Giovanni
Bosco, gen. Don
Bosco, war einer der begnadetsten Jugendseelsorger und
Lehrer. Zur Unterrichtung der Jugend gründete er die
Kongregation der Salesianer (Ges. des heil. Franz v.
Sales). Geboren am 16.08.1815 in Becchi in Piemont
(Norditalien), empfing er 1841 die Priesterweihe. Im
selben Jahr begann er, sich um die verwahrloste Jugend
von Turin zu kümmern. Im Jahre 1845 gründete er die
ersten Oratorien, wo Jugendliche ein Zuhause hatten,
umsorgt wurden und das Evangelium vermittelt bekamen. Er
gründete 1859 den Salesianerorden und 1866 begann den
Bau der Salesianerkirche in Turin, in der sich auch sein
Grab befindet. Die Hauptmerkmale der Kongregation Don
Boscos waren Güte, Milde und Vertrauen. Durch
Gotteseingebungen geleitet hat er die Jugendlichen
erzogen und geführt und war wie ein Vater zu
ihnen.
Er
wurde zu Lebzeiten schon als Heiliger verehrt und liegt
seit seinem Tod am 31.01.1888, bis heute, unverwest in
einem Glasschrein.
Knappe
dreißig Jahre sind seit der Französischen Revolution,
vergangen als Don Bosco das Licht der Welt erblickt. Im
selben Jahr (1815) geht der Stern Napoleons mit dem
Wiener Kongress unter. Schon im vergangenen, dem so
genannten Jahrhundert der Aufklärung, wurde der Glaube
angegriffen und belacht. Die Angriffe wurden im Namen
der vergötterten Rationalität geführt, welche den «Aberglauben»
bekämpfte.
Im
19. Jahrhundert ist der Angriff mit den sozialen und
nationalen Fragen, oft in sehr verwickelter Art,
vermischt.
Die
Zeit, in der Don Bosco lebt, kann nur schwer beschrieben
werden. Es ist die Zeit der ersten Industrialisierung,
der Freiheitsbewegung, der Restauration und der
Revolution. Mit einem Wort es herrscht eine, für uns
unvorstellbare Verwirrung.
Als
Hegel, der Philosoph des Idealismus, stirbt, ist Don
Bosco 16 Jahre alt. Comte - der die neue Weltreligion gründen
will - ist um 17 Jahre älter als unser Heiliger.
Feuerbach ist um 11 Jahre, Darwin um 6 Jahre älter.
Marx ist um 5 Jahre, Dostojewskij um 6 und Tolstoi um 13
Jahre jünger.
Als
Don Bosco in Italien zur Welt kommt ist Foscolo 37 Jahre
alt, Manzoni 30, Leopardi 17, Mazzini 10 und Garibaldi
8.
Pius
IX, Leo XIII, Viktor Emanuel II, Cavour, Rattazzi,
Crispi und Rosmini sind seine Freunde.
Don
Bosco stirbt in Turin und in dem selben Jahr wird
Nietzsche wahnsinnig.
Viele
dieser Namen, waren Don Bosco völlig unbekannt.
Der
bekannteste Schriftsteller den er kennen lernte war
Victor Hugo. Nach einem Bericht hat ihn Don Bosco in
zwei geheimen Gesprächen in Paris bekehrt.
Die
Zeit in der Don Bosco lebte, wurde von all diesen Einflüssen
gesteuert. Er traf seine Entscheidungen, nahm einige
Ideen an, die anderen verurteilte er. Manchmal
akzeptierte er ohne Kritik gewisse Bestimmungen seiner
Zeit. Es wäre absurd ihn sich anders vorzustellen.
In
dieser Zeit wurde die Kirche manchmal als Verbündete,
oft jedoch als Feind angesehen der bekämpft werden
muss. Der Antiklerikalismus hat unvorstellbare Höhen
erreicht. Zwischen all diesen Menschen, Ereignissen,
Ideen, Plänen, Restaurationen und Revolutionen
entwickelt sich aber ein neuer Geist: die Frömmigkeit.
Selbst die Feinde erkennen sie an. Diese Frömmigkeit
zeigt sich besonders in den sogenannten «Bekehrern der
Armen. »Diese
Frömmigkeit breitetsich in den Städten aus und hinterlässt einen
Strom von Erfahrungen und übernatürlichen
Erscheinungen.
Vielleicht
gibt es eine Episode, aus dem Leben von Don Bosco,
welche nicht genau erklärt werden kann. Dagegen gibt es
Tausende die genau bezeugt werden können.
Nehmen
wir, z. B. das Jahr 1848 als Anhaltspunkt. Dieses Jahr
ging in die Geschichte ein. Es begann der erste
Freiheitskrieg.
Das
Seminar in Turin leert sich. Aus Protest gegen den
Erzbischof stellten sich während der Weihnachtsmesse
mehr als 80 Geistliche, mit der dreifarbigen Kokarde auf
der Brust, im Presbyterium des Domes auf. In der
gleichen Art nahmen sie an der Feierlichkeit für die
Verfassung teil.
Im
nächsten Jahr wird der Bischof verhaftet und
eingekerkert. Die Antikleriker schließen sich zusammen
und erstürmen die Klöster. Die Priester teilen sich in
Patrioten und Reaktionäre. Die Regierung bereitet ein
Gesetz vor um alle Klöster zu schließen. Im Jahre 1855
wird das Gesetz rechtsgültig und dadurch werden 331 Klöster
geschlossen und 4.540 Religiöse sind dadurch betroffen.
Das
sind nur einige Ereignisse. In diesen Jahren wirken in
Turin gemeinsam mit Don Bosco, Joseph Cafasso (der
Priester der Gefangenen und zu Tode Verurteilten und
geistiger Führer von Don Bosco) und Josef Benedikt
Cottolengo (der Priester der Unheilbaren, der sich den
Namen gab «der Arbeiter der göttlichen Vorsehung»).Etwas später wählt Don Bosco seinen eigenen
Weg. Eines Tages nimmt Cottolengo einen Gewandzipfel von
Don Bosco in die Hand und meint: «Dieses Gewand ist
zu leicht. Verschafft euch ein festeres Gewand, denn
viele Kinder werden sich daran festklammern. »
Dann
ist noch ein, um zwanzig Jahre jüngeres, Mädchen da.
Don Bosco begegnet ihr im Jahre 1864. Sie, die hl. Maria
Mazzarello, wird die Gründerin der
Mariahilfsschwestern.
Im
Jahre 1854 tritt ein außergewöhnlich sensibler Bub in
das Oratorium von Don Bosco ein. In diesem Jahr wurde
das Dogma der Unbefleckten Empfängnis verkündet.
Dieses Kind ist von diesem Marienmysterium beeindruckt.
Als fünfzehnjähriger wird er heilig gesprochen: es war
Dominikus Savio.
Ein
anderer Junge wird Nachfolger von Don Bosco, auch er ist
seit kurzer Zeit selig gesprochen: der selige Michael
Rua.
Noch
ein anderer verbringt drei Jahre im Oratorium und nennt
diese Zeit, «die glücklichste meines Lebens. » Obwohl
nur sechzehnjährig würde er sein Leben für Don Bosco
opfern. Es handelt sich um den seligen Luigi Orione, von
dem Silone in einer bekannten Erzählung spricht. Auch
er ist Gründer einer Kongregation für arme Kinder. Von
Don Bosco sagte er: «Du würdest auf brennenden
Kohlen gehen um Don Bosco noch einmal zu sehen und ihm
zu danken. »
Don
Friedrich Albert, ein anderer junger Priester
unterrichtet zirka fünfzig Kinder unter denen Don Bosco
seine Mitarbeiter auswählen will. Auch dieser Prediger
ist heute ein «Seliger. »
Die
Kirch hat schon acht Heilige offiziell anerkannt. Es
gibt aber viele anonyme. Sie treffen sich und sprechen
miteinander und verstehen sich gegenseitig, wie es eben
Freunde tun. Das Übernatürliche zeigt sich in vieler
und ergreifender Weise, so als möchte Gott sein warmes
Blut und seinen Geist offenbaren. Die Kirche leidet in
dieser Zeit unter ihren und der anderen Sünden und
befasst sich mit schwierigen Problemen.
Im
Leben von Don Bosco finden wir jede Art von Wundern:
prophetische Träume, Erscheinungen, Verdoppelungen, die
Fähigkeit die Seelengeheimnisse der anderen zu ergründen,
Vermehrung von Brot, Nahrungsmitteln und Hostien,
Heilungen, sogar Auferweckung der Toten.
Ich
will nur zwei Episoden erwähnen, welche ein großes
Echo in der damaligen Zeit erweckten. Die erste
Begebenheit ist nicht nur traurig, sondern sogar
furchtbar.
Der
König ist unentschlossen ob er die Klöster auf auflösen
soll oder nicht. Dieses Gesetz führt zum Kirchenbann.
Don Bosco träumt von einem Höfling, der ihm die
Nachricht bringt:
«
Große Beerdigungen am königlichen Hof. »
Er
spricht mit seinen Mitarbeitern darüber. Er schreibt
einen Brief an den König und mahnt ihn, dieses Gesetz
auf alle Fälle zu verhüten und die angedrohten Strafen
zu vermeiden.
Das
ist die Reihenfolge der Ereignisse. Die Warnung von Don
Bosco erfolgt im Dezember 1851. Am 12 Januar 1855 stirbt
die Mutter des Königs Maria Theresa im Alter von 54
Jahren. Am 20 Januar stirbt die Königin Maria Adelaide
mit 33 Jahren. Am 11 Februar stirbt der Bruder des Königs,
Prinz Ferdinand von Savoyen, im Alter von 33 Jahren. Am
17 Mai stirbt der letzte Sohn des Königs, im Alter von
nur 4 Monaten.
Der
König istvoll
Zorn gegen Don Bosco. Sogar auf Rat einiger Priester
unterschreibt er aber am 29 Mai das Gesetz.
Jeder
kann das beurteilen, so wie er will. Doch die
Zeitgenossen waren darüber entsetzt.
Das
andere Ereignis ist jedoch rührend. Im Jahre 1854
bricht in Turin Cholera aus und wütet besonders im
Bezirk Borgo Dora. In diesem Stadtteil, ganz in der Nähe
des Oratoriums, wohnen hauptsächlich die Immigranten.
In Genua starben bereits 3.000 Einwohner. In Turin sind
800 Menschen von der Epidemie betroffen und 500 sind
schon verstorben. Der Bürgermeister wendet sich an die
Einwohner, aber es melden sich keine Freiwilligen als
Krankenpfleger. Alle sind mit Angst erfüllt. Am 5.
August ( Maria Schneewunder) ruft Don Bosco seine Buben
und verspricht ihnen: «Wenn ihr in der Gnade Gottes
lebt und keine Todsünde begeht, so versichere ich euch,
dass keiner erkrankt. » Er ersucht alle sich der
Krankenpflege zu widmen.
Er
bildet drei Gruppen. Die ältesten arbeiten im Lazarett
und in den Wohnungen. Die anderen suchen die Kranken und
die im Sterben liegenden auf. Die kleinsten Buben
bleiben im Oratorium und warten auf Einsatz.
Jeder
hat eine Flasche mit Essig bei sich. Damit waschen sie
sich die Hände, nachdem sie die Kranken berührt
hatten. Die Stadt, die Behörden, auch wenn sie gegen
die Kleriker sind, sind überrascht und beeindruckt. Die
Epidemie endet am 21 November. Zwischen August und
November erkrankten 2.500 Menschen und 1.400 starben.
Kein Bub von Don Bosco erkrankte.
Diese
zwei Ereignisse lassen uns die Atmosphäre spüren, in
der Don Bosco, die Buben und seine Mitarbeiter lebten.
Sie waren alle von seiner Familiarität mit Gott
angezogen.
Das
ist die katholische Erklärung. Wer diese verneint, muss
Tausend andere Erklärungen finden.
Don
Bosco ist der erste Heilige der interviewt wurde. Es ist
eine journalistische Technik die von einem Amerikaner im
Jahre 1859 erfunden wurde. Während einer Unterredung
mit einem Reporter vom «Journal de Roma», werden ihm
unter anderem folgende Fragen gestellt.
Wer
war eigentlich Don Bosco?
Erst
muss von seiner Mutter gesprochen werden. Sie war eine
arme Bäuerin und konnte weder lesen noch schreiben. Als
Johannes zwei Jahre alt war starb ihr Mann. So musste
sie, in dieser schwierigen Zeit, mit allen Mitteln kämpfen
um die Familie beisammen zu halten. Auswendig kannte sie
einige Teile aus der Heiligen Schrift und einige
Episoden aus dem Evangelium. Sie kannte die Grundwerte
des christlichen Lebens ("Gott kennt auch deine
Gedanken") Sie wusste von Paradies und Hölle. Sie
glaubte auf Erlösung und vertraute auf die Hilfe
Gottes. Sie kannte die Sakramente und das
Rosenkranzgebet.
Hören
wir Don Boscos Erzählung: «Ich erinnere mich. Sie
hat mich auf meine erste Beichte vorbereitet. Sie hat
mich in die Kirche geführt, beichtete, vertraute mich
dem Priester an und half mir bei meiner Reue. Sie half
mir bis sie sicher war, dass ich allein fähig war
aufrichtig zu beichten. »
Weiter
die Erzählung: «Am Tag der Erstkommunion war es
beinahe unmöglich andächtig zu bleiben. Am Vormittag
durfte ich mit niemand sprechen. Sie begleitete mich in
die Kirche, half mir bei der Vorbereitung und dem
Dankgebet. An diesem Tag erlaubte sie mir nicht, mich
mit Arbeit zu beschäftigen. Ich verbrachte den Tag mit
Lesen und Gebet. Sie wiederholte mir einige Male diese
Worte: « Für dich war heute eine besonderer Tag, mein
Kind. Ich bin sicher, dass Gott in deinem Herzen ist.
Verspreche ihm, dass du, mit aller Kraft versuchen
wirst, dein Leben lang gut zu bleiben. »
Die
selbe Frau sagt ihm auch, als von einer möglichen
Berufung ihresSohnes
gesprochen wird: «Wenn du Priester wirst und
bedauerlicherweise reich wirst, werde ich dein Haus nie
betreten. »
Am
Tag seiner Priesterweihe: «Jetzt bist du Priester
und Gott nahe. Ich habe deine Bücher nicht gelesen,
doch denke daran, dass Messelesen der Beginn der
Schmerzen bedeutet. Ab jetzt denke nur an die Rettung
der Seelen und sorge dich nicht um mich. »
Siewurde gerade Großmutter durch den anderen Sohn
und kümmerte sich um das Kind, als Johannes zu ihr
sagte: « Einmal habt ihr mir gesagt, dass ihr mein
Haus nie betreten würdet, sollte ich reich werden.
Jetzt bin ich aber arm und voll Schulden. Wollt ihr
nicht zu mir kommen und Mutter für meine Kinder sein?
»
Mutter
Margherita antwortet demütig: «Wenn du meinst, es wäre
der Wille Gottes. »
Die
letzten zehn Jahre ihres Lebens (1845 - 1856) widmet sie
den Kindern, die ihr der Sohn anvertraut. Sie widmet
sich ihnen mit ihrer ganzen Kraft und wenn sie nicht
mehr kann, dann findet sie die Kraft durch einen Blick
auf das Kreuz.
Die
Heiligen werden so geboren und so gedeihen sie.
Seit
der Kindheit hat Johannes Bosco einen Wunsch, der ihm
sogar im Traum «unmöglich» erscheint. Er will die
kleinen «Wildkatzen» in Kinder Gottes verwandeln. Der
innere Drang bewegt ihn daher sich der verlassenen
Jugend zu widmen.
Für
sie wollte er unbedingt Priester werden. Er studierte,
erleichtert durch ein gutes Gedächtnis und bewältigte
alle Demütigungen und Schwierigkeiten.
Teils
um sein Studium zu bezahlen, teils aus Begeisterung fand
er auch Zeit sich als Hirte, Jongleur, Seiltänzer,
Schneider, Schmied, Barmann, Konditor, Punktzähler am
Billardtisch, Orgel- und Spinettspieler zu beschäftigen.
Sich
um die anderen brotlosen, ungebildeten und glaubenslosen
Kinder zu kümmern erschien ihm jedoch, so wie er selbst
sagte - «das Einzige, das ich auf Erden tun muss.
Und das seit meinem fünften Lebensjahr. »
Turin
ist in diesen Jahren vom Fieber der ersten
Industrialisierung gepackt. Die Immigranten sind
Zehntausend. Im Jahre 1850 spricht man sogar von 50.00
oder 100.000 Immigranten. Der Bau der Wohnhäuser
beginnt. Die Stadt ist voll von Kindern, die sich für
alle möglichen Arbeiten anbieten; sei es als Straßenhändler,
Schuhputzer, Zigarettenverkäufer, Kaminfeger, Stall-
oder Laufburschen usw. Doch niemand beschützt sie. Es
bilden sich richtige Banden, welche besonders an den
Feiertagen die Vororte bevölkern.
Don
Bosco nähert sich zuerst den Maurern, Steinmetzen und
Straßenpflastern.
Viele
Kinder stehlen und enden natürlich früher oder später
im Gefängnis.
Auch
andere junge Priester kümmern sich um die verlassenen
Kinder, lassen sich aber von den politischen Problemen
beeinflussen und dadurch wird ihre Arbeit zerstört.
Ein, in Turin sehr bekannter Priester ist überzeugt
nach dem Wunsch des Volkes zu handeln und hat seine
zweihundert Jugendliche an der Schlacht von Novara
teilnehmen lassen. Es ist eine völlige Niederlage.
Don
Bosco berücksichtigt niemanden. Er kümmert sich nur um
seinen Buben. Er sammelt sie in einem Oratorium. Er
schleppt sie mit sich in der ewigen Suche nach einem größeren
Ort um noch mehr Kinder aufnehmen zu können. Er kämpft
gleichzeitig auf mehreren Seiten. Die Politiker fürchten
diesen Revolutionär, dem Hunderte von Kinder auf ein
einziges Wort folgen.
Don
Bosco mit seinen Buben.
Das
Oratorium wird von der Polizei streng überwacht. Einige
sind der Meinung, ein Oratorium wäre ein unmoralischer
Ort. Die Pfarrer der Stadt sind besorgt, da sie das «System
der Pfarre» zerstört sehen. Wenn ein Oratorium geführt
wird, dann innerhalb der Pfarrei.
Die
Anklage lautet: «Die Jugend trennt sich von der Pfarrei.
