständigen Diözesanbehörde gebaut.
Wahr ist jedoch, daß die kirchliche Behörde in
Würzburg, wie es Barbara Weigand auch immer verlangt hatte, zu allen Momenten des
Baues angegangen worden war und öfters ihre Genehmigung gegeben hatte, wie die schon
abgedruckten Aktenstücke beweisen. Das Ordinariat Würzburg hatte auch die Votivkirche
nach Platz, Plänen, Größe, Zweck und als Privatunternehmen nicht bloß in trockenem
Amtsstil genehmigt, sondern mit sichtlicher Wärme begrüßt, dringend gewünscht und
den Beistand Gottes für das Gelingen des Werkes herabgerufen. Das ist die Wahrheit
über das Verhältnis der bischöflichen Behörde von Würzburg zur Kirche in Schippach,
alles andere ist Unwahrheit.
Geradezu widerlich nimmt sich auch der Spott aus,
mit dem der große priesterliche Gegner von Aachen im rauch- und alkoholgeschwängerten
Vereinslokal des katholischen Männervereins St. Paul und in der Aachener Presse
gegen Schippach zu Felde zog. So schrieb er am 29. November 1914: ,,Der Kirchenbau
ist eine Sache, die völlig zwecklos ist ... Die Schippacher freuen sich, das können
wir uns denken, über die Weltkirche. Sie machen eben ein Geschäft dabei. Der Wirte-
und Verkehrsverein erwählen demnächst die Babett zum Ehrenmitglied.“ Barbara Weigand,
deren sittlicher Charakter turmhoch über jenem dieses priesterlichen Artikelschreibers
stand, ertrug auch diese öffentliche Verspottung mit dem Gleichmut einer Heiligen.
Gerade der Vorwurf, die Kirche sei ,,unnötig“,
,,ein Luxus“, durfte am allerwenigsten von einem katholischen Priester erhoben werden.
Ist es denn etwas Verwerfliches, wenn vermögende katholische Christen, treue Glieder
ihrer Kirche, Träger höchster kirchlicher Auszeichnungen, Männer und Frauen aus
der vordersten Linie katholischen Lebens, freiwillig große Summen spenden, damit
ein vom zuständigen Bischof dringend gewünschtes Gotteshaus groß und prächtig gebaut
werden kann? Sagt nicht die Heilige Schrift: ,,Hindere am Gutes Tun nicht den, der
dazu imstande ist“.
Wenn aber jene Kirchen, die an Größe über das Bedürfnis hinausgehen, als ,,unnötig“
und ,,zwecklos“ bezeichnet werden müssen, haben dann nicht unsere glaubensstarken
Vorfahren viele ,,unnötige“ Gotteshäuser errichtet? Man schaue doch in die Städte
oder an die Wallfahrtsorte oder in unsere alten und neuen Abteien! In Würzburg z.
B. standen schon im Jahre 1512, als die Stadt ganze 5365 Einwohner zählte, 48 Kirchen
und Kapellen, darunter zehn gewaltige Gotteshäuser, nahe beieinander. Wieviele von
den 51 Kirchen der Stadt waren im Jahre 1571 für die 8590 Seelen ,,notwendig“? Da
der Stadtring bis zum Jahre 1867 wegen der Befestigung nur eine kleine Bodenfläche
bedeckte, hätten drei oder vier jener großen Gotteshäuser vollauf ,,genügt“. Aber
die kirchenfreudigen Bischöfe, Kapitel, Klöster und Räte der Stadt dachten offenbar
über die Erbauung von Kirchen anders als jene Zeitungstheologen zu Beginn des zwanzigsten
Jahrhunderts, die ein bereits halbfertiges Heiligtum zu Ehren des Eucharistischen
Königs in Trümmer schlugen, obwohl die Mittel hierzu in überreichem Maße zur Verfügung
standen. Nun: das Feuermeer des traurigen 16. März 1945, an dem die schöne Bischofstadt
samt ihren Heiligtümern in Schutt und Asche sank, bot wohl die grellste Illustration
zu jener Kirchenbautheologie, nach der man ,,unnötige“ Kirchen dem Erdboden gleichmachen
müsse. Zudem war ja die Kirche in Schippach für die beiden Orte wirklich notwendig,
da die dortigen Gotteshäuser für die wachsende Seelenzahl nicht im entferntesten
ausreichte. Die Gegner, welche mit ihren baufeindlichen Artikeln die Einstellung
des Baues bezweckten und schließlich auch erreichten, hätten sich doch sagen müssen:
wenn wir die Schippacher Kirche nicht fertigbauen lassen, dann nehmen wir ja den
Gemeinden die so notwendige Kirche für ihren Gottesdienst (wie es dann auch gekommen
ist).
Wenn auch Pfarrer Metzger im März 1914 die Kirche nicht als Pfarrkirche, sondern
als Votivkirche bezeichnete, so war er ja schon seit Ende Juli 1914 infolge seiner
Haft auf der Insel Korsika von jeder Beeinflussung des Bauvorhabens ausgeschlossen;
der neue Bauherr aber, Dr. Abel, gab am 10. Oktober 1915 gegenüber dem Pfarramt
Elsenfeld und wieder am 28. November 1915 gegenüber dem Ordinariat Würzburg die
ausdrückliche schriftliche Erklärung ab, die Kirche nach ihrer Fertigstellung der
Pfarrei für ihren pfarrlichen Gottesdienst zur Verfügung zu stellen. Die Kirchennot
in Rück-Schippach wäre also auf jeden Fall behoben worden. Aber nicht einmal diese
offenkundige Kirchenraumnot, auf welche Pfarrer Welzbacher im September 1914 in
seiner Erwiderung auf den Artikel der ,,Augsburger Postzeitung“ und wieder der Diözesanbischof
in seinem Brief vom 15. Juli 1915 hingewiesen hatten, konnte die blinde Zerstörungswut
katholischer Priester hemmen. ,,Lieber keine Kirche als die Kirche in Schippach!“
Diese Parole siegte. Man sieht: der Fanatismus macht wirklich blind.
Und ist eine Dankeskirche für die Einführung der öfteren heiligen Kommunion wirklich
so ganz ,,zwecklos“, ,,ein mit den Händen zu greifender Unsinn“? Oder ist es wirklich
eine ,,Verschwendung“, dem Eucharistischen König ein würdiges Denkmal des Dankes
und der Verherrlichung zu errichten? Ist die Erbauung einer Sühnekirche wirklich
ein ,,Aprilscherz“? Wären die Armen und die Diaspora dadurch wirklich benachteiligt
worden, wie es in den Zeitungen hieß? Dieser Vorwurf erinnert zu deutlich an ein
Begebnis aus der Heiligen Schrift: ,,Als Jesus zu Bethanien im Hause Simons des
Aussätzigen war, trat ein Weib zu ihm mit einem Gefäß aus Alabaster voll köstlichen
Salböls und goss es über sein Haupt aus, da er zu Tische saß. Als das die Jünger
sahen, wurden sie unwillig und sprachen: Wozu diese Verschwendung? Denn das hätte
man teuer verkaufen und den Armen geben können. Jesus aber wusste es und sprach
zu ihnen: Warum kränkt ihr dieses Weib? Sie hat ein gutes Werk an mir getan!“
(Mt. 26, 6 ff)
Die Freunde der Schippacher Kirche waren überall
auch die größten Wohltäter der Armen und der Diaspora, die hierfür sogar hohe kirchliche
Auszeichnungen erhielten, wie mir denn auch einer der größten Geldgeber für Schippach
versicherte: ,,Hätte man uns die Schippacher Kirche bauen lassen, dann hätten wir
die Nürnberger Kriegsgedächtniskirche noch dazu gebaut!“
Hat sich nicht der ,,Verein für die Sakramentskirche“
am 28. November 1915 gegenüber dem Ordinariate Würzburg schriftlich verpflichtet,
der Pfarrei Rück-Schippach noch eine eigene Pfarrkirche zu erbauen? War nicht, um
nur einiges zu erwähnen, Fräulein Luise Castell auch eine der größten Wohltäterinnen
der Pfarrei St. Johann in Freiburg? Ist sie nicht die Stifterin zweier prächtiger
Altäre in dieser Kirche? Und hatten ihr die dortige Kinderbewahranstalt, das Jugendheim
St. Raphael und der Verein St. Marienhaus nicht vieles zu verdanken? Haben nicht
die Geschwister Fox das schöne Schwesternhaus in Rück gekauft und den beiden Gemeinden
für die Pflege der Kranken und Kinder unentgeltlich überlassen?
Hat nicht Barbara Weigand mit 30000 alten deutschen
Goldmark die Pfarrei Rück-Schippach gestiftet und 27000 Goldmark für ein Pfarrhaus
zur Verfügung gestellt? Tragen nicht Würzburger Domherren die kostbaren Paramente,
die ihnen von den Freunden der Sakramentskirche in hochherziger Weise geschenkt
wurden? Schreitet nicht der Bischof von Würzburg bei theophorischen Prozessionen
unter dem prächtigen Baldachin, dem Geschenk von Fräulein Maria Weigand an die Domkirche
in Würzburg? War nicht Fräulein Gerock von Mainz, die große Wohltäterin Schippachs,
zugleich auch eine der freigebigsten Damen für andere kirchliche Bedürfnisse in
Mainz, so daß sie dort mit dem Päpstlichen Verdienstkreuz Pro Ecclesia et Pontifice
ausgezeichnet wurde?
Noch ein Wort über das Verhältnis des Kirchenbaues zu den Weigand´schen Privatoffenbarungen!
In ihrem Kampf gegen die Sakramentskirche bediente
sich die Presse mit Vorliebe des Satzes: ,,Mit den Offenbarungen steht und fällt
der Kirchenbau.“ Da nun die Gegner, wie sie meinten, jene Offenbarungen bereits
zu Fall gebracht hatten, mußte nach ihrer Ansicht auch der Kirchenbau in den Fall
hineingerissen werden.
Wie wir aber in den vorausgegangenen Untersuchungen
nachgewiesen haben, ist es durchaus nicht angängig, jene Offenbarungen als ,,Sammelsurium“
und ,,dummes Zeug“ zu bezeichnen, wie die Presse so laut ausposaunte. Die Leser
dieses Buches konnten in den früheren Abschnitten dieser Schrift sehr viele Gedanken
und Äußerungen aus den Schippacher Offenbarungen vernehmen, die gewiss nicht wie
,,törichtes Zeug“ oder ,,Unsinn“ aussehen. Was Barbara Weigand über Glaube, Kirche,
Priestertum, Gebet, Sühne, Opfer, über die Notwendigkeit der öfteren heiligen Kommunion,
über Herz-Jesu-Verehrung und Heilige Stunde, über die vielen Heiligen, über die
Verfolgung der Kirche und den Kampf gegen die satanischen Mächte in der Welt gesagt
hat: all das sieht viel eher nach Echtheit als nach Unechtheit aus und selbst ihre
Gegner mußten gestehen, Barbara Weigand habe in ihrer Ankündigung des eucharistischen
Zeitalters einen visionären Blick gezeigt. Die These von der Unechtheit jener Offenbarungen
erwies sich also schon unter diesem Gesichtspunkt als ein recht schwankendes Brett,
um von ihm aus seine Geschosse gegen den Bau zu schleudern.
Auch rechtlich gesehen sind die Schippacher Offenbarungen
noch lange nicht als unecht abgetan. Denn hierüber hat lediglich Rom zu entscheiden.
Nach den Erlassen Urbans VIII. vom 13. März 1625 und 5. Juli 1634 ,,wird der Diözesanbischof
zur Prüfung von Offenbarungen den Rat der Theologen und anderer frommer und gelehrter
Leute heranziehen und alsdann die Akten dem Heiligen Stuhle unterbreiten, dessen
Entscheidung abzuwarten ist“.
Also Rom entscheidet über Echtheit und Unechtheit
von Privatoffenbarungen. Die Zeitungen sollen über solche Vorgänge lebender Personen
überhaupt nichts berichten und wenn sie es tun, dann ,,müssen sie sich enthalten,
über deren übernatürlichen Charakter ein Urteil abzugeben“. Nun hat aber Rom bis
heute, obwohl es schon im Jahre 1916 zu einer Entscheidung über den Offenbarungscharakter
der Schippacher Schriften angegangen wurde, diese nicht verworfen, sondern die Frage
darüber offen gelassen. Der Echtheitscharakter der Schippacher Offenbarungen ist
also heute noch eine offene Frage. Aber selbst angenommen, es würden sich diese
Offenbarungen als unecht erweisen - was aber bezüglich der Offenbarungen über die
heilige Eucharistie, das Sühnen, die Herz-Jesu-Verehrung, die vielen Heiligen und
die vielen in Erfüllung gegangenen Prophezeiungen niemals der Fall sein kann - so
müsste damit keineswegs auch die Kirche zu Falle kommen. Mit den Offenbarungen steht
und fällt nicht die Sakramentskirche von Schippach.
Schon theologisch war es völlig
unangebracht, den Kirchenbau von der Echtheit oder Unechtheit der Schippacher Offenbarungen
abhängig zu machen. Ein solcher Ausgangspunkt war der Grundirrtum der ganzen gegnerischen
Problemstellung. In keinem offiziellen Akt oder Buch der katholischen Kirche ist
ein solcher Grundsatz zu finden. Kein Buch der Heiligen Schrift, kein Dokument der
Erblehre, keine offizielle Verlautbarung eines Papstes, kein Kanon eines Konzils,
kein Dekret einer päpstlichen Kongregation, kein Dogma, keine Bestimmung im dekretalen-
oder neuen kanonischen Recht, kein Satz des Syllabus oder einer Enzyklika enthält
eine solche Lehre. Meinungen wie: ,,Mit den Offenbarungen steht und fällt der Kirchenbau“
waren darum nur - und zwar ganz irrige - Privatmeinungen, aber keine ,,Kirchenlehre“,
mit der sie vielmehr in schroffem Gegensatz stehen.
Fragen wir nur einmal die
mystische Theologie! Einer ihrer besten Vertreter, August Poulain S.J., äußert sich
über die Frage des Zusammenhanges zwischen Privatoffenbarungen und Werken ganz unmissverständlich
also:
,,Sehr oft regen Offenbarungen zu einem bestimmten Unternehmen an, eine neue Kongregation
oder einen neuen Orden zu gründen, ein Heiligtum zu bauen, eine Andacht einzuführen
usw. In solchen Fällen ist zu prüfen, ob das Werk
|
a) in sich gut und den Anschauungen der
Kirche entsprechend ist, |
|
|
|
b) ob es nützlich ist und der Nutzen
ein so außergewöhnliches Mittel
rechtfertigt, |
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|
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c) ob es zeitgemäß, ob es einem wirklichen
Bedürfnis entsprechend ist, |
|
|
|
d) ob es nicht einem ähnlichen Werk schadet
... |
Geht man (nach gründlicher
Prüfung) auf die Offenbarungen ein und erweisen sie sich später doch als falsch,
so braucht man die Übernahme des Unternehmens nicht zu bereuen. Die Offenbarungen
haben ja nur die Idee geliefert. Die hat man aber auch nur so genommen, wie man
gute Gedanken von anderen Personen, die kein besonderes Ansehen haben, verwertet.
Die Offenbarungen sind bloß die Veranlassung zur Unternehmung ... Für keinen besteht
die Pflicht, die Offenbarungen anzunehmen. Was aber aus ihnen hervorgeht, ist gut
für das Wohl der Seele; das sucht die Kirche.“
So schreibt klar für alle, die sehen wollen, der gelehrte Poulain. Genau so äußert
sich der Moralist Göpfert: ,,Wenn die Kirche durch Privatoffenbarungen irgendwie
angeregt wird, so entscheidet für sie die Natur der Sache, abgesehen von der Wahrheit
oder Unwahrheit der Offenbarung.“
Das ist die katholische Kirchenlehre.
Prüfen wir einmal den Schippacher Kirchenbau nach den von Poulain geforderten Gesichtspunkten!
Inhaltsverzeichnis
zu
a) War die Sakramentskirche von Schippach in sich
gut und den
Anschauungen der Kirche entsprechend?
Nun: die Schippacher Kirche sollte nach ihrer Baugeschichte, nach der Absicht der
Barbara Weigand, nach den Statuten des Bauvereins und nach den schriftlichen Erklärungen
des Bauherrn eine katholische Kirche werden, die vom katholischen Diözesanbischof
geweiht und von katholischen Priestern betreut werden sollte; in dieser Kirche sollte
katholischer Gottesdienst nach dem Missale und Rituale Romanum gehalten werden.
Der Unterschied von anderen Kirchen sollte bloß dieser sein, daß in der Schippacher
Kirche das Allerheiligste Sakrament besonders würdig verehrt werden sollte. Eine
solche Kirche war sicherlich ,,in sich gut und den Anschauungen der Kirche entsprechend“.
zu b) Ist das Werk nützlich und rechtfertigt
der Nutzen ein so außergewöhnliches Mittel?
Bedarf es wirklich noch eines Beweises, daß eine schöne Kirche, von Wohltätern erbaut,
im eucharistischen Zeitalter für das Seelenheil nützlich war, zumal in Anbetracht
des Umstandes, daß die Pfarrei Rück-Schippach kein ausreichendes Gotteshaus besaß?
zu c) Ob das Werk zeitgemäß und einem wirklichen
Bedürfnisse entsprechend ist?
Nun war das dringende Bedürfnis eines Kirchenbaues in Rück-Schippach seit einem
halben Jahrhundert schon von allen Instanzen anerkannt und dieses Bedürfnis wird
bei der wachsenden Seelenzahl immer dringender. ,,Zeitgemäß ?“ Eine Sakramentskirche
im eucharistischen Zeitalter war sicherlich auch zeitgemäß und eine Herz-Jesu-Sühnekirche
ebenfalls.
zu d) Schadet der Bau einem ähnlichen Werke?
Ganz gewiss nicht.
Somit war der Kirchenbau in Schippach nach der Theologie Poulains völlig in Ordnung.
Wenn der Gedanke hierzu von Barbara Weigand stammte, so ,,nimmt man diese Anregung
so, wie man gute Gedanken von anderen Personen nimmt“, sagt derselbe Poulain. ,,Erweisen
sich die Offenbarungen später als falsch, so braucht man die Übernahme des Unternehmens
nicht zu bereuen.“
Das ist die Lehre der Theologie
und der Kirche.
Wohin käme man aber auch,
wenn man erst die Echtheit von Privatoffenbarungen erweisen und dann erst Anregungen
daraus verwirklichen wollte! Niemand noch hat Privatoffenbarungen als echt ,,erwiesen“.
Wie viele Privatoffenbarungen haben denn in den Augen der Zeitgenossen Gnade gefunden?
Müsste man nicht bei Anwendung dieses Grundsatzes unser Brevier und Messbuch einer
radikalen Purgierung unterwerfen und viele Wallfahrtskirchen niederreißen? Würde
nicht im Verfolge einer solchen rationalistischen Hyperkritik unser reiches kirchliches
Leben verarmen und veröden? Stammen nicht beispielsweise der Rosenkranz, das Skapulier,
das Fronleichnamsfest, die Herz-Jesu-Freitage, die Heilige Stunde, der Dritte Orden
aus - damals noch sehr umstrittenen - Privatoffenbarungen?
Haben nicht viele, vielleicht
die meisten frommen Institute und Kongregationen ihre Wurzeln in - damals keineswegs
als echt anerkannten - Privatoffenbarungen? Z. B. Orden und Rosenkranz der heiligen
Brigitta, das Benediktuskreuz, das Karmelskapulier, der Portiunkala-Ablass, der
Orden von der heiligsten Dreifaltigkeit, die Erzbruderschaft Unserer lieben Frau,
das Exerzitienbüchlein des heiligen Ignatius, viele Heiligtümer wie die Dreifaltigkeitskirche
in München?
Mit dem Hinweis auf die obigen
Beispiele dürfte auch die Praxis der Kirche hinsichtlich Anregungen aus Visionen
hinreichend beleuchtet sein. Die Kirche prüft solche Anregungen auf ihren inneren
Wert, auf ihre Übereinstimmung mit der Kirchenlehre und sieht dabei von den Privatoffenbarungen
völlig ab. Genau so hielt es die fürstbischöfliche Behörde in Trient und die nachfolgenden
Ordinariate, als sie im Jahre 1914 dem ,,Eucharistischen Liebesbund“ die Approbation
verliehen; genau so handelte im Jahre 1915 der Bauverein bei Aufstellung seiner
Statuten und Generalvikar Heßdörfer bei seiner Beratung des Vereinsvorsitzenden
Dr. Abel.
Als dieser dann am 15. Oktober
1915 in völliger Übereinstimmung mit der Praxis der Kirche und gemäß dem Wunsche
des Generalvikars Heßdörfer den Ordinariaten versicherte, ,,der Bau werde nicht
wegen der Offenbarungen betrieben, sondern die große und heilige Idee einer dem
Gedächtnis der Kommuniondekrete gewidmeten Sakramentskirche reiche für sich allein
vollständig hin, um gläubige und eifrige Katholiken für den Bau der Sakramentskirche
zu begeistern“, da nannten die Zeitungen - wer gab den Zeitungen Kenntnis von diesem
Schriftstück? - dieses ganz korrekte Vorgehen einen ,,schlauen Advokatenkniff“,
mit dem man die Behörden täuschen wolle.
Hätten die Zeitungsschreiber
Kirchengeschichte studiert, dann hätten sie wissen müssen, daß dieser ,,schlaue
Advokatenkniff“ von den höchsten kirchlichen Instanzen schon wiederholt praktiziert
worden war.
An einigen konkreten Beispielen
aus den letzten Jahrhunderten möge die Praxis der Kirche noch besonders deutlich
veranschaulicht werden:
Als Margarete Maria Alacoque
am 16. Juni 1675 vor dem Allerheiligsten Sakramente betete, sprach der Heiland zu
ihr: Du kannst mir keinen größeren Beweis deiner Liebe geben als wenn du tust, was
ich schon so oft von dir verlangt habe. Dann zeigte er ihr sein Herz und fuhr fort:
Ich verlange von dir, daß der erste Freitag nach dieser Oktav als ein besonderes
Fest zur Verehrung meines Herzens bestimmt werde.
Margarete wurde sodann vom
Heiland mit der Mission beauftragt, ihrem Beichtvater den Wunsch des Herrn zu eröffnen.
Hindernisse auf Hindernisse stellten sich in den Weg; Bischöfe und theologische
Fakultäten traten gegen Margarete auf. Rom zögerte. Erst im Jahre 1765 wurde die
Feier des Festes partial gestattet. Wer die Unterhandlungen verfolgt, sagt Noldin,
der wird die Wahrnehmung machen, daß die Kirche bei der Prüfung der Andacht die
Offenbarungen der Schwester so ziemlich außer acht ließ.
Es kam der Kirche vor allem
darauf an, daß die Andacht in sich begründet sei, und daß ihre Feier den Seelen
zum Heile gereiche. Die Privatoffenbarungen haben allerdings die Veranlassung dazu
gegeben, allein nicht sie, sondern die unerschütterlichen Dogmen des Glaubens enthalten
den Grund ihrer kirchlichen Approbation. ,,Selbst wenn die Offenbarungen der Heiligen
auf Einbildung beruhten, würde die Andacht an ihrer inneren Wahrheit und Begründung
nichts verlieren.“
Am 9. September 1814 wurde
zu Niederbronn im Elsass Elisabeth Eppinger geboren. Herangewachsen ,,glaubte Elisabeth,
des direkten Verkehrs mit Christus gewürdigt zu werden, Weisungen von ihm zu bekommen“.
Im Jahre 1848 kam sie infolge innerer Erleuchtung zu dem folgenschweren Entschluss,
Stifterin einer religiösen Genossenschaft zu werden. Unter der elsässischen Geistlichkeit
und bei Vertretern des Episkopates fand das Werk viele Gegner. Der Bischof von La
Rochelle warf ihr sogar bewusste Täuschung vor. Dabei kam ihm der Umstand sehr zustatten,
daß sich Elisabeth mit einem politischen Schwindler eingelassen hatte. Aber der
kluge Bischof Räß von Straßburg sah und hörte mehr auf die guten Taten der Jungfrau
als auf die Stimmen der Gegner, wie sein Verteidigungsbrief an den Bischof von La
Rochelle beweist: ,,Wenn ein in steter Reinheit und Keuschheit zugebrachtes Leben,
wenn ebenso zahlreiche als auffallende Bekehrungen, wenn ihre weisen Ratschläge
und die einfachen und hinreißenden religiösen Unterweisungen, wenn die Werke der
Liebestätigkeit das Werk des Bösen sind, dann bin ich ganz geneigt, ihm ein Dummheitszeugnis
auszustellen.“
Die Angelegenheit wurde erneut
geprüft, für nützlich befunden, von Echtheit oder Unechtheit der Offenbarungen abgesehen,
und die ,,Kongregation der Schwestern vom Allerheiligsten Heiland“ genehmigt. Ihr
segensreiches Wirken seit über hundert Jahren ist weltbekannt.
Die Oberin des Klosters vom
Guten Hirten zu Porto, Droste zu Vischering, hatte in mehreren Visionen vom Herrn
den Auftrag erhalten, sich an den Papst zu wenden, damit die Weihe der Menschheit
an das Heiligste Herz Jesu angeordnet werde. Dem Befehle des Heilandes gemäß unterbreitete
die Nonne ihre innere Erleuchtung ihrem Beichtvater, jedoch ohne Erfolg. Dann richtete
sie die Bitte brieflich unmittelbar an den Heiligen Vater, der die Angelegenheit
untersuchen ließ. Als der Präfekt der Ritenkongregation in seinem Gutachten auf
den Brief der Schwester Bezug nahm mit den Worten: ,,Dieser Brief ist sehr ergreifend
und er scheint sehr wohl vom Heiland selbst diktiert“, gab Leo XIII. zur Antwort:
,,Herr Kardinal, legen Sie diesen Brief nebenhin; er darf in diesem Augenblick nicht
zählen“.
Der Biograph fährt fort: ,,Man
beschloss, die Weihe der Menschheit nicht auf eine Privatoffenbarung hin vorzunehmen,
sondern in Anwendung der Lehre der Theologen und der kirchlichen Überlieferung.
Als der Kardinal den Vatikan verließ, war er mit dem Auftrag betraut, die Frage
an sich zu erörtern, d.h. lediglich der Erblehre Rechnung zu tragen mit Beiseitesetzung
der rein persönlichen Erleuchtungen, welche für Leo XIII. der Anstoß gewesen, sich
mit der Angelegenheit zu befassen.“
Wir sehen also, daß die Erbauung
der Sakramentskirche in Schippach mit der Lehre der Theologen, mit der Lehre und
Übung der Kirche völlig in Einklang stand. Auch den Vorschriften des Kirchlichen
Gesetzbuches leistete sie durchaus Genüge. Nach dem CIC muß das zum Bau Nötige (Platz,
Plan, Mittel, staatliche Erfordernisse) vorhanden sein (can. 1162 § 2); der Bischof
muß die Rektoren der benachbarten Kirchen hören (§ 3); die Rechte Dritter müssen
gewahrt sein (can. 1676 § 1, can. 1678); die Gesetze der kirchlichen Kunst müssen
eingehalten werden (can. 1164); die Kirche darf nicht zu profanen Zwecken verwendet
werden (can. 1165 § 2).
Da der Kirchenbau von Schippach somit alle Anforderungen der Kirchenlehre, der Theologie,
der Pastoral und des Kirchenrechtes erfüllte, widersprach sein Verbot dem christlichen
Sittengesetz, welches jedem katholischen Christen die Schaffung guter Werke auf
seine eigenen Kosten gestattet, wie dies Erzbischof Sallua, Kommissär des Heiligen
Offiziums, einmal mit den Worten ausgesprochen hat: ,,Chacun dans l´Eglise a le
droit de fonder une bonne oeuvre, méme malgré l´évéque“ (Jedermann in der Kirche
hat das Recht, ein gutes Werk zu gründen, selbst gegen den Bischof). Der Erbauung
der Sakramentskirche in Schippach stand somit kein dogmatisches und kein kanonisches
Hindernis im Wege.
In einem meiner zahlreichen
Bittgesuche an die zuständigen kirchlichen Behörden um Aufhebung des Bauverbotes
schrieb ich die flehentlichen Worte: ,,Möge auch einmal über Schippach der Wahlspruch
des Heiligen Vaters sich erfüllen: Opus justitiae Pax! Möge der ,,dringende Wunsch“
des hochseligen Bischofs von Schlör nach Fertigstellung der Sakramentskirche endlich
in Erfüllung gehen! Möge neues Leben aus den Schippacher Ruinen erblühen und die
Sakramentskirche Auferstehung feiern, zur Freude ungezählter treukatholischer Menschen,
zum seelischen Heile einer rasch anwachsenden Pfarrei, zur Ehre des himmlischen
Königs Jesus Christus! Für dieses Ideal arbeiten zu dürfen, ist süße und tröstliche
Aufgabe.“
Der Herr hat diesen Wunsch
in Erfüllung gehen lassen. Ihm sei Lob und Dank alle Zeit!
Inhaltsverzeichnis
7. Einwände gegen die Person
der Barbara Weigand
Noch obliegt uns die Aufgabe,
einige besondere seinerzeit gegen die Person der Schippacher Jungfrau in der Presse
erhobene Einwände zu prüfen.
a) Ungehorsam
Barbara Weigand, so konnte
man damals (1916) in der gegnerischen Presse lesen, sei eine stolze und arrogante
Person, weil sie behauptete, von Gott mit einer bestimmten Aufgabe betraut worden
zu sein.
Wer die Lebensgeschichte unserer
Heiligen kennt, ist über diesen Vorwurf nicht überrascht; es wäre vielmehr geradezu
verwunderlich, wenn er nicht auch gegen die Schippacher Jungfrau erhoben worden
wäre. Wenn Barbara Weigand die Stimme Gottes zu vernehmen glaubte, in der Einführung
der öfteren heiligen Kommunion bahnbrechend vorzugehen, so war das doch nicht Arroganz,
Anmaßung und Stolz, sondern Demut; Demut, weil Gehorsam gegen die Stimme des Gewissens.
Festhalten an der eigenen Überzeugung in Dingen der christlichen Freiheit ist nicht
Stolz und nicht Arroganz und nicht Anmaßung, sondern Demut.
Nach Poulain besteht die Demut in dem Mut, die Wahrheit in ihrer ganzen Strenge
und in allen ihren Konsequenzen auf sich anzuwenden. Demut ist Wahrheit, sagt der
heilige Augustinus, Demut ist mutig, furchtlos, groß in Plänen, Demut scheut keinen
Spott. Demut macht unternehmend. Irdische Hindernisse gelten ihr nichts. Nicht feige
Servilität, nicht knechtische Unterwürfigkeit, nicht schmählicher Verzicht auf eigene
Meinung, nicht charakterloser Gesinnungswechsel, nicht elende Menschenfurcht, nicht
das Streben nach der Gunst der Mächtigen ist Demut, sondern der Mut, die Wahrheit
in ihrer ganzen Strenge und in allen ihren Konsequenzen auf sich anzuwenden. Demut
ist Mut, verlangt Opfer. Es ist ja so leicht, von mächtiger Stellung aus anderen
die Demut zu predigen; aber nicht leicht ist es, trotz eines in Gebet, Arbeit und
Hingabe an andere zugebrachten Lebens von siebzig Jahren sich vor Hunderttausenden
in den Zeitungen schmähen und von den Kanzeln in seiner Treue zur Kirche verdächtigen
zu lassen, ohne ein Wort der Erwiderung in die Öffentlichkeit zu geben, ja für diese
Verfolger weiter zu beten, auszuharren - und zu schweigen: das ist wahrhaftig die
ganze Strenge des Sittengesetzes auf sich angewendet.
Ähnlich verhält es sich mit der weiteren Anschuldigung, Barbara Weigand habe es
,,gesucht aufzufallen“ und ,,um jeden Preis eine Rolle zu spielen“. Nun ist Barbara
Weigand in der Tat in ihrem langen Leben vielfach aufgefallen, z. B. in ihrem Verlangen
nach dem häufigen Genusse der heiligen Kommunion zu einer Zeit, als der öftere Empfang
des heiligsten Sakramentes bei uns noch ganz außerhalb der gewöhnlichen Lehre und
Praxis der Kirche und ihrer Priester stand. Auch ihre Bußwallgänge für die Sünden
der Welt sind aufgefallen, ebenso ihr Gebetseifer und besonders ihre Art, den Kreuzweg
zu beten, wobei sie eine solche Frömmigkeit und Rührung an den Tag legte, daß selbst
die Mainzer Kapuzinerpatres Alphons und Bonifaz, um ihr Urteil gefragt, bestätigten,
noch niemals in den langen Jahren, in denen sie die Beterin Barbara beobachteten,
jemand so andächtig den Kreuzweg haben beten gesehen (P. Alphons i. J. 1895, P.
Bonifaz i. J. 1910).
Auch dem Schreiber dieses Buches, ihrem Pfarrer, ist Barbara wiederholt aufgefallen
dadurch, daß sie sich in der Erfüllung ihrer religiösen Pflichten viel eifriger
zeigte als ihre Landsleute. Auch war es auffallend an ihr, daß sie - ganz entgegen
dem Verhalten ihrer Landsleute - in einzigdastehender Uneigennützigkeit und Selbstlosigkeit
für die Errichtung einer Pfarrei und die Erbauung einer geräumigen Kirche in ihrer
Heimat Gelder sammelte und zur Verfügung stellte. Diese Auffälligkeiten waren wirklich
bei Barbara Weigand vorhanden. Aber Barbara hat es nicht gesucht aufzufallen.
Als in der Zeit der Pressehetze gegen die Jungfrau viele Besucher nach Schippach
kamen, um einmal die Vielgelästerte zu sehen, hatte sie für die meisten ,,keine
Zeit“, und wenn es ihnen glückte, sie doch zu Gesicht zu bekommen, waren sie sehr
enttäuscht, so gar nichts Auffälliges an ihr zu finden.
Wie leicht wäre es ihr gewesen
aufzufallen, z. B. im Jahre 1921 bei der Einführung des ersten Pfarrers auf die
von ihr gestiftete Pfarrei Rück-Schippach! Da wurden die üblichen Lobreden gehalten
und alle möglichen Personen gepriesen, aber der Name der Stifterin wurde nicht einmal
erwähnt. Sie war ja damals von allen Kanzeln und selbst von ihrer geistlichen Behörde
als Ketzerin gebrandmarkt und verdammt worden. Während dieses feierlichen Aktes
kniete sie bescheiden in ihrer Bank und dankte Gott, daß er ihr Werk nach so vielen
Schwierigkeiten nun endlich gesegnet habe; kein Wort kam über ihre Lippen, daß sie
die Stifterin der Pfarrei gewesen sei.
Erst als ich als Pfarrer die
Akten studierte, entdeckte ich diese Tatsache. Welcher Unterschied zwischen einer
solchen Bescheidenheit und dem heutigen Personenkult in den Zeitungen, auch um Priester,
unter denen nicht wenige solchen Weihrauchduft mit Behagen einsaugen! In den früheren
Jahrhunderten hatten die Stifter von kirchlichen Benefizien geheiligte Vorrechte:
ihre Namen wurden in die Diptychen eingetragen und beim Gottesdienst verlesen, sie
erhielten einen Ehrenplatz in der Kirche, zuerst die Kerze an Lichtmess, die Palme
am Palmsonntag, das Weihwasser beim Asperges.
Bei Schippach war es ganz,
ganz anders: da erhielt die Stifterin der Pfarrei von ihrer geistlichen Obrigkeit
keine Auszeichnung und kein Wort des Dankes, vielmehr eine Dornenkrone auf ihr graues
Haupt und einen Spottmantel um ihre alten Schultern.
Von der Sucht, auffällig zu
werden, war Barbara Weigand himmelweit entfernt. Das bestätigte auch ihr Mainzer
Pfarrer und Beichtvater Dr. Velte brieflich am 30. März 1911: ,,Wie vordem, so habe
ich auch bis auf den heutigen Tag nichts Auffälliges an ihr gefunden und kann ihr
nur meine Zufriedenheit aussprechen“, ein Lob, das er am 24. Juni 1912 wiederholte:
,,In ihrem ganzen Benehmen ist nichts Auffälliges, sie ist vielmehr stets anspruchslos,
schlicht und bescheiden, so daß man aus ihrem Äußern ihre große Frömmigkeit nicht
erraten kann.“
So urteilten jene Priester,
die Barbara Weigand persönlich kannten. Nur im Munde der geistlichen Zeitungsschreiber
von Aachen und Würzburg, die die Jungfrau Barbara niemals in ihrem Leben auch nur
gesehen hatten, war Barbara eine stolze Person, die ,,um jeden Preis“ auffallen
wollte.
Schenken wir auch der weiteren Anschuldigung, Barbara Weigand sei ungehorsam gewesen
und habe den Anordnungen ihrer geistlichen Vorgesetzten, namentlich des Ordinariates
Würzburg, ,,trotzigen Widerstand“ entgegengesetzt, einige Aufmerksamkeit!
Nun wäre es ein psychologisches
Rätsel der allerschwierigsten Art, wenn diese Barbara Weigand, der alle ihre unmittelbaren
geistlichen Vorgesetzten nachweislich das Zeugnis ausstellten, daß sie zeitlebens
eine brave, bescheidene und tieffromme Jungfrau gewesen, ich sage: wenn diese so
gut qualifizierte Barbara Weigand zugleich jene trotzige, ungehorsame Person gewesen
wäre, als die seit dem Jahre 1914 in den Zeitungen und Gutachten von Theologen,
die sie niemals zu Gesicht bekommen hatten, hingestellt wurde. Eines von den beiden
Prädikaten mußte doch notwendigerweise falsch sein; denn auch Barbara Weigand konnte
nicht zugleich gut und zugleich schlecht sein; sie konnte nicht zugleich die ,,im
Rufe der Frömmigkeit stehende“, ,,schlichte“, ,,einfache“, ,,brave“, ,,demütige“,
,,heiligmäßige“ Person und zugleich die ,,trotzige, ,,widerspenstige“, ,,von Zorn
sprühende“, ,,den Geist der Opposition atmende“ Person sein; eines von diesen beiden
Urteilen mußte notwendigerweise falsch sein. Daß aber das erste Urteil die allgemeine
Überzeugung aller ihrer unmittelbaren geistlichen Vorgesetzten von ihrer Wiege bis
zu ihrem Grabe war, können wir mit authentischen Urkunden belegen. Somit muß das
letztere Urteil, aus Unkenntnis der Person, aus Voreingenommenheit und blinden Fanatismus
erflossen, als in sich unwahr zusammenstürzen.
Sodann dürfte es nicht minder
schwer zu erklären sein, daß diese angeblich so ungehorsame Person in ihren Schriften
gerade den Gehorsam so nachhaltig betont, z. B. in Nr. 116 vom Fronleichnamsfest
1897: ,,Niemals kann eine Seele, die sich lostrennt von der Kirche, die nicht unter
der Leitung des Priesters wandelt, den rechten Weg wandeln. Sie wandelt den Weg
der Eigenliebe und des Stolzes.“ Oder in Nr. 159 vom Freitag vor Quinquagesima 1898:
,,Ein Kind der katholischen Kirche hat sich seinem Beichtvater zu unterwerfen.“
Oder in Nr. 141 vom zweiten Freitag im Oktober 1897: ,,Der Gehorsam geht über alles
bei einer Seele, die mit meinem Sohn verbunden ist. Diese ist dem Gehorsam unterworfen
und soll nur gehorsam sein ihren sichtbaren Vorgesetzten. Dies ist das sicherste
Zeichen, daß sie nicht irre geht.“ Oder in Nr. 168 vom Gründonnerstag 1898: ,,Schließt
euch an meine heilige Kirche an und nicht um eine Handbreit weichet von ihr ab!“
Oder in ihrer Selbstbiographie: ,,Ich stelle alle Worte, die ich geschrieben, unter
das Urteil derer, die dies von mir verlangen.“
So spricht keine Person, die
sich ,,in offener Auflehnung gegen ihre geistlichen Vorgesetzten“ befindet. Darum
konnte schon im Jahre 1902 ihr Seelenführer P. Ludwig in seinem Schreiben an das
Ordinariat Mainz gerade auf den Gehorsam der Jungfrau hinweisen: ,,Wenn man vom
Geiste des Ungehorsams reden könnte, müsste sich derselbe in ihrem Leben wohl irgendwie
gezeigt haben. Aber das gerade Gegenteil findet man. Der hochwürdigste Herr Bischof
Haffner hat in dieser Sache viele Befehle gegeben, hatte sich aber nie über einen
Akt des Ungehorsams zu beklagen. Von ihren bisherigen Beichtvätern hatte sie viel
Widersprüche und Verdemütigungen wegen ihrer übernatürlichen Mitteilungen zu ertragen,
aber des Ungehorsams hat sie keiner geziehen.
Daß sie trotz der von allen Seiten erfahrenen Widersprüche und Verdemütigungen keine
derselben freiwillig verlassen hat, ist nur ein Beweis ihrer mehr als gewöhnlichen
Tugendstärke, und daß sie sich einer Prüfung unterworfen hat, wie es die vom 3.
August 1900 gewesen ist, kann man nur als einen heroischen Akt des Gehorsams bezeichnen.“
Das gleiche rühmt ihr späterer Seelenführer P. Felix im Jahre 1911 in einem ausführlichen
Bericht an den Definitor seines Ordens.
Worauf gründete sich denn der so laut erhobene Vorwurf des Ungehorsams? Man beschuldigte
die Jungfrau des Ungehorsams, weil sie Zumutungen ablehnte, die gegen die geschichtliche
Wahrheit, gegen ihre persönliche Ehre und gegen die Forderungen ihres christlichen
Gewissens gerichtet waren. Wenn da das Ordinariat Würzburg am 24. Februar 1916 an
Barbara Weigand die Aufforderung richtete, keine Fragen mehr an den Heiland zu stellen,
wenn der amtliche Gutachter derselben Behörde am 26. Februar 1916 der Jungfrau den
Rat geben ließ, ,,jede weitere ekstatische Tätigkeit aufzugeben“, wenn das Ordinariat
Würzburg am 19. Februar 1918 von Barbara Weigand verlangte, sie solle ,,auf Ehre
und Gewissen“ dem über sie gefällten Urteil sich unterwerfen und unterschriftlich
bestätigen, daß ihre Offenbarungen Schwindeleien seien, daß sie eine Sekte habe
stiften wollen, daß sie zwanzig Jahre lang Bischöfe und Priester belogen und betrogen
habe, daß sie Häresien und Ketzereien verbreitet habe, daß sie sich im September
1913 gegen Anordnungen des Ordinariates aufgelehnt habe, die gar nicht existierten:
wenn sie solche Anschuldigungen mit ihrer Unterschrift ,,auf Ehre und Gewissen“
als wahr anerkennen sollte und wenn sie solche Zumutigungen ablehnte: war sie dann
wirklich ,,ungehorsam“? Gerade an den geschichtlichen Fakten lässt sich das Ungerechte
solcher Zumutungen am besten nachweisen.
Da schrieb das Ordinariat Würzburg in seinem Urteil vom Jahre 1918, das es auch
an das Heilige Offizium nach Rom sandte, folgendes: ,,Schließlich kündigt Barbara
Weigand den Gehorsam und droht mit der Strafe des Himmels, weil die kirchlichen
Obern den Kirchenbau und die Sammlungen von Gaben verboten haben.“
Als Begründung für diese Behauptung
führt das Ordinariat an: ,,Sie lässt Christus sagen am 9. September1913: ,,Was die
Geistlichkeit und das Volk wünscht, darauf darf nicht geachtet werden.“
Also Barbara Weigand soll
sich im September 1913 gegen die kirchlichen Verbote des Sammelns für den Kirchenbau
und die Fortführung der Kirchenbauarbeiten aufgelehnt haben: so behauptet das Ordinariat.
Nun wurde der Kirchenbau erst im Jahre 1914 begonnen, das erste Sammelverbot des
Ordinanriates Würzburg erfolgte am 2. Oktober 1914, also dreizehn Monate nach dem
9. September 1913, das erste kirchliche Bauverbot kam erst am 12. November 1915,
also sechsundzwanzig Monate nach dem 9. September 1913. Und da verlangt man im Urteil
vom Februar 1918, Barbara Weigand solle ,,auf Ehre und Gewissen“ unterschriftlich
erklären, sie habe sich im Jahre 1913 gegen diese Verbote aufgelehnt, die damals
noch gar nicht existierten, die vielmehr erst dreizehn bzw. sechsundzwanzig Monate
später erfolgten!
Bei jenem Ausspruch der Jungfrau
vom 9. September 1913 hatte es sich nur um den Platz für die künftige Kirche gehandelt,
als welchen Pfarrer Welzbacher (das ist ,,die Geistlichkeit“) und ein Teil der gegen
Schippach in Opposition stehenden Leute von Rück das Gelände an der Elsava wünschten,
während Barbara in Übereinstimmung mit dem Bischof und dem Ordinariat für den Platz
hinter dem Friedhof plädierte. Noch in den folgenden zwei Jahren begünstigte das
Ordinariat diesen Weigandplatz und genehmigte ihn schriftlich in aller Form als
Bauplatz für die künftige Kirche. Barbara Weigand konnte also mit ihrem Ausspruch
vom 9. September 1913 die kirchliche Obrigkeit von Würzburg gar nicht gemeint haben,
weil ja zwischen beiden völlige Übereinstimmung herrschte. Auch hat Barbara Weigand
für das Ordinariat niemals den Ausdruck ,,Geistlichkeit“ gebraucht. Der im Jahre
1918 vom Ordinariat Würzburg, das damals seine früher eingenommene Haltung gar nicht
mehr kannte, gegen die Jungfrau Barbara erhobene Vorwurf des Ungehorsams war somit
völlig ungerechtfertigt.
Ähnlich verhält es sich mit
einem andern in Würzburg konstruierten Fall von ,,Ungehorsam“, den man dort in Barbaras
Wort vom 19. März 1915 erblickte: ,,Ich will, daß die Kirche trotz der vielen Schwierigkeiten
weitergebaut wird.“ Nun kennen wir aus der Baugeschichte ganz genau die vielen Schwierigkeiten
gegen den Bau um jene Zeit: die Bauarbeiten waren im Herbst 1914 vom Bezirksamt
Obernburg wegen des Fehlens der ,,Allerhöchsten Königlichen Genehmigung der Pläne
in ästhetischer Hinsicht“ polizeilich eingestellt worden; die drei bauleitenden
Männer liegen auf der Insel Korsika in französischer Gefangenschaft; niemand ist
da, der das Unternehmen zu führen imstande ist; das Bezirksamt beharrt auf seiner
Gegnerschaft; die Zeitungen bringen unwahre und baufeindliche Artikel: das waren
wirklich ,,viele Schwierigkeiten“.
Angesichts dieser misslichen Lage des Kirchenbaues lässt sich Barbara im März 1915,
als die Witterung wieder Bauarbeiten erlaubt, also vernehmen: ,,Ich will, daß die
Kirche trotz der vielen Schwierigkeiten weitergebaut wird.“ Da die Hauptschwierigkeit
damals im Fehlen der ,,Allerhöchsten Königlichen Genehmigung“ lag, was dem baufeindlichen
Bezirksamt Obernburg die Handhabe für sein polizeiliches Verbot abgab, drang Barbara
in derselben Verlautbarung vom 19. März 1915 energisch auf die Erwirkung eben dieser
,,Allerhöchsten Königlichen Genehmigung“ beim Ministerium in München. Da führt die
Vorsehung den Münchner Bankoberinspektor Dr. Hans Abel nach Schippach. Diesem Mann
gelingt es dank seiner Energie und Sachkenntnis, die vielen Schwierigkeiten in überraschend
kurzer Zeit zu überwinden: er löst die Verträge mit der alten Baufirma, gründet
einen legalen Bauverein, erwirbt für diesen das Baugelände, erholt und erhält vom
Ministerium die ,,Allerhöchste Königliche Genehmigung“; Bischof Schlör unterstützt
freudig die gute Wendung, wünscht brieflich ,,dringend“ die Fortführung der Bauarbeiten,
Generalvikar Heßdörfer wünscht Gottes Segen auf die Vollendung des Baues, die Gelder
fließen reichlich, eine Baufirma von Weltruf treibt die Arbeiten rüstig voran: so
die Lage im September 1915.
Da wird im Januar 1916 die Prüfung der Schippacher Sache der sogenannten Würzburger
Prüfungskommission übertragen, die ihre Aufgabe darin sieht, Schippach um jeden
Preis zu vernichten, auch um den Preis der Fälschung geschichtlicher Tatsachen.
Das rührigste Mitglied dieser Kommission legt die Ergebnisse seiner ,,Prüfung“ dem
Ordinariat und einige Monate später auch der Öffentlichkeit in einer eigenen Broschüre
mit kirchlicher Druckerlaubnis vor. Darin zitiert er nun zum Erweise des ,,Ungehorsams“
der Schippacher Jungfrau jenes Wort, indem er es vom März 1915, wo es gesprochen
wurde und wo allein es einen Sinn hatte, auf den März 1916 verlegt, um dann auszurufen:
,,Seht, wie sich die Seherin von Schippach gegen das Ordinariat Würzburg auflehnt,
das doch vier Wochen vorher den Weiterbau verboten hat!“ Und das Ordinariat übernimmt
ebenfalls dieses ,,Prüfungsergebnis“ in sein Urteil vom Jahre 1918 und meldet es
als Beweis des ,,Ungehorsams“ der Barbara Weigand an das Heilige Offizium nach Rom.
So die Tatsachen um den ,,Ungehorsam“ der Schippacher Jungfrau, angeblich begangen
am 19. März 1915. In diesem Wort liegt aber nicht die Spur eines Ungehorsams gegen
das Ordinariat Würzburg. Schreit eine solche Behandlung nicht geradezu nach Wiedergutmachung?
Angesichts solcher Prozeduren gegen eine wehrlose katholische Frau sind wohl die
Fragen gerechtfertigt: Muß der katholische Christ, der seiner übernatürlichen Erleuchtungen
sicher ist, seinem Gewissen oder den anderslautenden Anordnungen seiner geistlichen
Obrigkeit Folge leisten? Muß er sich offenkundigen Fehlentscheidungen seiner kirchlichen
Obrigkeit ,,auf Ehre und Gewissen“ unterwerfen? Muß er offenkundige geschichtliche
Unwahrheiten auf Befehl seiner kirchlichen Obrigkeit als wahr hinnehmen und bekräftigen?
Muß er solchen Befehlen seiner kirchlichen Obrigkeit Gehorsam leisten?
Es ist katholische Lehre,
daß derjenige, welcher die Stimme Gottes in sich vernimmt, dieser Stimme folgen
muß, auch wenn er in Konflikt mit seinen kirchlichen Obern gerät. Man lese nur einmal
den sehr instruktiven Aufsatz in den ,,Stimmen der Zeit“ (1926) S. 252 ff oder das
Buch von August Adam: ,,Die Tugend der Freiheit“ (Sebaldusverlag / Nürnberg 1946)
an vielen Stellen, wo die Grundsätze der katholischen Moral zu diesem Gegenstand
ebenso klar und lichtvoll wie zeitgemäß behandelt werden. Dort ist also zu lesen:
,,Verlangen, daß die Seele, die ihrer unmittelbaren Erleuchtungen durch Gott sicher
ist, ihre Zustimmung von irgendeiner Autorität abhängig macht, wäre die Umstürzung
der Ordnung und Unrecht gegen Gott.“ Und daß man seinem Gewissen unbedingt folgen
müsse, hat Kardinal Boncampagni, der nachmalige Papst Gregor XIII., in den bestimmten
Worten ausgesprochen: ,,Wenn der Papst mir etwas befehlen sollte, was gegen mein
Gewissen ist, so werde ich nicht gehorchen.“
Die Scholastik kannte keine
andere Lehre als diese, man müsse es vorziehen, eher in der Exkommunikation zu sterben
als etwas zu tun, was das Gewissen verbietet, und Petrus Lombardus erklärte: ,,Wer
von der Kirche zu etwas verurteilt wird, was er in seinem Gewissen als Unrecht erkennt,
darf der Kirche nicht folgen.“ In dem Betrachtungsbuche von Schweykart S.J. heißt
es: ,,Wenn wir einmal etwas als Stimme Gottes, als Ruf von oben erkannt haben, darf
uns keine Macht der Welt, auch nicht der Spott der ganzen Welt, von der Ausführung
des göttlichen Willens abhalten. Da darf auch keine noch so brennende Demütigung
für uns ein Grund sein, uns dem zu entziehen, was uns einmal von Gott aufgetragen
ist.“
Beachtenswert sind zu unseren
Fragen auch die Stimmen katholischer Theologen im Anschluss an den Zweiten Internationalen
Laienkongress 1957 in Rom. In den ,,Stimmen der Zeit“ betont Hirschmann ausdrücklich
,,die Grenzen der Leitungsgewalt und der Gehorsamspflicht“, er anerkennt ,,die Möglichkeit,
unter Umständen den kirchlichen Vorgesetzten zu widersprechen, wenn es sich um offensichtliche
Fehlentscheidungen oder Fehlhandlungen handelt“, er erinnert eindringlich daran,
daß ,,Amtsträger und einfache Gläubige nicht nur im Verhältnis von Vorgesetzten
und Untergebenen zueinander stehen, sondern auch in dem von Brüdern in Christus“,
ein Verhältnis, das fundamentaler sei als der Unterschied aufgrund des Amtes.
Auch auf der Jahrestagung
der Arbeitsgemeinschaft ,,Kirchliche Presse“ 1958 in München fand die Verteidigung
der Freiheit gegenüber einer irregeleiteten Autoriät warme Befürworter. In einem
Vortrag: ,,Der Laie in der Kirche - Freiheit und Bindung“ ging Professor Arnold
von dem heute noch immer nicht überwundenen Gegensatz oder Gegenüber von Klerus
und Laien aus. Nicht die Hierarchie sei die Kirche, sondern Hierarchie und Laien
bildeten zusammen die Kirche. Hierarchie bedeute nicht Herrschaft und Bindung, sondern
Dienst. Auch der Laie könne Kritik üben in der Kirche und an der Kirche.
Wir sehen also: jene Zumutungen
an Barbara Weigand mußte sie schon aus Gewissensgründen ablehnen; aber sie tat dies
in würdiger, durchaus katholischer Form: durch Einlegung der Berufung an den Heiligen
Stuhl. ,,Durch die Einlegung der Appellation“, schreibt sie am 1. März 1918 an das
Ordinariat Würzburg, ,,gibt die Unterzeichnete die Entscheidung über ihre ganze
Angelegenheit und insbesonders die Entscheidung über den Offenbarungscharakter der
von ihr in der Ekstase vorgebrachten und von anderen aufgezeichneten Worte dem Heiligen
Apostolischen Stuhle anheim. Sie unterwirft sich dieser Entscheidung des Heiligen
Apostolischen Stuhles im voraus mit vollkommenem innerem und äußerem Gehorsam. Indem
sich die Unterzeichnete des Rechtsmittels der Appellation bedient, möchte sie keinen
Zweifel darüber lassen, daß sie vor der Entscheidung des Heiligen Apostolischen
Stuhles bezüglich der inkriminierten Handlungen (Förderung des Liebesbundes und
der Sakramentskirche sowie Verbreitung der sogenannten Offenbarungen) sich alles
dessen sorgfältig enthält, was den Geboten, Wünschen und Absichten des hochwürdigsten
Bischöflichen Ordinariates auch nur im geringsten zuwiderlaufen könnte.“
Das ist eine andere Sprache,
als sie in den Zeitungen von jenen Wächtern der Obedienz geführt wurde, welche sich
nicht gescheut hatten, den ,,dringenden Wunsch“ ihres eigenen Bischofs nach Fertigstellung
der Schippacher Kirche zu vereiteln.
Barbara Weigand hat ihr Versprechen
bis zu ihrem Tode treu gehalten. Eines ,,Ungehorsams“ muß jedoch hier Erwähnung
geschehen. Als ihr nämlich einmal in Mainz von kirchlicher Seite die Aufgabe gemacht
wurde, sie sollte, wenn sich wieder eine Erscheinung zeige, dieser kräftig ins Gesicht
spucken, glaubte sie diesem Befehle nicht gehorchen zu können. Mußte sie wirklich
gehorchen? Hören wir, was Poulain hierzu meint: ,,Was soll man tun“, fragt er, ,,wenn
der Seelenführer dieses Zeichen der Verachtung (sc. das Anspeien) befiehlt? Da sind
zwei Ansichten: nach der ersten muß man gehorchen ... Die heilige Theresia unterwarf
sich ihrem Seelenführer und der Heiland sagte zu ihr: Du handelst recht, wenn du
gehorchst... Aber trotz dieser Ermutigung des Himmels neigte die heilige Theresia
gegen Schluss ihres Lebens zur entgegengesetzten Ansicht, zur Überzeugung nämlich,
daß es erlaubt, ja auch schicklicher sei, nicht zu gehorchen. Ich denke, man solle
dem Seelenführer bescheidene Gegenvorstellungen machen und, wenn er auf seiner Meinung
verharrt, ihm nicht gehorchen.“ Was würden meine Leser in einem solchen Falle tun?
Inhaltsverzeichnis
b) Tadel der Priester
Wir konnten in einem früheren
Kapitel den Geist der Schippacher Schriften hinsichtlich des Priestertums durch
zahlreiche authentische Belege kennzeichnen. Damit dürfte dieser Geist erschöpfend
und unverfälscht wiedergegeben sein: hohe Wertschätzung der priesterlichen Würde
und ernste Mahnungen zu priesterlichem Verhalten treten dem Leser auf Schritt und
Tritt entgegen. Gewiss hat die sittenstrenge Gottesfreundin manches ernste Wort
mit einfließen lassen und bekanntlich haben diese tadelnden Bemerkungen dereinst
den ganzen Unwillen gewisser Priester hervorgerufen. Nicht nur, daß man sich auf
dieser Seite in hohem Grade über die ,,Anmaßung“ der Jungfrau entrüstete, man hat
aus jenen Bemerkungen auch den ,,allersichersten Beweis“ ableiten wollen für die
Unechtheit jener Offenbarungen; denn Gott spreche über seine Priester keinen Tadel
aus!
Wirklich! Welcher metaphysische
Grund soll denn den Heiland abhalten, an uns Priestern Kritik zu üben? Sollte der
Heiland an uns Priestern wirklich nichts Tadelnswertes finden oder uns nicht mehr
rügen dürfen? Ja, wir Priester sind heute gar empfindlich geworden, ganz anders
wie die Priester zu den Zeiten eines heiligen Hieronymus, Augustinus, Thomas, Bernhard,
einer heiligen Katharina von Siena, eines seligen Seuse oder eines heiligen Robert
Bellarmin, und viele von uns können die Wahrheit nicht mehr hören. Und doch sollten
wir in demütiger Selbsterkenntnis nicht leugnen, daß der Herr an uns doch recht
viel auszusetzen hätte. Fromme Priester haben denn auch in jenen Äußerungen durchaus
keine Anmaßung erblickt, sondern vielmehr eine Anregung zu ernster Gewissenserforschung,
wie mir z. B. ein Priester schrieb: ,,Die tadelnden Bemerkungen verraten einen so
scharfen Blick für die Bedürfnisse der Kirche in der Gegenwart, daß man sich sagt,
sie können nicht das innerste Eigentum eines ungebildeten Bauernmädchens sein.“
Zudem sind manche ihrer Aussetzungen
durch die nachfolgenden Zeitereignisse in geradezu überraschender und augenfälliger
Weise bestätigt worden, wie ihr Urteil über Wert und Bestand der Vereine, der Zeitungen
und der sonstigen Presse, oder sie sind, wie die Mahnungen zur Einfachheit in Denken
und Lebenshaltung, zur Liebe der Armut und des Gebetes, zur Kreuzes- und Opfergesinnung,
zur furchtlosen Verteidigung des Reiches Gottes, in das Priesterideal von heute
übergegangen (vgl. Mahnruf ,,Menti nostrae“ des Papstes Pius XII. vom 23. Sept.
1950 an den Klerus des Erdkreises).
Daß aber gar Barbara Weigand ,,ihren Teil dazu beigetragen habe, die Achtung vor
dem Priestertum und den Gehorsam gegen das Priestertum in dem Kreis der frommen
Seelen, die ihre Schriften lesen, zu untergraben und einen Geist des Hochmutes und
der Widersetzlichkeit großzuziehen“, ist eine maßlose Verleumdung.
Nein: nicht die Gottesfreundin von Schippach hat die Achtung vor dem Priestertum
untergraben, sondern jene schriftstellernden Priester mit ihren unwahren und ehrabschneiderischen
Zeitungsartikeln, und jene geistlichen Ignoranten, die eine aufrichtig gemeinte
Sache und eine heiligmäßige Person in gröblicher Verletzung des Gebotes der Liebe
von den Kanzeln aus herabsetzten, so daß sich akademisch gebildete Zuhörer, wie
sie mir versicherten, mit Entrüstung von solchen Predigten abwandten.
Es dürfte sich bei diesem Anlass gewiss verlohnen, eine kleine Wanderung in die
Geschichte anzutreten, um zu sehen, ob nicht auch schon früher anerkannte mystische
Personen manchesmal recht ernste Worte über die Priester gesprochen haben.
Da lese ich in den Briefen der heiligen Katharina von Siena an den Papst:
,,O süßester Vater, es kann nicht mehr weitergehen, so sehr haben sich die Laster
gehäuft, besonders unter jenen, die im Garten der Kirche als duftende Blumen eingesetzt
sind, auf daß sie ausströmen den Duft der Tugenden. Doch wir sehen, daß sie reich
sind an elenden und ruchlosen Lastern, so daß sie damit die ganze Welt verpesten.“
,,Die Hirten sind im Schlafe der Eigenliebe versunken“, klagt sie einem hohen Prälaten
und den Papst fordert sie auf, ,,aus dem Garten der heiligen Kirche die verfaulten
Blumen auszureißen.“
Solche Worte werden damals in den Ohren der Betroffenen auch nicht gerade angenehm
geklungen haben, aber die Geschichtschreibung zollt dieser Frau hohes Lob: ,,Furchtloser
Freimut, mit dem sie den Adressaten - sei es ein Priester, ein Gelehrter oder ein
gekröntes Haupt - die Wahrheit sagt, bittere, unverblümte Wahrheit. Es ist allein
und einzig unbestechliche Liebe zur Wahrheit, treue, warme Sorge um das Heil aller
Menschen, was sie beseelt und ihr den Mut zur Offenheit gibt.“
Und wie wurde dieser Freimut vom Statthalter Christi aufgenommen, an dessen Adresse
Katharina jene ernsten Worte gerichtet hatte? Kein geringerer als Papst Gregor XI.,
an dessen Hof die strenge Sittenpredigerin ,,den Lastergeruch der Hölle“ tadelte,
nahm sie gegen ihre Widersacher in Schutz. ,,Ganz Avignon“, schreibt Pastor (I,
111), ,,war in Aufregung; viele wären ihr gern entgegengetreten, aber sie fürchteten
den Papst, der die Heilige schützte.“ Wer hätte noch nichts gehört von jener bedeutsamen
Rede De corruptelis Ecclesiae, die der sittenstrenge Bischof Grosseteste im Jahre
1250 zu Lyon gegen Papst Innozenz IV. hielt? Wer kennte nicht den freimütigen Brief
des heiligen Bernhard an den Bischof von Mainz? Die heilige Brigitta hört in einer
Vision den heiligen Petrus also sprechen: ,,O Rom, dessen Straßen das Blut der Martyrer
mit köstlichem Gold belegt hat! Nun sind deine edlen Saphire in eklen Schmutz verwandelt
und Petri Fischnetz ist voller Eidechsen und giftigen Schlangen!“
Die heilige Hildegard von Bingen stand mit Päpsten, Kaisern, Fürsten, Bischöfen,
Priestern und Ordensleuten in brieflichem oder persönlichem Verkehr und ,,mahnte
alle mit dem Mut einer Prophetin an ihre Sünden und Fehler.“ Bekannt ist ihre tiefernste
Vision: ,,Ich sah wachend eine hohe Frauengestalt ... Auf einmal bemerkte ich, daß
ihr Angesicht von Staub entstellt, der Mantel seiner Schönheit beraubt sei. Wehmütig
ertönte ihr Klagelied: Höre es, Himmel, daß mein Angesicht befleckt, und trauere,
Erde, daß mein Gewand zerrissen worden! Meine Pfleger, die Priester, sie haben mein
Angesicht mit Staub besudelt, mein Gewand zerrissen, meinen Mantel dunkel und meine
Schuhe schwarz gemacht!“ Und Papst Eugen III. billigte ihre Schriften.
Ist es nötig, das Buch von den neun Felsen zu erwähnen, wo der Verfasser den Päpsten,
Kardinälen, Bischöfen und Priestern eine überaus ernste Strafpredigt hält: ,,Sieh,
wie die weltlichen Pfaffen ihr Gut vertun, das Gut, das sie von Gottesgaben nehmen,
wie sie das schämlich verzehren mit Unkeuschheit und großer Hoffart ... Aller göttlicher
Ernst ist in ihnen vergangen und vergessen ... Darauf geht ihre Meinung vielmehr,
wie sie den Leuten gefallen, denn daß sie gewahr werden und schmecken Gottes und
seiner inwendigen Gnade.“
Vierhundert Jahre lang galt als Verfasser dieser ernsten Strafpredigt der selige
Heinrich Seuse; ,,es ist der Geist seiner Schriften, der hier weht“, gesteht sein
Biograph Fürstbischof Melchior von Diepenbrock.
Die heilige Gemma Galgani hört in einer Ekstase die Worte des Herrn: ,,Ich bedarf
einer großen Sühne, insbesondere für die Sünden und Sakrilegien, wodurch ich sogar
von den Dienern des Heiligtums beleidigt werde.“
Und was sprach unser göttlicher Heiland, als Nathanael sich wegwerfend über Jesu
Heimat Nazareth äußerte? Jesus lobte den Sprecher Nathanael und rühmte seine Offenheit:
,,Ein echter Israelite, in dem kein Falsch wohnt.“
Mit welch liberaler Würde
ertrug der geniale Papst Nikolaus V. die bitteren Satiren seiner nächsten Umgebung!
Selbst Pastor muß es als eine unglaubliche Freiheit des Wortes bezeichnen, wenn
Poggio in einem dem Papst gewidmeten Buche seinen Vorgänger Eugen IV. ,,ziemlich
offen der Heuchelei verdächtigen“ durfte (I 550). Und kein Geringerer als der heilige
Gottesstreiter und seeleneifrige Volksmissionar Johannes Capistran konnte es neben
anderen ungestraft wagen, über die kostspielige Baulust des Papstes seinen Tadel
auszusprechen (I 558).
In seinem berühmten, von Papst
Pius II. in die Form einer Bulle gebrachten Reformentwurf des sittenstrengen Nikolaus
von Kusa spricht dieser Freund des Papstes ausdrücklich von den Gebrechen auch in
den höchsten kirchlichen Stellen und fordert alle auf, offen ihre Meinung über die
Zustände an der Kurie zu äußern; ,,selbst wer im Oberhaupte der Kirche etwas entdecke,
was Anstoß errege, solle es frei heraussagen.“
So geschah es ehedem. Wenn
aber im Zwanzigsten Jahrhundert in Deutschland eine heiligmäßige Frau verweltlichten
Priestern empfiehlt, mit ihren Gläubigen Bußgänge zu machen, ihre Predigten auf
dem Betstuhl zu meditieren, statt aus den Zeitungen zu holen, auf den Kanzeln das
Evangelium zu verkündigen und keine politischen und keine Spottpredigten zu halten,
oder wenn ein Johannes Silvanus oder eine Ida Friderika Görres ähnliche gutgemeinte
Worte an den deutschen Klerus richten: dann geraten deutsche Priester in helle Wut,
sind entrüstet über die ,,Anmaßung“ der Laien und reden von Arroganz und Untergrabung
der priesterlichen Autorität.
