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1
Die Geburt der Maria Protoevang. des Jakobus
Die Hl. Anna gilt als Mutter
Marias und Grossmutter Jesu.
Schon im 2. Jh. ist Jerusalem als
Geburtsort Mariens
bezeugt. Im 5. Jh. erwähnen
Pilgerberichte die Kirche,
,wo Maria geboren ist', sie, die
von GOTT seit Ewigkeit als
Tabernakel für
seinen Sohn gedacht war. Die Hl. Hildegard v.
Bingen sah in einer Vision auf einem Thron im
Himmel eine
erhabene, hell leuchtende Gestalt: den
allherrlichen Gott.
«Doch in seiner Brust trug
der Leuchtende eine dunkle Masse,
es war wie nasser,
schwarzer Lehm in
der Grösse des menschlichen Herzens.
Und dieser Lehm war rings umstrahlt von Edelsteinen und Perlen.« Von dem Leuchtenden auf dem Himmelsthron
ging ein Glanz aus, der das ganze All umkreiste.
Dann wurde ihr erklärt, der Lichtkreis
sei ein Sinnbild für
den Plan der
Menschwerdung, der von Ewigkeit her im Schoss
des Vaters ruhte.
Das Herz aus
Lehm war das
Sinnbild für die heiligste Menschheit
Christi,
deren Leib
wie der
aller
Menschen
aus der Erde genommen ist. |
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1: St. Anna ist die schönste Kreuzfahrerkirche
im HI. Land: 1142 von Königin Alda, Witwe
Balduins I., zu Ehren Marias erbaut —wo 614
Perser die byzant. Kirche von Eudocia zerstört
hatten. Im Innern führen Stufen zur Krypta, zum
Geburtsort Mariens. Nach dem Sieg über die
Kreuzfahrer (1187) wandelte Saladin die Kirche
in eine Moschee- um. Erst nach dem Krimkrieg
erhielten die Christen ihr Heiligtum zurück
(1856). Für seine Hilfe erhielt Napoleon III.
von den Türken das Gelände Bethesda-Teich/St.
Anna. 1878 erwarben die Weissen Väter das
Gelände. |
Dass
dieses Gebilde aus Erdenlehm im Herzraum des
Vaters ruhte, war der Hinweis auf die Gottheit
Christi, die sich in der Menschwerdung mit seiner Menschheit
unzertrennlich verbunden hat. Die
Menschwerdung ist es also, die den aus Lehm
gebildeten Menschen hinaufhebt zu den lichten
Höhen GOTTES,
ja in das innerste Geheimnis der Gottheit.
GOTTES Sohn wollte Mensch werden,
damit der Mensch «der göttlichen Natur teilhaftig« werde»
(2 Petr 1,4). |
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2. Der
Engel brachte Maria die frohe Botschaft, und
empfing vom Hl.
Geist.
(Fra Angelico)
3.
Verkündigungsgrotte (Krypta in der Basilika
von
Nazareth) |
2+3 Die Verkündigung
Lk
1,26-38
Als die Zeit nahte, welche
die Vorsehung zur Menschwerdung des göttlichen
Wortes bestimmt
hatte, vermählte sich Maria aus höherer
Eingebung mit dem gottesfürchtigen Joseph. Bevor
diese Ehe auf Erden geschlossen wurde, ward sie
bereits im Himmel angeordnet, um das Vorbild
vollkommener Ehen zu sein. In dem Augenblicke,
als die hl. Jungfrau ihre Einwilligung zur
Menschwerdung des Gottessohnes gegeben hatte,
bildete der Hl. Geist aus den reinsten Tropfen
ihres Herzblutes einen menschlichen Leib,
erschuf aus Nichts eine Seele und vereinigte
beide
mit der anbetungswürdigen Person
des ewigen WORTES. In diesem Augenblicke ward
GOTT Mensch,
ein Mensch wurde GOTT, und da GOTT im Schoss
einer Jungfrau die menschliche Natur
angenommen
hatte, ward dem durch die Sünde Adams verlorenen
Menschengeschlecht ein
Erlöser
gegeben. Welch frohes Geheimnis! Mit welch
bewunderungswerten Eigenschaften
begabte der
ewige Vater die Seele seines Sohnes! Der
Vorläufer Johannes versichert, dass ihm
GOTT seinen Geist in unbegrenzter Fülle gegeben
und dass er alle Dinge in seine Hände gelegt
hat
(Joh 3,34). Folgende Gnaden
erfüllten die Seele des menschgewordenen Wortes:
1
eine
Reinheit des Herzens, von der selbst der
Schatten der Sünde gänzlich entfernt war;
2
eine durch
die Fülle aller Tugend bis zur höchsten Stufe
gesteigerte Heiligkeit;
3 ein vollkommener Besitz
GOTTES und seiner eigenen Glückseligkeit;
4
eine Fülle der Weisheit und Wissenschaft;
5
eine unbeschränkte Macht,
Wunder zu wirken;
6
eine unbeschränkte Gewalt, die Sünden
nachzulassen, die Sakramente einzusetzen und
die Religion auf der ganzen Erde zu verbreiten;
7 eine Gnade,
die ihn über alle Menschen und Engel unendlich
erhob.— In der Krypta der Verkündigungsbasilika
in Nazareth
(1969 eingeweiht) trägt der am
Ort der Verkündigung stehende Altar die
latein. Inschrift: «Hier ist das Wort Fleisch geworden» (die
Säule rechts steht,
wo
Maria der Engel Gabriel
erschien; die Ausgrabungen legten Teile des
alten Nazareth frei, dabei wurde das älteste AVE
MARIA entdeckt, in griech.). |
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4. Heimsuchungs-Kirche in
Ain Karim. (Fresco: Begegnung Elisabeth -
Maria. Unten: Altar und der alte
Brunnen. |
4 Die Heimsuchung
Lk 1,39-56
«Ein Mann trat
auf, von GOTT gesandt. Sein Name war Johannes.
Der kam, Zeugnis zu geben,
Zeugnis für das Licht. Alle
sollten durch ihn zum Glauben kommen. Er war
nicht das Licht, nur
Zeugnis geben sollte er für das
Licht...»
(Joh 1,6-8). Das malerische Dorf
in den Hügeln (1961 vom 7km entfernten
Jerusalem eingemeindet) ist trotz
seiner unbedeutenden Grösse sehr wichtig im
Hinblick
auf die Evangelien. Es wird mit
Ein HaKarem (=Quelle
im Weinberg)
identifiziert, das schon im Alten
Testament vorkommt und bis 1948 von Arabern
bewohnt war. Nach deren Vertreibung siedelten
sich
israelische Einwanderer an. Hier spielten sich
zwei Episoden ab, von denen in den
Evangelien die Rede ist:
1 der Besuch Marias
bei ihrer Cousine Elisabeth. «Sobald
Elisabeth den
Gruss Marias vernahm, frohlockte
das Kind in ihrem Schosse, und Elisabeth wurde
vom Hl. Geiste erfüllt. Sie rief mit lauter
Stimme: ,Du bist gebenedeit unter den Frauen,
und gebenedeit ist die Frucht deines
Leibes!'... Da sprach Maria:
,Hoch preist meine Seele den Herrn, und mein
Geist frohlockt in GOTT, meinem
Heiland'» (Lk 1,41f)].
2
Die Geburt Johannes des Täufers «Für
Elisabeth erfüllten sich ihre Tage, und sie
gebar einen Sohn... Doch seine Mutter
entgegnete: ,Nein, Johannes soll es heissen» (Lk
1,57f).—
Die Kirche des Hl. Johannes des
Täufers in Ain Karim. Die erste Kirche wurde
im 5. Jh. dort
erbaut, wo sich das Haus von Zacharias und
Elisabeth befunden hatte. |
II. Jesus wird geboren
Im Hintergrund: Die
Geburtsbasilika von Bethlehem
Geburtsgrotte: Altar
der Geburt (darunter Silberstern, links)
Futterkrippe (unter 3-Königsaltar, rechts)
Hier wurde Jesus
Christus von der Jungfrau Maria geboren. (Bild
von Duccio)
Ein Hirte wacht über
seine Schafe auf dem Feld der Hirten in
Bethlehem. |
5+6 Die
Geburt des Welterlösers in Bethlehem
Lk
2,1-7
Der Ort,
wo
DAS WORT
Mensch wurde, ist zugleich das Schicksal des
altjüdischen Volkes, das
eine Heilsgeschichte war, ausgerichtet auf die
Geburt des Gottessohnes. Wir sagen richtig, dass
Bethlehem der Geburtsort
Christi sei. Aber ER wurde nicht in Bethlehem
geboren, weil dieses
Städtchen so
hübsch auf einem Hügel liegt, sondern weil es
die Stadt Davids war, aus dessen
Geschlecht der Erlöser kommen sollte. Auch in
Nazareth wäre Christus als Spross aus dem
Geschlechte
Davids zur Welt gekommen. Aber das genügte
nicht; es musste auch der
Mutterboden
sein, in dem dieser königliche Stammbaum
verwurzelt war, damit umso
deutlicher
werde, wieviel erdgebundene Vorgeschichte in
dieser Menschwerdung nun verkörpert wurde. Deswegen wurde Joseph mit Maria aus Nazareth weggeschickt, als
ihre Zeit
gekommen war;
sie sind nicht bloss nach Bethlehem, sie sind in
die Geschichte des Volkes Israel
zurückgegangen, um das Gotteskind hineinzulegen
in den Segen der Stammväter, in den
Hunger und die
Verheissungen der Propheten. Das Land, in dem
Jesus Schritte machte, war
also nicht bloss Boden unter den Füssen, den auch ein Gottessohn
braucht, wenn er Mensch werden will. Es war
Abrahams gelobtes, vorgeheiligtes Land, das GOTT
eineinhalb
Jahrtausende als
den kostbarsten Acker hütete, weil in ihm das
Brot für den Hunger aller Völker, die
Menschwerdung, schon eingesät war. Die ganze
Geschichte des Alten Testamentes war bloss
ein Keimen, Blühen und
Ausreifen dieser Ernte, die zuletzt aus allen
Tälern des Hl. Landes, aber
auch aus
Ägypten und vom Euphrat nach Bethlehem
eingebracht wurde. Bethlehem ist ein
hebräischer
Name und heisst auf
deutsch
Haus des Brotes,
Brotspeicher. Der Herr führte
Abraham hinaus in die Nacht und sagt ihm: Schau
über dir den gestirnten Himmel und zähle
die Sterne, wenn du kannst. So zahlreich werden
deine Nachkommen sein... Nachkommenschaft
wie Sterngeriesel, das war der Segen GOTTES für
die Fruchtbarkeit der Stämme Israels. Aber
weil in diesem
Sternenhimmel Abrahams ein besonderer Stern war,
der Stern von Bethlehem,
deswegen
fügte GOTT dem Segen für Abrahams engere
Nachkommenschaft noch diesen andern
grösseren Segen hinzu: «und in dir sollen
alle Geschlechter der Erde gesegnet sein»
(Gen 1 2,3).