»
Don
Bosco wird beschuldigt. Andererseits denken die Pfarrer
noch an die vergangenen Zeiten, als die jugendlichen
Einwanderer mit einer Empfehlung ihres Pfarrers kamen
und um Aufnahme baten.
Anderseits
sind die Pfarroratorien, soweit sie existieren, nur an
den Feiertagen geöffnet. Don Bosco denkt aber an tägliche
und mit der völligen Teilnahme der Priester.
Nur
dies veranlasst die Pfarrer ihre Meinung zu ändern.
Allerdings bestehen sie darauf, dass Don Bosco später
die Jugendlichen zu den jeweiligen Pfarren schickt.
Aber
das sind Jugendliche, die sich nie einer Pfarre nähern
würden. Außerdem ist das Oratorium von Don Bosco nur
eine Struktur oder ein Ort, auch wenn dies, für die Außenstehenden,
nur sehr schwer verständlich ist.
In
erster Linie ist das Oratorium Don Bosco selbst: seine
Person, seine Energie, seine Art, seine
Erziehungsmethode. Diese Eigenschaften können nicht von
einer Pfarrei in die andere gebracht werden. Zum
Glück entschließt sich der Erzbischof das Oratorium
persönlich zu besichtigen. Er
verbringt einen schönen Tag und sagt auch: «ich habe
in meinem Leben noch nie so viel gelacht. » Er
Kommuniziert und spendet die Firmung an dreihundert
Buben. Er ist auf diese Jugend stolz, auch wenn er sich,
mit der Mitra am Haupt, an der niedrigen Decke den Kopf
anschlägt.
Alle
Firmungszeugnisse werden, laut seiner Verordnung, in der
Kurie gesammelt und später den jeweiligen Pfarren überleitet.
In dieser Weise wird das Oratorium anerkannt, als «Pfarre
der Jugendlichen, die keine Pfarre haben. »
Mit
einer sinnvollen theologischen Bedeutung sagt Don Bosco,
dass, sein begeisterter Anhänger der Abt Rosmini -«
unser Werk mit den Missionen in fremden Ländern
vergleicht. »
Auch
mit den sogenannten «patriotischen Priestern» musste
Don Bosco kämpfen. Diese wollte seine Buben in die
Politik verwickeln um sie in den Freiheitskrieg zu
schicken.
Er
schrieb: « Im Jahre 1848 waren die Ideen und die
Meinungen so verwirrt, dass ich nicht einmal mehr dem
Dienstpersonal vertrauen konnte. Ich ganze Hausarbeiten
erledigte ich allein. Ich kochte, deckte den Tisch,
reinigte das Haus und hackte das Holz. Hemd, Hose, Hand-
und Leintücher nähte ich selbst. Erst erschien es mir
als verlorene Zeit, doch bald fand ich in dieser Tätigkeit
die Möglichkeit den Buben in ihrem christlichen Leben
zu helfen. Während ich Brot und Suppe austeilte, konnte
ich sie beraten oder mit einem guten Wort trösten. »
Viele,
sogar seine Freunde waren überzeugt, dass Don Bosco
wahnsinnig geworden ist. Auch gegen diese musste er kämpfen.
Während
er mit seinen Buben von einem kümmerlichen Ort zum
anderen zog, erzählte er ihnen von großen Oratorien,
Kirchen, Häusern, Schulen, Werkstätten, Tausende von
Kindern und viele Priester zu ihrer Verfügung.
Die
Kinder glaubten ihm und wiederholten immer seine Worte.
Aber sogar seine besten Freunde waren verzweifelt: «Armer
Don Bosco. Er liebt seine Jungen so sehr, dass er
wahnsinnig geworden ist. »
Ganz
Turin sprach von dem «wahnsinnigen Priester. » Mit
einer List versuchte man ihn in ein Spital einzuweisen.
Sein
engster Freund, ein anderer Priester, weinte: « Armer
Don Bosco. Er hat tatsächlich den Verstand verloren. »
Don
Bosco schreibt: «Alle haben sich von mir entfernt.
Meine Mitarbeiter haben mich mit zirka vierhundert
Kindern allein gelassen. »
Besonders
beeindruckend war, dass er allen, die ihm vorwarfen,
dass die Wirklichkeit weit von seinen Beschreibungen von
«Häusern, Schulen, Kirchen usw.» entfernt war und ihn
verzweifelt fragten: «aber wo sind diese Dinge? »,
ganz einfach: «ich weiß es nicht, aber sie existieren,
denn ich sehe sie» antwortet.
Unterdessen
wuchsen die Buben heran und die Sorgen wurden immer größer.
Don
Bosco schreibt: «Die Liebe und der Gehorsam meiner
Buben sind bewundernswert. Das muss ich anerkennen. »
Doch dies bestärkte die Befürchtung Don Bosco könnte
mit seinen Buben eine Revolution beginnen.
Versetzen
wir uns in die damalige Zeit. Dieser außergewöhnliche
Mann holte mehr als dreihundert Jugendliche, für einen
Tag, ohne Aufseher aus dem Gefängnis und brachte sie am
Abend wieder zurück. Es fehlte keiner.
Allerdings
muss man auch begreifen was Don Bosco für sie
bedeutete. Eine Episode macht es uns begreiflich.
Nach
einem anstrengenden Tag, im Juli 1846 hustet er Blut und
wird ohnmächtig.
Er
ist in Lebensgefahr und erhält die Letzte Ölung. Acht
Tage kämpft er zwischen Leben und Tod.
Einige
Buben arbeiteten unter der prallen Sonne und tranken
trotzdem keinen Tropfen Wasser während dieser acht
Tage. Sie flehten Gott um seine Genesung an. Nach zwölfstündiger
Arbeit wechselten sie sich Tag und Nacht im Heiligtum
der Consolata ab und beteten für ihn. Einige
versprachen jeden Tag den Rosenkranz zu beten. Andere
gelobten nur bei Wasser und Brot in den nächsten
Monaten zu leben. Manche wollten ihr ganzes Leben so
verbringen.
Die
Ärzte waren überzeugt, dass Don Bosco am Samstag
stirbt. Der Bluthusten wurde immer stärker.
Unglaublich, aber wahr, Don Bosco genas.
Bleich
und kraftlos fand er sie alle in der Kappelle. Er sagte
nur: «Ich verdanke euch mein Leben. Von nun an werde
ich es euch widmen. » Den Rest des Tages verbrachte
er im Gespräch mit ihnen und verwandelte ihre maßlosen
Versprechungen, welche sie Gott gebracht hatten, in ausführbare
Dinge.
Es
war keine romantische oder idealisierte Liebe, sondern
das Ergebnis eines Lebens welches mit guten Werken
ausgefüllt war.
Eine
Beschreibung ist unmöglich. Wir können nur einige
Dinge aufzählen.
Im
Jahre 1847 besuchen schon Hunderte von Buben das
Oratorium. Einige von ihnen, haben keine Eltern und
wohnen daher bei Don Bosco und Mutter Margherite.
Die
ersten schlafen in der Küche. Am Ende des Jahres sind
es sechs, fünfunddreißig im Jahre 1852, Hundertfünfzehn
im Jahre 1854, vierhundertsechzig im Jahre 1860,
sechshundert im Jahre 1862 und erreichen am Ende
achthundert.
Im
Jahre 1845 gründet Don Bosco eine Abendschule für
durchschnittlich dreihundert Buben.
Im
Jahre 1847 gründet er ein neues Oratorium.
Im
Jahre 1850 gründet er eine Gemeinschaft für die
gegenseitige Hilfe der Arbeiter.
Im
Jahre 1853 eine Schneiderei und eine Schusterwerkstatt.
Im
Jahre 1854 eine Buchbinderei.
Im
Jahre 1856 eine Tischlerei.
Im
Jahre 1861 eine Druckerei.
Im
Jahre 1862 eine Schmiede.
Seit
1850 existiert ein Internat für 12 Studenten - im Jahre
1857 sind es bereits 121 Studenten.
Im
Jahre 1862 sind sechshundert Internisten und eben so
viele Externe im Oratorium.
Außer
den sechse Werkstätten gibt es Sonntags- und
Abendschulen, zwei Schulen für Gesang und zwei für
Orchester.
Neununddreißig
Salesianer haben mit Don Bosco eine religiöse
Kongregation geformt.
Zur
gleichen Zeit sorgte er auch für die
Priesterausbildung. Als er im Jahre 1888 starb waren
schon mehr als hundert «neue» Priester aus Valdocco
hervorgegangen. Alle kamen aus den armen Volksschichten.
Immer
für seine Buben wurde Don Bosco auch zum
Schriftsteller. Er schreibt für den Schulunterricht
eine Geschichte über die Heiligen, über Religion, von
Italien, viele Biographienund pädagogische Werke. Mehr als fünfzig Werke.
Er schrieb sogar ein Büchlein über die «Vereinfachung
des dezimalen Metersystems», welches im Jahre 1850 in
Kraft treten sollte und ab 1846 in den Schulen
unterrichtet werden sollte. Doch die Regierung hatte
keine Schulbücher vorbereitet. Er betrachtet jedes Büchlein
als einen «Liebesdienst» für die Kirche und seine
Buben. Ein, ziemlich reichhaltiges, Lehrbuch über die
Jugenderziehung erreicht im Jahre 1888 die 118. Auflage.
Bis
jetzt haben wir das Leben von Don Bosco bis 1860
verfolgt. Bis zu seinem Tod vergehen noch 25 Jahre. In
diesen Jahren hat er die «Bibliothek für die
italienische Jugend» mit 204 Büchern, in lateinischer
und griechischer Sprache, bereichert. Er hat fünf
Internate eröffnet, eine weibliche Kongregation gegründet,
die Wahlfahrtskirche «Maria Hilf» und die Kirche «Sacro
Cuore» in Rom erbaut, 64 Häuser für die Salesianer in
sechs Nationen und Missionen in Lateinamerika gegründet.
Er hatte 768 Salesianer an seiner Seite. Er reiste nach
Frankreich und Spanien. In diesen Ländern wollten alle
den «Mann des Glaubens» (mit diesem Beinamen ist er
allgemein bekannt) kennen lernen.
Im
Jahre 1883 ist er vier Monate in Frankreich und bereist
das ganze Land. In Paris angekommen schreibt Le Figaro,
vor seinem Haus «warten schon seit einer Woche die
Kutschen den ganzen Tag. » Kardinal Lavigerie nennt ihn
den «heiligen Vincenzo de' Paoli aus Italien. »
Eine
Besonderheit: im Jahre 1883 war die Druckerei von Don
Bosco, die beste von Turin. Im Jahre 1884 hatte Don
Bosco bei der «nationalen Ausstellung der Industrie,
Wissenschaft und Kunst» einen eigenen Stand. Über dem
Eingang las man in großen Buchstaben:
DON
BOSCO: SALESIANISCHE PAPIERFABRIK, DRUCKEREI,
BUCHBINDEREI UND BUCHHANDLUNG.
Die
Kirche von Don Bosco (1961)
Er war der erste Priester der bei einer nationalen, der
Arbeit gewidmeten, Ausstellung, teilnahm.
Der
Berichterstatter erzählte, die Leute hätten immer gelächelt,
wenn sie die Reklame lasen. Sie dachten immer die üblichen
Dinge für eine Sakristei zu finden und waren überrascht
eine ganze Arbeitskette zu sehen. Bis jetzt sah man noch
nie, wie aus Lumpen, Papier erzeugt wurde und aus
Papier, fertige, schön gebundene, Bücher mit Hunderten
von Illustrationen. Die Zeitung von Reggio Emilia
berichtete, dass der Stand von Don Bosco immer stark
besucht war.
Diese
beeindruckende Tätigkeit stellt tatsächlich die Frage
nach dem historischen Wert von Don Bosco.
Völlig
gefahrlos können sich heute alle, jede Banalität und
schlechtes Urteil erlauben, wenn sie über die Kirche
oder die Kleriker sprechen. Viele Christen nehmen alles
an und teilen jede Meinung. Jede Kritik und jede
Erniedrigung der Geschichte ist ihnen recht. Manchmal quälen
sie sich selbst, nur um als moderne Menschen zu
erscheinen. Wenn man übertreibt, lächeln sie eventuell
nur. Während der 125 jährigen Geschichte unseres
Landes wurden Millionen Menschen von den Salesianern
ausgebildet. Für viele erscheinen sie aber «pathetisch»,
da Don Bosco keine politische Stellung einnahm.
Er
sah einfach die Notwendigkeit und schritt ein. Er beschäftigte
sich aber mit den echtenMenschen. Mit denjenigen, welche die tägliche
Geschichte schreiben, auch wenn sie den Großen «pathetisch»
erscheinen.
In
einer Aufzeichnung die Don Bosco an Francesco Crispi
schrieb liest man.
«Aus
dem Register ist zu entnehmen, dass mehr als
hunderttausend Jugendliche aufgenommen und mit dieser
Methode erzogen wurden. Sie lernten, Musik, Literatur,
Kunst und Handwerke. Sie wurden ehrliche Handwerker,
Verkäufer, Kaufleute, Lehrer, Angestellte und viele
ergriffen sogar die militärische Laufbahn. Viele,
besonders begabte konnten auch die Universität besuchen
und schlossen ihr Studium in Mathematik, Medizin und
Justiz ab. Sie wurden Ingeneure, Notare, Apotheker usw.»
Viele
rümpfen vor Don Bosco die Nase, da er in so einer
komplexen und schwierigen politischen Lage, sich
einerseits jeder politischen Einstellung enthob (ihm genügte,
wie er sagte die «Politik des Vater Unser»),
anderseits, auf der Seite des Papstes stand.
Auch
die Antiklerikalen schrieen in dieser Zeit: "Es
lebe Pius IX", denn sie hofften in ihm einen
liberalen Papst zu finden. Don Bosco lehrte aber seinen
Buben, dass man "Es lebe der Papst" rufen
muss.
Laut
seiner eigenen Worte hing er an dem Papst wie ein «Tintenfisch
an dem Felsen. » Seine Meinung über die römische
Frage war:«Ich
bin auf der Seite des Papstes. Ich bin Katholik und
gehorche blindlings dem Papst. Sollte der Papst zu den
Piemontesern sagen: kommt nach Rom würde auch ich ihnen
sagen: geht. Sagt aber der Papst, das Kommen der
Piemonteser nach Rom, ist ein Raubüberfall, dann sage
ich das Gleiche. Wenn wir Katholiken sein wollen, müssen
wir, wie der Papst denken und glauben an das was er
denkt. »
Die
betreffenden Probleme und Personen waren damals nicht so
verherrlicht, wie sie es heute in unseren Geschichtsbüchern
sind. Sie erschienen so, wie sie tatsächlich waren. Mit
aller ihrer Doppeldeutigkeit undArmseligkeit. Das Werk der Priester die sich
damals «mit dem Volk für die Einigung» politisch verbündeten,
blieb in der Geschichte völlig unbedeutend.
Anderseits
wussten alle, Kirche und Staat, König und Papst,
Minister und Kardinäle, sie können auf Don Bosco
vertrauen, wenn es galt eine Übereinstimmung zu finden.
Nach der Einigung von Italien musste das Problem der Diözesen
geregelt werden. Sechzig Diözesen waren ohne Bischof.
Die langen Verhandlungen fanden in Don Bosco einen tüchtigen
Vermittler.
Ein
anderes, viel sagendes Beispiel. Minister Rattazzi erklärte,
von sich aus, Don Bosco die Gründung einer religiösen
Kongregation, obwohl er persönlich die religiösen
Orden aufgehoben hatte. (Das bekannte Gesetz Rattazzi
aus dem Jahre 1855.) «
Rattazzi – so erzählte Don Bosco – wollte mit mir
einige unserer Ordenregeln besprechen, welche unser
Verhalten zu dem Zivil- und Staatsrecht betreffen. »
Praktische
lehrte er ihm eine Kongregation zu bilden, welche
einerseits durch die normalen kirchlichen Gesetze
geregelt war, anderseits aber durch das Zivilrecht,
welche die humanitären Institute reguliert. Die Idee
eine «religiöse Gemeinschaft die von dem Staat als
Laiengesellschaft angesehen wird» zu gründen, bekam er
von Ratazzi. Sogar die Bischöfe waren von dieser Idee
überrascht. Sie entsprang aus der Zuneigung, welche der
überzeugte antiklerikale Ratazzi für Don Bosco hegte.
Viele
rümpfen auch die Nase, weil Don Bosco die soziale Lage
seiner Zeit und die soziale Aufteilung nicht angreift,
sondern den Armen, innerhalb dieses Systems, hilft. Mit
anderen Worten, er bittet die Reichen um Hilfe. Auch
diese Kritik bedeutet, nur mit Prinzipien und nicht mit
Tatsachen zu arbeiten. Als Don Bosco sein zweites
Oratorium gründet, schreibt Karl Mark sein Manifest.
Don Bosco hatte ein eigenes Urteil über die soziale
Lage, obwohl er die pauperistischen Phänomene und die
sich vorbereitenden Änderungen, nicht wissenschaftlich
analisierte.
Er
weigerte sich ein «sozialer Priester» und Politiker zu
sein. Er fühlte seine Berufung in dem sofortigen
Eingriff und die Liebe ließ ihn sofort mit der Arbeit
beginnen. Einige Menschen kämpfen gegen die Ursachen,
andere gegen die Folgen der Ungerechtigkeit. Jeder fühlt
seine Berufung und alle sind bedeutend. Wichtig ist es,
die Lage zu analysieren und neue Pläne auszuarbeiten.
Wichtig ist aber auch sofort zu lieben und zu helfen,
denn die Armen können die großen Analysen und Pläne
nicht abwarten. Don Bosco sagte: «Überlassen wir
anderen religiösen Orden Pläne und politische Aktion.
Wir gehen direkt zu den Armen. »
Sogar
Pertini schrieb, er hätte in den Schulen der Salesianer
«eine unbegrenzte Liebe zu allen Armen und Unterdrückten
gelernt. Das bewundernswerte Leben von Don Bosco hat
mich zu dieser Liebe geführt. »
Interessant
ist, dass einige der ersten, in Italien abgeschlossenen,
Arbeitsverträge, welche echte revolutionäre soziale
Neuigkeiten enthalten, von Don Bosco geschrieben und
unterzeichnet wurden.
Bis
jetzt wurde noch nie an der pädagogischen Fähigkeit
von Don Bosco gezweifelt.
Einige
machen Don Bosco den Vorwurf, seine Erziehung wäre «traurig,
regressiv und fast qualvoll» gewesen.