Es war darum in hohem Grade
ungerecht, Barbara Weigand wegen einiger übrigens zutreffender Bemerkungen, Arroganz,
Anmaßung und Schädigung des priesterlichen Ansehens vorzuwerfen, einer Person, die
wieder so schöne Worte über die Würde und Bedeutung des Priestertums gefunden hat
und die in ihrem persönlichen Verhalten allezeit eine rührende Demut und Verehrung
gegen die Priester an den Tag gelegt hat, wie ihr alle ihre Seelsorger feierlich
und laut, mündlich und schriftlich bestätigt haben.
Auch die gelegentlichen Klagen
der Jungfrau über innere Dürre, Trockenheit und Zweifel an der Wirklichkeit der
empfangenen Gnaden haben ihren Gegnern Anlass gegeben zu der Behauptung, solche
Selbstbekenntnisse sprächen ganz deutlich für die Unechtheit ihrer inneren Vorgänge;
denn, so behaupteten sie, bei wirklicher Begnadigung gäbe es solche Beängstigungen
höchstens am Anfang, dann aber herrsche fortgesetzt tiefer Friede und heilige Freude.
Die mystische Theologie und
die Geschichte der Mystik bezeugen aber das gerade Gegenteil dieser tendenziösen
Behauptungen. Poulain nennt den ,,Zweifel über die Wirklichkeit der empfangenen
Gnaden so allgemein, wenigstens am Anfang des mystischen Lebens, daß man erstaunen
müsste, wenn eine Seele ihn nicht zu fühlen hätte.“ In der Tat stoßen wir bei allen
wahren Mystikern auf solche Zustände der Ängste und der Zweifel; ich verweise nur
auf Paula Reinhard, Benigna Consolata, Lucie Christine, Theresia vom Kinde Jesus,
Gemma Galgani, Heinrich Seuse, Maria vom göttlichen Herzen, Katharina von Siena,
Schwester a Nativitate, Emilie Schneider, Fidelis Weiß.
Der heilige Alfons von Liguori
wurde noch in hohem Alter von solchen Glaubenszweifeln geplagt, daß man sein Stöhnen
darüber im ganzen Hause hörte. Ebenso der heilige Pfarrer von Ars. Von der heiligen
Rosa von Lima berichtet das Brevier: ,,Per quindecim annos, ad plusculas horas desolatione
spiritus et ariditate miserrime contabescens, forti animo tulit agones omni morte
amariores.“
Hören wir einige Seufzer der
großen heiligen Theresia zu diesem Punkte: ,,Ich betrat das Oratorium nie ohne tiefe
Traurigkeit. Müde und immer müder wurde meine Seele und die traurigen Fesseln der
Gewohnheit ließen sie nicht zu der ersehnten Ruhe kommen.“ In ihren ,,Zweifeln“
konnte sie keine Auskunft erhalten und ,,blieb beunruhigt.“ ,,Ein größerer Theologe
befreite mich von jedem Zweifel ... Zuweilen auch fragte und klagte meine Seele
in ihrer trostlosen Verlassenheit bei sich selbst: Ubi est Deus tuus? ... Ich empfing
keinen Trost vom Himmel und keinen Trost von der Erde ... So schwebte meine Seele
gleichsam gekreuzigt, leidend zwischen Himmel und Erde ... Es ist auch nicht zu
vergessen, daß dieser Ansturm von Desolation nach jenen Gnaden über mich kam ...
Nur zeitweise hatte meine Seele Trost und war der vorübergegangen, so fühlte sie
sich in ihren Versuchungen und Drangsalen fern von Gott ... Ich sah, daß meine Beängstigungen
in demselben Grade zunahmen, als ich im Gebete höher stieg ... Da geriet ich in
unbeschreibliche Angst und Betrübnis und löste mich in Tränen auf ... Grausam sind
diese Leiden und sehr behutsam muß man die Leidenden behandeln, besonders wenn es
Frauen sind ... Mir schadete es, daß Dinge allgemein bekannt wurden, welche besser
verschwiegen geblieben wären, weil sie nicht für alle Welt sind (genau wie bei B.W.,
d. V.) ... Zuweilen geriet ich doch in Zweifel ... Der Herr lässt die Seele oftmals
in der Finsternis ... Deshalb darf man sich nicht wundern, daß ein so armseliges
Geschöpf wie ich bei Visionen und Ekstasen in großer Furcht schwebte.“
Wie konnte man angesichts solcher Selbstbekenntnisse einer der größten Mystikerinnen
aller Zeiten die Behauptung aufstellen, bei echten Visionen herrsche nur Ruhe und
Sicherheit? Nur einem in der mystischen Theologie ganz unwissenden Klerus und dem
modernen Zeitungspublikum konnte man seine törichten Behauptungen vorsetzen.
Auch das Erschrecken der Jungfrau bei Erscheinungen hat genügend Parallelen in der
Geschichte. Erschrak nicht auch Abraham bei der Erscheinung der drei Männer, Zacharias
bei der Erscheinung des Engels, Maria bei der Verkündigung, die Hirten auf dem Felde,
die Frauen am Grabe, die Apostel bei der Erscheinung des Herrn, der Hauptmann Cornelius
bei der Erscheinung des Engels?
Am dritten Freitag im April 1899 glaubte die Jungfrau Barbara die Stimme ihrer himmlischen
Mutter zu hören: ,,Allen Priestern, die sich anschließen, verspreche ich, daß ich
alle ihre Fehler und Unvollkommenheiten ersetzen will“ ... ,,Vergesst nicht“, so
spricht Jesus ein andermal, ,,zu meiner lieben Mutter zu flüchten, sobald ihr in
einen Fehler gefallen seid. Sagt ihr kindlich: Sieh, meine liebe Mutter, ich bin
gefallen und ich schäme mich und fürchte hinzutreten zu deinem lieben Sohn. Ach,
ersetze du mir, was ich gefehlt. Hilf du mir. Sie wird euch alle ihre Verdienste
und Tugenden schenken.“
In ihrem später mit kirchlicher Approbation im Druck erschienenen Abendgebete kehrt
derselbe Gedanke wieder: ,,Lieber heiliger Schutzengel, nimm mein armseliges Gebet
und Tagewerk und trage es in die Hände der lieben Muttergottes. Und dich, o liebe
Mutter, bitte ich, du wollest alles ersetzen, was mangelt, und es eintauchen in
das kostbare Blut Jesu Christi und es reinigen, vervollkommnen und vollwertig machen
aus dem Werk der hochheiligen fünf Wunden und deiner Verdienste und Tugenden.“
Nun hat man auf Grund dieser Sätze behauptet, die Jungfrau von Schippach predige
,,eine bequeme Sittenlehre“ und maße sich die kirchliche Schlüsselgewalt an. Allein
schon der Zusammenhang dieser Stellen mit ungezählten anderen Sätzen, in denen sie
strenge Anforderungen stellt, sowie ein Blick auf das lange, ganz dem Gebet, der
Arbeit, den Opfern, der Sühne und der Entsagung gewidmete Leben unserer Gottesfreundin
hätte von einem solchen Vorwurf abhalten sollen. Eine Person, die während eines
fast hundertjährigen Lebens ganz im Dienste Gottes und des Nächsten aufgeht, die
so strenge sittliche Forderungen an ihre häusliche Umgebung stellt, eine Person,
die ungezähltemal alle Gutgesinnten zum Kampf gegen Gleichgültigkeit und Schlechtigkeit
aufruft, die gegen Unglauben und Sittenlosigkeit einen festen Damm errichtet wissen
will, eine Person, die ganz und gar den Verzicht auf die Welt fordert und übt, die
nur arbeitet, betet, sühnt, Not lindert, Wohltaten spendet, eine Person, die aus
glühendstem Verlangen nach der heiligen Kommunion stundenlange Märsche zurücklegt,
eine Person, die schon ein Menschenalter vor dem Erlass der Kommuniondekrete die
heilige Kommunion unter großen Opfern täglich empfängt, eine Person, die bei den
öffentlichen Schmähungen und Verspottungen ihrer Person in den Zeitungen nur die
bescheidene Bitte an ihre kirchliche Obrigkeit richtet, sie gegen solche Verleumdungen
in Schutz zu nehmen, im übrigen aber schweigt, duldet und betet: eine solche Person
predigt keine bequeme Sittenlehre.
Die angeschuldigten Sätze in den Schippacher Schriften werden von Äußerungen
anderer Begnadigten weit übertroffen, z. B. von Benigna Consolata Ferrero: ,,Die
Vereinigung des Herzens mit dem Willen der Oberin ist für eine Klosterfrau der Freibrief
für den Himmel.“ ,,Ich stelle die schönsten Meisterwerke aus jenen Seelen her, die
ich aus dem tiefsten Elend und aus dem größten Schmutz herausgezogen habe.“ ,,Ein
einziger Liebesakt macht tausend Gotteslästerungen wieder gut.“ Nach derselben Stimme
verhält sich bei der Rettung der Seele die Tätigkeit des Menschen zu jener Gottes
mathematisch genau wie 1 zu 399. Der heilige Ludwig Maria Grignion sagt in seinem
Goldenen Buche: ,,Die Vereinigung einer Seele mit Maria ersetzt alle Mängel und
Fehler .“
Auch der weitere Vorwurf, daß man ,,ohne die kirchliche Schlüsselgewalt in Anspruch
zu nehmen, Befreiung von Fehlern, Unvollkommenheiten und Mängeln“ erhalten könne,
würde, wenn er berechtigt wäre, ebenso andere anerkannte Begnadigte treffen, z.
B. die heilige Gemma Galgani, die einmal ohne die kirchliche Schlüsselgewalt in
einer Vision die Nachlassung ihrer Sünden erhielt: ,,Ich befand mich vor meiner
himmlischen Mutter, zu ihrer Rechten stand mein Schutzengel; dieser befahl mir,
den Akt der Reue zu beten. Nachdem ich dies getan, richtete die himmlische Mutter
folgende Worte an mich: Tochter, im Namen Jesu seien dir alle deinen Sünden erlassen.“
Auch die kirchlichen Obern haben in den mitgeteilten Äußerungen keinen Verstoß gegen
Glaube und Sitte erblickt, da sie sonst dem Abendgebet, in welchem Barbaras Gegner
im Jahre 1916 die angeblich bequeme Sittenlehre und die Missachtung der kirchlichen
Schlüsselgewalt gefunden haben wollten, gewiss die kirchliche Approbation und das
Imprimatur verweigert hätten. Oder waren die bischöflichen Ordinariate, Zensoren,
Generalvikare und Bischöfe von Roermond, Trient, Salerno, München, Temesvar, Fünfkirchen,
Augsburg, Hertogenbosch, Köln, Münster, Aachen, Metz, Lüttich, Salzburg, also aus
fünf sprachverschiedenen europäischen Ländern, welche in den Jahren 1909, 1914,
1915, 1916, 1919, 1933, 1934, 1941, 1942, 1956 jenem Gebet die Druckerlaubnis
erteilten, wirklich alle in der Theologie unwissend und nur die deutschen Zeitungstheologen
in der kirchlichen Lehre bewandert?
Inhaltsverzeichnis
c) Sei satanisch
Schließlich hat man seinerzeit
auch die Berichte von Vexationen durch den Teufel gegen sie ausgespielt und ihr
inneres Leben als satanisches Blendwerk hingestellt. Die vom Teufel besessene ,,feuerspeiende
Hexe von Schippach“ wurde zum beliebten Schlagwort der Prediger und der katholischen
Presse.
Versuche des Bösen, das mystische
Leben der Heiligen auf alle mögliche Weise in Misskredit zu bringen, spielen bekanntlich
in den Lebensbeschreibungen mystischer und heiliger Personen eine große Rolle. Nun
wird man gewiss an diese Berichte die Sonde einer wissenschaftlichen Kritik anlegen
müssen und nicht alle dort erzählten Spukgeschichten als bare Münze hinnehmen; aber,
so meint Fischer mit Recht, es ist im Interesse des wahren Wohles der Gläubigen
und der Ehre der Kirche dringend zu wünschen, daß der Theologe nicht aus Menschenfurcht
den wirklichen Tatsachen im Leben der Heiligen aus dem Wege gehe. Wenn der Satan
es schon gewagt hat, sich an den göttlichen Heiland selber heranzumachen, um wieviel
mehr wird man auch manchen Berichten über satanische Verführungskünste in den Lebensbeschreibungen
der Heiligen Glauben schenken dürfen!
Der heilige Pfarrer
Johann Baptist Vianney von Ars hatte 35 Jahre lang mit den Plackereien des Satans
zu kämpfen; man lese einmal das elfte Kapitel seiner Biographie von Trochu, das
die Überschrift trägt: Der Pfarrer von Ars und der Teufel, und man wird an der Tatsächlichkeit
solcher dämonischen Vexationen wohl nicht mehr Zweifel hegen wollen. Anna Katharina
Emmerich litt gar sehr unter den Angriffen des Bösen, Nicolaus von der Flüe, Josef
a Cupertino, Gemma Galgani, Klara Moes, Paschalis Baylon, Philipp Jeningen, Columba
von Riete, Marina von Escobar, Theresia von Avila, Theresia von Lisieux, Pater Pio
und andere standen jahrelang im Kampf mit den Mächten der Finsternis.
Das große Werk von Lourdes
suchte Satan schon bei der vierten Erscheinung zu stören. Nicht nur körperliche
Vexationen, noch viel mehr seelische Qualen waren es, die der Dämon den Begnadigten
bereitete, Qualen, die mitunter so weit gingen, daß sie selbst die moralische Verantwortlichkeit
und die Freiheit des Willens für gewisse Zeiten und Handlungen aufhoben. Der Satan
brachte es auch zuwege, daß manchmal Äußerungen und andere Vorkommnisse in die Öffentlichkeit
gelangten, wo sie dann gegen die betreffenden Personen und ihre Frömmigkeit einseitig
ausgebeutet wurden: Gotteslästerungen, Selbstmordgedanken, Eigenarten und die sonderbarsten
Merkwürdigkeiten, Trivialitäten der bedenklichsten Art in dem Leben der Begnadigten
tragen deutlich die Spuren dämonischer Einwirkung; selbst Irrewerden am eigenen
mystischen Leben finden wir als Folge satanischen Einflusses. Man vergleiche nur
die zahlreichen Beispiele aus der hagiographischen Literatur. Die heilige Theresia
und der Theologe Poulain nennen solche Tatsachen Selbstverständlichkeiten im Leben
mystisch begnadigter Personen.
Nun berichten uns die Schippacher
Schriften ebenfalls von den Angriffen des Bösen gegen die Schippacher Jungfrau.
Könnte nicht diese Tatsache auch manche Entgleisung erklären, die sich dort findet?
Wäre es so ganz abwegig, gewisse Absonderlichkeiten und Trivialitäten im Ausdruck,
Einmischungen in weltliche Dinge etc. auf das Konto satanischen Zerstörungswillens
zu setzen? Daß aber die großen Gedanken und Werke von Schippach über Kirche, Priestertum,
Opfer, Sühne, Leiden, Buße, Heilige Eucharistie, die in vollem Umfang eingetretenen
Prophezeiungen u. a. kein satanisches Blendwerk waren, dürfte keines Beweises mehr
bedürfen; denn, wie Poulain sagt, ,,sind Offenbarungen, die vom Teufel ausgehen,
immer darauf bedacht, Gutes zu hindern und Böses zu stiften.“ Wenn diese Worte und
Werke Schöpfungen des Teufels sind, dann müsste man ihm, um mit Bischof Räß zu sprechen,
unbedingt ein Dummheitszeugnis ausstellen.
Es erschien notwendig, den
Einwänden gegen die Schippacher Vorgänge, im besonderen den Beanstandungen der Schippacher
Glaubenslehre, etwas nachzugehen, nachdem ihre Urheberin bekanntlich gerade hinsichtlich
ihres Verhältnisses zu Glauben und Kirche den gröbsten Verdächtigungen ausgesetzt
worden war. Hat man sich doch im Jahre 1916 nicht gescheut, gegen sie den Vorwurf
der Sektiererei zu erheben. Sie habe sich mit ihren Äußerungen über Kirche und Priestertum
,,von der katholischen Kirche getrennt“ und sei daran, ,,eine häretische ecclesiola“
zu gründen; sie wolle ,,die kirchliche Hierarchie sprengen“; die Sakramentskirche
in Schippach solle ,,die Mutterkirche einer Sekte“ werden. Deshalb müsse man mit
Hilfe der Polizei gegen sie einschreiten - was dann auch geschah.
Nun haben wir in den früheren
Kapiteln viele Äußerungen der Jungfrau über Glauben, Kirche und Priestertum vernommen
und haben auch gerade die schwersten Anschuldigungen restlos zurückweisen können.
Wir glauben deshalb zuversichtlich, es werde kein objektiver Leser den Eindruck
gewonnen haben, diese Jungfrau habe Sektiererei treiben wollen. Es müsste wohl den
Gipfelpunkt der Dummheit darstellen, mit solchen Worten und Werken, wie sie die
Jungfrau von Schippach gesprochen und gewirkt hat, die kirchliche Hierarchie sprengen
zu wollen. So sprechen und handeln keine Häretiker und Sektierer, so können nur
Menschen sprechen, die von glühender Liebe zu unserer heiligen Kirche erfüllt sind.
Einer Person, die solch warme Worte für Kirche, Liturgie und Priester findet wie
Barbara Weigand, einer Person, die in bewundernswerter Uneigennützigkeit Werke von
dauerndem Werte, wie die Gründung einer katholischen Pfarrei, geschaffen hat, einer
Person, die in ihrem ganzen langen Leben eine so treue Tochter ihrer Kirche geblieben
ist trotz der schwersten Prüfungen gerade von kirchlicher Seite - nach der Meinung
von Geistesmännern ist dies als ein Zeichen der Heiligkeit zu werten, einer solchen
Person kann man nicht den Vorwurf machen, sie betreibe Sektiererei. Zu einem solch
schweren Vorwurf hätte es wahrlich eines anderen Materials bedurft.
Wohl kein Vorwurf bereitete
der frommen Schippacher Jungfrau solchen Schmerz als die Anschuldigung auf Häresie
und Sektenbildung. Die Opferseele von Schippach konnte vieles ertragen und zu vielem
schweigen - allein dieser Vorwurf verwundete sie bis in die Tiefen ihrer Seele und
riss in ihr die stärkste Reaktion hervor. Man braucht nur ihre Briefe aus jener
Zeit zu lesen und man fühlt unwillkürlich, wie schwer die Greisin von dem beschimpfenden
Vorwurf der Sektiererei getroffen wurde. Darum legte sie in ihrem Schreiben an den
Heiligen Vater am 1. März 1918 gerade gegen diese Anschuldigung feierlich Verwahrung
ein:
|
,,Die Unterzeichnete
erklärt, daß sie ihre Worte niemals in dem häretischen oder sonstwie glaubenswidrigen
Sinne ausgesprochen hat, welchen Dr. Brander (Berater des Ordinariates Würzburg)
in diese Worte hineinzulegen sich bemüht.“ |
Angesichts dieses betrübenden
Vorganges, mit dem man eine brave, fromme, treukirchliche, heiligmäßige Person um
ihre Ehre bringen und eine im Bau begriffene schöne Kirche in Trümmern schlagen
konnte, dürfte die Erinnerung an ein Wort des toleranten, gerade bei uns in Bayern
hochgeschätzten Bischofs Sailer von Regensburg am Platz sein, das sein Biograph
zitiert: ,,Man sollte vierzig Tage in Asche, Fasten und Tränengebeten vor Gott zubringen,
ehe man wider seinen Bruder das Urteil der Heterodoxie ausspräche.“
Sellmair, der dieses Wort
mit Beifall erwähnt, ergänzt es mit der treffenden Bemerkung: ,,Leute, die selber
keine innere Freiheit ertragen können, neigen um so leichter zur Ketzerriecherei.“
Ja, die rabies theologorum hat schon mehr als einen treukatholischen Menschen zur
Strecke gebracht. Dieser Sorte von Ketzerriechern schreibt P. Cohausz S. J. die
ernsten Worte ins Stammbuch, die haarscharf auf die Gegner Schippachs zutreffen:
,,Nirgendwo wird hie und da
mit der Wahrheit leichtfertiger umgegangen als bei dem Gegner im eigenen Lager ...
Man hat nicht mehr den ,,richtigen Geist“, man wird eine ,,Gefahr für die Kirche“,
man muß unschädlich gemacht und an den Pranger gestellt werden. Zu dem Zweck beginnen
alsdann Beobachtungen und Untersuchungen. Man begibt sich auf die Jagd nach ,,verdächtigen
Symptomen.“ Mit fieberhafter Erregung verfolgt man des Betreffenden Reden, studiert
man seine Schriften, horcht man andere über seine Ansichten aus. Allem, was für
ihn spricht, verschließt man die Augen, allem, was gegen ihn ist, öffnet man sie
weit, und richtig: bald hat man, was man wollte: der Irrlehrer ist entdeckt. Das
Bild ist fertig. Daß es ein Zerrbild ist, sieht man nicht oder man will es nicht
sehen. Der vermeintliche Gegner muß fallen, dazu ist ja alles erlaubt ... Wieviel
Unheil hat der religiöse Fanatismus doch nicht von jeher angerichtet!“
Wir haben diesen Worten nichts
hinzuzufügen.
Inhaltsverzeichnis
8. Sonstige Beanstandungen
a) Dauer und Regelmäßigkeit der Ekstasen
Man hat an den Ekstasen der
Barbara Weigand beanstandet, daß sie zu lange gedauert hätten; stundenlange Ekstasen
seien ganz offenbar falsche Ekstasen.
Barbara Weigands Ekstasen
dauerten zwischen anderthalb bis drei Stunden, wovon jedoch etwa eine Stunde auf
das der eigentlichen Ekstase vorangehende Passionsleiden entfiel. Steht diese Dauer
mit der Erfahrung in anderen Fällen in Widerspruch? Da lese ich von Maria von Mörl:
,,Maria sah und hörte nichts, sie schwebte schon seit sechs Uhr abends über ihrem
Bette (volle dreizehn Stunden), mit der Vorbereitung auf die heilige Kommunion beschäftigt.“
Poulain bezeichnet Ekstasen
von weniger als einer halben Stunde als Ausnahmen. Er schreibt wörtlich: ,,In dem
Leben der Heiligen findet man eine große Anzahl Ekstasen, die mehrere Stunden gedauert
haben“ und berichtet dann von Ekstasen, die selbst tagelang währten, so vom heiligen
Thomas von Villanova, der zwölf Stunden, von der heiligen Angela von Foligno, Katharina
von Siena, Klara von Montefalco, die drei Tage, von der seligen Columba von Riete,
die fünf Tage, von Marina von Escobar, die sechs Tage, vom heiligen Ignatius, der
acht Tage, von der heiligen Coletta, die fünfzehn Tage, von der heiligen Magdalena
von Pazzi, die vierzig Tage, in Ekstase zugebracht hätten. Also wird man auch Barbara
Weigands zwei- bis dreistündige Ekstasen als nicht zu lange bezeichnen dürfen.
Auch die Periodizität der
Weigandschen Ekstasen hat genügend Seitenstücke in der Geschichte der Mystik. So
wiederholten sich z. B. die Leidensekstasen der heiligen Katharina von Ricci regelmäßig
zwölf Jahre lang von Donnerstag Mittag bis Freitag Nachmittag, sechszehn Uhr.
Die Kritiker, welche an dem
regelmäßigen Auftreten des Passionsleidens der Schippacher Jungfrau an den Freitagen
der Advents- und Fastenzeit Anstoß nahmen, wussten zwischen diesen Passionsekstasen
und den sonstigen visionären Zuständen der Jungfrau, die sich schon lange vor 1892
und wieder lange nach 1900, und zwar nicht periodisch einstellten, nicht zu unterscheiden,
weil sie es nicht der Mühe für wert hielten, das mystische Leben der Jungfrau zu
studieren.
Inhaltsverzeichnis
b) Heiland sei ungehorsam
Gehorsam
Wir haben schon früher aus
einem Brief des Metzer Psychiaters Dr. Witry seine Verwunderung über das Verhalten
der katholischen Theologieprofessoren im Falle der Therese Neumann von Konnersreuth
vernommen, wo er schreibt: ,,Die katholischen Theologieprofessoren spielen sich
als Vormundschaft Gottes auf, so daß man kopfschüttelnd davongeht.“
Von dieser sonderbaren Auffassung, als ob der Geist Gottes nur zu wehen habe, wann
es den Theologen passe, haben wir auch im Falle Schippach schon mehrfache Beweise
kennengelernt, z. B. dort, wo der Würzburger Prüfungskommissär am 26. Februar 1916
der Jungfrau den Rat erteilte, ,,unbedingt jede weitere ekstatische Tätigkeit aufzugeben“,
oder wo das von ihm inspirierte Ordinariat am 24. Februar 1916 die Jungfrau verpflichtete,
sich vom Heiland nichts mehr sagen zu lassen.
Noch grotesker waren am 10. August 1900 die Prüfungskommissäre in Mainz mit Barbara
Weigand umgegangen. Als nämlich am genannten Tage Barbara während ihrer Prüfung
im Elisabethenkrankenhaus in Ekstase geriet und in der gewohnten Weise redete, suchten
die beiden Priester P. Bonifaz O.Cap. und Dr. Hubert dieses Reden in jeder Weise
zu stören. ,,Sie verfuhren mit dem Geiste auf die unhöflichste Weise, sie fielen
ihm in die Rede, sie spotteten ihn aus und sagten: ,,Es ist alles nicht wahr, was
du sagst, so braucht man nicht zu leben, schweig still! Der Geist ließ sich jedoch
davon nicht einschüchtern. Wiewohl der Weltpriester viele Fragen stellte, fuhr er
ruhig fort in der Rede, wie wenn nichts wäre. Nur wenn der Beichtvater sprach, gehorchte
er auf der Stelle und war ruhig, er fing aber wieder an.“
Diese Darstellung in den Schippacher Dokumenten erhält ihre Bestätigung durch die
Worte des Prüfungskommissärs P. Bonifaz O.Cap. sogleich nach Beendigung der Untersuchung.
Wie nämlich sein Ordensgenosse P. Ludwig in seinem Bericht vom 4. August 1902 an
das Ordinariat Mainz erwähnt, rühmte sich ihm gegenüber P. Bonifaz wie folgt: ,,Jetzt
haben wir es klar heraus! Wenn es der Heiland gewesen wäre, so hätte er dreinschlagen
müssen! Wir haben es ihm schön gemacht! Wir haben ihn schrecklich behandelt! Wenn
er es wäre, hätte er sich das nicht gefallen lassen dürfen! Der Heiland hätte es
unserem Bischof zeigen müssen, er wäre verpflichtet dazu gewesen!“
Wirklich? Der Gottessohn in der Krippe hat sich auch viel gefallen lassen, und erst
der Heiland am Ölberg, an der Geißelsäule, bei der Dornenkrönung, auf dem Kreuzweg,
am Kreuze. Was lässt sich der gute Heiland auf den Altären, in den Tabernakeln,
an der Kommunionbank nicht alles ,,gefallen“! Müsste er da nicht auch manchmal ,,dreinschlagen“?
,,Müssen“? Ich meine, das Dreinschlagen wäre allein Gottes Sache; wir Menschen haben
ihm nichts dreinzureden und ihm keine Vorschriften zu machen, was er sich alles
gefallen lassen dürfe, oder ob und wann er dreinzuschlagen habe. Ja, der liebe,
nur allzu gute und langmütige Gott hat sich allerdings viel gefallen lassen, aber
er hat inzwischen gezeigt, daß er auch dreinschlagen kann, auch in Mainz und in
Würzburg.
Und das Wunderwirken! Dazu
hat schon die Heilige Schrift die Antwort gegeben: ,,Herodes freute sich sehr als
er Jesus sah; denn schon lange hatte er gewünscht, ihn zu sehen, weil er viel über
ihn gehört hatte, und er hoffte, eine Wundertat von ihm zu sehen. So stellte er
denn viele Fragen an ihn; Jesus aber gab ihm keine Antwort ... Da verhöhnte ihn
Herodes mit seinem Gefolge.“
Hierzu bemerkt ein geistlicher
Lehrer: ,,Gott wirkt seine Wunder, wenn es ihm gefällt, niemals aber, wenn und weil
die Menschen es wollen. Wunder ließ er sich in seinem sterblichen Leben nicht abnötigen,
auch nicht von weltlichen und geistlichen Behörden. Auch Herodes war Christi Obrigkeit,
auch dann, wenn es galt, das größte Verbrechen zu verhindern.“ Poulain, unsere bewährte
Autorität in mystischen Fragen, äußert sich zu diesem Gegenstand, daß der Obere
nicht leichtfertig, aus Neugierde oder Eitelkeit, einer in der Ekstase entrückten
Person Befehle geben dürfe, da er ja Gott befehle; auch ,,hat der Obere kein Recht
auf Gehorsam, wenn er Wunder befiehlt.“ ,,Es schickt sich nicht, Gott gleichsam
ausfragen zu wollen.“
Inhaltsverzeichnis
c) Hannappel ,,Mache die
Sache“
Diese Behauptung verrät die
ganze Unkenntnis, welche die Gegner Schippachs seinerzeit an den Tag legten. Für
diese beginnt nämlich Barbara Weigand erst zu existieren, seitdem Aufzeichnungen
von ihr vorliegen, d. i. seit dem Jahre 1894/95. Davon, daß die Jungfrau damals
schon fünfzig Jahre zählte, von denen sie bereits fünfundzwanzig in außergewöhnlichen
Zuständen gelebt hatte, wussten sie so gut wie nichts. Barbara Weigand lebte, wie
uns die ersten Kapitel dieses Buches gezeigt haben, schon lange vor dem Jahre 1895,
in welchem Luise Hannappel zu ihr kam, in jenen Zuständen, die ihr mystisches Leben
kennzeichnen, und sie besaß nach meinen Beobachtungen die Gnade der Gottvereinigung
auch nach dem Jahre 1923, dem Todesjahr von Luise Hannappel. Als sich diese im Jahre
1895 an Barbara anschloß, hatte diese auch schon über drei Jahre ihr Passionsleiden,
so daß es Luise Hannappel, die übrigens auch später durchaus nicht immer an Barbaras
Seite war, ganz gewiss nicht ,,gemacht“ haben konnte.
Ganz unzutreffend ist demnach die Darstellung von Profesor Krebs über den Werdegang
Schippachs:
,,Ein einfaches Bauernmädchen übt frühzeitig den täglichen Empfang der heiligen
Kommunion, lange bevor Pius X. darüber seine Mahnschreiben und Dekrete ergehen lässt.
Allmählich beginnt das Mädchen, Barbara Weigand aus Schippach im Odenwald (?), laute
Gespräche mit dem Heiland zu führen. Eine Freundin schreibt stenographisch nach,
was die Visionärin als Heilandsworte referiert; es bildet sich ein regelrechter
Visions- und Offenbarungsbetrieb; eine dritte Freundin schließt sich an.“
Das also ist nach Professor Krebs Schippach und Barbara Weigand. Was der Freiburger
Professor hier erzählt, hat sich vielleicht irgendwo im Odenwald oder Schwarzwald
zugetragen, aber vom Leben der Barbara Weigand aus Schippach im Spessart berichtet
nur der erste Satz etwas Wahres. Die langen inhaltsschweren 27 Jahre von 1870 bis
1897 tut Krebs sodann mit dem einen Wort ,,allmählich“ ab, von dem ganz außerordentlichen
Gebets- und Opferleben der Jungfrau in dieser Zeit, von den offensichtlichen Berührungen
der Gnade in diesen Jahren weiß er nichts zu berichten, ...weil in den drei Heftchen,
die er in Händen hatte, nichts davon enthalten war.
Und war das Verlangen dieses einfachen Bauernmädchens nach dem täglichen Empfang
der heiligen Kommunion zu einer Zeit, als noch von allen Kanzeln und Kathedern dieses
Verlangen als unzulässig bezeichnet wurde, nicht geradezu epochemachend? In der
Tat: das einfache Bauernmädchen von Schippach ist schon lange vor dem Erscheinen
der Kommuniondekrete in den Bahnen des heiligen eucharistischen Papstes Pius X.
gewandelt, wie auch der Vatikanische Rundfunk von Barbara Weigand rühmend hervorgehoben
hat; dieses Bauernmädchen hatte schon Jahre lang ein eucharistisches Leben geführt,
als ihre späteren Gegner noch gar nicht auf der Welt waren.
Nach dem obigen Berichte wäre Luise Hannappel früher als Elisabeth Feile zu Barbara
gekommen und hätte die Offenbarungen mitstenographiert, während das gerade Gegenteil
wahr ist: Feile kam 1893/94, Hannappel erst 1895 zu Barbara; ihre stenographischen
Aufzeichnungen begannen erst Ende des Jahre 1897.
Wir sehen: auch die historischen Aufstellungen von Professor Krebs können ebensowenig
wie seine theologischen der Wahrheit im Falle Schippach standhalten.
Inhaltsverzeichnis
d) Übertreibungen
und Unziemlichkeiten
Die Mystik der
Schippacher Jungfrau soll unecht sein, weil sich in ihren Offenbarungen Übertreibungen
fänden; so sagten die Gegner. Weil da Barbara Weigand sagte: ,,Noch nie war der
Glaube so geschwunden seit Erschaffung der Welt“ oder: ,,Die Zeiten sind schlimmer,
als alle Menschen sich denken können“ oder: ,,Noch in keinem Jahrhundert hat es
so viele Heilige gegeben, wie es in diesem Jahrhundert geben soll“ oder: ,,Noch
nie hat das Feuer der Gottesliebe so hoch aufgelodert ... als wie jetzt; weil Barbara
Weigand so spreche, deswegen soll sie anormal und ihre Mystik unecht gewesen sein!
,,Wer so übertreibt“, meinte einer ihrer Gegner im Anschluss an die Wiedergabe der
obigen Sätze, ,, hat das Recht verwirkt, für normal genommen zu werden.“
Nun, ich meine,
wenn man die Sprecherin der obigen Worte deswegen für anormal erklären wollte, dann
müsste man dieses Verdikt auch auf sehr viele Prediger und auch auf die Verfasser
von Hirtenbriefen aus der jüngsten Zeit ausdehnen; dann hat auch die Muttergottes
in Fatima ,,übertrieben“, als sie sprach: ,,Bedenket, so viele Seelen gehen zur
Hölle, weil niemand ist, der für sie betet und opfert“; dann ,,übertreibt“ auch
das offizielle Gebetbuch der Diözese Würzburg, wenn es dort auf Seite 507 heißt,
Jesus empfange ,,von den meisten nur Undank durch Unehrerbietigkeit, Kaltsinn, Verachtung,
ja selbst durch unwürdige Kommunionen.“
Daß zudem die
Äußerung über die vielen Heiligen keine Übertreibung darstellt, haben wir schon
oben eingehend begründet, und die anderen Wendungen braucht man ja nicht gerade
im strengsten Wortsinn zu nehmen, da offenbar nur die betreffende Seite etwas kräftiger
hervorgehoben werden sollte, daß sich schließlich bei allen Menschen, auch bei den
Gegnern Schippachs, Übertreibungen finden, dürfte hinreichend bekannt sein. Auch
die Schriften der Mystiker sind nicht frei von Übertreibungen, die, wörtlich zu
nehmen, keinem vernünftigen Menschen einfallen wird.
Aber, so lautet
eine andere Anklage: Barbara Weigand gibt Auskünfte in rein weltlichen und unbedeutenden
Dingen; die sind doch ganz gewiss unecht. Nun, wenn unsere Gottesfreundin wirklich
solche Auskünfte gegeben hätte: wäre das etwas Schlechtes gewesen? Gibt es nicht
ähnliche Fälle zur Genüge bei anerkannten Mystikern, und selbst in der Heiligen
Schrift? Der heilige Pfarrer von Ars wurde des öftern um Auskünfte in irdischen
Dingen angegangen und erteilte sie stets bereitwillig. Aber schließlich glaube auch
ich, daß sich die Jungfrau Barbara mit jenen Auskünften auf ein Gebiet begab, das
außerhalb ihrer Aufgabe lag und infolgedessen auf Irrtumslosigkeit keinen Anspruch
erheben konnte. Vielleich wäre ihr der Aufenthalt in einem Kloster, eine strenge
Aufsicht und sachkundige Seelenleitung nur von Vorteil gewesen und hätte jene Dinge
ungestört und normal sich entwickeln lassen, die ihr in der Welt einer gewissen
Experimentiersucht ausgesetzt wurden, so daß sie, von mancherlei versuchenden Einwirkungen
umgarnt, in Ausartungen geraten konnten.
Mit solchen Inkonvenienzien
stehen übrigens die Schippacher Schriften in der mystischen Literatur keineswegs
vereinzelt, wie die folgende kleine Blütenlese ersehen lässt. Dabei halte man sich
vor Augen, daß die folgenden Zitate aus approbierten und purgierten Texten stammen,
die sämtlich das kirchliche Imprimatur tragen. Die genaue Zitaten-Quellenangabe
enthält des Verfassers Schrift: ,,Denkschrift über Barbara Weigand“ S. 308 f.
Zur Schwester
Maria von Droste-Vischering spricht der Herr: ,,Von nun an betrachte dich als Null.“
Ein andermal fordert der Heiland von ihr, sie solle werden, ,,wie eine Seifenblase,
die in der Luft schwebt.“ Wieder meint Jesus, eine Bitte der Schwester sei ,,liebe
Musik in seinen Ohren.“ Die heilige Galgani spricht: ,,Jesus ist der Mann der Schmerzen,
ich will die Tochter der Schmerzen sein.“ Margarete Maria Alacoque hört also die
Stimme des himmlischen Bräutigams: ,,Ich will, daß du jetzt der Spielball meiner
Liebe seiest, die mit dir spielen will nach ihrem Wohlgefallen.“ Oder: ,,Strahlt
die Sonne der Gerechtigkeit auf sie (sc. ungehorsame Ordensleute) hernieder, so
bringt sie in ihnen dieselbe Wirkung hervor wie die Sonne, wenn sie auf Kot scheint.“
Zur Schwester von der Geburt spricht der Heiland: ,,Wie sich der böse Feind zum
Sturze der Seele geheimer Schleichwege und Minen, und wie sich die Welt solcher
Grundsätze und Kniffe bedient, so suche auch ich auf verborgenen Wegen die Seelen.“
Die Schwester
Benigna Consolata Ferreo bedenkt der Heiland gerne mit Kosenamen wie ,,Nigna“, ,,kleine
Sekretärin“, ,,mein Benjamin“, ihr Kloster nennt er ,,das Taubennest“, die Begnadigte
nennt sich selbst, ,,einen mit etwas Erde überdeckten Düngerhaufen.“ ,,Der Heilige
Geist vollbringt für die Heiligung der Seele ...“ die geistlich gesinnten Seelen
werden mit Bienen, die anderen mit Mücken verglichen; bald redet der Heiland von
einem ,,Thermometer der Liebe“, bald vergleicht er die Ordensregel mit einer ,,Henkersarbeit“:
,,Die Regel geißelt dich, krönt dich mit Dornen und schlägt dich ans Kreuz.“
Geradezu ,,widerlich-süß,
sentimental-romanhaft“, um ein Wort eines Schippachgegners zu gebrauchen, nimmt
sich die folgende Allocution des Heilandes an die Schwester aus: ,,Meine Braut,
ich liebe dich. Lies dieses Wort: ,,Ich liebe dich“ auf dem Brot, das du isst, auf
dem Wasser, das du trinkst, auf dem Bett, in dem du schläfst.“ Die gottgeweihte
Seele ist bald eine ,,konsekrierte Hostie“, bald ein Schwamm, der mit Wasser getränkt
ist“, bald ,,eine Leinwand“, bald ,,ein Lumpen“; eine ,,innerliche Seele verlässt
die Betrachtung ganz mit Himmelsduft erfüllt wie jemand, der einige Zeit in einer
mit Wohlgerüchen gesättigten Luft zugebracht hat; doch wenn er sich nicht reichlich
mit wohlriechenden Essenzen besprengt, verflüchtigt sich alles bald wieder. Kauft
er dagegen Riechfläschchen, so besprengt er sich immer wieder mit Wohlgerüchen und
verbreitet ohne Unterlass den Wohlduft. Ebenso geschieht es mit der Seele: wenn
sie sich damit begnügt, Süßigkeiten zu kosten und schöne Gefühle zu haben, wird
ihr Wohlduft bald verflüchtet sein; aber wenn sie kräftige Vorsätze fasst, wird
sich der Wohlgeruch erhalten und sie wird den Duft verbreiten. Und mit welchem Geldstück
kauft man sich das Wohlduftfläschchen?“
Ein andermal sagt der Herr: ,,Wenn du von der Demut lebst und sie atmest, wirst
du von meiner Liebe und von meinen Gunsterweisen mehr verfolgt werden als ein Dieb
von der Polizei.“ Wenig dezent im Munde des Heilandes nehmen sich auch die folgenden
Worte aus: ,,Meine Braut, du mußt dich wie einen Lumpen betrachten, aber nicht wie
einen sauberen, auf den man noch etwas gibt, weil er zum Abwischen dient, sondern
wie einen ganz schmutzigen Fetzen, der Abscheu erregt, sobald man ihn sieht, und
den man nicht einmal mit den Fingerspitzen berühren mag, sondern mit dem Fuß fortstößst.“
,,Nigna, bereite mir den Trost und gib mir deine Armseligkeit. Ich will mit dir
handeln wie ein Lumpensammler, der die Lumpen kauft. Wenn du mir deine Armseligkeiten
gibst, bezahle ich sie dir, o meine Benigna, gib mir diese Lumpen, mit denen du
nichts anzufangen weißt. Nenne mich, wie es dir gefällt, entweder Lumpensammler
der Liebe oder der Barmherzigkeit, beide Titel gefallen mir.“
Katharina Emmerich und die heilige Magdalena von Pazzi kletterten in ihren Ekstasen
ohne Leiter die Säulen in der Kirche hinauf. Der heilige Nikolaus hielt schon als
Säugling wöchentlich einen Fasttag. Die heilige Margarete Maria Alacoque geriet
einmal, während sie zwei Esel hütete, in Ekstase; da rief ihr der Heiland zu: ,,Lass
sie laufen!“ Von derselben Heiligen verlangte der Heiland, daß sie ihm schriftlich
ihr Testament vermache, gab genaue Anweisungen für den Notar und setzte die Vergütung
für ihn fest. Sie ritzte sich den Namen ,,Jesus“ auf ihre Brust und erneuerte sich
die Zeichen mit einer brennenden Kerze, so daß sich die Stellen entzündeten und
die Oberin für Heilung sorgen wollte. Das führte zu einem Wortwechsel der Schwester
mit dem Heiland, der ihr zur Strafe den Namen wieder von der Brust wegnahm.
Die heilige Gemma Galgani konnte nicht schlafen, wenn sie nicht das Bild des heiligen
Gabriel Possenti unter dem Kopfkissen hatte. Gemma hatte ein solches Verlangen nach
Leiden, daß sie sich den Strick vom Ziehbrunnen um den Leib band. Einmal bat sie
ihren Beichtvater: ,,Darf ich Jesus bitten, an der Lungenschwindsucht zu sterben?“
Einmal ging der Satan auf Gemma los, nahm sie bei den Haaren und riss ihr einige
Büschel aus.
Soll ich weiter
erzählen von den Kuriositäten des seligen Heinrich Seuse, eines Johannes a Jesu
Maria, Petrus Claver, Stanislaus Kostka, Thomas a Jesu, Johannes von Gott, Philippus
Neri, Camillus von Lellis, Josef a Cupertino, Vinzenz Palotti, einer Euphenia Doser,
Franziska Romana, Katharina von Bologna, Katharina von Genua, Anna Maria Taigi,
Marina von Escobar, Kreszentia von Kaufbeuren, Lidwina von Schiedam, Rita von Cascia,
Magdalena von Pazzi, Cherubina Clara, Johanna Maria vom Kreuz? Ich denke: es ist
nicht mehr nötig. Die unpassenden Ausdrücke in den Schippacher Schriften - wenn
sie überhaupt von Barbara Weigand stammen - sind viel harmloser als die oben vermerkten
Absonderlichkeiten, die auch der Kanonisation ihrer Urheber nicht im Wege standen
und in öffentlichen Büchern mit kirchlicher Druckerlaubnis publiziert werden dürfen.
Als in den Jahren
1914 bis 1920 die Presse gegen die Erbauung der Sakramentskirche in Schippach zu
Felde zog, stürtzten sich die Gegner mit Vorliebe auf Eigentümlichkeiten in den
Schippacher Schriften, auf unpassende, alltägliche Wendungen, unvollendete Sätze,
Schreib- und Dialektfehler, auf die Merkwürdigkeiten in der Kleidung der Jungfrau
Weigand bei ihren Bußgängen, auf Antworten in Dingen des täglichen Lebens, lösten
solche Sätze sorgfältig von ihrem Zusammenhang, stellten sie recht aufdringlich
nebeneinander, hoben gewisse Worte durch Sperr- und Fettdruck besonders hervor,
gaben die entsprechenden Randbemerkungen dazu und setzten die so zurechtfrisierten
,,Stichproben aus den Schippacher Offenbarungen“ als ,,wahren Sachverhalt“ in den
Tageszeitungen dem Publikum in der bestimmten Absicht vor, sie dadurch der Lächerlichkeit
preiszugeben. Dieser Zweck wurde so gut wie völlig erreicht.
Eine solche ,,Stichproben“-Methode
erinnert an ein zutreffendes Wort Nicolays in seinem Buche ,,Unartige Kinder“, wo
er schreibt: ,,Es gibt Leute, die sehen in der Sonne eher die Flecken als die blendenden
Strahlen, bei dem Apollo von Antium eher die Ausbesserung der Hände als das Werk
selbst: bei Cicero bemerken sie nur die Warze, bei den Gemälden von Michelangelo
bloß die Feuchtigkeitsspuren, bei den Obelisken die Beschädigung des Sockels.“
Die Richtigkeit
dieses Wortes konnten wir auch an der Behandlung der Schippacher Schriften und ihrer
Urheberin erkennen. In diesen Schriften, die nachweislich vielen Menschen aus allen
Ständen und Berufen eine Quelle der Erbauung wurden, sahen andere wegen einiger
im Vergleich zum Ganzen recht unbedeutender Mängel verabscheuungswürdige Bücher,
die ehestens mit Stumpf und Stiel zu vernichten seien. Diese Gegner klammerten sich
an etliche unpassende Worte, an gewisse darin empfohlene, ihnen aber nicht zusagende
religiöse Übungen, an einige auf das Konto menschlicher Schwachheit oder satanischer
Einwirkung zu setzende Entgleisungen, wollten ein ganzes Gewimmel von Glaubensirrtümern
darin sehen, die jedoch in Wirklichkeit gar nicht vorhanden waren, und übersahen
völlig das viele Gute, das die Schippacher Schriften haushoch über viele Druckerzeugnisse,
besonders auch über die Tagespresse, emporhob.
Was würde man denn dazu sagen, wenn jemand auf Grund der Disziplinarakten eines
Ordinariates eine Geschichte des Klerus dieser Diözese oder auf Grund der Strafgerichtsakten
die Geschichte des deutschen Volkes schreiben würde? Ein solches Geschichts- oder
Sittenbild wäre dasselbe, was die ,,Stichproben aus den Schippacher Offenbarungen“
oder die ,,Enthüllungen über die Seherin von Schippach und ihr Werk“ gewesen sind.
Man wird angesichts einer solchen Behandlung Schippachs nur zu leicht an das Schicksal
erinnert, das erst in unseren Tagen den Schriften der gottseligen Katharina Emmerich
widerfuhr. Wie hat man nicht diesen zugesetzt, ,,Irrtümer“ darin gefunden und schließlich
die ,,Enthüllung“ gemacht, jene Offenbarungen stammten gar nicht von der Dülmener
Seherin, sondern von ihrem Schreiber. Ganz richtig bemerkte mir hierzu einmal ein
ausländischer Priester: ,,Mit einer solchen Methode bekommt ihr Deutsche niemals
Heilige; ihr schlagt sie ja tot!“ Ja, diese Methode der Deutschen ist recht bedauerlich.
Das hat auch Richstätter gefühlt, als er schrieb: ,,Das hindert durchaus nicht,
daß der Geist der Salbung, der die Schriften der Dülmener Augustinerin durchweht,
viel mehr übernatürliche Werte geschaffen hat und immer noch schafft, als manches
gelehrte, mit wissenschaftlicher Genauigkeit geschriebene exegetische und aszetische
Werk.“
Das ist derselbe pietätvolle Grundsatz, den Doblinger in der Besprechung des Aich´schen
Buches ,,Christus in seinen Heiligen“ in die Worte kleidet: ,,Was nicht historische
Wahrheit ist, kann doch wenigstens köstliche, sittliche Wahrheit sein.“ Von den
Absonderlichkeiten der mittelalterlichen Mystiker aber hat schon Görres vor mehr
als hundert Jahren die objektive Auffassung vertreten: ,,Wie vieles immer in diesen
Gesichten aus der Persönlichkeit beigetragen: doch hat in ihnen eine Gotteskraft
gewirkt“, und Linsenmanns Wort bleibt ebenso wahr: ,,Dem hohen und übernatürlichen
Charakter der deutschen mittelalterlichen Mystik wird dadurch noch kein Abbruch
getan, daß die Visionen frommer Personen oft genug die Merkmale des subjektiven
menschlichen Glaubens und Verständnisses in sich tragen.“ Gegen das Bestreben aber,
alles zu verwerfen, weil einiges nicht zu billigen ist, und alles zu diskreditieren,
weil einiges falsch verstanden werden kann, hat schon Surin vor dreihundert Jahren
seine warnende Stimme erhoben: ,,Man missversteht alles und glaubt, sogar Ketzereien
in dem zu finden, was nur Heiligkeit und Wahrheit atmet. Nicht Unwissenheit in Glaubenssachen,
sondern Voreingenommenheit lässt manches aus diesen Büchern herauslesen, war gar
nicht in ihnen enthalten ist.“
Darum sollen
Visionen und Offenbarungen, wie der Speyrer Domdekan Molz richtig bemerkt, ,,vorzüglich
im Geiste der Andacht, nicht der Wissenschaft, betrachtet werden“, und eine italienische
Stimme meint zutreffend: ,,Man muß sie mehr genießen als verstehen wollen.“
Möchte sich eine solche Betrachtungsweise endlich auch über Schippach
durchsetzen!
Inhaltsverzeichnis
VI. SCHIPPACH IM URTEIL VON
BISCHÖFEN UND PRIESTERN
Unter den Ratschlägen für die Prüfung
mystischer Vorgänge und daraus hervorgehender Werke empfiehlt Poulain auch die Untersuchung
der Frage: ,,Haben die Bischöfe, der Papst sich dafür ausgesprochen und das Werk
gesegnet?“. Die Bejahung der Frage sei als ein gutes Kennzeichen der Echtheit anzusehen.
Kein Zweifel: es gilt ja schon im bürgerlichen Leben als ein zuverlässiges Kriterium
für die Qualitäten eines Menschen und die Güte eines Werkes, wenn sich hohe sittliche
Instanzen mit ihrer Autorität dafür einsetzen oder wenn von sittlichem Bewusstsein
getragene Männer, als welche gottlob gerade die Seelsorger gelten, ihr Zeugnis für
Personen und Werke in die Waagschale legen. Beides aber trifft für Schippach in
hohem Maße zu: Bischöfe und Priester haben sich wiederholt für Schippach eingesetzt
und die dortigen Werke gefördert.
1. Urteile über Barbara Weigand
Priester haben sich mit der Jungfrau
Barbara Weigand und ihren Werken jahrelang und ausgiebig befasst. In ungezählten
Presseartikeln, in Fachzeitschriften und in dickleibigen Bänden ist von ihrer Person
und ihren Werken geschrieben und der Öffentlichkeit ein Bild vorgeführt worden,
das alles andere, nur keine geschichtliche Wahrheit ist. Das konnte aber gar nicht
anders sein: das dort vorgetragene Bild mußte ein Zerrbild werden, da, wie authentisch
feststeht, die aktivsten Gegner weder jemals eine Originalurkunde von Schippach
in Händen noch auch die Schippacher Jungfrau jemals zu Gesicht bekommen hatten.
Aber ,,die Propaganda hat ihr tödliches
Werk getan“. Es gab aber auch andere Priester, welche aus genauer Kenntnis dieser
Person, die sie als Seelsorger, Beichtväter, Gewissensberater oder durch gründliches
Aktenstudium gewonnen hatten, den Schippacher Vorgängen gegenübertraten und darum
in der Lage waren, nicht nur das äußere Gehaben der Jungfrau mit scharfem Blick
zu verfolgen, sondern auch in ihr Inneres zu schauen und die tiefsten Wurzeln ihres
Wollens und selbstlosen Handels zu erkennen: diese Priester aber haben der Jungfrau
Barbara Weigand und ihren Werken hohes Lob widerfahren lassen.
Einige dieser Stimmen mögen hier am
Schlusse unserer Darstellung zu Worte kommen, Stimmen, die aus allen Perioden ihres
langen Lebens genommen sind und sich somit zu einer lückenlosen Kette von Zeugnissen
für das Vollkommenheitsstreben und den lauteren Charakter der Schippacher Jungfrau
zusammenschließen; es sind Dokumente von Augen- und Ohrenzeugen.
Inhaltsverzeichnis
a) Über ihr Leben von
1845 - 1885
Schon über ihre Jugendzeit in Schippach
besitzen wir glücklicherweise authentische Zeugnisse. Das Urteil des im Jahre 1849
dort geborenen und im Jahre 1938 dort verstorbenen Julius Bopp, dessen Haus unmittelbar
an die Schippacher Kapelle stößt, kennen wir bereits; ihm ist seine Jugendgefährtin
Babett die große Beterin schlechthin.
Ein anderer Landsmann der Jungfrau,
Oberregierungsrat Josef Völker, dessen Elternhaus gegenüber jenem der Barbara Weigand
stand, sechzehn Jahre jünger als diese, erzählte dem Verfasser dieser Schrift, wie
er in seiner Jugend- und Studentenzeit sich immer an dem frommen Wesen des Nachbarmädchens
erbaut habe; sie sei jederzeit und unbestritten eine einfache, schlichte, aufrichtige
Person gewesen, deren Lauterkeit über allen Zweifel erhaben sei.
Ihr geistlicher Berater aus den Jahren
1873 bis 1885, Benefiziat Alois Alzheimer in Großwallstadt, stand bis zu seinem
Tode im Jahre 1902 in Briefwechsel mit seiner geistlichen Tochter, in welchem seine
Verehrung und Wertschätzung der Jungfrau Babett deutlich zum Ausdruck kommt: ,,Aus
deinem Brief ersehe ich“, erwidert er ihr einmal, ,,daß dich der liebe Gott in den
letzten Jahren mit Leiden heimsuchte, und daß mit diesen Leiden aber noch mehr Gnadenerweisungen
verbunden waren. Wen Gott lieb hat, den sucht er heim, sagt die heilige Schrift.
Du hast dem lieben Gott schon sehr viele Opfer gebracht und vielfach Beweise deiner
Liebe zu ihm gegeben und dafür sollst du nun teilweise hier auf Erden schon belohnt
werden ...
Soweit ich dich kenne, und das sind
schon viele Jahre, warst du immer demütig und suchtest nichts Außergewöhnliches
...“ ,,Du wirst deinen Lohn für deine Opfer, für deine große Liebe zu Gott, für
dein Vertrauen, für dein aufrichtiges Streben nach Herzensreinheit, für deine Liebe
zur Muttergottes reichlich empfangen ... Fahre nur fort in deinem Streben nach Vollkommenheit
... Für das wenige, das ich etwa früher dazu beigetragen habe zu deinem frommen
Leben bitte ich, daß du ... recht innig für mich beten möchtest ...“.
,,Harre aus in deiner Liebe zum Heiland! ... Möge dir der Seelenfriede zuteil werden,
der ein kleiner Vorgeschmack jenes Friedens ist, der den braven und klugen Jungfrauen
verheißen ist. ...“.
So lauten die Urteile reifer und gebildeter
Männer über die Junfrau Barbara, als sie noch in den zwanziger und dreißiger Jahren
ihres Lebens stand. Einfach, bescheiden, demütig, fromm, eifrig im Streben nach
Tugend und Vollkommenheit: das ist genau dasselbe Bild, das der Leser aus der Lektüre
dieses Buches gewonnen hat. Fürwahr! Die Schippacher Jungfrau Barbara hatte schon
längst ein heiligmäßiges Leben geführt, als ihre späteren Gegner noch nicht einmal
geboren waren! Barbara Weigand hatte schon längst die wahre Weisheit von Gott sich
angeeignet, als spätere Theologen, die in ihrer Professorenweisheit über sie lächelten,
noch nicht einmal das ABC ihr eigen nannten!
Inhaltsverzeichnis
b) Über ihr Leben von
1885 bis zu ihrem Tode 1943
aa) Mainzer Stimmen
Im Herbst des Jahres 1885 war die Schippacher Jungfrau zu ihrem Bruder nach Mainz
verzogen, weil ihr dort die Möglichkeit geboten wurde, täglich am Tische des Herrn
zu erscheinen.
Das Haus, in dem ihr Bruder eine Pachtwirtschaft
innehatte, gehörte zur Pfarrei St. Ignaz; mit Vorliebe besuchte sie jedoch auch
die Gottesdienste in der Kapuzinerkirche.
In Mainz verbrachte Barbara dreißig
Jahre, kürzere Abwesenheiten in ihrer Heimat abgerechnet. Erst vom Jahre 1915 an,
als ihre Neffen zum Kriegsdienst eingezogen wurden, kehrte sie endgültig nach Schippach
zurück, um im Hause ihres Bruders tätig zu werden.
Aus ihrem Mainzer Aufenthalt stehen
gleichfalls genügend Zeugnisse zur Verfügung, welche das Charakterbild der Jungfrau
beleuchten. So äußerte sich der damalige Provinzial der Kapuziner, P. Alphons, der
durch acht Jahre ihr Beichtvater war: ,,Ich habe von jeher das Mädchen bewundert
wegen seiner tiefen Frömmigkeit, die ich oft von meinem Beichtstuhl aus beobachten
konnte“. ,,Das Mädchen ist so einfach und anspruchslos und macht so garnichts aus
sich, und ich demütige sie immer so sehr und doch kommt sie immer wieder“.
Von seinem Nachfolger P. Bonifaz O.Cap.
erfuhr P. Felix Lieber OFM, der ihn eigens um sein Urteil angegangen hatte, daß
,,er sich stets nur an ihr erbauen konnte, namentlich, wenn er vom Beichtstuhl aus
sah, wie Barbara in ihrer Klosterkirche so andächtig den Kreuzweg ging“.
Bischof Haffner von Mainz nennt im
Jahre 1896 Barbara ,,eine schlichte, tugendhafte und fromme Person“.
Das Bischöfliche Ordinariat Mainz
bestätigt amtlich unterm 14. August 1900, ,,daß genannte Barbara Weigand durchaus
den Eindruck einer braven Person macht“.
Stadtpfarrer Dr. Velte von St. Ignaz,
zu dessen Pfarrei Barbara von 1885 bis zu ihrem Weggang von Mainz, also mehr als
dreißig Jahre lang gehörte, äußerte sich am 30. März 1911 in einem Briefe also:
,,Wie vordem, so habe ich auch bis auf den heutigen Tag nichts Auffälliges an ihr
gefunden und kann ihr nur meine Zufriedenheit aussprechen“, ein Lob, das er am 24.
Juni 1912 in einem weiteren Briefe an P. Felix noch verstärkt: ,,Vorerst muß ich
betonen, daß ich bereits von Anfang an, seitdem ich Barbara kenne, bis auf den heutigen
Tag dieselbe nur günstig beurteilt habe. In ihrem ganzen Benehmen ist nichts Auffälliges,
sie ist vielmehr stets anspruchslos, schlicht und bescheiden, so daß man aus ihrem
Äußern ihre große Frömmigkeit nicht erraten kann“.
bb) Sonstige Stimmen
Hier sind zuerst zu nennen die Rück-Schippacher
Lokalkapläne Riedmann und Martin, welche von 1904 bis 1912 in Schippach wirkten
und in den damals laufenden Pfarrei- und Kirchenbausachen sehr viel mit der Wohltäterin
Barbara zu tun hatten.
Hören wir ihre Urteile über Barbara
Weigand!
Pfarrer Riedmann, bis 1907 Lokalkaplan
in Rück-Schippach, schrieb dem Verfasser im Jahre 1924, als ihm eine kleine Abwehrschrift,
in der ich Barbara gegen die Presseangriffe etwas in Schutz genommen hatte, zu Gesicht
bekommen war: ,,Besonders freut mich, daß endlich die arme, zu Unrecht so angefeindete
Barbara Weigand ins rechte Licht gestellt wurde. Das war ein Akt der Gerechtigkeit.
Die Charakteristik (sc. die ich in jener Schrift von der Jungfrau gab) entspricht
ganz meiner Überzeugung“.
Noch ausführlicher drückt er sein
Urteil über die Jungfrau in einem Briefe vom 4. Mai 1943 aus, in dem er schreibt:
,,Ich hatte in Rück Gelegenheit genug,
sie zu beobachten und kennenzulernen. Ihr Bild hat sich mir deutlich eingeprägt.
Sie war damals kein schwächliches Weiblein, sondern von ungewöhnlich starker Körperkonstitution,
von ernstem Charakter, klugen Augen; ihre Sprache war ruhig und abgewogen und sie
ging still und in sich gekehrt ihre Wege. Niemals hörte ich von ihr ein unrechtes
Wort; selbst wenn sie von ihren Feinden und Peinigern in Mainz sprach oder wenn
die Rede war von den Gegnern des Kirchenbaues oder von Spöttern über ihre Offenbarungen,
war sie ganz sachlich und im Ausdruck vorsichtig und zurückhaltend. Ich kann mich
auch nicht erinnern, daß sie jemals in ein unliebsames Gerede verwickelt worden
sei, wie es bei der Schwatzhaftigkeit der Frauen oft vorkommt. So weit und so lange
ich sie in Rück beobachtete, führte sie ein stilles, zurückgezogenes und frommes
Leben ... Das Charakterbild der Barbara Weigand steht in meinem Gedächtnis in durchaus
günstigem Licht ... Ich hatte genug Gelegenheit, diese fromme, in der Öffentlichkeit
viel umstrittene Frau genau kennenzulernen, ihr Verhalten zu beobachten und auch
in ihr Herz einen Blick zu tun ... So oft ich mit Barbara Weigand zusammentraf,
gewann ich den Eindruck, daß ich eine tieffromme, reine, demütige, edeldenkende
Frauensgestalt vor mir hatte, die ich für besonders von Gott begnadet hielt und
zu der ich mit Achtung und Ehrfurcht aufblickte ... Ich zweifle nicht daran, daß
wir in der Barbara Weigand eine auserwählte, von Gott hochbegnadete Seele einer
Heiligen erkennen.“
So der Seelsorger von Schippach.
Denselben Eindruck von der Jungfrau
gewann auch der Nachfolger Riedmanns, Lokalkaplan und spätere Pfarrer und Geistliche
Rat Martin, wie aus seinem Briefe von 15. Mai 1913 an den Bürgermeister von Schippach
ersichtlich wird, wo Martin schreibt:
,,Ich bin fest überzeugt, daß die
Babett eine fromme, heiligmäßige Person ist.“
In dieser Überzeugung konnten ihn
ebensowenig wie seine Vorgänger oder den Schreiber dieses Buches die späteren Angriffe
der Presse oder selbst kirchlicher Behörden gegen die Jungfrau irremachen, da er
die Beweggründe und das schwache Fundament dieser Angriffe nur zu gut durchschaute.
Hören wir beispielsweise, was dieser ehemalige Schippacher Seelsorger am 13. Dezember
1943 an die Nichte Maria Weigand schreibt:
,,Ich werde mir Mühe geben, die Gebetsandenken
an die richtige Stelle zu bringen, damit die Menschen anfangen, Ihrer seligen Tante
Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Alle, die Ihre Tante persönlich gekannt haben,
die das Glück hatten, ihren tiefen Glauben kennenzulernen und ihre feurige Liebe
zum Heiland im allerheiligsten Sakrament, die urteilen ganz anders über die Verstorbene
als jene, die ihre dürftigen Schriften verdreht haben. Ihr Werk ist bestimmt Gottes
Werk ... Nach und nach dringt die Wahrheit siegreich durch.“
,,Es treibt mich ... einzig das Bestreben,
die gottselige Tante besser kennenzulernen und sie und ihr Werk noch lauter zu verteidigen.“
So Geistlicher Rat Dekan Martin, der
von 1907 bis 1912 Seelsorger in Rück-Schippach war.
Auch die offiziellen Kreise an der
Bischöflichen Behörde in Würzburg hatten vor dem Ausbruch der Zeitungshetze von
Barbara Weigand nur die allerbeste Meinung. So rühmte der bischöfliche Visitationskommissär
Domvikar Stahl im Mai 1913 Barbaras Unterwürfigkeit unter den Bischof. Das Bischöfliche
Ordinariat hielt noch im Oktober 1914 seine Hand schützend über die Jungfrau und
sprach von ihr im amtlichen Publikationsorgan als ,,einer im Rufe der Frömmigkeit
stehenden Person“.
Domkapitular Stahler mußte noch am 1. März 1916 im Kultusministerium zu München
den lauteren Charkater der Jungfrau bestätigen.
Die Reihe der günstigen Urteile über
die Jungfrau ließe sich leicht vermehren, aber nur einige können hier noch Erwähnung
finden.
Geheimrat Professor Dr. Ludwig in
Freising, im Jahre 1916 ein Gegner Schippachs (infolge der Lektüre der Branderschen
Zeitungsartikel), meinte aber in einem Briefe vom Juli 1941:
,,Im Gegensatz zu Brander hielt ich
stets Barbara für eine sehr fromme, brave Person. Der verstorbene Kardinal Bettinger
stimmte mir zu.“
P. Joseph Bergmiller SDS, ein ausgezeichneter
Kenner der Schippacher Bewegung, schrieb dem Verfasser wenige Wochen vor seinem
Tode (26. September 1942):
,,Ich, Unterzeichneter erkläre vor
Gott und meinem Gewissen und im Angesichte des Todes, den ich in kurzer Zeit erwarte,
daß ich in den ca. 30 Jahren seit 1913, in denen ich mit Barbara Weigand von Schippach
bekannt bin, dieselbe immer sowohl im Umgang wie im schriftlichen Verkehr als höchst
ehrenwerte, fromme, wahrheitsliebende und in jeder Hinsicht tugendhafte Jungfrau
kennengelernt habe.