7 Geboren von der
Jungfrau Maria
Lk 2,6
Menschlicher
Verstand kann sich die Lichtjahr-Distanz nicht
vorstellen. Woher soll er das Mass
nehmen, um
sich auszumalen, dass GOTT hier Mensch geworden
ist! Hier hat der Allmächtige
Raum und Zeit
zusammengeführt, um unter uns zu wohnen. In
der Stille dieser Felsgrotte versagen Worte,
und nur staunendes Schweigen ist angebracht. Das
Herz flackert wie die
Öllampen über
dem 1 4strahligen Silberstern, der den
Geburtsort unseres Erlösers kennzeichnet.
Rund um ihn verläuft die Inschrift wie ein
Evangelium: Hic de Virgine Maria Jesus
Christus
natus est — Hier wurde Jesus Christus von der
Jungfrau Maria geboren.
Nirgendwo spürt man die Grösse dieses Geschenkes besser als hier,
wo der Heiland sich als Kind in eine Krippe
legen liess. Mütter und Kinder bringen am meisten Wärme in die Schöpfung.
Deshalb hat der himmlische Vater seinen
Sohn nicht als Sonne an den Himmel heften,
sondern als kleines Kind
einer Mutter
zuerst in den Schoss, dann in die Arme legen
wollen. Knien wir nieder und seien
wir still, so
wie Maria und Joseph in dieser Grotte vor IHM
gekniet sind. Emanuel —Gott-mit-uns sei sein
Name, sagten die Propheten. Nie war der liebe
GOTT uns näher als in dieser Nacht, als
ER als Kindlein kam und für seine Hilflosigkeit
die Liebe einer Mutter brauchte. Später wird der
Heiland Brot
und Wein segnen; hier in der Grotte hat er die
Liebe der Mütter gesegnet, in die
ein Mensch
hineingeboren wird.
8 Die
Botschaft der Engel an die Hirten
Lk 2,8-20
Die erste Botschaft ergeht
an Hirten. Israel ist ein Hirtenvolk, und Jesus
selbst ist der Hirt der
neuen Menschheit. Die Grossen verstehen diese
wahre Grösse nicht. Die Reichen laufen
falschem Reichtum nach und die Wissenden haben
für die Weisheit des Herrn nicht das rechte
Verständnis. So sind die Erstgerufenen die
kleinen, armen, unwissenden Hirten auf dem Feld.
Der Inhalt der Botschaft ist Frohbotschaft. In
drei Worte ist sie zusammengefasst: Retter,
Gesalbter, Herr.
Retter ist
er, weil er die
Menschen, die sich selbst nicht helfen können,
aus ihrer Not
befreit. Gesalbter ist er, weil seine
Menschennatur durch das Salböl der Gottheit zum
Priester, Prophet und König geweiht ist. Und
Herr ist er, weil ihm alle Macht gegeben ist
im Himmel und auf Erden.— Wie seltsam ist
das Zeichen: «Ihr werdet ein Kind finden, das in
einer Krippe
liegt.» Das Kleine wird zum Zeichen des Grossen,
das Schwache zum Zeichen der Macht, das Ärmliche
zum Zeichen des Reichtums. Man muss schon bei
der Geburt Jesu
umlernen und
umdenken. Über göttliche Dinge müssen wir in
anderen Kategorien denken und
daran andere
Massstäbe anlegen.— Die Botschaft wird durch den
Gesang der Engel zum Abschluss gebracht. Diese
Botschaft enthält in zwei Gliedern je drei
Parallel-Elemente. Im
ersten Glied
ist die Rede von der Höhe, von der Ehre und von
GOTT; im zweiten von der Erde,
vom Frieden
und von den Menschen. GoTT in der Höhe wird nun
wieder die Ehre und
Verherrlichung zuteil. Denn nun wird GOTTES
verborgene Herrlichkeit durch Jesus sichtbar
gemacht. Und er, dessen Tun den Charakter des
Unendlichen hat, kann nun GOTT jene Ehre
geben, die kein
Mensch zu geben imstande ist. |
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III.
Jesus muss fliehen und kehrt zurück
Flucht nach Ägypten
(Fra Angelico)
Nazareth mit der
Verkündigungsbasilika |
9 Huldigung der drei Weisen aus dem Orient
Mt 2.1-12
Die Geburt des Messias scheidet sofort die
Geister: Die Heiden kommen zur Huldigung, die
Schergen des Königs von Israel zum Mord. Die 3
Weisen aus dem Orient (Sterndeuter) sehen ein
Gestirn, das sie nicht deuten können. Sie
erinnern sich der im Orient verbreiteten
Prophezeiung Bileams (Num 24 Gen 49,10).
Sie erkennen, dass der verheissene König der
Juden, also der Messias, geboren sein müsse. So
wirken Vernunft und Offenbarung, eigene
Forschung und Wort GOTTES zusammen als
Wegleitung zu Christus. Das zeitweilige
Verschwinden des Sternes bewirkt ein Doppeltes:
Einmal die Anfrage der 3 Weisen bei den Behörden
Jerusalems. So werden König, Priester und Volk
auf das Ereignis aufmerksam und vor die
Entscheidung gestellt. Dann der Hinweis der
Schriftgelehrten auf die Prophezeiung des Micha
(Micha 5,1), wonach der Messias zu Bethlehem
geboren werde. Sogar die Feinde des Messias sind
jenen behilflich, die ihn ehrlich suchen. Sie
finden das Kind mit der Mutter und huldigen ihm.
In ihren Geschenken liegt eine tiefe Symbolik:
das Gold gilt dem König, der Weihrauch seinem
göttlichen Wesen und die Myrrhe seiner
Menschlichkeit.
10 Die Flucht
nach Ägypten
Mt 2,13-15
Durch GOTTES Hilfe entrinnen die 3 Weisen dem
Feind Herodes, dem sie ahnungslos vertraut
haben. Sie kehren auf einem andern Weg in die
Heimat zurück. Ihr Kommen zum neugeborenen
Messias sprengt den Rahmen Israels und deutet
an, dass Christus der Messias der ganzen
Menschheit sein wird, der Gründer der Weltkirche
und der Weltmission.— Der Angriff des Herodes
erfolgt mit List und Gewalt. Der Despot schreckt
nicht vor dem Mord an unschuldigen Kindern
zurück (Mt 2,16-18), womit sich erneut ein
Prophetenwort erfüllt (Jer 31,15). Die ersten
Martyrer lassen ihr Blut im Kampf der Cäsaren
gegen Christus. Doch die Abwehr aller Angriffe
erfolgt durch GOTTES Eingreifen. Joseph flieht
mit dem Kind und der Mutter nach Ägypten. Von
diesem Aufenthalt wissen wir nichts. In einer
Krypta der Altstadt von Kairo, mitten im
Koptenviertel, wird seit ältester Zeit ein Ort
verehrt, an dem die Hl. Familie gerastet haben
und in Matarieh, 10 km von Kairo, steht eine
Sykomore, unter der Maria mit Vorliebe gesessen
sein soll. Das apokryphe Kindheitsevangelium
erzählt zwei Fabeln. In der einen möchte die
Jungfrau Maria einige Früchte einer Palme essen;
da sie unerreichbar sind, befiehlt das Jesuskind
dem Baum, sich zu neigen. Zur Belohnung
verheisst er, dass ein Engel einen seiner Zweige
im Paradies einpflanzen wird, damit fortan die
Palmen den Seligen zum Lobe GOTTES dienen. In
der anderen Geschichte geben zwei Strassenräuber
Joseph und Maria zu essen; der eine ist später
der gute Schächer, dem Jesus am Kreuze das
Paradies verspricht.
11 Die
Rückkehr nach Nazareth
Mt 2,19-23
+ Lk 2,29-40
Auf GOTTES Geheiss kehrt Joseph mit seiner
Familie erst nach dem Tod des ersten
Christenverfolgers zurück, aber nicht nach
Bethlehem, sondern nach Nazareth in Galiläa.