Im
Jahre 1920 schrieb ein antiklerikaler, ungläubiger,
aber ehrlicher Erzieher, Giuseppe Lombardo Radice an
seine Anhänger: «Don Bosco war ein «Großer», den
man begreifen muss. Innerhalb der Kirche gründete er
eine Erziehungsmethode, durch die sie den verlorenen
Kontakt mit der Volksmasse wieder aufnahm. Für uns, die
wir außerhalb der Kirche stehen ist auch er ein Held.
Ein Held der vorbeugenden Erziehung und der Einrichtung
Schule-Familie. Seine Nachfolger können stolz sein. »
Außerdem:
«Don Bosco? Das Geheimnis liegt in einem Ideal. In
unseren Schulen herrschen viele Ideen. Auch ein
Dummkopf, Priester oder Laie, Lehrer oder nicht, kann
viele Einfälle haben. Ein Ideal ist schwierig, besitzt
jedoch eine Seele. »
Nach
sechzig Jahren haben anscheinend sehr viele, die Don
Bosco kritisierten «sehr viele Ideen.» Im Jahre 1877
veröffentlichte Don Bosco ein kleines Büchlein mit dem
Titel: Das Präventivsystem in der Erziehung der Jugend.
Die erste Sorge galt dem Erzieher selbst, dessen völlige
Hingabe notwendig war.
«Ich
habe Gott versprochen mich bis zu meinem letzten Atemzug
der Jugend zu widmen.
Für
die Jugend lerne ich, für sie arbeite und lebe ich. Für
die Jugend bin ich bereit mein Leben zu opfern. »
So erklärte Don Bosco.
«Rechnet
mit mir. Ich bin immer für euch da. Bei Tag und bei
Nacht. In jeder Stunde des Tages. »
Die
Vorsorge begann mit der völligen Hingabe der Erzieher.
Diesen völligen Einsatz verlangte Don Bosco. Auch die
Leiter der Schulen mussten immer bei den Kindern sein,
auch während der Zeit der Erholung. Sie mussten
sichtbar, greifbar, vertraut sein.
In
einer Zeit in der die Erziehung mit völliger Autorität
vollzogen wurde, war das eine echte Erneuerung. Die
Disziplin wurde nicht mehr durch Bestrafung erreicht,
sondern durch Ermutigung und Überzeugung. Es war nicht
mehr notwendig vor dem Erzieher in Reihen stramm und
steif zu stehen. Die Jugendlichen scharrten sich um den
Erzieher.
Pèlerin,
ein Reporter einer französischen Zeitung, schrieb im
Jahre 1883 in einem Artikel: «Wir haben dieses System
in Tätigkeit gesehen. In Turin bilden die Schüler eine
Gemeinschaft, in der nicht in der Reihe marschiert wird,
sondern sie gehen wie in einer Familie. Jede Gruppe
umschwirrt ihren Erzieher, ohne Lärm, ohne Ärgernis
oder Kontrast. Wir bewunderten die fröhlichen Gesichter
dieser Buben und riefen: hier ist die Hand Gottes
vorhanden. »
Die
Fröhlichkeit war die Treibfeder, welche sich mit dem Übernatürlichen
verband. Der kleine Domenico Savio erklärte einem neuen
Schulkollegen: «Du musst wissen, dass hier die
Heiligkeit durch die Fröhlichkeit erreicht wird. »
Der
Zwang war abgeschafft. In allen Erziehungsanstalten für
Jugendliche, war Beichte und Kommunion Pflicht.
Don
Bosco hörte die Beichte und kommunizierte alle Buben,
aber keiner war dazu gezwungen. Im Gegenteil er riet
allen, die Kinder nicht mit Pflichten zu beladen. Sie
nur ermuntern. Er zeigte ihnen ganz einfach, dass sie
ohne Frieden im Herzen nicht richtig glücklich sein
konnten, keine richtigen Kinder.
Eine
Erziehung, ohne Vertraulichkeit mit Gott, d. h. ohne «Religion»
ist nicht möglich. Davon war Don Bosco fest überzeugt.
Er
sagte: « Die Erziehung ist eine Sache des Herzens
und nur Gott ist der Besitzer des Herzens. Wir können
nichts vollbringen, wenn Gott uns nicht den Schlüssel
zu diesem Herzen gibt. Nur ein Katholik kann die
vorbeugende Methode, mit Erfolg, anwenden. »
Von
dieser Idee überzeugte er sogar einige Protestanten die
ihm aufsuchten um bei ihm zu lernen. Die Ausdrücke, die
«intolerant» erscheinen, gehören zu dieser «Idee»,
welche einen echten Erzieher bilden. Die Vorstellung,
die Don Bosco von einem Erzieher hat umfasst seine ganze
Aktivität.
Er
findet alles wichtig und nichts unwürdig für einen
Erzieher. Egal ob es sich um Kochen, Schneidern, Spiel,
Unterricht, Musik, Gebet, Predigt, Beichte oder
Kommunion handelt.
Noch
zu seinen Lebzeiten erschien im Jahre 1884 eine, von
einem Franzosen, verfasste Biographie von Don Bosco.
In
dieser schrieb der Autor: « Bis heute haben sich die
Gründer von Kongregationen und religiösen Orden ein
bestimmtes Ziel, innerhalb der Kirche gestellt. Sie
haben das Gesetz angewendet, welches von den modernen
Wirtschaftswissenschaftlern, das Gesetz der
Arbeitsteilung genannt wird. Don Bosco hat die neue Idee
ausgearbeitet. Seine einfache Gemeinde erledigt die
ganze Arbeit. »
Zweck,
Religion und Liebe, das waren die drei Begriffe auf
denen Don Bosco sein Werk aufbauen will.
Dem
Schüler muss man das ganze Leben widmen. Die Liebe
hatte eine besondere Bedeutung. Tatsächlich kann man
lieben, aber wenig wirken.
In
einem bekannten Brief schrieb er, aus Rom, im Jahre
1884: «Haben meine Jungen, nicht genug Liebe
erhalten? Du weißt, wie viel ich für sie gelitten und
im Laufe von vierzig Jahren ertragen habe und auch heute
noch ertrage. Wie viele Opfer, Demütigungen und Gegner
habe ich ertragen um der Jugend Brot, Heime, und Lehrer
zu geben und besonders um sie von ihren Krankheiten zu
heilen. Ich tat, was ich konnte für sie, denn sie sind
meine ganze Liebe. Was will man noch von mir? »
Und
die Antwort war: «Die Jugend nicht nur lieben,
sondern sie müssen sich dieser Liebe auch bewusst sein.
»
Das
war zu Don Boscos Zeiten zutreffend. Einer seiner Buben
antwortete als Erwachsener: «Wir wuchsen mit der Liebe
auf. »
Das
ist die Besonderheit von Don Bosco: er genügt nicht nur
zu lieben. Liebe muss man zeigen und fühlen lassen. «Liebe
muss man mit Worten, Taten, sogar mit dem
Gesichtsausdruck aussprechen. »
Das
verlangt eine tiefe Askese, eine völlige tägliche
Hingabe.
Im
Jahre 1883 besuchte ihn ein einfacher Priester aus der
Lombardei, nachdem er so viel von Don Bosco gehört
hatte. Dieser einfache Priester ist der zukünftige
Papst Pius XI, welcher Don Bosco «heilig» erklärt.
Er
musste warten, da Don Bosco mit den Leitern seiner Heime
in Versammlung war.
Inzwischen
konnte der einfache Priester beobachten. Nach fast fünfzig
Jahren, als Papst, erzählt er diese Begegnung. «Es
waren Menschen anwesend, die von überall herkamen.
Einer mit einem Problem, der andere mit einem anderen.
Er stand in ihrer Mitte, als wäre es eine Angelegenheit
von nur einem Augenblick. Er hörte alle an, begriff
sofort und antwortete allen. Er war ein Mann, der alles
beachtete, was um ihn vorging. Gleichzeitig hatte man
aber den Eindruck, als wäre er mit seinen Gedanken ganz
wo anders. Tatsächlich war er auch mit seinen Gedanken
bei Gott. Für alle hatte er die richtigen Worte. Trotz
der vielen Schwierigkeiten führte Don Bosco sein Leben
in der Heiligkeit und innigem Gebet. »
Gerade
das, war die erzieherische Fähigkeit, für sich selbst
und für die Anderen. In den letzten Monaten konnte er
sich nur mit Schwierigkeiten bewegen. Auf die Frage «Don
Bosco, wohin gehen wir? », antwortete er «wir gehen in
den Himmel. »
Heiliggesprochen
wurde er am Ostersonntag des Jahres 1934, am Ende des
Jahres der Erlösung. Er war der erste Heilige in der
Geschichte, dem am Tag nach der Heiligsprechung im
Rathaus eine Feierlichkeit gewidmet war. Die Ansprache
hielt der Erziehungsminister. Es war eine Anerkennung
die bezeugte, dass Don Bosco allen gehört. Bis heute
“Im
Traum sah ich mich in einer Kirche, die von Jungen ganz
gefüllt war. Nur wenige gingen zur hl. Kommunion. An
der Kommunionbank stand ein großer Mann in schwarzer
Kleidung. Er hatte Hörner und hielt einen Apparat in
der Hand. Einigen Jungen zeigte er verschiedene Sachen,
die in dem Apparat zu sehen waren. Den einen ließ er
die ganze vom Spiel belebte Erholungspause sehen. Er
interessierte sich vor allem für sein Lieblingsspiel.
Einem anderen zeigte er frühere Spiele, an denen er
Vergnügen fand in der Hoffnung auf zukünftige Siege
beim Spiel. Dann zeigte er einem seine Heimat, seine
Spaziergänge daselbst, Felder und Vaterhaus; einem
andern den Studiersaal, die Bücher, Arbeiten und seine
Helfer. Dem nächsten zeigte er Obst, Süßigkeiten und
den Wein, den er im Koffer hatte, und wieder einem
andern seine Eltern und Freunde.
Aber
auch Schlimmeres ließ er sie schauen, nämlich ihre Sünden
und nicht abgegebenes Geld. Daher gingen nur wenige zu
den hl. Sakramenten. Einige sahen ihre Ferienausflüge.
Sie übersahen alles andere und betrachteten nur die früheren
Gefährten ihrer Vergnügungen.
Wißt
ihr, was dieser Traum bedeuten soll? Er will besagen, daß
der Teufel sich anstrengt, die Jungen in der Kirche zu
zerstreuen, um sie vom Empfang der hl. Sakramente
fernzuhalten. Und die Jungen sind so unklug und gehen
darauf ein.
Meine
lieben Jungen! Dieses elende Teufelswerk muß man
zerschlagen. Wißt ihr auch wie? Werft einen Blick auf
das Kreuz und dann denkt daran, daß man sich dem Teufel
in die Arme wirft, wenn man den Empfang der hl.
Kommunion vernachlässigt.
”
DIE
PROZESSION ZUM MARIENALTAR
(Lem.
VIII, 129‑132)
Den
folgenden Traum erzählte Don Bosco am 30. Mai 1865:
“Ich erblickte einen großen Altar, der Maria geweiht
und prächtig geschmückt war. Alle Jungen des
Oratoriums sah ich in einer Prozession zum Altare
schreiten. Sie sangen das Lob der reinsten Jungfrau,
aber nicht alle in derselben Weise, obwohl alle das
gleiche Lied sangen. Viele sangen wirklich genau und gut
nach den Noten. Einige sangen lauter, andere leiser.
Manche hatten eine heisere Stimme. Andere sangen falsch,
wieder andere gingen schweigend weiter und lösten sich
dann aus den Reihen. Einige gähnten und langweilten
sich. Manche stießen sich auch an und lachten
miteinander. Aber alle trugen Geschenke, um sie Maria
darzubringen. Die meisten brachten einen Blumenstrauß.
Diese Blumensträuße waren von verschiedener Größe
und mannigfaltiger Art. Einer hatte einen Strauß Rosen,
ein anderer Nelken, wieder ein anderer Veilchen usw.
Einige brachten der allerseligsten Jungfrau wirklich
seltsame Gaben. Die einen trugen einen Schweinekopf, die
anderen eine Katze. Es war auch einer dabei, der eine
Platte voll Kröten hatte, während andere ein
Kaninchen, ein Lamm oder andere Dinge trugen.
Vor
dem Altar stand ein schöner Jüngling. Wenn man genau
hinschaute, sah man Flügel. Vielleicht war es der
Schutzengel des Oratoriums. So wie die Jungen nach und
nach herankamen und ihre Gaben darbrachten, nahm er
diese in Empfang und legte sie auf den Altar.
Die
ersten brachten herrliche Blumensträuße und der Engel
legte sie, ohne etwas zu sagen, auf den Altar. Andere
— in großer Zahl — reichten ihm ihre Blumensträuße.
Er betrachtete sie und nahm sie auseinander. Verdorbene
Blumen nahm er heraus und warf sie weg. Dann fügte er
die Blumen wieder zu einem Strauß zusammen und legte
sie auf den Altar. Einige hatten schöne Blumensträuße,
aber Blumen dazwischen, die nicht dufteten, wie Dohlen,
Kamelien u. a. Der Engel ließ sie herausnehmen, weil
Maria nur Wirklichkeit und nicht den Schein liebt. Wenn
dann der Strauß neu geordnet war, brachte der Engel ihn
der heiligsten Jungfrau dar. Viele hatten zwischen ihren
Blumen sogar Dornen und Nägel, die der Engel wegnahm.
Schließlich
kam der Junge heran, der einen Schweinekopf trug. Der
Engel sagte zu ihm: “Hast du wirklich den Mut, diese
Gabe Maria anzubieten? Weißt du auch, was das Schwein
bedeutet? Das häßliche Laster der Unkeuschheit. Die
reinste Jungfrau Maria kann diese Sünde nicht ertragen.
Ziehe dich also zurück; du bist nicht würdig vor ihr
zu stehen.”
Dann
kamen Jungen, die eine Katze trugen und der Engel sagte
ihnen: “Ihr wagt es, der Gottesmutter solche Sachen
anzubieten? Wißt ihr nicht was eine Katze bedeutet? Sie
versinnbildet den Diebstahl und ihr bringt sie noch der
heiligsten Jungfrau! Diebe seid ihr, Diebe, die den
Kameraden Geld, Sachen, Bücher und sogar Eßwaren
wegnehmen. Ihr seid solche, die aus Ärger und Bosheit
Kleider zerreißen und das Geld der Eltern vergeuden,
weil sie die Zeit zum Lernen der Schulaufgaben nicht
ausnutzen.”
Dann
ließ er auch diese beiseite treten.
Nun
kamen diejenigen Jungen, welche Platten mit Kröten
trugen. Der Engel schaute sie zornig an. “Die Kröten
versinnbilden die schändlichen Sünden des Ärgernisgebens
und ihr wollt sie der reinsten Jungfrau bringen? Zurück!
Fort mit euch zu den übrigen Unwürdigen!” Da zogen
sie sich verwirrt zurück.
Es
kamen auch einige heran, die einen Dolch im Herzen
trugen. Der Dolch bedeutet Sakrilegien. Der Engel sagte
ihnen: “Merkt ihr nicht, daß ihr den Tod in der Seele
habt? Daß ihr Überhaupt noch lebt, ist ein besonderes
Geschenk der Barmherzigkeit Gottes. Ihr wäret sonst
verloren. Um Gottes Willen, laßt euch diesen Dolch
herausnehmen!” Auch diese wurden zurückgewiesen.
Nach
und nach kamen alle Jungen heran. Es wurden Lämmer,
Kaninchen, Fische, Nüsse, Trauben und andere Sachen
geopfert. Der Engel nahm alles und legte es auf den
Altar.
Nachdem
er die guten Jungen von den schlechten geschieden hatte,
ließ er alle, deren Gaben von Maria angenommen worden
waren, sich vor dem Altar aufstellen. Leider waren
diejenigen, die er fortgeschickt hatte, und die an der
Seite standen, zu meinem Schmerz viel zahlreicher als
ich geglaubt hatte.
Nun
erschienen zu beiden Seiten des Altares noch zwei andere
Engel. Diese brachten zwei Körbe voll herrlicher Kränze,
die aus prächtigen Rosen geflochten waren. Es waren
eigentlich keine natürlichen Rosen, sondern künstliche,
ein Sinnbild der Unsterblichkeit.
Der
Schutzengel nahm darauf die Kränze, einen nach dem
andern, und schmückte damit alle Jungen, die um den
Altar standen. Die Kränze waren verschieden groß, aber
alle von einer wunderbaren Schönheit. Denkt euch nur,
da waren nicht nur die Jungen anwesend, die sich zur
Zeit im Oratorium befinden, sondern auch noch viele
andere, die ich noch niemals gesehen hatte.
Nun
geschah etwas ganz Auffallendes. Da waren so häßliche
Jungen, daß sie fast Ekel und Abscheu einflößten.
Diese erhielten die schönsten Kränze, um anzudeuten,
daß ein so häßliches Äußere durch das Geschenk der
Tugend der Keuschheit in hervorragendem Maße ersetzt
wird. Viele andere hatten dieselbe Tugend, aber in
weniger hohem Grad erworben. Wieder andere zeichneten
sich durch die Übung anderer Tugenden aus, wie
Gehorsam, Demut und Gottesliebe. Alle erhielten Kränze,
die dem Grad ihrer Tugenden entsprachen. Darauf sagte
ihnen der Engel: “Es war der Wunsch Mariens, euch
heute mit so schönen Kränzen zu zieren. Bedenkt aber
auch, daß ihr weiter fortfahren müßt, die Tugenden zu
üben, damit sie euch nicht genommen werden. Behaltet
auch im Gedächtnis, daß es Mittel gibt, im Tugendleben
beharrlich zu sein. Es sind: 1. Demut, 2. Gehorsam, 3.
Keuschheit. Übt diese drei Tugenden, dann werdet ihr
von Maria geliebt und ihr werdet dadurch würdig werden,
eines Tages eine Krone zu empfangen, die unendlich schöner
ist als dieser Kranz. Dann stimmten die Jungen vor dem
Altar das ‚Ave maris stella' — Meerstern ich dich grüße
— an.
Nach
dem Gesang der ersten Strophe zog die Prozession, so wie
sie gekommen war, wieder ab. Dabei sangen die Jungen das
Lied: Lobet Maria, ihr gläubigen Zungen. Ihre Stimmen
waren so laut, daß ich ganz verblüfft und verwundert
war. Ich folgte noch eine Weile und entfernte mich dann,
um die Jungen zu sehen, die der Engel beiseite stehen
gelassen hatte. Ich sah sie aber nicht mehr.