Nie, auch nicht in den Jahren ihrer
schwersten Verfolgungen und öffentlichen Verleumdungen, in denen ihre Gegner kaum
weiter mehr hätten gehen können, bin ich an der Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit
ihrer Person irre geworden. Oft äußerte ich in jenen traurigen Jahren den Zweiflern
gegenüber, daß ich für die Wahrheitsliebe der Barbara Weigand die Hand in das Feuer
legen würde.“
Ähnlich äußerten sich ihre langjährigen
Seelenführer P. Ludwig O.Cap. und P. Felix OFM, die seit dem Jahre 1900 lange Schreiben
voll des Lobes an die bischöflichen Behörden von Mainz und Köln richteten. Hören
wir beispielsweise, was P. Felix am 19. März 1911 an seinen Ordensdefinitor berichtet:
,,Als Seelenführer konnte ich nur
konstatieren, wie demütig und gehorsam sie sich all meinen Anordnungen und denen
ihrer Beichtväter unterwarf und wie sie dabei die geradezu heroischen Tugenden übte,
so daß sie mir persönlich - salvo meliori judicio Ecclesiae - als eine ,,Dienerin
Gottes“ vorkommen mußte und ich sie auch mit innerster Überzeugung als solche betrachte.“
Dekan Roth, der Barbara seit vielen
Jahren persönlich kannte und nach seiner Emeritierung in Schippach Wohnung nahm,
fällte in einem Briefe vom 14. Mai 1943 das folgende ehrende Urteil über die Gottesfreundin
von Schippach:
,,Sieben Jahre war ich hier in Schippach mit Barbara Weigand zusammen. Ich habe
genau zugesehen und von ihr den allergünstigsten Eindruck gewonnen. Ganz besonders
freue ich mich darüber, daß ich ihr so oft die heilige Kommunion reichen und weiterhin
so oft im Krankenzimmer (sc. in den letzten Lebensjahren) den heiligen Leib ihres
geliebten Meisters spenden durfte. Immer sah ich bei ihr denselben freudigen, felsenfesten
Glauben an die Gegenwart Christi im allerheiligsten Altarsakramente und immer erklang
aus ihren Gebeten, wenn sie oft laut betete, dieselbe innige Liebe zu ihrem göttlichen
Meister heraus - ohne jegliche Frömmelei, eine kerngesunde Frömmigkeit und Christusliebe,
wie sie nur glüht in den Herzen treuer Gotteskinder. Oft blieb ich eigens etwas
zurück, um Zeuge dieses einfachen, kindlichen, aber innigen Gebetes zu sein, und
war oft davon bis tief in die Seele hinein ergriffen.“
Pfarrer Weihmann von Schifferstadt
(Diöz. Speyer), dessen eucharistische Seelsorgetätigkeit weit über die Grenzen seiner
Diözese hinaus bekannt geworden ist, leitet den Segen Gottes für seine außergewöhnlichen
Erfolge vom Gebete Barbaras her und scheut sich nicht, in seinem Bittgesuch vom
1. Mai 1943 an den Heiligen Vater seine Eindrücke über die Jungfrau anschaulich
wiederzugeben:
,,Ich konnte Barbara Weigand öfters
besuchen und tiefen Einblick in den Beginn ihrer Begnadigung und in ihr reiches
Innenleben gewinnen, das noch in den neunziger Jahren von Liebe zum eucharistischen
und leidenden Heiland glühte. Bei einem Kreuzweg, den sie laut und frei aus dem
Herzen vorbetete, war ich von ihrer zarten Christumsmystik ganz ergriffen ... Ich
beobachtete, wie Leute vom Dorf zu ihr kamen und sie in dringenden Anliegen um ihr
Gebet baten.“
Am 19. Mai 1922 hatte der Hochwürdigste
Herr Bischof Ludwig Maria Hugo von Mainz gemeinsam mit Ferdinand Graf von Spee in
Sachen Schippach eine Audienz bei Seiner Eminenz Kardinal Frühwirth in Rom.
Wie Graf von Spee am folgenden Tage
in einem Briefe an Luise Hannappel berichtet, wurden die Schippacher Fragen eingehend
erörtert, wobei ,,Seine Eminenz über Barbara Weigand nur mit Hochachtung sprach“
und die Art des Kampfes gegen sie und ihre Werke missbilligte.
Wie ihr Diözesanbischof, Seine Bischöflichen
Gnaden Ferdinand von Schlör, seit seinem Bekanntwerden mit Barbara im Jahre 1907
der Frömmigkeit, Uneigennützigkeit und den edlen Bestrebungen der Jungfrau seine
uneingeschränkte, mitunter in augenfälligen Kundgebungen sich offenbarende Liebe
zuwandte, so zeichnete sie Bischof Ludwig Maria Hugo von Mainz mit eigenhändig geschriebenen
Briefen aus und ließ sich durch die Akten und Aktionen seines Ordinariates nicht
beirren, seine Verehrung für die demütige Opferseele freimütig zum Ausdruck zu bringen
und ,,mit größter Hochachtung von Barbara Weigand als einer zwar derben, aber durchaus
ehrlichen, frommen, opferstarken, ja heiligmäßigen Person“ zu sprechen.
Als der Heilige Vater Papst Pius XII.,
der als Nuntius in München in vielen Aktenstücken über Barbara Weigand hatte Einblick
nehmen können, am 6. September 1941 um Seinen hohepriesterlichen Segen für die hochbetagte
Gottesfreundin gebeten wurde, zögerte Seine Heiligkeit keinen Augenblick, der greisen
Opferseele von Schippach diesen Erweis Seiner Huld und Liebe zu schenken.
Besonders hoch anzuschlagen sind auch
Äußerungen der maßgebenden Persönlichkeiten an der Bischöflichen Kurie in Würzburg,
die mir nach der Lektüre meiner Denkschrift über Barbara Weigand spontan ihre Hochachtung
vor der Schippacher Jungfrau zum Ausdruck brachten. So schrieben mir Seine Exzellenz
Bischof Julius von Würzburg am 28. Februar 1949: ,,Ihr Manuskript über das Leben
der guten Barbara Weigand habe ich durchgelesen, oft mit echter Erbauung über diesen
gottseligen Weg.“
Sein Generalvikar Prälat Dr. Fuchs,
äußerte sich in einem Brief vom 28. Januar 1955 an den Verfasser wie folgt: ,,Ich
stimme mit Dir überein, daß Barbara Weigand eine ehrenwerte, fromme, gottinnige
Person war.“
Welchen Wandel in der Gesinnung der
Bischöflichen Behörde von Würzburg gegenüber der Schippacher Jungfrau, die man im
Jahre 1916 ebendort ,,zertreten, nein zermalmen“ wollte, bekunden doch diese aufrichtigen
Worte! Hätten meine dreißigjährigen Mühen und Opfer nur diesen Erfolg gehabt - wahrlich,
sie wären nicht umsonst gewesen. Sie lassen, wie auch das nun erstandene Heiligtum
in Schippach, die weitere Hoffnung lebendig werden, daß diese Ehrenrettung der Schippacher
Jungfrau noch in anderer Hinsicht ihre Früchte tragen wird.
Ihr letzter geistlicher Vorgesetzter,
Pfarrer Joseph von Traitteur in Rück, widmete der edlen Verstorbenen einen tiefempfundenen
Nachruf am Grabe, in dem er die edle Gesinnung, die Opferbereitschaft, die Uneigennützigkeit,
die Demut und den Gebetseifer der Verstorbenen laut und feierlich rühmte und die
Zuversicht aussprach, daß ihr Gott wohl ohne Fegfeuer die Aufnahme in den Himmel
gewährt habe.
,,Am Vorabend des zweiten Fastensonntags
ist sie in die Ewigkeit eingegangen, jenes Sonntags, dessen Evangelium uns von der
Verklärung Jesu auf dem Berge Tabor berichtet. Es mag sein, daß, während wir dieses
Evangelium hörten, ihre reine Seele schon in die Herrlichkeit des Himmels eingegangen
war und sie den Heiland in seiner Verklärung schauen durfte.“
So urteilen jene Priester, die Barbara kannten. Auch der Verfasser dieses Buches
kann als ihr ehemaliger Seelsorger und Beichtvater nur noch einmal wiederholen:
Ich habe mein Pfarrkind Barbara Weigand allezeit für eine heiligmäßige Person gehalten.
Inhaltsverzeichnis
2. Urteile über den Liebesbund
Die Schippacher Werke Liebesbund und
Kirchenbau erfreuten sich der Gunst zahlreicher hoher kirchlicher Instanzen.
Was zunächst den ,,Eucharistischen Liebesbund des göttlichen Herzens Jesu“ betrifft,
so steht dokumentarisch fest, daß zahlreiche deutsche und ausländische bischöfliche
Behörden den Bund und seine Gebete in aller Form gutgeheißen und empfohlen haben;
ich erinnere nur an die Namen Roermond, Trient, Salerno, München, Temesvar, Fünfkirchen,
Augsburg, Hertogenbosch, Köln, Münster, Aachen, Metz.
Der Erzbischof von Salerno, Mgs. Valerio, hat ihn unterm 16. Mai 1914 gesegnet und
ihm weiteste Verbreitung gewünscht: ,,Approviamo e benediciamo di gran cuore la
Pia Unione Eucaristica col Sacro Cuore di Gesù, inculcandone la più larga diffusione.“
Im selben Jahre begrüßte ihn Seine Eminenz Kardinal Bisleti in einem Briefe vom
16. November 1914 an Freifrau von Hoffmann in Meran: ,,Ricevo la lettera e rispondo
dopo avere preso conoscenza della pia unione del foglietto accluso. Santissimo lo
scopo della pia unione, efficacissimo il mezzo della frequente, anzi possibilmente
quotidiana Communione, della consacrazione di ogni giorno di se stessa a Gesù in
Sacramento, centro della vita cattolica, anzi della medesima principio, progresso
e fine. Quindi comprendo come la pia unione si diffonda e raccolga già tante anime
dinanzi al tabernacolo, dove piangano e pregano ...“.
Aus der Erkenntnis heraus, daß der Liebesbund eine überaus zeitgemäße Aufgabe zu
erfüllen habe, richtete im Jahre 1915 der Bischof von Fünfkirchen (Ungarn), Julius
Zichy, indem er auf die segensreichen Wirkungen des von ihm ein Jahr zuvor approbierten
Bundes in seiner Diözese hinwies, an den Heiligen Vater die Bitte um kanonische
Errichtung des Bundes für die ganze Welt.
Lassen wir auch dieses Schriftstück im Wortlaut folgen!
,,Ab Episcopo Quinque Ecclesiarum.
Beatissime Pater!
|
Foedus
amoris erga Cor Jesu Eucharisticum, quod vitam interiorem sodalium,
item crebriorem et quotidianam communionem aggregatorum promovet, precibus,
sacrificiis, et laboribus vero presbyteris ad salvandas animas succurrit,
plurimum ad victoriam Ecclesiae super inimicos reportandam et ad regnum
die divinique Cordis Jesu propagandum confert.
Foedus istud in Dioecesi Quinque
Ecclesiarum (in Hungaria) institutum et in dies magis dilatatum fructus
optimos maturat.
Cum igitur foedus istud finem
suum: summum nempe bonum Ecclesiae Die atque animarum, magno cum successu
procurare zelose conetur, media autem supra memorata pro eodem obtinendo
praeclara existant, Sanctitatem Vestram de genu exoro, ut statuta foederis
amoris erga Cor Jesu Eucristicum pro universa Ecclesia approbare gratiisque
spiritualibus ditare clementer dignetur.
Qui ad
pedes Sanctitatis Vestrae provolutus in osculo eorum perenno Quinque Ecclesiis,
23. Feb. 1915 Sanctitatis Vestrae Humillimus famulus Julius Zichy, episcopus.“
|
Fast um dieselbe Zeit bemühte sich
auch der Fürstbischof von Trient, welcher bereits ein Jahr zuvor die Statuten und
Gebete des Bundes approbiert hatte, höchstpersönlich um die kanonische Errichtung
für die ganze Welt.
In einem Antwortschreiben auf eine
an ihn gerichtete diesbezügliche Bitte äußerte sich der Kirchenfürst am 23. Januar
1915 wie folgt:
|
,,Le informazioni che Ella
mi dà nella Sua lettera riguardo alla ,,Unione Eucaristica d´amore col S.
Cuore di Gesù“, mi giungono sommamente gradite, e mi danno affidamente a
sperare che non in vano tante preghiere e tanti atti d‚amore salirono verso
il Cielo, e che la misericordia divina ci apporterà la desideratissima pace.
Apprezzando il nobilissimo
e santo scopo di questa Unione, ben volontieri sono disposto a favorirne
l´approvazione da parte della s. Sede.
Spero che questa procedura
condurrà in breve al desiderato successo e che la benedizione del S. Padre
verrà a coronare un opera cosi bene incominciata e ad assicurarne i frutti
già tanto copiosi.
In questa consolante attesta,
di gran Cuore La benedico, e mi Le professo
devotissimo + Celestino. Vescovo.
Trento 23 Gennaio 1915.“
|
Der Ausbruch des Krieges mit Italien
(Mai 1915), die dadurch hervorgerufene Unterbrechung des Postverkehrs mit Rom und
die im Zusammenhang mit dem Kirchenbau im Frühjahr 1916 einsetzenden Angriffe gegen
den Bund ließen die erhoffte kanonische Errichtung für die ganze Welt nicht zur
Wirklichkeit werden.
Selbst jene kirchlichen Behörden, welche sich durch die Zeitungen und Gewährsmänner
zum Verbote des Bundes bestimmen ließen, konnten aber dem guten Zweck und dem einwandfreien
Texte seiner Gebete und Statuten ihre Anerkennung nicht versagen.
So meinte im Jahre 1909 Bischof Kirstein von Mainz nach dem Durchlesen
der Statuten: ,,Die Sache könnte man ja approbieren“, und das Ordinariat Würzburg
bekannte in seinem Erlass vom 18. Febr. 1916: ,,An und für sich betrachtet, erscheint
der Wortlaut der Statuten und Gebete des Liebesbundes einwandfrei“.
Von Bischof Keppler von Rottenburg liegt eine ähnliche, wenn auch nur privat ausgesprochene
Äußerung in meinen Akten.
Den edlen Zweck des Liebesbundes mußte wohl oder übel auch sein größter amtlicher
und literarischer Gegner in Würzburg anerkennen, wenn er schreibt: ,,Welch schöner
Plan! Zusammenschluss aller guten und getreuen Kinder der heiligen katholischen
Kirche, um einen Damm zu bilden gegen den herrschenden Zeitgeist! Was die Mitglieder
des Liebesbundes nach dem Statutenbüchlein versprechen ... das alles sind treffliche
Lebensregeln.“
Wir sehen: bei Freund und Feind das gleiche Lob. Kann ein Baum, der solche gute
Früchte hervorbringt, wirklich ein schlechter Baum sein? Nur weil er Barbara Weigand
heißt und in Schippach steht?
Wie zeitgemäß der Bund auch in unseren Tagen wirken kann, mag man aus der Approbation
des Generalvikars und Bistumsverwalters von Metz, Mgs. Louis, vom 1. November 1941
ersehen, wo der Hochwürdigste Herr an P. Felix Lieber also schreibt:
|
,,Ihren
werten Brief habe ich mit großem Interesse gelesen, die Broschüre (über
den Liebesbund) gleichfalls. Ich kann Ihnen ruhig sagen, daß einer Verbreitung
derselben in unserer Diözese nicht bloß nichts im Wege steht, sondern daß
dies durchaus zu begrüßen ist. Mögen nur in diesen schweren Zeiten recht
viele Seelen erstehen, die von inniger Liebe zum Eucharistischen Herzen
Jesu durchglüht sich als Opferseelen ihm darbringen. Wir können nur dadurch
wieder bessere Zeiten erlangen. Der Text des täglichen Gebetes entspricht
so recht den Anforderungen unserer Zeit und all unseren Anliegen.“ |
Nicht genug, dem Liebesbund damit
den Weg in die eigene Diözese geebnet zu haben, wünschte derselbe Bistumsverwalter
unterm 12. September 1942 in amtlichem Schreiben mit Siegel und Unterschrift die
Approbation des Liebesbundes für die ganze Kirche durch den Heiligen Vater, wie
es schon im Jahre 1915 der Bischof von Fünfkirchen getan hatte:
|
,,Hochwürdiger
Herr Pater! Die Mitteilungen, die Sie mir machen über die segensreichen
Wirkungen des ‚Eucharistischen Liebesbundes’ und die Durchsicht der Satzungen,
die Sie mir vorgelegt, haben mich tief überzeugt von der zeitgemäßen Nützlichkeit
eines solchen Werkes. Die weitere Ausbreitung desselben ist sehr erwünscht.
Gewiss würde diese sehr gefördert werden durch die kanonische Errichtung,
und deshalb wünsche ich von ganzem Herzen, daß es gelingen möge, die Bestätigung
Seiner Heiligkeit des Papstes zu erlangen. So könnte dieser Kreuzzug der
Liebe siegreich durch die Welt ziehen und dem Eucharistischen Heiland es
ermöglichen, in den Herzen das Feuer der Liebe zu entzünden gemäß seinen
Worten. ,,Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu senden und was will ich
anders als daß es brenne?“ |
Das sind Stimmen von höchster Warte
für den Eucharistischen Liebesbund. Solche Dokumente kann man bei seiner Beurteilung
und bei jener der Schippacher Offenbarungen, aus denen er nach Form und Inhalt stammt,
nicht einfach unbeachtet beiseite schieben.
Inhaltsverzeichnis
3. Urteile über den Kirchenbau
Seitdem sich durch die Denkschriften
des Verfassers die Wahrheit über die Schippacher Kirche in den Reihen des Würzburger
Klerus Bahn brach, kamen mir in überwältigender Fülle Stimmen des Beifalls zu. Wo
immer ich in größeren Konventikeln mit geistlichen Mitbrüdern zusammentraf, konnte
ich Worte der Zustimmung hören und das besonders zu jener Zeit, als die Bischöfliche
Behörde in Würzburg noch eine ausgesprochene baufeindliche Haltung zeigte. Als eine
solche Stimme möge hier das Wort des Geistlichen Rates Professor Dr. Scherg, des
verdienstvollen Geschichtsschreibers der Stadt Aschaffenburg, Erwähnung finden,
das er im Jahre 1941 gelegentlich einer wissenschaftlichen Korrespondenz aussprach:
|
,,...
will ich Dir mitteilen, daß ich von jeher sehr für den Bau dieser Kirche
war und noch bin, ganz abgesehen davon, was mit der Barbara Weigand ist
oder sein wird, die ich auch ganz abgesehen von allen Untersuchungsergebnissen
für eine sehr ehrwürdige Persönlichkeit halte, mehr noch bewährt durch ihr
geduldiges Schweigen als durch ihr Reden. Ich stand - es mögen wohl schon
zwanzig Jahre her sein - mit August Hock, als er noch Pfarrer von Erlenbach
war, vor den Ruinen des begonnenen Kirchenbaues, den wir beide mit Wehmut
betrachteten. Ganz abgesehen von allen dogmatischen und kanonischen Untersuchungen
sagte ich, indem ich über das schöne Elsavatal hinaus in die Mainebene und
hinunter bis zum Taunus blickte: Diese Kirche gehört schon deshalb gebaut,
weil die Baustelle in herrlicher Weise für eine Wallfahrtskirche passt. |
Wenn durch diese B.W. nichts anderes
geschehen wäre, als daß man durch sie auf diesen Platz aufmerksam gemacht wurde,
so war das schon genug ...
So dachte und denke ich noch heute über diese Sache. Man verlangte von der armen
Frau eine gelehrte Theologie ... Entstanden Loretto, Lourdes, Altötting, Vierzehnheiligen
durch gelehrte Doktoren der Theologie? Durch solche sind von Arius bis Luther und
darüber hinaus ganz andere Dinge entstanden.
Die gute Barbara Weigand hätte in
Italien oder Frankreich leben müssen. Dort hätte sie mehr Glück gehabt. Nun vielleicht
wird der Toten doch noch zuteil, was die Lebende nicht erreichen konnte. Es ist
dann um so mehr von Gott.“ (20. März 1943)
Ein halbes Jahr später kam Dr. Scherg
noch einmal auf die Schippacher Sache zurück:
|
,,Ich
sage nach wie vor: die Kirche hätte gebaut werden sollen, weil sie eine
herrliche Wallfahrtskirche geworden wäre, für die in jener Gegend ein großes
Bedürfnis ist. Ob sie dann eine Art Weltwallfahrt geworden wäre, das zu
bestimmen liegt nicht in unserer Macht. Meiner Ansicht nach wurde der Fehler
gemacht, daß man von der noch lebenden Weigand verlangte, was erst von der
einst toten, und zwar durch Rom festgestellt werden kann: die Bewertung
und Verwertung der an ihr zu Tage getretenen Erscheinungen.
In der letzten Zeit waren die unterfränkischen Pfarrer Nickel (Klosterheidenfeld),
Popp und Denner (Lohr) hier bei mir. Sie sind der gleichen Meinung. Daß
sich die noch jetzt lebende Weigand so ruhig und ergeben gehalten hat, spricht
sehr für sie und ihre Sache. Manchem Clericus wäre eine solche Selbstbescheidung
vielleicht nicht möglich gewesen ... Der guten Weigand mußte es gehen wie
dem heiligen Alfons Liguori oder dem guten Johannes von Gott: erst Kerker
und Narrenhaus, dann Anerkennung und Heiligsprechung.
Das kann aber erst nach ihrem Tode sein“ (29. Sept. 1941). |
In gleicher Weise wie der Liebesbund
empfing die Sakramentskirche von Schippach wiederholt den Segen der kirchlichen
Hierarchie. So wissen wir aus der Geschichte des Kirchenbaues, wie der eigene Diözesanbischof
Ferdinand von Schlör am 31. Mai 1913 von der Kanzel der Kirche in Rück die Erbauung
der Sakraments- und Wallfahrtskirche von Schippach empfahl; wie derselbe Oberhirte
von den Plänen zur Kirche ganz entzückt war und dem Architekten ,,viel Glück und
gutes Gelingen“ wünschte, wie der Bischof selber mehrere tausend Mark als Bausumme
beisteuerte und am 15. Juli 1915 sich noch einmal schriftlich für die Fertigstellung
des Baues einsetzte. Diese Fertigstellung bezeichnete der Bischof als seinen ,,dringenden
Wunsch“.
Es steht ferner urkundlich fest, daß
das Bischöfliche Ordinariat Würzburg im Zuge der offiziellen Verhandlungen über
den Bau in den Jahren 1913, 1914 und 1915 die Idee, den Zweck, den Platz, die Pläne
und die Ausführung der Sakramentskirche wiederholt, so noch besonders feierlich
am 10. September 1915, in aller Form guthieß und den Segen Gottes auf das Unternehmen
herabrief (s.o. Baugeschichte!). Zwischen Bischof, Generalvikar und Ordinariat herrschte
nach dem Aktenbefund offiziell völlige Übereinstimmung in der Anerkennung des Projektes
der Sakramentskirche, so daß alle nachträglichen Versuche, diese Übereinstimmung
bestreiten zu wollen, zum Scheitern verurteilt sind.
Am 19. Mai 1922 hatte Bischof Ludwig
Maria Hugo von Mainz, der edle Freund Barbara Weigands und aufrichtige Gönner des
Schippacher Kirchenbaues, zusammen mit Ferdinand Graf von Spee Audienz bei Seiner
Eminenz Kardinal Frühwirth in Rom, in welcher die Schippacher Angelegenheit eingehend
besprochen wurde. Den Niederschlag der Besprechungen erfahren wir aus einem Brief
des Grafen an Luise Hannappel, dessen entscheidender Teil hier folgen möge:
|
,,Rom, den 20. Mai 1922.
Liebes Fräulein Hannappel! Gestern waren Seine Bischöflichen
Gnaden und ich bei Cardinal Frühwirth. Der Bischof diktierte
mir gestern abend zur Mitteilung an Sie und einige andere: |
|
|
|
,,Heute
waren wir bei Cardinal Frühwirth. Die Aufnahme war sehr freundlich. Wir
hatten den Eindruck, daß bei Sr. Eminenz persönliche Stimmungen oder Abneigungen
keine Rolle spielen. Er bezeichnete nur die Sache als von Anfang an verfahren
und äußerte verschiedene Bedenken, welche die Verquickung mit anderen damit
nicht im Zusammenhange stehenden Sachen ihm einflößte, während ihm die Sache,
losgelöst von allen Nebenerscheinungen, unbedenklich erschien. Er bemerkte
ausdrücklich, daß die Statuten des früheren Liebesbundes zu keinem Einschreiten
Veranlassung gäben und daß der Gedanke, eine Sakramentskirche zu bauen,
an sich ihm sehr sympathisch sei. Wir hoffen bald, bestimmtere Auskunft
von anderen Stellen zu erlangen.
Gott sei Dank für diese Audienz
und das milde, reife, in nichtvoreingenommene Urteil Sr. Eminenz. Er sprach
auch über Barbara Weigand nur mit Hochachtung. Die Art des Kampfes gegen
die Sache hat Seine Billigung nicht erlangen können.
Ihr Ferdinand Graf von Spee.“
|
Wiederum vernehmen wir die segnende
Stimme von Rom zu dem erhabenen Werke. Als Seine Eminenz Kardinal Bisleti ein Schriftchen,
vom Verfasser dieses Buches im Jahre 1924 zur Verteidigung des Baues geschrieben,
zu Gesicht bekommen hatten, schrieben Seine Eminenz zurück:
|
,,Jo
stesso ho consegnato all´ Emm. Cardinale Fruewirth il 15 corrte l´opusculo
da lei inviatomi. Il Signore benedica la santa im presa e benedica tutti
coloro che vi danno opera.
Gaetano
Card. Bisleti. Roma 21. Febr. 1925.“
|
Der wertvollste Segen für das Bauwerk
kam jedoch aus dem Munde Seiner Heiligkeit selbst. Am 16. Juli 1941 wurde Papst
Pius XII. in einer zu diesem Zweck erbetenen und huldvoll gewährten Audienz um den
Segen für den Kirchenbau gebeten. Ohne zu zögern sprachen Seine Heiligkeit: ,,Ja,
ja, von ganzem Herzen! Wir segnen ihn und alle Unsere lieben Deutschen!“
Man vergesse hierzu nicht, daß durch
die Hände des Nuntius Pacelli seit dem Mai 1917 die Akten über Schippach nach Rom
gegangen waren und daß Seine Heiligkeit erklärten, Er ,,erinnere sich noch sehr
gut der Schippacher Angelegenheit“.
Wo ist noch ein Kirchenbau im ganzen
Bistum Würzburg, der sich so zahlreicher und ausdrücklicher Segnungen durch die
kirchliche Hierarchie rühmen darf wie die Kirche von Schippach?
Inhaltsverzeichnis
THEOLOGISCHES GUTACHTEN
Verfasser: H. H. Hugo Holzamer
DAS PROBLEM VON SCHIPPACH
und seine Behandlung in der gegnerischen Presse
Ich traf noch keinen jener sogenannten Geschäftsmänner an, welche die geistlichen
Betrachtungen und die göttlichen Contemplationen verachten, der irgendeine Angelegenheit
gehörig anzugreifen wüßte.
Donoso Cortes.
Inhaltsverzeichnis
I. Die Presse
Die Meldungen eines Teiles der Presse,
denen zufolge die im Juni 1917 ergangene erste Antwort des hl. Offiziums in Rom
betreffs der Sache von Schippach ein endgültiges Verwerfungsurteil bedeuten soll,
dürften nicht zutreffen.
Endgültige Entscheidungen über Privatoffenbarungen
pflegt der Apostolische Stuhl nur nach eingehender Prüfung der betreffenden Angelegenheit
zu geben. Von jener Antwort aber sagt das hl. Offizium, daß sie auf die Lektüre
des bischöflichen Schreibens hin gegeben worden ist. Offenbar hatte also der Heilige
Stuhl selber eine Prüfung der Schippacher Sache noch nicht vorgenommen oder doch
noch nicht beendigt, und es kann sich in jener Antwort demnach auch nicht um ein
Endurteil handeln.
Ein uns vorliegendes theologisches
Gutachten besagt, denn auch, die Antwort ,,Episcopi utantur iüre suo“ enthalte nur
die Zurückverweisung der Sache an die Bischöfe als an die erste Instanz, während
der Text dieser Antwort keinerlei Entscheidung, weder im bestätigenden, noch im
verwerfenden Sinne aufweise.
Einen gewissen Maßstab bietet ein
ähnlicher Fall aus neuerer Zeit. In der aktenmäßigen Darstellung des Prozesses über
die Sache einer Luxemburger Ekstatischen, Klara Moes, der um die letzte Jahrhundertwende
spielte, ist z. B. folgendes zu lesen: ,,Der oberste Gerichtshof der Kirche pflegt
solche außerordentlichen Angelegenheiten mit großer Klugheit, Langsamkeit und Strenge
zu behandeln und gerade damals lagen mehrere solcher Fragen im hl. Offizium vor,
von denen sich verschiedene bereits als Teufelsbetrug herausgestellt hatten. Deshalb
beeilte sich das hl. Offizium, durch ein Schreiben, welches bereits am 28. Februar
1880 an den Hochwst. Bischof von Luxemburg (Dr. Adames) abgesandt wurde, dessen
kluge Zurückhaltung in dieser Sache zu loben, und den beteiligten Priestern Gehorsam
gegen ihren Bischof und Verschwiegenheit zu empfehlen. Irrtümlicherweise wurde dieses
Schreiben des hl. Offiziums als eine Verurteilung der ganzen Angelegenheit in Luxemburg
angesehen und bekannt gemacht. Auf eine Anfrage erhielten jedoch die Petenten von
Rom aus die Versicherung, daß dieses Schreiben durchaus kein Urteil über die Sache
selbst enthalte. Es bezwecke nur, eine Sicherheitsmaßregel in dieser Angelegenheit
zu treffen, um vor unklugem, übereiltem Verfahren in einer solch wichtigen Sache
zu warnen.“ (j. P. Barthel, Rektor. Mutter Maria Dominika Klara Moes. Nach authentischen
Quellen bearbeitet. Luxemburg 1908. S. 409 f.)
Ähnlich liegt auch die Sache bezüglich der ersten Antwort Roms im Falle von Schippach.
Überhaupt ist die Analogie zwischen dieser und der genannten Luxemburger Sache interessant.
In beiden Fällen handelte es sich um eine Reihe von Privatoffenbarungen, um eine
religiöse Vereinigung und um ein kirchliches Bauwerk; hier um die Offenbarungen
der Barbara Weigand, dort um jene von Klara Moes; hier um den Eucharistischen Liebesbund,
dort um eine klösterliche Vereinigung; hier um den Bau der Sakramentskirche zu Schippach,
dort um den Bau des Dominikanerinnenklosters auf dem Limpertsberge. Auch die Lage
und der Verlauf der Luxemburger Sache hat mit jener, von Schippach vieles gemeinsam,
so besonders die für in der Mystik Unbewanderte auf den ersten Blick schlechthin
unglaublichen Dinge in den Offenbarungen, ferner das absolut verwerfende Urteil
der tonangebenden Privat- und öffentlichen Meinung, und schließlich das hierauf
sich stützende Verwerfungsurteil und Verbot von seiten der bischöflichen Behörde.
Die Sache der Klara Moes lag aber in sofern noch viel schwieriger als jene von Barbara
Weigand, als besonders die Fegfeuer- und Höllenvisionen der Klara Moes, ihre angeblichen
Vexationen von seiten des Teufels und besonders der Aufenthalt einer offenbar besessenen
Person in ihrem Hause den Hochwürdigsten Bischof geradezu evident überzeugen wollten,
daß es sich ,,um eine Sache der verwerflichsten und gefährlichsten Art“ handeln
müsse. Er nahm darum keinen Anstand, die Sache der Klara Moes als dämonisch und
als Teufelstrug zu bezeichnen, der Genannten sogar den Seelenführer und den Beichtvater
zu nehmen, die Priester in dem Diözesanblatt vor jedem Verkehr mit den Frauen auf
dem Limpertsberg zu warnen und auch jede weitere Untersuchung der Sache kategorisch
zu verbieten.
Man versteht solche Strenge, wenn man bedenkt, daß zur nämlichen Zeit in Rom ein
Prozeß gegen den Bischof von St. Jean de Maurienne schwebte, durch dessen allzugroße
Nachsicht gegenüber einer falschen Seherin die ganze Diözese in Unordnung geraten
war.
In dem Luxemburger Falle erschien die Strenge des Oberhirten durch gleichsam handgreifliche,
gegen Klara Moes sprechende, Beweismomente gerechtfertigt. Es stand denn auch in
dieser Sache nicht bloß der gesamte Klerus, sondern auch die öffentliche Meinung
ganz auf seiten des Bischofs.
Und trotz alledem erwies sich dieses
Urteil nicht als stichhaltig. Schon die bald darauf durch den neuen Bischof Dr.
Koppes angeordnete Untersuchung endigte am 19. Januar 1884 mit der bischöflichen
Bestätigung und Rechtfertigung der Moes’schen Sache. Nach weiterer achtjähriger
Prüfung durch den Apostolischen Stuhl erfolgte am 28. April 1892 auch die päpstliche
Gutheißung der Klostergründung vom Limpertsberg.
Dieser ganze Fall dürfte schon zu
einiger Vorsicht in der öffentlichen Kritik der Schippacher Angelegenheit mahnen.
Auch sprechen die Erfahrungen bei vielen weiter zurückliegenden Fällen solcher Art,
wie z. B. bei der Sache der ehrwürdigen Maria von Agreda, der seligen Margareta
Alacoque, des seligen Grignon von Montfort, der seligen Kreszenzia Höß von Kaufbeuren
u. a. für die Beobachtung einer klugen Zurückhaltung und Vorsicht im öffentlichen
Urteil über derartige Fragen des mystischen Gebietes. Und dies um so mehr, da aus
der Strenge der im vorhinein oft notwendigen disziplinären Maßnahmen der kirchlichen
Behörden nicht ohne weiteres auf die Verwerflichkeit einer solchen Sache an sich
geschlossen werden darf. Es kann aus mancherlei äußeren Gründen ein ernstes Einschreiten
der bischöflichen Behörden oder des päpstlichen Stuhles gegenüber Erscheinungen
des mystischen Gebietes, deren Echtheit oder Unechtheit noch gar nicht geprüft oder
entschieden ist, geboten sein. Die Offenbarungen der ehrwürdigen Maria von Agreda
wurden aus Gründen der Disziplin kurze Zeit sogar auf den Index gesetzt. Niemand
ist berechtigt, solche disziplinäre Maßnahmen zum abfälligen Urteil über noch nicht
entschiedene Angelegenheiten der bewußten Art oder gar zur Verdächtigung der Person
von Visionären oder Ekstatischen auszuschlachten.
In der gegen Schippach gerichteten
literarischen Fehde scheint indessen die gedachte Vorsicht nicht allenthalben gewahrt
worden zu sein: Das Vorgehen eines Teiles der gegen Schippach kämpfenden Tagespresse,
Zeitschriften und Broschüren weist Urteile, Folgerungen und auch äußere Formen auf,
welche doch zu mancherlei Bedenken Anlaß geben, sobald man die Regeln im Auge behält,
welche die mystische Theologie für die Beurteilung mystischer Angelegenheiten aufgestellt
hat. Die Nichtbeachtung dieser Regeln setzt aber, wie die Meister der mystischen
Theologie lehren, der Gefahr aus, sich der Vermessenheit schuldig zu machen, frommen
Dienern Gottes Unrecht zu tun, die Seelen der Mitmenschen zu schädigen und den liebevollsten
Absichten Gottes entgegenzuwirken. Nichts gefährlicher, als die Bearbeitung der
öffentlichen Meinung durch eine den Regeln der mystischen Theologie nicht entsprechende
Kritik an außerordentlichen Erscheinungen des übernatürlichen Gebietes. Gerade solche
unsachliche Kritik ist der Nährboden jener falschen Mystik, die so gern in die völlige
Verwerfung aller echten mystischen Dinge umschlägt, und der nächste Weg zu rationalistischen
und naturalistischen Tendenzen ist. Die Einträufelung des Naturalismus, welche Pius
X. so nachdrücklich als ein Hauptbestreben des Modernismus gekennzeichnet hat, könnte
wohl kaum erfolgreicher betrieben werden als durch eine den Regeln der kirchlichen
Theologie nicht entsprechende Behandlung mystischer Probleme in der Presse, vor
allem in der politischen Tages- und Wochenpresse.
Was auf diesem Gebiete in den letzten Jahren die journalistische Kritik mit Bezug
auf eine ganze Reihe von Privatoffenbarungen geboten hat, ist von der korrekten
Theologie mannigfach beanstandet worden. Die literarische Befehdung der Papstoffenbarungen
des heiligen Bischofs Malachias, ebenso der Offenbarungen von Anna Katharina Emmerich,
und zuletzt noch der Offenbarungen der heiligen Margareta Alacoque gelegentlich
der Thronerhebung des hl. Herzens Jesu ließ fast den Gedanken an eine systematische
Bekämpfung mystischer Dinge aufkommen. Jedenfalls zeigte diese Bewegung, daß in
den Kreisen mancher Kritiker nicht immer der Geist und die Kenntnisse vorhanden
sind, welche die mystische Theologie von denjenigen verlangt, die an die Prüfung
von Privatoffenbarungen herantreten wollen. Aus diesem Mangel ergeben sich aber
alle die oben angedeuteten Gefahren.
Diese Mängel und Gefahren machen sich nun auch in nicht geringem Grade in dem gegen
Schippach gerichteten Kampfe bemerklich. Zu ihrer Beseitigung erscheint eine öffentliche
Kritik dieses literarischen Kampfes unerläßlich. Wir unternehmen im folgenden diese
Kritik. Wir betonen aber ausdrücklich, daß dieselbe sich ausschließlich auf die
journalistischen und literarischen Gegner von Schippach bezieht. Jegliche Kritik
an den Maßnahmen der kirchlichen Behörden vermeiden wir durchaus, unterwerfen uns
vielmehr auch in dieser Sache den Lehr- und Disziplinarentscheidungen der Kirche
schon im voraus mit vollständigem innerem und äußerem Gehorsam.
Inhaltsverzeichnis
II. Grundregeln für die Prüfung von Privatoffenbarungen
Die erste und Grundregel, welche die
Theologen, vor allen Papst Benedikt XIV. und Turrecremata, für die Prüfung von Privatoffenbarungen
aufstellen, besteht in der Forderung großer Bescheidenheit im theologischen Urteil.
Gegen diese Regel hat aber die gegen Schippach gerichtete journalistische und sonstige
Literatur in mehr als auffälliger Weise gesündigt.
Offenbar verstößt es durchaus gegen die theologische Bescheidenheit, wenn ein Literat
sich damit befaßt, im vorhinein feststellen zu wollen, was und wie der Apostolische
Stuhl in einem letzteren allein vorbehaltenen Urteil endgültig entscheiden wird
und muß. Noch bedenklicher wird dieser Mangel an Bescheidenheit, wenn er zu dem
Versuche führt, im vorhinein apodiktisch auszusprechen, daß der Heilige Stuhl in
der bewußten Sache nicht anders entscheiden könne, als im Sinne der von dem betreffenden
Literaten geäußerten Privatmeinung. Die größte Gefahr bietet aber diese Unbescheidenheit,
wenn auf eine solche dem Urteile des Apostolischen Stuhles apodiktisch vorgreifende
Privatentscheidung die öffentliche Meinung mit Hilfe der politischen und sonstigen
Tagespresse festgelegt wird.
Auf eben diesen Stufen der Unbescheidenheit versteigt sich aber die gegen Schippach
gerichtete literarische Kritik bis ins kaum Begreifliche. Gewiß nur schwer ist es
zu verstehen, daß Theologen, wie Dr. Joseph Zahn und Dr. Vitus Brander, in der Unbescheidenheit
der gegen Schippach gerichteten Privaturteile den Ton angeben und sich zu Äußerungen
hinreißen lassen, wie man sie in der Behandlung mystischer Fragen von seiten ernster
Theologen seither zum mindesten nicht gewohnt war. Was soll man dazu sagen, wenn
Dr. Joseph Zahn für die Richtigkeit seines gegen Schippach gerichteten privaten
Verwerfungsurteils sogar sein Leben verbürgt und dieses unerhört apodiktische Urteil
durch die Brandersche Broschüre zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung ausschlachten
läßt! Brander selbst läßt etwas vorsichtiger nur die Sonne vom Himmel fallen und
das Weltall eher in Trümmer gehen, als daß Rom die Schippacher Offenbarungen bestätigen
wird: Immerhin zeigt auch dieses Urteil einen Grad von Voreiligkeit und selbstbewußten
Vorgehens gegenüber der noch ausstehenden Entscheidung Roms, daß die Sache beinahe
ins Tragikomische schillert. Zumal wenn man erwägt, wie wenig Rücksicht Rom in seiner
ersten Antwort auf den Himmel und das Weltall Branders und auf das Leben Zahns genommen
hat, indem es das so sicher erwartete damnamus und reprobamus, gegen die Offenbarungen,
den Liebesbund und die Sakramentskirche von Schippach nicht ausgesprochen hat, vielmehr
nur die Bischöfe anweist, sich ihres Rechtes zu bedienen; eines Rechtes, welches
ihnen auch dahin zusteht, solche von Rom nicht verworfene Dinge auch ihrerseits
einstweilen nicht zu verwerfen, sondern sie bis auf weiteres freizugeben.
Eine viel ernstere Bedeutung gewinnen die apodiktischen Urteile Branders und Zahns
in den Augen desjenigen, der ihren Einfluß auf die Presse und die große Masse des
Volkes wie auch des Klerus erwägt. Brander stellt in seiner bekannten Broschüre
seinen Gewährsmann Zahn den Lesern vor als den Würzburger Dogmatikprofessor, der
für Ferd. Schönings Wissenschaftliche Handbibliothek die schöne ,,Einführung in
die Christliche Mystik“ geschrieben, der ein sehr tätiges Mitglied der Bischöflichen
Prüfungskommission der Schippacher Offenbarungen war, und der als angesehener Fachmann
sein Urteil in dieser Sache Brander gegenüber dahin zusammenfaßte, er könne sein
Leben verbürgen für die Unechtheit der Schippacher Offenbarungen. Von sich selbst
rühmt Brander, daß er seine Broschüre mit Sachlichkeit verfaßt, und zwar so, daß
die Anhänger der Seherin von Schippach gegen seine Untersuchungsmethode nichts einwenden
könnten. Auch der Verlag preist die Brander’sche Broschüre als derart ,,sachlich,
quellenmäßig exakt und theologisch gediegen“ an, daß einfach ,,ein ernstlicher Widerspruch
unmöglich“ sei.
Der Zweck dieser, ebenfalls recht
wenig an Bescheidenheit erinnernden, Bespiegelungen ist klar. Die öffentliche Meinung
sollte mit Hilfe des Ansehens theologischer Fachmänner auf ein absolut verwerfendes
Urteil derart festgelegt werden, daß jeder Widerspruch schlechthin ausgeschlossen
war, ja nicht einmal der Gedanke an ein anders lautendes Urteil Roms aufkommen durfte.
Inwieweit dabei auch die Hoffnung mitspielte, durch solch ,,robustes“ theologisches
Auftreten, und besonders durch die so geschaffene öffentliche Meinung den Heiligen
Stuhl von vornherein von dem ,,Wagnis“ eines bestätigenden Urteils abzuhalten, steht
dahin. Die nervöse Unruhe und die Überstürzung, mit der Brander seit mehreren Jahren
in der Tagespresse, in theologischen, politischen und sonstigen Zeitschriften die
Öffentlichkeit gegen Schippach in Atem zu halten und sein und Zahns abfälliges Urteil
den weitesten Kreisen förmlich aufzudrängen sucht, muß bei der Erwägung, daß auf
diese Weise dem Urteil Roms ganz exorbitant vorgegriffen wird, jeden ruhig denkenden
Katholiken peinlich berühren. Es schmeckt dieses Vorgehen gar zu sehr nach der Ansicht
Döllingers: ,,Die Theologie (d.h. das Professorentum) ist es, welche der rechten
gesunden öffentlichen Meinung in religiösen und kirchlichen Dingen Dasein und Kraft
verleiht, der Meinung, vor der zuletzt Alle sich beugen, auch die Häupter
der Kirche und die Träger der Gewalt.“
Wie wenig sich indessen Rom von der,
selbst durch angesehene Theologen erregten, öffentlichen Meinung imponieren läßt,
mußte schon Döllinger erfahren. Und wie leicht die öffentliche Meinung und das fast
evident sichere Urteil, von Theologen auch heute noch durch den Apostolischen Stuhl
desavouiert werden kann, haben wir eingangs an der Sache der Ekstatischen von Luxemburg,
Klara Moes, gezeigt. Es wäre also durchaus nicht undenkbar, daß Rom im Falle von
Schippach schließlich anders entscheiden würde, als Brander, Zahn und die ihnen
folgende Presse wünschen.
Diese Möglichkeit muß unbedingt offen
gelassen werden. Sie nach Brander’scher und Zahn’scher Methode zu leugnen, ist der
Gipfel der Unbescheidenheit gegenüber dem Heiligen Stuhl, und zugleich eine große
Gefahr für das kirchliche Leben. Denn je intensiver der öffentlichen Meinung die
Unmöglichkeit einer bestätigenden Entscheidung Roms eingeredet worden ist, um so
schwieriger wird es sein, beim Eintreffen einer solchen Entscheidung die irregeleitete
Masse des Volkes zur Unterwerfung unter das päpstliche Urteil zu bewegen.
Inhaltsverzeichnis
III. Pietät gegenüber Privatoffenbarungen
Eine weitere Forderung, welche die Theologie an
die Behandlung mystischer Fragen stellt, ist die Pietät gegenüber Privatoffenbarungen
und Schriften frommer Personen. Dieser Pietät entspricht es, solche Offenbarungen
nicht mit allzugroßem Mißtrauen, sondern mit jener Liebe und Ehrfurcht zu prüfen,
die wir frommen Personen stets schulden. Daher fordern Benedikt XIV. und die übrigen
Autoritäten der mystischen Theologie für die Prüfung von Privatoffenbarungen die
pia et modesta interpretatio, d.h. die pietätvolle und bescheidene Auslegung der
in denselben enthaltenen schwierigen Stellen. Vor allem bezeichnen sie es als eine
Forderung der Billigkeit und Gerechtigkeit, daß Stellen, welche einen mehrfachen
Sinn zulassen, in einem Sinne aufgefaßt und erklärt werden, der sich mit der Regel
des Glaubens vereinbaren läßt. Als durchaus unbillig und ungerecht sehen sie es
dagegen an, wenn gewisse Stellen frommer Offenbarungen gleichsam ohne weiteres als
falsch, ketzerisch, der Heiligen Schrift widersprechend bezeichnet werden, weil
sie auf den ersten Blick in solchem Sinne verstanden werden können. Sie weisen nämlich
stets darauf hin, daß alle Privatoffenbarungen ohne Ausnahme schwierige, dunkle,
mißverständliche Stellen enthalten, und sie geben auch eine schöne und einleuchtende
Erklärung hierfür, indem sie betonen, daß Gott dies zugelassen oder gewollt zu haben
scheine, um der menschlichen Weisheit Gelegenheit zu bieten, kindlichen Glauben,
christliche Demut und guten Willen zu zeigen.
An dieser wohlwollenden und pietätvollen Liebe
läßt es aber die gegen Schippach kämpfende literarische Kritik ganz bedeutend fehlen.
Wenn Brander seine Broschüre mit den Worten beginnt: ,,An sich sind die Schippacher
Offenbarungen nicht wert, auch nur einen Bogen Papier darüber zu verschreiben oder
eine Minute Zeit darauf zu verwenden. Denn sie sind die Halluzinationen einer bedauernswerten
Nervenkranken...", so zeigt schon diese Sprache ein gerütteltes Maß von wegwerfender
Verachtung und tiefgründigem Übelwollen.
Sie läßt aber auch sofort erkennen, zu welch
falschen, unwahren Urteilen eine solche Gesinnung führt. Jeder, der Barbara Weigand
von Schippach persönlich kennt, weiß, daß bei der außerordentlich kräftigen und
gesunden Konstitution dieser Person die Behauptung von Nervenkrankheit entweder
lächerlich oder empörend wirken muß. Noch im Jahre 1915 hat ein angesehener Mediziner,
ein preußischer Oberstabsarzt, der auf die Andeutungen der Presse über angebliche
hochgradige Hysterie der Seherin von Schippach Interesse an dem Falle gewann, sich
die Mühe gemacht, Barbara Weigand eingehend auf Hysterie zu untersuchen; er hat
festgestellt, daß bei dieser Person auch nicht die Spur eines solchen Leidens vorhanden
ist, vielmehr die ganze Körper- und Geistesverfassung derselben diejenige eines
durch ländliche und sonstige körperliche Arbeit außerordentlich gekräftigten und
widerstandsfähigen Organismus ist. Auch früher, während der ekstatischen Zustände,
hat ein Arzt bereits erklärt, daß diese Erscheinungen, die Barbara selber als ihr
mystisches Leiden bezeichnete, nicht auf natürliche Krankheit zurückzuführen seien.
Wie kann Brander wagen, die leichtfertige Behauptung in die Welt hinauszuschleudern,
Barbara Weigand sei eine bedauernswerte Nervenkranke? Eine solche schwerwiegende,
Irreführung der Öffentlichkeit ist nur aus einem Übermaß von übelwollendem Vorurteil
zu erklären.
Wie aber Brander seine Broschüre mit dem Ausdruck der Verachtung gegen die von ihm
zu prüfende Sache beginnt, so schließt er sie auch mit dem Eingeständnis des maßlosen
Widerwillens, der ihn gegen die Schippacher Offenbarungen während der von ihm angestellten
Prüfung beseelte. Und dies gegen Offenbarungen, von welchen hochangesehene Theologen
und gebildete Laien versichern, daß sie dieselben mit wahrem Genusse und mit wahrer
Erbauung gelesen haben. Brander aber muß gestehen, daß er aus Widerwillen manchmal
alle Willensanstrengung aufbieten mußte, um die Prüfung der Weigand'schen Schriften
fortzusetzen. Das ist nicht die Gesinnung, welche die Theologie von denjenigen verlangt,
die an die Prüfung solcher Schriften herantreten wollen. Da fehlt schon die notwendige
Objektivität und Vorurteilslosigkeit, um so mehr jede Pietät, Achtung und Rücksicht.
Wer möchte sich auf das Urteil eines derart voreingenommenen Kritikers verlassen?
Wer möchte sich zu der Annahme versteigen, daß der Apostolische Stuhl wirklich kein
anderes Urteil finden werde, als das eines solchen Kritikers?
Wir möchten jedoch unsererseits mit Brander keineswegs allzu strenge ins Gericht
gehen. Brander steht in seiner ganzen Beurteilung von Schippach unter dem Einfluß
des Zeitgeistes. Und die Macht des letzteren ist bekannt. Wer die Bedeutung desselben
für die mystische Theologie kennen lernen will, der vergleiche irgend ein älteres
gediegenes Werk dieser Disziplin mit jenem neueren Handbuch der Mystik, auf welchem
Branders Wissenschaft hauptsächlich fußt, der ,,Einführung in die christliche Mystik
von Dr. Joseph Zahn". Dieses Werk ist gewiß nicht geeignet, um Katholiken mit Liebe
und Begeisterung für die Mystik, diese ,,Krone der dogmatischen und Moraltheologie",
diese ,,wahre Wissenschaft des wahren Lebens", wie sie Kardinal Deschamps nennt,
zu erfüllen. Das Zahn'sche Buch bemüht sich vielmehr, nur eine Menge von Bedenken,
eine ängstliche Scheu gegenüber allen mystischen Dingen einzupflanzen. Sein Hauptbestreben
geht dahin, auch auf dem Gebiet der katholischen Mystik recht sorgfältig alles das
auszuräumen, was der Protestantismus als Inferiorität deuten möchte. Im Laufe seiner,
ganz in der dunkeln Sprache Schells, Euckens, Hegels gehaltenen psychophysiologischen,
psychopathogräphischen und sonstigen Prüfung , der ,,mystischen Phänomäne" läßt
es schließlich von dem herrlichen Bau der katholischen Mystik, welchen die Vorzeit
errichtete, nur eine Ruine stehen, in deren öden Hallen nichts als die Angst vor
der Täuschung und die Angst vor dem Lächeln eines modernen Pelagianertums wohnt.
An diesem Werke hat sich Brander offenbar übernommen.
Aus ihm hat er das Gruseln gelernt vor dem Spott des Protestantismus über katholische
Privatoffenbarungen. Daher auch seine offen eingestandene Furcht vor einer in Schippach
entstehenden zweiten Auflage Jes Taxilskandals. Diese den Kindern unserer Zeit so
vielfach eigenen, und von modernen Taxilenthüllern so systematisch gepflegten, nervösen
Angstzustände gegenüber allen außerordentlichen Erscheinungen des übernatürlichen
Gebietes wollen wir Brander gern zugute halten. Daß aber Kritiker von solcher Mentalität
für die Behandlung mystischer Probleme, wie desjenigen von Schippach, wenig geeignet
sind, liegt auf der Hand.
Es macht sich bei solchen Kritikern vor allem
der Mangel einer pietätvollen und maßvollen Auslegung von schwierigen Stellen solcher
Offenbarungen bemerkbar. Die Angst vor der Täuschung, die Abneigung gegen das mystische
Gebiet überhaupt, die geringschätzige Bewertung des religiösen Wissens der oft den
niederen Ständen angehörenden und manchmal in gewöhnlichen, platten und ungeschickten
Worten redenden Visionäre verleitet Kritiker der bewußten Art nur zu leicht zu dem
Fehler, mißverständliche Stellen von Privatoffenbarungen ohne weiteres nur in einem
falschen, gefährlichen, destruktiven Sinne zu deuten. Sie werden dabei oft die richtigen
Ketzerriecher und Sektenschnüffler.
Auch Brander leistet in dieser Hinsicht Erstaunliches.
Durch eine überstrenge, oft gezwungene Auslegung endet er in den Schippacher Offenbarungen
auf Weg und Steg Ungereimtheiten, Widersprüche, Verstöße gegen Sitten und Glauben,
Häresie. Seine pessimistische Diagnose gipfelt schließlich in der ungeheuerlichen
Anschuldigung der Gründung einer neuen Sekte, die in der Schippacher Sakramentskirche
ihre Mutterkirche erstehen lassen wolle. Für den Kenner der Verhältnisse wird hier
der Brander'sche Feldzug zur Donquichotterie, zu einem Windmühlenkampfe jämmerlicher
Art.
Eine pia et modesta interpretatio hätte Brander vor diesem Abwege behüten können.
Gerade die Stellen, in welchen Brander Ketzereien der ärgsten Sorte erblickt, wie
z. B. Behauptung der Insuffizienz der Heiligen Schrift, des Lehramtes der Kirche,
des katholischen Priestertums, oder ein Leiden Christi in der Eucharistie, ein mechanischer
Ersatz der fehlenden Verdienste u. a. m. lassen sich sehr wohl in einem der Regel
des Glaubens entsprechendem Sinne deuten. Bezüglich der Stellen über ein gewisses
Leiden Christi in der Eucharistie vergleiche man z. B. die trefflichen Darlegungen,
welche Regens Dr. Schreiber-Fulda in der Zeitschrift Eucharistia, (Nr. 5 vom Mai
1916) bei einer anderen Gelegenheit über die dem Glauben entsprechende Auslegung
solcher Worte gegeben hat.
Es wäre nicht allzu schwer, für jede einzelne
von Brander beanstandete Stelle zahlreiche Parallelstellen aus den mystischen Schriften
anderer frommer oder auch heiliger Personen anzuführen. Bieten aber die Schippacher
Schriften z. B. auch nur annähernd so schwierige Stellen, wie deren eine ganze Reihe
in den Schriften der hl. Brigitta zu finden sind? Da sagt unter anderem der Heiland
zur hl. Brigitta bezüglich pflichtvergessener Priester: ,,Sie haben den Schlüssel
verloren, mit dem sie den armen Sündern den Himmel öffnen sollten". Und wiederum
spricht dort die allerseligste Jungfrau von dem Verluste der Konsekrationsgewalt
bei abgefallenen Priestern. An anderer Stelle läßt Brigitta den Heiland davon sprechen,
daß er Glaube, Hoffnung und Liebe besitze. Daß diese Stellen sich in häretischem
Sinne erklären lassen, liegt auf der Hand; und eine Brander'sche Exegese würde sie
auch nicht anders deuten. Die großen Erklärer der hl. Brigitta, Durantus, Benedikt
XIV. und Turrecremata aber geben zu diesen Stellen sehr schöne und korrekte Auslegungen.
Ihnen zufolge haben pflichtvergessene und abgefallene Priester insofern die Schlüsselgewalt
und die Konsekrationsgewalt verloren, als ihnen die Verwaltung der Sakramente von
Rechts wegen verboten ist; und unter dem Glauben und der Hoffnung, welche der Heiland
sich zuschreibt, sind nicht die betreffenden theologischen Tugenden, sondern das
Wissen des Heilandes und die sichere Hoffnung, daß sein Leib verherrlicht werde,
zu verstehen. Wenn aber eine solche weise Mäßigung in der Auslegung schwieriger
Stellen von Privatoffenbarungen durchaus gefordert werden muß, dann hat Brander
durch seine rücksichtslose Verketzerungssucht gegenüber den Schriften und Personen
von Schippach schwer gefehlt.
Inhaltsverzeichnis
IV. Regeln bei
der Prüfung von Privatoffenbarungen
Eine von den Lehrern der mystischen Theologie
wieder und wieder betonte Regel ist die, daß man Privatoffenbarungen wegen in ihnen
vorhandener Irrtümer, Widersprüche, nicht erfüllter Weissagungen u. dgl. nicht ohne
weiteres in Bausch und Bogen verwerfen darf, falls sie im großen und ganzen geeignet
sind, Erbauung und Nutzen zu bringen und wenigstens der Hauptsache nach als von
Gott kommend angesehen werden können. Die Art, wie Brander und die von ihm inspirierte
Presse gegen diese theologische Regel fehlt, vermag auch den letzten Rest von Vertrauen
gegenüber der von den Genannten beliebten Prüfung und Kritik zu rauben.
Branders Grundirrtum liegt hier in der verkehrten
Anwendung des an sich richtigen Schlusses: Gott kann nicht Irrtümer offenbaren;
nun enthalten aber gewisse Schriften Irrtümer; also können sie keine von Gott stammenden
Offenbarungen sein. Wie die Theologie durchweg lehrt, kann dieser Schleiß nur auf
die allgemeine und ordentliche Offenbarung oder Prophetie, nie und nimmer aber auf
die Privatoffenbarung angewendet werden. Brander aber wendet den genannten Schluß
auch auf Privatoffenbarungen an und gründet darauf seine ganze journalistische und
Broschüren-Argumentation gegen Schippach. Bereits in der Allgemeinen Rundschau schrieb
er: ,,Wir wissen, daß eine göttliche Inspiration der B. W. durch die dogmatischen
Irrtümer, Übertreibungen, Widersprüche, unerfüllten Vorhersagungen, abergläubigen
Versprechungen und zahlreichen Ungereimtheiten ihrer Schriften als absolut ausgeschlossen
zu betrachten ist. Auf derselben Beweisführung beruht auch seine Broschüre. Das
ganze Kartenhaus dieser Schlußfolgerung fällt aber in sich zusammen durch den Nachweis,
daß Irrtümer u. dgl. sehr wohl in Privatoffenbarungen vorkommen können und tatsächlich
sogar in approbierten Privatoffenbarungen oft vorhanden sind, ohne solchen mystischen
Schriften den Charakter göttlicher Offenbarungen zu rauben.
Letzteres ergibt sich schon aus dem Unterschied
zwischen perfekter und imperfekter Prophetie, wie ihn die Dogmatik lehrt. Während
diese unter perfekter Prophetie jene Offenbarung versteht, die mit der absoluten
Gewißheit verbunden ist, daß Gott und nicht etwa der Geist des Propheten geredet
hat, und derselben somit nie etwas Falsches beigemischt sein kann, bezeichnet sie
als imperfekte diejenige, wo es an diesem klaren Lichte der Prophetie und dem darauf
sich gründenden unfehlbaren Urteile fehlt. ,,Da bei letzterer," schreibt Heinrich,
,,sich mit der Eingebung des heiligen Geistes leicht Gedanken des eigenen menschlichen
Geistes verbinden können, so kann solcher imperfekten Prophetie auch Falsches beigemischt
werden, ohne daß die Möglichkeit gegeben wäre, beides mit genügender Sicherheit
zu unterscheiden."
Die Gründe, aus welchen in Privatoffenbarungen
vielfach Irrtümer vorkommen können, erklärt sehr schön der Redemptorist P. Gebhard
Wiggermann in den Worten: ,,Was die Art und Weise der göttlichen Mitteilung anlangt,
so waren die Empfänger und Vermittler der allgemeinen Offenbarung vom heiligen Geiste
in der Weise erleuchtet und geleitet, daß sie nicht irren konnten, und daß ihre
Aussprüche im eigentlichen Sinne Worte Gottes sind; die Träger von Privatoffenbarungen
dagegen sind wohl auch vom Geiste Gottes übernatürlich erleuchtet; sie schauen im
göttlichen Lichte verborgene Wahrheiten und besitzen zumeist auch die Gabe der Prophezeiung
im eigentlichen Sinn; allein sie sind weder in Bezug auf das Schauen, noch in Bezug
auf die Mitteilung vor jedem Irrtum durchaus gesichert; sie können zuweilen etwas
als übernatürliche Erleuchtung ansehen, was nur das Resultat menschlicher Erkenntnistätigkeit
ist; sie können, wenn sie eine bloße Vision (ohne Offenbarung) empfangen, derselben
möglicherweise einen anderen Sinn beilegen, als dieselbe in Wirklichkeit hat; sie
können ferner beim Mitteilen des Geschauten einzeln der geoffenbarten Dinge vergessen,
verwechseln oder auch in Ausdrücken wiedergeben, welche nicht zutreffend sind, da
es überaus schwierig ist, übernatürliche Wahrheiten, die man in der Ekstase geschaut,
im gewöhnlichen Zustande in die passenden Worte zu kleiden."
Man beachte auch folgende Ausführungen des hier ebenfalls als Autorität anzusprechenden
P. Jeiler O. S. Fr.: ,,Selbst dann, wenn eine Vision wirklich von Gott kommt und
rein intellektuell und also an sich untrüglich ist, bleibt es keineswegs ausgeschlossen,
daß in der Mitteilung derselben Irrtümer eingeschlichen sind, wie nach der gewöhnlichen
Meinung Benedikt XV. lehrt. Denn ein solches an sich wahres, aber auch unaussprechliches
Gotteswort muß erst in unvollkommene und inadäquate menschliche Worte übersetzt
werden, was für gewöhnlich durch Anwendung menschlicher Geisteskräfte und nicht
ohne die naheliegende Möglichkeit geschieht, mit dem göttlichen Lichte sich das
beschränkte Vernunftlicht und mit der geoffenbarten Wahrheit ein Irrthum vorgefaßter
Meinungen einmische. Mit Recht sagt Gueranger (L'Univers 1858 n. 22): Privatoffenbarungen
gelangen nicht immer rein von jeder Beimischung zu uns. Gott läßt dieses zu, auf
daß wir niemals der Versuchung nachgeben, das Ansehen derselben mit der heiligen
Schrift auf eine Linie zu stellen."
Mit seiner Zusammenstellung einer Reihe von angeblichen oder wirklichen Irrtümern
hat also Brander nicht das geringste gegen die Schippacher Offenbarungen bewiesen.
Eine ähnliche und vielleicht noch längere Reihe von Irrtümern hätte er auch aus
den Schriften einer hl. Brigitta, der beiden Mechtilden und anderer Ekstatischer
zusammenstellen, und mit demselben Recht bzw. Unrecht auch deren Unechtheit ,,beweisen"
können. P. Poulain S. J. führt nicht weniger als 31 fromme Personen an, in deren
Offenbarungen sich Irrümer finden, und er sagt, man könne bei Personen, die noch
nicht zu hoher Heiligkeit gelangt sind, ohne Unklugheit festhalten, daß drei Viertel
all ihrer Offenbarungen Täuschungen seien; also auch beim Vorhandensein einer solchen
Masse von Täuschungen bleibt dennoch ein Viertel richtige Offenbarungen, wegen deren
man das ganze nicht in Bausch und Bogen verwerfen darf.
Brander behauptet nun, daß eben wegen der von
ihm angegebenen Irrtümer eine Bestätigung der Schippacher Offenbarungen durch den
Apostolischen Stuhl ganz unmöglich sei. Er zeigt damit, daß er seinen Deduktionen
auch einen verkehrten Begriff von der päpstlichen Bestätigung oder Approbation von
Privatoffenbarungen zugrunde legt; denn er nimmt offenbar an, daß diese Bestätigung
die absolute und vollständige Wahrheit des Inhaltes solcher Schriften beglaubige.
Eine solche Annahme ist jedoch falsch. Die päpstliche Approbation von Privatoffenbarungen
will als sicher nur feststellen, daß ihr Inhalt bei vernünftiger und gemäßigter
Auslegung (pie et prudenter intellectum) nicht dem Glauben und den guten Sitten
widerspricht oder gefährlich ist; daß dieselbe durchaus nichts Absurdes und Unglaubliches
enthält, sondern dem Leser Erbauung und Nutzen bringen kann; und endlich, daß man
aus vernünftigen Gründen annehmen darf, die angeblichen Offenbarungen seien wirklich
von Gott und ihre Mitteilungen wenigstens der Hauptsache nach wahr.
Nach diesen Grundsätzen würde die kirchliche
Approation der Schippacher Offenbarungen keineswegs die volle Wahrheit alles dessen,
was in denselben enthalten ist, verbürgen; es könnten Irrtümer in denselben entalten
sein und selbst solche Meinungen, welche von seither in der Kirche frei gelehrten
Lehrsätzen und Tatsachen abweichen, ja sogar Sätze, die auf den ersten Blick bei
einer strengen Auslegung als häretisch erscheinen könnten. Ob aber die kirchliche
Approbation in diesem ihrem richtigen Sinne für die Schippacher Schriften gänzlich
ausgeschlossen sein soll, wird derjenige lebhaft bezweifeln, der weiß, wie sehr
Brander die Schippacher Offenbarungen gerade ihrer Hauptsache nach, nämlich in ihren
absolut korrekten, erbaulichen und nützlichen Partien unbeachtet läßt, und wie sehr
seine Beanstandungen durchaus nicht auf einer gemäßigten Auslegung beruhen.
Inhaltsverzeichnis
V. Authentizität
von Privatoffenbarungen
Es liegt auf der Hand, daß eine sachliche Kritik
vor allem auch festzustellen hat, ob die zu beanstandenden Stellen einer mystischen
Schrift authentisch sind, d.h., ob dieselben wirklich von der betreffenden visionären
Person stammen, oder ob sie nicht etwa durch das Zutun anderer Personen, besonders
von Sekretären oder Abschreibern, entstellt, geändert, korrumpiert sind. Sind sie
nicht authentisch, so scheiden solche Stellen selbstverständlich für den Beweis
der Echtheit der betreffenden Offenbarungen ganz aus und sind auch für die sonstige
Beurteilung derselben nur mit Vorsicht zu verwenden.
Auch diese Regel wird von Brander gänzlich mißachtet.
Er erkennt zwar, daß zahlreiche der von ihm beanstandeten Stellen offenbar nicht
authentisch sind ; ja, er zieht sogar den viel zu weitgehenden Schluß, daß von den
Schippacher Offenbarungen ein authentischer Text überhaupt nicht vorliege; auch
findet er, daß es sich dabei um die Schuld einer oder mehrerer Sekretärinnen handelt.
Gleichwohl nimmt er keinen Anstand, gerade auf diese Wahrnehmungen sein Verwerfungsurteil
aufzubauen bzw. alle wahrgenommenen Anstände kritiklos der Seherin von Schippach
selber aufs Konto zu schreiben.
Wie beim Wahrnehmen nicht authentischer Stellen
eine wahrhaft sachliche, bescheidene und pietätvolle Kritik vorzugehen pflegt, zeigt
z.B. B. P. Jailers Biographie der seligen Kreszenzia Höß von Keufbeuren. Der Biograph
erkannte, daß schon in den ersten Quellen viel Unglaubwürdiges, Übertriebenes, Falsches
über Kreszenzias wunderbare Zustände, Gnadengaben und sonstiges Leben enthalten
ist. Aber weit entfernt, nun sofort auf die Unechtheit und Unglaubwürdigkeit aller
bezüglich Kreszenzias überlieferten mystischen Dinge zu schließen, sieht er vielmehr
nach, wo denn eigentlich die Schuld an diesen unglaubwürdigen Berichten liegt. Er
findet alsbald, daß Kreszenzia selber keinerlei Schuld an den über sie verbreiteten
verkehrten Erzählungen trägt. Vielmehr stellt sich heraus, daß die Sekretärin der
Seligen, die Ordensschwester Maria Anna Neth, die Hauptursache der Entstehung und
Verbreitung jener überschwenglichen und falschen Berichte war. Auf Befehl ihrer
Oberin mußte Kreszenzia die ihr gewordenen außerordentlichen Gnaden jeweils der
Schwester Maria Anna Neth zur Aufzeichnung mitteilen. Die genannte Schwester aber
brachte viel Entstelltes und Unrichtiges in ihre Aufzeichnungen hinein, nicht etwa
aus bösem Willen, wohl aber aus Vergeßlichkeit und Ungenauigkeit bei der schriftlichen
Wiedergabe des aus dem Munde Kreszenzias Vernommenen. Der letzte Beichtvater Kreszenzias,
P. Johann Baptist Pamer S. J. erklärte denn auch, daß die Schwester Maria Anna aus
Einfalt, Phantasie und Vergeßlichkeit vieles Falsche, Unpassende und Sonderbare
hineingemischt, und daß die selige Kreszenzia oft unter Tränen gegen diese Unwahrheiten
protestiert habe. Nicht also die Sache Kreszenzias, sondern die Arbeit der Schwester
Maria Anna war zu beanstanden. Und demgemäß urteilt denn auch ihr Biograph P. Jailer.