Jesus muss damals 8 bis 18 Monate alt gewesen
sein. «Aus Ägypten habe ich meinen Sohn
berufen». Darin sieht Matthäus die Erfüllung
jenes Prophetenwortes, wonach Israel durch GOTT
aus Ägypten ins Gelobte Land gerufen wird (Osea
11,1).
Aus der Jugend Jesu erzählt die Bibel drei
Ereignisse:
1
Die Beschneidung und wie Jesu den Namen erhält,
den der Engel gefordert hat.
2
Die Darstellung im Tempel und der 12jährige
Jesus im Tempel. «Das Kind wuchs heran,
erstarkte, war mit Weisheit erfüllt, und das
Wohlgefallen GOTTES ruhte auf ihm.»
12 Die
verborgenen Jahre in Nazareth
Lk 2,51-52
Warum hat Jesus, der die gewaltigste Aufgabe vor
sich hatte, die je einem Menschen gestellt war,
30 Jahre in dieser Abgeschiedenheit verbracht?
Das Evangelium nennt keine Gründe. Sicher ist
die Verborgenheit als solche ein Grund. Sie
zeigt uns, dass vor GOTT ein anderer Massstab
gilt als vor den Menschen. Menschlich gesehen
scheint das äussere Wirken entscheidend, vor
Gott dagegen die innere Gesinnung. Gewöhnliches
mit aussergewöhnlicher Liebe getan, ist vor Gott
gross. Wer den Wert der Verborgenheit und der
Stille nicht kennt, wird vor dem verborgenen,
stillen Gott nicht bestehen. Dazu kommt als
zweites die Wichtigkeit der Vorbereitung.
Ein Gesetzeslehrer soll nicht vor das Volk
hintreten, bevor er das 30. Lebensjahr erreicht
hat. Nur der reife Mensch gilt als bereit zur
Verkündigung des göttlichen Gesetzes. Darum soll
auch der Priester, der GOTTES Wort verkünden und
GOTTES Gnade spenden soll, sich Zeit lassen zur
Vorbereitung des Geistes und des Herzens. Die
Menschen, die zum Priester kommen, suchen den
Mann GOTTES, der durch Studium und Gebet das
Wort Gottes aufgenommen und durchdacht hat und
sich ehrlich bemüht, danach zu leben. Der Mann
Gottes wächst vor allem in der verborgenen
Stille heran. Der Priester braucht diese stillen
Jahre des Studiums und der Meditation. Nur wenn
er sein Nazareth gehabt hat, wird er auch in
dem, was des Vaters ist, richtig leben und
wirken können. Ein drittes: Nazareth ist die
Heiligung des Familienlebens. Denn dort
leben Vater, Mutter und Kind als eine
Gemeinschaft in Arbeit und Gebet, in Freude und
in Sorge zusammen. 30 Jahre hat Christus in der
kleinen, aber Hl. Familie gelebt, um der Welt
die Wichtigkeit des Familienlebens und seiner
Heiligung unter Beweis zu stellen. |
IV.
Johannes der Wegbereiter
Johanneskirche in Ain Karim,
wo der Priester
Zacharias mit seiner Frau Elisabeth lebte.
Taufstelle am Jordan.
Ich taufe euch mit Wasser,
der nach mir kommt,
ist stärker als ich...und wird euch mit dem Hl.
Geist und
Feuer taufen.
Enthauptung des Johannes
(Augsburg,
um 1500)
|
13 Die Geburt Johannes des Täufers
Lk 1,57-80
Jahrhunderte hindurch ist kein Prophetenwort
mehr an Israel ergangen, und man hätte meinen
können, GOTT habe sein Volk vergessen. Aber
GOTTES Wort war durch GOTTES Eid bekräftigt.
Darum war die Erfüllung gesichert. Die
Treulosigkeit Israels wird durch die Treue
Jahwes überwunden. Sein heiliger Bund bewährt
sich. Die Verheißung an den unfruchtbaren
Abraham wird nun in der Fruchtbarkeit seines
Volkes erfüllt. Das Volk GOTTES wird Gott in
Freiheit dienen können. All das ist Ursache zum
Lobpreis GOTTES. Der religiöse Mensch soll nicht
auf sich schauen, um über die eigene
Armseligkeit zu jammern. Er soll auch nicht
bloss auf seine Zeit und seine Umgebung blicken,
um über schlechte Zeiten und schlechte Sitten zu
lamentieren, sondern er soll zu Gort aufschauen,
der die Verheissung gegeben hat und sie in Treue
hält. Dann wird er trotz allem zum frohen
Sänger, der immer wieder den Herrn preisen kann.
Etwa 6 Monate vor Jesu Geburt löst sich in Ain
Karim das Stummsein des Zacharias nach der
Geburt seines Sohnes Johannes auf in das
Benediktus-Lied, das GOTTES Grösse preist.
Dieser wird wohl in der Synagoge unterrichtet,
bevor er eines Tages als prophetischer Eremit in
die Wüste zieht.
14 Der
Wegbereiter
Mt 3,1-12
+ Mk 1,1-6 + Lk 3,1-18
Johannes ist Wegbereiter. «Prophet des Höchsten»
wird er sein. Die grosse Reihe dieser
geisterfüllten Gottesmänner, dieser seltsamen
Gestalten aus einer andern Welt, dieser
furchtlosen Verkünder göttlichen Willens findet
in Johannes dem Täufer ihren Abschluss. Er ist
der ausgestreckte Finger der prophetischen Hand
mit dem Hinweis auf den Messias. «Du wirst vor
dem Angesicht des Herrn einherschreiten», wie es
einer dieser Propheten vorausgesagt hat (Malachias).
Aber Johannes ist mehr als die Propheten. Sie
schauten aus der Ferne, er dagegen bereitet dem
bereits gekommenen Herrn aus nächster Nähe den
Weg, indem er die Bussgesinnung weckt: «Tut
Busse, denn das Himmelreich ist nahe
herangekommen». All das geschieht durch das
Erbarmen des Herzens GOTTES. Hier steht zum
erstenmal im Neuen Testament dieses Wort vom
erbarmenden Herzen.
«Zweimal zog Johannes drei Monate vor der Taufe
durch das Land, den ankündigend, der nach ihm
kommen sollte. Sein Wandeln geschah mit
ungemeiner Gewalt und mit einem strengen
Fortschreiten. Es war kein ruhiges Wandeln, wie
das des Heilandes. Wo er nichts zu tun hatte,
sah ich ihn wohl laufen von Feld zu Feld. Er
ging in die Häuser, in die Schulen zu lehren und
versammelte das Volk auch auf Plätzen und
Strassen um sich. Ich sah, dass Priester und
Obrigkeiten ihn hie und da anhielten und zur
Rede stellten, aber mit Staunen und Verwunderung
wieder freiliessen. Der Ausdruck: dem Herrn die
Wege bereiten, war nicht bloss figürlich; denn
ich sah Johannes sein Amt mit Wegbereitung
beginnen und alle die Orte und Wege durchziehen,
welche nachher Jesus und die Jünger gewandelt
sind. Johannes hat den Heiland nur dreimal von
Angesicht gesehen. Das erste Mal in der Wüste,
als die Hl. Familie auf ihrer ägyptischen Flucht
in seiner Nähe vorüberzog und Johannes vom
Geiste geführt heraneilte, seinen Meister zu
grüssen, den er schon im Mutterleibe gegrüsst
hatte... Das zweite Mal sah er Jesus bei der
Taufe, das dritte Mal, als er ihn am Jordan
vorübergehen sah und Zeugnis von ihm gab»
(A.-K. Emmerich).
15 Die
Taufe Jesu durch Johannes
Mt 3,13-17 + Mk
1,9-11 + Lk 3,21-22 + Joh 1,29f
Wahrscheinlich
taufte Johannes in der Höhe von Gilgal am
Jordan, dort wo Israel einst unter Josua den
Fluss dank dem Eingreifen GOTTES trockenen
Fusses überschritt. Er ist die Stimme des
Predigers in der Wüste, die dem Herrn den Weg
bereiten soll (Jes 40,3). So ruft er das Volk
zur Sinnesänderung auf, zur Umkehr und
Heiligung. Er weiss, dass der durch die
Propheten geweissagte Erlöser jetzt erscheinen
wird. Jesus kommt von Galiläa herab und lässt
sich von Johannes inmitten der Menge taufen, «um
die Gerechtigkeit zu erfüllen» (Mt 3,15). Und
während er betet, sieht Johannes d. T. den Geist
GOTTES in Gestalt einer Taube auf den betenden
Jesus herabkommen und hört eine Stimme über
sich. Das ist für ihn das Zeichen. Überwältigt
verkündigt er: «Das ist das von GOTT erwählte
Lamm, das hinwegnimmt die Sünden der Welt!...
Ich bezeuge: Dieser ist GOTTES Sohn!» (Joh
1,29-34).
16 Der
Tod Johannes des Täufers
Mt 14,3-12 + Mk
6,17-29 + Lk 3,19-20
«Johannes aber schaute den Herrn immerdar im
Geiste, denn er war stets im prophetischen
Zustande. Er sah Jesus als die Erfüllung seiner
Sendung, als die Wirklichkeit seines
prophetischen Rufes. Jesus war ihm nicht ein
Zeitgenosse, nicht ein Mitlebender; er war ihm
der Erlöser der Welt, der menschgewordene
Gottessohn, der Ewige erscheinend in der Zeit,
und er konnte gar nicht denken, mit ihm umgehen
zu wollen» (A.-K.