Meine
Lieben! Ich weiß, welche Jungen vom Engel bekränzt und
welche fortgejagt wurden. Den einzelnen werde ich es
sagen, damit sie sich in Zukunft bemühen, der reinsten
Jungfrau solche Gaben zu bringen, die sie auch gerne
annimmt. —
Nun
noch einige Bemerkungen:
1.
Alle brachten der lieben Jungfrau Maria Blumen, und zwar
von allen Sorten. Ich beobachtete aber auch, daß alle
zwischen den Blumen mehr oder weniger Dornen hatten. Ich
dachte lange nach, was diese Dornen wohl bedeuten könnten
und kam zu der Überzeugung, daß sie Ungehorsam
darstellten: Geld behalten ohne Erlaubnis des Präfekten
und ohne die Absicht es ihm abgeben zu wollen; fragen,
ob man an einen bestimmten Ort gehen darf und dann doch
an einen anderen gehen; zu spät in die Schule kommen,
wenn die anderen schon da sind; sich heimlich Salat und
andere Speisen bereiten; in die Schlafsäle der anderen
gehen, obwohl es streng verboten ist, gleich unter
welchem Vorwand; beim Wecken nicht gleich aufstehen; die
vorgeschriebenen Andachtsübungen auslassen; schwätzen
in der Zeit des Stillschweigens; Bücher kaufen ohne sie
vorzuzeigen; Briefe durch Mittelspersonen fortschicken,
damit sie nicht gesehen werden und auf dieselbe Art
Briefe empfangen; untereinander Abmachungen treffen, Käufe
und Verkäufe tätigen.
Da
habt ihr alles, was die Dornen bedeuten. Viele von euch
werden fragen: “Ist es also Sünde, wenn man die
Hausregel übertritt?” Ich habe schon ernstlich darüber
nachgedacht und antworte euch nun mit einem bestimmten
“Ja”. Ich sage nicht es sei eine schwere oder eine
leichte Sünde. Das hängt von den Umständen ab; aber Sünde
ist es.
Man
wird einwenden: “In den Geboten Gottes steht doch
nicht, wir müßten die Hausregel befolgen. ” Hört
zu! Es ist aber in den Geboten enthalten: “Du sollst
Vater und Mutter ehren', heißt es. Wißt ihr auch, was
die Worte Vater und Mutter bedeuten? Sie schließen auch
diejenigen mit ein, welche die Stelle von Vater und
Mutter vertreten. Es steht aber in der Heiligen Schrift:
‚Gehorchet euren Vorgesetzten!' Es ist doch klar, daß
sie zu befehlen haben und ihr gehorchen müßt. Das ist
der Ursprung der Hausregel des Oratoriums und darum ist
sie verpflichtend.
2.
Einige hatten zwischen ihren Blumen auch Nägel. Nägel
haben dazu gedient, den lieben Heiland ans Kreuz zu
schlagen. Wie kamen nun die Nägel unter die Blumen? Man
fängt mit Kleinigkeiten an und aus Kleinem wird Großes.
Da wollte einer Geld haben unter einem gewissen Vorwand.
Nachher wollte er es nicht abgeben, um es auf seine Art
ausgeben zu können. Hernach fing er an, seine Schulbücher
zu verkaufen und schließlich stahl er dem Kameraden
Geld und andere Dinge. Ein anderer wollte seiner
Gaumenlust fröhnen und stahl daher Flaschenwein. Er
erlaubte sich allerhand und fiel — kurz gesagt — in
schwere Sünden. Ihr seht also, wie die Nägel zwischen
die Blumen kamen und wie der Heiland aufs neue ans Kreuz
geschlagen wurde. Der Apostel sagt: “Rursus
crucifigentes filium Dei — sie schlugen ihn aufs neue
ans Kreuz.”
3.
Viele Jungen hatten zwischen frischen und duftenden
Blumen auch verwelkte und faule in ihrem Strauß; aber
auch recht schöne waren dabei, die jedoch nicht
dufteten. Die verwelkten und faulenden Blumen bedeuten
gute Werke, aber im Stande der Todsünde verrichtet, die
also nicht verdienstvoll sind. Blumen, die nicht duften,
sind guten Werken vergleichbar, die der Menschen wegen,
aus Ehrgeiz, oder um Lehrern und Vorgesetzten zu
gefallen, verrichtet wurden. Daher machte der Engel den
Jungen Vorwürfe, weil sie es wagten, der Gottesmutter
solche Gaben darzubringen. Er schickte sie zurück,
damit sie ihren Blumenstrauß in Ordnung brächten.
Daraufhin ordneten sie ihn aufs neue, banden ihn
zusammen wie vorher und übergaben ihn dem Engel, der
ihn dann entgegennahm und auf den Altar legte. Diese
Jungen hielten sich aber nicht an eine gewisse Ordnung,
sondern brachten ihren Strauß später in Ordnung, übergaben
ihn und stellten sich dann zu jenen Jungen, die einen
Kranz erhalten hatten.
In
diesem Traum sah ich alles, was bei meinen Jungen
vorgeht, wie sie waren und wie sie sein werden. Vielen
von ihnen habe ich es schon gesagt, den andern werde ich
es noch mitteilen. Tragt aber Sorge, daß die reinste
Jungfrau von euch nur Gaben bekommt, die nicht zurückgewiesen
werden müssen.”
Aus
diesem Traum könnte man entnehmen, daß Maria nicht nur
Mittlerin aller Gnaden ist, sondern daß sie auch alle
unsere guten Werke für Gott annimmt und daß die Engel
zwischen Maria und uns stehen.
Don
Bosco hat die Nutzanwendung aus diesem Traum gezogen. Er
hat den Lohn der Tugend hervorgehoben und ebenso die
Strafe für böse Taten, die bei Jungen in einem
Internat vorkommen können.
DAS
FEGFEUER
(Lem.
VIII, 853‑858)
Am
25. Juni 1867, nach dem gemeinsamen Abendgebet, erzählte
Don Bosco seiner ganzen Jungenschar folgenden Traum.
“Gestern abend, meine lieben Buben, hatte ich mich
hingelegt. Da ich nicht recht einschlafen konnte, dachte
ich über die Seele nach: über ihre Natur, ihre Art zu
existieren, wie sie wohl beschaffen ist, wie sie im
anderen Leben vom Körper getrennt sein und sprechen
werde, wie sie es anstelle, sich von einem Ort zum
andern zu bewegen, wie wir uns beim Wiedersehen erkennen
werden, da wir nach dem Tode doch nichts anderes als
reine Geister sind. Je mehr ich darüber nachdachte, um
so undurchdringlicher schien mir das Geheimnis.
Während
ich mich in diesen und ähnlichen Vorstellungen erging,
schlief ich ein, und es schien mir, ich ginge den Weg
nach . . . (und er nannte die Stadt). Ich wanderte eine
kurze Zeit und durchstreifte mir unbekannte
Landschaften. Auf einmal hörte ich mich beim Namen
gerufen. Es war die Stimme einer Person, die am Wege
stand. Sie sagte: “Komm mit, du kannst jetzt sehen,
was du sehen möchtest.”
Ich
gehorchte sofort. Jene Person eilte mit
Gedankengeschwindigkeit vorwärts; und ich ebenso
schnell. Wir gingen, ohne mit den Füßen den Boden zu
berühren. Als wir in eine bestimmte Gegend gekommen
waren — ich weiß nicht, wo das war —, da hielt mein
Führer an. Hoch oben erhob sich ein prächtiger Palast,
der herrlich gebaut war. Ich weiß nicht wo, oder auf
welcher Anhöhe er sich befand. Ich erinnere mich auch
nicht mehr, ob er auf einem Berge oder in der Luft auf
den Wolken war. Er war unzugänglich. Man sah keine Straße,
die zu ihm hinaufführte. Seine Tore waren in beträchtlicher
Höhe.
“Schau!
Steig hinauf in den Palast!” sagte der Führer zu mir.
“Wie soll ich das anfangen?” erwiderte ich. “Wie
kann ich dorthin gelangen? Hier unten ist kein Eingang
und Flügel habe ich nicht. ” “Geh nur hinein!”
wiederholte der andere gebieterisch. Als er aber sah, daß
ich mich nicht bewegte, sagte er: “Mach es wie ich.
Hebe die Arme und wolle entschieden, und du wirst
emporsteigen. Komm mit mir!” Bei diesen Worten hob er
die Arme zum Himmel empor. Auch ich streckte meine Arme
aus und fühlte mich sofort in die Luft emporsteigen,
einer leichten Wolke gleich. Bald befand ich mich auf
der Schwelle des großen Palastes. Der Führer war bei
mir.
Da
fragte ich ihn: “Was befindet sich da drinnen?”
“Geh
nur hinein und sieh es dir an! Hinten, in einem Saal
wirst du jemanden finden, der dir Bescheid sagt.”
Der
Führer verschwand und ich blieb allein, mir selbst überlassen.
Ich trat in die Säulenhalle ein, stieg die Treppen
empor und befand mich in einem wahrhaft königlichen
Raum. Ich durcheilte viele Säle, Gemächer mit prächtigen
Ornamenten und lange Gänge. So kam ich mit übernatürlicher
Schnelligkeit vorwärts. Jeder Saal glänzte von überraschenden
Prunkstücken und Schätzen. Es war mir aber nicht möglich,
mir alle zu merken, so schnell durchstreifte ich die
vielen Räume. Doch das Erstaunlichste war folgendes: um
mit Windeseile voranzukommen, brauchte ich meine Füße
nicht zu bewegen. Ich schwebte in der Luft und hielt die
Füße beisammen. Mühelos fuhr ich dahin, wie auf einem
Kristall, ohne jedoch das Pflaster zu berühren. So kam
ich von einem Raum in den anderen und sah schließlich
hinten, am Ende eines Ganges, eine Türe. Ich trat durch
sie ein und befand mich in einem großen Saal, der noch
prächtiger war als alle anderen. An seinem äußersten
Ende gewahrte ich einen Bischof, majestätisch auf einem
Thronsessel sitzend, gleichsam als erwarte er jemanden
zur Audienz. Ich näherte mich ihm mit Ehrfurcht und war
höchst verwundert, als ich in jenem Prälaten einen
lieben Freund erkannte. Es war der Bischof von X. ,
Monsignore N. (er nannte den Namen), der vor zwei Jahren
gestorben war. Er sah in keiner Weise leidend aus, er
war blühend frisch, freundlich und unbeschreiblich schön.
“Oh,
Monsignore, sind Sie hier?” rief ich sehr erfreut aus.
“Wie Sie sehen”, antwortete der Bischof. “Aber wie
geht denn das zu? Leben Sie noch? Sind Sie nicht
gestorben?”
“
Sicher, ich bin gestorben. ” — “Ja, wenn Sie doch
gestorben lind, wie sitzen Sie denn hier so blühend und
wohlbehalten? Wenn Sie noch leben, dann sagen Sie es nur
um des Himmels willen, sonst gibt es eine ganz
verwickelte Angelegenheit. In X. ist nämlich schon ein
anderer Bischof, Monsignore Y. , und wie wollen Sie denn
diese Geschichte in Ordnung bringen?” — “Seien Sie
nur ruhig, machen Sie sich keine Sorgen darüber, daß
ich wirklich gestorben bin . . .”
“Nun
wohl, sonst wäre nämlich schon ein anderer an Ihrem
Platze. ” — “Das weiß ich. Und Sie, Don Bosco,
sind Sie auch gestorben oder leben Sie noch?” —
“Ich lebe. Sehen Sie mich denn nicht hier mit Leib und
Seele?” — “Hierher kann man nicht mit dem Leibe
kommen. ” — “Aber ich bin doch da. ” “Das
kommt Ihnen nur so vor, als wären Sie da; aber es ist
nicht so . . . ” Da fing ich schnell an zu reden,
stellte Frage auf Frage, ohne aber eine Antwort zu
erhalten.
“Wie
ist es möglich”, sagte ich, “daß ich, der ich noch
lebe, hier bei Ihnen sein kann, obwohl Sie schon
gestorben sind?” Ich bekam Angst, der Bischof möchte
verschwinden. Deshalb bat ich ihn: “Monsignore, um des
Himmels willen, entfliehen Sie mir nicht. Ich muß so
vieles von Ihnen wissen.”
Als
der Bischof mich so erregt sah, bemerkte er: “Seien
Sie ganz ruhig, ich werde nicht fortgehen, fragen Sie
nur. ” — “Monsignore, sagen Sie mir, sind Sie
gerettet?” — “Sehen Sie mich an, wie ich rüstig,
frisch und strahlend bin. ” Sein Aussehen gab mir
wirklich Hoffnung, daß er gerettet war. Aber das genügte
mir noch nicht und ich fing wieder an: “Aber sagen Sie
mir doch, sind Sie gerettet oder nicht?” — “Ja,
ich bin am Orte der Rettung. ” — “Aber sind Sie
denn im Paradies beim Herrn oder im Fegfeuer?” —
“Ich bin am Orte der Rettung; aber Gott habe ich noch
nicht gesehen. Ich habe nötig, daß ihr für mich
betet. ” “Wie lange werden Sie noch im Fegfeuer
bleiben müssen?” “Sehen Sie hier!” Er reichte mir
ein Stück Papier und fügte hinzu: “Lesen Sie!” Ich
nahm das Papier und sah es genau an; aber ich bemerkte
nichts Geschriebenes und sagte: “Ich sehe nichts
darauf. ” — “Sehen Sie zu, was da geschrieben
steht. Lesen Sie!” — “Ich habe schon nachgesehen
und tue es noch; aber lesen kann ich nicht, denn es
steht hier nichts geschrieben. ” — “Sehen Sie
genauer hin!” — “Ich sehe ein Papier mit roten,
hellblauen, grünen und violetten Blumenmustern, aber
von Buchstaben keine Spur. ” — “Es sind Ziffern
dort. ” — “Ich sehe weder Ziffern noch Zahlen. ”
Der Bischof blickte auf das Papier, das ich in den Händen
hielt und sagte dann: “Nun weiß ich, warum Sie nicht
verstehen. Nehmen Sie das Papier von der anderen Seite.
” Ich untersuchte das Blatt mit größter
Aufmerksamkeit, drehte es nach allen Seiten, aber weder
oben noch unten konnte ich etwas lesen. Nur schien es
mir, als erblickte ich beim Drehen und Wenden in den
Blumenzeichnungen die Zahl 2”.
Der
Bischof fuhr fort: “Wissen Sie, warum man von der
anderen Seite lesen muß? Weil die Urteile des Herrn
andere sind als die der Welt. Das, was man bei den
Menschen für Weisheit hält, ist Torheit bei Gott.”
Ich
wagte nicht, auf einer deutlicheren Erklärung zu
bestehen und sagte: “Monsignore, trachten Sie nicht
darnach, mir zu entweichen. Ich möchte noch andere
Fragen an Sie stellen.”
“Fragen
Sie nur, ich höre zu.”
“Werde
ich mich retten?” — “Hoffen Sie es. ” —
“Machen Sie meiner Qual ein Ende. Sagen Sie mir
schnell, ob ich mich retten werde. ” — “Das weiß
ich nicht. ” — “Dann sagen Sie mir wenigstens, ob
ich in der Gnade Gottes bin oder nicht. ” — “Ich
weiß es nicht. ” — “Aber ich bitte Sie, haben Sie
doch die Güte und sagen Sie es mir. ” — “Sie
haben Theologie studiert, und daher können Sie die
Antwort wissen und sie sich selbst geben.”
“Wie,
Sie sind am Orte der Rettung und wissen diese Dinge
nicht?” — “Sehen Sie, der Herr läßt dies wissen,
wen er will. Und wenn er will, daß dieses Wissen
mitgeteilt werden soll, gibt er dazu den Befehl und die
Erlaubnis. Anders kann niemand den noch Lebenden solches
kundtun.”
Mich
drängte eine lebhafte Sucht, in einem fort zu fragen
und ich fragte in Eile, aus Furcht, der Bischof würde
sich zurückziehen. “Nun sagen Sie mir doch etwas, was
ich den Jungen von Ihnen erzählen soll. ” — “Sie
wissen so gut wie ich, was Sie tun sollen. Sie haben die
Kirche, das Evangelium und die Heilige Schrift, die
Ihnen alles sagen. Sagen Sie ihnen, sie sollen ihre
Seele retten; denn alles andere ist nutzlos.”
“Das
wissen wir schon, daß wir die Seele retten müssen.
Geben Sie mir eine besondere Anweisung, wie man sie
retten kann, als Andenken an Sie. Ich werde das den
Jungen in Ihrem Namen kundtun. ” — “Sagen Sie
ihnen, daß sie gut werden und gehorsam sein sollen.”
“Wer
weiß denn diese Dinge nicht. ” — “Sagen Sie
ihnen, sie sollen sittsam sein und beten. ” — “Drücken
Sie sich doch praktischer aus. ” — “Sagen Sie
ihnen, daß sie oft beichten und kommunizieren müssen.
” — “Noch etwas Genaueres. ” — “Ich will es
Ihnen sagen, da Sie es wollen. Sagen Sie ihnen, daß sie
einen Nebel vor den Augen haben. Wenn einer dazu kommt,
diesen Nebel zu sehen, ist er schon ein gutes Stück
voran. Sie mögen den Nebel fortschaffen, wie man in den
Psalmen liest: Nubem dissipe — Zerstreue den Nebel.
” — “Was ist denn dieser Nebel eigentlich?” —
“Es sind alle Dinge der Welt, die uns daran hindern,
die himmlischen Dinge zu sehen, wie sie sind. ” —
“Und was müssen wir tun, um diesen Nebel
fortzubringen?” — “Sie mögen die Welt so nehmen,
wie sie ist: mundus totus in maligno positus est — Die
ganze Welt liegt im argen. Dann werden sie die Seele
retten. Sie sollen sich nicht vom Schein der Welt täuschen
lassen. Die Jungen meinen, daß die Vergnügen, Freuden
und Freundschaften der Welt sie glücklich machen können
und warten nur auf den Augenblick, sie zu genießen. Sie
mögen aber daran denken, daß alles Eitelkeit und
Geistesplage ist. Sie mögen sich daran gewöhnen, die
Dinge der Welt zu sehen, nicht wie sie scheinen, sondern
wie sie sind.”
“Wodurch
entsteht dieser Nebel hauptsächlich?”