Auch durch die Aufzeichnungen über die ekstatischen
Zustände und visionären Aussagen von Barbara Weigand ziehen sich wie ein roter Faden
die oft ganz leicht als solche kenntlichen Abirrungen mehrerer, und besonders einer
von Brander mit Namen genannten Sekretärinnen. So fragt z. B. eine der Sekretärinnen
den aus der Ekstatischen redenden Heiland am Schlusse der Ekstasen öfters über mancherlei
persönliche, private Verhältnisse u. dgl. Es liegt nun für den Sachverständigen
auf der Hand, daß diese Fragen und Antworten sehr leicht in einen Zeitpunkt fallen
konnten, in welchem die Ekstase selber bereits zu Ende war und das Reden des Heilandes
zur Begnadigten schon wiederum aufhörte. Die Begnadigte selber aber gab nun wohl,
wie der hl. Thomas von Aquin dies bei Visionären sehr gut für möglich hält, ex magno
usu prophetandi, aus der Macht ihrer visionären Gewohnheit heraus, eine Antwort,
welche die Begnadigte selber und ihre Sekretärin zwar in bestem Glauben für göttlich
inspiriert hielten, während diese Antwort in Wirklichkeit nur ein gewohnheitsmäßiges
Weiterarbeiten frommer Phantasie war.
Es kann auch der Fall eintreten, daß sich solche nur vermeintlich von Gott kommenden,
in Wirklichkeit aber aus der menschlichen Phantasie des Visionärs stammenden Antworten
mitten in einer Ekstase und mitten unter wirklich inspirierten Antworten ergeben.
Man fragt inmitten der Ekstase den aus der Visionärin redenden Heiland über irgend
eine Sache. Der Heiland aber würdigt uns in dieser Sache keiner Antwort. Die Visionärin,
jedoch glaubt aus dem oben angeführten Grunde in ihrer Phantasie eine Antwort zu
hören und bringt diese auch vor. Dann aber beginnt der Heiland wieder mit seinen
göttlichen Ansprachen an die Begnadigte. Sehr schön erklärt der hl. Johannes vom
Kreuz, wie menschliche Phantasien sich mitten in das übernatürliche Schauen manchmal
einschleichen können. Der in das beschauliche Gebet versunkene Mensch führt nach
den Darlegungen des Heiligen eine Art Selbstgespräch. Er spricht mit sich selbst
und antwortet sich, wie eine Person der anderen und in gewisser Weise ist es auch
so. Denn wenn auch der Geist des Menschen selbst hier tätig ist, so hilft ihm doch
der heilige Geist zuweilen, jene Begriffe, Worte und Schlüsse der Wahrheit gemäß
hervorzubringen und zu bilden. Da aber, so fährt der Heilige fort, ,,jenes Licht,
das ihm mitgeteilt wird, oft sehr fein und geistig ist, so daß der Verstand nicht
weit genug ausreicht, um sich darüber gut zu verständigen, und doch der Verstand
es ist, der wie gesagt die Vernunftschlüsse aus sich bildet, so kommt es, daß er
manchmal falsche, nur wahrscheinliche oder mangelhafte Schlüsse bildet. Da er anfangs
den Faden der Wahrheit zu nehmen begonnen hat, und alsbald die Geschicklichkeit
oder vielmehr Ungeschicklichkeit seines eigenen niedrigen Verstandes dazulegt, so
ergibt sich leicht, daß er nach seiner Fassungskraft verschiedenes ausheckt, und
alles so vor sich geht, als redete eine dritte Person. Ich kannte eine Person, die
solche sukzessive Ansprachen hatte, unter denen sehr wahre und substantielle waren,
die sie über das heiligste Sakrament der Eucharistie bildete, unter denen aber auch
sehr irrtümliche sich befanden."
Man erkennt, wie weit ein Kritiker sich verirren und welch schweres Unrecht er zuzufügen
vermag, wenn er aus dem Vorhandensein unechter Stücke auf die Unechtheit des ganzen
Komplexes der betreffenden mystischen Schriften schließt, oder wenn er bei den in
Betracht kommenden Begnadigten und deren Sekretären wegen vorhandener unechter Stücke
ihrer Aufzeichnungen ohne weiteres bösen Willen, betrügerische Absichten voraussetzen
wollte.
Dasselbe ist zu sagen mit Bezug auf solche Teile
mystischer Schriften, welche sich als eigenmächtige Änderungen, Einschiebungen,
Verbesserungen vonseiten dritter Personen kenntlich machen. Auch derartige Partien
sind nicht schlechthin als Beweismaterial für die Unechtheit der ganzen Schrift
anzusehen und auch sie lassen sich aus vielen anderen Ursachen, als wie nur aus
beabsichtigtem Betruge erklären. In Barbara Weigands Offenbarungen gibt der Heiland
selber ein oder das andere Mal den Sekretärinnen die Anweisung, Verbesserungen des
Textes vorzunehmen, wenn solche ganz offenbar nötig erscheinen sollten. Die Sekretärin
durfte sich in letzterem Falle also ohne Sünde gewisse Änderungen des Textes gestatten,
und hat solche auch tatsächlich vorgenommen. Ob diese Änderungen aber stets das
Richtige trafen und ob auf diesem Wege nicht oft des Guten bzw. des Verkehrten zu
viel geschah, ist eine andere Frage.
In jedem Falle handelt es sich bei den von Brander
betonten Anständen um eine lange Reihe von Stellen, die nicht authentisch sind,
ohne daß sie dadurch der Gesamtheit der Weigand'schen Schriften den authentischen
Charakter rauben und ohne daß sie gegen den Wahrheitssinn und die Redlichkeit der
Seherin und ihrer Sekretärinnen den geringsten Verdacht zu erregen brauchen.
Nun beachte man aber, wie Brander gerade derartige,
offenbar nicht authentische, willkürlich geänderte oder der rein menschlichen Phantasie
der Seherin entsprungene Stellen der Schippacher Offenbarungen zum Beweise seiner
These von der absoluten Unechtheit dieser Offenbarungen vor dem großen Publikum
ausschlachtet. Er geht dabei so weit, daß er sogar Produkte des ordinärsten Mainzer
Stadtklatsches, die mit den Schippacher Offenbarungen nicht das geringste zu tun
haben, hereinzieht, um sie Barbara Weigand und deren Anhängern an die Rockschöße
zu hängen. Die ,,quellenmäßig exakte" Methode Branders feiert hier ihre höchsten,
wenngleich billigsten, Triumphe. Der Mann aus dem Volke fragt sich mit Brander verwundert,
wie man Schriften, die ,,solches Zeug" enthalten, auch nur von ferne als göttliche
Offenbarungen ansehen könne. Der mit der mystischen Theologie auch nur einigermaßen
Vertraute jedoch gewahrt mit Bedauern die ganz verkehrten Wege, auf welchen eine
nicht sachgemäße Kritik hier die öffentliche Meinung irreführt.
Inhaltsverzeichnis
VI. Die Trägerin
von Privatoffenbarungen
Bezüglich der Privatoffenbarungen mahnt der Apostel:
,,Prüfet alles; was gut ist behaltet." Wie mangelhaft Brander den ersten Teil dieser
apostolischen Mahnung befolgt hat, konnten wir aus dem Gesagten einigermaßen erkennen.
Den zweiten Teil aber, das Behalten des Guten, hat er schlechthin ganz beiseite
gesetzt. Der Radikalismus seines Verwerfungsurteils ist nicht zu überbieten. Er
findet in den Schippacher Schriften überhaupt nichts Gutes. Sie sind ihm ein Sammelsurium
von Widersinn, Ungereimtheit, Anstößigktit, Irrtum, Fälschung, Betrug. Sie sind
ihm ein häretisches Machwerk, dem die teuflische Absicht einer neuen Sektengründung
und der Erbauung der Mutterkirche dieser neuen Sekte zugrunde liege.
Die Ursache dieses radikalen Urteils ist Branders
Methode, die darin besteht, in irgend einem Handbuch der Mystik, sei es Zahn oder
Poulain, das Kapitel über die Merkmale falscher Offenbarungen nachzuschlagen, und
nun an Hand dieser Merkmale, ohne Beachtung der übrigen wichtigen Regeln der mystischen
Theologie, gegen Schippach loszugehen.
Schon allein das Ergebnis dieser Methode muß
den ruhig Urteilenden bedenklich stimmen. Gegenüber dem, was Brander von beanstandeten
Stellen anführt, muß offenbar in den 2000 Seiten Schippacher Offenbarungen, welche
Brander nach seiner eigenen Angabe geprüft, doch noch ein recht erklecklicher Teil
nicht zu beanstandender Stücke übrig geblieben sein. Letztere stellen also in den
Schippacher Schriften das Gute dar, das nach der Mahnung des Apostels behalten werden
soll. Hat Brander es behalten? Hat er es, um seinen Lesern ein gerechtes Urteil
zu ermöglichen, auch nur einigermaßen einer ähnlich ausführlichen Behandlung gewürdigt,
wie die beanstandeten Stellen? Davon, daß man aufgefundene Irrtümer und Mängel solcher
Offenbarungen an die große Glocke hängen, vor der Menge des Volkes breittreten,
und damit die betreffenden Offenbarungen im Ganzen und ihre Urheber der Verachtung,
und dem Hohn einer urteilslosen Masse preisgeben soll, sagt der Apostel kein Wort.
Aber daß man das Gute derselben behalten soll, dies befiehlt er ausdrücklich. ,,Wenn
Paulus wiederkäme...", was würde er wohl zu Branders Methode sagen ?
Was Paulus zu dieser Methode sagen würde, ist
uns ganz klar. Damit sagen wir aber nicht, was er etwa über die Schippacher Offenbarungen
entscheiden würde. Wir betonen dies, um auszusprechen, daß wir weit davon entfernt
sind, das in jenen Schriften enthaltene Gute über Gebühr hervorzuheben, oder gar
in den noch gröberen Fehler zu fallen, nun unsererseits im voraus ein günstiges
Urteil der obersten kirchlichen Behörde apodiktisch festzustellen. Wir haben uns,
wie schon eingangs gesagt, nur zur Aufgabe gemacht, die Möglichkeit eines günstigen
päpstlichen Endurteiles offen zu halten, nachdem diese so apodiktisch geleugnet
worden ist.
Wir begründen nun diese Möglichkeit mit dem Hinweis auf das Gute der Schippacher
Öffenbarungen, das Brander und die ihm folgende Presse fast keines Wortes gewürdigt
haben. Um aber auch den Schein zu vermeiden, als ob wir über die guten Partien jener
Schriften und über die guten Seiten der in Betracht kommenden Unternehmungen und
Personen vorhandene Mängel und Schwächen ganz außer acht ließen oder irgend wie
parteiisch vorgingen, sei hier kurz die Methode gekennzeichnet, der wir folgen.
Es ist die streng kirchliche Methode, die wir
in einem Prozesse wahrnahmen, welchen wir bereits früher erwähnten, nämlich in dem
Prozesse der Luxemburger Ekstatischen, Klara Moes.
Auch von den Offenbarungen, den Werken und den
sittlichen Qualitäten dieser Begnadigten war in den Augen der öffentlichen Meinung
nicht das geringste Gute mehr übrig geblieben. Auf den Rat einiger mit der Sache
vertrauten römischen Prälaten aber setzte der jetzige Bischof von Luxemburg, Dr.
Koppes, eine aus unparteiischen und anerkannten Fachmännern bestehende Prüfungskommission
ein. Diese bestand aus nachbenannten Theologen: Dem Benediktinerabt Plazidus Woltei
aus der Abtei Maredsous, dem Benediktiner Subprior Bonifatius Wolff, dem Dominikanerprior
Alfons M. Portmanns und dem Jesuitenpater und Bolandisten Wilhelm van Hoff.
Diesem illustren Richterkollegium wurde nun zunächst
von dem Hochwürdigsten Bischofe die genaue Prüfung der Originalakten anvertraut.
Nach Erledigung dieser Aufgabe versammelten sich die Genannten am 10. Januar 1884
unter dem Vorsitze des Bischofs von Luxemburg in der Benediktinerabtei von Maredsous.
Hier wurden nun drei scharf umschriebene Fragen vorgelegt und beantwortet. Sie lauteten:
1. Bieten die Schriftstücke des genannten Aktenmateriales
Anzeichen welche die Theologen zur Annahme bestimmen müßten, Schwester Klara sei
im ganzen Zusammenhang jener Angelegenheit vom bösen Feinde getäuscht?
Antwort : Nein.
2. Erscheint Schwester Klara in diesem Zusammenhang
als eine solche, die andere hat täuschen oder betrügen wollen?
Antwort: Nein.
3. Ist der Zweck, den Schwester Klara glaubt
erstreben zu müssen, ein guter?
Antwort: Ja.
Die beiden ersten Fragen wurden einstimmig verneint,
die letzte einstimmig bejaht. Dieses Urteil ist im Kirchlichen Anzeiger der Diözese
Luxemburg, 14. Jahrgang, Folge 1 und 2, veröffentlicht.
Schon die Formulierung der drei angegebenen Fragen
bietet das Muster einer wahrhaft sachgemäßen und korrekten Behandlung derartiger
Angelegenheiten. Die genannten Theologen sind sich vor allem bewußt, daß die Entscheidung
über den Offenbarungscharakter mystischer Schriften allein dem Apostolischen Stuhle
zusteht. Sie fragen sich also nicht, wie Rom entscheiden wird und muß, sondern darüber,
welche Anhaltspunkte die Theologen aus dem Aktenmaterial gewinnen können. Sie zerbrechen
sich nicht über den Offenbarungscharakter der vorliegenden Schriften die Köpfe,
sondern erwägen die Frage, ob die in Betracht kommende Person vom bösen Feinde getäuscht
ist. Sie kennen auch die Regel der mystischen Theologie, derzufolge begnadigte Personen
in einzelnen Punkten vom Teufel oder sonstwie getäuscht sein können, ohne daß darum
der ganze Komplex ihrer Visionen Täuschung sein muß; und so stellen sie die Frage,
ob die betreffende Person im ganzen Zusammenhang jener Angelegenheit vom bösen Feinde
getäuscht sein dürfte. Tiefes theologisches Wissen und tiefe theologische Bescheidenheit
ringen in der Verhandlung dieser bischöflichen Kommission um die Palme.
Wir folgen demnach gewiß der denkbar besten Spur,
wenn wir uns bei Beurteilung der Schippacher Sache an die Methode von Maredsous
halten. Indem wir also neben dem Guten nicht die Mängel, und neben den Mängeln nicht
das Gute der Sache zu übersehen bestrebt sind, wollen wir uns ebenfalls jener drei
bestimmten Fragen bedienen:
1. Bieten die Schippacher Schriften Anzeichen,
welche die Theologen zur Annahme bestimmen müßten, Barbara Weigand sei im ganzen
Zusammenhang jener Angelegenheit vom bösen Feinde getäuscht?
2. Erscheint Barbara Weigand in diesem Zusammenhang
als eine solche, die andere hat täuschen oder betrügen wollen?
3. Ist der Zweck der Gründung des eucharistischen
Liebesbundes und der Erbauung der Sakramentskirche zu Schippach, den Barbara Weigand
glaubt erstreben zu müssen, ein guter?
Dies sind die Fragen, an deren Hand der Theologe,
ohne in die Rechtssphäre des Apostolischen Stuhles einzugreifen und ohne dem Urteil
der Kirche vorzugreifen, sich sein dictamen conscientiae, sein Gewissensurteil,
über die Sache von Schippach bilden kann und darf. Sie zeigen einen sicheren und
klaren Ausweg aus all dem Wirrwarr der Meinungen, der das Problem von Schippach
zur Zeit umgibt. Der Versuch ihrer ruhigen, sachlichen, bescheidenen und pietätvollen
Beantwortung vermag wenigstens einigermaßen das nachzuholen, was die überstürzte
und einseitige Brander'sche Pressefehde in dieser Sache versäumt hat.
Wir schließen uns der Methode von Maredsous um
so lieber an, als dieselbe jüngst einen sehr bezeichnenden Angriff erfahren hat.
Ein Kollege und Gesinnungsgenosse von Dr. Brander, der Kirchengeschichtsprofessor
am Lyzeum zu Freising, Dr. phil. et rer. polit. August Ludwig hat in dem bekannten
nichtkatholischen und auf Schritt und Tritt direkt kirchen- und glaubensfeindlichen
Organ ,,Süddeutsche Monatshefte" (Aprilheft 1916) einen Aufsatz veröffentlicht mit
dem Titel ,,Eine Luxemburger Heilige?" Darin macht er der Prüfungskommission von
Maredsous den Vorwurf, daß sie in ihrer ganzen Fragestellung gerade das punctum
saliens vergessen habe, nämlich die Frage: Ist die Person nicht psychopathisch zu
beurteilen? In dieser Frage ruhe der Schlüssel zum Verständnis der ganzen Angelegenheit.
Man hätte die Mediziner, die Psychiater und Psychologen zu Rate ziehen sollen.
Jawohl! Dieselbe psychopathische Wissenschaft,
die sich dazu hergibt, heute jeden Verbrecher und Lumpen zum Unschuldigen zu stempeln,
die ist es, welche unsere Begnadigten zu Schuldigen bzw. zu Verrückten stempeln
soll. Sie ist das punctum saliens mystischer Angelegenheiten durch die modernistische
Theologie. Sie ist der Schlüssel zum Verständnis aller Fragen der mystischen Theologie,
wenigstens nach der Anschauung der Modernisten.
Gott sei Dank, daß es, wie von Maredsous zeigte,
doch noch Theologen gibt, welche das punctum saliens für die Entscheidung theologischer
Fragen in den Grundsätzen der Theologie und nicht in irgend welchen weltlichen und
oft recht unsicheren Wissenschaften erblicken. Gott sei Dank, daß doch noch Theologen
da sind, welche den Schlüssel zum Verständnis der mystischen Fragen bei den Meistern
der mystischen Theologie und nicht bei den Lehrlingen moderner Scheinwissenschaft
suchen.
Sehen aber jene modernistischen Neologen gar
nicht ein, was sie tun, wenn sie die Hagiographie und Mystik in erster Linie zu
einer Frage für Irrenärzte machen? Daß sie vom Standpunkt der Theologie aus direkt
unwissenschaftlich handeln, ist noch das Geringste. Aber das wahrhaft entsetzliche
ist, daß sie den Heiligen Geist lästern, der da weht wo er will. Hinter den Begnadigten,
den Auserwählten des Heiligen Geistes, in erster Linie den Irrenarzt hersenden,
bedeutet nur die Fortsetzung jener Lästerung, welcher sich die Juden schuldig machten,
aIs sie das erste Wehen des Heiligen Geistes in den Aposteln mit den frivolen Worten
bedachten: ,,Sie sind voll des süßen Weines." Der Ruf nach der Psychopathographie
als dem punctum saliens für die Prüfung des beschaulichen Lebens und seiner der
ungläubigen Welt fremd gewordenen Äußerungen ist doch im Grunde nichts anderes als
der Ruf nach derselben Behandlung für die Begnadigten Lieblinge des Herrn, welche
der Rationalismus eines Herodes dem Herrn selber angedeihen ließ, als er diesem
den Narrenmantel umwarf.
Die Kirche und die kirchliche Theologie, die
seit neunzehnhundert Jahren in der Beurteilung mystischer Fragen ohne die Psychopathographie
ganz gut ausgekommen sind, werden zwar auch die gesicherten Erkenntisse dieser Wissenschaft
sich zunutzen machen, wann und wo sie es für angebracht finden. Aber niemals kann
es ihnen in den Sinn kommen, die Wissenschaft des Herrn Lombroso zum Kernpunkt der
theologischen Untersuchung mystischer Probleme zu machen. In einem solchen Unterfangen
werden die Kirche und ihre Theologen stets nur eine Entwürdigung der Theologie,
eine den frommen Dienern Gottes angetane Schmach, und eine Lästerung des Heiligen
Geistes erblicken, der in jenen Dienern Gottes wirkt.
Bis zu welchen Ausschreitungen aber der lästernde Geist modernistischer Pathographenmystik
führt, dafür bietet der genannte Aufsatz von Dr. August Ludwig ein abschreckendes
Beispiel. In der denkbar pietätlosesten und schmachvollsten Weise gibt dieser Aufsatz
die wunderbaren, einem auserwählten Gefäße der Gnade zuteil gewordenen göttlichen
Hulderweise dem verständnislosen Hohne eines un- und irrgläubigen Leserkreises preis.
,,Das auserwählte Wunderkind Klara Moes," so beginnt Dr. Ludwig seine Lästerungen,
,,will nach seiner Behauptung bereits im Augenblick der Taufe den vollen Vernunftgebrauch
erhalten haben. Sie erkannte das Geheimnis der göttlichen Trinität, ein herrlicher
Engel des Himmels stieg zu ihr herab, um in ganz besonderer, wunderbarer Weise durch
die Jugend sie zu geleiten, während der Teufel beim Anblick des neugeborenen Kindes
mit seinen Krallen sein Gesicht bedeckte" usw. usw. Und der Mann, der dies alles
nun von der Höhe seiner psychopathographischen Kenntnisse herab mit ausgesuchtem,
ungläubigstem Spotte übergießt, scheint keine Ahnung davon zu haben, daß die genannten
wunderbaren Dinge Punkt für Punkt im Leben einer Anna Katharina Emmerich und vieler
anderer Begnadigten, ganz in derselben Weise vorkommen!
Und warum glaubt Dr. Ludwig, wie er bereits bezüglich einer begnadigten Beatrix
Schuhmann und einer Barbara Weigand getan, nun auch eine Klara Moes in die Reihe
der Hysterischen klassifizieren zu müssen. Weil er bei Klara Moes ,,allzusehr das
vermißt, was man sobrietas christiana, die christliche Nüchternheit und Besonnenheit,
die wahre Einfalt und Einfachheit, heißt"; denn ,,es ist alles viel zu sehr aufs
Außerordentliche, nie Dagewesene gestellt".
Das ist die alte Anklage, welche der Zeitgeist gegen fast alle wunderbaren Heiligenleben
erhebt. Diesen Begnadigten, oder vielmehr dem Heiligen Geist, der in ihnen wirkt,
gebricht es an ,,Nüchternheit". Ganz ,,unbesonnen" stellt der Geist Gottes da sein
Wirken aufs Außerordentliche ein, das die schlichte, einfache Denkungsart der rationalistischen
Biedermänner doch so wenig sympathisch findet. Viel zu viel des Übernatürlichen,
allzu Übernatürlichen.
Das war auch schon die Anklage, welche eine hl.
Theresia wegen ihrer zahlreichen und ganz außerordentlichen göttlichen Gnadenerweise
über sich ergehen lassen mußte. Aber ein Theologe wie Dr. Ludwig müßte doch eigentlich
wissen, was die Theologen der Rota Romana auf diese Anklage antworteten. Sie schreiben
im Kanonisationsprozeß der hl. Theresia in der Relatio de virtutibus (art. 21):
,,Daß Gott durch Visionen und Offenbarungen so vertraut zu seinen treuesten Freunden
redet und ihnen seine Geheimnisse offenbart, ist weder neu noch ungewöhnlich...
Ja, beinahe alle Heiligen, insbesondere die Ordensstifter, sind mit göttlichen Visionen
und Offenbarungen ausgezeichnet gewesen, wie wir z. B. in den Lebensbeschreibungen
eines hl. Benedikt, eines hl. Bernhard, eines hl. Dominikus, eines hl. Franziskus
und anderer lesen; in diesen Büchern werden unzählige Visionen, Offenbarungen und
andere göttliche Gunstbezeigungen berichtet, welche der Herr entweder den Stiftern
selbst, oder einigen ihrer Schüler verliehen hat. Es ist darum nicht zu zweifeln,
daß Gott vertraulich mit seinen Freunden redet, und besonders diejenigen zu begnadigen
pflegt, welche Er zu großen Werken auserwählt."
Ja, wunderbar ist Gott in seinen Heiligen, und er läßt sich über die Quantität und
Qualität dieser seiner Wunderwerke selbst von modernen Psychopathographen keine
Vorschriften machen. Er hat auch die christliche Nüchternheit keineswegs in die
Scheu vor den außerordentlichen übernatürlichen Gnadengaben verlegt. Nur eine ganz
perverse, häretische Exegese kann das Wort des Apostels ,,sapere ad sobrietatem"
dahin auslegen, daß die in ihm geforderte Nüchternheit und Besonnenheit in der Verweigerung
des Glaubens an uns allzu außerordentlich erscheinende Wunderwerke Gottes und seiner
Heiligen bestehe. Das ist die Exegese des Protestantismus, des Rationalismus. Die
katholische Theologie dagegen erblickt, z. B. nach den Worten des Dogmatikers Dr.
J. B. Heinrich, in der christlichen sobrietas oder Nüchternheit das Bestreben, das
katholische Denken und Leben im engsten Anschluß an die übernatürliche Autorität
der Kirche zu erhalten und es mit peinlichster Sorgfalt vor der geringsten Einträufelung
des Weltgeistes rein zu bewahren.
Diese wahrhaft katholische Nüchternheit des Denkens und Lebens hat Klara Moes nach
dem Urteil der Prüfungskommission von Maredsous in hohem Maße besessen. Gerade deshalb
aber die Frage stellen: Ist die Person nicht psychopatisch zu beurteilen? wäre eben
nur eine Lästerung gegen das katholische Denken und Leben, und gegen den Heiligen
Geist, der es zu dieser Nüchternheit anhält. Mit Recht hat also die Kommission von
Maredsous, nachdem sie den echt kirchlichen Geist der Klara Moes festgestellt hat,
es gänzlich vermieden, die Frage zu stellen, ob die Trägerin jener echt kirchlichen
Gesinnung nicht etwa der Verrücktheit oder der Hysterie verfallen gewesen sei.
Der Kritiker aber, der von einer Klara Moes und den übrigen Begnadigten eine ganz
verkehrte, rationalistische Nüchternheit verlangt, und die wahrhaft katholische
in einem antikatholischem Blatt zum Spott und Hohn der Un- und Irrgläubigen als
Ausgeburt der Verrücktheit behandelt, besitzt selber von der katholischen Nüchternheit
auch nicht die Spur. Vom Standpunkt des Glaubens und der Theologie muß sein Vorgehen
als durchaus unbesonnen, pietätlos und skandalös bezeichnet werden.
Daß ein Mann von dieser Gesinnung auch zu den Gegnern
von Schippach gehört, ist nicht anders zu erwarten. Er hat sich denn auch im Aprilheft
1916 der Zeitschrift ,,Theologie und Glaube" an der Sache von Schippach vergriffen.
Natürlich ganz im Sinne Branders. In Beiden hat der Geist, welchen Zahn in die Behandlung
mystischer Fragen einzuführen sich bemühte, Schule gemacht. Es ist der Geist, der
die gesamte Mystik zu einem pathologischen Problem macht.
Zu einem solchen Problem auch die Sache von Schippach
zu stempeln, ist der ausgesprochene Zweck des Brander-Zahn-Ludwig'schen Feldzugs.
Gegenüber der Gefahr, welche eine solche Tendenz in sich birgt, halten wir es im
Interesse des katholischen Glaubens und Lebens und im Interesse der katholischen
Theologie gelegen, auch das Problem von Schippach wieder der kirchlichen Theologie
und der traditionellen Mystik der Kirche in Behandlung zu geben. Und eben deshalb
empfehlen wir für die Beurteilung von Schippach die Methode von Maredsous.
Inhaltsverzeichnis
VII. Liegt eine
krankhafte Phantasie vor ?
Bieten die Aufzeichnungen über die Visionen und
visionären Aussprüche von Barbara Weigand aus Schippach Anzeichen, welche die Theologen
zur Annahme bestimmen müßten, Barbara Weigand sei im ganzen Zusammenhang jener Angelegenheit
vom bösen Feinde oder einer eigenen krankhaften Phantasie getäuscht?
Es gilt hier vor allem den Begriff der ,,Täuschung
im ganzen Zusammenhang jener Angelegenheit" festzulegen. Unter dem ganzen Zusammenhang
jener Angelegenheit ist zu verstehen
1. der ganze innere und äußere Zusammenhang jener
Schriften unter sich,
2. der Zusammenhang jener Schriften mit der Person
der Barbara Weigand,
3. der Zusammenhang jener Schriften mit dem Zweck,
den Barbara Weigand erstrebt, d.h. mit der Gründung des eucharistischen Liebesbundes
und der Erbauung der Sakramentskirche von Schippach.
Es fragt sich also, ob Barbara Weigand in diesem dreifachen Zusammenhang einer teuflischen
oder sonstigen Täuschung unterlegen ist.
Zunächst ergibt sich also die Frage: Bieten die
Schippacher Schriften Anzeichen, welche die Theologen zu der Annahme bestimmen könnten,
Barbara Weigand sei im ganzen Zusammenhang, in welchem jene Schriften unter sich
stehen, getäuscht worden?
Hier erwächst vor allem die Aufgabe, die Schippacher
Schriften als Ganzes zu betrachten und zu beurteilen. Welches ist die Gesamttendenz
des ganzen Komplexes dieser Schriften? Entspricht dieselbe der Glaubens- und Sittenlehre
der Kirche? Wird diese Gesamttendenz in den einzelnen Schriften so konstant festgehalten
und kommt sie in denselben derart zum Ausdruck, daß diese Schriften geeignet sind,
Erbauung und Nutzen zu stiften? Vermag diese Gesamttendenz insbesondere die in den
Schriften enthaltenen einzelnen dunkeln, schwierigen, mißverständlichen, irrigen
Stellen derart zu paralysieren, daß trotz dieser Stellen die Gesamtwirkung der Schippacher
Schriften diejenige der Erbauung und des geistlichen Nutzens bleibt?
Oder aber: Ist eine der katholischen Glaubens-
und Sittenlehre entsprechende geistliche Gesamttendenz in den bewußten Schriften
überhaupt nicht vorhanden? Bilden diese Schriften nur eine willkürliche Zusammenwürfelung
voneinander widersprechenden pseudoreligiösen Wahnvorstellungen und aftermystischen
Halluzinationen? Oder ist doch eine Gesamttendenz darin wahrzunehmen, aber eine
dem ganzen Sinn und Ausdruck nach derart häretische, daß die vorhandenen korrekten
Partien dieser Schriften von der häretischen Gesamttendenz der letzteren ganz verschlungen
und nur zu Trägern und Hilfsmitteln des häretischen Giftstoffes gemacht werden?
Diese Fragen dürfen nur auf Grund einer der theologischen
Bescheidenheit und Pietät entsprechenden Prüfung des Gesamtinhaltes der Schippacher
Schriften beantwortet werden. Insbesondere ist dabei die Forderung einer maßvollen
und möglichst rechtfertigenden Auslegung schwieriger Stellen zu erfüllen. Alle aber,
die sich vor Gott das Zeugnis geben können, daß sie die Schippacher Schriften in
diesem Geiste gelesen und geprüft haben, fragen wir, ob sich bezüglich der Gesamttendenz
der Schippacher Schriften nicht folgendes nachweisen läßt.
Die Aufzeichnungen über die Visionen der Seherin
von Schippach weisen deutlich eine bestimmte religiöse Gesamttendenz auf. Letztere
hat zum Gegenstand eine allseitige Erneuerung des praktischen katholischen Lebens
durch Förderung der übernatürlichen Gesinnung, der Liebe zur Kirche und der Treue
zum Papste; also eine Erneuerung des katholischen Lebens in seinen supranaturalen,
klerikalen und ultramontanen Elementen. Diese Gesamttendenz entspricht durchaus
der katholischen Glaubens- und Sittenlehre. Sie wird zugleich durch den ganzen Zusammenhang
der Schriften hindurch so konstant festgehalten und so klar und entschieden zum
Ausdruck gebracht, daß die nach einer pia et modesta interpredatio noch etwa verbleibenden
tatsächlichen Irrtümer nicht den Grund zur Annahme hartnäckiger Häresie bilden können,
vielmehr gerade durch die Gesamttendenz einer aufrichtigen Unterwerfung Barbaras
unter die Autorität der Kirche und des Papstes als im vorhinein berichtigt und ausgetilgt
gelten müssen; und überhaupt verschwinden die angeblichen und wirklichen Mängel
unter dem mächtigen Eindruck der Gesamttendenz dieser Schriften derart, daß sie
Jahrzehnte hindurch der frommen Leserschar aus Geistlichen- und Laienkreisen kaum
auffielen, auch für die ursprüngliche Approbation des eucharistischen Liebesbundes
und des Baues der Sakramentskirche kein Hindernis bildeten, sondern erst nach der
journalistischen und literarischen Ausschlachtung durch Brander Beachtung fanden.
Durch ihre entschiedene Betonung der supranaturalen, klerikalen und ultramontanen
Wesenselemente des praktischen katholischen Lebens bieten aber die Weigand'schen
Schriften ihrer Gesamttendenz nach ein wertvolles Gegengewicht gegen den Zeitgeist,
der gerade durch die gegenteiligen Bestrebungen, durch Einträufelung des Naturalismus,
durch Entklerikalisierung und Entultramontanisierung, das katholische Leben zu schwächen
sucht; und insofern vermögen die Schippacher Schriften in hohem Maße der wahren
Erbauung und dem wahren Nutzen der Seelen zu dienen.
Über diese Gesamttendenz der Schippacher Schriften
kann der Leser derselben schon darum nicht im Zweifel sein, weil dieselbe in den
Schriften selber festgestellt, formuliert und in fast gleichlautender Formel oft
wiederholt wird. So läßt Barbara den Heiland am Vigiltag von Christi Himmelfahrt
1898 sagen: ,,Siehe, alles, was ich in dir wirke, hat nur einen Zweck, und der ist,
daß ich das Leben meiner Kirche wieder erneuern will. Da so viele abgewichen sind
und mich hinausgeworfen haben aus ihrem Herzen, tut es sehr not, einen lebendigen
Glauben zu haben in sich, und diesen Glauben durch gute Werke zu betätigen. Wie
geht dies aber anders als nur dann, wenn der Christ sich wieder eng anschließt an
das Leben meiner Kirche, d.h. an mich selbst, der ich unter euch wohne im allerheiligsten
Sakrament." Ebenso am Feste Pauli Bekehrung 1900: ,,Es gibt doch noch viele gute
Christen, die sich zur Aufgabe gesetzt haben, das Reich Jesu Christi wieder herzustellen,
all ihr Sein und Leben einzusetzen, um die Christen wieder zurückzuführen zum guten
alten Glauben, indem sie überall das eucharistische Leben anfachen. Durch den öfteren
Empfang der hl. Kommunion wird neues Leben in die Christenheit eingegossen werden.
Ein neues Leben wird wieder beginnen... Die ganze Welt muß erneuert werden, dadurch,
daß zuerst die Kirche erneuert wird, aber das kann nur geschehen auf dem Wege, den
ich (Jesus) selbst gegangen bin; der Weg führt durch Verachtung, Spott und Hohn
hindurch. Den Großen, Mächtigen und Reichen muß man gegenüberstehen, wie ein Paulus;
immer und immer ihnen wieder sagen, daß ein anderer Wind wehen, eine andere Richtung
eingeschlagen werden muß, wenn die Throne feststehen sollen; man muß wieder mit
der katholischen Kirche in Einklang kommen - tun sie es nicht, spotten und höhnen
sie darüber, so werdet ihr es sehen und erleben, daß solche Throne in Trümmer gehen.
Aber wenn ihr tut, wie mein Apostel getan, wenn ihr ihm nachfolgt in der Arbeit
für die Wiederherstellung des Reiches Jesu Christi, so können die Tage der Prüfung
abgekürzt und die Strafgerichte gemildert werden... Durch die Kirche möchte ich
der Welt den Frieden geben."
Immer aufs neue betonen die Schriften, daß diese übernatürliche Erneuerung nur im
engsten Anschluß an die Kirche erfolgen kann. Am Gründonnerstag 1898 mahnt darum
der Heiland: ,,Schließt euch an die Kirche an, und nicht um ein Haar breit weichet
von ihr ab." Ebenso am Fronleichnamfeste 1897: ,,Niemals kann eine Seele, die sich
lostrennt von der Kirche, die nicht unter der Leitung des Priesters wandelt, den
rechten Weg wandeln. Sie wandelt den Weg der Eigenliebe und des Hochmutes." Oder
am 2. Freitag im Oktober 1897: ,,Der Gehorsam geht über alles bei einer Seele, die
mit meinem (Mariens) Sohn verbunden ist. Diese ist dem Gehorsam unterworfen und
soll nur gehorsam sein ihren sichtbaren Vorgesetzten. Dies ist das sicherste Zeichen,
daß sie nicht irre geht."
Wie von diesen scharf klerikalen, kirchlichen Richtlinien wird die Gesamttendenz
der Schippacher Schriften auch von bestimmt ultramontanem Geiste beherrscht. Wie
die Erneuerung des religiösen Lebens nur darum eine wahrhaft übernatürliche ist,
weil sie eine kirchliche ist, so ist sie nur darum eine wahrhaft kirchliche, weil
sie im Papst ihre höchste Norm besitzt. Der Papst als Prinzip des übernatürlichen,
kirchlichen Lebens: dieser so durchaus und spezifisch katholische Gedanke bildet
den Glanzpunkt der Weigand'schen Schriften. Er kommt in einem Gesichte von wahrhaft
majestätischer Würde zum Ausdruck. Es wird der Ekstatischen der Papst Leo XIII.
gezeigt, der hoch auf einem Berge thronend den Stuhl Petri einnimmt; da sieht sie
nun vom Papste den Glanz eines neuen Lichtes ausgehen, das die ganze Welt überstrahlt
und alles durchdringt, sodaß ihm nichts widerstehen kann. Zugleich empfängt sie
die Erleuchtung, daß hierunter dem erhabenen Bilde des Stuhles Petri und seines
alles durchdringenden Lichtglanzes die Macht der katholischen Kirche gezeigt werde,
der Kirche, die auf den Gipfel des Berges erhöht werden soll, damit sie von allem
Volke gesehen werde. Am 4. Freitag im August 1899 wird sie an dieses bereits viele
Jahre vorher empfangene Gesicht erinnert; und ihm entspricht wiederum, wenn in der
Ekstase vom 7. September 1899 das Werk der Welterneuerung in engste Verbindung mit
dem Papste gebracht wird. Dort vernimmt Barbara die Worte der Mutter Gottes: ,,Ein
neuer Geist soll erstehen unter der Christenheit. Der Stellvertreter meines Sohnes,
der Hl. Vater in Rom, hat alles aufgeboten, um diesen Geist zu schaffen. Er ist
derjenige, der Licht bringen soll in das Menschenleben."
Diese Grundtendenz des Ganzen wird aber in den
Schriften nicht bloß hier und da ausdrücklich hervorgehoben, sondern durch den ganzen
Inhalt folgerichtig und zielbewußt zur Anwendung gebracht. Der Plan einer Erneuerung
des katholischen Lebens durch Anschluß an Kirche und Papst erscheint wohlbegründet:
in der Voraussicht einer durch eine gewisse Neuerungssucht hervorgerufenen Zersplitterung
der Geister im katholischen Lager, welche auch die Gegner der Kirche ermutigt und
einen gewaltigen Sturm über die Kirche hereinbrechen läßt. Daher nichts zweckentsprechender
als die Winke, Belehrungen und Ermahnungen zur Erneuerung des übernatürlichen, kirchlichen,
treupäpstlichen Geistes, wie sie die Schippacher Schriften bieten. Dem allen dienen
die ständigen Aufforderungen zum Gebet, zu Opfer und Sühne, zur öfteren Kommunion,
zur Hochhaltung des jungfräulichen Standes, zum Anschluß an Priester, Bischöfe und
Papst, zum mutigen Bekenntnis des Glaubens; insbesondere auch die Aufforderungen
an den Klerus, von der ihm übertragenen Gewalt und Autorität mutig Gebrauch zu machen
und furchtlos den Mächtigen der Erde gegenüberzutreten in Verteidigung der Wahrheit,
der Rechte und der Freiheit der Kirche. Für letzteres diene als Beispiel das am
2. Freitag im Dezember 1895 dem Heiland in den Mund gelegte Wort: ,,O ihr Diener
meiner Kirche, höret die Stimme eures Meisters, fürchtet nicht diejenigen, die euch
gegenüberstehen.
Denn wisset, daß die Gewalt, die euch gegeben,
kein Mensch auf der ganzen Erde hat, auch nicht die mächtigsten; darum sollt ihr
ihnen frei entgegentreten, und wenn sie eure Stimme nicht hören, will ich an dem
Felsen Petri ihr Haupt zerschmettern und auf den Trümmern ihrer Throne meine Kirche
aufblühen lassen. Siegreich wird meine Kirche hervorgehen aus allen Kämpfen, die
man ihr bereitet; denn von Süden bis Norden, und von Westen bis Osten will ich meine
Kirche ausbreiten; ehe aber dies geschieht, wird ein großes Blutbad die Erde tränken
und ein Wehegeschrei wird die ganze Welt erfüllen, wenn sie sich nicht bekehren."
In dieser ihrer konstant entwickelten Gesamttendenz
erscheint die Wirksamkeit der Schippacher Schriften deutlich als bewußte und durchaus
zweckdienliche Gegenaktion gegen den modernen Irr- und Unglauben, insbesondere gegen
den Liberalismus und Sozialismus, und vor allem gegen eine gewisse Neuerungssucht
unter den Katholiken, welche Barbara Weigand unter der Bezeichnung ,,Neukatholizismus"
bekämpft. Sie sieht in letzterem eine Richtung, welche die Welt durch Konzessionen
an den Zeitgeist zu gewinnen sucht, dabei aber dem Feinde soweit Tür und Tor öffnet,
daß sogar Wahrheiten, wie die Ewigkeit der Höllenstrafen, in Zweifel gezogen werden
(20. Okt. 1900). Diesen Neukatholizismus erblickt sie auch in dem Bestreben, die
historische Wahrheit des wunderbaren Lebens und Wirkens der Heiligen anzuzweifeln
(26. Dez. 1899), und besonders in der zum großen Ärgernis des gläubigen Volkes in
öffentlichen Blättern geübten Kritik an Begnadigten und deren Visionen (29. Okt.
1899). Sie findet in dem Neukatholizismus ein Vergessen der großen Wahrheit, daß
die Kirche nur mit übernatürlichen Waffen, hauptsächlich mit dem Gebete siegen kann,
und ein zu großes Vertrauen auf weltliche, natürliche Hilfsmittel (27. Dez. 1901).
Sie vernimmt, daß dieser verkehrte, neologische, naturalistische Geist in Amerika
und in Deutschland die Katholiken bedroht (Amerikanismus und Modernismus). Besonders
apostrophiert sie einen Priester in Bayern, der an der Hochschule mit diesem Geiste
seine Schüler vergifte und ihn durch seine Schriften in ganz Deutschland verbreite
(20. Okt. 1900). An anderer Stelle nennt sie in diesem Zusammenhang Würzburg. Es
ist ganz offenbar, daß der Modernismus Schell'scher Richtung gemeint ist.
Barbara Weigand unternimmt es jedoch nicht, diese
Strömungen des Zeitgeistes etwa mit irgend welchen der Wissenschaft abgelauschten
Worten zu bekämpfen. Ihre Gesichte decken schlicht, aber mit beachtenswerter Treffsicherheit,
die Gefahren auf, welche dieser Neukatholizismus für das katholische Leben bietet.
Und niemand wird leugnen wollen, daß die Gegenmittel, welche Barbaras Visionen empfehlen,
nicht ganz und gar einer wahrhaft erleuchteten kirchlichen Kampfestheorie entsprechen.
Die Gesamttendenz der Weigand'schen Visionen
ist also vollkommen klar: Erneuerung des katholischen Lebens durch Stärkung der
übernatürlichen, kirchlichen, päpstlichen Gesinnung zum Kampfe gegen den modernistischen
Zeitgeist.
Nun stelle man dieser Gesamttendenz alle die
wirklichen oder vermeintlichen Mängel gegenüber, wie sie etwa Brander in den besagten
Schriften finden will. Vermag irgend einer derselben oder, vermögen sie alle zusammengenommen
an der festgestellten Gesamttendenz irgend etwas zu ändern? Mitnichten. Wie ein
edler Fruchtbaum an seinem Stamme mit manchen Runzeln bedeckt, von allerhand Auswüchsen
hier und da besetzt, in seinem Gezweig manches dürre Ästchen, manches vergilbte
Blatt, manch taube Frucht tragen mag, während der gesunde Wuchs seines Stammes,
der Reichtum seines grünen Blattschmuckes und die Fülle seiner prangenden Edelfrüchte
allen Mißwachs vollkommen verschwinden läßt, so tun auch die Fehler und Mängel der
Schippacher Schriften der überragenden herrlichen Gesamttendenz und Gesamtwirkung
keinen wesentlichen Eintrag.
Der edle Stamm dieser Schriften trägt vielmehr
ein Leben in sich, das wie alles gesunde organische Leben, alle etwa eingeschlichenen
kranken Stoffe von selber ausscheidet. Nicht umsonst ruhen die Wurzeln dieses Stammes
in dem Felsen Petri; nicht umsonst greift seine Blätterkrone hinaus in die reine
Atmosphäre des kirchlichen Geistes. Aus diesem Boden und aus dieser Atmosphäre empfängt
der Stamm des Weigand'schen Werkes jenes gesunde katholische Leben, das von selbst
gegen jede ihm fremden Stoffe reagiert, die sich etwa eingeschlichen haben. Die
aktive Unfehlbarkeit des Papstes und der Kirche wirkt die passive Unfehlbarkeit
aller derer, die sich dem Papst und der Kirche treu anschließen. Wer auf dem Felsen
Petri steht, d.h. auf einem Boden der Kirche, kann sich wohl momentan irren, er
kann aber nicht hartnäckig im Irrtum verharren. Nur der hartnäckig am Irrtum Festhaltende
ist dem irr- und ungläubigen Lügengeiste der Höllenpforten verfallen: Diese Pforten
der Hölle aber werden niemals die auf dem Felsen Petri gebaute Kirche überwältigen
und darum auch alle diejenigen nicht, welche sich in dieser Kirche an den Felsen
Petri anklammern. Letzteres tut aber Barbara Weigand in dem ganzen Zusammenhang
ihrer Schriften. Also ist es unmöglich, daß sie im ganzen Zusammenhang ihrer Schriften
vom bösen Feinde getäuscht worden sei.
Indem wir aussprechen, daß hierfür die Theologen
in den Weigand'schen Schriften die deutlichsten Anzeichen finden können, vermeiden
wir jedoch sorgfältig ein Urteil abgeben zu wollen. Die Frage, ob diese Schriften
im großen und ganzen oder auch nur in einzelnen Teilen auf außerordentlicher Eingebung
beruhen, oder ob sie auf gewöhnliche Weise zustande gekommen sind, überlassen wir
gänzlich dem Urteile des Apostolischen Stuhles, der sich nach den Dekreten Urbans
VIII. die Entscheidung solcher Fragen vorbehalten hat. Uns genügt es, deutliche
Anzeichen gefunden zu haben, welche die Theologen zu der Annahme bestimmen müssen,
daß Barbara Weigand im ganzen Zusammenhang mit ihren Schriften nicht vom bösen Feinde
getäuscht worden ist. Denn mehr als die menschlichen Irrtümer fesselten uns bei
der Lektüre der Weigand'schen Schriften die Herrlichkeiten katholischer Wahrheit
und Gnade, welche diese Schriften unverkennbar in sich tragen und kundtun, und zwar
derart, daß es doch nur ein von dem hoffärtigen Weltgeiste sehr getrübtes Auge sein
muß, welches unter der schlichten Hülle, unter den oft eckigen Worten und schlecht
gefügten Sätzen Barbaras nicht den Geist des Herrn gewahrt, der eben weht, wo er
will.
Voll Kraft erhebt dieser Geist des Herrn in jenen
Schriften als Geist vom Felsen Petri, als Geist der echten Kirchlichkeit, als Geist
des wahren übernatürlichen Lebens seine Schwingen. Wie brausender Orgeltton und
voller Glockenklang aus der Heimat der katholischen Seele muten diese so ganz ultramontan
gesehenen Visionen, die rückhaltlos klerikal geprägten Anmutungen, diese ganz und
gar der übernatürlichen Ordnung entprechenden Lebensregeln an. Was verschlägt es,
daß dabei ein Gedanke theologisch vielleicht nicht ganz korrekt zum Ausdruck kommt,
daß eine Bibelstelle nicht richtig zitiert wird, daß das brennende Feuer der Gottes-
und Nächstenliebe in Worten lodert, die unserem veralteten Sinne fremd geworden
sind. Wer so, wie die Seherin von Schippach mit beiden Füßen auf dem Felsen Petri
steht, wer so wie sie mit allen seinen Gedanken und Strebungen im Herzen der Kirche
wurzelt und lebt, der kann, wie gesagt, wohl momentan irren, aber er verirrt sich
nicht und führt noch weniger andere in Irrtum. Denn sein Lebensschiff besitzt den
Kompaß, der jede Abweichung vom rechten Kurs alsbald korrigiert, er hält sich an
die so viel verhöhnte katholische Elle, welche auch die kleinste Ungenauigkeit im
Denken und Leben sofort erkennen läßt und alles auf das rechte katholische Maß zurückführt.
Inhaltsverzeichnis
VIII. Trägerin
von Privatoffenbarungen
Wir haben nicht bloß den inneren Zusammenhang
der Schippacher Schriften unter sich, sondern auch den Zusammenhang der ganzen Angelegenheit
zu prüfen; und darum ist - gemäß dem zweiten Punkte unserer ersten Hauptfrage -
auch der äußere Zusammenhang jener Schriften mit der Person ihrer geistigen Urheberin
ins Auge zu fassen. Denn wenn auch, wie wir zuletzt gesehen, die bewußten Schriften
keine Anzeichen einer Täuschung der Barbara Weigand bieten, so wäre es immerhin
möglich, daß doch in der Person von Barbara Weigand solche Anzeichen vorhanden wären.
Es könnte vielleicht zutreffen, daß Barbara eine Person wäre, die ihrer Gesamttendenz
nach aussprechen, gar nicht in Betracht gezogen werden dürfte.
Trifft dies indessen wirklich zu? Liegen Anzeichen vor, welche die Theologen zur
Annahme bestimmen müßten, daß Barbara Weigand im ganzen Zusammenhang jener Schriften
mit ihrer Person, d.h. über die Berufung ihrer Person zur Verkündigung einer Erneuerung
des katholischen Lebens, vom bösen Feinde getäuscht worden sei?
Ausdrücklich betonen wir wiederum, daß wir auch hier die Frage nach einem tatsächlich
vorliegenden visionären oder Prophetenberuf der Jungfrau Barbara unberührt lassen.
Unsere Frage ist vielmehr die, ob Gott, ganz abgesehen von einer außerordentlichen
Berufung, in der gewöhnlichen Ordnung seiner Vorsehung eine Person von der Art Barbara
Weigands zur Erfüllung einer so bedeutenden Aufgabe wohl berufen haben dürfte.
Fassen wir die Persönlichkeit der Jungfrau von Schippach näher ins Auge. Aus sehr
achtbarer, gut katholischer Familie des etwas abgelegenen Spessartdörfchens Schippach
stammend, von guten Anlagen des Geistes und Herzens, ländlich einfach erzogen, mit
guter Volksschulbildung gehört Barbara ihrer religiösen Gesinnung nach zu jenen
Personen, die nach den Worten des hl. Paulus pie vivere volunt, d.h. bestrebt sind,
ein frommes Leben zu führen: Ihre Seelsorger behaupten, daß dieses ihr Streben die
Zeichen wahrer und erprobter Tugend an sich trage. In diesem Streben verließ Barbara
als junges Mädchen ihr Heimatdorf, in welchem sie ihren Wunsch nach öfterem Empfange
der hl. Kommunion nur schwer erfüllen konnte, um in der Stadt Mainz, wo ihr die
öftere Kommunion eher möglich war, bei Verwandten, die eine kleine aber sehr anständige
Gastwirtschaft führten, in Dienst zu treten. Hauptsächlich während der seit dieser
ihrer bescheidenen Dienstbotenstellung glaubt sie den göttlichen Ruf zur Erfüllung
der oben genannten Aufgabe zu vernehmen.
Offenbar ist also Barbara Weigand eine jener, einfachen, frommen Seelen, von welchen
die Welt und die in deren Geist Gebildeten, die Männer moderner Wissenschaft, die
führenden Persönlichkeiten der Zeitgeiströmungen und die Aufpeitscher der öffentlichen
Meinung sich wenig beeinflussen lassen. Der Kurswert des Ansehens solcher frommer
Personen steht gerade auch in den von dem Zeitgeist berührten Kreisen im katholischen
Lager heute nicht hoch. Und doch will in unserem Falle eine dieser verkannten Personen
eben auf die genannten Kreise Einfluß gewinnen. Noch mehr, diese einfache Dienstmagd
richtet den Aufruf zu einer katholischen Welterneuerung selbst an die Mächtigen
der Erde, die Fürsten, an die Führer im Gebiet der Politik und des sozialen Lebens,
ja sogar an die kirchliche Autorität, an Priester, Bischöfe und Papst. Rein natürlich
betrachtet scheint da doch eine kaum überbrückbare Kluft zwischen der Niedrigkeit
der rufenden Stimme und der Erhabenheit und Schwierigkeit ihrer Aufgabe zu stehen.
Es hat denn auch an solchen nicht gefehlt, welche auf diese Kluft nachdrücklich
aufmerksam machten und in ihr ein sprechendes Anzeichen dafür finden wollten, daß
Barbara Weigand über ihren reformatorischen Beruf sich einer bedeutenden Selbsttäuschung
hingebe. Das Auge des Glaubens und das der Theologie muß jedoch eine solche Sache
im übernatürlichen Lichte betrachten. Und da ergeben sich über die niedrigen Gefäße
göttlicher Auserwählung wesentlich andere Urteile. ,,Um zu wissen," sagt der katholische
Staatsmannn Donoso Cortes, ,,was ich glauben soll, blicke ich nicht auf die Philosophen,
sondern auf die Lehrer der Kirche; ich frage nicht die Weisen, sie könnten mir nicht
antworten; ich frage vielmehr fromme Frauen und Kinder, zwei Gefäße des Segens,
weil das eine gereinigt durch Tränen, und das andere noch mit dem Dufte der Unschuld
umgeben ist."
,,Für mich," betont derselbe an anderer Stelle, ,,ist im Leben der Heiligen und
besonders der Väter der Wüste ein Umstand der merkwürdigste, der, wie ich glaube,
noch nicht gehörig gewürdigt wurde. Der Mensch, welcher gewohnt ist, mit Gott zu
verkehren und sich in göttlichen Betrachtungen zu üben, übertrifft, wenn sonst alle
Umstände gleich sind, alle übrigen entweder durch die Intelligenz und Stärke seiner
Vernunft, oder durch die Sicherheit seines Urteils, oder durch seinen durchdringenden,
scharfsinnigen Geist; aber überdies kenne ich keinen, der sich nicht vor den anderen
durch jenen praktischen und weisen Sinn auszeichnet, den man den gesunden Menschenverstand
heißt. Würde das Menschengeschlecht nicht alles meistens von verkehrter Seite ansehen,
es müßten unter allen Menschen die Männer der Gotteswissenschaft zu seinen Räten
wählen, unter ihnen die Mystiker, und unter diesen die, die von der Welt und ihrem
Treiben am zurückgezogensten leben. Unter den Personen, die ich kenne, und ich kenne
deren viele, sind jene, die ein kontemplatives und zurückgezogenes Leben führten,
die einzigen, in denen ich einen unverwüstlichen gesunden Verstand, einen wahrhaften
Scharfsinn und eine wundervolle Fähigkeit erkannt habe, um den schwersten Problemen
praktische und verständige Lösungen zu geben, und stets in den schwierigsten Angelegenheiten
eine Ausflucht oder einen Ausweg zu finden; dagegen traf ich noch keinen jener vorgenannten
Geschäftsmänner an, welche die geistlichen Betrachtungen und die göttlichen Kontemplationen
verachten, der irgend eine Angelegenheit gehörig anzugreifen wüßte. Zu dieser sehr
zahlreichen Klasse gehören jene, welche die übrigen zu täuschen versuchen und sich
selber zuerst täuschen."
Die wunderbare Demut vollkommener Glaubensgesinnung,
mit welcher ein Riesengeist wie Donoso Cortes sich in diesen Worten vor den aus
dem höheren Gebete gewonnenen Verstandeskräften der in Zurückgezogenheit lebenden
frommen Seelen verbeugt, ist unserer Zeit vielfach fremd geworden. Letztere glaubt
fast nur noch an die auf dem Wege natürlicher Geistesdressur gewonnenen Kräfte des
Intellektes. Schell und seine Würzburger Modernistenschule verkünden die Irrlehre:
,,Ohne planmäßige wissenschaftliche Arbeit gibt es für den Menschen keinen Wahrheitsbesitz."
Das ist die hochfahrende Leugnung all jener Wahrheitserkenntnis und wahren Geistesbildung;
die auch auf nicht spezifisch wissenschaftlichem Wege errungen werden kann, vor
allem auch auf dem Wege der einfachen Glaubenserkenntnis, und nicht selten in jenem
Schauen, welches der Heilige Geist verleiht, der da weht, wo er will. Der Geistes-
und Wissensstolz unserer Tage dürfte wohl eine der Hauptursachen sein, welche die
öffentliche Meinung zu der Annahme verleitet, daß die nicht wissenschaftliche Geistesbildung
kontemplativer Seelen von der Art einer Barbara Weigand der Welt nichts zu bieten
vermöge. Dieser Geistesstolz der Geschäftsmänner moderner Wissenschaft, der sich
und andere so gründlich täuscht, ist es, der die unter der Niedrigkeit und Zurückgezogenheit
verborgenen wundervollen Fähigkeiten kontemplativer Naturen, ihren gesunden und
praktischen Verstand, ihren wahren Scharfsinn und ihr sicheres Urteil betreffs der
geistlichen und weltlichen Dinge verkennt, und in ihnen nur Täuschungen vermutet.
Die wahre, und darum demütige und bescheidene
Wissenschaft aber, und besonders die Glaubenswissenschaft oder Theologie stellt
sich in der Bewertung des im Gewande der Schwäche und Niedrigkeit wandelnder Kontemplation
ganz auf den Standpunkt von Donoso Cortes. Der hl. Thomas von Aquin weist nach,
daß es durchaus angemessen ist, wenn Gott die Gabe himmlischer Erleuchtung öfter
Ungebildeten als gebildeten und öfter Frauen als Männern verleiht, und einen Hauptgrund
dafür findet er darin, daß bei Ungebildeten und bei Frauen im allgemeinen mehr Demut
und darum auch mehr Gnade zu finden sei als bei Gebildeten und Männern.
Es mag also die persönliche Note der Schippacher
Schriften auf ein nur bescheidenes Niveau allgemeiner Bildung hinweisen; es mag
ihre Sprache nicht bloß der feinen Politur und manchmal der Urbanität entbehren,
sondern auch in ungeschickten, mißverständlichen und verkehrten Ausdrücken reden;
es mag das ganze Milieu von Menschen und Verhältnissen, in dem sie entstanden und
dem sie angepaßt sind, nur die Welt des Alltags, der breiten Schichten des Volkes
sein; es mag die Welt in diesen Schriften gemalt sein, wie sie sich eben aus im
Geiste einer einfachen Dienstmagd malt: das alles hindert nicht, daß die Urheberin
dieser Schriften wirklich von Gott mit der großen Aufgabe betraut sein könnte, welche
sie in ihren Schriften angibt.
Ja, es will uns bedünken, daß die göttliche Vorsehung
in den Tagen des geistesstolzen Modernismus zur Ausführung ihres Welterneuerungsplanes
kaum eines geigneteren Werkzeuges sich bedienen könnte, als gerade einer aller höheren
Bildung entbehrenden Magd des Herrn. Als in ähnlichen Zeitläufen die hl. Katharina
von Siena den Herrn einst fragte; warum er gerade sie, eine unnütze und gebrechliche
Jungfrau, mit einer erhabenen und schwierigen Mission betraue, da antwortete Jesus:
,,Wisse, meine Tochter, heutzutage hat der Stolz in der Welt, besonders bei jenen,
die sich für gelehrt und weise halten, so überhand genommen, daß meine Gerechtigkeit
sie nicht mehr ertragen kann. Weil aber meine Barmherzigkeit über alle meine Werke
geht, so habe ich für ein Mittel gesorgt, das ihnen Rettung bringt, wenn sie es
demütig annehmen. Das eigentliche Heil- und Strafmittel des Stolzes ist die Beschämung
und die Verdemütigung; und darum will Ich, daß diese, die in ihren Augen weise sind,
gedemütigt und beschämt werden, wenn sie sehen, wie schwache Geschöpfe, gebrechliche
Jungfrauen ohne alle natürlich erworbene Wissenschaft, ohne Welterfahrung, ohne
alles Studium, ohne alles menschliche Zutun, einzig und allein mit der vom Geber
aller guten Gaben eingegossenen Weisheit begabt, meine Lehre und die wahre Wissenschaft
der Heiligen erfassen, die verborgenen Geheimnisse meines Vaters kennen, durch die
Kraft des Wortes und das Beispiel des Lebens meine Lehre in der Welt verbreiten,
und dieselbe durch Zeichen und Wunder bekräftigen. Ich werde jetzt tun, wie Ich
getan habe, als Ich auf Erden weilte; damals habe Ich ungebildete Männer gesendet,
Fischer ohne Gelehrsamkeit, aber voll der Wissenschaft und Kraft des heiligen Geistes.
Ebenso will Ich dich und andere unwissende Frauen und ungelehrte Männer zur Beschämung
jener Stolzen senden; wenn sie diese Beschämung annehmen sich verdemütigen und bekennen,
daß Mein ist die Weisheit und Mein alle Kraft, wenn sie Meine, durch schwache und
gebrechliche Werkzeuge verbreitete Lehre mit Ehrfurcht annehmen, dann werden sie
die Fülle meiner Erbarmung zu verkosten bekommen, und jene Beschämung wird ihnen
ein Heilmittel sein zur Rettung. Werden sie aber trotz dieser Beschämung in ihrem
gewohnten Stolze verharren und meinen Namen nicht bekennen, sondern fortfahren,
Mich in Meinen Dienern zu verachten, indem sie diese verachten, dann sollen sie
wissen, daß Ich in meiner Gerechtigkeit geschworen habe, so viele Beschämungen über
sie zu bringen, daß sie von allen Geschöpfen mit Füßen getreten und verachtet werden.
Und wenn sie ewig in ihrem Stolze verharren, werden sie, auch ewige Schande als
Strafe erdulden; in der Bitterkeit ihres Herzens und in fruchtloser Reue werden
sie sich dann in demselben Grade sogar unter sich selbst erniedrigt sehen, als sie
zuvor bestrebt waren, sich über sich selbst zu erheben."
Der Modernismus hat sich bis jetzt in seinem
Stolze über alles, was übernatürliche Autorität ist auf Erden, erhoben. Auch über
die Stimme des höchsten Lehrers und Gesetzgebers in der Kirche hat er sich freventlich
hinweggesetzt. Noch immer schleicht diese verderbliche Pest in der Kirche Gottes
heimlich weiter, wie der Hl. Vater Benedikt XV. in seiner ersten Enzyklika betonte.
Was könnte der göttlichen Weisheit und Barmherzigkeit angemessener erscheinen, als
daß sie dem verstockten Hochmut des Modernismus gegenüber nun das letzte und eigentliche
Heil- und Strafmittel des Stolzes, die Beschämung, anwendete? Der Modernismus gedachte
das katholische Leben zu erneuern, zu modernisieren im Geiste des Naturalismus,
der Entklerikalisierung, der Entultramontanisierung. Welche gründlichere Beschämung
könnte ihm zu teil werden, als die Irrgänge und Gefahren dieser seiner Bestrebungen
durch eine ganz ungebildete, ungelehrte Person erkannt, aufgedeckt und nicht durch
den Apparat der Wissenschaft, sondern einzig durch die Kraft des einfachen Glaubens
siegreich bekämpft zu sehen? Welche Beschämung für den Modernismus, das Werk der
Welterneuerung, mit dem er sich brüstete, in einem ganz anderen und wahrhaft katholischen
Sinn durchgeführt zu sehen vermittelst einer jener frommen demütigen Seelen, die
er selber mit seinem Hohn und Spott, mit aller erdenklichem Schmach und mit einer
Grausamkeit sondergleichen verfolgte?
Was also die Person Barbara Weigands betrifft,
dürfte weder die Niedrigkeit ihres Standes, noch der Mangel höherer Bildung, noch
auch die unsägliche Verachtung und Schmach, mit welcher die Verfolgungssucht des
modernistischen Zeitgeistes sie bekleidet hat, irgend ein Anzeichen bieten, welches
die Theologen zu der Annahme bestimmen müßte, Barbara Weigand sei über ihre Berufung
zur Verkündigung einer Erneuerung des katholischen Lebens vom bösen Feinde getäuscht.
Im Gegenteil, auch nach dieser Seite rechtfertigt der ganze Zusammenhang der Angelegenheit
die Annahme, daß Barbara über ihre Berufung sich nicht irren dürfte.
Inhaltsverzeichnis
IX. Liegt Täuschung
vor ?
Wir schließen hier noch ein Wort an über die
Frage, ob Barbara Weigand über das große Ganze ihrer Schriften vielleicht durch
die eigene, und zwar krankhafte Phantasie getäuscht sein dürfte. In Anbetracht der
kirchlichen Korrektheit der Gesamttendenz jener Schriften erscheint es allerdings
wenig angebracht, die Diskussion auch auf diesen Punkt auszudehnen. Allein die Bestimmtheit,
mit der Brander und die ihm folgende Presse die ganze Angelegenheit von Schippach
im letzten Grund auf hysterische Krankheit Barbaras zurückführt, zwingt uns, diese
Frage zu berühren.
Weil Barbara selbst erwähnt, daß ihr Leiden seit
ihrem 25. Jahre dauere, schließt Brander ohne weiteres, daß die Seherin von Jugend
an an Hysterie gelitten habe. Daß Barbara unter jenem Leiden ein anderes Kranksein
versteht, da sie in den Schriften vielfach ausdrücklich betont, daß ihr mystisches
Leiden nicht Hysterie sei, das zieht Brander nicht in Erwägung.
Mit derselben Leichtfertigkeit sucht er aus den
Worten Christi an Barbara: ,,Deine Nerven sind zerrüttet" einen Beweis für die Hysterie
der also Angeredeten zu machen. Jede nicht tendenziöse und ungezwungene Kritik wird
finden, daß die angeführten Worte viel eher einen Nervenschock oder sonst eine der
vielfältigen Arten von Nervendepression bezeichnen wollen, keineswegs aber Hysterie.
Auch erscheint an jener Stelle die Erregung der Nerven als eine Folge des mystischen
Leidens und Schauens, und nicht als die Ursache desselben.