Emmerich).—
Im Jordandickicht hausten Vipern. Mit ihnen
verglich der Bussprediger die Pharisäaer und
nannte sie Schlangenbrut. Hier schlossen sich
die ersten fünf Apostel dem Messias an (Joh
1,35f). Hier muss auch Jesus gestanden sein, als
Johannes aus dem Verlies von Machärus seine
Jünger zu ihm schickte mit der Frage: «Bist du
es, der da kommen soll, oder sollen wir einen
anderen erwarten?» (Lk 7,19). Hier zeichnet sich
im Wasserlauf des Jordan der Schicksalslauf des
Täufers. Denn am Toten Meer, wo der Jordan
mündet, hat auch der Jordanprediger Johannes
seinen Lauf vollendet. Die Hinrichtungsstätte in
der Herodes-Festung Machärus in den
Moabiterbergen —nach dem Tanz der Salome, der
Tochter Herodias—, liegt östlich des Toten
Meeres. Dort hielt der Ehebrecher Herodes
Antipas den lästigen Sittenprediger fest und
liess ihn enthaupten, weil er wagte zu sagen:
«Es ist dir nicht erlaubt, die Frau deines
Bruders zu haben» (Mk 6,18).
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V.
Jesus wirkt in Galiläa
Berg der
Versuchung bei Jericho, am Abhang ein
griech.-orth. Kloster.
Jesus
lehrte und heilte vor allem im Umkreis des Sees
von Genezareth.
Das Wirken
Jesu in Galiläa konzentrierte sich um Kapharnaum,
wo er seine Jünger versammelte, sie lehrte und
viele Menschen heilte.
Westufer des See Genezareth liegt nahe bei
Tabgha der Ort Dalmanutha, wo ein schlichtes
Kreuz den Ort von Mk 8,10 kennzeichnet. |
17 Satan versucht den Sohn GOTTES
Mt 4,1f +
Mk1,12f + Lk4,1f
Nach seiner Taufe
wird «Jesus vom Geist in die Wüste geführt; auf
dass er von dem Teufel versucht würde». Mit der
Wüste sind wohl die kahlen Hügel oberhalb
Jerichos gemeint. Nach christlicher
Überlieferung war es auf dem Jebel Quruntul (lat.
= Mons Quarantana = Berg der 40 Tg. (40
Tage Fasten Jesu nach seiner Taufe) —der Kuppe,
auf der sich einst die Festung Dok erhob, wo
Satan Jesus verführen will, aus Steinen Brot zu
machen und damit die Macht GOTTES zum
materiellen Vorteil zu missbrauchen. Dann
verspricht Satan die Reiche dieser Welt, wenn
Jesus ihn anbete. Aber Jesus widersteht, denn
jede Macht, die nicht GOTT dient, ist
missbrauchte Macht und dient Satan. Der Teufel
führt Jesus auch nach Jerusalem, »stellt ihn
oben auf den Tempel« und fordert ihn auf, sich
hinabzustürzen und Engel zu seiner Rettung
anzurufen. Aber Jesus gebietet dem Teufel zu
weichen und zeigt seine aus dem Gehorsam zum
Vater gewonnene Vollmacht, die nicht zur
Sensation durch Wunder missbraucht werden soll.
Dann kehrt ER nach Galiläa zurück und sagt: «Die
Zeit ist erfüllt, das Reich GOTTES ist nahe.
Kehrt um und glaubt an das Evangelium!»
18
Jesus lehrt und heilt am See Genezareth
Joh 1-17 + Mt
4-15 + Mk 1-9 + Lk 4-17
Danach verlegt er den Schwerpunkt seiner
Tätigkeit an die Ufer des Sees Genezareth. Hier
sammelt Jesus seine ersten Jünger. Zu Simon
Petrus und dessen Bruder Andreas —Fischern aus
Betsaida— sagt er, als sie am Ufer ihre Netze
auswerfen: «Kommt her, folgt mir nach! Ich werde
euch zu Menschenfischern machen» (Mk 1,17). An
welcher Stelle das geschah, wird nicht erwähnt.
Ein anderes Brüderpaar —Jakobus und Johannes
(die Söhne des Zebedäus)— beruft er, als sie
ihre Netze flicken. Aus Betsaida stammt auch
Philippus, aus Kana Simon und Natanael, den
Philippus zu Jesus bringt. Später beruft Jesus
noch andere, darunter den Zöllner Levi in
Kapharnaum (als Matthäus schreibt dieser später
das Mt-Evangelium). Durch Jesu Wort werden Lahme
gehend, Blinde sehend, Taube hörend, Aussätzige
rein, und Besessene werden frei. So dringt sein
Ruf in Kürze über die Grenzen Galiläas hinaus.
19
Jesus lehrt und heilt in Kapharnaum
Mt 4,13f + Mk
1,21f + Lk 4,31+42f
Kapharnaum liegt 45 km von Nazareth entfernt, wo
Jesus aufwuchs. Von Betsaida, wo er einem
Blinden das Augenlicht wiedergibt, bis zum
Gebiet von Gadara im Südosten des Sees, wo er
zwei Besessene heilt, sind es ungefähr 24 km.
Obwohl das Wirkungsfeld Jesu sehr klein ist,
vermittelt uns die Bibel nur einen allgemeinen
Eindruck von diesem Lebensabschnitt, denn die
Evangelien enthalten keine Zeitangaben, und die
vielen Ereignisse, Wunder und Worte Jesu werden
oft ohne nähere Ortsbestimmungen wiedergegeben.—
Das Fischerdorf Kapharnaum hat sich zu einer
bedeutenden Stadt entwickelt. Da der See
zwischen hier und Betsaida am fischreichsten
war, kommen auch viele Fischer aus anderen Orten
hierher. Kapharnaum wird so sehr zum Mittelpunkt
von Jesu Wirken in Galiläa, dass Markus sagt, er
sei hier «zu Hause» gewesen (Mk 2,1). Hier wohnt
auch Petrus mit seiner Familie, dessen
Schwiegermutter der Herr heilt. Jesus heilt den
Knecht des römischen Hauptmanns. Hier lebt auch
der Synagogenvorsteher Jairus, dessen Tochter
Jesus vom Tod auferweckt. Hier heilt er den Mann
mit der verdorrten Hand (Lk 6,6f). Jesu Ruf
breitet sich immer weiter aus. Es wird für ihn
schwierig, sich zum Beten zurückzuziehen, wie es
seine Gewohnheit war. Wie er einmal in einem
Haus in Kapharnaum predigt, bringen vier Männer
einen Gelähmten, damit er ihn heile. Da sie
wegen der Menschenmenge nicht zu Jesus
vordringen können, steigen sie auf das Dach,
decken einen Teil davon ab und lassen ihren
Freund auf der Tragbahre durch die Öffnung zu
ihm hinab. Ein anderes Mal, berichtet uns
Markus, ist «die ganze Stadt» vor der Tür des
Hauses versammelt, in dem Jesus sich aufhält (Mk
1,33).
20
Jesus warnt vor den Pharisäern
Mk 8,10f +
Mt 16,4f
Im 3. Jahr des Wirkens Jesu —nach dem 2.
Brotwunder— suchen die Pharisäer erneut den
Konflikt. Sie verlangen von ihm ein Zeichen vom
Himmel, und Jesus seufzt, weil sie bereits viele
Zeichen erhalten haben: «Ob diesem Geschlecht je
ein Zeichen gegeben wird?» (nach Matthäus wird
es das Zeichen des Jonas sein). Offensichtlich
werden Tod und Auferstehung Jesu ein Zeichen
sein. Das abweisende Wort des Herrn weist seine
Zuhörer darauf hin, dass das Himmelsbrot nur
empfangen kann, wer den Glauben hat. Solange die
Juden in ihrem Unglauben verharren, wird das
Brot vom Himmel als Sakrament der Heidenkirche
gegeben! Die beiden Brotwunder fordern eine
andere Weite des Geistes und des Glaubens, ein
grenzenloses Vertrauen auf den Herrn! Denn diese
Wunder wollten ja das Sakrament des Brotes
vorbereiten! Nur in diesem Brot erreicht die
Hingabe an den Herrn in vollem Glauben, in
ganzer Weite des Geistes und des Herzens, ihre
Vollendung. Der Herr belehrt die Jünger, dass
sie kein anderes suchen sollen. Sie brauchen
kein anderes mehr: In diesem einen Brote besitzt
die Kirche Christi ihre volle Selbständigkeit. |
VI.
Jesus predigt und lehrt
Lukas
berichtet, dass Jesus in vielen Synagogen
lehrte. Aus der Synagoge seiner Heimatstadt
Nazareth vertrieb man ihn.
Eine
Kirche über dem NW-Ufer. Gedenkstätte der
Bergpredigt. Unter der Kuppel stehen die Worte
der Seligpreisungen Jesu in lateinisch.
Das
Mosaik von Brot und Fisch bei Tabgha
|
21 Jesus predigt in Nazareth
Mt 13.53f
+ Mk 6,1f + Lk 4,16-30
Von Nazareth war Jesus einst allein gekommen.