“Wie
die Tugend, die am meisten im Paradies leuchtet, die
Reinheit ist, so entsteht Finsternis und Nebel hauptsächlich
durch die Sünden der Unsittlichkeit und Unreinheit. Das
ist wie eine schwarze, sehr dichte Wolke, welche die
Sicht nimmt und die Jungen hindert, den Abgrund zu
sehen, auf den sie zugehen. Sagen Sie ihnen deshalb, daß
sie sorglich die Tugend der Reinheit bewahren sollen;
denn die sie besitzen, florebunt sicut lilium in
civitate Dei — werden wie die Lilie im Reiche Gottes
blühen. ” — “Was ist nötig, um die Reinheit zu
bewahren? Sagen Sie es mir, damit ich es meinen lieben
Jungen in Ihrem Namen kundtue.”
“Notwendig
sind: Zurückhaltung, Gehorsam, Fliehen des Müßigganges
und Gebet. ” — “Und was noch?” — “Gebet,
Fliehen des Müßigganges, Gehorsam und Zurückhaltung.
” — “Sonst nichts?” — “Gehorsam, Zurückhaltung,
Gebet und Fliehen des Müßigganges. Empfehlen Sie ihnen
diese Dinge. Sie genügen. ” Ich wollte noch soviel
fragen, aber es fiel mir nichts mehr ein. Als nun der
Bischof mit dem Sprechen aufgehört hatte, verließ ich
eilig den Saal und lief ganz begierig zum Oratorium, um
euch diese Ratschläge mitzuteilen. Ich flog mit der
Schnelligkeit des Windes dahin und fand mich in einem
Augenblick am Eingang des Oratoriums. Da blieb ich
stehen und dachte: “Warum bin ich nicht länger beim
Bischof X. geblieben? Ich hätte noch weit mehr erfahren
können! Ich habe übel daran getan, mir eine so günstige
Gelegenheit entfliehen zu lassen. Ich hätte noch so
viele andere schöne Dinge lernen können.”
Schnell
eilte ich mit der gleichen Geschwindigkeit zurück, mit
der ich gekommen war, besorgt, Monsignore nicht mehr
anzutreffen. Wiederum betrat ich jenen Palast und bald
darauf den Saal. Aber welche Veränderung war in den
wenigen Augenblicken vor sich gegangen. Der Bischof war
nun sehr bleich, wie Wachs, und lag auf einem Bett. Er
sah aus wie eine Leiche. In seinen Augen standen ihm die
letzten Tränen. Er lag im Todeskampf. Nur an einer
geringen Bewegung der Brust, in letztem Röcheln,
gewahrte man, daß er noch lebte. Ich näherte mich ihm
bekümmert. “Monsignore”, fragte ich ihn, “was ist
geschehen?” — “Lassen Sie mich”, antwortete er
mit einem Seufzer. “Monsignore, ich hätte noch viel
zu fragen.”
“Lassen
Sie mich allein, ich leide sehr. ” — “Aber was
kann ich für Sie tun?” — “Beten Sie für mich und
lassen Sie mich gehen. ” — “Wohin?” —
“Dorthin, wohin mich Gott mit seiner allmächtigen
Hand führt. ” — “Aber ich bitte Sie, Monsignore,
sagen Sie mir wohin!” — “Ich leide zu sehr, lassen
Sie mich!” — “Dann sagen Sie mir wenigstens, was
ich für Sie tun kann”, wiederholte ich. — “Beten
Sie!” — “Nur noch ein Wort: Haben Sie keinen
Auftrag, den ich in der Welt ausführen kann? Soll ich
ihrem Nachfolger nichts bestellen?” — “Gehen Sie
zum jetzigen Bischof von X. und sagen Sie ihm von mir
das und das. ” Was er sagte, ist nichts für euch,
meine lieben Jungen, und deshalb lasse ich es weg.
Der
Bischof fuhr noch fort: “Ferner sagen Sie den und den
Personen diese und jene geheimen Dinge. ” (Auch über
diese Aufträge schwieg Don Bosco; aber es scheint, daß
das Erste wie auch das Zweite Ermahnungen und Heilmittel
für gewisse Nöte jener Diözesen waren.)
“Sonst
nichts?” fragte ich noch. “Sagen Sie Ihren Jungen,
daß sie mein Wohlwollen immer in reichem Maße besaßen.
Solange ich noch lebte, habe ich für sie gebetet und
auch jetzt vergesse ich sie nicht. Nun mögen sie auch für
mich beten. ” — “Dessen seien Sie sicher, ich
werde das bestellen und sofort werden wir für Sie zu
beten anfangen. Sie aber mögen, gleich wenn Sie im
Paradiese sind, unserer gedenken.”
Der
Bischof sah inzwischen noch leidender aus. Es war eine
Qual, ihn anzusehen. Er litt sehr. Es war ein außerordentlich
schwerer Todeskampf. “Lassen Sie mich”, sagte er
noch, “lassen Sie mich gehen, wohin der Herr mich
ruft. ” — “Monsignore! — Monsignore!”
stammelte ich, immer wieder von neuem durch unsagbares
Mitleid gedrängt. “Lassen Sie mich, lassen Sie
mich!” Es schien nun mit ihm zu Ende zu gehen. Eine
unsagbare Macht zog ihn von dort in ein weiter zurückgelegenes
Zimmer. So verschwand er.
Erschrocken
und bewegt von solchem Leiden, wandte ich mich zur
Umkehr. Aber ich stieß in jenem Saal mit dem Knie gegen
etwas, erwachte und befand mich in meinem Zimmer zu
Bett. Wie ihr seht, ist das ein Traum wie alle anderen
Träume, und das, was euch betrifft, braucht keine Erklärungen;
denn es wird wohl von allen verstanden worden sein. In
diesem Traum habe ich sehr viel über die Seele und das
Fegefeuer gelernt. in dem Umfange, wie jetzt, habe ich
diese Dinge noch nie verstanden. Ich sah alles so klar,
daß ich es niemals vergessen werde.”
“So
endet die Erzählung unserer Erinnerungen. Es scheint,
daß dem Heiligen in zwei verschiedenen Bildern der
Stand der Gnade der Seelen im Reinigungsorte und ihre Sühneleiden
dargestellt wurde. ” (Lem. VIII, 859.)
“Ich, der
Schreiber, fragte einige Zeit nachher Don Bosco, ob er
die Aufträge, die er von jenem Bischof erhalten hatte,
auch ausgeführt hätte. Im Vertrauen, mit dem er mich
ehrte, antwortete er mir: “Ja, ich habe meine Aufgabe
getreulich ausgeführt. ”
(Lem. VIII, 859.)
DIE
HÖLLE
(Lem.
IX, 167‑182)
Berichterstatter
ist Don Lemoyne selbst. Er schreibt:
“Wir
haben hier getreulich aufgeschrieben, was wir ausführlich
vom Ehrwürdigen gehört haben und was uns mündlich
oder schriftlich von zahlreichen priesterlichen Zeugen
mitgeteilt wurde. Wir haben alles in einem einzigen
Berichte zusammengeordnet. Dies war eine schwierige
Arbeit, weil wir mit mathematischer Genauigkeit jedes
Wort, jede Verbindung, und den Zusammenhang zwischen den
einzelnen Szenen, die Aufeinanderfolge der verschiedenen
Tatsachen, Unterweisungen, Vorwürfe und aller
dargelegten, aber nicht erklärten Ideen, darunter
vielleicht etwas Unverstandenes, wiedergeben wollten.
Ist es gelungen? Wir können dem Leser versichern, daß
wir mit größtem Fleiß nur das eine suchten: so getreu
wie möglich die lange Ansprache Don Boscos
wiederzugeben.”
Am
3. Mai 1868 erzählte Don Bosco:
“Ich
habe euch von dem schrecklichen Krötenungeheuer
gesprochen, das mich in der Nacht des 17. April zu
verschlingen drohte und wie mir bei seinem Verschwinden
eine Stimme sagte: “Warum sprichst du nicht?” Ich
wandte mich nach der Seite, woher die Stimme gekommen
war und sah neben meinem Bette deutlich eine menschliche
Gestalt. Da ich nun verstanden hatte, warum mir der
Vorwurf gemacht wurde, fragte ich: “Was muß ich
unseren Jungen sagen?” — “Das, was du gesehen hast
und was dir in den letzten Träumen gesagt wurde. Was du
noch weiter zu wissen gewünscht hast, wird dir in der
kommenden Nacht geoffenbart werden!” Damit verschwand
die Erscheinung.
Ich
dachte daher den ganzen folgenden Tag an die böse
Nacht, die mir bevorstände, und als der Abend kam,
konnte ich mich nicht entschließen, schlafen zu gehen.
Ich blieb am Tisch sitzen und las bis Mitternacht. Der
Gedanke erfüllte mich mit Schrecken, daß ich noch
andere, furchterregendere Bilder sehen müßte. Schließlich
tat ich mir Gewalt an und ging zu Bett. Um nicht so
schnell einzuschlafen und aus Angst, daß mir meine
Phantasie die bewußten Träume brächte, legte ich das
Kopfkissen an die Wand und auf die Bettstelle, so daß
ich fast im Bett saß. Aber schnell überfiel mich der
Schlaf, ohne daß ich es merkte. Ich war zu müde.
Siehe, da stand plötzlich in meinem Zimmer, nahe bei
meinem Bett, der Mann von der vorhergehenden Nacht. (Don
Bosco nannte ihn öfter den Mann mit der Mütze.) Er
sagte zu mir: “Steh auf und folge mir!”
Ich
antwortete: “Um der Liebe willen, ich bitte dich, laß
mich hierbleiben, ich bin wirklich zu müde. Sieh, schon
seit einigen Tagen bin ich sehr von Zahnschmerzen gequält.
Laß mich ausruhen. Ich habe schreckliche Träume
gehabt. Ich bin ganz erschöpft. ” Ich sagte ihm das;
denn das Erscheinen dieses Mannes ist immer ein
Vorzeichen für große Aufregung, Ermüdung und
Schrecken. Doch jener antwortete mir: “Steh auf, wir
haben keine Zeit zu verlieren!” Da stand ich auf und
folgte ihm. Unterwegs fragte ich ihn: “Wohin willst du
mich jetzt führen?” — “Komm nur, das wirst du
schon sehen”, antwortete er.
Er
führte mich an einen Ort, von dem aus sich eine weite
Ebene ausbreitete. Ich schaute umher, aber ich sah
nirgends die Grenzen dieses Geländes, so weit dehnte es
sich aus. Es war wirklich eine Wüste. Nichts Lebendiges
befand sich dort. Man sah keine einzige Pflanze, keinen
Fluß. Das gelbe, verdorrte Gras bot einen traurigen
Anblick. Ich wußte weder, wo ich mich befand, noch was
ich tun sollte. Da sah ich auf kurze Zeit meinen Führer
nicht mehr. Ich fürchtete, mich verirrt zu haben. Don
Rua war nicht da, auch Don Francesia nicht, noch jemand
anders. Da entdeckte ich den Freund wieder. Er kam mir
entgegen. Ich atmete auf und fragte: “Wo bin ich?”
“Komm
mit mir und du wirst sehen!”
“Gut!
Ich werde mit dir gehen!”
Er
ging voran, ich hinterher. Wir sprachen kein Wort. Nach
einem langen und traurigen Weg dachte Don Bosco, daß er
durch die so weite Ebene gehen müßte und er sagte
sich:, Meine armen Zähne! Ich Armer, mit meinen
geschwollenen Beinen . . .”
Auf
einmal öffnete sich vor mir eine Straße. Da brach ich
das Schweigen und fragte den Führer: “Wohin müssen
wir jetzt gehen?” “Hierher”, antwortete er.
Wir
gingen auf der Straße weiter. Sie war schön, breit,
geräumig und gut gepflastert.
(Via
peccantium complanata lapidibus, et in fine illorum
inferi, et tenebrae, et poenac. Ecclesiasticus XXI, 11
— Der Weg der Sünder ist mit Steinen gepflastert, ihr
Ende ist die Hölle, Finsternis und Strafe.)
Zu
beiden Seiten, hinter einem Graben, waren prächtige, grüne
Hecken, die mit lieblichen Blumen bedeckt waren.
Besonders die Rosen kamen überall zwischen den Blättern
hervor. Auf den ersten Blick schien dieser Weg eben und
bequem und ich schlug ihn ein, ohne irgendwie Verdacht
zu schöpfen. Als ich aber weiterging, nahm ich wahr, daß
er fast unmerklich nach unten führte. Obwohl ich unschlüssig
war, ging ich auf ihm mit solcher Leichtigkeit, daß es
mir schien, als würde ich durch die Luft getragen. Ich
merkte sogar, daß ich vorankam, fast ohne meine Füße
zu bewegen. Wir liefen schnell. Ich überlegte, daß ein
so langer Weg später beim Heimkehren viel Mühe und
Anstrengung kosten würde und sagte zu meinem Freund:
“Wie sollen wir denn zum Oratorium zurückkommen?”
“Das
braucht dich nicht zu bekümmern”, antwortete er mir.
“Der Herr ist allmächtig und will, daß du gehst. Er,
der dich führt und der dich heißt, voranzugehen, wird
auch Mittel wissen, wie er dich zurückbringt.”
Die
Straße ging immerzu abwärts. Wir hielten diesen Weg
zwischen Blumen und Rosen weiter ein. Da sah ich hinter
mir auf der gleichen Straße alle Jungen des Oratoriums.
Sehr viele waren dabei, die ich noch niemals gesehen
hatte. Ich fand mich mitten unter ihnen. Während ich
sie beobachtete, gewahrte ich plötzlich, daß der eine
oder andere hinfiel. Sie waren dann im gleichen
Augenblick zu einem schrecklichen Abhang gezogen, den
man in einiger Entfernung gewahrte, und von dem ich
nachher sah, daß er in einen Hochofen mündete. Ich
fragte meinen Begleiter. “Was ist es, das die Jungen
hinfallend macht?”
Junes
extenderunt in Iaqueum; juxta iter scandalum posuerunt.
Ps. 139, 6 — Sie spannten Schlingen, an den Weg legten
sie Verderben.
“Komm
etwas näher heran!” sagte er mir. Ich trat näher
hinzu und sah, daß die Jungen zwischen vielen Schlingen
hindurchgingen. Einige waren dicht über den Boden
gespannt, andere in Kopfhöhe. Man sah sie nicht. Es
wurden viele Jungen beim Gehen von diesen Schlingen gefaßt,
ohne daß sie die Gefahr merkten. Im Augenblick, da sie
gefesselt wurden, machten sie einen Sprung, dann lagen
sie auf der Erde mit den Beinen in der Luft. Wenn sie
hernach wieder aufgestanden waren, fingen sie an, ganz
überstürzt auf den Abgrund zuzulaufen. Einer hatte den
Kopf in der Schlinge, ein anderer den Hals, einer die Hände,
wieder einer einen Arm oder ein Bein, einer war um die
Lenden gefesselt. Alle wurden sie sofort
hinuntergezogen. Die Schlingen auf der Erde schienen aus
Werg zu sein. Sie waren kaum sichtbar, Spinngeweben ähnlich
und sahen nicht aus, als könnten sie großes Unheil
anrichten. Und doch bemerkte ich, daß auch Jungen, die
in diese Schlingen, gerieten, fast alle auf die Erde
fielen. Ich war erstaunt und der Führer sagte mir.
“Weißt du, was das ist?”
“Nur
ein wenig Werg”, antwortete ich.
“Es
ist sozusagen nichts”, sagte er, “es ist nichts
anderes als Menschenfurcht, das Bedachtsein auf die
Achtung bei den Menschen.”
Wie
ich nun sah, daß immer noch viele in die Schlinge
gerieten, fragte ich. “Wie geht das nur zu, daß sie
von diesen Fäden gefesselt werden? Und wer zieht sie
so?”
Und
er: “Geh näher hinzu und paß auf, dann wirst du es
schon sehen.”
Ich
gab etwas acht und sagte dann: “Aber ich sehe
nichts.”
“Du
mußt besser aufpassen”, sagte er wieder. Da nahm ich
nun selbst eine von diesen Schlingen und zog sie an mich
und fand, daß das Ende des Fadens nicht kam. Ich zog
noch weiter und sah kein Aufhören des Fadens; dagegen fühlte
ich, daß ich selbst gezogen wurde. Ich folgte dem Faden
und kam an den Eingang einer schrecklichen Höhle. Dort
blieb ich stehen; denn ich wollte nicht in das dunkle
Loch hinein. Ich zog den Faden an mich und bemerkte, daß
es mir wirklich gelang; aber es kostete gewaltige
Anstrengung.
Und
siehe da, als ich viel gezogen hatte, kam nach und nach
ein schmutziges, großes Ungetüm heraus, das Schauder
einflößte. Es hielt mit großer Kraft das eine Ende
eines Seiles in seinen Krallen, an welchem alle jene
Schlingen zusammen befestigt waren. Wenn einer in die
Schlingen geriet, war es also dieses Ungeheuer, das ihn
sofort an sich zog. Ich sagte mir: “Es ist verlorene Mühe,
mit diesem häßlichen Ungeheuer seine Kraft messen zu
wollen; denn das besiege ich doch nicht. Es ist besser,
man bekämpft es mit dem heiligen Kreuzzeichen und mit
Stoßgebeten. ” Daher kehrte ich zu meinem Führer zurück.
Der fragte mich. “Weißt du nun, wer es ist?” —
“Oh, und ob ich das weiß! Der Satan ist es, der diese
Schlingen legt, um meine Jungen in die Hölle zu
ziehen.”
Ich
betrachtete die vielen Schlingen sehr aufmerksam. An
jeder stand ihr Name geschrieben: die Schlinge des
Stolzes, des Ungehorsams, des Neides, des 6. Gebotes,
des Diebstahls, der Unmäßigkeit, der Trägheit, des
Zornes usw. Dann ging ich etwas zurück, um zu sehen, in
welchen Schlingen sich die meisten Jungen verfingen. Und
ich sah, es waren Unwahrhaftigkeit, Ungehorsam und
Stolz. An die Schlinge des Stolzes waren die anderen
beiden Schlingen angebunden. Danach sah ich noch viele
andere Schlingen, die eine große Verheerung
anrichteten; aber nicht so groß, wie die ersten
Schlingen. Ich beobachtete weiter und sah viele Jungen,
die viel schneller liefen als die anderen und fragte.
“Warum diese Eile?”