Weil Barbara den Herrn und seine Mutter sagen
läßt, daß noch nie das Kreuz so sehr geflohen worden sei, wie heute, daß noch nie
der Glaube so sehr geschwunden, daß es noch in keinem Jahrhundert so viele Heilige
gegeben habe, wie in diesem, bricht Branden in die Worte aus: ,,Wer so übertreibt,
hat das Recht verwirkt, für normal genommen zu werden." Brander hat offenbar keine
Ahnung davon, welche scheinbar übertriebenen Urteile in den Privatoffenbarungen
frommer und auch heiliger Personen vorkommen. Der selige Heinrich Seuse sagt in
seinem Büchlein von den neun Felsen: ,,Wisse, der größte Teil der jetzt lebenden
Menschen macht die heilige Ehe zu einer Mistgrube; denn sie leben darin, wie das
Vieh." Oder: ,,In vielen hundert Jahren waren die Menschen nicht so böse, als sie
jetzt sind." Ähnliche scheinbar übertreibende Urteile kommen übrigens auch in den
Werken sonstiger Schriftsteller und gerade auch von solchen aus neuester Zeit mannigfach
vor. So schreibt z. B. der Jesuitenpater Cohausz in einer seiner apologetischen
Schriften: ,,In keinem Jahrhundert wurde das kritiklose Nachreden so sehr bekämpft,
in keinem die Eigenforschung, das Studium der ersten Quellen so sehr gefordert,
als in dem unsrigen... In keinem Jahrhundert ferner war das blinde jurare in verba
magistri so verpönt als in dem unsrigen." Man kann hinter solche Sätze vielleicht
ein Fragezeichen einklammern; aber die Autoren, einerlei ob sie nun Heinrich Seuse,
Otto Cohausz oder Barbara Weigand heißen, ohne weiteres für anormal oder hysterisch
erklären, das heißt doch die Kritik in einer schlechthin ungerechten und lieblosen
Weise übertreiben. Und gerade solcher Übertreibung macht sich Brander schuldig,
indem er wegen der ihm übertrieben scheinenden Worte Barbaras letztere kurzerhand
für anormal und hysterisch erklärt.
Man sieht, wie schwach es mit dem mit so großem Selbstbewußtsein und so großer Bestimmtheit
vorgetragenen Anwürfen Branders bestellt ist. Auf den ersten oberflächlichen Blick
vermögen sie den Unkundigen zu täuschen. Bei näherem Zuschauen aber zerfallen die
Branderschen Argumente wie Staub.
Dies erfährt man auch dort, wo Brander die hysterische Veranlagung Barbaras aus
den, übrigens verhältnismäßig wenigen, Vexationen beweisen will, die Barbara von
seiten des Teufels auszustehen hatte. Er erwähnt die bei Barbara vorgekommenen Erstickungsanfälle,
Grimassen, höllisches Gelächter u. dgl., schlägt dabei dem geduldigen Leser verschiedene
medizinische Werke vor, wie Kapellmann, Bergmann, Familler und ,,beweist" aus denselben,
daß dies alles bei Hysterischen vorkomme. Ergo muß Barbara Weigand hysterisch sein!
Daß dieselben Vorkommnisse fast bei allen Begnadigten, und zwar bei den meisten
viel häufiger und intensiver zu finden sind, als bei B. Weigand, weiß Dr. Vitus
Brander entweder nicht oder will es nicht beachten. Seit der Heiland der hl. Magdalena
von Pazzi eine derartige, und zwar fünfjährige Reihe von teuflischen Plagereien
mit den Worten ankündigte, Magdalena werde in eine Löwengrube geworfen, ist in den
meisten Lebensbeschreibungen von Heiligen und Begnadigten unter dem Titel ,,Die
Löwengrube" ein eigenes Kapitel zu finden, in welchem die dämonischen Vexationen
beschrieben werden, welche die betreffende Person zu erleiden hatte. Brander könnte
in der Löwengrube einer Christina Mirabilis, Rosa von Lima, Franziska Romana, eines
hl. Petrus von Alkantara, Paschalis, des ehrw. Dominikus von Jesus Maria, der Veronika
Giuliani, der sel. Kreszenzia Höß, der gottsel. Anna Katharina Emmerich Vorkommnisse
finden, die er an der Hand von Zitaten aus Kapellmann, Bergmann und Familler noch
viel effektvoller als Wahrzeichen von Hysterie dartun könnte, da die betreffenden
Vorkommnisse dort noch weit heftiger und schrecklicher auftraten als bei Barbara
Weigand. Wenn der Teufel die Barbara Weigand während des Gebetes einmal zum Lachen
reizt, wenn er ein andermal zu furchtbarem Schreien, zu Grimassenschneiden veranlaßt
oder sie den Namen Jesus nicht aussprechen läßt und bewirkt, daß Barbara ihre Freundinnen
mit höllischem Gelächter auslacht, so sind dies alles doch recht unbedeutende Wahrnehmungen
gegenüber derartigen Dingen, wie solche z.B. im Leben der Ekstatischen Klara Moes
mitgeteilt werden.
Da Brander schon aus einigen Grimassen auf Hysterie
schließen will, was für bedeutende Merkmale von Hysterie würde ihm die Lebensgeschichte
der Klara Moes bieten, wenn er dort liest, wie der Teufel zur Nachtzeit mit Klara
umgesprungen, sie körperlich mißhandelt hat bis zum Blutvergießen, wie selbst geweihte
Gegenstände gegen die teuflischen Plagen keine Wirkung gezeigt, wie Klara beim Aussprechen
des Namens Jesu vom Teufel beim Halse gepackt und fast erwürgt wird; wie sie im
Beichtstuhl durch Teufelstrug das Gegenteil von dem hört, was der Beichtvater sagt,
oder nur Lästerungen aus seinem Munde vernimmt; und erst, wie sie der Teufel zum
Selbstmord verleiten will, ihr Messer, Gift und Strang auf den Tisch legt; wie der
Teufel sie sogar einmal zwingt, Gift zu nehmen, das sie aber sogleich erbrechen
muß; wie der Beichtvater ihr ein Schlächtermesser abnehmen muß, welches ihr der
Teufel auf dem Wege zum Beichtstuhl zum Zweck des Selbstmordes zugesteckt; wie der
Teufel sie zwingt Dinge zu sagen oder zu schreiben, die sie selber in keiner Weise
billigt; wie sie eines Tages vom Teufel veranlaßt wird, ihr Kloster zu verlassen,
und dann in Trier vor dem Dom zur Mittagszeit vom Teufel in die Luft erhoben und
nach Paris und Berlin entführt wird, wo sie entsetzlichen Teufelsorgien beiwohnen
muß; wie der Teufel sie von Berlin durch die Luft nach einem Urwalde bringt, aus
dem sie dann durch die Mutter Gottes in majestätischem Fluge über Land und Meer
zu dem Wallfahrtsorte Eberhardsklausen in der Diözese Trier geführt wird. Sind dies
nach Brander nicht recht grobkörnige hysterische Phantasien? Die Prüfungskommission
von Maredsous und das hl. Offizium in Rom indessen waren anderer Ansicht. Sie haben
selbst in diesen Dingen keine Anzeichen gefunden, die zu der Annahme bestimmen mußten,
daß das Werk von Moes dasjenige einer hysterischen oder vom Teufel getäuschten Person
sei.
Was dürfte Brander bezüglich einer hysterischen Veranlagung der Seherin von Schippach
bewiesen haben? Nichts, als daß er einen neuen Beleg für die Wahrheit erbringt,
welche der Bekannte italienische Geistesmann Joseph Frassinetti in den Worten ausspricht:
,,Leider bekunden so viele Priester die gröbste Unwissenheit in mystischen Dingen.
Einige gehen in ihrem Unverstande so weit, alles derartige zu verachten und glauben
besonders vorurteilsfrei zu sein, wenn sie jede einigermaßen außerordentliche Gnade
für eine Ausgeburt einer krankhaften Phantasie halten."
Inhaltsverzeichnis
X. Ist das große
Ganze der Schriften katholisch ?
Der dritte Punkt unserer ersten Hauptfrage betrifft
in Zusammenhang der Schippacher Schriften mit den praktischen Unternehmungen von
Barbara Weigand, dem eucharistischen Liebesbund und dem Bau der Sakramentskirche
in Schippach.
Ist das große Ganze der Weigand'schen Schriften
katholisch, dann werden diese Schriften in diesem ihrem katholischen Charakter durch
die Projekte, in welchen die Jungfrau von Schippach die Gesamttendenz ihrer Ideen
praktisch zu verwirklichen begann, nicht im geringsten beeinträchtigt. Denn der
Gehalt und Charakter dieser Projekte ist unzweifelhaft katholisch.
Wie sollen wir ihn näher schildern? Vielleicht
dürfen wir an ein Wort von P. A. M. Weiß O. Prae. erinnern. Dabei wissen wir freilich
nicht, ob dieser jemals etwas von Schippach zu hören bekam. Aber in seiner herrlichen
Apologie des Christentums schließt er seine Vorträge über die soziale Frage mit
einem Passus, in welchem der Gedanke jener Papst-Sühne- und Friedenskirche, deren
Fundamente später in dem stillen Elsavatale zu sprießen begannen, bereits vor 30
Jahren für die kommende Ära des Weltkrieges folgendermaßen geschildert wird:
,,Es mehren sich die Kassandrastimmen, welche
die Katastrophe für unausbleiblich, für nahe bevorstehend klären. Sei es also, wenn
es nicht anders mehr sein soIl. Wir wollen uns nicht gegen den Lauf der Gerechtigkeit
zur Wehr setzen. Vielmehr geben wir uns der zuversichtlichen Hoffnung hin, daß die
Welt, ob sie auch jetzt vom Reiche Gottes nichts hören will, dem Worte zugänglicher
wird, wenn die Tage der Heimsuchung die Herzen für die Wahrheit empfänglicher gemacht
haben. Emil Gregorovius schildert in seinem Buche ,,Der Himmel auf Erden" den Vollzug
des großen Strafgerichtes, die kurze Dauer der Verblendung und die Frucht davon,
die Rückkehr der geläuterten Menschheit zu Gott. Das Ende des furchtbaren Sturmes,
sagt er, wird sein, daß die Menschen wieder den Gott ihrer Väter suchen und ihm
eine Sühnekirche erbauen. Ein schöner, tröstlicher Gedanke! Noch schöner und trostvoller
wäre es, wenn die Gesellschaft nicht erst die Sündflut abwartete, sondern schon
zum voraus mit gemeinsamen Bestrebungen eine Friedenskirche erbaute. Gewiß, Gott
ließe sich noch beschwichtigen, denn er kann dem Worte Friede und noch mehr der
Tat des Friedens nicht widerstehen. Die schönste, die segensreiche gottgefälligste
Friedenskirche aber wäre ohne Zweifel die nach christlichen Grundsätzen eingerichtete
Gesellschaft, die Gesellschaft unter Leitung der Kirche, die Verwirklichung des
Reiches Gottes auf Erden."
Die Verwirklichung des Reiches Gottes auf Erden
durch Zurückführung der Gesellschaft unter die Leitung der Kirche: Das ist nicht
bloß die große Idee, welche die P. Weiß'sche Apologie, sondern auch jene, welche
die Schriften der Barbara Weigand beherrscht. Und sie ist im Munde der letzteren
nicht weniger katholisch als im Munde vom P. Weiß. Wenn die Katholizität dieser
Idee noch irgend einer Bestätigung bedürfte, so hätte sie dieselbe durch die Worte
Pius X. empfangen, der eben diese Idee als den eigentlichen Inhalt seines Programms
der Erneuerung in Christus kennzeichnete, als er schrieb: ,,Wir müssen die menschliche
Gesellschaft, welche den Pfad der Weisheit Christi verloren hat, unter die Leitung
der Kirche zurückführen."
Schön und trostvoll nannte P. Weiß das Projekt
dieser Idee der kirchlichen Erneuerung der Gesellschaft durch die Erbauung einer
Sühne- und Friedenskirche auch einen monumentalen Ausdruck zu geben. Wer aber hat
diesen wundervollen Plan, und zwar offenbar ganz unabhängig von P. Weiß, praktisch
erfaßt? Niemand anders, als die demütige, ungebildete, verachtete Jungfrau aus dem
einsamen Spessarttale.
Und wenn P. Weiß betont, daß diese Bestrebungen
zur Erneuerung der Welt vielleicht noch das göttliche Strafgericht abzuwenden vermögen,
wer hat auch diesen Gedanken praktischer anzuwenden gesucht, als Barbara Weigand
von Schippach? Noch schöner und trostvoller, so lauteten die Worte. von P. Weiß,
wäre es, wenn die Gesellschaft nicht erst die Sündflut abwartete, sondern schon
im voraus mit gemeinsamen Bestrebungen eine Friedenskirche erbaute: Barbara Weigand
wollte die Sündflut, welche sie selber in ihren Schriften so oft signalisierte,
nicht abwarten. Ihren inneren, wenn auch noch dunklen, Weisungen folgend hat sie
kurz vor dem Hereinbruch der großen Weltkatastrophe den Bau ihrer Sühnekirche begonnen.
Sie hatte ihn in innigste Beziehung gesetzt zu dem großen eucharistischen Welterneuerungsplane
Pius X., indem sie die Kirche dem Andenken der Kommuniondekrete dieses Papstes widmete,
jener Dekrete über die frühzeitige, öftere und tägliche Kommunion, welche die göttliche
Kraftquelle in den kommenden Heimsuchungen für die Gläubigen werden sollte. Wer
hat die eucharistische Großtat Pius X. in ihrer providentiellen Bedeutung für die
vorhandenen und noch hereinbrechenden Nöte des katholischen Volkes tiefer erfaßt,
als die schlichte Bauernmaid von Schippach? Hat irgend ein Großer im Reiche der
Theologie uns gesagt, daß die Kommuniondekrete des zehnten Pius eine wahrhaft monumentale
Dankesäußerung der katholischen Zeitgenossen verlange? Niemanden war dieser Gedanke
gekommen; nur die demütige Magd aus dem weltverlorenen Waldtal hat ihn geäußert
und auszuführen begonnen. Und soll dieser großartige und durchaus katholische Gedanke
nun auf einmal weniger gut, ja schlimm und gefährlich sein, weil der Welt- und Zeitgeist
über die Urheberin eines solchen Gedankens plötzlich das Übermaß seiner Verachtung
und Gehässigkeit ausgießt?
Auch als die Fluten des göttlichen Strafgerichtes über die Welt hereinbrachen, hat
Barbara die Bedeutung des begonnenen Sühnewerkes für die Herstellung des Friedens
nicht verkannt. Gewiß, so hatte P. Weiß geschrieben, Gott ließe sich noch beschwichtigen,
denn er kann dem Worte Friede und der Tat des Friedens nicht widerstehen. Die Jungfrau
von Schippach hatte das Wort des Friedens, und zwar das allein wahre Wort des Friedens
verkündigt, als sie vor Jahren bereits den Heiland sprechen ließ: ,,Durch die Kirche
möchte ich der Welt den Frieden geben." Die Jungfrau von Schippach hat auch die
wahre Tat des Friedens verrichtet, als sie seit dem Ausbruch des Weltkrieges in
dem Werk der eucharistischen Welterneuerung und seiner monumentalen Gedächtniskirche
die Augen der Menschen, auf die wahren Friedensquellen, wie sie nur in der katholischen
Kirche sprudeln, hinlenkte. Die Sakramentskirche in Schippach sollte erstehen gleichsam
als die in Stein gehauene Wahrheit, daß nur die nach den Grundsätzen der katholischen
Kirche eingerichtete und an den Gnadenquellen der katholischen Kirche geläuterte
und gestärkte Gesellschaft das wahre Gottes- und Friedensreich auf Erden darstellt.
Und daß diesem gläubigen Wort und dieser gläubigen Tat des Friedens, falls die Menschen
ihre Herzen dem allen nicht verschließen würden, auch die unendliche Barmherzigkeit
Gottes sich nicht verschließen werde, das durfte Barbara Weigand nach den Worten
des obengenannten Apologeten mit Recht hoffen, und sie hat es gehofft mit all den
Tausenden und Hunderttausenden aus dem katholischen Volke, die, sozusagen mit katholischem
Instinkte, die wahre Bedeutung des Werkes von Schippach erfaßt hatten. Im Verein
mit diesen allen hatte Barbara ja durch die Gebetsgemeinschaft des eucharistischen
Liebesbundes schon längst das Werk der Erneuerung des Friedensreiches so inständig
dem Himmel empfohlen. Wer wollte leugnen, daß ein so mächtiger und volkstümlicher
Feldzug des Gebetes und der Erneuerung des Lebens, wie er in dem eucharistischen
Liebesbund und der Sakramentskirche inauguriert war, unter der entsprechenden Leitung
und Förderung des Klerus ein gewaltiges Bollwerk gegen die Blutgier und Kriegswut
Satans geworden wäre? Wer wollte leugnen, daß, wenn irgend etwas, so gewiß die Sühne-
und Friedensarbeit in diesem Gnadenbund und an dieser Gnadenstätte dem göttlichen
Herzen Jesu das Machtwort des Friedens abgerungen hätte?
Aber während hunderte von Soldaten, zum Teil
von ihren Offizieren geführt, ihren Weg zum Schlachtfelde über Schippach nahmen,
nur um die Stätte sehen zu können, auf der der Friedenstempel sich erheben sollte,
war die Hand bereits erhoben und die Feder bereits zugerüstet, welche die Hoffnung
so vieler zunichte machten. Der Gnadenbund mußte zu einer Sekte und die Gnadenstätte
zu einer Sektenkirche gestempelt werden. Und dies um weniger mißverständlicher Ausdrücke
willen, die zu korrigieren und zu eliminieren wahrlich nicht schwer gehalten hätte.
Dieselben Kritiker und Blätter jedoch, die zu derselben Zeit den von Anbeginn des
Krieges geradezu uferlosen Schlammstrom des häretischen Interkonfessionalismus ungehindert
und unberedet über das katholische Volk hereinbrechen ließen, spielten sich Schippach
gegenüber als die Großinquisitoren auf, welche das Volk vor der Gefahr einer neuen
Irrlehre bewahren müßten. Und gerade Zeitungen und Zeitschriften, welche in jeder
Nummer ganze Flöße modernistischer, interkonfessioneller Balken daherschwemmten,
machten aus der Jagd auf die Splitter in den Schippacher Schriften ein Geschäft.
Inhaltsverzeichnis
XI. Welche Merkmale
sind bei den Schippacher Schriften erkennbar ?
Unsere zweite Hauptfrage lautet: Erscheint Barbara
Weigand im ganzen Zusammenhang ihrer Angelegenheit als eine solche, die andere hat
täuschen oder betrügen wollen?
Zunächst weisen wir hier auf die Tatsache hin,
daß kaum irgend welche Privatoffenbarungen, und darunter auch kirchlich approbierte,
vorhanden sind, deren Träger nicht mit dem Vorwurf des Betrugs, der beabsichtigten
Täuschung, ebenso wie mit dem Vorwurf der Hysterie, der Halluzinationen u. dgl.
bedacht worden wären. Die Theologen sehen diese Art von Vorwürfen sogar als Kennzeichen
echter Offenbarungen an. ,,Die Offenbarungen heiliger Personen," schreibt P. Tiggermana
C. SS. R., haben samt und sonders dieses Merkmal aufzuweisen. Von der hl. Katharina
von Siena, von der hl. Hildegard, von der hl. Brigitta sagten Zeitgenossen, sie
seien vom Teufel betrogen; die hl. Theresia wurde als Schwärmerin verschrieen, als
eine Person die man der Inquisition überliefern müsse; die Offenbarungen der ehrw.
Maria von Agreda wurden à la Märchen, Träumereien und so fort behandelt und verfolgt.
Ja, um die Wahrheit zu sagen, muß jeder, der die Geschichte der Privatoffenbarungen
einigermaßen kennt gestehen, daß der Widerspruch, den sie stets bis auf unsere Zeit
erfuhren, ein unbeschreiblicher war."
Barbara Weigands Schriften und Unternehmungen
würden also eines deutlichen Merkmales ihrer Echtheit und Güte entbehren, wenn ihnen
die Verfolgung und Verdächtigung mittels der bewußten Vorwürfe fehlte. Aber Branders
Journalistik hat ausgiebig dafür gesorgt, daß der Seherin von Schippach nichts von
dem erspart blieb, was je irregeführter Eifer und fanatische Hetze begnadigten Dienern
Gottes gegenüber an Verdächtigungen aufbrachten.
Das Wort Betrug hat Brander selbst zwar nicht,
soweit wir uns zu erinnern glauben, auf Barbara angewendet. Aber was er und seine
Helfershelfer der Seherin von Schippach unter der Hand verschiedentlich andichten,
kommt oft auf nichts anderes als auf die Anklage des Betruges hinaus. Oder was bedeutet
es anders, wenn diese Gegner von Schippach in ihrer ,,sachlichen" und ,,pietätvollen"
Kritik soweit gehen, daß sie behaupten, Barbara habe den ,,Geist" in sich mit Hilfe
der Kognakflasche erweckt? Wo eben die Hysterie nicht ausreicht zur ,,Erklärung"
der mystischen Zustände, da denkt moderne Kritik bald auch an das Likörglas. Wir
glauben nicht, daß Brander den Spirituosendampf für ein geeignetes Mittel hält,
um mit demselben den Geist auch nur für eine richtige Betrachtung oder Predigt zu
wecken. Barbara Weigand aber soll ihre gehaltvollen und zielbewußten geistlichen
Reden, welche für das Bildungsniveau dieser Seherin tatsächlich eine bedeutende
Leistung darstellen, dem Alkohol verdanken. Und nicht bloß mit dem Alkohol, sondern
auch noch mit anderem, besonders auch mit dem für die Sakramentskirche gesammelten
Gelde, soll sie Betrug getrieben haben. Die Augsburger Postzeitung erhebt die Beschuldigung,
daß mit diesem Gelde die Verwandten von Barbara bereichert worden seien. Man braucht
indessen nur die Vermögensverhältnisse der angesehenen, ehrlichen und redlichen
Landwirt- und Handverkerfamilien der Weigand'-schen Verwandtschaft zu kennen, um
solche niedrigen Pauschalverleumdungen richtig einzuschätzen.
Hätte Barbara Weigand in solchen Hinsichten auch
nur den geringsten Anlaß zu berechtigtem Verdachte gegeben, dann freilich läge die
Annahme nicht ferne, laß sie wohl auch im ganzen Zusammenhang ihrer Sache andere
habe täuschen oder betrügen wollen. Allein wann und wo gibt Barbaras religiös-sittliches
Leben eine Handhabe zu einer derartigen Annahme? Barbara Weigand bietet von ihrer
ersten Jugend an das Bild einer wahrhaft tugendhaften und aufrichtig frommen Person,
die gerade während ihrer außerordentlichen Zustände unter der Führung anerkannt
tüchtiger Beichtväter stand. Es ist nicht anzunehmen, daß so gediegene ,,Seelenführer,
wie der verstorbene Kapuzierprovinzial P. Alphons in Mainz und der derzeitige Mainzer
Bischof Dr. Kirstein, die nacheinander durch eine Reihe von Jahren hindurch die
Beichtväter von Barbara Weigand waren, auch nur kurze Zeit, geschweige denn lange
Jahre, sich von dem falschen Mystizismus einer Betrügerin hätten täuschen lassen
oder gar demselben die Hand geboten hätten.
Dagegen ist es durchaus nicht unwahrscheinlich, daß Gott eine Person, welche einem
von der göttlichen Vorsehung für unsere Zeit geplanten Werke, nämlich der Wiederbelebung
der täglichen Kommunion schon im voraus seit langen Jahren in wahrhaft heroischer
Weise diente, mit besonderen Erweisen göttlicher Huld sollte begnadigt haben. Eine
Jungfrau, die in ihrer Jugend, um öfter kommunizieren zu können, sich mehrmals in
der Woche um 1 Uhr nachts auf den fünfstündigen Weg von Schippach nach Aschaffenburg
aufmacht, um morgens 8 Uhr im Aschaffenburger Kapuzinerkloster kommunizieren zu
können, und dann den ganzen Weg wieder heimzuwandern, ist gewiß ein ernst zu nehmender
Charakter. Und wenn dieselbe Jungfrau, um von der öfteren zur täglichen Kommunion
übergehen zu können, unter Verzicht auf eine sehr gute eheliche Verbindung, bei
Verwandten in Mainz als dienende Magd eintritt, und Jahre lang zum Zweck ihrer eucharistischen
Übungen in dieser Stellung treu ausharrt, so wird auch darin doch nur das Zeichen
einer gediegenen und erprobten Frömmigkeit zu erblicken sein; sollte aber Gott ein
solches Opferleben nicht mit besonderen Gaben belohnen dürfen? Sollte vielmehr einem
solchen heroischen Leben schon bei den ersten Zeichen mystischer Erscheinungen nur
mit dem Verdacht des Betruges gelohnt werden dürfen? Noch bis auf diese Stunde ist
Barbara Weigand diesem ihrem gewohnten Opfer- und Sühnungsleben treu geblieben.
Seit sie wieder in ihrer Heimat Schippach wohnt, arbeitet sie freiwillig und um
Gotteslohn bei einer Frau, die in entsetzlicher Weise am Gesichtskrebs leidet. Sie
macht auch die Pflegerin dieser Ärmsten, in deren Umgebung es sonst kaum jemand
aushält. Auf das Unsagbare dieser Abtötungen und Selbstverleugnungen wollen wir
hier gar nicht näher eingehen. Vielen von den tapferen Kämpen der antischippacher
Garde würde vielleicht der Mut oder die Kraft fehlen, die Erzählung dieser Selbstaufopferungen
nur anzuhören. Aber aus dem Gesagten vermögen sie sich schon zu erklären, aus welcher
Schule die Seherin von Schippach die Kraft schöpft, die unsäglichen Verdemütigungen
und Seelenqualen ruhig und geduldig zu ertragen, welche das Brander'sche Vorgehen
ihr bereitete. Es ist die Schule des Kreuzes Jesu, die Schule der wahren Gottes-
und Nächstenliebe.
Diese Schule aber ist nicht die Pflanzstätte der gewollten Täuschung, des Betrugs.
Es müßte entsetzlich bestellt sein um die Menschheit, wenn man selbst bei den edlen
Brandopfern der Caritas, den stillen und demütigen Freunden des beschaulichen und
zurückgezogenen Lebens, den Tabernakelwächtern, den eifrigen Beichtstuhl- und Kommunionbankfreunden
immer nur Betrug und Heuchelei wittern müßte. Und doch sind es eben diese Leute,
gegen welche die so durchaus unwahrhaftige Sophistik des modernen Zeitgeistes ihre
Verdachtsmomente geltend machen will. Seitdem die Kant'sche Philosophie das Gebet
überhaupt als eine innerlich unwahrhaftige Handlung, über welche der Mensch sich
schämen müsse, hinzustellen begann, ist die Welt ihren Argwohn gegen die ,,Stillen
im Lande", gegen die kontemplativen Seelen, die beschaulichen Orden, die Betschwestern
und Betbrüder nicht mehr los geworden. Und je mehr die Gedankenwelt eines Kant durch
den Liberalismus und Modernismus auch in die Reihen der Katholiken verpflanzt wird,
umsomehr kommt auch im katholischen Lager der landläufige Argwohn gegenüber frommen
Seelen zum Vorschein. Politische Mephistogestalten haben durch geschickte Manöver,
wie Taxierenthüllung u. dgl., diesen Argwohn wirksam und erfolgreich genährt. Und
im Kampf gegen Schippach feiert er zur Zeit seine Triumphe. Aber es sind im Grunde
nur Triumphe des Un- und Irrglaubens und der Sophistik, Betrug des Irrtums, der
die Wahrheit in Betrug und Lug umstempeln möchte. Es gilt auch diesen Bestrebungen
das Wehe, welches der Prophet über diejenigen ausruft, welche das Gute bös und das
Böse gut nennen.
In besonderer Weise wird dieses Wehe aber denjenigen
katholischen Priestern gelten, welche sich in den Geist des Argwohns und der Abneigung
gegen alle Erscheinungen einer etwas intensiveren Frömmigkeit hineinreißen lassen.
Welche Verwüstung im Reiche Gottes, welche Zerstörung im Weinberg des Herrn, welche
Greuel der Zerrüttung am heiligen Orte müssen sich dort ergeben, wo der Priester
durch die Verdächtigung jedes außerordentlichen Zeichens von Frömmigkeit, durch
eine ständige Verfehmung der sogenannten Betschwestern, durch seichten Spott über
mystische Zustände sein Wort zum Ärgernis für Gläubige und Ungläubige macht. Da
predigen wir auf der Kanzel immer wieder die übernatürliche Lebensordnung; wo aber
eine Seele diese Lebensordnung tiefer erfaßt, und zum Lohne dafür von Gott etwas
in die Geheimnisse seiner Gnade eingeführt wird, hat eine solche Seele die Geiselstreiche
zu fühlen, welche verkehrte Tempelhüter dort sparen, wo sie dieselben austeilen
sollten. Wir predigen, daß der Himmel nur denen gehört, die wie die Kinder werden;
wo aber ein kindlicher Glaube seine kindliche Sprache redet, geben ihn Priester
der Verachtung einer wissensstolzen Welt preis. Der Eifer, mit welchem liberale
und sozialistische Buchhandlungen die Brander'sche Broschüre gegen die Seherin von
Schippach verbreitet haben, redet da eine traurige Sprache. Wie diese Schwindlerin,
so sind sie alle, die Frommen, die Katharina Emmerich, die Margareta Alacoque, die
Kreszenzias und Hildegards, die Brigitten und Theresias: das war der Refrain des
Unglaubens auf der Gasse und im Kasino, den Brander hervorgerufen hat.
Schwindel und Betrug! So mußte der Unkundige
über den ganzen Zusammenhang der Schippacher Sache urteilen, wenn er Brander über
die ,,Raffiniertheit" dozieren hörte, mit welcher Barbara ihre Offenbarungen zu
einem förmlichen System zusammengeschlossen, oder über den Ungehorsam und die Hartnäckigkeit,
mit welcher Barbara entschlossen sei, unter allen Umständen und gegen alle Instanzen
ihre Sache durchzuführen, oder wenn Brander ihr die Absicht einer neuen Sektenstiftung
nach Art der ecclesiola der Prophetinnen Priscilla und Maximilla des Irrlehrers
Monfanus andichtet.
Der Kenner des ganzen Zusammenhangs der Schippacher
Sache jedoch war sich über die plumpe, jämmerliche Mache dieser Brander'schen Betrugshypothesen
sofort im klaren. Hier war die Stelle, wo er einem Brander mit besonderem Nachdruck
zurufen konnte: Ex ore tuo iudico te, aus deinem eigenen Munde richte ich dich.
Da behauptet also Brander, daß Barbara ihre Offenbarungen
mit ,,Raffiniertheit" zu einem ,,förmlichen System" zusammengeschlossen habe! Ist
das nicht derselbe Brander, der fast eine ganze Broschüre dem Nachweis widmete,
daß die mystischen Äußerungen Barbaras die ,,Halluzinationen einer bedauernswerten
Nervenkranken" seien, ,,nur die Ausgeburten eines kranken Hirnes," ein Sammelsurium
von Widersprüchen, anstößigen Redensarten, verworrener Wahnideen? Nun dort, wo er
dies alles behauptet, galt es eben, die Spessarter ,,Wahrsagerin" als eine bemitleidenswerte
Epileptikerin, eine an zerrütteten Nerven und Krämpfen leidende Hysterische hinzustellen.
Jetzt aber, wo es gilt die Betrugshypothese zu stützen, wird aus Barbara plötzlich
eine höchst konsequent denkende, gerissene und geriebene Sybille, und aus den Halluzinationen
und widerspruchsvollen Hirngespinnsten, plötzlich ein mit Raffiniertheit zusammengestelltes
,,förmliches System".
Man kann wohl sagen, daß keiner der angeblichen
Widersprüche, welche Brander in den Weigand'schen Schriften finden will, an den
Widerspruch heranreicht, welcher hier im Kernpunkt der Brander'schen Beweisführung
sich breit macht. Nichts hat Brander eingehender zu beweisen gesucht, als Barbaras
angebliche Hysterie, derzufolge ihr ganzes Reden und Weissagen ein wirrer Plunder
grotesker Einfälle, transitorischer Traumirrungen, leidenschaftlicher Wutausbrüche,
hirnverbrannter Phantasien sind. Vom ersten Blatt seiner Broschüre, wo Brander von
den ,,Halluzinationen" Barbaras redet, bis zu den Worten von den ,,Ausgeburten eines
kranken Hirns" auf der letzten Seite wird Barbara als der Typus der anormalen, jeglicher
Suggestion unterliegenden, von allen möglichen Denkhemmungen beschwerten, hysterischen
Person geschildert; daß deren periodische Anfälle, was das Reden betrifft, nur ein
wirres, abgebrochenes, zerfahrenes Durcheinander von rätselhaften Wortverbindungen
aufzuweisen vermögen, wird jeder Psychiater bestätigen. Brander aber will, wo es
gerade eine andere, seiner gegen Barbara vorgebrachten Verdächtigungen so verlangt,
uns weiß machen, daß das zerbrochene Gehirn dieser epileptischen Jammergestalt in
dem Chaos seines pathologischen Geschwätzes ein gar noch mit Raffiniertheit ausgehecktes,
,,förmliches System" einer ganz zielbewußten, aftermystischen Sektiererei biete!
Man muß sich wohl, wo Vorurteil und überstürzender, fanatischer Eifer sich irgend
einer mißliebigen Sache oder Person bemächtigen, stets auf starke Stücke gefaßt
machen. Was hier aber Brander in der ,,psychopatographischen" Kritik ,,mystischer
Phänomäne" dem geduldigen Leser zumutet, geht doch über die Hutschnur.
Überboten wird es vielleicht nur noch von Branders
journalistischer Gefolgschaft, wenn diese darangeht, aus Barbara Weigand die von
Alkoholdämpfen narkotisierte Pythia zu machen. Da soll das theologische System von
Schippach aus dem deliranten Gestotter einer likörseligen Quartalsäuferin destilliert
sein. Und sonderbar, was ansonsten selbst die Stärksten der Starken unter den Tisch
zu bringen pflegt, das muß eine Barbara Weigand - sie hat sich freilich vorsichtigerweise
zuvor ins Bett gelegt - auf die Höhe theologischer Spekulation erheben. Das Raffinement,
das ,,förmliche Systeme" ausheckt, kommt nach dieser journalistischen Version der
frommen Barbara erst mit der nötigen Bettschwere, im Nebel des Kognakdusels. Wir
möchten aber doch eher glauben, daß jene hochgestimmte antischippacher Begeisterung,
welche auf solchen Wegen mystische Phänomäne erklärt, selber auf manche zu stark
dosierten Bonnekamps, Vermouts' oder Grande Chartreuses zurückzuführen ist. Von
Raffiniertheit ist übrigens in dem ganzen Vorgehen Barbaras und ihrer Freundinnen
auch nicht die Spur zu finden. Wären diese Frauenzimmer mit Raffiniertheit vorgegangen,
dann hätten sie sicher Mittel und Wege gefunden, alles das, was heute in Barbaras
Schriften den Anstoß der Weltkinder erregt, zuvor gründlich ausräumen und jene Schriften
so dem Geist und der Richtung des Modernismus, Interkonfessionalismus, Opportunismus
und der übrigen Zeitgeistströmungen anpassen zu lassen, daß Brander und Konsorten
sich ganz gewiß ebensowenig gegen solche Weigand'schen Schriften gewendet hätten,
als sie sich jemals gegen die modernistischen, interkonfessionellen, opportunistischen
Tendenzen eines Hochland, einer Augsburger Postzeitung, einer Allgemeinen Rundschau
gewendet haben. Mit etwas Raffinement und einem kühnen Griff in die gesammelten
Kirchenbaugelder hätte Barbara sicher einen Theologen zeitgeistigen Wurfes gefunden,
der ihr die Offenbarungen entsprechend purgiert und nach dem Geschmacke der Welt
zugestutzt und frisiert hätte. Von den Würzburger und sonstigen katholischen Universitätsprofessoren
der Theologie, welche den Firmen Sonnemann, Mosse oder Scherl gegen gute Bezahlung
ihre diversen liberalisierenden, zum Teil direkt gegen Papst und Kirche gerichteten
Artikel für die Frankfurter Zeitung, das Berliner Tageblatt, den Tag, die Süddeutschen
Monatshefte, den Türmer liefern, wäre doch mehr als einer gegen einige tausend Mark
für die Umarbeitung der Schippacher Offenbarungen zu haben gewesen. Mit Leichtigkeit
hätte einer dieser Herren die Schriften Barbaras mit dem nötigen Köln-M.-Gladbacher
Öle gesalbt, sie in die beliebten Tinten eines Martin Spahn, Muth, Bachem getaucht,
sie mit dem Parfüm umgeben, welches die Schriften einer Blennerhasset, Dr. F. Imle,
Handel-Mazetti und ähnlicher modernistizierenden Damen so unfehlbar des Lobes der
Welt versichert.
Allein Barbara Weigand hat an solche Mittel und
Wege nicht gedacht. Und da, wo man ihr dieselben anbot, hat sie dieselben ausgeschlagen.
Wir könnten einen bekannten Schriftsteller und Professor der Theologie nennen, welcher
der guten Barbara für die Ausführung ihres Kirchenbaus garantieren wollte, falls
sie ihm für einen bestimmten Zweck 50000 Mk. aus den Schippacher Kirchenbaugeldern
zur Verfügung stellen wollte. Barbara hat den sauberen Vorschlag entsprechend abgelehnt.
Sie hat ihr Bauprojekt wie ihre Schriften im unversehrten Zustand ehrlich und harmlos
der bischöflichen Behörde übergeben. Sie hat dabei allerdings nicht vermutet, daß
sie hierfür eines Tages auch noch des raffinierten Betruges geziehen werde.
Indessen muß doch vielleicht der Ungehorsam gegen
die kirchliche Autorität, dessen Barbara geziehen wird, vermuten lassen, daß eine
solche Person betrügen könne. Brander macht es der Schippacher Seherin zum besonderen
Vorwurf, daß sie entschlossen sei, ,,unter allen Umständen und gegen alle Instanzen
ihre Sache durchzuführen." Der Umstand, daß Barbara Weigand nach einer verwerfenden
Entscheidung der ersten Instanz, d.h. des bischöflichen Ordinariates, sich des legalen
Mittels der Appellation an die weiteren Instanzen bedient, genügt einem Brander
zu diesen Ausfällen.
Auch da können wir Brander aus seinen eigenen
Worten und aus seinem eigenen Vorgehen überführen und widerlegen. Ist es nicht Brander,
der schon im Vorwort seiner Broschüre der bischöflichen Behörde den Vorwurf macht,
,,daß man von kirchlicher Seite immer noch zu schonend gegen die Seherin von Sehippach
und ihren Anhang vorgegangen"? Brander gibt sich also mit den bischöflichen Maßnahmen
keineswegs zufrieden. Er tadelt sie öffentlich. Er nennt sie ,,zu schönend", selbst
zu einer Zeit, wo Barbara durch die Verlesung der verschiedenen bischöflichen Verfügungen
von den Kanzeln und durch das Verbot ihres Kirchenbaues und Liebesbundes schwerer
und empfindlicher getroffen worden war, als irgend einer derjenigen, gegen welche
die kirchliche Behörde in Sachen des Glaubens in den letzten Jahrzehnten eingeschritten
ist. Keiner der Modernistenführer in Deutschland hat in seiner Person von den Kanzeln
aus etwas ähnliches erfahren, wie Barbara Weigand. Und doch tadelt Brander die kirchliche
Behörde, sie sei zu schonend gegen Barbara vorgegangen. Wenn aber Brander glaubt,
solchen öffentlichen Tadel mit der Ehrerbietigkeit und dem Gehorsam gegenüber der
kirchlichen Autorität vereinigen zu können, warum soll dann Barbara deshalb, weil
sie gegen eine bischöfliche Entscheidung das ihr von der Kirche selber gebotene
Rechtsmittel glaubt ergreifen zu sollen, zur Aufrührerin gegen die kirchliche Autorität
gestempelt werden?
Und wie hatte sich denn Brander gegenüber den
ersten, für Schippach günstigen Maßnahmen der bischöflichen Behörde benommen? Hat
er sich mit denselben zufrieden gegeben? Im Gegenteil, die Bekämpfung der bischöflichen
Genehmigung des Werkes von Schippach war ja der Zweck seiner ganzen Agitation. Der
in der politischen Presse begonnene Feldzug Branders richtete sich gerade gegen
die damals noch zu Recht bestehenden bischöflichen Maßnahmen, welche den Bau der
Sakramentskirche gestattet und gefördert, und den eucharistischen Liebesbund approbiert
hatten. Gegen diese bischöflichen Maßnahmen erlaubte sich Brander, die ganze öffentliche
Meinung aufzuhetzen. Und wie man sich aus seiner Pressefehde auf Schritt und Tritt
überzeugen kann, war Brander, genau wie er dies von Barbara behauptet, selber ,,entschlossen,
unter allen Umständen und gegen alle Instanzen seine Sache durchzuführen." Die höchste
Instanz, den Apostolischen Stuhl, sowie dessen Entscheidung sucht Brander am liebsten
ganz auszuschalten. Daher verfällt er gar auf die Idee: ,,Es ist geradezu eine Beleidigung
der höchsten kirchlichen Stellen, daß man ihnen überhaupt zugemutet hat - und auch
noch in der Kriegszeit, wo Rom doch wahrlich ganz andere Aufgaben zu erfüllen hat
- dieses Sammelsurium zu prüfen und zu approbieren." Nichts ist eben einem Brander
und seiner Presse unbequemer, als die Aussicht, daß der Apostolische Stuhl sich
noch mit der Sache befassen soll. Daher auch Branders Bestreben, durch den Druck
der erregten öffentlichen Meinung, dem Apostolischen Stuhl ein Verwerfungsurteil
förmlich abzunötigen. Wie kann aber ein Mann, der eine solche Haltung gegenüber
der kirchlichen Autorität einnimmt, in dem Beschreiten des Instanzenwegs durch Barbara
Weigand ein Zeichen des Ungehorsams und der Auflehnung erblicken wollen? Brander
glaubt annehmen zu dürfen, daß die bischöfliche Behörde in ihrem ersten Urteile
sich geirrt habe; wenn aber Barbara das zweite Urteil für irrig und das erste für
richtig hält, dann sieht Brander darin ein Vergehen. Brander darf mit Hilfe des
Terrorismus einer politischen Parteipresse das erste bischöfliche Urteil umstoßen
helfen; wenn aber Barbara Weigand auf dem Wege ordnungsgemäßer Appellation an den
Heiligen Stuhl das erste bischöfliche Urteil wieder zu reaktivieren sucht, dann
soll sie als Aufrührerin gegen die bischöfliche Behörde dastehen. Derart sehen die
Gründe aus, mit welchen man die Seherin von Schippach als eine widerspenstige Demonstrantin,
und damit als unglaubwürdig und schließlich auch des Betruges für fähig erklären
will.
Brander und seine Presse machen dabei auch ein großes Getöse wegen der mancherlei
Mahnungen, Warnungen und auch Tadelsworte, welche Barbara Weigand in ihren Schriften
dem geistlichen Stande gegenüber gebraucht. Wer indessen die mystische Literatur
älterer und neuerer Zeit nur einigermaßen kennt, wird Barbara Weigands Ausstellungen
am Leben des Klerus doch sehr maßvoll finden. Bei Heinrich Seuse, der hl. Brigitta
und anderen Gottesfreunden könnte Brander doch bedeutend schärfere Töne finden,
als Barbara in diesem Punkte anschlägt. Und was vor nicht langer Zeit von Würzburg
aus dem katholischen Klerus und der ganzen Kirche hinsichtlich ,,Inferiorität" und
anderen Dingen zum Vorwurf gemacht wurde, war doch bedeutend bitterer, als die Weigand'schen
Ermahnungen an eine gewiße Spezies neuerungssüchtiger und schwacher Priester. Der
Sarkasmus und giftige Hohn aber, welchen ein Würzburger Theologieprofessor in einer
Berliner - hauptsächlich von Protestanten besuchten - Versammlung und vielfach auch
in seinem Kollegium über manche Kategorien des katholischen Klerus ausgoß und ausgießt,
ist einer B. Weigand völlig fremd.
Und diese Würzburger theologischen Spezimina wird man auch wohl im Auge behalten
müssen, um das richtige Maß für jene Verdächtigungen zu finden, welche eine Barbara
um jeden Preis zu einer Sektiererin, zu einer moatanistischen Priszilla oder Maximilla
machen wollen. Daß solche Vorwürfe gerade aus der ganz von Liberalismus und Modernismus
verseuchten Würzburger Atmosphäre kommen, ist mehr als bezeichnend. Im Jahre 1913
hielt der katholische Professor der alttestamentlichen Exegese, Dr. Hehn, als Rektor
magnifikus bei dem Stiftungsfest der Universität Würzburg eine Rede über ,,Wege
zum Monotheismus". Dieselbe gipfelte in dem Satze: ,,Moses ist der genialste Religionsstifter
des Altertums." Um dieselbe Zeit schrieb ein anderer Würzburger Theologieprofessor
in der Frankfurter Zeitung über ,,Die Krallen des Papstes" und ähnliche interessante
Dinge. In dieser theologischen Luftschicht müssen Brander und seine übrigen gegen
Schippach eifernden Kombattanden leben. Sie sind dafür nicht verantwortlich zu machen.
Aber das Leben in einer solchen Atmosphäre erklärt doch manches. Brander mag dem
Konzern der neologischen Theologaster der Universität fern stehen. Doch wagt auch
er nicht, gegen diese tatsächliche Sektiererei öffentlich aufzutreten. Er hat noch
keine Broschüre gegen sie geschrieben; er hat weder in Tagesblättern noch in Zeitschriften
den Klerus und das Volk auf die ungeheuere Gefahr für den Glauben und die Sitten
aufmerksam gemacht, welche dort unter dem Mantel der Wissenschaft einherschleicht;
er hat noch nicht mit Hilfe des Druckes der öffentlichen Meinung die geistliche
und die weltliche Gewalt zur Abstellung dieser entsetzlichen Gefahr zu veranlassen
gesucht. Aber gegen Barbara von Schippach hat er keines dieser Mittel anzuwenden
vergessen. Gegen dieses arme Weib den Inquisitor zu spielen, dazu hat ihm der Mut
nicht gefehlt. Er hat damit jedoch nur den Beweis erbracht, daß auch er sich dem
Einfluß der ihn umgebenden Atmosphäre nicht ganz zu entziehen weiß. Wir haben schon
gesehen, wie viel Brander von dieser Atmosphäre bereits auf dem Wege über Zahns
Einführung in die Mystik in sich aufgenommen hat. Niemand wird an dem Brander'schen
Feldzug gegen Schippach eine größere Freude gehabt haben, als die liberalisierenden
Männer der neuesten ,,Würzburger Schule". Dieser Feldzug Branders ist ja nur das
Seitenstück zu dem Feldzug Merkles gegen den Exjesuiten Berlichingen.
Hat nun ein Mann, der selber so sichtlich unter dem Einflusse einer falschen Richtung
steht, irgend welches Recht, einer Barbara Weigand Sektiererei vorzuwerfen? Aber
das war ja von jeher geradezu ein Kennzeichen aller abirrenden Richtungen im katholischen
Lager, daß sie den Trägern außerordentlicher Gnadengaben den Vorwurf der Sektiererei
machten. Wie glaubten nicht die Jansenisten, die Kirche Gottes vor den ,,Irrlehren"
der ehrwürdigen Maria von Agreda bewahren zu müssen! Dreizehn angeblich häretische
Sätze zog die Pariser Universität aus den Offenbarungen dieser Begnadigten und erließ
infolgedessen eine scharfe Zensur gegen das ganze Werk. Und wie sekundierte diesen
Jansenisten der bayerische Theologe P. Eusebius Amort, der ,,Brander" des achtzehnten
Jahrhunderts! Nicht etwa eine Broschüre, sondern ganze Bände widmete er dem Nachweis
der angeblichen Sektierereien der Agredinischen ,,Mystischen Stadt Gottes". Und,
wie waren die Josephiner und Febronianer hinter den vermeintlichen Häresien der
sel. Margareta Alacoque her! Wie viele Hirtenbriefe erwirkten sie nicht gegen diesen
,,neuen Kultus"! Und welche Besorgnisse für die Reinerhaltung des Glaubens hegten
nicht die Aufklärer gegenüber den Offenbarungen der gottseligen Anna Katharina Emmerich!
In allem Ernste machten sie das Bedenken geltend, hinter Katharinas Freundschaft
mit dem Pilger Klemens Brentano stecke nur die Absicht der Gründung einer neuen
Sekte! ,,Diese Leute," so sagt sie selber, ,,fielen entsetzlich über mich her und
beschimpften mich über die Maßen, daß ich mich mit dem Pilger abgebe, und wie da
eine neue Sekte daraus würde."
Wäre es nicht zu verwundern, wenn der Modernismus sich anders gegen Privatoffenbarungen
und deren Träger benehmen würde? Und ist es nicht für die Schippacher Schriften
geradezu ein Wahrzeichen ihrer gesunden katholischen Lehre, daß sie aus der Metropole
des deutschen Modernismus heraus der Irrlehre beschuldigt werden? Es ist auch sehr
bezeichnend, daß Brander seine Kampagne gegen die ,,Sektiererei" von Schippach gerade
in solchen Tägesblättern und Zeitschriften eröffnete, welche den vom Heiligen Stuhl
tatsächlich als Häresie erklärten Modernismus am eifrigsten gegen ,,Modernistenschnüffler"
und ,,Ketzerriecher" in Schutz nahmen. Es ist dieselbe Presse, die sich mit allen
möglichen Sekten auf die ,,gemeinsame Basis" gestellt hat, ihnen allen mit heißer
Liebe die allgemein christliche Bruderhand zum gemeinsamen Kampfe reicht, und zu
diesem Zweck ihren eigenen Katholizismus so retraktiert, restringiert und temperiert,
daß fast nichts mehr von demselben übrig bleibt. Wenn Barbara Weigand wirklich eine
Sektiererin, eine ,,Andersgläubige" wäre, müßten dann diese Blätter, wenn sie konsequent
bleiben wollen, nicht auch ihr die Bruderhand reichen und nicht auch für sie die
gemeinsame Basis bereit halten? Warum aber soll auf das Kommando dieser Presse plötzlich
die ganze Welt in der Sache von Schippach solche Ketzer riechen und solche Sektierer
schnüffeln, für welche es keine ,,tolerantia politica" und keinen ,,konfessionellen
Frieden" sondern nur Kampf bis aufs Messer geben darf?
Wir haben hierfür nur eine Antwort: Weil Barbara
Weigand das besitzt, was die Welt, vom liberal angehauchten Katholiken bis zum Gottesleugner,
im letzten Grunde allein haßt, nämlich den genuinen kirchlichen, ultramontanen Glauben,
den Katholizismus sans phrase, das katholische Denken und Leben ohne Abstrich und
ohne Beistrich, die Religion der römisch-katholischen Kirche.
Und eben wegen dieser katholischen Treue, welche
sie in einer der für die Katholiken gefahrvollsten Epoche standhaft ihrer Kirche
bewiesen hat, halten wir Barbara Weigand des Betruges für unfähig.
Inhaltsverzeichnis
XII. Ist der
Zweck ein guter?
Unsere dritte Hauptfrage untersucht den Zweck,
welchen Barbara Weigand glaubt erstreben zu müssen. Ist dieser Zweck ein guter?
Sowohl über den näheren Zweck, die Gründung des
Liebesbundes und die Erbauung der Sakramentskirche, wie auch über den entfernteren
Zweck, die Erneuerung des kirchlichen Lebens, haben wir bereits genügende positive
Angaben gemacht. Beide Zwecke entsprechen darnach der katholischen Lehre. Wir können
uns sonach hier auf die Abfertigung von Einwänden beschränken.
Brander hat es vor allem auf den nächsten Zweck,
den Liebesbund und die Sakramentskirche, abgesehen. Diese will er vernichten. Er
sucht sie deshalb sowohl in ihrer Herkunft als auch in ihrem Endzweck als häretisch,
dem Irrglauben dienend, ketzerisch hinzustellen. Als Mittel dazu dient ihm der Nachweis
eines ursächlichen Zusammenhangs des Liebesbundes und der Sakramentskirche mit den
Schippacher Schriften, die er von vornherein für ketzerisch erklärt. Aber hier liegt
auch das fehlerhafte seiner Beweisführung. Wie wir bereits gezeigt haben, beruht
letztere auf einer durchaus unbescheidenen, pietätlosen, überstrengen Kritik der
Privatoffenbarungen von Barbara Weigand.
Diese verkehrte Kritik tritt vor allem dort zutage,
wo Brander die häretische Herkunft des Liebesbundes beweisen will. Er stellt zunächst
den Statuten und Gebeten des Liebesbundes eine Reihe von Stellen aus den Offenbarungen
an die Seite. In letztere liest er infolge seiner Hyperkritik Häresien hinein und
will, da er triumphierend die Übereinstimmung der beiden Reihen von Stellen aufzeigt,
damit die häretische Herkunft von
Liebesbund und Sakramentskirche bewiesen haben.
Man betrachte sich nur einige der Brander'schen
hyperkritischen Verketzerungsversuche etwas näher, und man wird finden, auf wie
schwachen Füßen seine ganze Beweisführung steht.
Barbara läßt den Heiland sagen: ,,Glückselig
derjenige, der es glaubt, daß Ich mit dir rede." Wir haber hier eine jener Stellen,
aus welchen Brander beweisen will, daß Barbara unter Glauben nur den Glauben an
die Echtheit ihrer Privatoffenbarungen verstehe. Daß diese Behauptung viel zu weit
geht, zeigt gerade eine pietätvolle und gemäßigte Auslegung aller jener Stellen,
welche Brander auf Seite 22-28 seiner Broschüre anführt. Aus diesen Stellen geht
hervor, daß Barbara das Wort Glauben sowohl für den göttlichen und katholischen
Glauben an das kirchliche Glaubensdepositum, als auch für den göttlichen bzw. menschlichen
Glauben an ihre Privatoffenbarungen gebraucht. Und sie darf dies tun, da ja auch
die Kirche und die Theologen das Wort Glauben sowohl für das Fürwahrhalten der ordentlichen
als auch der Privatoffenbarungen gebrauchen. Das Wort Glauben ist eben jeweils in
dem richtigen, jedem einigermaßen unterrichteten Gläubigen bekannten Sinne zu verstehen.
Wenn aber Brander glaubt, daß mit Bezug auf Privatoffenbarungen nur ein rein menschlicher
Glaube notwendig und möglich sei, so weiß in dieser Sache Barbara Weigand offenbar
besser Bescheid. Sie könnte sich auf den Dogmatiker Heinrich Seuse berufen, welcher
festhält ,,an der sententia communis et certa, daß nicht nur die durch die Kirche
proponierte, sondern eine jede göttliche Offenbarung, also auch eine sogenannte
Privatoffenbarung für denjenigen, welchem sie genügend proponiert ist, Grund und
Gegenstand wahrer fides divitia sein kann." Wohl sagt Papst Benedikt XV., daß Privatoffenbarungen
nicht mit fides catholica (katholischen Glauben) für wahr gehalten werden können,
weil sie nicht zum Gegenstand des katholischen Glaubens gehören. Indessen sagt Benedikt
XV. dennoch von allen Privatoffenbarungen, welche die Zeichen der Echtheit tragen:
,,An ihrer übernatürlichen und göttlichen Qualität darf in keiner Weise gezweifelt
werden." Wenn Barbara Weigand also für ihre Offenbarungen, die ihr selber genügend
proponiert waren, im allgemeinen ,,Glauben" verlangte, so hat sie sich dadurch in
keiner Weise gegen den katholischen Glauben verfehlt. Brander aber, der ohne zwingenden
Grund in das von Barbara gebrauchte Wort Glauben einen häretischen Sinn hineinlegt,
hat damit gegen die wichtige theologische Regel verstoßen, derzufolge man schwierige
und mißverständliche Worte in den Offenbarungen frommer Personen nicht schlechthin
als falsch und ketzerisch bezeichnen darf, weil sie auf den ersten Blick in solchem
Sinne verstanden werden können, vielmehr ihnen einen solchen Sinn beimessen muß,
der sich mit der Regel des Glaubens vereinbaren läßt.
Auch darin findet Brander Ketzerei, daß Barbara
den Herrn mit den Worten: ,,Sie sollen verkosten, wie süß der Herr ist", denjenigen
einen Lohn verheißt, welche an Barbaras Offenbarungen glauben; und ebenso, daß,
den Spöttern dort die Züchtigung von seiten Gottes angedroht wird. Dabei zieht aber
Brander nicht in Betracht, daß solche Verheißungen und Drohungen in fast allen Privatoffenbarungen
vorkommen. Wir haben oben im Kapitel VIII. die Worte des Herrn an Brigitta vernommen,
worin denjenigen, welche solche Privatoffenbarungen in Ehrfurcht annahmen, die Fülle
der göttlichen Barmherzigkeit versprochen wird, während den Verächtern derselben
zeitliche und ewige Strafen angedroht werden. Brander beweist also auch hier nicht
den Irrglauben von Barbara Weigand, sondern nur seine eigene Unkenntnis der mystischen
Theologie.
Aberglauben will Brander darin finden, daß Barbara
von der ,,Aufopferung am Abend", welche die Mitglieder des Liebesbundes täglich
beten sollen, folgendes Maria sagen läßt: ,,Seht, durch die tägliche Aufopferung
dieses Gebetchens, das mein Sohn verfaßte, mehr mir zu Ehren als ihm zur Verherrlichung,
werden all die Gebrechen und Unvollkommenheiten eurer Gebete getilgt.
Es ist geradezu empörend, wenn Brander in dieser
Äußerung Aberglaube wittern will. Der Gedanke, daß durch ein besonderes am Schlusse
vorausgegangener Gebetsübungen zu verrichtendes Gebet die Mängel und Gebrechen der
vorausgegangenen Gebete getilgt werden können, ist durchaus nicht abergläubig. Die
Kirche selber läßt den Priester am Schlusse des täglichen Breviergebetes ein besonderes
Gebet (Sacrosanctae et individuae Trinitati) verrichten, von welchem die ihm vorgedruckte
Rubrik sagt: ,,Denjenigen, welche folgendes Gebet nach dem Offizium andächtig verrichten,
hat Papst Leo XIII. Nachlaß der aus menschlicher Schwäche während desselben verschuldeten
Mängel und Sünden gewährt." Es verstößt durchaus nicht gegen den Glauben, ist vielmehr
der Lehre und dem Geiste der Kirche ganz entsprechend, wenn Barbara aus dem Munde
der Muttergottes die Anweisung zu einem ähnlichen Gebete erhalten haben will. Und
daß Gott seinen begnadigten Dienern mannigfach in Privatoffenbarungen Nachlaß und
Verzeihung von Mängeln und Unvollkommenheiten auf Grund einfacher Gebete anbietet
und verheißt, ist eine in der Mystik allbekannte Sache. So wird in dem herrlichen
Buche der hl. Gertrudis der Großen ,,Der Gesandte der göttlichen Liebe" von dieser
Heiligen folgendes erzählt: ,,Da sie eines Tages ihr Herz erforschte, fand sie einiges,
das sie gern gebeichtet hätte. Weil sie aber keinen Beichtvater haben konnte, flüchtete
sie zu dem einzigen Tröster, dem Herrn Jesus Christus, und klagte ihm diese Schwierigkeit.
Der Herr antwortet ihr: ,,Warum betrübst du dich? So oft du es verlangst, werde
ich, der höchste Priester und wahre Bischof, bei dir sein und jedesmal die sieben
Sakramente zugleich in deiner Seele wirksamer erneuern, als dies irgend ein Priester
oder Hohepriester zu sieben Malen vermöchte. Denn mit meinem kostbaren Blute werde
ich dich taufen, in der Kraft meines Sieges dich firmen, in der Treue meiner Liebe
dich mir vermählen, in der Vollkommenheit meines heiligsten Wandels dich weihen,
in der Huld meiner Barmherzigkeit von jeder Fessel der Sünde dich lossprechen, in
dem Übermaß meiner Liebe dich mit mir selber speisen und sättigen und in der Süßigkeit
meines Geistes dein ganzes Innere mit so wirksamer Salbung durchdringen, daß die
Fülle der Andacht durch alle deine Sinne und Bewegungen träufeln wird, so daß du
ohne Unterlaß befähigt und geheiligt wirst zum ewigen Leben."
Was hätte wohl aus diesen Verheißungen, falls
sie in Barbara Weigands Offenbarungen enthalten wären, ein Brander herausgelesen?
Entwertung der Sakramente, Verachtung der priesterlichen und bischöflichen Gewalt,
abergläubiges Vertrauen auf die Kraft des eigenen Gebetes: dies wären doch zum mindesten
seine Anklagen gewesen. Eine korrekte Theologie und die Kirche selber jedoch haben
niemals solche Anklagen gegen angeführte und ähnliche Stellen mystischer Schriften
erhoben. Und sie werden auch gegen die Verheißungen, welche Barbara Weigand bezüglich
des Gebetes ,,Aufopferung am Abend" aus dem Munde des Herrn bzw. seiner heiligsten
Mutter vernommen haben will, vom Standpunkt des Glaubens und der Sitte nichts einzuwenden
haben. Vielmehr dürfte eine gesunde Theologie in diesem Gebet nur einen Beweis dafür
finden, wie tief diese Schriften von Schippach in den Geist der Kirche eingedrungen
sind. Sie dürfte es wohl nur von ganzem Herzen begrüßen, wenn das bewußte Aufopferungsgebet
des Liebesbundes der Anlaß würde, daß die Kirche, wie sie dem Pflichtgebet des Priesters
durch ein Aufopferungs- und Ablaßgebet zu Hilfe gekommen ist, in ähnlicher Weise
auch das Gebet der Laien durch ein besonderes Ablaßgebet unterstützen würde. Der
kirchliche Theologe wird es aber zugleich bitter empfinden, daß aus den Reihen des
Klerus heraus ein so eminent praktischer Gedanke, wie er hier in dem Liebesbund
geäußert und angewendet wurde, schmähliche Verdächtigung und Bekämpfung erleben
mußte.
Diese Verdächtigung setzt Brander dadurch fort,
daß er die Lehre Barbaras, der zufolge das genannte Aufopferungsgebet seine Wirkung
aus dem Blute und Verdienste Jesu Christi schöpfe und so die Mängel der menschlichen
Mitwirkung ersetze, als häretisch darstellen will. Barbara läßt die Mutter Gottes
sagen: ,,Mein Sohn macht dieses Gebet zu seinem eigenen Gebet, weil durch die Aufopferung
und die Vereinigung seines kostbaren Blutes sein Blut an diesem Gebete klebt und
vor seinen himmlischen Vater hintritt und um Versöhnung schreit für seine Kinder",
und weiter: durch die Eintauchung der Gebete in das kostbare Blut Jesu ,,werde schneller
alles ersetzt als durch persönliches Verdienst erreicht werden könne." Brander sagt
hierzu: ,,Diese bequeme Sittenlehre ist neu in der Kirche, ebenso die Art und Weise,
sie ohne die kirchliche Schlüsselgewalt in Anspruch zu nehmen, Befreiung von Fehlern,
Unvollkommenheiten und Mängeln, und Teilhaftigmachung der Verdienste Christi einem
bestimmten Gebete als Wirkungen zugesprochen werden".
Brander weiß also nicht, daß diese ,,neue" und
,,bequeme" Lehre in der mystischen Theologie mindestens so alt ist, als die Offenbarungen
der hl. Gertrudis, aus welchen wir oben jene bemerkenswerte Stelle wiedergegeben
haben, die ebenfalls ohne Inanspruchnahme der kirchlichen Schlüsselgewalt, ja noch
wirksamer als durch irgend einen Priester oder Hohenpriester, Befreiung von Fehlern
und Mängel, ja sogar Lossprechung von jeder Fessel der Sünde in Aussicht stellt,
und zwar unter demselben Hinweis auf das kostbare Blut Jesu, auf die Vollkommenheit,
Barmherzigkeit und Liebe Jesu, wie dies bei Barbara Weigand der Fall ist.
Es ist kaum nötig, hier auseinanderzusetzen,
wie diese Stellen mit der Regel des katholischen Glaubens trefflich übereinstimmen.
Uns genügt es zu wissen, daß das, was im Munde einer hl. Gertrudis nicht Häresie
gewesen, auch eine Barbara Weigand nicht zur Ketzerei zu stempeln vermag. Um aber
darzustellen, wie schwer das Unrecht ist, welches Brander hier einer Barbara Weigand
zufügt, ist es doch am Platze, die vollkommene Übereinstimmung der bewußten Weigand'schen
Stellen mit der Kirchenlehre anzudeuten. Was durch die ,,Aufopferung am Abend" um
der Verdienste Christi willen getilgt und ersetzt werden soll, sind die den Gläubigen
bei der Verrichtung ihrer täglichen Gebete unterlaufenen Fehler und Mängel, also
läßliche Sünden und Unvollkommenheiten, die nicht einmal läßliche Sünden, sondern
nur Schwächen sind, wie z. B. gerade die häufigen unfreiwilligen Zerstreuungen beim
Gebete. Barbara Weigand befindet sich aber in vollkommener Übereinstimmung mit der
katholischen Katechismuslehre, wenn sie annimmt, daß solche Unvollkommenheiten und
auch läßliche Sünden nicht bloß durch Akte der kirchlichen Schlüsselgewalt, sondern
schon durch gute Werke, wie z. B. durch Gebet, nachgelassen werden können. So sagt
z. B. der bekannte Volkskatechismus von F. Spirago: ,,Nachgelassen werden die läßlichen
Sünden durch gute Werke, die man im Stande der Gnade verrichtet. Solche guten Werke
sind: Gebet, Fasten, Almosengeben, Anhörung der hl. Messe, Empfang der hl. Kommunion,
Gebrauch der Sakramentalien, Gewinnung von Ablässen, Verzeihung der Beleidigungen."
In dem genannten Katechismus wird besonders der
hl. Augustinus angeführt, welcher schreibt: ,,Ein Vaterunser, aus dem Herzen gesprochen,
zerstört die läßlichen Sünden eines ganzen Tages." Wie glänzend rechtfertigt hier
die katholische Tradition eine Barbara Weigand, wenn diese es unternimmt, die Mitglieder
des Liebesbundes zu einer schon vom hl. Augustinus empfohlenen frommen Übung anzuhalten,
indem sie dieselben ermahnt, am Abend durch ein Gebet alle Gebrechen und Unvollkommenheiten,
die bei den täglichen Gebeten unterlaufen sind, zu tilgen.
Nicht hoch genug kann man es der Seherin von
Schippach anschlagen, daß sie damit eine alte katholische Übung und Lehre betonte,
welche in manchen katholischen Kreisen derart in Vergessenheit geraten ist, daß
selbst ein Theologe wie Brander in ihr auf den ersten Blick nur Häresie vermutet.
Riecht aber Barbaras Berufung auf die Verdienste
Jesu Christi nicht gar zu sehr nach der bequemen protestantischen Lehre, derzufolge
das Verdienst Christ alles, die guten Werke aber nichts bedeuten? Brander kann diesen
Argwohn nicht los werden. Wie aber beruft sich denn Barbara auf die Verdienste Christi?
Sind es denn nur allein diese Verdienste Christi, durch welche sie Nachlassung der
bewußten Gebrechen und Unvollkommenheiten erlangen will? Oder ist es nicht gerade
ein gutes Werk, nämlich ein Gebet, in welchem sie mit der aus dem Verdienst Christi
stammenden Gnade mitwirkt? Es gehört doch eine gute Portion kurzsichtiger Verbohrtheit
dazu, um letzteres zu übersehen.
Und Brander übersieht derartiges immer dort,
wo er eben nur auf solche Weise seine These von der Häresie Barbaras stützen kann.