Nun kommt ER feierlich mit seinen Jüngern und
tritt in seiner Vaterstadt in der Synagoge
öffentlich auf. Doch die ,Seinen' verwerfen die
Stunde der Gnade. Vorerst staunen sie, dass ER
lehrt, sie wundern sich, wie ER lehrt und sind
begeistert darüber, was ER lehrt, als ER den
Jesaja-Text auf sich anwendet und seine eigene
Sendung darlegt. Die anwesenden Gesetzeslehrer
lassen die Stimmung umschlagen bis zur
hasserfüllten Ablehnung. Das Volk hat erwartet,
was Jesus in der Wüste als Versuchung von sich
gewiesen hat. Die Jünger erleben, dass ein
Prophet in seiner Heimat wenig gilt. So werden
sie für ihre Aussendung vorbereitet: ein Prophet
kann nicht daheim bleiben! Symbolisch zeichnet
sich ab, dass sich das Reich von der Synagoge,
d. h. von der jüdischen Heimat weg zu den Heiden
draussen wenden wird.
22
Bergpredigt
Mt 5,1 f +
Lk 6,20f
Unweit von Kapharnaum hält Jesus vor viel Volk
seine berühmteste Rede an alle, die ihm
bedingungslos nachfolgen. Ihnen gelten die
Seligpreisungen. Es sind Verheissungen für
das kommende Reich GOTTES. «Ihr seid das Salz
der Erde!» ruft er ihnen zu. «Ihr seid
das Licht der Welt!» ER gibt eindeutige
Anweisungen. Durch alle Worte schimmert
geheimnisvoll die Gestalt Christi selbst. Der
Herr tut seine eigene Gesinnung kund. ER ist
durch sein Leben der lebendige Ausleger seiner
eigenen Worte. Christi Leben ist der Kommentar
zu Christi Lehre. Jesu Gestalt und
Persönlichkeit ist das lebendige Beispiel für
die Erfüllung der Bergpredigt. Die Gesinnung,
die der ganzen Bergpredigt zugrunde liegt, ist
das frohe, vertrauende Aufschauen zu GOTT als
dem Vater im Himmel. Wer hat das stärker und
lebendiger als Jesus? ER ist der Sohn GOTTES.
Der Vater ist sein eigentliches Geheimnis. Nur
von da aus sind sein Wesen und sein Werk
verständlich. Sein Geheimnis ist somit etwas,
das über ihm steht und doch zutiefst in ihm
lebt. ER weist über sich hinaus und bleibt doch
ER selbst. Denn ER und der Vater sind letztlich
eins. Wer durch die Bergpredigt stets die
Gestalt Christi hindurchleuchten sieht und im
Leben Jesu die Verwirklichung aller Forderungen
der Bergpredigt findet, der wird von Staunen
hingerissen wie das Volk. Denn ER spricht nicht
bloss wie einer, der Macht hat. Sondern ER lebt
wie einer, dessen Worte machtvoll sich auswirken
zuerst bei sich selbst und dadurch auch bei
andern. So zeichnet die Bergpredigt nicht nur
das Christentum in seiner geistigen, seelischen
Haltung, sondern vor allem Christus selbst und
seine Gesinnung: Die Bergpredigt ist ein Aufriss
nicht nur der Lehre, sondern des Lebens.
23
Jesus: «Mich erbarmt des Volkes»
Mt 14,14f (+
15,32f) + Mk 6,31f (+8,1f) + Lk 9,10f + Joh 6,1f
Am Fuss desselben
Berges liegt auch Tabgha (=Siebenquell). Das
Speisungswunder geschieht um die Passahzeit ein
Jahr vor der Gefangennahme Jesu. Auf dem
Tempelplatz in Jerusalem lässt Pilatus, der
einen Aufstand befürchtet, galiläische Pilger
niedermetzeln, was nach Galiläa dringt (Lk
13,1). Das aufgebrachte Volk schart sich um
Jesus und erwartet, dass er sie mit Waffengewalt
vom Römerjoch befreit. Aber Jesus spricht vom
Anbruch eines anderen Reiches, als sie erwarten.
Auch ihren irdischen Hunger wahrnehmend, nimmt
er die fünf vorhandenen Gerstenbrote und zwei
Fische und teilt sie nach einem Dankgebet aus.
Es werden nicht nur alle satt, sondern viel
bleibt übrig. Jesus hat Verständnis für die Not
des darbenden Volkes, hebt aber die grössere
Wichtigkeit des Reiches GOTTES hervor. ER hilft
in der Not, was nicht seine eigentliche Aufgabe
ist, weshalb ER nicht immer hilft. ER stillt
aber den seelischen Hunger, und das immer. Auch
hier wird sichtbar, wie sehr das Irdische, in
diesem Fall das Brot, Zeichen von etwas
Geistigem, Überirdischem ist. ER ist die
eigentliche Fülle und Erfüllung für den
Menschen, da dieser letztlich nur durch
Unendliches ausgefüllt werden kann.
24
Jesus: «Ich bin der wahre Weinstock»
Joh15,1-8
In den Abschieds- und Trostreden vor seiner
Kreuzigung gibt Jesus seinen Jüngern Sein Gebot:
«Dass ihr einander liebt wie ich euch geliebt
habe...». Die Rede enthält den Kerngedanken,
dass die Seinen als eine doppelte Gemeinschaft
zurückbleiben: als Gemeinschaft mit Ihm und als
solche untereinander. Die zwei Gedanken fliessen
wie Wellen ständig ineinander und werden am Bild
der Rebe entwickelt: die Liebe Christi zu den
Seinen als Vorbild und die Liebe der Seinen
untereinander als Abbild. «Wer in mir bleibt und
ich in ihm, der bringt viele Frucht.» Wir
möchten immer die Früchte selbst sehen, anstatt
im Glauben an dieses Christuswort von der
Fruchtbarkeit überzeugt zu sein. Ein
Christenleben mag äusserlich erfolglos
zerrinnen, in Wirklichkeit ist es ein
fruchtbares Leben, wenn und weil es in Christus
gelebt ist. Daneben steht der andere Satz: «Ihr
bringt keine Frucht, wenn ihr nicht in mir
bleibt... Ohne mich könnt ihr nichts tun...» Ein
Menschenleben mag äusserlich grosse Werke
vollbringen und Erfolge haben. In den Augen
GOTTES ist es nichts, wenn all das nicht in
Christus geschehen ist. Aus ihm allein strömt
der lebendige Saft ins Rebholz und nur so
entstehen die süssen Trauben. Die seinshafte
Verbundenheit durch die Gnade, die
gesinnungsmässige durch die Liebe und die
seelisch- aktuelle im Gebet sind die
entscheidenden Faktoren, die ein Leben fruchtbar
machen. So ist das Bild vom Weinstock
ausserordentlich treffend und tiefsinnig. Süsse
Früchte, die der Mensch gewaltsam an sich
reisst, sind das Bild der Sünde der ersten
Seiten der Bibel. Süsse Früchte, die durch
Christus im Menschen reifen, sind in der
gleichen Bibel ein Bild der Gnade. |
VII.
Jesus wirkt Wunder
Das
Weinwunder von Kana (Darmstädter Passion)
Jesus heilt den Blinden von
Bethsaida (Duccio)
Auferweckung des Lazarus (Fra Angelico)
|
25 Jesus stillt den Sturm auf dem See
Mt
8,18f+Mk 4,35f+Lk 8,22f
Die Jünger fahren mit dem schlafenden Jesus über
den See. Ein Sturm bricht plötzlich los. Die
sturmgewohnten Fischer wecken Jesus, und man
spürt in ihren Worten die Todesangst: «Meister,
wir gehen unter!» Jesus erhebt sich, gebietet
Wind und Wassern, und sie legen sich ihm zu
Füssen. ER ist Herr der Natur. Staunend
anerkennen es die Menschen: «Wer ist denn
dieser, dass er den Winden und den Wogen
gebietet, und sie gehorchen ihm?» Auf diese
Frage findet man nur im Glauben an die
Göttlichkeit eine befriedigende Antwort. Der
ohnmächtige Mensch erkennt in der
übermenschlichen Macht Christi dessen Gottheit,
und damit erst hat er den Glauben, den Jesus
fordert. Das tadelnde Wort Jesu: «Wo ist euer
Glaube?» zielt auf diesen Kern. Richtiger Glaube
weiss um die Macht des Herrn, fühlt sich in ihr
geborgen. Wachsender Glaube ist schwindende
Unruhe, schwindender Glaube ist wachsende Angst.
Der Unglaube ist entweder von Existenzangst
beunruhigt oder sucht im Aberglauben eine
falsche Scheinsicherheit.
26
Jesus wirkt das Weinwunder in Kana
Joh 2 1-11
Johannes betont, dass es das erste Wunder Jesu
sei. Der Schlüssel zum Verständnis ist durch die
zwei Worte gegeben: «Noch ist meine Stunde nicht
gekommen» und «er offenbarte seine Herrlichkeit,
und seine Jünger glaubten an ihn». Wenn Jesus
von seiner Stunde spricht, versteht er darunter
immer die Stunde seiner Verherrlichung. Sein
Heimgang wird der Gang in die Herrlichkeit sein.