“Weil
sie von den Schlingen der Menschenfurcht gezogen
werden”, antwortete er. Ich sah noch aufmerksamer hin
und gewahrte, daß zwischen diesen Schlingen hier und da
von weiser Hand viele Messer angebracht waren, um die
Schlingen durchschneiden und zerreißen zu können. Das
größte Messer war für die Schlinge des Stolzes und
stellte die Betrachtung dar. Ein anderes, ziemlich großes
Messer, jedoch kleiner als das erste, bedeutete die
geistliche Lesung, wenn sie gut gemacht wird. Es waren
da auch noch zwei Schwerter. Das eine bezeichnete die
Andacht zum Allerheiligsten Altarsakrament, besonders
die häufige heilige Kommunion; das andere Schwert
bedeutete die Andacht zur Mutter Gottes. Es war da auch
ein Hammer oder die heilige Beichte und auch noch andere
Messer als Symbol der verschiedenen Andachten zum
heiligen Josef, zum heiligen Aloysius usw. usw. Mit
diesen Waffen befreiten sich viele von ihren Schlingen,
wenn sie hineingeraten waren, oder sie verteidigten sich
damit, um nicht gefangen zu werden.
In
der Tat sah ich Jungen, die so zwischen diesen Schlingen
hindurchgingen, daß sie niemals hineingerieten. Sie
gingen daher, ehe die Schlinge fiel, oder wenn sie
gingen, als die Schlinge gerade fiel, wußten sie sich
zu wenden, so daß die Schlinge auf ihre Schulter fiel
oder den Rücken oder hierhin und dorthin, aber ohne sie
zu fangen.
Als
der Führer sah, daß ich alles genügend betrachtet
hatte, ließ er mich den Weg weitergehen, der an beiden
Seiten mit Rosen begrenzt war. Jedoch nach und nach, je
weiter ich fortschritt, wurden die Rosen an den Hecken
seltener, und lange Dornen wurden sichtbar. Schließlich
konnte ich gar keine Rose mehr entdecken, soviel ich
auch danach ausschaute. Zuletzt wurde die Hecke ganz
dornig, von Hitze ausgedörrt und ohne Blätter. Es
kamen aus dem wuchernden, trockenen Gestrüpp Ranken
hervor, die am Boden dahinkrochen, ihn ganz dicht
bedeckten und dermaßen mit Dornen übersät hatten, daß
man nur mehr mit großer Mühe einhergehen konnte. Wir
waren in einer Talsenkung angekommen, deren Wände alles
Umliegende verdeckten. Die Straße, die immer weiter abwärts
führte, wurde schrecklich: aufgerissenes Pflaster, Gräben,
Stufen, Geröll und runde Felsblöcke. Ich hatte alle
meine Jungen aus den Augen verloren. Viele von ihnen
hatten diesen gefährlichen Weg verlassen und sich
anderswohin gewandt.
Ich
ging weiter, und je weiter ich vorankam, desto rauher
und abschüssiger wurde der Weg. Ein paarmal rutschte
ich aus und stürzte zu Boden. Dann blieb ich etwas
sitzen, um ruhig zu atmen. Zuweilen stützte mich mein Führer
und half mir wieder auf die Beine. Bei jedem Schritt
knickten meine Gelenke ein und es kam mir vor, als lösten
sie die Schienbeine. Ich sagte keuchend zu meinem Führer:
“Aber mein Lieber! Meine Beine können mich nicht mehr
halten. So erschöpft wie ich bin, kann ich den Weg
nicht weiter fortsetzen. ” Der Führer ging jedoch
nicht auf meine Worte ein. Er machte mir Mut und ging
weiter. Als er aber schließlich sah, daß ich todmüde
und in Schweiß gebadet war, führte er mich auf einen
kleinen Treppenabsatz, den die Straße bildete. Hier
setzte ich mich hin, holte tief Atem und ruhte etwas
aus. Dabei sah ich über mir den Weg, den wir schon zurückgelegt
hatten. Er schien mir schreckhaft steil aufwärts zu
gehen und war voller Felsspitzen und losgelöster
Steine. Ich blickte auch nach unten, auf den Weg, den
ich noch gehen sollte und schloß die Augen vor
Schauder.
Schließlich
rief ich: “Laß uns umkehren, um derLiebe willen! Wenn
wir weitergehen, wie können wir jemals ins Oratorium
zurückkommen? Es ist unmöglich, hinterher diesen
Steilhang wieder hinaufzuklettern!” Der Führer
antwortete mir sehr energisch: “Nun, wo wir schon so
weit sind, willst du nicht mehr mitgehen und allein
bleiben?”
Bei
dieser Drohung sagte ich mit kläglicher Stimme: “Wie
könnte ich ohne dich zurück‑ oder
weitergehen?”
“Nun
gut, also folge mir”, sagte der Führer. Darauf erhob
ich mich und wir stiegen den Weg weiter hinab. Die Straße
wurde immer schrecklicher und war schließlich so abschüssig,
daß man kaum noch aufrecht stehen konnte. Und siehe da,
in diesem Abgrund, der in ein dunkles Tal auslief,
tauchte ein gewaltiges Gebäude auf, das zu unserem Weg
hin ein sehr hohes, geschlossenes Tor hatte. Endlich
gelangten wir unten im Abgrund an. Eine beklemmende
Hitze drohte mich zu ersticken. Dicker, fast grüner
Rauch erhob sich über jenen Mauern. Dazwischen sprangen
blutrote Flammen auf. Ich schaute an den Mauern hinauf,
sie waren höher als ein Berg. Don Bosco fragte den Führer:
“Wo sind wir? Was ist das?”
Er
antwortete: “Lies die Inschrift über dem Tor und du
wirst daraus erkennen, wo wir uns befinden.”
Ich
schaute hin. Über dem Tor stand geschrieben: Ubi non
est redemptio — (wo es keine Erlösung gibt). Ich
erkannte, daß wir vor den Toren der Hölle standen. Der
Führer ging mit mir um die Mauern dieser schrecklichen
Stadt herum. Von Zeit zu Zeit, in regelmäßigen Abständen,
sah man so ein eisernes Tor wie das erste. Zu Füßen
eines halsbrecherischen Abstiegs und über allen Toren
war eine Inschrift, die jedes Mal verschieden lautete:
Discedite a me maledicti, in ignem aeternum, qui paratus
est diabolo et angelis eius . . . (= hinweg von mir, ihr
Verfluchten, ins ewige Feuer, das dem Satan und seinem
Anhange bereitet ist) Matth. 25, 41. Omnis ergo arbor,
quae non facit fructum bonum excidetur et in ignem
mittetur (= jeder Baum, der keine gute Frucht
hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen)
Matth. 3, 10.
Ich
nahm meinen Notizblock, um diese Inschriften
abzuschreiben; aber der Führer sagte: “Halt! Was
machst du da?” — “Ich schreibe mir die Inschriften
ab. ” — “Das ist nicht nötig; sie stehen alle in
der Heiligen Schrift und einige hast du ja selbst unter
deinen Säulenhallen anbringen lassen. ” Bei diesem
Anblick wollte ich gern zum Oratorium zurückkehren, und
ich machte schon einige Schritte dazu. Der Führer
wandte sich aber nicht um. So gingen wir weiter. Er führte
mich durch eine ungeheure tiefe Schlucht, und schließlich
fanden wir uns neuerdings unten an dem abschüssigen
Weg, den wir heruntergekommen waren, und zwar vor dem
ersten Tor. Da auf einmal wandte sich der Führer um.
Sein Gesicht war düster und er runzelte die Brauen. Er
gab mir ein Zeichen mit der Hand, etwas zurückzutreten,
und sagte: “Paß auf!”
Ich
zitterte, blickte auf und sah in einer großen
Entfernung auf dem steilen Weg jemanden, der ganz überstürzt
heruntersauste. Wie er immer näher kam, versuchte ich
sein Gesicht zu beobachten und schließlich erkannte ich
in ihm einen meiner Jungen. Seine zerzausten Haare sträubten
sich auf seinem Haupte und zum Teil flogen sie rückwärts
durch die Luft. Die Arme streckte er nach vorn, wie
einer, der sich vor dem Ertrinken retten will. Er wollte
anhalten, konnte es aber nicht. Er schlug mit den Füßen
gegen die vorspringenden Steine und durch dieses
Stolpern stürzte er noch schneller herab. Ich schrie:
“Laufen wir hin, wir wollen ihn festhalten und ihm
helfen!” Dabei streckte ich meine Hände nach ihm aus.
Der Führer aber sagte: “Laß das!” — “Warum
soll ich ihn nicht aufhalten?” — “Weißt du nicht,
wie schrecklich die Rache Gottes ist? Glaubst du, du könntest
einen anhalten, der vor dem brennenden Zorn des Herrn
flieht?”
Da
wandte der Junge den Kopf zurück und schaute mit
fiebernden Augen, ob der Zorn Gottes ihn noch immer
verfolgte. Unterdessen sauste er bis unten hin und
schlug gegen das eherne Tor, als wenn er auf seiner
Flucht keine bessere Bleibe gefunden hätte. Da fragte
ich: “Warum schaute der Junge sich so entsetzt um?”
— “Weil der Zorn Gottes durch alle Tore der Hölle
hindurchgeht und ihn selbst noch mitten im Feuer quält.”
In
der Tat, von dem Aufschlag sprang das Tor auf. Es dröhnte,
seine Riegel gingen auseinander und hinter ihm öffneten
sich gleichzeitig mit einem ohrenbetäubenden Donner
zwei, zehn, hundert, tausend andere Tore, die von dem
Aufschlagen des Jungen aufgestoßen wurden, der von
einem unsichtbaren, unwiderstehlichen, sehr schnellen
Sturmwind fortgetragen wurde. Alle diese ehernen Tore,
von denen eines immer dem anderen gegenüberlag, wenn
sie auch weit voneinander entfernt waren, blieben einen
Augenblick offen. Da sah ich weit hinten etwas, das wie
die Öffnung eines Hochofens aussah. Und als der Junge
dort hineinstürzte, sprangen Feuermassen auf. Die Tore
fielen wieder zu, genau so schnell, wie sie aufgegangen
waren. Ich nahm meine Brieftasche, um mir den Vor‑
und Zunamen jenes Unglücklichen aufzuschreiben; aber
der Führer faßte meinen Arm und gebot mir: “Halt,
passe weiter aufl” Da gewahrte ich etwas Neues. Ich
sah drei andere Jungen aus unseren Häusern jenen
Abstieg herunterstürzen. Es war, als kollerten drei
Steine, einer hinter dem andern sehr schnell herunter.
Die Jungen streckten die Arme von sich und schrieen laut
vor Entsetzen. Sie kamen unten an und schlugen gegen das
erste Tor. In diesem Augenblick erkannte sie Don Bosco
alle drei. Das Tor öffnete sich hinter ihnen, und die
anderen tausend Tore ebenfalls. Die Jungen wurden durch
den sehr langen Gang hindurchgetrieben. Man hörte einen
langgezogenen, höllischen Lärm, der sich immer mehr
entfernte. Die Jungen verschwanden und die Tore
schlossen sich wieder. Viele andere gerieten so nach und
nach dorthin. Einen armen Jungen sah ich hinabstürzen,
der von einem schlechten Kameraden mit Püffen getrieben
wurde. Manche sausten allein hinab, andere mit Gefährten.
Manche kamen Arm in Arm, andere, wenn sie sich auch
nicht eingehakt hatten, waren Seite an Seite. Alle
hatten ihre Sünde auf der Stirne geschrieben. Ich rief
sie voll Kummer an, während sie hinabstürzten. Die
Jungen hörten mich aber nicht. Sie schlugen gegen die Höllentore,
diese öffneten sich und schlossen sich wieder und es
folgte eine Grabesstille.
“Da
hast du die Hauptursachen der Verdammnis”, sagte der Führer
zu mir. Es sind die schlechten Kameraden und Bücher und
die perversen Gewohnheiten. Die Schlingen, die du vorher
gesehen hast, zogen sie in den Abgrund. ” Als ich so
viele stürzen sah, sagte ich verzweifelt: “Aber so
arbeiten wir ja umsonst in unseren Häusern, wenn doch
so viele Jungen ein solches Ende haben.” Der Führer
antwortete mir: “Das ist ihr augenblicklicher Zustand.
Wenn sie nun stürben, kämen sie ohne weiteres
hierher.”
“Oh,
dann will ich mir ihre Namen aufschreiben, um sie
zurechtzuweisen und sie auf den Weg zum Paradiese zu
bringen.”
“Ja,
glaubst du denn, daß gewisse von diesen sich bessern würden?
Für den Augenblick würden sie erschrecken; aber dann würden
sie darüber hinweggehen und sagen: das ist ja nur ein
Traum und sie würden es noch schlimmer treiben als
zuvor. Andere würden, da sie sich entdeckt sehen, zu
den Sakramenten gehen; aber dies käme dann doch nicht
von Herzen und wäre nicht verdienstvoll, weil es nicht
gut gemacht wird. Manche würden aus einer
augenblicklichen Furcht vor der Hölle beichten; aber
sie würden ihr Herz doch nicht frei machen von der Anhänglichkeit
an die Sünde. ” — “Also gibt es für diese
Unseligen keine Rettung mehr? Gib mir einen besonderen
Rat, damit sie nicht verlorengehen.”
“Nun,
sie haben die Obern; ihnen sollen sie gehorchen. Sie
haben die Regeln; die sollen sie beachten. Sie haben die
Sakramente; die sollen sie empfangen.”
Da
stürzte wieder eine Schar Jungen hinab und die Tore
standen einen Augenblick offen. Der Führer sagte:
“Komm, geh du auch hinein!”
Ich
wich entsetzt zurück. Ich war ganz versessen darauf,
ins Oratorium zurückzukommen, um die Jungen zu ermahnen
und aufzuhalten, damit keine weiteren verlorengingen.
Aber der Führer bestand auf seinem Willen. “Komm,
hier kannst du allerhand lernen. Willst du lieber allein
gehen oder soll ich bei dir bleiben?” Das sagte er,
damit ich meine Schwäche einsehe und zugleich die
Notwendigkeit seines gütigen Beistandes erkannte. Ich
antwortete ihm: “Hier, allein, an diesem Ort des
Schreckens? Ohne deine wohlwollende Hilfe? Wer soll mir
denn den Rückweg zeigen?”
Plötzlich
wurde ich ganz mutig bei der Erwägung: ehe man in die Hölle
kommt, muß man gerichtet sein und das bin ich noch
nicht. Daher sagte ich ganz entschlossen: “Gehen wir
nur hinein!”
Wir
kamen in einen nicht breiten, schrecklichen Gang. Es
ging voran, schnell wie der Blitz. Über jedem der
inneren Tore leuchtete in mattem Glanz eine drohende
Inschrift: Ibunt impii in ignem aeternum — die
Gottlosen werden in das ewige Feuer kommen. Die Mauern
rundherum waren mit Inschriften bedeckt. Ich bat meinen
Führer, sie lesen zu dürfen, und er sagte: “Lies
nur, soviel, wie du Lust hast. ” Ich sah nun alles an.
Irgendwo sah ich geschrieben: “Dabo ignem in carnes
corum ut comburantur in sempiternum” — (= ich werde
ihren Leibern Feuer geben, damit sie ewig brennen). —
“Cruciabuntur die ac nocte in saecula saeculorum” (=
sie werden gequält, Tag und Nacht, in alle Ewigkeit).
An einer anderen Stelle stand geschrieben: Hic
universitas malorum per omnia saecula saeculorum” (=
hier ist die Gesamtheit der Bösen durch ewige Zeiten)
— “Nullus est hic ordo, sed sempiternus horror
inhabitat” (= hier wohnt keine Ordnung, sondern ewiger
Schrecken) Job 10, 22. — “Fumus tormentorum suorum
in aeternum ascendit” (= der Durst ihrer Qualen erhebt
sich auf ewig). — “Non est pax impiis” (= für die
Gottlosen gibt es keinen Frieden). — “Clamor et
stridor dentium” (Heulen und Zähneknirschen) Matth.
8, 12.
Während
ich herumging und die Inschriften las, kam der Führer,
der mitten im Hof geblieben war, zu mir und sagte:
“Von
hier an kann keiner mehr einen Kameraden haben, der ihm
beisteht, oder einen Freund, der ihn tröstet, noch ein
Herz, das ihn liebt. Hier gibt es keinen mitleidigen
Blick mehr, kein wohlwollendes Wort. Wir haben die
Grenze überschritten. Und du, willst du nur sehen, oder
auch etwas probieren?”
“Ich
will nur sehen,” sagte ich.
“Nun,
dann komm mit”, fuhr der Freund fort. Er nahm mich bei
der Hand und führte mich zu der Pforte, die er öffnete.
Sie führte in einen Gang. In diesem befand sich hinten
ein großes Fenster. Es war mit einem großen
Kristallglas vom Fußboden bis oben zum Gewölbe hin
verschlossen; man konnte aber hindurchsehen. Ich ging
einen Schritt vor und blieb plötzlich stehen, weil mich
ein unbeschreiblicher Schrecken packte. Meinen Augen bot
sich etwas, wie ein ungeheurer, kesselartiger Abgrund,
der in Schluchten auslief, die bis in das Innere der
Berge vordrangen. Diese Untiefe, die Schluchten, alles
war voll Feuer; aber nicht wie wir es auf Erden sehen,
sondern da drinnen glühte alles wegen der großen Hitze
in weißer Glut. Das Gemäuer, die Gewölbe, das
Pflaster, Eisen, Steine, Holz, Kohlen, alles war weiß
und glänzend. Sicherlich war dieses Feuer heißer als
1000 und aber 1000 Grad. Nichts wurde aber eingeäschert
oder vom Feuer verzehrt. Ich kann diese Höhle überhaupt
nicht so beschreiben, wie sie in ihrer ganzen
schrecklichen Wirklichkeit war. (Praeparata est enim ab
heri Thopheth, a rege praeparata, profunda, et dilatata.
Nutrimenta eius, ignis et ligna multa: fletus Domini
sicut torrens sulphuris succendens eam. Isaias XXX, 33
— Bereitet ist vom König längst eine Feuerstätte
tief und weit. Da brennt Feuer und viel Holz. Der Hauch
des Herrn steckt es in Brand gleich einem
Schwefelregen). Als ich da stand und ganz erstaunt
schaute, eilte aus einem Gang in äußerster
Geschwindigkeit ein Junge. Erst schien er nichts zu
merken; dann aber stieß er einen sehr schrillen Schrei
aus, als wenn er in einen See von flüssigem Erz fiele.
Er stürzte mitten hinein, wurde weiß wie das übrige
und verharrte dann unbeweglich. Einen Augenblick hörte
man noch das Echo seiner brechenden Stimme. Voll Grauen
betrachtete ich den Jungen noch eine Weile und mir
schien, es war einer von meinen Jungen aus dem
Oratorium.