Hier paßt es ihm in den Kram zu zeigen, daß Barbara Ketzerei lehre, indem sie in
übermäßiger Weise die Verdienste Jesu Christi heranziehe. An anderer Stelle kennt
Brander hinwiederum kaum einen schärfer betonten Vorwurf als den, daß Barbara ein
völliges Ungenügen (Insuffizienz) des Leidens und ganzen Mittleramtes Christi lehre!
So verwickelt sich Brander gerade wieder bei einem seiner Hauptzüge in die offenbarsten
Widersprüche. Denn das Weigandsche System, wenn es das Ungenügen des Verdienstes
Christi lehrt, kann doch nicht zugleich auch das Genügen des Verdienstes Christi
betonen. Wollte man aber Brander so verstehn, als ob Barbara wirklich beide einander
ausschließenden Lehren vortrage, dann würde Brander sich wieder darin widersprechen,
daß er Barbaras Offenbarungen ein mit Raffiniertheit zusammengestelltes System nennt;
es wäre ja alsdann nur ein Haufe grober Widersprüche vorhanden, der allem anderen
als eben dem Begriff des raffinieren Systems entspräche. Brander hat sich in der
Zwickmühle der ,,Widersprüche", in welcher er Barbara bloßstellen wollte, selber
in jämmerlicher Weise gefangen.
Die Sache könnte zum Lachen reizen, wenn sie nicht vorderhand für Barbaras Ehre
und guten Namen eine so bittere Wendung genommen hätte. Die Welt hat bis jetzt nur
Augen und Ohr für die Brander'schen Anwürfe gehabt, so paradox und unsinnig die
letzteren auch sein mochten. Und so konnte ein Menschenleben, das in wahrer Frömmigkeit,
Demut, Edelmut, Opfersinn dahingeflossen war, in den Kot der schlimmsten Verketzerung
niedergetreten werden. Wo eben die dem Übernatürlichen abgekehrte und mißtrauende
Welt gegen eine Begnadigte das auf Ketzerei lautende Urteil gesprochen sieht, da
trägt sie gerne das Holz zum Scheiterhaufen zusammen, vor welchem sie sonst so emsig
alle Ketzer zu retten sucht. So haben denn auch gewisse, sonst recht kritisch veranlagte
Literaten- und Journalistenkreise die Brander'schen Verketzerungen der Schippacher
Offenbarungen mit dem stupidesten Köhlerglauben hingenommen und in der Presse wiedergekaut.
Waren damit doch zwei der verhaßten Übernatürlichkeitsrichtung dienende Werke, Liebesbund
und Sakramentskirche, in ihrer Wurzel und Herkunft schon als ketzerisch verfehmt.
Denn den ursächlichen Zusammenhang jener Werke mit den nun allgemein als ketzerisch
geltenden Schriffen von Barbara Weigand hatte ja Brander in der Tat unwiderleglich
nachgewiesen.
Wie sehr muß aber gerade dieser Nachweis wieder der Rechtfertigung Barbaras und
ihrer begonnenen Werke dienen, sobald eben der Wurzelbezirk dieser Werke, die Offenbarungen
der Seherin von Schippach, wieder von dem Verdachte der Häresie gereinigt sind!
Und wie leicht dies letztere zu bewerkstelligen ist, dürften unsere Ausführungen
doch wohl zur Genüge gezeigt haben. Der Nachweis des Zusammenhangs der Schippacher
Offenbarungen mit dem Liebesbund und der Sakramentskirche aber, den Brander zum
Kern und Stern seiner Argumentation machte, wird dann zum radikalsten, fundamentalsten
Erweise des unversehrten katholischen Charakters und der sittlichen Güte der Schippacher
Werke werden. Inzwischen jagt Brander noch seiner zweiten Absicht nach, nämlich
auch den entfernteren Zweck, den Barbara verfolgt, d.h. ihr Projekt der Erneuerung
des katholischen Lebens, nach Kräften zu verketzern.
Brander kennt dieses großartige Projekt in seiner wahren Bedeutung sehr wohl und
er kann sich der Güte und Herrlichkeit derselben kaum verschließen. Aber seine vorgefaßte
Abneigung verdunkelt doch wieder gänzlich seinen Blick und legt auf seine Lippen
gerade hinsichtlich dieser Seite der Schippacher Sache die schmachvollste Lästerung.
So kommt er in seiner Broschüre zu folgenden
Worten: ,,Welch schöner Plan! Zusammenschluß aller guten und getreuen Kinder der
hl. katholischen Kirche, um einen Damm zu bilden gegen den herrschenden Zeitgeist!
Nur schade, daß a) das Fundament dieses Dammes nicht der Fels Petri ist, sondern
Barbara Weigand und ihre zwei Freundinnen und b) daß man den Damm bauen will nicht
so sehr wegen des Unglaubens, sondern daß man umgekehrt den reißenden Strom des
Unglaubens und der Sittenlosigkeit braucht, um seinen geplanten und erwünschten
,,Damm" bauen zu können."
Wenn diese Worte nicht Unsinn sind, so sind sie
Lästerung. Vielleicht sind sie Unsinn und Lästerung zugleich!
Diesen Brander'schen Worten zufolge ,,braucht",
d.h. erfand Barbara nur für ihre Betrugszwecke das Bild vom heutigen Strom des Unglaubens
und der Sittenlosigkeit. In Wirklichkeit entspricht, wie Brander ausdrücklich behauptet,
die Weigand'sche Annahme, daß unsere Zeit die schlechteste seit Beginn der Schöpfung
sei, nur der ,,krassesten Unwissenheit aller geschichtlichen Verhältnisse". Und
dies behauptet ein Brander während der Regierungszeit des Hl. Vaters Benedikt XV.,
der sofort in seiner ersten Enzyklika das Bild zeichnete, ,,das Europa und mit ihm
die ganze Welt bietet, ein Bild, wie es schrecklicher und trauriger seit Menschengedenken
wohl nie geschaut wurde," das Bild einer ,,solchen Verwirrung der Geister und Verwilderung
der Sitten, daß, wenn Gott nicht bald Hilfe schafft, der Zusammenbruch der menschlichen
Gesellschaft nahe bevorzustehen scheint." Wahrlich, die Angaben Barbaras über den
heutigen Zustand der Welt haben vom Felsen Petri aus die ausgiebigste Bestätigung
erfahren! Barbara hat das traurige Bild der heutigen Welt nicht erfunden, sie ,,brauchte"
es nicht. Wohl aber brauchte oder bedurfte die Welt des von Barbara schon seit Jahrzehnten
geschauten Planes einer Erneuerung der Welt in Christus und der Kirche, eines Planes,
welchen Papst. Pius X. in seiner ersten Enzyklika so großartig bestätigte und darlegte,
und welchen Papst Benedikt XV. in seiner ersten Enzyklika aufgreift und weiterverkündigt.
Will man aber das Wort vom ,,brauchen" des traurigen Weltbildes gelten lassen, dann
kann man nur sagen, daß die beiden genannten Päpste dieses entsetzliche Bild in
demselben Sinne und zu demselben Zwecke in ihren Rundschreiben gebrauchten oder
anwendeten, zu welchem es auch Barbara Weigand in ihren Schriften angewendet hat.
Brander aber hat neben der Stimme der Seherin, die er verachtete, die Stimme des
Papstes in dieser Frage der heutigen Weltlage gänzlich überhört. Er stimmt in dieser
Frage mit dem Papste so wenig überein, daß er das vom Papste bestätigte Weltbild
Barbaras als ,,krasseste Unwissenheit aller geschichtlichen Verhältnisse" bezeichnet.
Brander steht also in seiner Auffassung der heutigen Weltlage nicht auf dem Felsen
Petri. Und er will nun gerade eine Person, welche sich auch in dieser Frage als
mit beiden Füßen auf dem Felsen Petri stehend erweist, in den Verdacht bringen,
daß sie den Damm, welchen sie gegen den Strom der modernen Sittenlosigkeit und des
modernen Unglaubens aufrichten will, nicht auf das Fundament des Felsens Petri,
sondern auf demjenigen ihrer eigenen Person und der Person ihrer Freundinnen errichtet
habe.
Und diese unsinnige Verdächtigung sucht er mit
folgender Deduktion zu stützen: ,,Dieser Liebesbund ist der Mittelpunkt zur Besserung
der menschlichen Gesellschaft; das Fundament und der Mittelpunkt des Liebesbundes
aber ist Barbara Weigand und ihre zwei Freundinnen. Immer betont Jesus in den Gesprächen:
,,Wer sich euch anschließtl!" Damit ist die hierarchische Verfassung der Kirche
gesprengt; Papst, Bischöfe und Priester sollen sich an drei Jungfrauen anschließen,
um die Welt zu retten!"
Auch hier wieder eine ganz hyperkritische, pietätlose
unbescheidene Auslegung einer ganz leicht im Sinne der kirchlichen Lehre auszulegenden
Stelle! Wenn Barbara sich und ihre beiden Freundinnen als die Fundamente des von
ihnen gegründeten Vereines bezeichnet, mußte sie dadurch notwendig diesen Verein
von dem allgemeinen Fundamente der ganzen Kirche, dem Felsen Petri, hinweggerückt
haben? Wenn ich Benedikt und Scholastika als die Fundamente des abendländischen
Ordenslebens, oder wenn ein Ignatius von Loyola seine erste Exerzitienbetrachtung
als das Fundament der von ihm gepredigten Lebenserneuerung, oder wenn ein Volksverein
für das katholische Deutschland einen Windthörst und Ketteler als die Fundamente
seiner Organisation bezeichnet, sind dadurch alle diese von dem allgemeinen Fundamente
der ganzen Kirche, dem Felsen Petri, abgerückt worden? Oder kann nicht eben jeder
Verein, jede Unternehmung innerhalb der Kirche außer dem generellen Fundamente,
dem Felsen Petri, auch noch ihre speziellen Fundamente besitzen, welche selber wieder
in das generelle Fundament, den Felsen Petri, fest eingebaut sind, und so das Ganze
ihres Aufbaus nur um so inniger mit dem Felsen Petri verbinden?
Und hat dies nicht eben Barbara bezüglich des
Liebesbundes bewerkstelligt, indem sie den innigen Zusammenschluß seiner Gründerinnen
mit Papst, Bischöfen und Priestern aufs schärfste betont? Aber, so meint die Brander'sche
Einrede, Barbara will ja weniger sich an den Papst, als vielmehr den Papst an sich
und ihre Freundinnen anschließen, und damit ist die hierarchische Verfassung der
Kirche gesprengt."
Dann wäre wohl auch damals die hierarchische Verfassung der Kirche gesprengt worden,
als die arme Jungfrau von Siena, die hl. Katharina vom Papste und den Kardinälen
verlangte, sich ihr und ihren Ansichten und Offenbarungen anzuschließen und demgemäß
den Sitz der päpstlichen Hofhaltung von Avignon wieder nach Rom zu verlegen.
Nach Brander'scher Auffassung hätten dann auch
jeweils so manche heilige Ordensstifter die hierarchische Ordnung der Kirche gesprengt,
indem sie den Papst von der Seite ihrer oft zahlreichen und mächtigen Gegner abzuziehen
und ihn zum Anschluß an ihre, den Ordensstifter, Ansichten und Unternehmungen zu
bewegen suchten und so oft bewogen haben.
Nach Brander'scher Auffassung müßte dann überhaupt
jede gute, das kirchliche Leben betreffende Idee immer nur im Kopfe des Papstes
entspringen. Vom Papst selbst müßte immer das zur Erneuerung des kirchlichen Lebens
gerade notwendige ,,Projekt" zuerst gefunden worden sein; denn der Papst darf sich
ja nach Brander'scher Ansicht nicht an ein von anderer Seite dargebotenes Projekt
anschließen, weil sonst die hierarchische Ordnung gesprengt werde.
Daß eine solche Ansicht jedoch blanke Absurdität
ist, liegt auf der Hand. Brander hat offenbar eine ganz verkehrte Auffassung vom
Walten und Wirken des heiligen Geistes in der Kirche. Branders Ansicht über den
Zusammenschluß vom Papste mit den übrigen Gliedern der Kirche läßt sich nur aufrecht
erhalten, wenn man den Papst als das einzige, und zwar inspirierte Werkzeug des
Heiligen Geistes in der Kirche ansieht. Um den rechten Zusammenschluß aller in der
Kirche zum Zweck einer Erneuerung des kirchlichen Lebens zu bewirken, dürfte nur
der Papst den Plan dieser Erneuerung zuerst fassen, damit eben nie der Papst sich
dem Plane eines anderen Gliedes der Kirche anzuschließen bräuchte. Dem Papste also
müßte der heilige Geist den betreffenden Plan direkt eingeben oder inspirieren.
Nun ergibt sich aber aus der Lehre der Kirche, daß der Papst in seinem obersten
Lehr- und Hirtenamt nicht die Inspiration oder Eingebung, sondern nur die Assistenz
oder den Beistand des heiligen Geistes besitzt, sowie auch, daß er nicht das einzige
Organ des heiligen Geistes in der Kirche ist.
Die Kenntnis der ,,geschichtlichen Verhältnisse"
unserer Kirche bestätigt aber die Lehre der Kirche. Oftmals hat sich der heilige
Geist anderer, und gewöhnlich unansehnlicher, demütiger, ungelehrter Glieder der
Kirche und unter ihnen nicht selten schwacher Jungfrauen bedient, um seine Pläne
für die Erneuerung des kirchlichen Lebens zur Kenntnis des Stellvertreters Christi
in Rom zu bringen. Und unter dem oft ganz sichtlichen Beistand des heiligen Geistes
haben die Päpste trotz der Bedenken, welche die Welt und deren fleischliche Klugheit
geltend machte, die vielfach verhöhnten und verketzerten Pläne der verachteten Diener
Gottes entgegengenommen, sich selber diesen Dienern Gottes und deren Plänen bestätigend,
segnend, aufmunternd, angeschlossen. So hatte in unseren Tagen Papst Leo XIII. aus
den Händen einer schwachen Jungfrau den Plan der Weltweihe an das göttliche Herz
Jesu entgegengenommen; desgleichen Papst Benedikt XV. den der Thronerhebung des
hl. Herzens aus den Händen eines armen Ordensmannes. Und mit welcher Freude und
kräftigen Unterstützung haben sich nicht beide Päpste den bewußten Personen und
ihren Plänen angeschlossen! Sie wollten gewiß mit diesem Anschluß nicht die hierarchische
Ordnung der Kirche sprengen und haben sie nicht gesprengt.
Barbara Weigand kann also über den sittlichen
Wert und katholischen Charakter ihres Welterneuerungsplanes vollkommen beruhigt
sein. Der Damm, welchen sie mit der Erneuerung des katholischen Lebens dem Unglauben
und der Sittenverderbnis entgegengesetzt hat, ruht mit seinen Fundamentquadern tief
in dem Felsen Petri. Wären nur auch die Ansichten und Absichten ihrer literarischen
und journalistischen Gegner ebenso tief in dem Felsen Petri fundamentiert! Dann
würden diese Gegner nie der Sache von Schippach feind geworden sein.
So erscheinen die Gründungen der Seherin von
Schippach, eucharistischer Liebesbund und Sakramentskirche auch in ihrem Endzweck,
der Erneuerung des katholischen Lebens, als kirchlich korrekt durchaus gerechtfertigt.
Damit fällt aber auch der Brander'sche Einwand,
daß die Schippacher Werke gefährlich seien. Was kirchlich korrekt ist, kann nicht
gefährlich sein: Welche Gefahren sollte auch ein religiöser Verein bieten, der sich
so eng an die kirchliche Hierarchie anschließt und sich so ganz und gar der Leitung
der kirchlichen Autorität anheimgibt? Wahrlich, es gibt doch heute ,,katholische"
und interkonfessionelle Vereine genug, deren Anschluß an die kirchliche Hierarchie
mehr als problematisch ist und die sich oft geradezu zum Grundsatz machen, die Unterwerfung
unter die Leitung der kirchlichen Autorität abzulehnen; wir haben aber Brander diesen
Vereinen gegenüber nicht auf dem Plane gesehen, von den Blättern aber, die unter
Branders Führung gegen Schippach eiferten, treiben die meisten für solche Vereine
die regste Propaganda. Haben diese Gegner von Schippach irgend welches Recht, von
den ,,Gefahren" des eucharistischen Liebesbundes und der Sakramentskirche zu reden?
Und um speziell noch von der Sakramentskirche
zu reden, welche Gefahren für Glauben und Sitten soll dieselbe in sich bergen, da
doch ihre spätere Verwaltung ganz unter der Leitung des Diözesanbischofs und der
bischöflichen Behörde stehen wird? Kein Priester wird an ihr angestellt werden,
den eben nicht der Bischof gesandt und angestellt hat; keine Funktion wird in ihr
vorgenommen, welche nicht mit der Genehmigung, und dem Willen der kirchlichen Vorgesetzten
geschieht. Die Gefahr aber, daß in ihr Irrtümer gepredigt werden, ist gewiß nicht
größer, als in jenen Kirchen, in welchen Gegner von Schippach predigen. Wir brauchen
uns nur an die Menge irriger Ansichten und schiefer Ideen zu erinnern, welche ein
Dr. theol. Vitus Brander, sowohl was die mystische als auch die sonstige Theologie
betrifft, auf seinem gegen Schippach gerichteten Kreuzzug entwickelt hat.
Es bleibt schließlich nur der Einwand Branders,
daß die Werke von Schippach entbehrlich, d.h. überflüssig seien. Und zwar deshalb
entbehrlich, weil schon andere ähnliche Werke in der Kirche bestehen.
Das ist der törichteste aller verkehrten Einfälle,
mit welchen Brander die Schippacher Sache attackiert. Auf Grund dieses Einwandes
könnte man jeden neuen Orden, jede neue Bruderschaft, jeden neuen kirchlichen Verein,
jede neue Wallfahrtskirche usw. für entbehrlich erklären. Wie müßte dann aber das
kirchliche Leben allmählich stagnieren und eintönig werden! Es wäre gar bald seiner
prächtigen und praktischen Mannigfaltigkeit, seines tausendfältigen Blütenschmuckes
beraubt. Und beraubt auch jener wohltuenden Freiheit des Geistes, wie sie auf dem
Grunde des kirchlichen Glaubens und der kirchlichen Disziplin gerade durch die mannigfaltige
Entwicklung des kirchlichen Lebens ermöglicht ist und sich dokumentiert.
Daß diese Freiheit gerade auch den Liebhabern
einer intensiveren Frömmigkeit, den Freunden jener höheren Vollkommenheit, wie sie
die Mystiker lehren, den Gottesfreunden, wie sie das Mittelalter nannte, gewahrt
bleiben muß, sehen freilich Männer wie Brander, Zahn, A. Ludwig u. a. nicht ein.
Wo immer eine kontemplativ veranlagte Seele ihre höheren Wege geht, ihre tiefere
Auffassung des Lebens und der Welt betont, die vom Standpunkt ihres übernatürlichen
Wissens und Schauens praktisch in das Leben eingreifen will, rufen ihre gleichgestimmten
Freunde sogleich nach der Inquisition und, wie im Falle von Schippach, auch nach
der Staatsgewalt und dem Polizeistock. Irrenanstalt oder Gefängnis erscheinen ihnen
als die geeignetsten Aufenthaltsorte für solche Begnadigten, je nachdem die moderne
Psychopathographie und ähnliche Wissenschaften auf Hysterie, Betrug oder Säuferwahnsinn
erkannt hat. Dort können dann die Begnadigten ihre Kontemplationen darüber anstellen,
daß die moderne Theologie eine Geistesfreiheit nur für die natürliche Dressur des
Geistes und nur für die ordinären Wege der Frömmigkeit anerkennt, während sie alles,
was über dieses Niveau hinausgeht, als entbehrlich mit Gewalt aus dem Wege räumt.
Man könnte, jenen terroristischen Angstmaiern,
die auf eine wahre Verfolgungswut gegenüber allen Erscheinungen des mystischen Lebens
verfallen, am besten das Löschhorn ins Wappen setzen. Denn der horror rerum supernaturalium,
die knieschlotternde Angst vor den mystischen Dingen, welche diese Leute und ihren
ganzen Stammbaum seit den Tagen des Humanismus befangen hält, hat bei uns in Deutschland
so gründlich ,,den Geist ausgelöscht", daß während der letzten vier Jahrhunderte
nur 5 Heilige deutscher Nation kanonisiert wurden. Nicht als ob während dieser langen
Zeit nicht noch viele andere, wahrhaft heilige und begnadigte Seelen im deutschen
Volke gelebt hätten. Aber die Vorsehung hielt sie im Verborgenen, um der Kirche
das Leid zu ersparen, das ihr aus der Verfolgung erwächst, welche die eigenen Söhne
und sogar Priester der Kirche zur größten Freude des Irr- und Unglaubens regelmäßig
beim Bekanntwerden mystischer Zustände und Erscheinungen gegen die Träger solcher
Begnadigungen mit Fleiß erregen. Eine naturalistische und rationalistische Richtung
im katholischen Lager Deutschlands glaubt, daß das katholische Leben in unserem
Land der höheren Wege der Vollkommenheit und Mystik entbehren könne und entbehren
müsse. Und so entbehrt tatsächlich Deutschland seit den letzten Jahrhunderten jenes
wundervollen Flors der Heiligen, welche bereits der Prophet als die herrlichste
Zierde des Reiches Christi gepriesen hat, indem er dem kommenden Erlöser zurief:
,,Mit Dir ist die Herrlichkeit am Tage Deiner Kraft im Glanze Deiner Heiligen."
Möge die Zeit wiederkehren, wo dem Glanze der
Heiligkeit und dem Wehen des Heiligen Geistes auch in unserem Vaterlande wieder
freie Bahn geschaffen ist. Dazu ist notwendig, daß sich vor allem unsere Priester
und Theologen erinnern, daß sie sich befähigen müsssen, nicht etwa die Verfolger,
sondern die geistlichen Führer frommer und begnadigter Seelen zu sein. Diese Befähigung
erlangen sie aber nicht an den Pfützen des Rationalismus und bei den Trebern des
Modernismus, sondern nur bei der gesunden und reichen Kost des Vaterhauses, wie
sie auch in der Mystik nur die Tradition der katholischen Kirche bietet. Anstatt
mit dem Abhub einer fälschlich sogenannten Wissenschaft des Irr- und Unglaubens
mögen unsere Priester mit den großen Meistern der mystischen Theologie der Vorzeit
sich mehr und mehr beschäftigen. Dann werden uns Irrwege und Ärgernisse, wie sie
in der Bekämpfung der Sache von Schippach wieder offenbar wurden, erspart bleiben.
Inhaltsverzeichnis
THEOLOGISCHE
WÜRDIGUNG
ÜBER BARBARA WEIGAND
v. P. Bonifatius Günther OCD
Zur Beurteilung der Aufzeichnungen der Barbara Weigand lagen mir
48 Notizbücher, sowie zwei große Hefte vor, dazu auch die Schrift von Dr. Vitus
Brander ,,Die Seherin von Schippach" und die Biographie von DDr. Wilhelm Büttner
,,Barbara Weigand von Schippach."
Wenn man den Maßstab, den das Leben und die Schriften echter Mystiker
bieten, hier anlegt, gewinnt man den Eindruck: Die Offenbarungen der Barbara Weigand
sind glaubwürdig. Für deren Echtheit spricht:
a) |
Die geradezu rücksichtslose Aufdeckung der ganzen Armseligkeit
des Werkzeuges, dessen sich der Herr für seine Pläne bedient hat. |
|
|
b) |
Die Tatsache ihres heroischen Lebens |
|
|
c) |
Das Bild Gottes, das man aus den Aufzeichnungen von ihm
gewinnen kann. Zu diesen Themen ist im einzelnen zu fragen: |
Inhaltsverzeichnis
1. Enthalten
die Aufzeichnungen Verstöße gegen die kirchliche Lehre?
Bei manchen Stellen scheint es der Fall zu sein.
Nun muß aber doch berücksichtigt werden: Auch in den Schriften heiliger Mystiker
gibt es Irrtümer. Poulain, S. J. führt in seinem zweibändigen Werk die Fülle der
Gnaden (im 2. Band) dreißig Beispiele frommer Personen an. Darunter jene der hll.
Gertrud, Hildegard, Norbert, Vinzens Ferreri. (S. 35)
Er betont aber zugleich: Die Fehler sind nicht
so häufig und von untergeordneter Bedeutung. Und wenn die eine oder andere Offenbarung
falsch ist, folgt keineswegs, dass auch die Ekstasen unecht sind. (S. 34)
Als Aussprüche in den Aufzeichnungen der Barbara
Weigand, die der Lehre der Kirche nicht entsprechen, seien, nur die wichtigsten
angeführt: ,,Tag um Tag lasse ich mich hinschlachten im hl. Messopfer durch die
Hände des Priesters auf geheimnisvolle Weise, und selbst der Priester kennt mich
nicht. Er schlachtet mich und geht hinaus aus der Kirche und schaut sich nicht mehr
um nach seinem Gott, den er eingeschlossen hat in die hölzerne Tür...
,,Die Welt erkaltet in der Liebe. Mein Eucharistischer
Leib ist verschmäht und verachtet. Er wird zerrissen von Tag zu Tag immer mehr.
Ein Stück um das andere löst sich los von meinem Eucharistischen Leib und vermodert
in der Sinnlichkeit..." wahrscheinlich ist der mystische Leib gemeint. (S. 31 -
1899/249)
,,Als die Wandlung vorüber war, sah ich neben
dem Priester meinen verstorbenen Beichtvater mit ganz weißem Gewand, jedoch nicht
deutlich. Als der zelebrierende Priester die hl. Kommunion empfing, sah ich wie
die weiße Gestalt sich mit dem Priester in der hl. Hostie vereinigt." (S. 6 - 95/6)
Christus sagte: ,,Ich war gestern so bedrängt durch die Todsünden und konnte dir
nichts mitteilen". (S.30-1908/289) ,,Du mußt wissen, das Kloster, die Klostmauern
sind nur gebaut für diejenigen, die in der Welt zu schwach sind". (S.32-1896/70)
Nun finden sich aber in den Aufzeichnungen selbst bereits die Richtigstellungen.
,,Obwohl ich im Tabernakel mit Fleisch und Blut
gegenwärtig bin, habe ich aber nur einen verklärten, einen leidensunfähigen Leib."
(S. 18 - 1906/260)
,,Ich bin zurückgekehrt in den Schoß meines Vaters
... deshalb bin ich leidensunfähig." (S. 114/15 - 1896/70) ,,Weil ich leidensunfähig
bin, so lege ich meine Schmerzen auf meine liebsten Kinder." (S. 90 - 1901/104)
Bei Beurteilung der Aufzeichnungen sind dann
besonders die Stellen wichtig, in welchen die Begründungen gegeben werden, warum
das eine oder andere falsch ist oder anstößig erscheint. Deshalb kann auf die Anführungen
weiterer solcher Stellen verzichtet werden.
Als Gründe für die Unrichtigkeiten in den Aufzeichnungen
sind folgende angegeben: ,,Gott muß sich anpassen, damit das armselige Wesen ihn
verstehen kann." (S. 14 - 1998/172)
,,Der Geist des Menschen ist verbunden
mit meinem Geist, wenn ich in ihm wirke. Er fasst es nach seiner Auffassungsgabe
auf und so kommt es manchmal vor, dass ein kleiner Irrtum einschleicht und ein andermal
lasse ich es zu, um die Seele in der Demut zu üben und sie vor der Selbstgefälligkeit
zu bewahren." (5.10/11 - 1999/264)
,,Weil der Mensch aus Leib und Seele besteht
und der Geist doch auch mit seinem Menschenherz verbunden bleibt, kommt es vor,
daß er manchmal zu dem, was ich rede seine Gedanken mit einmischt." (S. 127 - 1896/51)
Barbara fragt einmal: ,,Wie kommt es aber, daß
ich verstanden habe: ich hätte jetzt eine Zeitlang Ruhe. Jetzt wird man erst recht
sagen: ich bin eine Schwindlerin." (Sie hatte nämlich keine Ruhe.)
,,Meine Tochter", erhielt sie zur Antwort, ,,kümmere dich nicht, lass andere nur
sagen was sie wollen. Freilich hättest du gerne Ruhe gehabt. Der Mensch ist einmal
so. Er möchte gerne in der Ruhe seinen Himmel verdienen und zum Leiden sind die
allerwenigsten bereit; denn alle gehen gern einen bequemen Weg. Und das ist auch
bei dir der Fall. Darum wundere dich nicht. Ich habe dir neulich gesagt, daß sich
dein Geist manchmal mit einmischt, besonders wenn du etwas wünscht und gern hättest,
daß ich es dir tue. Du möchtest gern deinen Willen durchführen und nicht den meinen,
darum glaubst du, wenn du mir etwas vorschwätzt, so würde ich es tun wie du willst.
Ich will aber nicht, ich will daß die Menschen und die Diener meiner Kirche gerade
an deinem Leiden sehen sollen, daß ich es bin, daß das Leiden ein Kennzeichen ist,
daß meine Hände im Spiele sind!" (S. 147 - 1896/51)
Ausdrücklich heißt, es: ,,Die Vorgesetzten haben
die Pflicht, nicht sogleich und absolut zu glauben." (S. 12/13 - 1898/51) Einem
Leser wurde geraten: Er studierte die Schriften, ohne an Kleinigkeiten Anstoß zu
nehmen. Was er aber kindisch und mangelhaft findet, soll er ruhig streichen. (S.
39 - 1899/225)
An anderer Stelle heißt es: ,,Wo ein Fehler vorkommt,
soll er verbessert werden." (S. 57 - 1897/113)
Der Verfasserin eines guten Buches wird gesagt:
,,Sie soll nur den Honig aus den Hülsen herausziehen und ihn meinen Kindern zu verkosten
geben. Was sie in den Schriften findet, ist noch in deine Worte eingekleidet und
viele können es nicht fassen, weil sie von den großen Hülsen nichts annehmen." (S.
40 - 1901 - 104)
ln einer Erscheinung sagte ihr die hl. Barbara:
,,Du glaubst getäuscht zu sein, aber wisse, um sich der Fassungskraft der Menschen
anzupassen, zeigt sich der liebe Gott seinen treuen Kindern nur in Bildern und Gleichnissen
wie der Sohn Gottes es auch tat, als er persönlich zu den Menschen redete. Was du
hier siehst, ist nur bildlich gezeigt und deutet auf den Lohn der Tugend, die die
verklärte Seele im sterblichen Leben geübt hat." (S. 54 - 1900/1)
Diese Worte: ,,nur bildlich gezeigt" sind sehr
wichtig. Sie erklären, was sonst sehr schwer verständlich ist: daß Christus als
Kreuzträger erscheint, daß das Herz der Mutter Gottes von sieben Schwertern durchbohrt
ist, daß sie weint.
Eindeutig heißt es: bildlich gezeigt. Christus
trägt kein Kreuz mehr. Die Mutter Gottes weint nicht mehr, das Leiden ihres göttlichen
Sohnes und das ihrige war mit seinem und ihrem Tod entgültig vorbei. Beide sind
jetzt leidensunfähig.
Wenn Mystiker aber sehen, daß Christus leidet und die Mutter Gottes weint, dann
kann man nicht sagen: Christus oder die Mutter Gottes täuschen hier. Bei Gott ist
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eines. Was hier bildlich gezeigt wird, hat
sich in den Kartagen als Wirklichkeit zugetragen. Auch unsere Sünden hatten damals
Jesus und Maria vor Augen, auch über unsere Sünden haben sie geweint, auch für unsere
Sünden haben sie gelitten. Durch die Erscheinungen Christi als Schmerzensmann und
der Gottesmutter als Schmerzensmutter soll den Mystikern und den Gläubigen nur lebhaft
zum Bewusstsein kommen, was wir durch unsere Sünden ihnen angetan und was sie für
jeden einzelnen gelitten haben.
Darum schenkte Gott die Leidensvisionen einer Katharina Emmerich und einer Therese
Neumann. Darum die Mutter-Gottes-Erscheinungen in La Salette und die weinende Madonna
in Syrakus. Die Menschen sollten dadurch angeregt werden sich zu bessern, Gott treuer
zu dienen und ihn inniger zu lieben.
Es ist allgemeine Ansicht der Gottesgelehrten, daß Christus nach seiner Himmelfahrt
keinen mehr auf Erden in seinem verklärten Leib erschienen sei, außer dem hl. Paulus
bei seiner Bekehrung. Deshalb verlieren aber echte Christuserscheinungen nicht an
Wert. Hieronymus Jaegen schreibt in seinem Buch ,,Das mystische Gnadenleben" S.
52: ,,Der Heiland, der als Gott allgegenwärtig ist, kann überall einen von einem
Engel gebildeten Christuskörper beleben, während er gleichzeitig als Gott mit seinem
verklärten Leib im Himmel bleibt."
Also ist Christus durch seine allgegenwärtige Gottheit wirklich da und will unter
den dargebotenen Darstellungen der verschiedenen Szenen seines Lebens und Leidens
jeden von seiner Liebe überzeugen, Teilnahme, Mitleid, Vertrauen und die Gegenliebe
seines Kindes erwecken und vermehren.
Ich betone darum nochmals: Die abgrundtiefe Liebe des Herrn erlebt der Mystiker
also wirklich. Diese kann aber auch jeder Gläubige an sich erfahren, wenn er demütig
und voll Vertrauen an Christus glaubt und ihn liebt. Ausdrücklich sagt der hl. Paulus:
,,Sofern ich noch im Fleische lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der
mich geliebt und sich für mich geopfert hat." (Gal. 2,20) Er betont also nicht sein
Erlebnis vor Damaskus oder sein Verzücktsein in den dritten Himmel, sondern den
Glauben an den Sohn Gottes. Tatsächlich gibt der einfache kindliche Glaube eine
größere Sicherheit als alle mystischen Erlebnisse und schenkt der Glaube und das
Leben nach dem Glauben immer innigere Verbundenheit mit Christus und größere Verähnlichung
mit ihm.
Inhaltsverzeichnis
2. Schwierigkeiten
für die Schriften der Barbara Weigand ergeben sich auch aus ihren Prophezeiungen:
Bischof Haffner erklärte: ,,Barbara Weigand sagt
Strafprophezeiungen voraus." Ich sehe aber keine Strafen. (S. 64 - 1910) Vier Jahre
danach hat man sie aber im Weltkrieg erlebt. Barbara Weigand teilt hier das Los
mit anderen Propheten. Man denke bloß an Jonas: Vierzig Tage, und Ninive wird untergehen.
Es ist aber nicht untergegangen, weil seine Bewohner Buße getan haben.
Bei Strafprophezeiungen darf nie übersehen werden:
Bessern sich die Menschen, dann vollzieht Gott die Strafe nicht, wie es bei Ninive
der Fall war. Außerdem fällt sehr in die Waagschale, wieviel Gerechte noch da sind.
Hätte Sodom und Gomorrha noch zehn Gerechte gehabt, wäre es nicht untergegangen.
In den Aufzeichnungen heißt es: ,,Gott ist langmütig und unendlich gut. Eine Seele,
die sich ihm entgegenwirft, kann ein ganzes Land verschonen." (S. 45 - 1898/198)
Ferner bringen die Aufzeichnungen der Barbara Weigand auch für das Nichteintreffen
mancher Prophezeiungen gute Erklärungen: So klagt sie einmal: ,,O Herr, ich bin
so gedrückt, weil ich doch meine, daß du mir versprochen hast, daß ich unter P.
Alfons sterben werde. Jetzt ist P. Alfons und P. Ambrosius gestorben und so war
es also unrichtig, was ich gehört habe." Sie bekommt zur Antwort: ,,Wie kleinlich
bist du doch, daß du meine Sprache nicht verstehst. Damals, als ich diese Worte
an dich richtete, handelte es sich nicht darum, ob du zu P. Alfons oder P. Ambrosius
zur Beichte gehst; damals handelte es sich darum, dein Gemüt über den Verlust deines
Bruders zu beruhigen, weil du glaubtest, durch seinen Tod deine Existenz zu verlieren
und diese Stadt verlassen zu müssen. Darum gab ich dir die Versicherung, daß du
nicht mehr aus Mainz gehen würdest, daß ich hier deine Existenz sichern werde und
daß du immer wieder in der Nähe dieser Ordensmänner sein werdest: Es kommt auch
die Zeit, wo du wieder unter ihrer Leitung stehen wirst. Du mußt nicht alles beim
Buchstaben nehmen. So wie ich zu meinen Lebzeiten in Gleichnissen gesprochen habe,
so auch hier. Ihr aber nehmt es buchstäblich und lasst euch verwirren." (S. 28/29
- 1904/243)
Ein andermal wird Priestern aufgetragen: Sie
sollen so zielbewusst handeln, als ob sie ganz sicher wüssten, daß alles zum besten
der Kirche und der geistlichen Orden gereichen werde; denn der Herr bejaht die Absicht,
nicht den Erfolg. Der Erfolg ist aber immer bei seinen Geschöpfen an gewisse Bedingungen
geknüpft. Wenn er zum Beispiel durch ein von ihm erwähltes Geschöpf irgend eine
Botschaft oder Strafe ankündige, so knüpfe er die Ausführungen seines Planes immer
an Bedingungen. Wenn er den Völkern Strafen ankündigt, nimmt er sie zurück oder
hält sie auf, wenn seine Geschöpfe seine Autorität wieder anerkennen.
Als er der Jungfrau einen Engel gesandt, hat er nicht direkt gesagt ,,du mußt",
sondern ,,ich will und will wissen, ob auch du gewillt bist". Obwohl er den Messias
verheißen hatte, hätte er die Verheißung doch zurückgenommen, wenn die dazu berufene
Jungfrau nicht eingewilligt und nicht mitgewirkt hätte. Dann sei aber nicht der
Bote zu tadeln. Die Ankündigung gehe in Erfüllung oder nicht, je nach dem Wollen
oder Nichtwollen seiner Geschöpfe. daß sie nämlich absolut den Erfolg voraus wissen
wollen, sei ein Eingriff in seine Rechte. Diese behalte er sich allein vor. (126/7-1901/104)
Als Barbara Weigand ein andermal wieder glaubt,
sie wäre von Christus getäuscht worden, sagte er ihr. ,,Wenn ich um euertwillen
die Welt verschonen kann, kann es euch dann nicht einerlei sein, ob ihr Märtyrer
der Liebe oder des Blutes seid; denn wenn ich es so mache, wie ich es euch gesagt
habe, so gibt es Märtyrer genug. Wenn ich um euertwillen die Welt verschone, habt
ihr doch genug gewonnen, oder wollt ihr lieber Märtyrer des Blutes oder der Liebe
sein." (S. 139 - 1901/104)
Einleuchtend ist auch folgendes: Die Prophezeiung:
Papst Leo XIII. werde das nächste Rosenkranzfest nicht mehr erleben, ging nicht
in Erfüllung. Warum nicht? Zehn Jungfrauen Frankreichs hatten den Hl. Vater schriftlich
ex voto ein Jahr ihres Lebens abgetreten. (S. 123 - 1902/166)
Neben den Prophezeiungen der Barbara Weigand,
die sich nicht erfüllten, gibt es aber solche, die in Erfüllung gingen. Schon 1900
soll sie verkünden: ,,Die katholische Kirche darf nicht mehr geknechtet werden,
wenn die Kronen der Herrscher bewahrt bleiben wollen." (S. 16-A - 19.00/280)
Ein Auftrag lautet: ,,Die Bischöfe sollen dem
Kaiser unumwunden sagen, daß er für seine Krone zittern soll, wenn er nicht dafür
sorgt, daß die katholische Kirche die gleichen Rechte wie die Protestantische genieße."
(S. 7 - 1901/48)
,,Die Bischöfe sollen ein Zirkular herumgehen
und alle Katholiken unterzeichnen lassen, daß sie die gleichen Rechte beanspruchen
wie die Protestanten, die ungestraft von der Regierung uns Katholiken in unserer
Religion verspotten dürfen, während ganz Deutschland ein Zetergeschrei erhebt, wenn
das Oberhaupt der Katholiken warnt. Es muß betont werden, ob die Regierung nachweisen
könne, daß die Katholiken ihre Pflichten als Steuerzahler und treue Staatsbürger
nicht so erfüllten wie die Anhänger von Luther. Dieser Zirkular sollen die Katholiken
an den Kaiser schicken und ihm sagen, er könne versichert sein, dass, wenn er länger
diese Gehässigkeit in seinem Lande duldet, wir einer blutigen Revolution entgegengehen.
Er möge nach Frankreich schauen und dort sehen, dass, immer mit dem Sturz der Altäre,
auf denen das wahre Kreuzesopfer dargebracht wird, auch der Sturz der Throne folgen
werde." (S. 59/61 - 1910)
Barbara Weigand sah auch einen furchtbaren Kampf. Ob er jedoch geistig und wirklich
zu verstehen ist, muß die Zukunft klären. (Hieß es damals). Es schien, als gehe
alles gegeneinander. Die Luft war angefüllt mit Mordinstrumenten. (S. 87 - 190/01)
Eine andere Prophezeiung lautet: ,,Siegreich
wird die Kirche hervorgehen, ehe aber dies geschieht, wird ein großes Blutbad die
Erde tränken und ein Wehegeschrei wird sie erfüllen, wenn die Menschen sich nicht
bekehren." (S. 138 - 1895/6 - 1)
Schließlich erfüllte sich auch die Verheißung:
,,Der Nachfolger des Heiligen Vaters (Leo XIII.) soll sehen, wie die Kirche nach
außen hin ihr Licht verbreitet, wie sie zum Sieg geführt wird." (S. 21 - 1899/195)
Die Kirche hat den Sieg unter Pius X. bis Pius XII. erlebt.
Die Aufzeichnungen der Barbara Weigand zeigen
auch, wie dringend das zielbewusste Vorgehen des hl. Papstes Pius X. gegen den Modernismus
war.
Ein Gymnasiast kam heim: ,,Mutter, was meinst
du, unser Professor sagte heute: Die Lehre vom Schutzengel sei ein Märchen. Man
sollte nicht glauben, daß die Kinder vom Schutzengel beschützt seien, wenn sie fallen.
Kinder hätten biegsame Knochen." (S. 113 - 1905/252) Ein Professor in München hat
in einer öffentlichen Versammlung die Unbefleckte Empfängnis verspottet. Barbara
Weigand bekommt den Auftrag für die Schmach, die der Mutter des Herrn dadurch angetan
wurde, allwöchentlich eine Wallfahrt in die Nähe von Mainz zu machen. (S. 2 - 1903
- 212).
,,Die letzte Woche war ein abgefallener Priester
in Aachen und hielt Vorträge über die Ehe und die Mutter Gottes und stellte die
Mutter Gottes neben ein gefallenes eheloses Weib." (S. 99 - 1908/289) Neuerer gaben
vor, die Kirche zu einem reineren Glauben zurückzuführen. (S. 39 - 1896/70)
Darum redete diesen der Herr ernst in das Gewissen:
,,Auch die gelehrten Geister, die in der Theologie bewandert sein wollen, sind vor
meinen Augen nur arme bunte Schmetterlinge, die sich schön vorkommen, weil sie bunte
Farben tragen, die ich ihnen gegeben habe. So ist jeder, der sich in dieser Wissenschaft
ausgebildet glaubt und gefällt, die aber ich, sein Herr und Gott ihm gegeben habe,
weil ich durch ihn andere belehren und zeigen will, wie groß der Geist sein müsse,
der solches in einem armseligen Menschenherz erschaffen kann. Sieh, du armer Gelehrter,
der du nicht mehr an die Wunder glauben willst, ein bunter Schmetterling bist du,
der sich in seinen Farben gefällt und tummelt, dem die Kinder nachlaufen und ihn
fangen wollen, und den ich vor ihren Augen vernichte und ins Grab der Verwesung
stürze. Sieh, auch du hochgelehrter Geist! Ein Schmetterling bist du, dem ich die
Wissenschaft gegeben, und wenn ich sie dir am Rand des Grabes nehme, sinkst du zurück
in den Staub der Erde, von der ich dich genommen habe. Aber den einfachen kindlichen
Glauben, den ich dir geben will, von dem ich sehnlichst wünsche, daß du zu ihm zurückkehrst,
den wird dir niemand nehmen. Er wird mit dir hingehen vor die goldene Pforte, vor
das große Tor, das abschließt mit der Zeit und einführt in die Ewigkeit. Der kindliche
Glaube wird übergehen in volles Schauen, und du wirst alles, was dir jetzt dunkel
vorkommt in vollem Lichte und Glanze sehen und begreifen, warum ich dir so manches
hier in dieser Prüfungszeit dunkel sein ließ. Du mußt wissen, daß ich allein Gott
bin und alle Weisheiten mir vorbehalte." (S. 104/6-1897/125)
Unter den vielen Erlebnissen mit den armen Seelen
ist auch folgendes aufgezeichnet: ,,Auf einmal trat ein Mann vor mich hin und sagte:
Ich bin Professor Schell, der in Würzburg gestorben ist. Hätte ich es auch nur so
gemacht wie du. Du hast deinen Geist in die Höhe der Gottheit erschwungen und ich
habe meinen Verstand gebraucht, um zu glänzen. Es war der Stolz, der mich veranlasste,
dich hervorzutun durch die Wissenschaften, die den Reichen schmeichelten."
Ein andermal sagte er: ,,Deine Schriften kommen
von Gott und führen zu Gott, die meinen kommen aus der Vernunft und führen zum Irdischen
und wer sie liest, nimmt Seichtes und Leichtes in sich auf. Sie enthalten viel irrige
Lehren und das Gift, welches durch dasselbe ausgestreut ist unter den Gelehrten,
ist nicht beseitigt, obwohl ich meinen Irrtum wieder gutmachen wollte und reumütig,
gestorben bin. Darum tue mir den Gefallen, deinem Bischof mitzuteilen, er möge doch
alle Bischöfe in ganz Deutschland auffordern, daß sie alle einstimmig dem Dekret
des Hl. Vaters an den Wiener Professor Commer zustimmen; denn der Papst hat die
Ehre Gottes im Auge, die durch das Gift, das durch meine Schriften in die Herzen
vieler Gelehrten eingedrungen ist, sehr geschmälert wird. Die Ehrung, die mir durch
Errichtung eines Denkmales zugedacht ist, gilt bei vielen mehr dem Geist meiner
Schriften als meiner Person. Ich bin zwar gerettet, aber wie sehr wünschte ich gutzumachen,
was ich gefehlt habe. Ich gabe es gut gemeint, ich wollte alles vereinigen, aber
ich habe einen großen Missgriff getan. Es muß jetzt darauf hingearbeitet werden,
daß das Gift wieder beseitigt wird, was die Leser meiner Schriften in sich aufgenommen
haben." (S. 98/100 - 1907/276)
Ernst sind auch folgende Worte: ,,Er will das
ganze Herz des Menschen besitzen. Nun ist aber dieses Christenleben so in den Materialismus
eingewurzelt, daß der Christ sich von ihm nicht mehr loslösen kann, und die meisten
Menschen keine halbe Stunde mehr für Gott übrig haben, um ihm den schuldigen Tribut
darzubringen. Wo soll er nun seine Verherrlichung suchen. Soll er sich freuen, wenn
er sieht, wie Satan täglich sein Reich und seinen Thron schöner ausschmückt und
ziert. Satans Reich und Thron sind all diejenigen, die ihm Handlanger sind um alles
Böse, alles Gift in die Welt hineinzustreuen und all diejenigen, die in der Hochschule
sitzen, den Unglauben dem armen Volk lehren, die die Jugend vergiften. Handlanger,
um den Thron Satans aufzurichten, sind aber auch all jene, die es nur darauf abgesehen
haben, dem Volk Vergnügen zu verschaffen und so den Glauben aus den Herzen zu reißen,
indem sie ihm jeden Tag neue Spiele auftischen um das Herz mit lauter Vergnügen,
Putz und Tanz zu verstricken." (S. 80/81-1899/256)
Treffend sich auch folgende Worte: ,,Die meisten
Christen sind wankelmütig. Sie haben Zweifel und lassen sich von jedem Wind wie
ein schwankendes Rohr hin- und herwehen. Es kommt dies durch die vielen Schriften,
die verbreitet werden und die vielen bösen Beispiele, die auf alle Menschen einwirken.
Sie saugen alle diese unreine Luft in sich ein. Sie werden mutlos und lassen von
ihrem ersten Eifer nach. In mancher Seele erwachen Gedanken, die ihnen nie gekommen
waren und Ängste, Nöte und Zweifel bedrängen das arme Christenherz in der jetzigen
Zeit." (S. 2 - 1898/198)
Bezeichnend ist: ,,Einige meiner Diener meinten,
man müsse mit der Welt übereinstimmen. Es sei nicht mehr die Zeit vom Wunderglauben
zu reden; denn auch die guten Christen glauben nicht mehr daran, besonders nicht
mehr die Reichen, die seien aufgeklärt und sagen, man wisse jetzt, woher der Wunderglauben
stamme." (S. 37 - 1898/185)
,,Schon ein ganzes Jahrhundert wurde darauf hingearbeitet,
eine Staatsreligion einzuführen und jetzt geht man mit einer Schlauheit vor, um
den anderen Glauben zur Geltung zu bringen." (S. 37 1901/1)
Interessant ist auch folgendes: ,,Seht, die einzige
Ursache, warum ich zulasse, daß all die Sekten sich überall in Ruhe und Frieden
ausbreiten, ist nur eine Strafe für meine Kirche. Ich will meinen Dienern zeigen,
daß ich der Herr und daß ich mit meiner Kirche unzufrieden bin. Solange sie sich
nicht tief demütigen können, sind alle ihre Reden und Arbeiten umsonst. Selbst wenn
ihr noch so viele Vereine stiftet wird es euch wenig nützen wenn ihr, die ihr an
der Spitze steht, nicht einen lebendigen Glauben besitzt." (S. 126 - 1903/212)
,,Wenn ich mein Volk züchtigen will, dann entziehe
ich ihm meine Gnade, und wenn ich mein Volk sinken lassen will, dann lasse ich das
Priestertum sinken. Und alle sind gestraft. Und wenn ich mich meines Volkes erbarmen
will, dann sende ich eifrige Diener meines Herzens, Priester, die von meinem Geist
beseelt sind." (S. 20 - 1897/93)
,,Die Kirche muß von Zeit zu Zeit abgestaubt
werden. Im Mittelalter lag der Staub des Reichtums auf ihr, jetzt der Staub der
modernen Wissenschaft." (S. 48 - 1909/301)
Für die Echtheit der Offenbarung der Barbara Weigand spricht auch die schonungslose
Aufdeckung der ganzen Armseligkeit des Werkzeuges, dessen sich der Herr für seine
Pläne bedient hat.
Gott schenkte ihr wohl außergewöhnliche Gnaden,
aber er sorgte auch dafür, daß sie sich deshalb nicht das geringste einbilden konnte.
Er sagte ihr: ,,Ich habe dich aus der alleruntersten Klasse von Menschen herausgezogen,
damit niemand sagen kann, das hat sie aus Büchern oder das hat sie sich selbst ausgedacht.
Ich habe dir schon vor acht Jahren gesagt, daß ich dein Zutun nicht brauche, ich
verlange von dir nichts als Beharrlichkeit." (S. 82 - 1895/96-1)
,,Du bist ein armseliges Wesen. Wer mit dir spricht,
der muß es herausfinden, daß du keine Schule genossen hast, daß du ein armes, unwissendes
Dorfmädchen bist aus einer Gegend, wo man noch sehr zurück ist und wo die Leute
nicht allzu gescheit und aufgeklärt sind. Ich habe dich mit Absicht aus einer Familie
genommen, die in der ganzen Verwandtschaft keine Seele aufzuweisen hat, die zu den
Gebildeten gehört, die alle miteinander ihr Stücklein Brot im Schweiße ihres Angesichtes
verdienen müssen." (S. 188/70 - 1897/123)
,,Du arme Kleine. Siehst du, was du aus dir bist.
Ich habe es dir diese Woche gezeigt, daß du nichts aus dir vermagst, daß du eine
arme Sünderin bist. Du bist nicht mehr wie andere. Glaube nur, andere sind tausendmal
besser als du und doch hat es mir gefallen, dich an mich zu ziehen und Großes in
dir zu wirken, du armseliges Werkzeug in meiner Hand." (S .81 - 1895/96 - 1)
,,Wohl ist wahr, daß du ein armseliges Geschöpf
bist, ja das Ärmste, daß ich mir hätte erwählen können, und doch geruhte ich dich
zu erwählen, du Armselige, um allen ein Trost und Beispiel zu sein, wenn einer auch
noch so armselig und schwach ist." (S. 30 - 1897/113)
,,Wenn du nur einsiehst, daß du alles aus mir
hast, daß du nicht stolz dein Haupt erhebst und dir einbildest, als hättest du je
ein Verdienst aus dir." (S. 71 - 1896/34)
In der Josephsmesse am neunten Josephsmittwoch
zeigte ihr der Herr die ihrer Seele noch anhaftenden Unvollkommenheiten in Gestalt
einer sehr plumpen Person, so daß sie ganz entmutigt war. ,,So seid ihr alle," sagte
der Herr. (S. 1 - A 1900/280)
Sie schreibt auch: ,,Obwohl mir der Herr zeigte,
daß ich eins mit ihm geworden bin, zeigte er mir doch auch, wie sehr er uns lieben
muß, daß er sich diese Vereinigung gefallen lässt. Meine Seele schaut ihn plötzlich
in majestätischer Gestalt vor sich, zugleich ließ er zu, daß ich den Zustand meiner
Seele sah und erschrak so sehr, daß ich gern geflohen wäre." (S. 96 - 1908/289)
Christus erklärte ihr: ,,Hast du vergessen, daß
du nur ein Sprachrohr bist und ein Briefträger. Du mußt dich immer nur als das Sprachrohr
ansehen. Wenn der Schall entflohen ist, bleibt auch nicht ein Klang darin zurück.
So ist es mit dir; denn nichts davon gehört dir." (S. 122 - 1896/34)
,,Du bist immer so, wenn ich dir etwas gesagt
habe, drehst du dich herum und hast es wieder vergessen." (S. 101 - 1903/212)
Einmal klagte sie, daß sie so zaghaft sei. Darauf
bekam sie die Antwort: ,,Wenn ich danach fragen wollte, wäre ich längst von dir
zurückgetreten und hätte mir ein Werkzeug gesucht, daß meiner würdiger wäre als
du." (S. 14 - A 1900/273)
,,Wenn deine beiden Freundinnen nicht wären,
so hätte ich mich schon längst zurückgezogen." (S. 131 - 1901/48)
,,Die Gnaden, die ich in dir wirke, sind nicht
dein Verdienst. Du Erdenstäubchen, du Hand voll Staub und Erde, von der du genommen
bist. Ziehe ich meine Gnade zurück, dann bist du der schlechteste Mensch. Merk dir
das wohl, meine Tochter. Kein Stäubchen soll an dir hängen bleiben. Bewahre nur
die Demut." (S. 9 - 1896/51)
,,Die Demut ist die Grundlage aller Tugenden.
Sie ist auch die Bewahrerin aller Tugenden und der Deckmantel aller Fehler, die
dem Menschenherzen anhaften und ankleben. Der arme Mensch hat seine Fehler, solange
er auf der Welt ist." (S. 26 - 1897/98-145)
,,Der Mensch ist zu schwach, um sich nicht selbst
das zuzuschreiben, was mir gebührt. Um dieses zu verhüten, muß ich ihn tief verdemütigen.
Er muß warten auf meine Hilfe oder wie ihr viele Verachtung und Verdemütigung ertragen.
Wenn alles so glatt abginge, wie sich der Mensch es vorstellt, wäre er zu schwach,
um nicht Schaden zu leiden und sich nicht selbst etwas anzueignen." (S. 2 - 1910)
,,Es ist ein furchtbarer Stolz, wenn ein frommer
Mensch alles von sich weist und sich selbst durcharbeiten will." (S. 42 - 1901/48)
,,Der Mensch gleicht einem Baum, der immer
wilde Schößlinge austreibt und werden diese nicht gestutzt, dann trägt er keine
guten und reichen Früchte mehr, weil dann alle Säfte in die Zweige schiessen. So
ist der Mensch. Er hat den Trieb zu den bösen Neigungen in sich, besonders den Stolz.
Dieser trägt ihn immer höher empor als er steigen sollte. Wird dieser Trieb nicht
abgestutzt und hängt sich der Mensch an die Neigungen, so trägt er keine guten Früchte.
Deshalb dankt mir, weil ihr gewürdigt worden seid solche Verdemütigungen mir zulieb
zu ertragen. Welch Glück ist es für den Menschen, wenn ich ihn verdemütige." (S.
98 - 1904/237-241)
,,Es ist gut, wenn man all seine Kräfte im Dienst
anderer anstrengt wie du es getan - aber es war auch Stolz dabei. Ich lasse darum
zu, daß manches anders kommt wie ihr denkt und wünscht, weil ich den Stolz aus der
Seele reißen will. Der Stolz ist das Urlaster und mit tausend Fasern in die Seele
eingesenkt. Wenn man die Wurzel auch abgeschnitten hat, bleibt doch immer noch eine
Faser und daran hakt der Teufel ein, und diese Faser wächst bei jeder Gelegenheit
empor." (S. 47/48 - 1903/212)
,,Solange nicht ein demütiges Herabsteigen in
all den frommen Seelen, auch den Ordensleuten, stattfindet, so daß jeder sich als
den Letzten betrachtet und es nicht verschmäht, sich der Gesinnung nach neben das
letzte Dienstmädchen zu stellen, solange der Stolz alle beherrscht, kann ich in
der Kirche nichts wirken." (S. 117/18 1900/1)
Inhaltsverzeichnis
3. Die Tatsache
ihres heroischen Lebens
Schon vor der mystischen Begnadigung ging das
Gebetsleben über das gewöhnliche Maß hinaus. Damals war die öftere Kommunion noch
nicht Brauch. Der Herr legte ihr aber die Sehnsucht danach ins Herz. In ihrer Heimatkirche
konnte sie durch ihren Kaplan nur kurze Zeit alle Tage kommunizieren. Dann verbot
es der Pfarrer, weil er nicht wollte, daß in seiner Pfarrei die öftere Kommunion
eingeführt würde. Als Barbara erfuhr, bei den Kapuzinern in Aschaffenburg werde
die hl. Kommunion alle Tage ausgeteilt, stand sie selbst im strengen Winter 1879
jede Woche zweimal nachts um 1 Uhr auf und machte mit nur einem Stück Brot versehen
den Weg von zehn Stunden hin und zurück, um die hl. Kommunion zu empfangen. (S.
3 - 1908/289)
Bald erlebte Barbara die außergewöhnliche Liebe
des Herrn. Er zeigte sich ihr und sprach mit ihr. Er nimmt sie als seine Braut.
,,Nachdem ich die ganze Oktav von Fronleichnam bis zum Herz-Jesu-Fest 1895 vieles
gelitten, rief Jesus seine eigene Mutter herbei und sagte: Diese soll meine Braut
werden. Stelle mich mit ihr als solche meinem himmlischen Vater vor. Meine liebste
Mutter, mit diesem Erdenkind will ich mich vermählen. Ersetze du mir, was ihr noch
fehlt." Als der liebe Heiland diese Worte an seine hl. Mutter richtete, wurde ich
mit solcher Scham erfüllt, daß ich gern zurückgetreten wäre, wenn die Liebe zu meinem
himmlischen Bräutigam mich nicht gefesselt hätte. Voll Scham und Reue wandte ich
mich an die liebe Mutter Gottes und flehte: Ach Mutter, was wird der himmlische
Vater sagen, wenn ich mit deinem Sohn komme. Ich elende Sünderin vor dem allmächtigen
Gott. Voll Mitleid überreichte sie mir ihr eigenes Herz mit all seinen Tugenden
und sagte: ,,Sieh, meine Tochter, das zeigst du vor." Nun kam Jesus in unaussprechlicher
Herablassung zu mir. Wenn ich aber einen Blick auf ihn warf, da stand mein ganzes
sündhaftes Leben vor mir und ich schämte mich vor ihm. Da trat wieder die liebe
Mutter Gottes herzu und nahm mich bei der Hand und Jesus nahm meinen Arm und zitternd
und zögernd ging ich zwischen beiden. So wurde ich dem himmlischen Vater vorgestellt.
Meine Feder kann die Furcht nicht schildern, die in mir war. Aber da trat die liebe
Mutter Gottes vor mich hin und sprach zum himmlischen Vater. ,,Sieh, o himmlischer
Vater, allmächtiger ewiger Gott, mein und dein Sohn, den du von Ewigkeit her gezeugt
und ich in der Zeit als Jungfrau geboren habe, will diese Adamstochter hier zu seiner
Braut annehmen. ,,Die liebe Mutter Gottes trat zurück. Ich war nicht mehr verzagt;
beherzt und voll Freude, wie eine Königstochter überreichte ich dem himmlischen
Vater das allerreinste Herz Mariens mit all seinen Tugenden und Verdiensten, die
ich wie ein Bouquet Blumen in Händen hielt. Darüber freute sich der himmlische Vater
so sehr, daß er sprach: ,,Was der Wille meines göttlichen Sohnes ist, ist auch mein
Wille und du meine Tochter, bitte von mir heute, was du willst. Heute sollen dir
alle deine Bitten gewährt werden." (S. 13 - 18 - 1895 - 1)
Entsprechend dieser Gnaden mußte Barbara viel
Zeit für Christus haben. Dies war nicht leicht. Sie stand in einer Wirtschaft und
mußte für viele da sein. Der Herr aber verlangte, daß sie in erster Linie für ihn
Zeit habe: ,,Dein Beruf ist, viel vor dem Allerheiligsten zu knien." (S. 120 - 1898/157)
So verharrte sie am 25. Februar 1898 von morgens
ein halb sechs Uhr bis abends neun Uhr, mit Ausnahme einer kurzen Mahlzeit, in zwei
Kirchen ständig im Gebet. (S. 54 - 1898/157)
Während der Fastenzeit betete sie den ganzen
Morgen ununterbrochen von ein halb sechs Uhr bis 12 Uhr. Von 12 bis 4 Uhr nachmittags
half sie in der Hausarbeit und betete dann wieder bis abends acht Uhr. (S. 97 -
1898/157)
Einen Einblick in ihr Gebetsleben gewähren auch
Gebete in ihren Aufzeichnungen. So wandte sie sich an Christus: ,,Mein Jesus, o
meine süße Liebe, ich danke dir für das Wunder, das du gewirkt, um unsere Speise
zu werden. Ich danke dir im Namen aller Menschen, die nicht an dich glauben, die
dich nicht erkennen, die im Irrtum und Heidentum sitzen, die nicht wissen, wie gut
du bist. Ich danke dir auch im Namen aller gläubigen Christen, die dich zwar in
der hl. Kommunion aufgenommen, die aber wieder abgefallen und dich vergessen haben,
und für die du wolltest, daß ich leiden sollte. Ich danke dir, daß du mich gewürdigt
hast einen geringen Teil deines Leidens zu verkosten. Ich opfere dich auf in Vereinigung
mit deiner lieben Mutter, in Vereinigung mit jener hl. Stunde, wo du das Allerheiligste
Sakrament eingesetzt hast für alle Menschen, die dich nicht mehr in der hl. Kommunion
empfangen. Ich bitte dich, gib mir ein Herz so groß und so weit, wie die ganze Welt.
Entflamme es mit der Liebe der hl. Mutter, mit der Liebesglut der Seraphim und Cherubim,
aller Heiligen und hl. Engeln, die im Himmel vor dir stehen. Ich vereinige mich
mit allen heiligen und gerechten Seelen auf Erden und opfere dir dies alles auf
und mein geringes Leiden und meine geringe Liebe dazu für all die Sünder und Glieder
des mystischen Leibes, die zwar in deinem hl. Leib einverleibt sind, in die aber
dein hl. Blut nicht überströmen kann. Lenke das Wasser deiner Gnade in diese ausgedorrten
Rebzweige, belebe sie mit dem Blut, das aus deinen hl. Wunden strömt..." (5.1 -
4 - 1897/104)
Über das gewöhnliche Maß hinaus ging auch
der Opfergeist der Barbara Weigand. Es ist nicht alltäglich, daß ein Bauernmädchen
zu ihrer schweren Arbeit im Haus und im Feld noch die Bußwerke der Heiligen vollbringt.
Sie hat es aber getan.
Später wurden gerade die außergewöhnlichen Gnaden
Gottes und die von ihm erteilten Aufträge ihr großes und ständiges Kreuz. Barbara
war beim Auftreten der mystischen Erlebnisse nicht leichtgläubig. Sie fragte nüchtern:
,,Wer ist die Stimme, die zu mir spricht. Ich traute nicht. Ich sagte mir: Es ist
doch eine Täuschung. Ich bin nicht wert, o mein Jesus, daß du dich zu mir herablässt
und mit mir verkehrst." (S. 5 - 1895/96 - 1)
Der Frage ,,Wer ist die Stimme, die zu mir spricht"
fügte sie bei: ,,Um jeden Preis möchte ich wissen, welche Stimme zu mir spricht.
Aber mir steht das nicht zu das zu beurteilen. Darum, o Gott, gib mir doch einen
Priester, dem gegenüber ich mich offen aussprechen kann." (S. 4 - 1895/96 - 1)
Bei zwei Beichtvätern fand sie Licht und Trost.
Der eine aber wagte nicht öffentlich für sie einzutreten, der andere wurde nicht
anerkannt und von seinen Gegnern buchstäblich zugrundegerichtet. So blieb ihr viele
Jahre dieses Kreuz: Ist es nicht Täuschung?
Wie sehr sie bereit war, sich dem Urteil des
Priesters zu unterwerfen, beweisen folgende Aussprüche: ,,Ich glaube deinem Diener
mehr als dir, weil du ihn mir an deiner statt gegeben hast." (S. 40 - 1896/12)
,,Ich unterwerfe mich der Kirche, deinen Dienern."
(S. 68 - 1895/961)
Aber was mußte sie erleben: ,,Seitdem ich mich
meinem Beichtvater zu erkennen gab, ging keine Beichte vorüber, wo ich nicht als
eine aufgeblähte stolze Person behandelt wurde. Vor acht Tagen verlangte ich einige
Briefe zurück. Da sagte er: ,,Nein mit diesen Briefen hat der Teufel seine Hand
im Spiel, damit will er sie fangen. Die Briefe werden verbrannt." Das machte mich
sehr traurig, weil ich mir dachte, verbrennt er die Briefe, dann verbrennt er auch
die Mitteilungen, die ich mit so vielen Opfern aufschreiben muß, weil ich doch über
meine Zeit gar nicht Herr bin. Innere Verlassenheit und äußere Leiden aller Art
brachten mich vorige Woche so weit, daß ich mich nicht mehr getraute zu beten. Wenn
ich vor ausgesetztem heiligen Gut beten wollte, schlug ich die Augen nieder und
sagte: Ich muß die elendeste Sünderin auf Erden sein, weil ich mich so getäuscht
habe." (S. 105 - 1898/198)
Ein andermal klagte sie: ,,Ich bin eine armselige
Sünderin, verworfen und hinausgestoßen aus der Gesellschaft; denn kein Priester
wagt sich an mein Bett - selbst nicht mit dir im allerheiligsten Sakrament - aus
Furcht, er möchte für einen Schwachkopf gehalten werden, der solche Dinge glaube,
die von Weibern herkommen." (S. 164 - 1895/96-1)
Erschütternd kommt auch an anderer Stelle die
dadurch bedingte tägliche Not zum Ausdruck: ,,Siehe, ich erkläre mich bereit, alle
Leiden zu ertragen, aber sag mir doch, bist du es nicht, der mit mir verkehrt, da
ich seit den Tagen meiner Jugend mir vorgenommen, einzig und alleine dich zu lieben.