Alles ist darauf ausgerichtet.- Die Haltung
seiner Mutter gegenüber ist aus diesen Worten
des Nichtmehr und eines Nochnicht ersichtlich:
nicht mehr das bisherige private Verhältnis von
Mutter und Sohn herrscht vor; denn ER muss sich
voll seinem noch nicht begründeten messianischen
Reich widmen. Später wird Maria eine neue
Aufgabe als Mittlerin in seinem Reich haben. Die
feierliche Anrede Frau erinnert an die Frau im
Paradies (Johannes: Passionsbericht und
Apokalypse).— Kana ist auch ein erster Hinweis
auf das eucharistische Wandlungswunder, denn die
Eucharistie-Feier als Teilnahme am Leib und Blut
des Herrn ist eine vorläufige Communio, die auf
die Wiederkunft des Herrn weist, wo beim
himmlischen Hochzeitsmahl die wahre Communio
stattfinden wird. So ist also Reden und Tun auf
das Dereinst ausgerichtet, weshalb es
abschliessend heisst: «ER offenbarte seine
Herrlichkeit.» Nun könnten die Jünger wissen,
worum es geht. Die Vorbereitung ist
abgeschlossen, und zwar mit dem Blick auf das
Ende und die Vollendung.
27
Jesus heilt den Blinden von Bethsaida
Mk 8,22-26
Der Herr will keine Verkündigung des Wunders,
weil ihm am tieferen Sinn des Wunders liegt, der
jetzt noch nicht erfasst werden kann. Vor allem
dieses Wunder soll Mysterium bleiben. Das eine
grosse Mysterium, nach dem sich die Menschheit
überall sehnt, ist hier: Einswerden mit der
Gottheit, in dem er vom Gottmenschen heilend
berührt wird. Dieses grosse Mysterium hat das
Evangelium gebracht, hier und überall zumindest
anfänglich keimhaft angedeutet: Die Einigung des
Menschen mit der Gottheit vollzieht sich nur
durch die Vermittlung der göttlichen Menschheit
des Sohnes, wie ER es hier zeigt, mit seinen
Händen und einem Speichel in den Augen des
Blinden. Hier wird das wahre Schauen
vorgebildet, die grosse Erleuchtung, die
Christus der Menschheit bringt, vorher
verkündet. Kurz zuvor hat der Herr zu den
Jüngern gesagt: „Schauet, sehet...» (Mk 8,15),
als ER sie warnte vor dem Sauerteig der
Pharisäer. Da sie ihn nicht verstanden, sprach
ER noch einmal von der Verdunkelung ihrer
Einsicht, sie verstehen nicht, sie haben Augen
und sehen nicht... (8,17f). Darauf folgt die
umständliche Blindenheilung, abseits vom Volk,
zunächst nur für die Jünger bestimmt (wie die
Taubstummenheilung). Sie sollen sehen, woher das
Licht und die Erleuchtung ihrer verdunkelten
Einsicht kommen soll.
28
Jesus erweckt den toten Lazarus
Joh
11,38-44
Nicht jede Krankheit ist eine Folge der Sünde
oder eine Strafe dafür, sondern sie kann zur
Verherrlichung GOTTES dienen. Das Wunder zielt
nicht in erster Linie auf Lazarus, sondern auf
Jesus Christus selbst. Die Szene ist verdunkelt
vom Schatten seines Todes, erschüttert vom
Grauen des Jüngsten Tages und zugleich erhellt
vom Osterglanz der Auferweckung: «Ich bin die
Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt,
wird leben, auch wenn er stirbt. Jeder, der lebt
und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht
sterben.» Es gibt also ein Leben, das keinen Tod
kennt. Es ist die Teilnahme am lebendigen GOTT.
Wohl geht der Mensch des Glaubens äusserlich
ebenfalls durch den Tod hindurch, aber es ist
nur ein äusseres Sterben. Innerlich wird das
eigentliche, das wahre und ewige Leben
entfaltet. Christus wird selbst durch den Tod
hindurch zum eigentlichen Leben schreiten.
Seitdem steht der gläubige Christ ganz anders
vor den Gräbern als der ungläubige Mensch. Wer
ohne Christus vor dem Grab steht, dem bleibt nur
das Nichts oder höchstens die Erinnerung. Dem
gläubigen Christen dagegen beginnen die
Hoffnungen zu blühen. Das Ende ist für ihn ein
Anfang, weil GOTT kein Ende kennt.- Der Tod
Christi wird hier zugleich die Grundlage für den
Aufbau der Kirche. |
VIII. Jesus verheisst
Der
12jährige Jesus im Tempel unter den
Schriftgelehrten (Fra Angelico).
Jesus
besuchte mit seinen Jüngern Cäsarea Philippi
(Jordanquelle Banias), wo Simon Jesus als
Messias erkannte, der ihn fortan Petrus hiess.
Petrus,
Jakobus und Johannes sahen die Verklärung des
Herrn auf dem Berg Tabor.
Von
Galiläa nach Jerusalem gelangt Jesus nach
Samaria und setzt sich am Brunnen Jakobs.
|
29 Der 12jährige Jesus im Tempel
Lk 2,41-50
Das 1. Osterfest Jesu, eines der wenigen
biblisch überlieferten Ereignisse aus der
30jährigen Verborgenheit seines Lebens in
Nazareth, ist nach der Anbetung durch die Hirten
und die 3 Weisen ein erneutes Aufleuchten seiner
göttlichen Natur. Die Antwort Jesu auf die Frage
seiner Mutter: «Kind, warum hast du uns das
getan?» weist Maria und mehr noch die anderen
Zeugen dieser Szene auf das eine Unabdingbare im
Leben Jesu hin: Das Sein beim Vater. Die
Gegenfrage Jesu: «Warum habt ihr mich gesucht?
Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss,
was meines Vaters ist?» will deutlich machen: ER
gehört nicht seinen irdisch-menschlichen Eltern.
ER wird nicht in Nazareth, im Kreise dieser
geborgenen hl. Familie bleiben. Wenn ER jetzt
zurückkehrt und ihnen untertan ist, so wissen
sie, dass es nur vorläufig ist, dass ER in
Wirklichkeit ihnen gegeben ist, damit sie ihn
wieder weggeben. ER ist in ihrer Mitte, damit
sie ihn ziehen lassen in die Mitte seines Volkes
und in die Mitte der Menschheit. Es darf keinen
religiösen Egoismus geben, kein Für-sich-haben
der Gnade, sondern ein Weitergeben. Wenn man ihn
suchen will, muss man ihn beim Vater suchen.
Maria und Joseph, diese Wissenden, verstanden
sein Tun und sein Wort an jenem Osterfest nicht.
Auch wir suchen Christus oft am falschen Ort.
Wir meinen, ER müsste zu uns kommen, dorthin, wo
unsere scheinbar grossen, aber kleinen Anliegen
uns quälen. In Wirklichkeit müssten wir den
Herrn dort suchen, wo nicht wir sind, sondern wo
ER ist: Beim Vater, im Willen und im Geiste des
Vaters.
30 Auf
diesen Felsen will ich bauen
Mt 16,16f
Das Volk hat Jesus nicht erkannt, obwohl es
ahnt, dass etwas Neues kommt, dass das Reich
GOTTES nahe ist. Das Wirken im Volk begann mit
den acht Seligpreisungen. Das Wirken für das
neue Gottesvolk beginnt mit der Seligpreisung
des Simon, der den Anfang und das Fundament der
neuen Gemeinde GOTTES bildet. «Selig bist du,
Simon.» In drei einprägsamen Bildern
(Fundamentes eines Baues,
Schlüsselgewalt über eine Stadt und Binden und
Lösen von Menschen)
überträgt hier der Sohn GOTTES dem Menschen
Simon die entscheidende Autorität in der
neuerbauten Kirche im Reich GOTTES. Sie
enthalten innerlich das Ende Israels und den
Anfang der Weltkirche.— So wie Simon zu Jesus
gesagt hat: «Du bist der Messias, der Sohn des
lebendigen GOTTES», so sagt Jesus zu ihm: «Und
du bist Petrus, der Felsen, auf den ich meine
Kirche baue.» Ein Zweites fügt Christus hinzu: «
Dir gebe ich die Schlüssel des Himmelreiches.»
Jesus ist gekommen, das Reich GOTTES zu
verkünden und zu bringen. Hier gibt er einem
Menschen die Schlüssel zu diesem Reich, also die
Macht, hineinzulassen und draussen zu halten,
die Vollmacht über den Zugang zu GOTT. Diese
Macht und Autorität ist Simon als dem Ersten
unter den Zwölfen übergeben. Und ein Drittes
spricht Christus: «Was immer du auf Erden binden
wirst, ist gebunden in den Himmeln. Und was
immer du auf Erden lösen wirst, ist gelöst in
den Himmeln.» Es geht also ums Reich GOTTES im
Himmel und auf Erden. Diese Aussage Jesu ist für
Petrus und seine Nachfolger die Blankovollmacht,
im Namen GOTTES Satzungen aufzustellen und
Gesetze zu geben, eine Vollmacht, die auf Erden
betätigt wird, aber im Himmel anerkannt ist und
Gültigkeit hat vor GOTT.
31 Die
Verklärung Jesu auf Tabor
Mt 17,1f +
Mk 9,2f + Lk 9,28f
Christus ist durchstrahlt vom Glanz der
Herrlichkeit GOTTES und Moses (=Gesetz) und
Elias (=Propheten) sind als Zeugen zugegen.
Vorübergehend wird das Gottesreich sichtbar.
Alles Dunkel wird vom Licht durchstrahlt und
alles Leiden von der Herrlichkeit abgelöst. Aber
es ist erst Vorbereitung auf das Leiden und das
Kreuz. Erst nach der Auferstehung und der
Himmelfahrt wird diese Verklärung Dauerzustand
sein. Es sind die gleichen drei Jünger zugegen
wie bei der Auferweckung der Jairustochter. Dort
haben sie die Überwindung des Todes gesehen,
hier schauen sie die Verklärung nach dem Tod.