“Aber
ist es nicht einer von meinen Jungen?” fragte ich den
Führer. Ist es nicht der und der?” — “Ja,
sicher”, antwortete er mir.
“Aber
warum ändert er seine einmal angenommene Lage nicht?
Warum ist er so glühend weiß und verbrennt nicht?”
Und
er: “Du wolltest sehen, darum laß jetzt das Reden.
Schau hin und du wirst sehen. übrigens “Omnis enim
igne salietur et omnis victima sale salietur — (=
jeder wird mit Feuer gesalzen und jedes Opfer mit Salz
gewürzt) Mark. 9, 48.
Kaum
sehe ich wieder hin, da kommt ein anderer Junge mit
verzweifelter Heftigkeit und größter Geschwindigkeit
und stürzt in den gleichen Abgrund. Es war auch einer
vom Oratorium. Kaum war er hineingefallen, da rührte er
sich nicht mehr. Auch er hatte einen einzigen,
herzzerreißenden Schrei ausgestoßen, der sich mit dem
letzten Nachhall desjenigen vermischte, den der Junge
von sich gab, der vorher hineingestürzt war. Danach
kamen geradeso noch andere Jungen hinein. Ihre Zahl
wurde immer größer. Alle stießen denselben Schrei aus
und wurden unbeweglich und glühend, wie die
vorhergehenden.
Ich
sah, daß der erste steif geworden war, indem er eine
Hand und einen Fuß in die Luft streckte, wie wenn er
daran aufgehängt wäre. Der zweite war bis zum Boden
gebeugt. Einer hatte die Füße in der Luft, ein anderer
das Gesicht nach unten. Manche waren wie aufgehängt und
hielten sich nur mit einem Fuß und einer Hand. Manche
saßen oder lagen. Einige waren an einer Seite
angelehnt, standen oder knieten und hatten die Hände in
ihren Haaren verkrampft. So waren nun viele Jungen
beieinander wie Statuen, in Stellungen, von denen eine
schmerzvoller war als die andere. Es kamen immer noch
mehr Jungen in den Glutofen; zum Teil kannte ich sie,
manche aber waren mir unbekannt. Da fiel mir ein, was in
der Bibel steht, daß man so die ganze Ewigkeit hindurch
bleiben wird, wie man in die Hölle stürzt. Lignum in
quocut, que loco ceciderit, ibi erit” wohin der Baum fällt,
da bleibt er liegen).
Mein
Entsetzen wurde immer größer. Ich fragte den Führer:
“Aber wissen denn die, welche mit solcher
Geschwindigkeit heraneilen nicht, daß sie hierher
kommen?”
“Oh,
sicher wissen sie, daß sie ins Feuer kommen. Sie wurden
tausendmal zurechtgewiesen; aber sie laufen und zwar
freiwillig, weil sie die Sünde, die sie nicht
verabscheuen, nicht lassen wollten, weil sie die
Barmherzigkeit Gottes, die sie unaufhörlich zur Buße
rief, verachteten und zurückwiesen. Dann wird die göttliche
Gerechtigkeit wach; sie drängt, folgt und verfolgt sie
und sie können dann nicht mehr anhalten, bis sie an
diesem Orte angekommen sind.”
“Oh,
was müssen diese Unglücklichen für eine Verzweiflung
haben, da ihnen die Hoffnung fehlt, wieder
hinauszukommen!” sagte ich.
“Willst
du die innere Wut und Raserei ihrer Seelen kennelernen?
Dann tritt etwas näher heran”, sagte der Führer.
Ich
ging einige Schritte näher zum Fenster und sah, daß
viele dieser Elenden sich gegenseitig schlugen und
einander starke Verwundungen beibrachten. Sie bissen
sich wie wütend, Hunde. Andere zerkratzten sich das
Gesicht, sie rissen sich die Hände auf, zogen sich das
Fleisch ab und schleuderten es voll Ekel in die Luft. In
diesem Augenblick wurde auf einmal der obere Teil der Hölle
wie aus Glas. Man sah ein Stück Himmel hindurchleuchten
und die strahlenden Gestalten der Kameraden, die auf
ewig gerettet waren. Da bebten die Verdarmmten in
heftigem Neid und keuchten; denn diese Gerechten hatten
sie vormals verspottet und ausgelacht. ‚Peccator
videbit et irascetur; dentibus suis fremet et tabescet'
— (= der Sünder sieht und knirscht mit den Zähnen
und vergeht vor Kummer). Ich fragte den Führer: “Sag
mir, warum höre ich denn keine Stimme?” — “Tritt
näher heran”, antwortete er mir. Ich ging bis dicht
an das Glas des Fensters und hörte, daß manche
aufheulten. Sie krümmten sich vor Weinen. Manche
fluchten oder beteten zu den Heiligen. Es war ein lautes
und wirres Durcheinander von Rufen und Schreien. Daher
fragte ich meinen Freund. “Was sagen sie? Was schreien
sie?”
Er
antwortete: “Sie denken an das Los ihrer guten
Kameraden, und da müssen sie bekennen: nos insensati!
Vitam illorum aestimabamus insaniam et finem illorum
sine honore. Ecce quomodo computati sunt inter filios
Dei, et inter sanctos sors illorum est: ergo erravimus a
via veritatis' — (= Wir Toren! Für Unsinn hielten wir
ihr Leben und ihr Ende für ehrlos. Seht, wie sie nun
unter die Kinder Gottes gezählt sind und zu den
Heiligen gehören). Darum rufen sie: ‚Lassati sumus in
via iniquitatis et perditionis. Erravimus per vias
difficiles, viam autem Domini ignoravimus. Quid nobis
profuit superbia? . . . Transierunt omnia illa tamquam
umbra' (= Müde sind wir geworden auf dem Weg der Sünde
und des Verderbens. Wir irrten auf schlechten Straßen
herum, doch den Weg des Herrn erkannten wir nicht. Was nützt
uns unser Hochmut? Wie Schatten ging das alles vorüber)
Weisheit 5, 4ff.
Das
sind die Klagelieder, die hier die ganze Ewigkeit über
erschallen werden. Aber umsonst das Schreien, umsonst
die Anstrengungen, umsonst das Weinen. ‚Omnis dolor
irruet super eos' (= alle Qual wird über sie
hereinbrechen).
Hier
gibt es keine Zeit mehr; hier ist Ewigkeit.”
Während
ich voller Schrecken viele meiner Jungen in diesem
Zustand betrachtete, kam mir plötzlich der Gedanke. Wie
ist es nur möglich, daß diese alle hier verdammt sind?
Diese Jungen waren noch gestern abend im Oratorium und
zwar am Leben. Mein Freund sagte: “Die du hier siehst,
sind alle tot, was die göttliche Gnade angeht, und wenn
sie jetzt stürben und sich nicht änderten, wären sie
verdammt. Aber verlieren wir keine Zeit. Vorwärts!”
Von
dort gingen wir dann durch einen Gang, der abwärts zu
einem tiefen unterirdischen Raum führte. Von da aus
gelangten wir in eine andere Höhle, über deren Eingang
geschrieben stand: ‚Vermis eorum non moritur, et ignis
non extinguitur . . . Dabit Dominus omnipotens, ignem et
vermes in carnes eorum, ut urantur et sentiant usque in
sempiternum' (= ihr Wurm stirbt nicht und das Feuer
erlischt nicht . . . Mark. 9, 43 u. 45, 47 . . . Der
allmächtige Herr wird Feuer und Würmer ihren Leibern
geben, daß sie brennen und leiden auf ewig. Judith XVI,
21).
Hier
sah man die Gewissensbisse. Wie heftig waren sie bei
denen, die in unseren Häusern erzogen worden waren!
Sie
erinnerten sich an all die einzelnen, nicht
nachgelassenen Sünden und an die gerechte Verdammnis.
Es fiel ihnen ein, daß sie tausend Hilfen, sogar außerordentliche,
hatten, um sich zum Herrn zu bekehren, um im Guten
beharrlich zu sein und das Paradies zu erlangen. Sie
erinnerten sich der vielen Gnaden, die Maria ihnen
versprochen, angeboten und verliehen hatte, denen sie
aber nicht entsprochen hatten. Sich leicht retten zu können
und doch unwiderruflich verloren zu sein. Sie dachten an
die vielen guten Vorsätze, die sie gemacht, aber nicht
gehalten hatten. Ach! Mit guten, aber unwirksamen Vorsätzen
ist ja der Weg zur Hölle gepflastert, sagt das
Sprichwort.
Und
da sah ich all die Jungen vom Oratorium wieder, die ich
kurz zuvor an dem Glutofen gesehen hatte. Von denen
einige mir jetzt zuhören, einige sind schon hier bei
uns gewesen und viele kannte ich nicht. Ich trat etwas näher
hinzu und sah, daß alle über und über voller Würmer
und mit anderen ekelhaften Tieren behaftet waren. Diese
nagten und zehrten ihnen am Herzen, in den Augen, Händen,
Beinen, Armen und überall. Es war so jammervoll, daß
man es mit Worten überhaupt nicht wiedergeben kann. Die
Jungen blieben unbeweglich, jeder Belästigung
ausgesetzt und konnten sich nicht im geringsten wehren.
Ich trat noch dichter an sie heran, damit sie mich sähen.
Dabei hoffte ich, mit ihnen sprechen zu können und
irgend etwas von ihnen zu hören.
Aber
niemand sprach von ihnen und es sah mich auch keiner an.
Da fragte ich den Führer, warum das so sei, und erhielt
die Antwort, daß sie in der anderen Welt keine Freiheit
mehr hätten. Jeder leidet dort die ganze Strafe, die
Gott ihm auferlegt hat, und das bleibt so und kann nicht
geändert werden. Er fügte noch hinzu: “So, nun mußt
du auch mitten ins Feuer, welches du gesehen hast!”
“Nein,
o nein!” rief ich entsetzt. “Wenn man in die Hölle
kommt, muß man zuerst ins Gericht. Da war ich aber noch
nicht. Deshalb will ich auch nicht in die Hölle.”
“Sag
mal”, gab mir der Freund zu überlegen, “willst du
nicht lieber in die Hölle gehen und deine Jungen
befreien als draußen bleiben und deine Jungen in
solcher Qual lassen?”
Ich
geriet durch diese Worte ganz außer Fassung und sagte:
“Oh! Meine Jungen, die habe ich gerne und will, daß
alle gerettet werden! Aber können wir es nicht so
einrichten, daß weder ich noch die anderen dort hinein
müssen?”
“Wohl!
Du hast noch Zeit und sie auch; du mußt nur alles tun,
was du kannst. ” Da wurde mir das Herz weit und ich
sagte mir: “Die Arbeit macht mir nicht viel aus, wenn
ich nur meine überaus lieben Jungen aus solcher Marter
befreien kann.”
“Also
komm mit hinein”, fuhr der Freund fort, “und
betrachte die Güte und Allmacht Gottes, die liebevoll
tausend Hilfen anbietet, um deine Jungen zur Buße zu
bewegen und sie vor dem ewigen Tode zu retten. ” Er
nahm mich bei der Hand, um mich in die Höhle zu
bringen. Doch beim ersten Schritt befand ich mich
unversehens in einem prächtigen Saal mit kristallenen Türen.
Vor diesen hingen in regelmäßigen Abständen weite
Schleier, die ebenso viele Verbindungsräume zur Hölle
hin verdeckten. Der Führer zeigte auf einen dieser Vorhänge.
Auf demselben stand geschrieben: Sechstes Gebot. Und er
sagte: Die Übertretung dieses Gebotes ist die Ursache,
daß so viele Jungen auf ewig verlorengehen.” —
“Aber haben sie denn nicht gebeichtet?” fragte ich.
“Sicher
haben sie gebeichtet; aber die Sünden gegen die
Reinheit haben sie schlecht gebeichtet oder sogar ganz
verschwiegen. Z. B. es hat einer eine solche Sünde
vier‑ oder fünfmal begangen; er beichtet aber
zwei‑ oder dreimal. Manche haben eine solche Sünde
in ihrer Kindheit getan und haben sie aus Scham nie
gebeichtet oder haben sie schlecht gebeichtet und nicht
alles gesagt. Andere hatten keine Reue und keinen
Vorsatz. Einige, anstatt richtig zu bekennen, überlegten
sogar, wie sie den Beichtvater täuschen könnten. Wer
in einer solchen Verfassung stirbt, der begibt sich
selber unter die Zahl der Verdammten und zwar für die
ganze Ewigkeit. Nur diejenigen, welche aus ganzem Herzen
bereuen, sterben in der Hoffnung auf das ewige Heil und
werden auf ewig glücklich sein.
“Willst
du noch sehen, warum dich die göttliche Barmherzigkeit
hierhergeführt hat?”
Er
hob den Schleier und ich sah eine Gruppe Knaben aus dem
Oratorium. Ich kannte sie alle. Wegen dieser Sünde
wurden sie verdammt. Unter ihnen waren einige, die sich
jetzt nur scheinbar gut führen.
“Wenigstens
laß mich jetzt die Namen dieser Jungen aufschreiben,
damit ich sie besonders ermahnen und zurechtweisen
kann”, bat ich.
“Ist
nicht nötig”, sagte er.
“Was
soll ich ihnen denn sagen?”
“Predige
überall gegen die Zuchtlosigkeit. Es genügt, wenn man
sie im allgemeinen aufmerksam macht. Vergiß auch nicht,
daß die Jungen, wenn du mit ihnen redest, wohl leicht
versprechen, aber nicht immer mit festem Vorsatz. Dazu
ist nämlich die Gnade Gottes notwendig, die aber deinen
Jungen niemals fehlen wird, wenn darum gebetet wird. Der
liebe Gott zeigt seine Allmacht ganz besonders im
Erbarmen und Verzeihen. Du mußt also beten und opfern.
Die Jungen sollen auf deine Unterweisung achten und ihr
Gewissen fragen. Es wird ihnen sagen, was sie tun müssen.”
Dann
sprachen wir fast eine halbe Stunde lang über die
notwendigen Voraussetzungen für eine gute Beichte.
Dabei sagte der Führer verschiedene Male mit
eindringlicher Stimme: “Avertere! . . . Avertere!”
— “Was soll das heißen?” fragte ich. “Das Leben
ändern, das Leben ändern!”
Ich
war ganz verwirrt von diesen Enthüllungen, senkte den
Kopf und wollte mich zurückziehen. Er rief mich aber
und sagte: “Du hast noch nicht alles gesehen. ”
Dabei wandte er sich nach einer anderen Seite und zog
wieder einen Vorhang hoch. Auf dem stand geschrieben:
“Qui volunt divites fieri, incidunt in tentationem et
Iaqueum diaboli” (= die reich werden wollen, geraten
in Versuchung und in die Schlinge des Teufels, 1. Ti. 6,
9). Ich las es und sagte: “Das paßt nicht auf meine
Jungen; denn sie sind arm, genau wie ich auch. Wir sind
nicht reich und trachten auch nicht darnach, es zu
werden. Daran denken wir nicht einmal. ” Der Schleier
wurde gelüftet und ich sah im Hintergrund eine Anzahl
Jungen, die ich alle kannte. Sie litten wie diejenigen,
die wir zuvor gesehen hatten. Der Führer deutete auf
sie und sagte: “Oh, die Inschrift gilt auch für deine
Jungen.”
“Erkläre
mir das ‚divites' (reich).”
Und
er sagte: “Z. B. haben einige deiner Jungen ihr Herz
an einen materiellen Gegenstand gehängt, und diese Anhänglichkeit
hindert sie an der Liebe zu Gott. Sie fehlen deshalb
gegen die Nächstenliebe, die Frömmigkeit und Sanftmut.
Man kann das Herz nicht nur durch den Gebrauch der
Reichtümer verderben, sondern auch durch die Begierde
darnach, um so mehr, als dieses Trachten die
Gerechtigkeit verletzt. Zwar sind deine Jungen arm; aber
wisse, daß die Sucht gut zu essen und zu trinken und
der Müßiggang sehr schlechte Ratgeber sind. Einige
Jungen hast du, die in ihrer Heimat gestohlen haben,
manchmal sogar ganz beträchtlich. Sie denken aber nicht
an die Rückerstattung, obwohl sie diese leisten könnten.
Manche bemühen sich, mittels eines Dietrichs die
Vorratskammern zu öffnen. Es wird sogar versucht, in
die Zimmer des Präfekten und Ökonoms einzudringen. Sie
durchsuchen die Koffer der Kameraden, um Eßwaren, Geld
oder andere Dinge zu stehlen. Sie bringen Hefte und Bücher
auf die Seite . . .” Er nannte mir auch die Namen der
Jungen und fuhr fort: “Einige sind hier, die haben
sich aus der Innentür des Oratoriums Kleidungsstücke,
Wäsche, Decken und Mäntel angeeignet, um sie nach
Hause zu schicken. Manche sind hier, weil sie anderen
absichtlich einen schweren Schaden zugefügt haben;
wieder andere, weil sie Geliehenes nicht zurückgegeben
haben. Es sind auch welche hier, weil sie das Geld, das
sie dem Obern abgeben sollten, für sich zurückbehalten
haben.” Dann sagte er noch: “Da diese dir nun
gezeigt wurden, mache sie auf ihre Fehler aufmerksam.
Sage ihnen, sie sollen die unnötigen und schädlichen Wünsche
zurückweisen, dem Gesetz Gottes gehorchen und auf ihre
Ehrlichkeit sehr bedacht sein, sonst wird ihre
Begierlichkeit sie zu schlimmeren Ausschweifungen drängen,
die sie in Leiden, Tod und Verderben stürzen.”
Ich
konnte mir nicht erklären, warum für gewisse Dinge,
die unsere Jungen für so gering ansehen, ihnen so
schreckliche Strafen bevorstünden. Aber der Freund
durchkreuzte meine Betrachtungen und sagte: “Erinnere
dich an das, was dir bei den verdorbenen Trauben am
Weinstock gesagt wurde! (:Viele dieser Sünden sind an
und für sich noch nicht schwer, aber sie sind dennoch
Anfang und Ursache schrecklichen Versagens und ewigen
Verlorenseins. Qui spernit modica paulatim decidet).
Nun
hob er einen anderen Schleier empor, der viele andere
Jungen verdeckte. Ich kannte sie alle; sie sind im
Oratorium. Auf dem Schleier stand geschrieben: ‚Radix
omnium malorum' (= Die Wurzel alles Bösen)! Er fragte
mich. “Was heißt das? Welche Sünde ist damit
gemeint?” — “Mir scheint, nichts anderes als der
Stolz.” — “Nein”, sagte er. — “Ich habe aber
immer gehört, der Stolz sei die Wurzel aller Sünden.”