Siehe, ich habe alles auf's Spiel gesetzt, aus Liebe zu dir habe ich meine Heimat
verlassen und mich nicht mehr umgesehen und was besitze ich jetzt als das bisschen
Essen und ich weiß nicht, was noch kommen kann, ob ich nicht doch aus meiner Familie
ausgestoßen werde, wenn alles als Täuschung erklärt wird." (S. 129 - 1896/51)
Neben diesen Leiden verlangte Gott von ihr auch
auffallende Bußwerke: Ihr und ihren beiden Freundinnen wurde aufgetragen: ,,Macht
die Wallfahrten, denn damit will der Herr der Welt zeigen, daß der Glaube offen
und frei bekannt sein muß, daß ihr nicht zurückschreckt vor dem Gespött und Hohngelächter
der Welt. Seht, wie kleinlaut sie werden, weil sie sich sagen müssen, hier muß etwas
anderes vorliegen. Deswegen schickt euch der Herr barfuß, trotz der Kälte und des
strömenden Regens. Freut euch meine Kinder, es wird euch kein Leid geschehen, wenn
du auch ein offenes Bein hast und große Schmerzen leidest. Weil es der Herr von
euch verlangt, wird es euch nicht schaden, im Gegenteil, ihr werdet gesund und kräftig
werden." (S. 11 - 1899/256)
Die Erfüllung dieses Auftrages brachte Barbara
viele Anfeindungen und auch ein Verbot von der vorgesetzten Stelle. Heute versteht
man nicht, warum barfuß gehen anstößig sein soll, aber damals war es so.
All diese Opfer und Leiden genügten aber noch
nicht. Barbara wurde auch von verschiedenen Krankheiten heimgesucht. Eine Nichte
erzählt: ,,Am Donnerstag abend, den 21. September 1905, ist Barbara sehr erkrankt.
Schon einige Tage vorher hatte sie furchtbare Schmerzen im Leib. Sie mußte die ganze
Nacht und den ganzen Tag so laut schreien, daß die Nachbarsfrauen herbeikamen und
jede wusste ein anderes Mittel. Der Reihe nach wurde angewandt: Heiße Wasseraufschläge,
heißer Essig, Branntwein, Kartoffeln, Kleie, Kamillensäckchen, ein großer Laib Brot
und alle Sorten Tee. Alles war umsonst. Später sagte ihr der Herr, sie müsse Sühne
leisten für die Sünden der Jugend, besonders der Unkeuschheit." (S.20/21-1905/252)
Typisch für Brabara waren auch die Leiden der ,,drei Stürme", die oft über sie kamen.
Bei einem lesen wir: ,,Das drittemal krachte das Bett vor Gewalt, ich wollte rufen,
aber ich konnte keinen Laut herausbringen. Ich flehte innerlich: Herr, hilf mir
doch, aber in meiner Seele hatte ich die Zuversicht, daß ich nicht sterben werde."
(S. 49/1901/48)
DDr. Wilhelm Büttner ,,Barbara Weigand von Schippach"
schreibt dazu: Die Stürme vor den Ekstasen sollten ihr Mitleiden mit der Passion
des Herrn darstellen, wie ihr im letzten April 1899 der Herr selber offenbarte:
,,Ich lasse, ehe du eingehst in meine Liebe, erst jedesmal drei Stürme vorausgehen
zum Andenken an meine dreistündige Todesangst am Kreuz. Manche Züge dieses Leidens
zeigten das Mitleiden mit der Geißelung, wie am vierten Freitag 1899, von dem die
Zuschauerin bezeugt: Als wir zu Babett kamen, war sie bereits in ihrem Leiden. Wir
sahen dann, wie sie die Geißelung durchmachte, denn während zwanzig Minuten zuckte
ihr Körper, wie von Hieben schmerzlich zusammen.
Außergewöhnlich ist auch die Liebe zu ihren Angehörigen
und allen Notleidenden. Wo sie gebraucht wurde, sprang sie ein. Besondere Erwägung
verdient ihre zwanzigjährige Tätigkeit in der Wirtschaft ihres Bruders in Mainz.
Welcher Segen dabei von ihr ausging, beweist das Zeugnis der Polizei von Mainz,
daß es die Wirtschaft in der ganzen Stadt sei, wo sie am wenigsten zu tun haben."
(S. 44 - 1896/97-85)
Wichtiger aber als die stets hilfsbereite Liebe
in den irdischen Nöten ihrer Umgebung war ihr Eifer für die unsterblichen Seelen.
,,Mein Jesus, o wenn es möglich wäre, gleich wie du dein Leiden für den himmlischen
Vater aufgeopfert, für alle Menschen gelitten hast, so möchte ich leiden bis zum
jüngsten Tag, wenn ich damit alle Menschen retten könnte. O könnte ich mein Herz
so viel tausendmal verteilen, als es Menschen auf Erden gibt; denn je mehr ich eingeführt
werde in die Schönheit der Menschenseele und in die Glückseligkeit, die sie dereinst
genießen soll, desto mehr wächst mein Durst nach Seelen. O mein Jesus, ich will
keine andere Gnade, als daß keine Seele verloren geht. Sieh, mein Jesus, es ist
nicht immer Bosheit, wenn die Menschen sündigen. Du hast ihnen einen Leib gegeben,
der sie abwärtszieht. Sieh, jeder noch so großer Sünder hat immer noch eine gute
Seite und diese opfere ich dir auf." (S. 64/65 - 1897/104)
Die Liebe zu den Seelen galt auch besonders zu den armen Seelen. Einmal betete sie:
,,Darum nimm die Verdienste deiner heiligsten Mutter, ihren Glauben, ihre Demut,
ihr Vertrauen und schenk uns dafür die armen Seelen. Nimm auch dazu die Verdienste
aller Heiligen, die schon gelebt haben und noch leben werden und schenk uns diese
Seelen und mach das Fegfeuer leer. Lass den Himmel reich bevölkert werden, meine
Barmherzigkeit, mein Jesus."
,,Du Quälgeist", sagte darauf der Heiland. (S.
25 - 1899/249)
Wie wohlgefällig aber die Gebete und Opfer für
die armen Seelen waren, verriet er ihr einmal bei der hl. Kommunion: ,,Ihr habt
in der Zeit von Maria Himmelfahrt bis zu Maria Geburt zweitausend Seelen aus dem
Fegfeuer befreit. Dies ist so wahr, als der Theologe P. wieder gesund und ein guter
Priester wird." (S. 31 - 1895/96 - 1)
Als Barbara wieder einmal um die Rettung armer
Seelen aus dem Fegfeuer betet, fragte der Herr: ,,Meine Kinder, könnt ihr auch das
glauben, daß ich euch die Seelen schenken will, die noch hundert und zweihundert
Jahre Fegfeuer zu leiden hätten?." Sie antworteten: ,,Ja, wir glauben, daß du so
gut bist. O schenk sie uns." ,,Ihr sollt sie haben."
Eine Bemerkung des Herrn ist aber noch wichtig:
,,Ich schenke sie euch nicht allein wegen eures Gebetes, sondern um des Gebetes
der Kirche willen." (S. 30 - 1899/225)
Eines Tages erhielt Barbara vom Herrn folgende
Belehrung: ,,Man wundert sich und will es nicht glauben, daß Seelen noch Jahrzehnte
und hundert Jahre im Fegfeuer zu leiden haben, während ich hier eine Seele, die
noch nicht so lange gestorben ist aus dem Fegfeuern befreie, weil Barbara mich so
inständig gebeten hat, diese Seele zu befreien. Glaubt ihr wohl, ein Gott wäre wie
die Menschen? Ein Gott muß großmütig sein und ist unendlich großmütig, wenn so ein
armseliges Wesen, wie dieses, großmütig über sich hinweggeht, wenn es leidet und
sich wie ein Leichnam dahinschleppt, dies alles für andere tut, wenn dieses Wesen
mir eine Bitte vorträgt, besonders wenn sie zu meiner Ehre und Verherrlichung gereicht,
sollte ich ihr die Bitte nicht gewähren." (S. 47 - 1899/264)
Hier bestätigt der Herr selbst, daß die Liebe
der Barbara Weigand heroisch war.
Inhaltsverzeichnis
4. Das Bild Gottes
Die Offenbarungen der Barbara Weigand haben zum
Ziel, die Menschen erkennen zu lassen, wie gut Gott ist und wie sehr er seine Geschöpfe
liebt. Zugleich beweisen sie auch, daß er der Herr und in seinen Entscheidungen
vollkommen frei ist.
,,Für den Menschen muß Gott immer ein Rätsel sein und bleiben - rätselhaft seine
Werke und seine Fügungen, weil er Gott ist und ihr alle seine Geschöpfe seid." (S.
131 - 1898/172)
Er ist aber kein Rätsel, durch das wir verunsichert werden und er uns unheimlich
erscheinen will; denn das größte Rätsel an ihm ist, daß er seinen eigenen Sohn für
uns geopfert hat. In den Schriften lesen wir: ,,Der Herr zeigte mir den Schöpfungsplan
und wie er sich bei allem was er tue und je getan habe sein Eigentumsrecht vorbehalte
vom ersten Augenblick an, wo er angefangen habe ein Geschöpf ins Dasein zu rufen
bis zum letzten am Weltende. Deshalb müssten sich alle bewähren. Im Himmel habe
er seine Pläne nur so weit erschlossen, als es für seine Geschöpfe notwendig war,
nämlich um eine Prüfung zu bestehen. Wenn sie auch mit mir, sagte er, im Rate sitzen,
so behalte ich mir doch die Unterwerfung unter meinen Willen vor. Als ich den Himmel
erschuf mit seinen Geschöpfen, da erschuf ich sie gut, und als ich die Welt erschuf
mit dem König der Schöpfung, da war wieder alles gut und wenn du fragen wolltest:
Ja, Herr, warum ließest du zu, daß diese Geschöpfe im Himmel und auf Erden böse
wurden, da du sie doch gut erschaffen hast, so antworte ich dir. Weil sie alle wissen
sollen, daß ich der Herr bin und daß sie mir unterworfen sind und daß ich mir meine
Schöpferrechte nicht nehmen lasse. Darum mußten alle, auch die Engel, die im Rate
zugegen waren, als ich den Plan fasste, den Menschen zu schaffen, zeigen, ob sie
gewillt seien sich meinen Plänen zu unterwerfen. Und zwar tat ich dies, weil Luzifer
und ein großer Teil der Engel stolz war. In ihrer hohen Stellung wollten sie mir
gleich sein und nicht zugeben, daß noch ein Geschöpf neben ihnen existiere, dem
sie sich unterwerfen müssten. Ich fragte: O Herr, da du doch wusstest, daß viele
deiner Geschöpfe dich nur beleidigen, wäre es denn nicht besser, wenn du kein Geschöpf
hättest. Da antwortete der Herr: Dies wollte ich dir heute zum Troste sagen, daß
ich diese Geheimnisse, die nur meiner Majestät zustehen, keinem Geschöpf erschließen
werde. Die Engel mußten durch demütige Unterwerfung ihre Prüfung bestehen, und der
Mensch durch den Glauben. Darüber könne niemand hinweg, auch wenn er auf dem päpstlichen
Stuhle sitze." (S. 63/64 - 1900/1)
,,Als ich den Menschen erschuf, erschuf ich ihn im Paradies, und der Mensch lebte
in Unschuld wie ein Kind. Er wusste nichts vom Leiden. Ich erschuf ihn aber weniger
vollkommen als die Engel, denn der Engel ist ein rein geistiges Wesen, weil er erschaffen
ist, um in meiner allernächsten Nähe zu stehen. Wegen der Menschen erschuf ich das
Weltall. Alles legte ich dir zu Füßen, o Mensch. Du bist der König der Schöpfung.
Weil ich aber den Menschen materiell erschuf oder mit andern Worten: aus Erde und
einem geistigen Wesen, der Seele, zusammensetzte, darum ist sein Leib der Erde zugeneigt.
Ich wusste im voraus, daß er schwach sein und sinken werde.
Da trat mein Sohn vor mich hin und sagte: Erschaffen wir trotzdem den Menschen,
obwohl wir wissen, daß er fällt.
Wir wollen unsere Liebe vervielfältigen. Ich
selbst will hinabsteigen und den Menschen aus freien Stücken erlösen. Ich will ein
Mensch werden und den Menschen und den Engeln zeigen, wie ich die Menschen liebe.
Als wir diesen Plan fassten und ihn unseren Geschöpfen,
den Engeln, mitteilten, entstand der erste Streit. Luzifer schaute sich in seiner
Vollkommenheit und sagte: Wir sollen einmal einen Menschen anbeten! Diesem Plan
stimmen wir nicht zu. Er trat vor die andern hin und sagte: Wer will mir folgen
und es aufnehmen mit diesem Gott, der von uns verlangt, daß wir seine zweite Person
in Menschengestalt als Gott anbeten sollen. Das wollen wir nicht. Wir wollen nicht
dienen. Das war die erste Sünde. Die Engel wurden in den Abgrund gestürzt. Von da
an gibt es die Hölle." (S. 203 - A 1900/287)
Nachdenklich müssten auch folgende Bemerkungen
stimmen: ,,Einmal war unter sechszehn Stadtabgeordneten nicht ein Zentrumsmann und
unter zweiundvierzig nur fünf Zentrumsmänner. Der Herr sagte: Dies ist die Strafe
für die Geistlichkeit, weil sie die Augen zubinden, um ja nicht aufgerüttelt zu
werden." (S. 91 - 1901/104)
1904 war ein Priester der Diözese vor Gericht
verurteilt worden. Da klagte Barbara nach der hl. Kommunion: ,,O Herr! Wie konntest
du zulassen, daß solche Schmach über die Kirche kommt!" ,,Meine Tochter", sagte
der Herr, ,,das ist die Strafe für meine Kirche hier wegen der Missachtung meiner
Worte, die ich schon jahrelang durch dich gesprochen habe." (S. 73 - 1904/243)
Hier liegen klare Hinweise vor: Niederlagen
der Kirche sind keine Siege Satans, sondern Strafen Gottes.
In den Aufzeichnungen findet sich auch, wie Gott
über die Sünde denkt, wie gut er aber auch gegenüber dem Sünder ist, wenn er reumütig
und bußfertig zu ihm kommt.
,,Ich war ja gekommen, die Menschen zu retten,
auch die Gottlosen, auch diejenigen, die mich hassten und verfolgten. Deswegen hielt
ich mich als ein unbekannter Gott unter ihnen auf. Ich offenbarte mich aber durch
Zeichen und Wunder, so daß alle - auch die schlimmsten und verstockten Sünder -
hätten zur Einsicht kommen können. Sie haben es aber nicht getan. Und doch ist ihre
Bosheit nicht so hoch anzuschlagen wie die der Kinder der katholischen Kirche, die
sich jetzt so im Laster tummeln, die sich von mir abwenden, die mich behandeln als
einen unbekannten Gott, der nie gewesen, noch war, noch sein wird." (S. 101 - 1896/12)
,,Die Welt liegt im argen, der Glaube schwindet von Tag zu Tag mehr und mehr, und
auch die guten Katholiken werden vom Strom der Zeit mit fortgerissen. Weggeschwemmt
wird alles Heilige und Ehrwürdige durch die allzu große Vergnügungssucht dieser
Tage, denn es reihen sich Feste an Feste, die darauf abgezielt sind, den Glauben
und die guten Sitten zu untergraben und alles religiöse aus den Herzen herauszureißen."
(S. 73 - 1897/113)
,,Der größte Krebsschaden der heutigen Zeit ist
die immer mehr überhand nehmende Vergnügungssucht. Sie erzeugt den Unglauben und
die Unsittlichkeit. Wo sie Platz ergreift, muß der Geist Gottes weichen, denn er
findet keinen Platz mehr in den Herzen der Menschen. Die Schwester der Vergnügungssucht
ist die abscheuliche Modesucht bei dem weiblichen Geschlecht. Einmal, am Ende der
Zeit, wird es offenbar, wie die Hölle in euerer Zeit durch das Frauengeschlecht
bevölkert worden ist." (S. 98 - 1910)
,,Der Geist der Finsternis glaubt: Jetzt habe
die Stunde geschlagen, wo er seinen Thron aufrichten könne. Er ist bestrebt, den
Himmel, den er sich einst verscherzt hat, sich jetzt unter den Erdbewohnern zu schaffen,
sich in dieser Schöpfung alles zu unterwerfen, sich zu einem Gott auf Erden emporzuschwingen.
Darum wirft er seine Netze weit aus und hat schon viele ins Garn gezogen. Tag für
Tag nimmt die Zahl derer zu, die sich unter seine Herrschaft stellen." (S. 152/53
- 1897/134)
,,Da nun aber das einzige Reich, das ich auf
Erden gestiftet habe, meine Kirche, selbst so fahl und faul geworden ist, daß Satan
mit den Christen wie mit den Heiden sein Spiel treiben kann, jubelt er entsetzlich.
Er brüllt und heult Tag und Nacht und je mehr er brüllt, desto mehr lockt er sie
in seine Netze. Er brüllt in Wort und Schrift, auf allen öffentlichen Plätzen, in
allen Versammlungen, die nicht für Gott sind, er brüllt sogar in den einzelnen Familien,
denn da stehen überall solche, die andere Familienmitglieder noch mit in die Netze
Satans hineinziehen." (S. 26 - 1898/165)
Ernst wendet sich der Herr daher an jeden Menschen:
,,Jetzt hast du die Wahl. Wähle zwischen Gut und Bös, und weil ich dem Menschen
seinen freien Willen gegeben habe, darum zwinge ich niemand und werde mit der Gerechtigkeit
solange zögern, bis meine Barmherzigkeit erschöpft ist und das dauert, solange der
Mensch lebt." (S. 197 - A 1900/2)
Eine klare Aussage gibt der Herr auch über die
Todsünde: ,,Der Mensch muß unbedingt merken, wenn er sich von mir scheidet, denn
eine gewaltige Erschütterung geht in ihm vor, wenn er sich freiwillig von mir trennt.
Nicht jedesmal bin ich von ihm gewichen, wenn er einmal der Leidenschaft nachgegeben.
Nur dann weiche ich von ihm, wenn er mit vollem Bewusstsein und mit freier Überlegung
handelt und der Gnade ständig widersteht." (S. 49 - 1896/34)
Eindringlich warnt darum der Herr vor der Sünde: ,,Du sollst alles aufschreiben,
damit die Menschen sehen, wie hart die Strafe für diejenigen ist, die im Leben auf
die Barmherzigkeit Gottes lossündigen und mit meiner Gerechtigkeit spielen wollen.
Denk an jenen furchtbaren Ort, wo die Frau seither büßte. (Er spielt auf ein Fegfeuererlebnis
an!) Viele, viele Seelen sind dort, die bis zum Jüngsten Tag leiden, denn dort ist
jeglichem Trost der Eingang verschlossen. Darum blieb der Engel, der dich dorthin
begleitet, und der Schutzengel der Frau, am Eingang stehen und nur, damit die Menschen
wieder meine Gerechtigkeit fürchten lernen; aber damit auch meine Güte und Barmherzigkeit
zu sehen ist, befördere ich diese Frau an einen Ort, wo die guten Werke der streitenden
Kirche hingelangen können." (S. 29/30 - 1906/268)
,,Nie ist es zu beschreiben, wie ich mit
jenen verfahre, die ein Volk verführten wie Luther und Calvin. Neben sie stelle
ich jene Lehrer und alle, die es mit ihnen halten, die halb und halb mit der Welt
liebäugeln wollen." (S. 73 - 1899/256)
,,Auch der geistliche Stand und Ordensstand,
wenn er nur geschäftsmäßig wie ein anderer Stand aufgefasst wird, hat seine Klippen
und kann zur Hölle fahren." (S. 20 - 1910)
Damit stellt der Herr allen Menschen vor Augen:
man darf die Sünde nicht leicht nehmen und nicht auf Gottes Barmherzigkeit sündigen.
Er zeigt aber auch wieviel verstehende und erbarmende Liebe er für seine armen Kinder
hat: ,,Ich bin ein gütiger Gott. Meine Kinder sind meine Ebenbilder, auch wenn sie
die Züge meines Bildes, die sie an sich tragen durch die Sünde und durch die Laster
noch so sehr verzerrt haben. Mein Blut klebt an jeder Seele." (S. 42 - 1896/12)
,,Wie gern verzeihe ich den Menschen, wenn sie
mit reumütigen Herzen kommen. Ich bin bereit in reichem Maße meine Gnaden ihnen
zuzuwenden. Wie lenke ich ihre Schritte, wie bahne ich ihre Wege, um ihr Schicksal
zu erleichtern!" (S. 87 - 1896/2)
,,Ihr seid Adams Kinder und täglich zum Bösen
geneigt. Ihr werdet deshalb auch oft fallen. Diese Fehler müssen gesühnt und abgebüßt
werden. Darum wird euch manches in die Quere kommen, nehmt dies zur Strafe für euere
Sünden an. Somit könnt ihr alle Strafen in dieser Welt abbüßen." (S. 52 - 1896/12)
Das gleiche sagt Christus auch Barbara: ,,Du
mußt die Sünden, die du von Tag zu Tag begehst auch wieder abbüßen. Darum lasse
ich so manches über dich kommen, was dir nicht gefällt und dir das Leben der Frömmigkeit
verleidet." (S. 68 - 1897/134)
Hier wird auf zwei Wahrheiten hingewiesen: die eine: daß jeder Fehler gesühnt werden
muß, denn Gott ist gerecht; die zweite: daß Gott selbst durch seine Vorsehung die
Gelegenheit zur Sühne gibt. Darum sollte man sich dessen mehr bewusst sein. Wenn
einem etwas in die Quere kommt oder wenn etwas kommt, was uns nicht gefällt, soll
man es als verdiente Strafe ansehen und als solche demütig hinnehmen, dann wird
es nämlich zugleich auch leicht.
Interessant ist auch: ,,Alle Menschen sind stolz
und haben ihren eigenen Willen, besonders das Frauengeschlecht. Sie möchten überall
oben anstehen, so war Eva. Alle Frauen sind Evas Kinder, alle Männer aber sind Adams
Kinder. Adam ließ sich von der Eva verführen. Adam glaubte ihr alles und weil sie
es sagte, ließ er sich von ihr verführen, obwohl sein Herz ihm sagte: Gott hat es
verboten, gab er diesem armseligen Frauchen nach." (S. 77/78 1904/230)
Wie gütig Gott ist, zeigt sich auch in folgendem:
,,Der allweise, gütige Gott muß sich den Menschen anpassen, wenn es die Menschen
schon nicht mehr tun, sich ihrem Schöpfer anzupassen und zu fügen. Du mußt wissen,
daß der liebe Gott sich so nach seinen Geschöpfen richtet, daß es niemand auf der
Welt fasst wie unendlich die Geduld des Schöpfers ist, und zu allen Zeiten ersinnt
der Herr Mittel, um sich dieser armseligen Geschöpfe zugänglich zu machen." (S.
2 - 1896/70)
,,Seht, das ist nun einmal, daß alle Menschen
etwas Eigenartiges an sich haben: einen Fehler, den ich mit Geduld ertragen muß,
sonst müsste ich das ganze Menschengeschlecht vernichten." (S. 23 - 1896/97 - 85)
,,Man muß mit den Charakteren Geduld haben, die
so verschieden sind. Auch ich muß Geduld haben mit den frommen Seelen und ihren
Charakter ertragen und tue es auch." (S. 111 - 1909/301)
,,Als ich auf Erden wandelte, habe ich mit Schonung
alle behandelt: Die Samariterin am Jakobsbrunnen mit ihren sechs Männern, den 38jährigen
Kranken. Ich sagte nicht: wieviel hast du gesündigt; ich sagte teilnahmvoll und
wohlwollend: geh hin und sündige nicht mehr." (S. 6/7 - 1897/123)
Wie Gott über die Seinen wacht und für sie sorgt,
beweist er auch in weiterem: ,,Alles, was dem Menschen auf seinem Lebensweg zustößt,
ist für ihn eingebaut, um ihn zu dem Ziel zu führen, zu dem er bestimmt ist. Das
für den Menschen Angenehme begreift er leicht, aber was gegen seinen Willen ist,
will er nicht verstehen. Darum wird er zur Zeit der Prüfung an mir irren." (S. 59
- 1904/247)
,,Wie glücklich wären die Menschen, wenn alle
mit ihrem Stand zufrieden wären. Siehe, das ist das einzige Kreuz in der Welt: alle
Menschen machen sich durch ihre Unzufriedenheit den Querbalken selbst. Ich habe
jedem seinen Lebensplan festgelegt. Es liegt nur an ihm, den Plan auszuführen."
(S. 94 - 1895/96 - 1)
,,Alle, die mir treu dienen, mögen sie auch ganz
verschiedene Wege wandeln, sind mir wohlgefällig. Wenn nur der Mensch gewillt ist
mir zu dienen, dann komme ich ihm schon entgegen und richte mich ganz nach der Neigung
des Menschen, die ihm am meisten liegt. Darum braucht sich kein Mensch beunruhigen,
wenn er sieht, der andere gehe einen anderen Weg zu Gott, weil ich mich jedem anpasse
und mit jedem zufrieden bin, wenn er nur guten Willens ist." (S. 20 - 1906/260)
,,Bekümmere dich nicht um andere, bekümmere
dich nicht um die Zeit, die noch in ferner Zukunft liegt. Lass mich sorgen, sei
aber auch einfältig wie die Taube. Glaube alles, was sich auf mich und auf den Fortschritt
im guten bezieht, was dich zur größeren Liebe zu Gott und zur tieferen Erkenntnis
deiner selbst führt..." (S. 174 - 1895/96 - 1)
,,Lege alle deine Sorgen und Ängste ab, sie sind
null und nichtig solange du dich selbst damit herumreißt. Wenn du es doch verstündest,
alles in mein Herz zu legen und meinem Willen zu übergeben, wie leicht und glücklich
würdest du Tag für Tag leben; denn nichts geschieht ohne meine Zulassung und alles,
was ich tue, tue ich zum besten der Menschen." (S. 83 - 1905/252)
Wie sehr das stimmt, zeigen folgende Worte: ,,Ich
muß auf die Beschaffenheit des Körpers einer jeden Seele Rücksicht nehmen. Ich will
ja jene nicht überbürden, die nicht den Körperbau und die Nerven dazu haben, weil
mit den äußeren Leiden innere und mit den inneren äußere Leiden verbunden sind und
diese zusammenwirkend eine Seele zugrunde richten können." (S. 86 - 1895/96-1)
,,Übermäßige Strengheiten sind mir gar nicht
so wohlgefällig, weil der Mensch seine Kraft nach der Beschaffenheit und Gesundheit
des Körpers bemessen muß. Dieser mein Diener N. soll noch viel zu meiner Ehre und
Verherrlichung wirken, er soll sich begnügen mit dem, was er getan hat." (S. 41
- 1896/97 - 85)
,,Die Kräfte sparen, um länger wirken zu können
ist mir lieber, als in wenigen Jahren sich aufreiben; denn ich brauche eifrige Diener
in meinem Weinberg, damit sie die Schäflein, die vom rechten Weg abgeirrt sind,
zurückführen." (S. 177 - 1897/93)
,,Du mußt die Mittel anwenden, um die Kräfte
wieder zu heben. Wenn man sich so schlapp und erschöpft fühlt, muß man nachgeben,
das ist keine Trägheit." (S. 78 - 1906/260)
Als Barbara einmal sagte: ,,Ach, Herr, ich glaube längst, du habest mich vergessen",
bekam sie zur Antwort: ,,Nein, nein, meine Tochter, ich habe dich nicht vergessen,
du bist noch meine Braut wie damals, wo ich Woche um Woche mit dir verkehrte. Glaubst
du denn, ich wäre so unbeständig wie du. Du gabst mir deine Einwilligung und so
bist du mein." (S. 104 - 1902/166)
Das beste Zeugnis seiner Liebe liefert der Herr
aber im heiligsten Sakrament: ,,Siehe, dreimal habe ich das Ostermahl mit meinen
Jüngern gegessen, aber nicht, daß ich ihnen damit ein bleibendes Denkmal hinterließ.
Ich aß mit ihnen nur wie ein Freund mit seinen Freunden. Aber heute beim letzten
Abendmahl bin ich nicht ihr Freund allein. Heute will ich ihnen alles sein. Ich
will heute in eine so innige Vereinigung mit ihnen treten, daß sie inniger nicht
gedacht werden kann, was nie ein Menschenherz ausdenken könnte, was noch nie ein
Freundesherz, noch nie ein Bräutigam ausgesonnen hat: nach dem Tod gegenwärtig zu
bleiben. Dies aber tat ich. Darum ihr Menschenkinder, liebt denjenigen, der sich
euch ganz geschenkt. Er hat alles gegeben, was er hatte: sich selbst." (S. 45 -
1896/34)
Immer wieder schenkt er sich im hl. Opfer und
in der hl. Kommunion. Überraschend und doch für jeden tröstlich sagt er: ,,Niemand
soll glauben, daß mir eine Seele, mit der ich in so auffallender Weise umgehe wie
mit dir, lieber wäre als eine andere, die mir ebenso treu oder noch treuer gedient
hat als du. Niemand ist von meinem Herzen ausgeschlossen. Auf dem Haupt eines jeden,
der mir treu dient, liegt meine liebende, schützende Hand. Mein zärtlich väterlicher
Blick ruht auf jedem, der mir dient, ganz gleich, in welchem Stand er lebt." (S.
97 - 1897/98 - 145)
Sehr wichtig sind auch folgende Worte an Barbara:
,,Ich kann mich nicht mit jedem auf so auffallende Weise unterhalten wie es hier
geschieht, das würde die menschliche Ordnung und Gesellschaft stören." (S. 97 -
1897/8 - 145)
Daß aber keiner bei ihm zu kurz kommt; versichert
er im folgenden: Er nennt das Menschenherz das Kämmerlein, in dem er wohnt und sagt:
,,Dieses Kämmerlein ist für mich geschaffen, dahin sollst du dich flüchten, wenn
du merkst, daß du durch die Geschäfte des Tages allzu zerstreut wirst, oder wenn
dich der Kummer niederbeugt, oder wenn du glaubst, du seist von mir verlassen, flüchte
dich dorthin und wenn du mich auch nicht findest oder glaubst mich nicht zu finden,
wenn ich mich vor dir verberge. Es gefällt mir doch, wenn du kommst, und ich bin
bei dir, wenn du es auch nicht siehst." (S. 32/33 - 1897/123)
Inhaltsverzeichnis
5. Wie ist die
Echtheit zu beurteilen?
Sind sie durch hysterische oder sonstige krankhafte
Zustände zu erklären?
Diese Frage hat auch damals die bischöfliche Behörde und die Zeitgenossen lange
beschäftigt. Bis 1905 fanden sechs Untersuchungen statt. Seit 1900 wurde Barbara
Weigand nicht mehr selbst verhört, sondern solche, welche an die Offenbarungen glaubten.
Vom Bischof Paulus Leopold liegt folgendes Schreiben vor:
|
,,Mainz,
den 28. Juni 1896
Betreffend der Aufzeichnungen der Mitteilungen der kranken Jungfrau Barbara.
Nach Prüfung der mir übergebenen Hefte, bemerke ich folgendes:
1. Die Lebensbeschreibung lässt erkennen, daß die Barbara eine schlichte,
tugendhafte und fromme Person ist. Sie macht nicht den Eindruck einer Betrügerin.
Persönlich kenne ich sie nicht und habe darum nicht ein bestimmtes Urteil.
2. Die Krankheitserscheinungen kenne ich auch nicht, zweifle aber nicht,
daß sie in die unermessliche mannigfaltige Gruppe hysterischer Krämpfe gehören.
3. Die der bisherigen Bildung der Barbara gegenüber auffallend feine und
edle Sprache, sofern sie nicht etwa von der Schreiberin herrührt (wie bei
Katharina Emmerick v. Brentano) lässt sich wohl natürlich erklären aus der
abnormalen Nervenerregung, welche sich an die Krämpfe anschließt.
4. In den Aufzeichnungen erscheinen besonders bedenklich die Aussprüche
über Personen, die sich im Fegfeuer befinden. Als göttliche Eingebung sie
zu betrachten, liegt kein Grund vor. Sie haben keinen Zweck. Sie sind leichtfertige
Annahmen und müssen unterdrückt werden.
5. Gegen den Glauben verstoßen die frommen Ermahnungen, Betrachtungen und
Anmutungen nicht. Sie übersteigen aber nicht die Linie der gewöhnlichen
frommen Anschauungen, welche in Gebetsbüchern, Predigten und Betrachtungen
sich finden und können darum wohl natürlich erklärt werden.
6. Die zum Teil auf die Zeitverhältnisse: Sozialismus, Atheismus eingehenden
Mahnungen und Klagen sind sehr wohl natürlich zu erklären, obwohl dem Gesichtskreis
der Barbara ferner liegend.
7. Wenn die Mitteilungen als Worte des Heilandes sich darstellen und als
Offenbarungen desselben vorgetragen werden, so kann es auf reiner Phantasie
beruhen. Was Barbara denkt und will, das kleidet sie in ihrer Phantasie
in die Form von Aussprüchen und Befehlen des Herrn. Es soll das nicht als
absichtlicher Betrug angesehen werden, wohl aber als Selbsttäuschung. Die
Formeln kann Barbara aus zahllosen Schriften entnommen haben.
8. Besondere Kennzeichen übernatürlicher Erleuchtung sind keine vorhanden.
9. Es ist darum die Annahme einer solchen als unbegründet und irrig zu verwerfen.
Der Arzt soll die Kranke beobachten, die Aufzeichnung ihrer Mitteilung aber
hat zu unterbleiben.
gez. Paulus Leopold" |
Dann beauftragte er einen Arzt, den Ekstasen
beizuwohnen und ihm sein ärztliches Urteil darüber mitzuteilen. Derselbe wohnte
fünfmal der Ekstase bei und erklärte nicht nur Luise Hannappel, sondern auch dem
Beichtvater von Barbara, daß die Erscheinungen keine natürlichen Erkrankungen seien,
er jedoch das weitere - da er Theologie nicht studiert habe - dem Priester zur Beurteilung
überlasse. Der hochwürdigste Herr vermied es jedoch geflissentlich, das Urteil des
Arztes einzufordern, weil er die Sache, wie er selbst zu Luise Hannappel sagte,
gern losgewesen wäre. (Gr. Heft - S.156/7)
Besondere Erwähnung bedarf der Aufenthalt im
Elisabethenstift. Auf Befehl des Bischofes ging Barbara am 26. Juli 1900 entschlossen
und mutig dorthin.
Am folgenden Tag, den 27. Juli, spürte sie in
der hl. Messe bei der Wandlung, wie das Leiden kam. Wohl zu ihrer Prüfung sandte
der Herr ihr heute, wo alles darauf wartete, keine körperlichen Leiden, sondern
verkehrte nur innerlich mit ihr, sprach jedoch auch einiges laut. Als die Oberin
das merkte, führte sie Barbara auf das Zimmer und bat sie, ins Bett zu gehen. Barbara
jedoch bat sie, nur einfach ruhig sitzen bleiben zu dürfen.
Obwohl der Herr laut sprach, rief die Oberin
niemand. Am Tag darauf kam ihr Beichtvater und fragte die Oberin: ,,War gestern
nichts?" Die Oberin sagte: ,,Nein, sie hat so ein Unwohlsein bekommen, sie hat auch
gesprochen, aber ich weiß kein Wort mehr." Barbara sagte: ,,Der Herr hat gesagt:
Ich bin der Herr. Wenn sie sich nicht meinem Willen unterwerfen, werde ich meine
Sache doch durchführen." ,,Richtig", sagte die Oberin, ,,jetzt fällt es mir wieder
ein."
Weil die Oberin niemand gerufen, so glaubte man
schon, wie ihr Beichtvater zu Luise Hannappel am Samstag sagte: ,,Alles ist zerfallen.
Der
Heiland kommt nicht mehr." Weiter sagte er spöttisch zu Luise Hannappel: ,,Es ist
alles aus."
Am Mittwoch, den 1. August, stellte sich das
Leiden dafür umso heftiger ein, daß die Herren deutlich sehen konnten, daß sie so
etwas nie machen könne. In der Tat waren alle ganz erschüttert und verängstigt und
getrauten sich nichts zu tun. ,,Als ich zu mir kam, sahen sie alle ganz zerstört
aus. Der Arzt, der sonst immer bleich war, hatte dunkelrote Augen und Wangen." Barbara
sagte: ,,Sie werden wohl selbst gesehen haben, daß das keine Einbildung sein und
man sich das nicht machen kann." ,,Ach", riefen sie alle drei. ,,Wer denkt denn
das. Nein, nein, nein, das wissen wir, daß sie sich das nicht machen können und
daß das keine Einbildung ist." Der Weltpriester hatte am meisten Mitleid. In der
Rede hatte der Herr die Gesinnung von allen dreien geschildert und hatte namentlich
über die Männerwelt in Mainz gesprochen. Der Arzt muß sich sehr betroffen gefühlt
haben; denn die Tage vorher war er immer sehr freundlich, von dieser Stunde an aber
war es fertig. Er sah Barbara nicht mehr an und wollte nichts mehr wissen.
Das drittemal kam das Leiden am 3. August. Es war diesmal so eklatant, daß der Arzt
sagte: So fürchterlich habe er sich das Leiden nicht gedacht. Die Schwestern, die
dabei waren, riefen alle Heiligen an und der Arzt ließ kein Mittel unversucht, um
herauszubringen, ob es nicht Krankheit sei. Er ließ ihr Tropfen eingeben, dann Rizinusöl,
dann ließ er ihr ab und zu Milch einschütten, obwohl der Magen nichts annahm und
sie dieselbe jedesmal wieder erbrechen mußte, weshalb der Weltpriester die Bemerkung
machte: ,,Lasst das doch, ihr seht ja, daß es nicht geht."
Die Herren gingen fort, um sich zu beraten. Unterdessen ließ der Arzt ihr soviel
Wasser einpumpen, bis es ihr aus dem Mund herauskommen wollte. Es war für Barbara
so schmerzlich, daß sie bald gestorben wäre. Sie wurde eiskalt und lag wie tot da.
Die Schwestern riefen Gott und alle Heiligen an: ,,Schwestern, kommt zu Hilfe! Jesus,
Maria, Joseph steht bei. Hl. Antonius komm zu Hilfe!" Barbara bekam fortwährend
Ohnmachtsanfälle. Als sie wieder ins Bett geschafft war, sagte der Arzt: ,,So, jetzt
schlafen sie ruhig." Aber kaum gesagt, kam der erste der drei Stürme. Der Arzt wollte
ihn verhindern und fasste ihren Kopf mit aller Kraft, um es ihm unmöglich zu machen,
daß er schüttelt, aber es half nichts. Die Kraft war so groß, daß er mit herumgeschleudert
wurde.
Bei dem zweiten Sturm griff ihr der Arzt mit aller Wucht in die Arme, um sie festzuhalten.
Aber die Gewalt schüttelte den starken Mann mit herum. Er sprang vor sie hin und
sagte: ,,Sie sind mir vom Bischof übergeben und haben mir zu folgen und zu tun,
was ich sage." Dann hielt er ihr etwas Glänzendes entgegen und schrie: ,,Wollen
sie mir folgen, wollen sie augenblicklich hierher sehen!" Barbara strengte all ihre
Kräfte an. Die Augen waren jedoch von einer unsichtbaren Macht gehalten. Sie könnte
sie nicht drehen und auf den Punkt richten. Desto zorniger wurde der Arzt: ,,Heute,
wenn sie mir nicht folgen, sollen sie sehen." Er tobte wie rasend und wollte, sie
solle auf einen Punkt hinsehen, konnte es aber nicht erreichen. Als der Arzt jedoch
ein geweihtes Bild von der hl. Familie von der Wand nahm und es vorhielt, da konnte
sie sofort darauf sehen, weil die Gewalt sie verließ. Als die drei Stürme herum
waren, sprach der Herr wie immer.
Nach der Ekstase sagte die Generaloberin, die dabei war, zu Barbara: ,,Ach, lieber
Gott, was machst du aber durch. Aber ich glaube sicher, daß du auch einen großen
Lohn bekommst in der Ewigkeit."
Anderntags kam der Arzt und sagte: ,,Ich kann nichts anderes erklären, als daß das
alles Hysterie ist. Von mir aus können sie jetzt gehen."
Am Freitag, den 10. August, bekam Barbara das Leiden wieder. Der hochwürdigste Herr
Bischof sollte herzukommen, aber er ließ sich durch Unwohlsein abhalten und es kamen
nur die beiden Priester. Das Leiden und Rede des Herrn waren schon fast vorbei.
Er hatte zu Barbara gesagt: ,,Obwohl du jetzt überzeugt bist, daß ich es bin, sollst
du, wenn meine Diener kommen nicht tun, was ich sage, sondern was die Vorgesetzten
sagen. Unterwirf dich jetzt ihrer Gewalt. Ich habe sie ihnen abgetreten. Wie sie
es mit dir machen wollen, so lass es geschehen."
Da traten die Herrn ein und weil der Arzt erklärt hatte, alles sei Hysterie, gaben
sie nichts auf die Belehrungen des Herrn sondern verführen mit dem Geist auf die
unhöflichste Weise. Sie fielen ihm in die Rede, sie spotteten ihn aus und sagten:
,,Es ist alles nicht wahr, was du sagst, schweig still." Der Geist ließ sich jedoch
davon nicht einschüchtern, wie wohl der Weltpriester viele Fragen stellte, fuhr
er ruhig in der Rede fort wie wenn nichts wäre. Nur wenn der Beichtvater sprach,
gehorchte er auf der Stelle und war ruhig.
Einmal ging Barbara plötzlich das Licht des Geistes aus, da sagte sie: ,,Eben verbietet
mir mein Beichtvater weiter zu sprechen." Er war nämlich gerade abwesend.
Sonntags darauf kam der Beichtvater und sagte: ,,Jetzt haben wir es klar gesehen.
Wenn es der Heiland gewesen wäre, so hätte er dreinschlagen müssen. Wir haben ihn
schrecklich behandelt. Wenn er es wäre, hätte er sich das nicht gefallen lassen."
(S. 1 - 8 - 19.00/1)
Somit stand als Urteil über Barbara fest: Sie ist hysterisch. Nicht darf aber übergangen
werden: schon beim ersten Auftreten der mystischen Erlebnisse hatte der Beichtvater
(es war ein anderer) einen gut katholischen Arzt ersucht, festzustellen, ob nicht
körperliche Schwachheit und dergleichen schuld sei, daß Barbara nach der hl. Kommunion
oft stundenlang nicht Herr ihres Willens sei, regungslos wie eine Bildsäule knien
bliebe und schon Ansprachen hatte.
Auch Bischof Haffner beauftragte einen gut katholischen Arzt mit der Prüfung der
Zustände der Barbara. Dieser war fünfmal Zeuge ihres Leidens am Freitag. Sein Urteil
lautete: ,,Eine natürliche Krankheit ist es nicht, weil ihr Auftreten in mehreren
Punkten von der Krankheit abweiche."
Als er das letztemal wegging, sagte er: ,,Hier haben Theologen das letzte Wort."
(S. 40 - 1909/301)
In den Aufzeichnungen sind noch folgende Begründungen dafür angeführt, daß die mystischen
Erlebnisse keine Krankheiten seien.
|
1. |
Weil das Leiden nur an den Freitagen
komme. |
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2. |
Weil die Stürme vor den Ekstasen die
gleichen sind, was bei keiner Krankheit der Fall ist. |
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3. |
Weil Barbara alles weiß, was sie in
ihrem Zustand gesehen und gehört hat. |
|
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4. |
Weil in den Schriften alles Hand und
Fuß hat, während bei Somnambulen ein buntes Durcheinander ist. |
Inhaltsverzeichnis
6. Was soll man
zu der Untersuchung im Elisabethenstift sagen?
Zum Vorgehen des Arztes: daß Barbara beinahe
dabei gestorben wäre?
Zu dem Verhalten der hochw. Herren: ,,Wenn er
(Christus) es gewesen wäre, hätte er es sich nicht gefallen lassen." Er ließ es
sich auch nicht gefallen: ,,Im folgenden Jahr bekam der Geistliche seine Antwort.
Er mußte seine eigene Schwester im selben Haus unterbringen, ja im selben Zimmer,
wo ich drei Wochen bewacht wurde. Der Priester kam unter Tränen zu meiner Freundin
und sagte: ,,Meine Schwester ist hysterisch geworden, ich mußte sie ins Krankenhaus
bringen." Nach einigen Tagen hörte ich, daß die Selbstmörderin im Elisabethenstift,
von der die Zeitung berichtete, die Schwester dieses Priesters war." (S. 43 - 1909/301)
Klar trat der Herr auch selbst für seine Braut
ein: ,,daß ich mich so auffallend mitteile, ist nur ein Beweis meiner übergroßen
Liebe zu meinen Auserwählten und das Mitleid mit denjenigen, die sich verführen
lassen." (S. 9 - 1909/301)
,,Ich habe dich von Mainz weggeführt, (es war
auf einige Zeit) um der Welt zu zeigen, daß ich es bin, der mit dir redet, und daß
ich dies überall kann, auch wenn du noch so harte Arbeit zu verrichten hast." (S.
45 - 1903/212)
Ausdrücklich nennt Christus das auffallende Leiden
das Zeichen: ,,daß meine Diener erkennen sollen, daß ich es bin. Weil ja unmöglich
eine Seele, und noch dazu ein so armseliger Mensch wie du es bist, imstande ist,
in solchem Leiden auch nur einen Gedanken zu fassen, noch weniger, sich mit etwas
anderem zu befassen und noch viel weniger mit etwas, was über seine Kraft hinausgeht.
Ich habe dir gesagt, daß ich es bin." (S. 35 - 1897/93)
Sehr deutlich sprach Gott auch in folgendem Fall:
,,Als ich Luise Hannappel, meiner Magd, die Botschaft mitteilte, sagte sie: ,,Das
habt ihr erfunden" und war ganz unwillig. Als sie aber den Bericht von Ostern hörte,
sagte sie: ,,Ich habe unter dem Lesen erkannt, daß das die Stimme Jesu Christi ist,
aber ich kann mich doch mit dem Ekstasenkram nicht abgeben. Ihr könnt für euch machen,
was ihr wollt, ich will ruhig für mich bleiben!"
Daraufhin bekam sie mehrmals Anfälle von Irrsinn. Luise Hannappel hielt es für augenblickliche
Geistesschwäche, bis sich am 18. April ein starker Anfall von Tobsucht einstellte.
Der Arzt erklärte: daß es von jetzt an für die Umgebung lebensgefährlich sei und
sie noch vor der Nacht ins Vinzenzspital gebracht werden müsse, was mit Hilfe von
zwei Patres, besonders der ihres Beichtvaters, gelang. Sie gehorchte und ließ sich
auf dessen Befehl dorthin bringen.
Am folgenden Tag sagte der Herr zu Barbara: ,,Ich
habe den Patres einmal zeigen wollen, was ein Narr ist. Sie mögen urteilen, ob eine
Person in einem solchen Zustand so erhabene Worte reden könne wie ich sie durch
dich spreche." (S.70-1899/225)
Erschütternd sind auch folgende Worte: ,,Solange
die geistlichen Vorgesetzten ihr Urteil, das auf Hysterie lautet, nicht zurück nehmen,
trägt dein Leiden und die daran geknüpften Belehrungen für die Gläubigen der Stadt
Mainz und der Diözese keine Frucht. Dies kannst du an deiner Umgebung sehen. Man
glaubt nur solange, als man einen zeitlichen Vorteil vor Augen hat. Ist dieser Vorteil
erreicht, dann denkt man: Ja, wenn ich glaube, müsste ich auch danach handeln und
lehnt sich lieber an das Urteil der Kirche von Mainz an." (S.7-1909/301)
Inhaltsverzeichnis
7. Wie sind ,,die
Gesichte und Ansprachen" zu erklären?
Bei dem Bild, welche die vorgelegten Auszüge
aus den Schriften der Barbara Weigand und der Biographie des Dr. D. Büttner geben,
erhebt sich die Frage: Sehen die Hysteriker und die falschen Mystiker so aus?
Wo finden sich in deren Aussagen und Schriften
derartige Verdemütigungen, welche Barbara vom Herrn ertragen mußte. Im Gegenteil
diese werden immer gelobt und werden von ihren Anhängern verhimmelt. Wehe, wenn
jemand daran nicht glauben würde.
Wo finden sich bei Hysterikern und ,,Begnadeten"
solche heroischen Tugenden, eine solch selbstlose Liebe zum Nebenmenschen und zu
den Verstorbenen wie bei Barbara. Das Gegenteil findet sich: Die Selbstsucht und
das Bestreben für sich viele Vorteile herauszuschlagen.
Wo findet sich bei Hysterikern und ,,Begnadeten"
ein solches Gottesbild wie in den Aufzeichnungen von Barbara.
Barbara Weigand passt nicht in diese Gesellschaft
hinein. In ihr haben wir eine seelisch vollkommen gesunde Frau vor uns. Sie steht
mit beiden Beinen im Leben. Sie hat ein Herz für jeden Menschen ihrer Umgebung und
setzt das letzte dabei ein. Sie ist eine Beterin von ganz großem Ausmaß, sie entwickelt
einen Seeleneifer und dabei einen Opfergeist, daß sie den größten Missionaren nicht
nachsteht. Sie gehört nicht in die Reihe der Hysteriker und falschen Mystiker, sondern
in die Reihe der Heiligen, denen sie durch ihre heroischen Tugenden ebenbürtig ist,
und gerade ihr Leben ist eine Verherrlichung Gottes: ,,Denn in der Krönung ihrer
Verdienste krönst du das Werk deiner Hände".
Inhaltsverzeichnis
SCHIPPACH
EINE ENTGEGNUNG UND RICHTIGSTELLUNG
Pater Peter Lippert, S. J.
(zur Infragestellung der Mystik der Barbara Weigand)
5. Auflage
In Nr. 11 (vom 18. März 1916) der Münchener Wochenschrift
für Politik und Kultur ,,Allgemeine Rundschau" veröffentlichte Dr. theol. Vitus
Brander, Subregens am Priesterseminar in Würzburg, einen Artikel mit der Überschrift:
,,Das theologische System der Seherin von Schippach." Die in diesem Artikel an dem
Werke von Schippach geübte Kritik bedarf einer Entgegnung und Richtigstellung, da
sie selbst einer objektiven Kritik gegenüber nicht standhält.
Schon die Überschrift ,,Das theologische System
der Seherin von Schippach" schießt über das Ziel hinaus und muß darum irreführend
wirken. Dadurch wird auch der ganze Aufsatz zu dem gleichfalls übertreibenden Schlusssatz
geführt, es bestehe die Gefahr, ,,daß die geplante Sakramentskirche in Schippach
die Mutterkirche einer neuen Sekte werde!"
Wer so bestimmt den Argwohn der Sektenstiftung,
also nicht nur der materiellen, sondern sogar der formellen Häresie und des Abfalls
vom Glauben, der Ketzerei im vollendeten Sinne, öffentlich auszusprechen wagt, der
muß vor Gott und der Welt den Nachweis erbringen, daß er auch den Charakter, die
religiös-sittlichen Eigenschaften und die erwiesene Gesinnung der in Frage kommenden
Personen einer einwandfreien Prüfung unterzogen hat. Diesen Nachweis lässt aber
die genannte Kritik vollständig vermissen. Schon um dessentwillen erscheint das
audiatur et altera pars beachtenswert; denn der ausgesprochene Vorwurf der ,,raffinierten"
Einschmuggelung eines falschen Religionssystems ist überaus schwerwiegend und von
großer Tragweite für den guten Ruf und die Ehre einer ganzen Reihe mit der Sache
in Verbindung stehender Personen.
Das Endurteil, das nur der Apostolische Stuhl
abgeben kann und der bereits angerufen ist, steht noch aus. Es ist aber sehr fraglich,
ob dieses Endurteil mit dem durch solche weitgehende Kritik arg getrübten Bade jener
sog. Privatoffenbarungen zugleich auch das - nach der öffentlichen Erklärung des
Bischöflichen Ordinariats Würzburg selbst - vollständig unschuldige Kind des ,,Eucharistischen
Liebesbundes" und der Schippacher Sakramentskirche einfach ausschütten wird.
Wenn solche unschuldigen Kinder bloß wegen des Missbrauchs, der mit ihnen oder mit
sogenannten Privatoffenbarungen getrieben werden kann, regelmäßig umgebracht werden
müssten, dann würde bald in der Kirche Gottes überhaupt nichts mehr sicher sein.
Denn konsequenter Weise müsste dann auch - genau so wie einst die Reformatoren es
wollten - das meiste Gute in der Kirche, ja diese selber vernichtet werden, weil
eben mit dem allen und mit ihr selber oft Missbrauch getrieben wurde und wird. Schon
diese Erwägung sollte zur Vorsicht in der Kritik der ganzen Sache mahnen.
Man muß mit eigenen Augen in den aufgezeichneten
Anmutungen und Beschauungen der Barbara Weigand von Schippach gelesen haben, wie
diese Person selbst ihre über das gewöhnliche Maß nicht hinausgehende Glaubenserkenntnis
oft sehr gering einschätzt. Erst dann versteht man, wie verkehrt es ist, dieser
Person die Absicht der Begründung eines neuen ,,theologischen Systems" zuzuschreiben.
Des öfteren spricht sie unverhohlen die Befürchtung aus, daß sie infolge ihrer geringen
Kenntnis die ihr eingegebenen Gedanken nicht ganz richtig wiedergeben werde. So
demütig und offen spricht niemand, der sich in dem Wahn befindet, die Welt mit einem
neuen ,,theologischen System" zu beglücken.
In Wirklichkeit wendeten sich die frommen Anmutungen
und Mahnungen der Barbara Weigand gerade gegen ein neues ,,theologisches System",
das damals, um das Jahr 1896, von Würzburg aus gewaltig rumorte. Es war das System
Schells, gegen dessen naturalistische, rationalistische, liberalisierende, modernistische
Grundgedanken die Mahnungen der Barbara Weigand den instinktiven Widerstreit einer
ganz dem Übernatürlichen zugewandten, tief gläubigen und mit großer Liebe der Kirche
anhangenden Seele darstellen. Nicht als ob Barbara Weigand auch nur eine Ahnung
von der theologischen Bedeutung des Schellianismus besessen hätte. Ihr ausgesprochener
Widerwille richtete sich aber gegen jene Regungen des Zeitgeistes, denen Schell
besonderen Ausdruck verliehen hat.
Zu einer Zeit, da ein großer Teil unserer Presse
der Richtung Schells ein auffallend weites Entgegenkommen zeigte, war es einesteils
leicht erklärlich, andernteils aber auch durchaus anerkennenswert, daß in dem treukatholischen
Volke, bis zu welchem der Wellenschlag jener naturalistischmodernistischen Richtung
gedrungen war, schlichte, gläubige Herzen daran großen Anstoß nahmen und auf ihre
Weise eine Gegenaktion zu unternehmen begannen. daß dabei Barbara Weigand und ihre
Freunde in mancherlei heute befremdenden oder weniger verständlichen Formen redeten,
ist ihnen aus verschiedenen Gründen zu verzeihen.
Ihr Verdienst aber ist es auf jeden Fall, daß
sie zu einer Zeit, wo so viele mit dem Strom des Zeitgeistes schwammen, sich um
so enger und inniger der alten Übernatürlichkeitsrichtung ihres Glaubens, dem Heilande,
seinem göttlichen Herzen, seiner jungfräulichen Mutter und an die Gnadenquellen
der Kirche anzuschließen suchten. Wohl mehr als genügend haben sie dadurch gezeigt
und bewiesen, daß ihnen nichts ferner lag als die Sucht nach einem neuen ,,theologischen
System".
In Mainz, wo Barbara Weigand damals wohnte, saß
auf dem bischöflichen Stuhle Paulus Leopoldus Haffner, der tapfere Kämpfer aus der
Kulturkampfszeit, der in seiner Geschichte der Philosophie dem modernen Zeitgeist
so energisch entgegentrat. Sein Urteil sowohl über Schell, wie auch über die Anmutungen
von Barbara Weigand ist gewiss von Wert und Interesse. Das Urteil über ersteren
vernahm der Verfasser selber aus dem Munde Haffners; es lautete: ,,Ich stelle Schell
auf dieselbe Stufe wie Hoensbroech; sie sind beide Verräter an der Kirche". Sein
Urteil aber über die Anmutungen von Barbara Weigand hat Haffner nach persönlicher
Prüfung unter dem 28. Juni 1896 schriftlich niedergelegt; es lautet: ,,Gegen den
Glauben verstoßen die frommen Ermahnungen, Betrachtungen und Ergießungen nicht;
sie übersteigen aber nicht die Linie der gewöhnlichen frommen Anschauungen, welche
in Gebetbüchern, Predigten und Betrachtungen sich finden, und können darum wohl
natürlich erklärt werden."
Aus dem maßvollen Urteil dieses strengen Kritikers
und wachsamen Oberhirten ergibt sich erst recht, wie wenig von einem ,,theologischen
System" der Barbara Weigand die Rede sein kann und wie vorsichtig man auch hier
mit dem Vorwurf sein muß, es handle sich um ein ausgesprochen häretisches System.
Schon die Grundgedanken der Anmutungen von Barbara
Weigand sind keineswegs so verkehrt, wie sie schon oft verkehrt ausgelegt wurden.
Bei der heutigen ungeheuerlichen Verbreitung von Unglauben und Sittenlosigkeit,
welche die Menschen von dem Gebrauch der ordentlichen Heilsmittel vielfach gänzlich
abgebracht haben, ist der Gedanke und Wunsch durchaus korrekt, daß es Gott gefallen
möge, durch außerordentliche Mittel die Menschen wieder zum eifrigen Gebrauch der
ordentlichen Heilsmittel zurückzuführen. Wie ehedem zu diesem Zwecke ein hl. Vinzenz
Ferrerius, eine hl. Katharina von Siena, ein hl. Franziskus von Assissi, ein hl.
Dominikus (Rosenkranz), ein hl. Ignatius von Loyola (Exerzitien), eine sel. Margareta
Alcoque (Herz-Jesu-Andacht) besondere Mittel anwendeten, so sollte als außerordentliches
Mittel zum gleichen Zweck der Eucharistische Liebesbund dienen.
Die Unterstellung, als ob Barbara Weigand durch
dieses besondere Mittel die ordentlichen Heilsmittel ersetzen oder ausschalten wolle,
ist absolut unwahr. Es soll vielmehr durch den Eucharistischen Liebesbund gerade
der lebendige Glaube, der eifrige Empfang der Sakramente, die Nachfolge Jesu im
Kreuztragen, die Hochschätzung der Jungfräulichkeit, die wahre und echte Nächstenliebe
erst recht empfohlen und immer mehr in Übung gebracht werden.
Notwendig ist es auch nicht, den Grundgedanken
und vorgeschlagenen Mitteln von Barbara Weigand wegen der zum Teil ungenauen Ausdrucksweise
einen häretischen Sinn beizumessen. Die angegriffenen Ausdrücke lassen sich alle
auch in einem richtigen Sinne auffassen. So z. B. die Worte vom Leiden Jesu in der
hl. Eucharistie. In wie vielen Andachts- und Erbauungsbüchern wird nicht gerade
die Gegenwart Jesu im hh. Altarsakrament als eine fortgesetzte Verdemütigung, ein
fortgesetztes Leiden bezeichnet. In dem von dem Dogmatiker Dr. Heinrich verfassten
herrlichen Gesang- und Gebetbuch der Diözese Mainz heißt es z. B. in der ersten
sakramentalischen Andacht Nr. 127: ,,Ich verlange, Dir (o Jesu im hl. Sakramente)
für die so vielen Wunden genug zu tun, welche Deinem Herzen täglich geschlagen werden."
Auch in dem Gebet- und Gesangbuch für das Bistum
Würzburg finden sich mehrfach Stellen des gleichen Inhalts. Z. B. S. 141: ,,Ich
bete Dich in tiefster Ehrfurcht an, o mein Jesus, wahres Sühneopfer für unsere Sünden,
und opfere Dir diese Huldigung auf zum Ersatze für die gottesräuberischen Mißhandlungen,
welche Dir von so vielen Christen widerfahren, die sich erkühnen, mit einer schweren
Sünde auf dem Herzen sich Dir zu nahen und Dich in der hl. Kommunion zu empfangen."
Oder S. 476: ,,O Jesus, Gottessohn! Bei dem Anblick
der unüberwindlichen Geduld und Langmut, mit der Dein göttliches Herz das bitterste
Leiden und den qualvollsten Tod ertragen hat, und noch täglich im hochheiligen Sakramente
des Altars tausend Unbilden und frevelhafte Beleidigungen erträgt, bitten wir Dich,
..."
Die hl. Margareta von Kortona hörte aus dem Munde
des Heilands die Worte: ,,Die mich unwürdig empfangen, kreuzigen mich und weihen
mir jenen bitteren Trank, den mir einst die Juden gereicht haben."
Der hl. Alphons von Liguori schildert den Gottesraub
als etwas für den Heiland gleichsam unerträgliches, indem er schreibt: ,,Vernehmen
wir, wie Jesus Christus sich durch den Mund der Propheten über den Gottesräuber
beklagt;" ,,Ja, wenn mein Feind mir geflucht hätte, so würde ich es ertragen haben.
Aber du, mein Gleichgesinnter, mein Führer, mein Bekannter, der mit mir süße Speise
gekostet."
In allen diesen Worten reden jene gewiss rechtgläubigen
Personen nur in einem übertragenen Sinne von einem Leiden Jesu in der hl. Eucharistie,
wobei die dogmatische Lehre von der tatsächlichen Leidensunfähigkeit des verklärten
Leibes Christi unangetastet bleibt und als bekannt vorausgesetzt wird. Warum will
man nur in den Worten von Barbara Weigand diesen geläufigen übertragenen Sinn nicht
gelten lassen?
In einer öffentlichen Versammlung wurde Barbara
Weigand von einem Geistlichen (!) sehr heftig und in Ärgernis erregender Weise auch
deshalb angegriffen, weil sie von einem bräutlichen Verhältnis der Seele zu Jesus
Christus redet. Und nun erinnere man sich, wie die hl. Schrift des alten Testamentes
bereits ein eigenes ganzes Buch, das Hohelied, gerade auf die Darstellung dieses
Verhältnisses verwendet, wie im neuen Testament Christus sich selber als den Bräutigam
schildert und wie die ganze Mystik und Scholastik dieses Gedankens sich bedient.
Die einschlägige Literatur ist angegeben in dem
unvergleichlich schönen und lehrreichen Werkchen von Dr. Scheeben ,,Die Herrlichkeiten
der göttlichen Gnade" (Freiburg 1912, 10. Aufl.), in dem ein eigenes Kapitel sogar
die Überschrift trägt: ,,Durch die Gnade wird unsere Seele eine Braut Gottes."
Und wiederum das Mainzer Gesangbuch und das Würzburger
,,Ave Maria". Ersteres redet in einem uralten, kräftigen Gebete den Heiland mit
den Worten an: ,,O Du meiner Seele allerliebster Blutbräutigam Jesu Christe!" Nach
dem Würzburger Gebet- und Gesangbuch aber (S. 477) wird in der Andacht zum heiligsten
Herzen Jesu gemeinsam gebetet: ,,O allerkeuschestes Herz Jesu, des Liebhabers und
Bräutigams keuscher Seelen!" Auf S. 712 des gleichen Gesangbuches ist das allbekannte
und allbeliebte Lied abgedruckt:
,,O Herr, ich bin nicht würdig,
Zu Deinem Tisch zu gehn,
Du aber mach mich würdig,
Erhör mein kindlich Flehn!
O stille mein Verlangen,
Du Seelenbräutigam,
Im Geist Dich zu empfangen,
Du wahres Osterlamm!
Ist das katholische Denken und Beten von heute
wirklich bereits derart herabgestimmt, daß man schon an solchen traditionellen,
warmkatholischen Ausdrücken Anstoß nimmt? Dann möge man aber zusehen und bei Zeiten
dazutun, daß dieser Zeitgeist und diese Scheu vor Schippach nicht noch manch anderes
Stück echt katholischen Denkens und Fühlens hinwegreißt!
Die Behauptung, daß Barbara Weigand unter dem Wort ,,lebendiger Glaube" nur den
Glauben an ihre Privatoffenbarungen verstehe, ist einfach unwahr. Zwar verlangt
Barbara Weigand, wie jeder anständige Mensch, der sich keiner Lüge bewusst ist,
daß man ihr glaube und sie nicht als Betrügerin behandle; aber daß durch diesen
menschlichen Glauben der zum Heile notwendige übernatürliche, göttliche, katholische
Glaube ersetzt werden soll, sagt sie an keiner Stelle ihrer Anmutungen.
Um nun gleich hier auf die Frage nach der Glaubwürdigkeit
der Barbara Weigand einzugehen, so muß betont werden, daß auch in dem Falle, daß
ihre Anmutungen nicht als übernatürliche Eingebungen, sondern nur als natürliche
Erkenntnisse anzusehen sind, keineswegs ohne weiteres von Betrug, Schwindel und
dgl. geredet werden darf. Denn es gibt auch eine natürliche Ekstase, eine natürliche
Verzückung, ein natürliches Hellsehen in religiösen Dingen, wie dies z. B. der gediegene
Artikel ,,Verzückung" des Freiburger Kirchenlexikons eingehend nachweist.
Will man nun aber trotz alledem in der ungenauen
Ausdrucksweise der Barbara Weigand die Gefahr der Ketzerei und Sektenstiftung wittern,
dann wäre zunächst doch noch festzustellen, ob es einer Barbara Weigand nach ihrem
ganzen seitherigen religiös-sittlichen Verhalten, ihrem Charakter, ihrer Gesinnung
überhaupt zuzutrauen sei, daß sie sich von der katholischen Kirche abwenden und
daß sie mit Hartnäckigkeit ihren Anmutungen einen falschen, nichtkatholischen Sinn
zugrunde legen, daran festhalten und auch andere in solche Ketzerei hineinziehen
wolle. Wir glauben indes sagen zu können, daß auch strenge Kritiker bei der erprobten
Tugend, der schlichten Frömmigkeit, der echt kirchlichen Gesinnung der Barbara Weigand
keinen Augenblick zaudern werden mit der Erklärung, daß bei ihr die Anzeichen häretischer
Gesinnung und sektiererischer Neigungen vollständig fehlen. Haben ihr doch selbst
ihre schärfsten Gegner das Zeugnis schon ausstellen müssen, daß sie ,,sittlich intakt"
und von ausnahmsweis großer Frömmigkeit sei.
daß sich eine solche Person gar
dazu versteigen sollte, in dem von ihr stammenden Projekte einer dem Gedächtnis
der Kommuniondekrete Pius X. gewidmeten Sakramentskirche ,,die Mutterkirche einer
neuen Sekte" errichten zu wollen oder etwas derartiges auch nur zu begünstigen,
das ist ein Gedanke, der von vornherein bei allen Kennern der einschlägigen persönlichen
Verhältnisse dem Fluche der Lächerlichkeit verfällt.
Auch dem ,,Verein für die Sakramentskirche in
Schippach, e.V.", der den Kirchenbau betreibt, kann kein vernünftiger Mensch sektiererische
Bestrebungen zuschreiben. Selbst die bloße Vermutung einer derartigen Gefahr ist
bei dem Verein und seinem Unternehmen von vornherein hinfällig und ausgeschlossen.
Denn nach § 3 der beim Amtsgericht München unterm 9. August 1915 eingetragenen Satzung
des Vereins hat ,,die Mitgliedschaft das Bekenntnis zum römisch-katholischen Glauben
zur Voraussetzung." In demselben Augenblick also, in dem sich ein Mitglied sektiererischen
Bestrebungen zuwendet, schließt es sich selbst aus diesem Verein aus! daß doch bei
allen Vereinen, in welchen heute Katholiken sich befinden, den Gefahren für den
katholischen Glauben so gründlich schon durch die Satzungen vorgebeugt wäre wie
hier!