Sie sind so überwältigt, dass Petrus Hütten
bauen und damit dem Vorübergehenden Dauer geben
will. Aber es wird ihnen gezeigt, dass der
entscheidende Schritt noch fehlt, der Schritt in
die Wolke. Denn eine Wolke überschattet den
Herrn und die beiden Zeugen aus dem Jenseits.
Die Wolke ist das Dunkel, das noch
durchschritten werden muss, und sie ist zugleich
Geheimnis GOTTES, in das man nur durch den Tod
Einlass findet. So liegt die Verklärung noch in
der Zukunft. Der Glaube ist die Kraft, die auf
dem Weg des Leidens zu diesem Ziel führt. Darum
das Wort: «Dieser ist mein erwählter Sohn, auf
ihn sollt ihr hören.» Es ist das Hören auf die
den Jüngern so fremde Botschaft vom Leiden.
32
Jesus am Jakobsbrunnen
Joh 4,1f
Christus kommt durstig zum Brunnen. Unter der
heissen Sonne des Orients hat er den Durst
kennengelernt. Er wird ihm zum letzten Mal
sterbend am Kreuze Ausdruck geben. Ohne das
Wasser vertrocknet der Mensch, vertrocknet das
Land und stirbt alles Leben. Christus gibt sich
zu erkennen als die eigentliche strömende
Quelle. ER ist nicht bloss Zisterne, die das
Regenwasser sammelt und festhält, wie die
Menschen, die die Offenbarung aufnehmen, sondern
ER ist sprudelnder Quell, unerschöpflich, immer
wieder frisch und erfrischend. Ohne Christus
vertrocknet der Mensch, sein Innerstes dörrt
aus. Weithin in der Menschheit gibt es dieses
Phänomen der verbrannten Erde und der dürren
Felder. Nur Christus kann göttliches Leben
schenken, weil er allein menschgewordener GOTT
ist. Auch der religiöse Mensch leidet
gelegentlich unter innerer Trockenheit und
Dürre. Aber das ist dann ein Ausdruck der
innersten Sehnsucht nach Christus als dem Wasser
des Lebens. Es ist nur eine vorübergehende
Trockenheit, die erst recht das Verlangen nach
Christus weckt, und so näher zu Christus
hinführt. |
IX.
Jesus wirkt und weissagt in Jerusalem
Die
Palmsonntagsprozession bricht von Bethphage nach
Jerusalem auf (hinten der Felsendom, davor das
zugemauerte Goldene Tor, durch das Jesus am
Palmsonntag einzog.
Die Wiederkunft des Herrn
(Evangeliar Äbtissin Hidta, 1000).
Der
Teich Siloah, wo sich der Blindgeborene waschen
musste, um sehend zu werden.
Die
Kirche Dominus flevit am Hang des Ölberges
gegenüber dem Tempelberg, wo Jesus über
Jerusalem weinte. |
33 Jesus zieht in Jerusalem ein—Palmsonntag
Mt 21,8f + Kik
11,8f + Lk 19,36f +Joh 12,12f
Christus erfüllt
die Prophezeiung des Sacharja (Sach 9,9): Auf
dem Füllen einer Eselin zieht ER in Jerusalem
ein als deren König, umjubelt vom Volk. Seine
Anhänger gestalten den Einzug in die Stadt zu
einem Triumphzug. Sie breiten die Kleider auf
die Strasse, schwingen Palmzweige über ihren
Köpfen und begrüssen ihn als den Sohn Davids,
als den Messias, «der da kommt im Namen des
Herrn». Gleichzeitig planen die Feinde das
Unausweichliche, nachdem ihre Herzen nach dem
Lazarus-Wunder in Bethanien noch verhärteter
sind. Der 118. Psalm erfüllt sich. Auch die
Apostel wirken mit und erkennen erst
nachträglich, dass sie mit ihrem Tun die Schrift
erfüllt haben. Doch der Jubel hat einen
unheimlichen Hintergrund: Es ist der 10. Nisan,
der Tag, an dem die Opferlämmer für das Opfer
festlich geschmückt in die Stadt geführt werden.
34 Jesus spricht von seiner
Wiederkunft
Mt 24,23f
+ Mk 13,21f
Der von Johannes
beschriebene Kampf (Offb) zwischen dem Lamm und
seinen Anhängern gegen das Tier mit seinem
Anhang, zwischen der Frau mit der Sonne
umkleidet und der grossen Hure, zwischen dem
Sohn der Frau und dem Drachen, zwischen Christus
und dem Antichrist, ist das gleiche, was Jesus
hier andeutet: Die Weltgeschichte als ein Kampf
zwischen Finsternis und Licht, zwischen den
feindlichen Mächten, die gegen die Seinen
aufstehen, und dem Weitergreifen des Reiches
GOTTES und seiner Botschaft. Falsche Propheten
stehen auf und falsche Messiasse mit falschen
Botschaften, um die Menschen zu verwirren. Aber
sie sind Irrlehrer und Lügenpropheten. Man soll
ihnen nicht glauben, auch wenn sie Wunder
wirken. Dann erst kommt das Ende dieser Zeiten
(nicht das Weltende!). Plötzlich kommt es und
schaurig wird es sein. Die Katastrophe wird von
der Erde her aussehen, als ob die Sonne sich
verfinstere, der Mond nicht mehr leuchte, die
Sterne vom Himmel fallen und alle kosmischen
Kräfte erschüttert seien. Dann erst kommt der
Menschensohn. Sein Zeichen wird am Himmel
sichtbar. Alle Völker werden beben, wenn der
Menschensohn in Macht und Herrlichkeit erscheint
auf den Wolken des Himmels. Aber «den Tag und
die Stunde kennt niemand, nicht einmal die Engel
des Himmels, auch nicht der Sohn, sondern nur
der Vater allein» (Mt 24,36). Wichtiger als das
Ende zu wissen ist es, die Wartezeit richtig zu
verbringen: Wachen und wirken.
35
Jesus heilt den Blindgeborenen
Joh 9,1f
Auch das Kranksein hat einen religiösen Sinn. Es
offenbart das Wirken GOTTES. Das gilt nicht nur
für diesen Fall, wo der Blindgeborene durch
Jesus geheilt wird, sondern für jede Krankheit,
die im Geiste Christi getragen wird. Die
Herrlichkeit GOTTES wird sichtbar in der
inneren, richtigen Einstellung des Kranken, vor
allem aber durch die Tatsache, dass GOTT
dereinst den verklärten Leib schafft, der nie
mehr erkrankt. Christus ist das Licht der Welt.
Solange ER auf dieser Erde weilt, will ER als
Licht, Helligkeit verbreiten.— Die Heilung
erfolgt ganz anders als sonst. Am Schluss wird
der Blinde zum Teich Siloah geschickt, um sich
dort zu waschen. Hier ist wieder die Verbindung
mit dem Laubhüttengedanken gegeben. Er soll
Wasser des Heiles schöpfen. In diesem Falle sind
es Wasser zur Heilung. Jetzt erst wird der
Blinde sehend.— Die Feinde Jesu sind überzeugt,
dass sie die eigentlich Sehenden seien. Die
Juden betrachten sich als Kinder GOTTES und
Christus als einen vom bösen Geist Besessenen.
In Wirklichkeit ist es umgekehrt, worauf
Christus im 9.Kapitel hinweist: Blinde sind
sehend und Sehende blind.
36 Jesu
Klageruf über Jerusalem
Lk 19.44f
Beim triumphalen Einzug nach Jerusalem, wo heute
am Hang des Ölberges die kleine Kirche Dominus
flevit (= der Herr weinte) steht, bricht Jesus
in Tränen aus. Der Anblick Jerusalems, das bald
darauf bis auf die Grundmauern zerstört wird,
öffnet seinen Blick in die Vergangenheit und in
die Zukunft. Denn sein Volk —und die Welt aufs
Ganze gesehen— hat den eigentlichen Sinn dieser
Stunde nicht erfasst. Sie lehnen ihn ab, denn
sie wollen einen Messias, der ihnen als
machtvoller Cäsar Freiheit und irdischen
Wohlstand bringt. Der Bote des römischen Cäsar
wird kommen, hoch zu Ross in die Stadt reiten.
Dann werden die Steine reden, aber die
erschütternde Sprache der Katastrophe. Dann ist
es zur Einsicht zu spät. Der Römer wird einen
Wall um diese Stadt errichten und sie erobern.
Kein Stein wird auf dem anderen bleiben. Israel,
das den Cäsar dem Messias vorzieht, wird den
Cäsar bekommen. Israel, das dem Messias
verwirft, wird verworfen. Das weiss Jesus und ER
sieht es in voller Deutlichkeit voraus. Darum
weint ER über das Schicksal dieser Verblendeten,
denen ER seine Liebe und Hilfe schenken will,
die aber nein sagen. Sie wollen ihren Tempel und
ihre Stadt als Räuberhöhle, in der man
materielle Schätze anhäuft. Sie wollen den
Tempel nicht als eine Stätte des Gebetes und der
Herrschaft des Vaters. Ihr verkehrtes Wollen ist
das Nein zum Willen GOTTES. Darum ist dieser
Einzug in Jerusalem nur ein äusserlicher
Triumph, innerlich aber der Beginn der
eigentlichen Katastrophe, scheinbar für ihn, in
Wirklichkeit für sie. |
X.
Jesus feiert das letzte Pascha
Die Fusswaschung durch den
Herrn (Giotto).