— “Ja, im allgemeinen sagt man, daß es der Stolz
sei; aber welches war denn die erste Sünde bei Adam und
Eva im besonderen? Warum wurden sie aus dem Paradiese
vertrieben?”
“Es
war der Ungehorsam.”
“Jawohl,
und der Ungehorsam ist die Wurzel aller Übel.”
“Was
soll ich meinen Jungen davon sagen?”
“Paß
auf. Die Jungen, die du hier siehst, sind die
Ungehorsamen. Sie sind auf dem Wege, sich ein sehr
beklagenswertes Ende zu bereiten. Die und die, von denen
du meinst, sie wären am Schlafen, stehen nachts auf und
gehen im Hof spazieren. Sie kümmern sich nicht um
Verbote und gehen hin, wo es gefährlich ist. Sie
klettern auf den Gerüsten von Neubauten herum und
bringen dabei ihr Leben in Gefahr. Einige gehen wohl der
Hausordnung entsprechend in die Kirche; aber sie tun
dort nicht, was sie sollen, sondern denken etwas ganz
anderes. Sie bauen in ihren Träumereien Luftschlösser
und stören die anderen. Einige suchen sich einen
bequemen Platz zum Anlehnen und Gemütlichmachen, um während
des Gottesdienstes zu schlafen. Von manchen nimmst du
an, sie gingen in die Kirche; sie gehen aber nicht
hinein. Wehe dem, der das Gebet vernachlässigt! Wer
nicht betet, der wird verdammt! Einige, anstatt
mitzusingen oder das kleine Offizium zu beten, lesen
etwas ganz anderes als Gebetbücher, und gewisse sollten
sich schämen, denn sie lesen dann sogar verbotene Bücher.”
Er
nannte noch andere Übertretungen des Gehorsams, die
ernste Unordnungen verursachen.
Als
er zu sprechen aufgehört hatte, sah ich ihn ganz erschüttert
an. Er schaute auch mich an und ich fragte ihn noch.
“Kann ich all dies meinen Jungen erzählen?” —
“Ja, du kannst ihnen alles sagen, was dir wieder einfällt.”
— “Was für einen Rat soll ich ihnen geben, damit
solch schwere Unordnungen nicht wieder vorkommen?” —
“Schärfe ihnen immer wieder ein, daß auch in
Kleinigkeiten der Gehorsam gegen Gott, die Kirche, die
Eltern und die Obern sie retten wird.”
“Und
was sonst noch?”
“Sage
deinen Jungen, daß sie sich sehr vor dem Müßiggang hüten
sollen. Das war die Ursache zur Sünde Davids. Sag
ihnen, sie sollen sich immer beschäftigen; dann hat der
Teufel keine Zeit, sie zu bedrängen.” Ich senkte den
Kopf und versprach, es zu berichten.
Ich
war von all dem Schrecklichen, das ich gesehen hatte,
ganz erschöpft und wandte mich an meinen Freund: “Ich
danke dir für deine Güte, die du mir gezeigt hast und
bitte dich, mich wieder hinauszulassen.” Er sagte:
“Komm mit!”, machte mir Mut, nahm mich bei der Hand
und stützte mich, denn ich war ganz matt. Als wir aus
dem Saal heraus waren, durcheilten wir in einem
Augenblick den grauenvollen Hof und den langen Gang,
durch den wir hereingekommen waren. Ehe wir über die
Schwelle des letzten Bronzetores gingen, wandte er sich
zu mir und sagte: “Du hast die Qualen bei anderen
gesehen; nun mußt du die Hölle auch etwas fühlen.”
“Nein,
nur nicht!” rief ich erschreckt.
Er
bestand aber darauf, doch ich weigerte mich immerzu.
“Du
brauchst keine Angst zu haben; komm und probier nur
etwas. Faß mal diese Mauer an.”
Ich
hatte keinen Mut dazu und wollte mich davonmachen. Er
hielt mich aber fest und sagte: “Und doch mußt du es
spüren!” Dabei faßte er mich resolut am Arm und zog
mich zur Mauer. “Berühre sie doch nur ein einziges
Mal; nur damit du sagen kannst, du wärst in den Mauern
der ewigen Qual gewesen und hättest sie angefaßt. Dann
kannst du verstehen, wie heiß die innere Mauer sein muß,
wenn die äußerste schon so schrecklich ist. Siehst du
diese Mauer?” Ich betrachtete die Mauer mit größerer
Aufmerksamkeit. Sie war äußerst dick. Der Führer fuhr
fort: “Das ist nun die tausendste Mauer, eh man zum
ewigen und eigentlichen Feuer der Hölle kommt. Tausend
Mauern schließen es ein. Jede Mauer ist tausend Maßeinheiten
dick und tausend Maßeinheiten von der nächsten
entfernt, und jede Maßeinheit ist tausend Meilen lang.
Diese Mauer ist eine Million Meilen vom wirklichen Feuer
der Hölle entfernt und erst ein kleiner Anfang der
wirklichen Hölle.”
Als
er das gesagt hatte, zog ich mich wieder zurück, um die
Wand nicht zu berühren. Da nahm er meine Hand, öffnete
sie mit Gewalt und brachte sie an die Steine dieser
tausendsten Mauer. In dem Augenblick fühlte ich ein so
intensives und schmerzliches Brennen, daß ich zurücksprang.
Ich stieß einen lauten Schrei aus und erwachte davon.
Ich fand mich in meinem Bette sitzend und es war mir,
als brenne meine Hand. Ich rieb sie mit der anderen, um
die Empfindung zu vertreiben. Als es Morgen wurde, sah
ich, daß die Hand tatsächlich geschwollen war. Der
eingebildete Eindruck dieses Feuers hatte eine solche
Kraft, daß sich in der Folge die Haut der Handinnenfläche
abschälte und neu wurde. —
Ihr
müßt wissen, daß ich euch diese Dinge nicht in der
ganzen Furchtbarkeit erzählt habe, so wie ich sie sah
und wie sie auf mich Eindruck gemacht haben, um euch
nicht so sehr zu erschrecken. Wir wissen, daß der Herr
nur in Bildern von der Hölle spricht. Wenn er sie uns
beschrieben hätte, wie sie ist, dann würden wir nichts
verstanden haben. Kein Sterblicher kann diese Dinge
begreifen. Gott kennt sie und kann sie mitteilen, wem er
will.
Mehrere
Nächte darauf war ich immer noch verstört und konnte
von diesem Schrecken nicht schlafen. Ich habe euch nur
in kurzem erzählt, was ich in sehr langen Träumen
gesehen habe. Ich habe vieles ganz kurz zusammengefaßt.
Später werde ich euch noch Belehrungen halten über die
Menschenfurcht, sowie über das, was das VI. und VII.
Gebot betrifft und über den Stolz. Ich werde nichts
anderes tun, als diese Träume erklären; denn sie sind
in Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift, ja sie
sind gewissermaßen nur ein Kommentar zu dem, was man
dort über diese Dinge liest.” —
Don
Bosco erzählte diese Vision nicht nur in Turin, sondern
auch in Mirabello und in Lanzo. Seinen Priestern und
Klerikern sagte er in vertraulichen Gesprächen noch
mehr davon, was er vor allen Jungen nicht erzählte.
Bei
der Beschreibung der Schlingen gab er einen neuen
Begriff von der Hinterlist des Teufels und von seiner
Art, die Opfer in die Hölle zu ziehen. Er sprach in dem
Zusammenhang von schlechten Gewohnheiten.
DIE
SCHLINGEN DES TEUFELS
(Lem.
IX, 593‑596)
Am
4. April 1869 erzählte Don Bosco folgenden Traum, den
er einige Nächte vorher gehabt hatte:
“Ich
stand an der Türe meines Zimmers und ging hinaus. Auf
einmal schaute ich herum und befand mich in der Kirche,
inmitten einer solchen Menge von Jungen, daß die Kirche
gedrängt voll von ihnen war. Es waren die Jungen aus
dem Turiner Oratorium, die von Lanzo und die von
Mirabello, sowie viele andere, die ich nicht kannte. Sie
hielten keine gemeinsame Andacht, sondern schienen sich
auf die heilige Beichte vorzubereiten. Eine ungeheure
Menge drängte sich wartend um meinen Beichtstuhl unter
der Kanzel. Nachdem ich mich ein wenig umgeschaut hatte,
wie ich es schaffen könnte, die Beichte aller zu hören,
setzte ich mich in den Beichtstuhl. Bald fürchtete ich
aber, eingeschlafen zu sein und zu träumen. Um mich zu
versichern, daß ich nicht schlief, klatschte ich in die
Hände und vernahm das Geräusch davon. Um mich noch
mehr davon zu, vergewissern, streckte ich den Arm aus
und faßte die Wand an, die sich hinter meinem kleinen
Beichtstuhl befindet. So war ich sicher, wach zu sein
und sagte: “Ich bin da, also beichten wir”, und ich
fing an Beichte zu hören. Gleich darauf aber, als ich
so viele Jungen sah, erhob ich mich wieder, um
auszuschauen, ob noch andere Beichtväter da seien, die
mir helfen könnten. Aber ich sah keinen. Da wollte ich
zur Sakristei gehen und irgendeinen Priester rufen, der
auch Beichte hören sollte. Siehe da, ich erblickte hier
und da Jungen, die einen Strick um den Hals hatten, der
ihnen die Kehle zuschnürte. “Warum dieser Strick?”
fragte ich. “Nehmt ihn euch fort!” Sie antworteten
mir nicht und sahen mich unentwegt an.
“Nun”,
sagte ich einem, “geh, nimm das Seil fort!” Der
angesprochene Junge ging, antwortete mir aber: “Ích
kann es nicht fortnehmen, hinter mir ist jemand, der es
festhält. Kommen Sie und sehen Sie zu.” Ich richtete
meinen Blick mit größter Aufmerksamkeit auf die Jungen
und mir schien, als sähe ich hinter den Schultern
vieler zwei sehr lange Hörner hervorragen. Ich trat ein
wenig näher hinzu, um besser sehen zu können. Als ich
um den mir Zunächststehenden herumging, sah ich hinter
ihm eine häßliche Bestie mit einer schrecklichen
Schnauze. Sie sah aus wie eine große Katze mit langen Hörnern,
und diese zog die Schlinge zu. Das Scheusal senkte seine
häßliche Fratze und verdeckte sie mit seinen Pfoten
und duckte sich, um nicht gesehen zu werden.
Ich
fragte diesen und andere Jungen nach ihren Namen, aber
sie antworteten mir nicht. Da fragte ich das häßliche
Tier. Es versteckte sich aber nur noch mehr. Dann befahl
ich einem Jungen: “Auf, geh in die Sakristei und sage
Don Merlone, dem Direktor der Sakristei, er möge dir
das Eimerchen mit Weihwasser geben.” Und bald kehrte
der Junge mit dem Eimerdien zurück. Unterdessen
entdeckte ich, daß jeder Junge hinter seinen Schultern
einen ebenso unangenehmen Diener hatte, wie Richtungen
davon. Von dem Getöse erwachte ich und fand mich im
Bett. —
Oh,
liebe Jungen, ich hätte nie geglaubt, daß so viele von
euch die Schlinge um den Hals und die Katze hinter sich
hätten. Sehen wir uns daher diese drei Schlingen und
ihre Bedeutung einmal an.
Die
erste Schlinge fesselt die Jungen, daß sie in der
Beichte etwas verschweigen. Diese Schlinge schließt den
Mund so, daß man aus Scham nicht alles beichtet. Zum
Beispiel, anstatt zu beichten, daß man gewisse Sünden
viermal begangen hat, sagt man drei‑ oder viermal,
während es genau viermal war. Einem solchen fehlt es
ebenso an Aufrichtigkeit wie dem, der etwas verschweigt.
Die
zweite Schlinge ist das Fehlen der Reue und die dritte
das Fehlen des Vorsatzes. Wenn wir daher diese Schlingen
zerreißen und sie dem Teufel aus der Hand nehmen
wollen, so laßt uns alle Sünden beichten. Sorgen wir für
eine echte Reue und fassen wir einen festen Vorsatz, dem
Beichtvater zu gehorchen. Ehe das Ungetüm so wütend
wurde, sagte es mir noch: “Sieh den Nutzen an, den die
Jungen aus ihren Beichten schöpfen. Die Frucht der
Beichten muß die Besserung sein. Wenn du erkennen
willst, ob ich die Jungen in der Schlinge habe, achte
darauf, ob sie sich bessern.”
Ich
muß auch noch bemerken, daß ich mir vom Dämon sagen
ließ, warum er hinter dem Rücken der Jungen stünde,
und er antwortete: “Damit sie mich nicht sehen und ich
sie leichter herunter in mein Reich ziehen kann.” Ich
sah, daß es viele waren, die diese Scheusale im Rücken
hatten; mehr als ich glaubte.
Legt
diesem Traum soviel an Bedeutung bei, wie ihr wollt.
Aber die Tatsache bleibt bestehen. Ich wollte genau
sehen, ob es wahr sei, was ich träumte und fand, daß
sich die Sache wirklich so verhält. Nehmen wir indes
die Gelegenheit wahr, die sich uns in diesen Tagen
bietet, einen vollkommenen Ablaß zu gewinnen durch eine
gute Beichte und heilige Kommunion. Tun wir das mögliche,
um uns aus diesen Schlingen des Teufels zu befreien. Der
Heilige Vater gewährt all jenen einen vollkommenen Ablaß,
die am Tage seines 50jährigen Priesterjubiläums, das
ist am nächsten Sonntag, dem 11. April, beichten,
kommunizieren und in der Meinung der heiligen Kirche
beten.”
In
einer seiner Aussagen beschreibt er eine tragische
Situation in Rom
Vom heiligen
Giovanni Bosco wird berichtet, daß er schon in der
Kindheit die Gabe des zweiten Gesichts hatte. In
einer seiner Aussagen beschreibt er eine tragische
Situation in Rom: »Die Pferde der Kosaken werden aus
den Brunnen Sankt Peters trinken.«
Eine
Prophezeiung aus dem Jahre 1874, die sich auf eine
Papstflucht bezieht, sagt folgendes aus:
Es war eine
finstere Nacht, die Menschen konnten nicht mehr
erkennen, welchen Weg sie einschlagen sollten, um zurückzukehren,
als am Himmel plötzlich ein strahlendes Licht erschien,
das die Schritte der Wanderer erhellte, als wäre es
Mittag. In diesem Augenblick war eine große Menge von Männern,
Frauen, Alten, Kindern, Mönchen, Nonnen und Priestern
zu sehen, die mit dem Papst an der Spitze den Vatikan
verließen und sich dabei zu einer Prozession
aufstellten.
Aber da kam plötzlich
ein wütendes Gewitter; das Licht verdunkelte sich
zusehens und es schien sich ein Kampf zwischen Licht und
Finsternis zu entfachen. Inzwischen waren sie auf einen
kleinen Platz angelangt, der mit Toten und Verwundeten
bedeckt war, von denen viele mit lauter Stimme um Hilfe
flehten. Die Reihen der Prozession lichtete sich immer
mehr. Nachdem sie über einen Raum dahingegangen waren,
der zwanzig Erhebungen der Sonne entspricht, eilte jeder
herbei, der nicht mehr in Rom war. Fassungslosigkeit bemächtigte
sich ihrer und alle scharten sich um den Papst, um seine
Person zu schützen und ihm beizustehen.
Von dem Augenblick
an waren zwei Engel zu sehen, die eine Standarte trugen
und sie dem Papst mit folgenden Worten überreichten: »Empfange
das Banner derjenigen, die gegen die stärksten Völker
der Erde kämpft und sie zerstreut. Deine Feinde sind
verschwunden, deine Kinder beschwören mit Tränen und
Seufzern deine Rückkehr.« Wenn man den Blick zum
Banner erhob, sah man auf der einen Seite geschrieben:
»Regina sine labe concepta« (Königin, ohne Makel der
Erbsünde empfangen), und auf der anderen: »Auxilium
christianorum« (Helferin der Christen). Der Papst
ergriff freudig das Banner, aber als er die geringe Zahl
derer sah, die bei ihm geblieben waren, wurde er betrübt.
Die beiden Engel fügten
hinzu: »Geh schnell und tröste deine Kinder. Schreibe
deinen Brüdern, die in alle Teile der Welt verstreut
sind, daß eine Reform in den Sitten der Menschen
notwendig ist. Und die kann man nur verwirklichen, wenn
man den Völkern das Brot des göttlichen Wortes bricht.
Unterrichtet die Kinder im Glauben, predigt Entsagung
von den irdischen Dingen. Die Zeit ist gekommen, in der
die Völker den Völkern das Evangelium bringen. Die
Leviten sind bei Hacke, Spaten und Hammer zu suchen,
damit sich die Worte Davids erfüllen: Gott hat das Volk
vom Erdboden erhoben, um es auf den Thron der Fürsten
seines Volkes zu setzen.«
Nachdem der Papst
das gehört hatte, setzte er sich in Bewegung, und die
Reihen der Prozession begannen dichter zu werden. Als er
dann die heilige Stadt betrat, weinte er, als er die
Verzweiflung der Bürger sah, von denen viele nicht mehr
lebten. Als er schließlich den Petersdom betrat,
stimmte er das »Te Deum« an, dem ein Engelschor
antwortete: »Gloria in Excelsis deo...« (Ehre sei Gott
in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die
guten Willens sind). Nachdem der Gesang verklungen war,
verschwand die Dunkelheit, und es zeigte sich eine
strahlende Sonne. In den Städten, Dörfern, und auf dem
Land gab es nur noch ganz wenig Leute; die Erde war
zertreten wie von einem Orkan, einer Wasserflut oder
einem Hagelschlag, und die Leute gingen bewegt
aufeinander zu und sagten: »Est Deus in Israel« (Es
gibt einen Gott...). Vom Anfang des Exils bis zum Gesang
des »Te Deum« war die Sonne 200 mal aufgegangen. Die
ganze Zeit, die verging, bis sich all das vollzogen
hatte, belief sich auf 400 Sonnenaufgänge.
Sehrwahrscheinlich ist dieser Film von der Exhumierung im März
2008
Spielfilm: Don
Bosco
Der halbdokumentarische Spielfilm
schildert Kindheit und Jugendzeit von Giovanni Bosco
(1815-1888), der später zum Gründer eines
weltumspannenden sozialen Jugendwerkes und der
Kongregation der Salesianer Don Boscos (SDB) wird.