Allein nicht bloß bezüglich der Mitgliedschaft, sondern auch hinsichtlich seines
Unternehmens, seines Zweckes selber hat der Verein schon in seiner Satzung jeglichen
widerkatholischen, sektiererischen Tendenzen den Boden entzogen. Der § 2 der Satzung
legt nämlich als einzigen und alleinigen Zweck des Vereins fest, ,,zum immerwährenden
Gedächtnis der von Papst Pius X. erlassenen Kommuniondekrete und zur Danksagung
dafür in Schippach in Unterfranken eine Sakramentskirche, die zugleich Friedenskirche
für den Weltkrieg sein soll, zu erbauen, einzurichten und zu unterhalten."
Die echt katholische Tendenz dieses Zweckes aber, welche so klar und deutlich der
Liebe zum Papste und dem Geiste des freudigen Gehorsams gegenüber den päpstlichen
Dekreten Ausdruck verleiht, schließt deshalb sektiererische Bestrebungen aus, weil,
wie schon der hl. Cyprian lehrt, der Anschluss an den Papst der beste Beweis dafür
ist, daß einer zur Einheit der wahren Kirche gehört. Der hl. Ambrosius würde sagen:
Ubi Papa, ibi Ecclesia neque ulla ecclesiola. Wo der Papst, da die Kirche und nicht
eine Sekte!
Wie genau die ganze Einrichtung des Vereins für die Sakramentskirche in Schippach
jenen päpstlichen Weisungen entspricht, welche neuestens der hl. Vater Benedikt
XV. in seiner Enzyklika Ad beatissimi vom 1. Nov. 1914 für das Vereinswesen der
Katholiken gegeben hat, zeigen zur Genüge die Erläuterungen, welche die Druckschriften
des Vereins zu dem in der Satzung festgelegten Zwecke geben. Darnach ist es dem
Vereine um nichts anderes zu tun, als mitten in unserer materialistisch und naturalistisch
gesinnten Zeit ein sichtbares Mahnzeichen aufzurichten an die übernatürliche Gnadenquelle
der hl. Eucharistie und an den Gehorsam gegenüber dem sichtbaren Stellvertreter
des eucharistischen Heilands. Dadurch will er ,,den Geist des Glaubens, der Bruderliebe
und der sittlichen Vertiefung, des Leidensmutes und des Opfersinnes neu beleben"
und zugleich auch eine Friedenskirche erbauen, welche den einzigen Gedanken verkörpert:
,,Liebet einander, wie ich euch geliebt habe!"´
Dies alles entspricht genau den Forderungen, welche Papst Benedikt XV. in seiner
ersten Enzyklika an jene Vereine stellt, welche von der Kirche empfohlen werden
können und von den Bischöfen und Priestern aufs eifrigste gefördert werden sollen!
Die Forderungen lauten: Vollkommener Gehorsam
gegen Papst und Kirche, Hinordnung der ganzen Vereinstätigkeit auf das übernatürliche
Endziel des Menschen, Verharren in der Liebe Gottes und des Nächsten. Soll ein diesen
päpstlichen Forderungen so treu und gewissenhaft entsprechender Verein, wie jener
für die Sakramentskirche in Schippach, wirklich die Gefahr der Sektenbildung in
sich bergen?
Getreu hält sich der genannte Verein auch an
die Weisungen der Kirche hinsichtlich der Stellung zu Privatoffenbarungen, welche
von der Kirche als solche nicht oder wenigstens noch nicht anerkannt sind. Der Verein
hat es darum jederzeit auf das peinlichste und gewissenhafteste vermieden, sich
und sein Werk irgendwie zu derartigen Privatoffenbarungen in Beziehung zu setzen.
Weder in der Satzung noch in den sonstigen Verlautbarungen des Vereins ist irgendwie
von Privatoffenbarungen die Rede. Der Verein hat überdies schon vor längerer Zeit
und aus freien Stücken, ,,um einen Beweis seiner kirchlichen Gesinnung und seines
Gehorsams gegen die geistliche Obrigkeit zu erbringen", der zuständigen kirchlichen
Behörde die bündige Erklärung abgegeben, daß ,,der Bau der Sakramentskirche von
ihm keineswegs wegen der Privatoffenbarungen von Barbara Weigand befördert und durchgeführt
wird."
Wenn gleichwohl von einzelnen Vereinsmitgliedern
oder von sonstigen Personen das Projekt des Vereins mit solchen Privatoffenbarungen
in Verbindung gebracht werden sollte, so stände derartiges im Widerspruch mit den
klar ausgesprochenen Absichten des Vereins und dürfte unter keiner Bedingung dem
Vereine zur Schuld angerechnet werden.
Ganz unerlaubt wäre es, dem Verein andere Zwecke
und Tendenzen zuzuschreiben und unterzuschieben, als er selber statutarisch und
urkundlich festgelegt hat. Das geht schon aus dem Grunde nicht an, weil an der Spitze
des Vereins Männer stehen, deren gut- und treukatholische Gesinnung und deren ganze
Stellung und Haltung im privaten wie im öffentlichen Leben die Gewähr dafür bieten,
daß das Werk, welches sie errichten und unterhalten wollen, den Forderungen und
dem Geiste der katholischen Kirche entspricht.
Die Idee aber, in jenem weltabgeschiedenen und
dennoch leicht zugänglichen Spessarttale der Elsava eine dem Gedächtnis der eucharistischen
Großtaten Pius X. gewidmeten Sakramentskirche zu errichten, welche die tiefen Welterneuerungsgedanken
Pius X. in monumentaler Weise verkörpern und in das Gedächtnis des Volkes hineinschreiben
soll und besonders auch eine stille eucharistische Zufluchtsstätte für beladene
und verwundete Herzen bietet - diese Idee ist so einzig schön, so durchaus katholisch,
so wahrhaft pastoral-praktisch, daß sie es ohne Zweifel verdiente, möglichst bald
mit Unterstützung aller verwirklicht zu werden.
Kein kirchlich Gesinnter kann die Reinheit, Schönheit
und Nützlichkeit dieser Idee verkennen. Denn was könnte die Erbauung der Sakramentskirche
auch schaden? Soll es ein Schaden sein, wenn Tausende und Abertausende, allein schon
durch die schöne Idee dieser Kirche angezogen, dort im Sinne Pius X. die eucharistische
Erneuerung ihres Seelenlebens in Angriff nehmen? Soll es ein Schaden sein, einen
Brennpunkt zu besitzen, an dem das Feuer der Begeisterung für die tägliche und die
frühzeitige Kommunion ständig genährt wird und von dort immer mehr sich verbreitet?
Soll es ein Schaden sein, wenn eine Kirche entsteht, in der das Lob des großen und
heiligmäßigen Papstes unserer Tage, Pius X., von seinen Zeitgenossen verkündet und
wachgehalten wird? Soll es ein Schaden sein, wenn die Nachwelt durch ein monumentales
Denkmal erfährt, daß auch die Katholiken dieser Zeit und dieses Landes die Größe
dieses Papstes zu würdigen wussten? Schon heute kann nicht übersehen werden, wie
gerade in dieses Schippacher Kirchenbauprojekt das katholische Volk seine heiße
Liebe und Dankbarkeit für den Papst der täglichen heiligen Kommunion und der Kinderkommunion
hineingelegt hat.
Es dürfte also wahrlich kein Grund gegeben sein,
den Bau der Sakramentskirche in Schippach mit allen Mitteln zu vernichten und gar
an der Stelle des begonnenen herrlichen und wirklich großartigen Bauwerks eine Trümmerstätte
liegen zu lassen, die nur den Hohn und Spott des Irr- und Unglaubens herausfordern
wird.
In Erwägung aller von uns angeführten Momente
scheint uns der Wunsch und die Bitte gerechtfertigt: Die Schippacher Angelegenheit
möge mit mehr Ruhe und Sachlichkeit, mit wahrer und aufrichtiger Nächstenliebe und
vor allem auch mit einer innigeren, begeisterten und begeisternden Liebe zum eucharistischen
Heilande geprüft und gewürdigt werden.
Verfasser: P. Peter Lippert S. J.
Inhaltsverzeichnis
BRIEF AN S. H.
PAPST PIUS XII.
Pfarrer P. M. Weihmann, Schifferstadt (Diözese Speyer)
Brief vom 13. Januar 1943
An „S. Heiligkeit Papst Pius XII.“
Gedanken zur Vision des Heiligen
Vaters
1. Einleitung
Die Nachricht von einer Vision des Heiligen Vaters während seiner
schweren Erkrankung im verflossenen Jahre hat die ganze Welt aufhorchen lassen und,
wie die Presseberichte bezeugen, die verschiedensten Reaktionen ausgelöst: die einen
antworten mit verständnislosem Kopfschütteln, die andern mit absolutem Nichtglauben,
die gläubige katholische Welt mit heiligem Schauer und ehrfürchtigem Staunen.
Ohne hier eine Analyse des Geschehens geben zu wollen - dazu fehlen
bis jetzt alle weiteren Angaben - möge doch kurz auf die Bedeutung dieses und ähnlicher
Ereignisse im Leben unserer Heiligen hingewiesen werden.
Wenn Gott einem Menschen einen solchen außerordentlichen Hulder-
weis seiner Gnade schenkt, daß er sich ihm persönlich zeigt, mit ihm redet oder
die Heiligen des Himmels, etwa die Muttergottes, erscheinen lässt, so verfolgt Gott
damit immer eine besondere Absicht. Dieser besondere Zweck ist aber nicht, wie vielfach
angenommen wird, die persönliche Heiligung des so begnadeten Menschen, wenn dieser
naturgemäß durch eine solche Auszeichnung auch reichen Gewinn davonträgt, sondern
vielmehr die Berufung des Begnadigten zu einer besonderen Aufgabe im Reiche Gottes.
Die katholische Glaubenslehre drückt dies mit den dogmatischen
Bezeichnungen gratia gratis data aus, d.h. der Gnade, die zum Wohl der übrigen Menschen
gegeben wird, nicht der gratia gratum faciens, d.h. der Gnade zur eigenen Heiligung.
Wenn uns - um einige Beispiele zu nennen - in der Bibel von der
Erscheinung Gottes im brennenden Dornbusch berichtet wird, so geschah diese zu dem
Zweck der Berufung des Moses zum Führer des Volkes Israel: „Du mußt mein Volk aus
Ägypten fortführen“; oder wenn uns die Bibel von der Erscheinung Jesu an Saulus
vor den Toren von Damaskus erzählt, so wissen wir, daß jene Vision nicht in erster
Linie der Bekehrung des Saulus galt, die Gott auch auf andere Weise, wie in ungezählten
anderen Fällen, herbeiführen konnte, sondern seiner Berufung zu einer besonderen
Mission in der Kirche: „Dieser soll mir als auserwähltes Werkzeug dienen, um meinen
Namen vor die Heiden, die Könige und die Kinder Israels zu bringen“ (Apostelgeschichte
9,15). Das also war der Zweck jener Erscheinung auf dem Wege nach Damaskus. So hat
auch der Völkerapostel seine Aufgabe aufgefasst, wenn er einmal schreibt: „Ich sehne
mich euch zu sehen, damit ich euch etwas mitteile von den geistigen Gnadengaben,
um euch zu stärken“ (Röm. 1,11).
Oder man denke an die Vision des heiligen Petrus (Apostelgeschichte
10,16 ff), wo ihm der Auftrag zur Bekehrung der Heiden zuteil wurde.
Diese Wahrheit: Berufung zu einer besonderen Aufgabe finden wir
denn auch im ganzen Verlauf der Kirchengeschichte bestätigt: Die großen, tief in
das Leben der Kirche und ihrer Sendung eingreifenden, mitunter geradezu umwälzenden
Ereignisse sind aus besonderen Gnadengaben geflossen, die Gott einzelnen Gliedern
der Kirche zuteil werden ließ.
Das ist eine geschichtliche Tatsache, über das man ein ganzes
Buch schreiben könnte; wer immer die Kirchengeschichte kennt, wird auf Schritt und
Tritt auf dieses besondere Walten des Heiligen Geistes stoßen. Die großen Erneuerer
des religiösen Lebens, mögen sie auch im äußeren Organismus der Kirche nur eine
bescheidene oder gar keine Rolle gespielt haben, wurden zu ihrer Sendung durch Visionen
berufen, man denke etwa an Franz von Assisi und die Rückführung der Welt zu Armut
und Innerlichkeit, an Juliana von Lüttich und ihre Anregungen zur Feier des Fronleichnams-
festes, an Simon Stock und die Gründung der Skapulierbruderschaft, an Theresia von
Avila und Johannes vom Kreuz und die Wiedererweckung der kirchlichen Mystik, an
Johann Baptist Eudes und die Verehrung der heiligsten Herzen Jesu und Mariä, an
Ignatius von Loyola und die Gründung seines Ordens, an Bernadette Soubirous und
die Botschaft von Lourdes, an Margarete Alacoque und die Herz-Jesu-Verehrung, an
Maria Droste zu Vischering und die Weltweihe an das Heiligste Herz-Jesu, an die
Kinder von Fatima und die Rufe Mariens zum Gebet für die gottentfremdete Welt.
Was uns so die Geschichte lehrt, wird durch die kirchliche Praxis
und päpstliche Verlautbarungen erhärtet. So lesen wir beispielsweise in der Oration
zum Feste der Wundmale des heiligen Franziskus: „Als die Welt zu erkalten begann,
hast du, um unsere Herzen mit dem Feuer deiner Liebe zu entzünden, am Leibe des
heiligen Franziskus die heiligen Wundmale deines Leidens erneuert“.
Damit lehrt uns also die vom Heiligen Geist geleitete Kirche,
daß die in einer Vision erfolgte Stigmatisierung des Heiligen einem universalen,
apostolischen Zwecke dienen sollte, nämlich die Erwärmung der kaltgewordenen Herzen
der Menschen.
Oder man lese die Worte des nunmehr ebenfalls charismatisch begnadigten
Papstes Pius XII. in seinem Rundschreiben vom 29. Juni 1943 über den mystischen
Leib Christi: „Bald - und dies zumal in schwierigen Zeit- umständen - erweckt Er
im Schoße der Mutter Kirche Männer und Frauen, die durch den Glanz ihrer Heiligkeit
hervorleuchten, um den übrigen Christgläubigen zum Beispiel zu dienen ... Ohne Fehl
erstrahlt unsere verehrungswürdige Mutter ... endlich in den himmlischen Gaben und
Charismen.“
Oder man höre die Worte desselben Heiligen Vaters vom 1. Juni
1946 an das Kardinalskollegium: „Wir fühlen Uns gedrängt, aufs neue Unsere Stimme
zu erheben, um Unseren Söhnen und Töchtern der katholischen Welt die Warnung in
Erinnerung zu rufen, die der Göttliche Heiland im Laufe der Jahrhunderte in Seinen
Offenbarungen an bevorzugte Seelen nie aufgehört hat einzuschärfen: Entwaffnet die
strafende Gerechtigkeit des Herrn durch einen Kreuzzug der Sühne in der ganzen Welt!“
Mit diesen letzten Worten hat der Heilige Vater auch die große
Aufgabe unserer Zeit ausgesprochen: Durch einen Kreuzzug der Sühne die heraus- geforderte
Strafgerechtigkeit Gottes zu entkräften und so die Rückführung einer Gott fremd
gewordenen Welt vorzubereiten.
Jedem einsichtigen katholischen Christen dürfte es heute klar
sein, daß die zahlreichen Visionen im letzten Jahrhundert, besonders auch die gehäuften,
von der Kirche anerkannten oder doch nicht beanstandeten Muttergottes-Erscheinungen
(an Katharina Labouré 1930, in La Salette 1846, Lourdes 1858, Pontmain 1871, Pellevoisin
1876, Fatima 1917, Beauraing
1932, Banneux 1933, Tre Fontane 1947, Lipsa 1948, Urucaina 1947, Syracus
1951) einem außerordentlichen Zwecke in unserer aus dem Gleis geworfenen Welt dienen
sollen.
Es ist mir schon oft die Frage vorgelegt worden, warum denn die
Muttergottes bei ihren Erscheinungen die Länder außerhalb Deutschlands bevorzuge
und sich nicht auch bei uns zeige. In einer Zeit, wo auch bei uns die Massen des
katholischen Volkes zu Wallfahrten an jene Stätten in Frankreich, Spanien, Portugal,
Italien gerufen werden, muß eine solche Frage geradezu auf den Lippen liegen. Ich
denke mir die Antwort hierauf also: Alle Berichte über Erscheinungen sind einer
technischen, mathematischen Kontrolle entzogen; über sie besitzen nur ihre Empfänger
die intuitive Gewissheit, nicht aber die Außenstehenden. Diese aber müssen hierfür
auch eine gewisse Bereitschaft mitbringen. An dieser Bereitschaft aber scheint es
im deutschen Katholizismus zu mangeln. Wir stecken zu sehr im Antisupranaturalismus
(Scheu vor dem Übernatürlichen), der seit vierhundert Jahren den katholischen Menschen
in uns verschüttet hat. Unser Glaube ist zu sehr intellektualisiert, um nicht zu
sagen säkularisiert, wie die französischen Bischöfe während des ersten Weltkrieges
dem deutschen Katholizismus vorwarfen, daß er das äußerliche, das Irdische, das
Menschliche dem Übernatürlichen vorziehe. Man denke nur an die Scheu der katholischen
Theologie von der Lehre über Maria, wie selbst große Theologen wie Graber oder Semmelroth
in der jüngsten Zeit beklagt haben.
Unser Heiliger Vater ist uns kein Fremder, er ist unser Vater.
Darum nehmen wir als seine Kinder auch innigen Anteil an dem großen Glück, das ihm
zuteil geworden. Es ist auch unsere Beglückung und ein Anruf zu neuem Dienste Gottes
in seinem Geiste.
2. Brief
Schifferstadt, den 13. Januar 1943. Diözese Speyer
An S. Heiligkeit Papst Pius XII.
Betr.: Sakramentskirche von Schippach.
Hl. Vater!
Im Vertrauen auf die Väterliche Güte Ew. Heiligkeit wendet sich
der ehrerbietigst Unterzeichnete nach Anrufung des Heiligen Geistes und mit Hilfe
der himmlischen Mutter im obigen Betreff in schlichter, kindlicher Form unmittelbar
an den Statthalter Christi.
Mein lieber Hoher Freund, Sr. kgl. Hoheit Prinz Friedrich Christian
von Sachsen, schrieb mir vor einigen Jahren nach der Heimkehr von Rom, er habe Ew.
Heiligkeit als damaligem Staatssekretär von meinem vom Himmel so auffallend gesegneten
Eucharistischen Kreuzzug berichtet und Ew. Heiligkeit habe sich darüber außerordentlich
gefreut.
Bei meiner 1. Romwallfahrt im Jubeljahr 1925 besuchte ich 5mal
das Grab des hochsel. Papstes Pius X. und weihte mich dort unter innigem Beten dem
Eucharistischen Kreuzzug. Ich bat den hochseligen glühenden Verehrer des Eucharistischen
Heilandes im Himmel, mit der lieben Gottesmutter Fürsprache für mich einzulegen,
daß ich auch ignis ardens werden und mit- helfen dürfte, seine unsterblichen Kommuniondekrete
in Deutschland durchzuführen und als feuriger Apostel des Eucharistischen Heilandes
Tausende, ja Zehntausende von Seelen für den Eucharistischen Gottkönig der Liebe
zu erobern.
„Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu schleudern, und was
will ich anderes, als daß es brenne.“ - „Ach, die Liebe wird nicht geliebt!“ (St.
Franziscus) - „Du weißt es, o Herr, wie sehr und wie oft du mir Deutschland ans
Herz gelegt hast, damit ich mich ganz dafür hingebe und nichts anderes mehr wünsche,
als für dasselbe zu leben und zu sterben.“ (St. Petrus Canisius, Confessionen)
Wie die außerordentlichen Gnadenwunder der kommenden Jahre es
bestätigten, hat der Himmel mein armes, aber ehrliches heißes Bitten angenommen.
In demütiger Dankbarkeit seien hier einige Tatsachen der ordentlichen und außerordentlichen
Seelsorge angeführt.
Ordentliche Seelsorge
Pfarrei Lambsheim bei Ludwigshafen (1928 - 1933)
Diese meine erste Pfarrei zählte rund tausend Katholiken unter
drei- tausend Protestanten, darunter viele exkommunizierte Mischehen. Die Osterkommunionen
stiegen in kurzer Zeit von ca. 500 auf 750, die Jahreskommunionen stiegen im 1.
Jahr von 5000 auf ca. 40000, dann 62000, dann 70000, dann 75000 und im letzten Jahr
gegen 80000. Dabei war ich mir immer wohl bewusst, daß die Kommunionen nicht bloß
zu zählen, sondern noch viel mehr zu wägen sind und daß nur eine intensive Pflege
des inneren Lebens die fruchtbaren Kommunionen bewirkt. Daher Messopfererziehung;
die hl. Messe muß zur Lebensmesse, zur Tagesmesse werden mit ständig sich wiederholender
Wandlung, Opferung und Kommunion. Besuchung, tägliche fromme Lesung am Abend in
heiliger liebender Zweisamkeit zwischen Seele und Gott, ethisches zielbewusstes
Ringen durch klaren Beichtvorsatz, täglich erneuert und kontrolliert.
Pfarrei Schifferstadt b/Speyer (seit Oktober 1933 bis jetzt)
Im Oktober 1933 führte mich die göttliche Vorsehung in meine jetzige
große Pfarrei Schifferstadt mit ca. 9000 Katholiken. 1938 wurde eine Tochterpfarrei
abgetrennt. Die beiliegende Abschrift eines Artikels, den ich vor Jahren auf Bitten
des H.H. Pater Kentenich von Schönstatt für eine Priesterzeitschrift in die Maschine
diktierte, und welcher außerordentlich reiche und freudige Zustimmung fand, gibt
einen Einblick in die außerordentlichen Erfolge des hiesigen Wirkens, die bis zur
Stunde anhalten. (Beilage 1)
Außerordentliche Seelsorge: Eucharistische Triduen und Missionswochen
A priori sei bemerkt, daß ich als Weltpriester nie an außerordentliche
Missionstätigkeit dachte, sondern ohne mein Zutun plötzlich und unerwartet durch
die Verhältnisse geradezu hineingeworfen wurde.
Das Werkzeug dazu war ein lieber Freund, Prälat Mäder von Basel,
der mich dringend bat, zum Christ-Königs-Fest 1930 seiner Heilig-Geist-Pfarrei ein
Eucharistisches Triduum zu predigen. Dieses Triduum schlug so ein, daß die Pfarrei
von heiligem Feuer erglühte, und ich selbst vor Staunen über den wunderbaren Segen
fast sprachlos wurde und nur ein Magnificat jubeln konnte.
Dieses Triduum wiederholte ich in der Folgezeit in mehreren Pfarreien
meiner Heimatdiözese und der Erzdiözese Freiburg, wo Pfingstwunder auf Pfingstwunder
folgte. So stiegen z. B. die Jahreskommunionen in der Gemeinde Eppelheim b/ Heidelberg
innerhalb eines Jahres von 6000 auf 39000, ähnlich in Mörsch b/ Karlsruhe die Monatskommunionen
von 2000 auf 13000, was dauernd anhielt, weil der Pfarrer mitgerissen wurde. Der
dortige Pfarrer hatte in seiner kommunistisch verseuchten Pfarrei jahrelang mit
allen Mitteln gearbeitet, hatte eine große Volksmission durch Redemptoristenpatres
halten lassen, aber alles ohne durchschlagenden Erfolg.
Das Eucharistische Triduum brachte fast über Nacht eine ganz neue
warme Atmosphäre der glühenden Heilandsliebe, verbunden mit einem kindlichen, himmelstürmenden
Gottvertrauen in die arme Pfarrei. Solche Pfingstwunder durfte ich bei fast allen
Eucharistischen Missionswochen in 7 Diözesen in Stadt und Land erleben. Aus vielen
Dankesbriefen sei der von Stadtpfarrer Rüger in Karlsruhe-Durlach als Beispiel angeführt,
(Beilage 2), ebenso ein amtlicher Bericht des Bekennerpriesters Prälat Dr. Feurstein
von Donaueschingen, den dieser auf Anforderung an das Erzbischöfliche Ordinariat
Freiburg sandte. (Beilage 3)
Quellgrund des Segens
Wenn nun der Untergrund dieser auffallenden und außerordentlichen
Erfolge aufgezeichnet werden soll, so muß vor allem bemerkt werden, daß der Prediger
selber nur ein armes, wenn auch überglückliches Werkzeug des Eucharistischen Heilandes
und der lieben himmlischen Mutter ist. Er kann nur die Worte der großen hl. Theresia
nachsprechen: „Theresia ohne Gott nichts, Theresia mit Gott alles.“
Auf zwei Momente sei besonders hingewiesen:
1. Nach dem Vorbild der großen hl. Missionare scharte ich schon
als Kaplan und später als Pfarrer einen immer größer werdenden Kreis von treuen
frommen Seelen um mich, darunter auch ganze Klöster und missionierte Pfarreien,
die allmählich zu einer stattlichen „Beter-Armee“ heran- wuchsen. Vor jeder Mission
schickte ich Rundbriefe an dieselbe mit der Bitte: „Auf zum Trommelfeuer auf den
Knien!“ Dieser Ausdruck erklärt sich aus meinem Fronterlebnis als Artillerie-Offizier.
Von diesen Rundbriefen und Aufrufen sind einige der letzten Jahre als Muster beigelegt
(Beilagen 4 - 13). Es wurde dabei versucht, das Missionsfeuer durch neue Anregungen
immer weiter zu schüren, was allgemein sehr dankbar begrüßt wurde. Die Beter-Armee
erstreckte sich von Rom bis zum hohen Norden, von Wien bis nach Paris, ja bis nach
Amerika.
2. Eine zweite Quelle des außerordentlichen Himmelssegens meines
Eucharistischen Kreuzzuges sowohl in der ordentlichen Pfarr-Seelsorge wie bei den
Missionen sehe ich in „Schippach“. Ich bekenne dies ehrlich und wahrheitsgetreu
und glaube nicht, daß ich mich täusche. Selbstverständlich will ich damit in keiner
Weise dem endgültigen Urteil Roms vorgreifen. Da gibt es für mich nur eines: Roma
lucuta, causa finita. Ich bekenne freudig mit dem hl. Clemens Maria Hofbauer: „Ich
begreife nicht, wie ein Mensch ohne Glauben leben kann. Ich bin stolz, eitel und
ein Sünder, ich habe nichts gelernt, aber eines habe ich durch Gottes Gnade: Ich
bin durch und durch katholisch. Meinen Glauben möchte ich mit niemand vertauschen.
Meinem Auge traue ich weniger als dem Ausspruch der Kirche. Dieser kann nicht irren,
mein Auge kann sich täuschen.“ Darum ging er durch dick und dünn mit dem Papst.
Seit 1922 mit „Schippach“ bekannt, besuchte ich im Jahre 1925
nach meiner 1. Romwallfahrt zum ersten Mal Barbara Weigand in Schippach, die damals
bei ihren 80 Jahren noch außerordentlich rüstig und schaffensfroh war. Wir beteten
auf den Knien liegend ca. 4 Stunden auf den Ruinen der Sakramentskirche um den Siegeszug
des Eucharistischen Heilandes, wobei Barbara mir prophetisch versicherte, daß ich
zum Sieg des Eucharistischen Heilandes und zum Bau der Sakramentskirche viel mithelfen
dürfte. Heute bin ich überzeugt, daß das Eucharistische Charisma neben der Weihe
am Grab Pius X. auch in „Schippach“ begründet ist. Die Vorbereitung der Herzen durch
den Eucharistischen Kreuzzug ist gleichsam der geistige Unterbau der Sakramentskirche
aus Steinen. In der Folgezeit konnte ich Barbara Weigand noch öfters besuchen und
tiefen Einblick in den Beginn ihrer Begnadigung und in ihr reiches Innenleben gewinnen,
das noch in den 90er Jahren von Liebe zum eucharistischen und leidenden Heiland
glühte.
Bei einem Kreuzweg, den sie laut und frei aus dem Herzen vorbetete,
war ich von ihrer zarten Christusmystik ganz ergriffen. Die angeblich „Hysterische“
konnte noch als Neunzigjährige auf dem Feld arbeiten, besaß eine seltene Gesundheit
und Nerven wie von Stahl und Eisen, dabei schlicht und bescheiden. Ich beobachtete,
wie Leute vom Dorf zu ihr kamen und sie in dringenden Anliegen um ihr Gebet baten.
Auch der hochsel. Bischof Ludwig Maria Hugo von Mainz, ein Fachmann
in der Mystik und Seelenführer von Begnadigten, mit dem ich persönlich gut befreundet
war (seine leibliche Schwester war Oberin in meiner Pfarrei), sprach mit größter
Hochachtung von Barbara Weigand als einer zwar derben, aber durchaus ehrlichen,
frommen, opferstarken, ja heiligmäßigen Person und war von der Echtheit ihrer Begnadigung
überzeugt.
Im Sommer 1942 war ich zum letzten Mal in Schippach und brachte
Barbara Weigand, die noch täglich kommunizieren kann und im Dezember 97 Jahre alt
war, die hl. Kommunion. Wenn ihre Kräfte auch stark abgenommen haben, so kann sie
immer noch Tag und Nacht innig beten. Sie wollte meine Hand kaum mehr loslassen.
Der beste Kenner von „Schippach“ ist ohne Zweifel der Pfarrer
und Geistl. Rat Dr. Büttner, der als langjähriger Pfarrer von Schippach und Beichtvater
der Barbara Weigand auf Grund der Akten das beim hl. Offizium vorliegende Manuscript
„Der Schippacher Kirchenbau“ herausgab. Ich schickte dieses Manuscript an P. Carlo
Friedrich, damals Generalprocurator der Steyler Missionsgesellschaft in Rom, der
in seinem Brief vom 31.12.1926 folgendes sehr feine Urteil abgab:
„Für die Zusendung des Buches danke ich Ihnen recht sehr, weil
ich so auch einmal sehen konnte, wie man mit den Dingen umging und „geistige Werte
entwertete“. So ungefähr habe ich die Lektüre beendet und kann mir nun ein Urteil
bilden. Ein Fernstehender kann sich gewiss nicht alles auf den ersten Blick gleich
zurechtlegen, auch ich stand bei der Lektüre oft stille und fragte mich, wie das
doch möglich war, einem jungen Manne solchen Einfluss einzuräumen! Manches ist wirklich
rätselhaft. Meine Eindrücke kann ich vielleicht in folgende Gedanken pressen: Die
Schrift zeigt und beweist, wo das Recht und wo das Unrecht bislang gewesen ist.
Insofern scheint mir auch die Bearbeitung die beste Garantie des endlichen Sieges
zu bieten. Selbst wenn man sich auch nicht auf die Seite der Barbara Weigand stellen
will, so muß man wenigstens zugeben, daß mit einem wirklich frivolen Leichtsinn
der Feldzug gegen Barbara Weigand geführt worden ist und von Männern, die sicher
in der mystischen Theologie Neulinge waren und vieles überhaupt nicht werten konnten.
Die Beweisführung ist überzeugend und wahrscheinlich werden sich die Gegner hüten,
mit offenem Visier von neuem auf den Kampfplatz zu erscheinen. Der Herr hat gut
getan, für die Unschuld den Schild zu erheben.
Die Form der Schrift scheint mir, als Außenstehendem, etwas zu
scharf. Zu erklären ist ja alles. Man kann sich denken, wie einem Priester die Galle
steigt, wenn er Tag für Tag an einem solchen „Trümmerhaufen“ vorübergeht und das
Unheil jeden Tag mit Händen greifen kann. Die Polemik ist also erklärlich und die
scharfe Form ebenfalls; trotzdem meine ich fast, als wenn der Erfolg noch besser
gewesen wäre, wenn manche subjectiven Ausfälle unterblieben wären. Man hätte dann
vielleicht auch den Gegnern den Rückzug leichter gemacht. „Goldene Brücke einem
fliehenden Feinde.“
Was wird nun das Resultat sein? Werden die Behörden nachgeben?
Mir will fast scheinen, daß die Menschenfurcht, nun schließlich doch ein „confiteor“
recitieren zu müssen, alles verhindern wird und dann werden auch noch viele persönliche
Rücksichten auf so manche hinderlich sein. Leicht wird es menschlich gesprochen
nicht werden, aber bei Gott ist eben alles möglich und er hat eben auch die Herzen
der Obern in der Hand. Rein natürliche Motive aber werden nicht ausreichen.
Für die verleumdete Person ist das Spiel zwar bitter, aber nicht
in der Ordnung der Gnade. Ich las letzthin noch einen schönen Satz, als eine begnadete
Person zum geistigen Brautstand mit dem Blutbräutigam kam und sich rüstete, hörte
sie die Worte: „der schönste Diamant in der Krone fehlt dir noch: die Verachtung
der Welt.“ Wenn also die Person ein neues „Ecce-Homo-Bild“ geworden ist und alle
Ungerechtigkeit mit Unwahrheit erduldete, dann kann man ihr nur Glück wünschen.
Sollte sich je Gelegenheit bieten, etwas in dieser Richtung zu
tun, will ich gerne mithelfen. Solange ich aber nicht weiß, wie die Dinge sonst
stehen, wie die bischöfl. Behörde gesonnen ist, scheint mir ein Schritt hier nicht
opportun, wenigstens nicht von seiten der Außenstehenden. Lassen wir Gottes Vorsehung
alles selbst machen, sie wird es schon recht machen.
Mit den allerbesten Segenswünschen zum neuen Jahr verbleibe ich
Ihr treu ergebener Diener in Christo gez. Carlo Friedrich“.
Obwohl manche frühere Gegner von „Schippach“ bekannten, daß Brander
„daneben gehauen“ habe, beherrscht dieser bis zur Stunde in Würzburg das Feld. Als
die Anfrage des Hl. Offiziums vom 17. März 1942 bezüglich des „Schippacher“ Kirchenbaues
bekannt wurde, beschwor der beste Kenner, Dr. Büttner, den Hochwürdigsten Herrn
Bischof von Würzburg, nunmehr eine unparteiliche Prüfungskommission einzusetzen,
aber leider vergebens. Im Gegenteil, es wurde ihm vom Bischof, der bezüglich „Schippach“
in einer erschreckenden Unwissenheit sich befindet, Schweigepflicht auferlegt. Wie
der mir befreundete P. Haw, Direktor des aufgelösten Johannesbundes, im März 1942
mitteilte, wurde auch er von Dr. Brander einseitig und falsch über Schippach unterrichtet.
Wer aber ohne Vorurteil das gründliche Manuscript von Dr. Büttner
studiert, dem geht es ähnlich wie dem frommen und gelehrten P. Carlo Friedrich.
Im übrigen ist die Verfolgung ein fast notwendiges Stigma der Echtheit wegen der
Gleichschaltung mit dem armen, demütigen und gekreuzigten Heilandsleben. Alle Werke
Gottes müssen den Stempel Gottes tragen: Das Kreuz! Das zeigt auch, wie Dr. Büttner
eingehend klargelegt hat, ein Blick in die Geschichte der Heiligen und Mystiker
aller Jahrhunderte, die durchwegs die Spottkrone des Herrn tragen durften, z. B.
die sel. Juliana v. Lüttich, die große hl. Theresia, Johannes v. Kreuz, Ignatius,
Don Bosco, der ins Narrenhaus gebracht werden sollte, Klara Moes vom Limpertsberg
in Luxemburg, welche von einer Commission von Theologen als dämonisch hingestellt
und später glänzend gerechtfertigt wurde, dann die sel. Creszentia Höss von Kaufbeuren,
die als Heuchlerin und Hexe verschrieen wurde.
Ein Schulbeispiel dafür ist auch die hl. Margaretha Maria Alacoque,
welche von ihren Mitschwestern, Theologen und Trägern der Mitra verlacht wurde.
Der berühmte Moralist Noldin schreibt darüber in seinem Buch: „Die Andacht zum hl.
Herzen Jesu“ S. 48 ff. „Ihre Oberinnen begegneten ihr von vornherein alle mit einem
gewissen Misstrauen und Vorurteil. Um ihren Leiden die Krone aufzusetzen, fügte
es Gott zur Prüfung und Vervollkommnung seiner Dienerin, daß sie fast allgemein
verkannt und darum zurückgesetzt und verachtet wurde. Man hielt sie für eine Schwärmerin
... „Wir wollen für diejenigen beten, die mir Gelegenheit geben, für Jesus zu leiden“
Margaretha sollte dadurch dem Bilde des Sohnes Gottes gleichförmig werden, der von
der Geburt bis zum Tode verkannt und verfolgt und verachtet wurde und all dieses
Leiden mit wunderbarer Geduld ertrug.“
Bedenklich ist auch die Tatsache, daß die Brandersche Kampfschrift:
„Die Seherin von Schippach“ sensationell in nichtkatholischen Buchhandlungen aufgemacht
und in liberalen und sozialdemokratischen Blättern beifällig besprochen wurde. Wehe
mir, wenn der Feind mich lobt!
Wer die damalige Einstellung des deutschen Klerus zur Mystik kennt,
wundert sich nicht mehr über so schwere Entgleisungen im Kampf gegen „Schippach“.
Als ich noch Kaplan war, kamen wir einmal bei Tisch auf die Mystik zu sprechen.
Da fragt ein Stadtpfarrer spöttisch: Mystik, was ist das? Der Haufen Mist draußen
im Garten?“ Wenn es heute etwas besser geworden ist, so herrscht doch noch in weitesten
Priesterkreisen eine krasse Ignoranz in mystischen Dingen, wo doch die Mystik die
Krone der Theologie und das Gebet der eingegossenen Beschauung, zum mindesten aber
das Gebet der erworbenen Beschauung, die Krone des christlichen Innenlebens sein
sollte.
Ähnlich lehnt man auch in manchen Priesterkreisen die Kommunion-
dekrete Pius X. ab und sprach von ihnen als von Ergüssen eines senilen Papstes,
die nicht ernst zu nehmen seien. Hätten die deutschen Bischöfe (salva reverentia)
und Priester in kindlichem Gehorsam und mit glühender Begeisterung die Kommuniondekrete
gepredigt und durchgeführt, anstatt vielfach zu kritisieren oder gar abzulehnen
oder sie nur langsam und kalt und lässig durchzuführen, so wäre die Entwicklung
der Welt- und Kirchengeschichte eine andere geworden.
Papst Clemens XI. schrieb an die in Paris versammelten Bischöfe
Frankreichs in der Bulle „Gratulationes“ vom 15.1.1706: „Es steht den einzelnen
Bischöfen nicht zu, die Dekrete des Apostolischen Stuhles zu diskutieren, sondern
sie zu erfüllen - non discutere, sed implere“.
Ich wage aus hundertfacher Erfahrung heraus die Behauptung: Nicht
die Eltern haben sich gegen die Frühkommunion der Kinder gesträubt, sondern sehr
viele Priester und auch Bischöfe haben da versagt. Wo ich die Frühkommunionpredigt
hielt, hat sie überall durchgeschlagen.
In den „Schippacher“ Offenbarungen steht der Satz : „Betende Priester
will ich, betende Priester.“ Im Jahre 1924 frug ich gelegentlich einer Exerzitienaussprache
P. Carlo Friedrich, warum wir in Deutschland trotz vieler Seelsorgearbeiten so viel
Misserfolg hätten. Antwort: „Die deutschen Priester sind zuviel Politiker, Wissenschaftler,
Organisatoren und zu wenig Glaubensmänner.“
Der große Apologet P. Weiss hat folgende Antwort gegeben: Zuviel
Menschenwerk und zu wenig Gotteswerk. - Sicher hat der hl. Franz v. Sales recht,
wenn er die Wissenschaft das 8. Sakrament des Priesters nennt, und von den beiden
Augen des Priesters spricht: Frömmigkeit und Wissenschaft. Aber keine Wissenschaft,
die aufbläht, über welche die hl. Catharina v. Siena urteilt: „O welch ein Unheil
ist die stolze Wissenschaft! Euch schadet sie so sehr, ohne irgend jemand zu nützen.“
Die Wissenschaft hat zu wenig das Leben geformt, ist vom Kopf
nicht in das Herz heruntergekommen. Das Wissen muß zum Lieben werden und das Leben
formen. Ein betendes und liebendes Studium auch mit dem Herzen! Kostet und sehet,
wie gütig der Herr! Hier liegt neben der krassen Unkenntnis der Mystik eine schmerzliche
Wunde der deutschen Theologen-Ausbildung. Man studiert vielfach nur für das Examen
und nicht für das Leben.
Wenn Dr. Brander in seiner Kampfschrift frohlockend auf die „Irrtümer“
hinweist, um damit die Unechtheit zu beweisen, so ist darauf zu antworten: Alle
Lehrer der Mystik sagen, daß Privatoffenbarungen Irrtümer enthalten können und dürfen.
Prof. Zahn widmet ganze 16 Seiten dem Nachweis, daß Irrtümer in Privatoffenbarungen
sehr oft vorkommen können und sich mit deren übernatürlichem Charakter wohl vertragen.
Auch in anerkannten echten Privatoffenbarungen finden sich Irrtümer und es ist nicht
angängig, deswegen auf Unechtheit zu erkennen. Poulain führt 31 Beispiele von Heiligen
und Seligen an, in deren Offenbarungen sich Irrtümer finden.
Ganz anders aber Dr. Brander. Pathetisch
bricht er im Anschluß an seine Entdeckung der ,,Irrtümer" in den Schippacher Offenbarungen
in die Worte aus: ,,Gott kann niemals irren oder fehlen!" Und in seinem Vorwort
meint er: ,,Aussprüche des Himmels müssen lauterer sein als das Sonnenlicht."
Papst Benedikt XV. hat auf ein Wort
Gregor d. Gr. hingewiesen: ,,Selbst prophetisch begabte Männer sind nicht ständig
vom prophetischen Geist erleuchtet und erachten bisweilen das Resultat der eigenen
Geistestätigkeit irrtümlich für eine Gabe prophetischer Erleuchtung." Aufgabe einer
wissenschaftlichen Untersuchung ist es nachzuweisen, was Stimme Gottes und was Stimme
des Menschen ist. Finden sich wirklich Irrtümer in mystischen Schriften, dann sind
diese Irrtümer dem menschlichen Faktor zuzuschreiben, berühren aber den göttlichen
nicht. Darum ist es nicht angängig, mit dem Hinweis auf Irrtümer das Ganze zu verwerfen.
Mit einer solchen Methode müsste man auch approbierte, anerkannte und echte Offenbarungen
verwerfen. (So Dr. Büttner S. 63/64). Hier gilt das Wort Pauli: ,,Prüfet! Was gut
ist behaltet!"
Ganz abwegig ist der Satz von Dr.
Brander: ,,Eher fällt die Sonne vom Himmel und geht das Weltall in Trümmer, als
daß Rom solche Offenbarungen bestätigen wird!" Wie oft schon hat Rom Offenbarungen,
die von unteren kirchlichen Instanzen verworfen wurden, später bestätigt, hat sogar
eine von einem bischöflichen Gericht als Hexe verurteilte und verbrannte Jeanne
d´Arc feierlich heilig gesprochen. Bei einer ruhigen Prüfung der Schippacher Schriften
kann man Perlen von christlichem Gedankengut finden, deren Schönheit und Tiefe überraschen.
Hier kurz einige Proben:
Wie viele Katholiken haben heute
Angst vor einem Zuviel der Marienverehrung! Anstatt mit dem hl. Bernhard zu sprechen:
,,De Maria nunquam satis"!, rufen sie abwehrend: ,,De Maria nequit nimis"!
So sagte vor kurzer Zeit eine beim
Bischöflichen Jugendamt angestellte Ordensfrau zu einer meiner Jungfrauen: ,,Warum
den Umweg über Maria zu Christus gehen anstatt direkt zu Christus?!" Hinter dieser
bedenklichen Auffassung stehen viele Theologen, so daß es manchmal schwer war, ein
Marienbuch bei einem Verlag unterzubringen. Wie glänzend und lichtvoll wird diese
schiefe Auffassung durch einen Satz der Schippacher Offenbarungen widerlegt, wo
der Herr im Oktober 1895 spricht im Hinblick auf den Rosenkranz: ,,Meine Kinder
versammeln sich so zahlreich zum Lobpreis meiner Mutter. Siehe, indem sie meine
hl. Mutter ehren, verherrlichen sie mich, ihren Gott!" Marienliebe ist ja Christusliebe.
Die Gegner übersehen den Organismus zwischen Marienliebe und Christusliebe und stellen
die beiden mechanisch nebeneinander. Da Ew. Heiligkeit ein so glühender Verehrer
der himmlischen Mutter sind, darf ich zur Freude Ew. Heiligkeit ergänzend bemerken,
daß ich zum Abschluss der Euch. Triduen und Missionswochen immer eine Marienpredigt
hielt und die wunderbare Medaille der Unbefleckten Empfängnis als Missionsandenken
verteilte. Bis zum Krieg habe ich Million dieser Medaillen verteilen dürfen. Jetzt
gibt es leider keine mehr.
Bei der Missionswoche in der Jesuitenkirche in Mannheim habe ich allein 9000 Medaillen
verschenken dürfen. Mit hl. Eifer kamen alle Gläubigen, auch die Männer, um das
geweihte Gnadenzeichen der Himmelsmutter in Empfang zu nehmen, um, oft unter Tränen,
einen Kuss der Liebe darauf zu drücken. Priester, die anfänglich Bedenken gegen
die Medaillenausteilung äußerten, waren durch das Erlebnis nachher freudig überrascht.
Das gute Volk denkt da oft viel gesünder und gläubiger als viele Theologen. Eine
Reihe wunderbarer Bekehrungen und Heilungen sind mir bekannt geworden, welche die
himmlische Mutter doch durch ihr Gnadenzeichen wirkte.
Desgleichen durfte ich in Verbindung mit Hochschulprofessor Dr. Fischer, dem Fatima-Apostel
Deutschlands, die Großtaten unserer lieben Frau von Fatima in vielen Pfarreien verkünden.
Darum begrüßte ich auch die Weltweihe an das hl. Herz Mariä am letzten Oktober 1942
mit außerordentlicher Freude und vollzog sie an Neujahr mit meiner Pfarrgemeinde.
Denn was das Haupt tut, müssen auch die einzelnen Glieder tun. Sonst wird der Zweck
der Weltweihe an das hl. Herz Mariä nicht ganz erreicht werden können.
Dr. Brander widmet in etwas spöttischer Weise ein Kapitel ,,den Jungfrauen in der
Welt". Wie hat doch auch hier die Geschichte Barbara Weigand recht gegeben. Ich
erinnere an den ersten und jetzigen zweiten Weltkrieg. Der 1. Weltkrieg kostete
allein Deutschland 2 Millionen Männer durch den Heldentod. Dies aber bedeutete für
2 Millionen Mädchen und Frauen Ehelosigkeit oder frühen Witwenstand. Damit wurde
der Begriff ,,Jungfrauen in der Welt" ein vordringliches Seelsorgeproblem, sollten
nicht diese zur Ehelosigkeit verurteilten Jungfrauen am Leben zerbrechen und ihr
irdisches und ewiges Glück gefährdet werden. Dasselbe gilt auch heute.
Dazu kommt, daß heute praktisch kein Mädchen ins Kloster mehr gehen kann. Ferner
zeigt die Kirchengeschichte, wie oft der Himmel das Schwache erwählt hat, um das
Starke zu beschämen, cf. Katharina v. Siena.
Wenn Dr. Brander den Ausdruck ,,die lebendigen Mütter meines Sohnes" besonders angreift,
so sei nur an das Wort des hl. Augustinus erinnert, der sagt: Wir sollten ,,matres
Christi" sein, indem wir durch apostolisches Wirken Christus in den Herzen erzeugen
und das göttliche Leben hegen und pflegen.
Vielfach sind die von Dr. Brander angegriffenen Gedanken durch die katholische Aktion
Pius XI. glänzend gerechtfertigt worden, so z. B. das Beten, Sühnen und Leiden.
Der rote Faden, der die ganzen Schippacher
Offenbarungen durchzieht und ihr Herzstück bildet, die Sendung der Barbara Weigand
darstellt, ist die Einführung der öfteren Kommunion. Dafür betete und opferte Barbara
Weigand schon in den 70er Jahren heroisch, indem sie mehrmals in der Woche je 5
Stunden hin und zurück zu Fuß von Schippach nach Aschaffenburg ging, und zwar schon
nachts um 1 Uhr aufbrach, um werktags im Kapuzinerkloster kommunizieren zu können,
weil daheim an Werktagen der Tabernakel nicht geöffnet wurde. Immer wieder kehrt
in ihren Schriften der Satz: ,,Ich will, daß die öftere Kommunion in meiner Kirche
eingeführt wird." Diese große Sendung von Barbara Weigand ist nun durch die Kommuniondekrete
Pius X. und neuerdings durch einen erneuten Erlass der Sakramentenkongregation feierlich
und amtlich von höchster Autorität bestätigt worden.
In ähnlicher Weise bestätigte die
Weltgeschichte folgende Worte Jesu im Jahre 1896: ,,Rettet, was zu retten ist, denn
es kommt die Zeit, wo ihr mit Schaudern die Dinge sehen werdet, die der Sozialismus
geboren hat. Es werden die Gottlosen einfallen, sie werden sich verbinden in der
ganzen Welt. Es wird zu einem allgemeinen Aufstand kommen und ein schreckliches
Blutbad wird die Erde decken."
Allgemein darf man sagen, daß die
Schippacher Offenbarungen auf der ganzen Linie ihre Bestätigung finden, während
Dr. Brander auf der ganzen Linie durch die Zeitereignisse widerlegt wird.
Ergreifend ist der Bericht über
das heroische apostolische Wirken der Barbara Weigand in Mainz (Dr. Büttner S. 276
ff.) Solche Früchte der Bekehrungen wachsen wahrhaftig nicht an einem schlechten
Baum. Hier gelten die Worte, die der Straßburger Bischof Räss s. Zt. bezüglich der
begnadigten Elis. Eppinger in Niederbronn an den gegnerischen Bischof in La Rochelle
schrieb: ,,Wenn ein in steter Reinheit und Keuschheit zugebrachtes Leben, wenn ebenso
zahlreiche als auffallende Bekehrungen, wenn ihre weisen Ratschläge und die einfachen
und hinreißenden religiösen Unterweisungen, wenn die Werke der Liebestätigkeit,
welche jedermann erbauen und in Erstaunen setzen, das Werk des Bösen sind, dann
bin ich ganz geneigt, ihm ein Dummheitszeugnis auszustellen."
Sehr richtig weist Dr. Büttner auf
einen Grundirrtum der Polemik gegen Schippach hin, daß man die Frage des Kirchenbaues
zu einer Frage der mystischen Theologie gemacht hat. Man hätte die Frage nach Echtheit
oder Unechtheit der Schippacher Offenbarungen offen lassen sollen, zumal Barbara
Weigand noch lebt, und die Frage des Kirchenbaues in sich überprüfen müssen. Ein
Musterbeispiel dafür bietet uns die hl. Kirche in der Behandlung der Offenbarungen
der hl. Margaretha Alacoque. Der Moralist Noldin schreibt diesbezüglich S. 19 folgendes:
,,Die Kirche ließ bei dieser Prüfung die Offenbarungen der sel. Margaretha so ziemlich
außer acht. Das fragliche Fest wurde gestattet, noch ehe die Kirche ein Urteil über
die Offenbarungen der sel. Margaretha gefällt hatte. Es kam der Kirche vor allem
darauf an, daß die Andacht in der katholischen Glaubenslehre begründet sei und daß
ihre Übung ebenso Gott zur Ehre, wie den Menschen zum Heile gereiche.
Es ist demnach zum mindesten ungenau,
wenn man sagt, die Herz-Jesu-Andacht stütze sich auf Privatoffenbarungen, die möglicherweise
auf Einbildung und Täuschung beruhen. Die Privatoffenbarungen, deren die sel. Margaretha
gewürdigt wurde, haben allerdings die Veranlassung gegeben, daß diese Andacht von
den Gläubigen geübt, und von der Kirche geprüft wurde, allein nicht sie, sondern
die unerschütterlichen Dogmen des Glaubens enthalten den Grund ihrer kirchlichen
Approbation. Es kann das allerdings nach der kirchlichen Prüfung und Bestätigung
nicht gesagt werden, aber selbst, wenn die Offenbarungen der Seligen auf Einbildung
beruhten, würde die Andacht an ihrer inneren Wahrheit und Begründung nichts verlieren.
Dasselbe gilt von der gottsel. Droste
Vischering und der Weihe der Welt an das hl. Herz Jesu durch Papst Leo XIII.
Die Sakramentskirche von Schippach
ist in sich etwas sehr Gutes, hätte einer dringenden Kirchennot Abhilfe geschaffen
und wäre ein würdiges Dankesmonument für die größte Gnade des Himmels im letzten
Jahrtausend, für die Gnade der öfteren und täglichen Kommunion. Desgleichen ist,
wie Dr. Brander selbst anerkennen muß, der Eucharistische Liebesbund gemäß seiner
Statuten in sich etwas sehr Gutes und Zeitgemäßes und wurde darum von verschiedenen
Bischöfen approbiert und wärmstens empfohlen, neuerdings wiederum in der Diözese
Metz.
Ist es ein Zeichen der einen, einheitlichen
Kirche, wenn in den einen Diözesen der Liebesbund feierlich von der Kanzel verdammt
wird, während er in anderen Diözesen wärmstens empfohlen wird?
Zum Schluss sei noch erwähnt, daß
am 17.11.1942 einer der bedeutendsten Vorkämpfer für Schippach, P. Josef Bergmiller,
zu Grabe getragen wurde. Der Provinzial P. Lukas Klose führte in einem ergreifenden
Nachruf folgende Stellen über das heiligmäßige Sterben des P. Josef an: ,,Die Gewißheit,
daß seine Todeskrankheit zum Tode führe, erfüllte ihn erst recht mit unbeschreiblicher
Freude. ,,Gottlob, nun wird es ernst, jetzt kommt der Herr und nimmt mich zu sich!
Ich freue mich, daß diese Stunde naht, da ich zum Heiland gehen darf. Ich werde
zu Gott kommen, meinen Heiland Jesus Christus sehen, ich werde ewig bei ihm sein
und bei allen verklärten Kindern Gottes mit der lieben Gottesmutter und allen Heiligen
und Engeln. Ich werde mich ihrer und die werden sich meiner mehr als je auf Erden
in Gott erfreuen. Ich werde, wie die Engel Gottes, Gottes Willen ungehindert erfüllen,
Gottes Seligkeit mit den Auserwählten genießen und Gottes Reich auch hier auf Erden
mehr verbreiten können, als es auf Erden geschehen könnte."
Diese Gedanken belebten unseren Mitbruder in Christo so sehr, daß sie
ihn mit größter Zuversicht erfüllten. Er wurde gefragt: ,,Haben Sie keine Angst
vor dem Sterben?" Er antwortete: ,,Nein, durchaus nicht. Ich freue mich, wenn ich
zum lieben Heiland komme und er freut sich noch mehr, daß ich zu ihm komme."
In dieser Freude hat er drei Tage vor seinem Sterben selbst seine eigene Sterbekerze
geweiht, die ihm hinüberleuchten sollte in das ewige Leben. Diese Sehnsucht atmet
auch der Brief, den er aus seiner Todeskrankheit an seinen Provinzial geschrieben
hat (27.9.42): ,,Da ich mich nun allen Ernstes zur letzten großen Reise, die ich,
wie alle Sterblichen machen muß, rüste, will ich auch Ihnen schreiben, solange ich
schreiben kann. Der Magenkrebs macht bei mir sehr schnelle Fortschritte. Ich kann
fast gar nichts mehr essen und so rechne ich nur noch mit Tagen. Aber haben Sie
keine Sorge, ich freue mich, daß diese Stunde naht, in der ich zum Heiland gehen
darf. Mein noch übriges Leben ist weiter nichts mehr als die nähere Vorbereitung
auf diese selige Stunde. Vorbereitet bin ich ja immer gewesen, denn, was man seit
Jahren mit Sehnsucht erwartet, darauf ist man auch vorbereitet.
Ich will Ihnen dies auch bekennen, daß ich dem lieben Heiland vor einigen Wochen,
als ich beim hl. Opfer während der hl. Wandlung die hl. Hostie emporhob, das Leben,
Gesundheit und alle sichtbaren Erfolge, überhaupt alles, was ich in diesem Leben
noch zu vergeben habe, für den baldigen Sieg seiner großen Sache angeboten habe.
Und ich erneuere dieses Opfer täglich und will es noch erneuern, solange ich lebe.
Dazu hat der Heiland mich angeregt. Darum hat er auch Ja dazu gesagt ... Was mich
immer tröstete und mich jetzt besonders im Angesichte des Todes sehr tröstet, ist,
daß ich bei allem, was ich im hl. Gehorsam in der Gesellschaft unternehmen und ausführen
mußte, niemals mich selbst und meine eigenen Interessen gesucht habe, sondern nur
das bonum societatis (was der Gesellschaft nützt). Und daß ich im hl. Gehorsam immer,
auch in den schwierigsten Verhältnissen, ausgeharrt habe, bis ich wieder befreit
wurde. Sagen Sie das nach meinem Tode allen Mitbrüdern, daß das für den Ordensmann
ein großer Trost im Sterben ist. Der Heiland selbst saniert da alle Fehler, die
gemacht werden und die schon der Demut wegen gemacht werden müssen, daß nie ein
Schaden von irgendeiner Bedeutung entsteht. Im Himmel werde ich fortfahren, für
das Wohl der Gesellschaft zu wirken, der ich durch die unendliche Barmherzigkeit
Gottes alles verdanke, was ich einst ewig besitze, denn sie ist mir ja geistige
Mutter geworden.
Nun bitte ich Sie um den hl. Segen
und das Gedenken beim hl. Opfer, damit ich mein ewiges Ziel recht bald glücklich
erreiche. Ich grüße Sie und alle Mitbrüder herzlich. Auf freudiges Wiedersehen im
Himmel."
Wir Freunde von Schippach hoffen,
in diesem heiligmäßigen Pater Josef einen neuen Anwalt im Himmel zu haben, zumal
er sein Leben für den baldigen Sieg der großen Sache der Sakramentskirche und des
Eucharistischen Liebesbundes dem lieben Gott angeboten hat und dieses Lebensopfer
auffallend rasch von Gott angenommen wurde.
Heiliger Vater!
Ich habe mir diese Zeilen auf Anregung
von Freundesseite frisch vom Herzen geschrieben. Da ich durch die Kriegsverhältnisse
meine beiden Kapläne verloren und nur einen alten pensionierten Herrn als Mitarbeiter
habe, bin ich mit Seelsorgearbeiten sehr überladen, so daß ich unmöglich die äußere
Form feilen konnte. (Die Zahlen der letzten 14. Beilage lassen die Riesenarbeit
erkennen.) Es geht mir ja nur um die gute Sache, um das beschleunigte Kommen des
Eucharistisch-Marianischen Christ-Königs-Reiches der Wahrheit, der Gerechtigkeit
und der Liebe. daß Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe auch in der Schippacher Frage
einmal zum Sieg kommen mögen, das ist mein heißes Bitten und mein kindliches Vertrauen,
wo ja Ew. Heiligkeit der erste Vorkämpfer dieses Christ-Königs-Reiches der Wahrheit,
der Gerechtigkeit und der Liebe sind.
Wie immer, so richte ich auch heute
die flehentliche Bitte zum Himmel, daß jedes meiner Worte mit einem Tropfen des
kostbaren Blutes und einer Träne der schmerzhaften Mutter betaut werde. In allem
nur die Ehre Gottes und das Heil der Seelen!
Mit Don Bosco flehe ich täglich:
Herr, gib mir Seelen! Alles übrige, allen Plunder der Erde, weg! Derselbe Heilige
hatte einst die prophetische Schau von dem modernen Karfreitag der Weltkirche und
ihre Rettung durch die beiden Säulen mit der Hostie und der Immakulata. ,,Eucharistisch-Marianisch"
ist darum der Stempel der modernen Seelsorge, der Stempel unserer Herzen, der Stempel
unserer Pfarreien, der Stempel der lieben heiligen katholischen Kirche im 20. Jahrhundert.
Die heißersehnte baldige Seligsprechung des großen Kommunionpapstes Pius X. und
die innigst erflehte Genehmigung des Eucharistischen Liebesbundes und der Sakramentskirche
von Schippach durch den ,,Pastor angelicus" werden in Verbindung mit der Weltweihe
an das hl. Herz Mariä den Triumph des Eucharistischen-Marianischen Christ-Königs-Reiches
beschleunigen.
Mit der Bitte um den päpstlichen
Segen für Hirt und Herde
Ew. Heiligkeit
ehrfurchtvollster gehorsamster Diener
Pfr. P. M. Weihmann
Pfarrer in Schifferstadt b/Speyer.
Inhaltsverzeichnis
BRIEF DES ERBLINDETEN PFARRERS
ENGELBERT KLEISER
von Bickesheim
in Baden.
Prälat Kleiser in der
Schweiz war bis zu seinem Tode ein überzeugter und eifriger Freund von Schippach,
des Eucharistischen Liebesbundes und der Sakramentskirche. Sein Bruder war der bekannte
und auch heute noch sehr verehrte erblindete Pfarrer Engelbert Kleiser von Bickesheim
(1891-1931) in Baden, von dem auch heute noch viel gutes berichtet wird wegen seines
überzeugenden Einsatzes und Ganzhingabe als Diener Gottes am Altar und vor allem
als Segenspriester.
Am 11. Oktober 1914 schrieb er Barbara Weigand folgenden Brief:
,,Ich verfolge schon Jahre lang Ihre Schriften und lasse
sie mir vorlesen, weil mein Augenlicht erloschen ist, denn ich bin schon 8 Jahre
ganz blind. Bin jetzt 75 Jahre alt, habe als Theologe viele Bücher gelesen und studiert,
aber zu Ihrem Troste sei es gesagt, ich habe in meinem ganzen Leben noch kein Buch
gelesen, das mich so hingerissen hätte zur Liebe Gottes als Ihre Schriften, und
ich bedauere sehr, daß man sie dem Volke, besonders den Priestern so lange vorenthält.
Ich möchte die Verantwortung nicht übernehmen. Ich habe gelehrte Bücher gelesen,
die von heiligmäßigen Männern geschrieben sind, die einem wegen ihrer Strenge mehr
Furcht als Liebe zu Gott in die Seele bringen. Aber in Ihren Schriften wird eine
Sprache gesprochen, wo ich mir Wort für Wort sagen muß, so muß der Heiland sprechen.
Ja, das ist der Heiland, Der da spricht, diese Güte, diese Liebe, diese unergründliche
Barmherzigkeit! zu uns armen, sündigen Menschen. Ebenso erbaue ich mich an der Gebetsweise
Ihrerseits, was unmöglich der arme Mensch aus sich selbst fertig bringen kann. Bleiben
Sie ruhig, Der Herr rechtfertigt Sie selbst, wenn es Zeit ist. Aber die Kirche,
des Herrn Denkmal, muß gebaut werden! Viel Heil und Segen muß ausgehen von diesem
Tempel: alle Kräfte sollen aufgeboten werden, daß er fertig wird. Auch ich will
mein Schärflein noch dazu legen.
Engelbert Kleiser,
Pfarrer von Bickesheim."
Und Barbara Weigand antwortete ihm sodann am
29. Okt. 1914
mit folgendem Brief:
,,Euer Hochwürden! Ihr liebes Brieflein vom 11. Okt. habe
ich durch Hochw. H. Kaplan Noet zugestellt erhalten. Es ist mir ein wertvolles Andenken,
daß ich sorgfältig aufbewahren werde und ich hätte nur noch den Wunsch, Ew. Hochw.
auch bald einmal sprechen zu können. Der liebe Gott sucht Seine Freunde mit großen
Leiden heim, denn ich sehe an Ihrer Schrift, daß Ihr liebes Augenlicht am Erlöschen
ist. Dafür gab Ihnen der liebe Gott ein anderes Licht, das innerlich leuchtet und
erhellt. O könnte ich einmal zu Ihren Füßen knien und mein Herz ausgießen! Aber
ich kann nicht reisen und jetzt in der traurigen Kriegs- u. Jahreszeit gar nicht.
Ich trete jetzt in mein 70. Lebensjahr ein und wie Ew. Hochw. das Augenlicht, so
habe ich mein Gehör fast verloren. Habe in meinem Leben schon viel gelitten, besonders
in letzter Zeit wird mein Namen in Blättern viel herumgezogen und mein ganzes, unscheinbares,
von anstrengenden, harten Arbeiten durchzogenes Leben und Streben wird mit Verleumdungen,
Spott und Verachtung überschüttet und an den Pranger gestellt. Manchmal bäumt sich
die Natur gegen die Bosheit der Menschen auf, aber bald siegt die Gnade wieder und
ich stelle mich mit froher Zuversicht neben Den, der für uns alle den Spottmantel
der Schmach und Verachtung getragen und ertragen hat. O daß doch die Menschen zur
Einsicht kämen, daß das Schwert, womit die Menschen, Bruder gegen Bruder, sich zerfleischen,
ihnen von Gott in die Hand gedrückt ist, zur Strafe dafür, weil man überall Seine
Majestät, Seine Gottheit und Sein Wohnen in uns nicht mehr anerkennt und weil auch
die Guten, ja vielfach sogar die Besten, mit der ungläubigen Welt liebäugeln wollen.
Möchten doch diese Führer des Volkes anstatt zu spotten und zu höhnen über solche,
die es ernst nehmen, Hand in Hand mit den von der Welt Ausgestoßenen gehen, damit
der Zorn Gottes besänftigt werde. Denn der liebe Gott läßt sich an Großmut nicht
übertreffen. Und wenn, wie Er es ja verlangt, alle guten, treuen Kinder der heiligen
katholischen Kirche, Priester und Laien, Ordens- u. Weltleute, sich zusammenscharen
und vertrauen auf die Hilfe Gottes, dann bezwänge diese Großmut der treuen Kinder
Seiner wahren Kirche das Herz Gottes, so daß Er nicht widerstehen könnte. Er würde
die kommenden Heimsuchungen abwenden. Aber der Kampfplatz, auf dem in letzter Zeit
gegen alles übernatürliche Wirken und Eingreifen Gottes in einzelnen Seelen gekämpft
wird, ist dem lieben Gott sehr verhaßt. Er wird es bestrafen! Und wir alle, ja,
wir alle müssen es fühlen. Indem ich Euer Hochwürden bitte, am Altare meiner zu
gedenken, wie auch ich im Gebet zu gedenken verspreche, grüße ich Sie in tiefster
Ehrfurcht und Hochachtung
Ihre Barbara Weigand."
Prälat Kleiser kannte viele von den Offenbarungen der Barbara Weigand und da er
diese für echt hielt, so verwendete er viel davon für seine Artikel in den ,,Canisiusstimmen".
So hatte er an Hand dieser Offenbarungen, ohne jedoch ihre Herkunft zu nennen, in
den Jahren 1913 und 1914 mehrere Artikel in den selben veröffentlicht, die Strafgerichte
ankündigten und zur Umkehr aufforderten. Prälat Kleiser empfahl daher auch den Liebesbund
in seiner Monatsschrift und ständig war auf der Rückseite des Umschlages der Canisiusstimmen
angegeben, daß man die Statuten des Liebesbundes kostenlos von Kreszentia Halder
in Saulgau beziehen könne. Da brach im Jahre 1915 durch das Vorgehen von Würzburg
der Sturm herein und jede weitere Propaganda für den Liebesbund mußte, wenigstens
in Deutschland, aufhören.
Inhaltsverzeichnis
Helfen Sie uns bei der Verbreitung dieser Schriften.
Alle Schriften
und Broschüren und ihre Verbreitung wird aus Spendenmitteln finanziert.
Umfasst sieben
Bände „Offenbarungen an Barbara Weigand“ und daneben weitere Bücher.
Gemäss einer Botschaft an Barbara Weigand
sollen alle Schriften
unentgeltlich verbreitet werden.
Spendenkonto: Kreissparkasse Köln Neumarkt
18-24 50667 Köln
BIC/SWIFT: COKSDE33XXX IBAN: DE82
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