Der Verräterkuss durch
Judas (Giotto).
Einsetzung des
Abendmahles (Justus v. Gent 1474)
Der Abendmahlssaal, wo
es sich 37-40 ereignete. |
37 Jesus wäscht den Aposteln die Füsse
Joh
13,1-11
In Tat und in Worten bereitet der Herr die
Seinen. Und zwar sind es zwei Dinge, die dabei
besonders betont werden. Das eine ist die
Reinheit. Die Jünger sind erstaunt, dass der
Herr an ihnen den üblichen Sklavendienst leisten
will. Beim Widerstand des Petrus wird deutlich,
was der Herr mit seinem Tun sagen will, denn er
spricht von der Reinigung und der Reinheit, von
der Reinheit des Körpers hin zur Reinheit des
Herzens. Die äussere Waschung ist nur ein
Zeichen der inneren Läuterung. Nur reine
Menschen sind bereit und empfänglich für das
Grosse, das ER ihnen nun beim Abschluss seines
Lebens schenken und sagen will. Das zweite ist
die Demut. In den Worten des Herrn wird das
besonders betont. ER, der Meister, hat ihnen in
Demut die Füsse gewaschen, also sollen sie, die
Jünger, es im gleichen Geiste tun. Sie sind
nicht gerufen und gesandt zum Herrschen, sondern
zum Dienen. Christus hebt den Unterschied
zwischen Meister und Jünger besonders hervor und
betont in diesem Zusammenhang, dass, wenn der
Meister demütig ist und demütig dient, der
Jünger es umso mehr sein und tun muss.
38
Jesus kündigt den Verrat an
Mt 26,21f + Mk
14,18f + Lk 22,21f + Joh 13,21f
«Der Menschensohn geht hin, wie es bestimmt
ist.» Der Plan GOTTES erfüllt sich somit. Jesus
kennt ihn und fügt sich in Freiheit, Judas sucht
ihn zu durchkreuzen. Aber GOTTES Plan
verwirklicht sich unter allen Umständen. Und
zwar so, dass alles in diesen Plan miteinbezogen
ist: Jesu Gehorsam und Treue und des Judas
Ungehorsam und Verrat. Die Pläne GOTTES können
auch durch Sünde und Sünder nicht gestört
werden. Gutt lässt wegen der menschlichen
Freiheit das Böse zu, benützt es aber, um selbst
aus dem Bösen Gutes zu machen. So steht neben
der menschlichen Freiheit die unantastbare Macht
GOTTES. ER ist der Herr auch über den freien
Willen der Menschen und übt diese Herrschaft so
aus, dass die Freiheit bleibt und doch sein
GOTTES-Wille sich erfüllt. Das ist dieses
erstaunlich Grosse, das eben nur GOTT möglich
ist. Die beiden Sätze: «Der Menschensohn geht
hin, wie es bestimmt ist. Aber wehe dem
Menschen, durch den er verraten wird», stellen
die Verwirklichung der Gottesherrschaft und die
Freiheit des Menschen nebeneinander.— Beim
Hinausgehen des Verräters heisst es: «Es war
aber Nacht», äussere Nacht in den Strassen
Jerusalems und innere Nacht in der Seele des
Verräters und in der Geschichte der Menschheit.
In dieser Nacht strahlt das Licht Christi
doppelt hell und es klingt wie ein Jubelruf,
wenn Christus sagt: «Jetzt ist der Menschensohn
verherrlicht, und Gott ist in ihm
verherrlicht...»
39
Jesus setzt die Eucharistie ein
Mt 26,26f+ Mk 14,22f+ Lk 22,19f
Jesu bereitet zum letztenmal die Feier des
jüdischen Paschamahles vor, das zur ersten Feier
des neuen und wahren Oster- und Opfermahles
wird, der Eucharistie. ER feiert das grosse
Liebesmahl, denn er bricht mit seinen Jüngern
das Brot, mit den Worten:
«Nehmt hin und
esset, das ist mein Leib.»
Und er trinkt mit ihnen den Kelch, mit den
Worten:
«Trinket alle
daraus, denn dieses ist mein Blut des Bundes,
das für viele vergossen wird zur Vergebung der
Sünden».
Wie das Brot hier gebrochen wird, wird sein Leib
im Tode brechen. Und wie der Wein hier in den
Kelch fliesst, wird sein Blut am Kreuze
fliessen. Sein geopferter Leib und sein
Opferblut sind hier zugegen unter den Symbolen
des Brotes und des Weines, denn sein Leib wird
zur Speise und sein Blut wird zum Trank der
Seele. Wie aus vielen Ähren das eine Brot
gebacken und aus vielen Trauben der eine Kelch
gefüllt wird, so werden die Vielen in ihm zur
Einheit werden, wenn sie sein Fleisch essen und
sein Blut trinken. Der Alte Bund ist auf dem
Sinai durch das Blut eines Opfertieres geweiht
und gesegnet worden. Der Neue Bund, den Christus
gründet, wird geweiht und gesegnet durch sein
Blut, das Blut des wahren Opferlammes.
Eucharistische Feier als Tischgemeinschaft und
Liebesmahl, als geistige Speise und geistiger
Trank, als Geheimnis des Neuen Bundes zwischen
GOTT und der Menschheit und als Mysterium des
Erlösungsopfers wird hier begründet und zum
erstenmal gefeiert. So ist dieses Mahl zugleich
Abschluss und Anfang. Abschluss der blossen
Symbolik des Alten Bundes, der alten Feste und
der alten Opfer, Anfang des Neuen Bundes, der
neuen Festfeiern und des neuen Opfers. Das
Symbol ist abgelöst durch die Wirklichkeit. Es
ist Abschiedsmahl.
40 Die
Trostreden Jesu
Joh 14
Die Fusswaschung, die Entfernung des Verräters
und die Voraussage der Verleugnung durch Petrus
haben die Apostel aufgewühlt, so dass sie
hellhörig dem Herrn lauschen: «Euer Herz bange
nicht, glaubt an GOTT und glaubt an mich.» Die
erste Abschiedsrede ist eigentlich kein
Abschied, sondern eine erneute und vertiefte
Selbstoffenbarung Christi und zeigt drei Dinge:
das Ziel (Himmel als ewige Heimat), den Weg
(Christus) und das Wirken auf der Erde (Werke
aus dem Glauben und der Verbundenheit mit
Christus). Christus bleibt nach dem Abschied
geistig und unsichtbar bei den Seinen. Es sind
tiefste Geheimnisse, die hier enthüllt werden,
das Wesen und Wirken Christi, die Natur der
Kirche, der Sinn des christlichen Lebens, die
Kraft des Glaubens und des Gebetes, die
Bedeutung des Wirkens und der Werke, und
letztlich ist alles sinnerfüllt in und durch
Christus, den einzigen Sinn des Lebens, der
Geschichte und der ganzen Welt. Das Christentum
ist also keine Religion neben andern, sondern es
ist die Religion. Denn Christus ist der eine und
einzige Sohn des himmlischen Vaters und folglich
die Offenbarung GOTTES des Vaters. Man kommt nur
durch GOTT zu GOTT. Christus ist der
menschgewordene GOTT, also kommt man nur durch
ihn zum Vater. ER ist der Weg, der den Menschen
zu GOTT führt, zum eigentlichen Lebensziel.
|
XI.
Jesus wird verraten und ausgeliefert
Die
Hahnenschreikirche (1931 dort erbaut, wo das
Kaiphas-Haus stand, in dessen Hof Petrus seinen
Herrn dreimal verleugnete).
In der
Kirche der Nationen (= Todesangstbasilika;
links liegt der Garten Gethsemane) liegt der
Felsen. auf dem Jesus vor seiner Gefangennahme
betete.
Die
Grotte der Gefangennahme Jesu. GewölbeInschrift:
Und sein Schweiss tropfte herab wie Blut.
Die Kirche
Gallicantu, wo Petrus beim Hahnenschrei den
Herrn dreimal verleugnete.
|
41 Jesus kündigt den Verrat an
Mt 26,31f + Mk
14.27f + Lk 22,31f + Joh 13,36f
Bei der Gründung der Kirche und der Unterweisung
der Jünger hatte Petrus immer eine
Sonderstellung. Er hat sie auch bei der
Vorbereitung auf die Passion. Klar sagt Jesus
den Seinen, dass sie alle an ihm irre werden.
Denn es muss das Prophetenwort in Erfüllung
gehen (Sach 13.7), dass der Hirt geschlagen wird
und die Herde sich zerstreut. In diesem
Geschehen der Passion wird Petrus eine traurige
Führerrolle spielen. Denn er, der sich anmasst,
nicht nur eine amtliche, sondern auch eine
moralische Sonderstellung zu haben, empfängt die
Antwort Jesu: «Noch dieser Nacht wirst du mich
dreimal verleugnen.» In drei Bildern hat Jesus
ihm seinen Vorrang gezeichnet: Im Bild des
Fundamentes am Bau, der Schlüsselgewalt im Reich
und der Vollmacht, zu binden und zu lösen.
Dreimal wird Petrus den Herrn verleugnen. Es
wird sichtbar, dass die Führung im Reich Gottes
nicht von Menschen abhängt, sondern von Gott
gegeben Ist, dass das Papsttum trotz
menschlicher Schwäche in göttlicher Kraft seinen
Bestand hat.
42
Jesus leidet Todesangst
Mt 26,36f
+ Mk 14.32f+ Lk 22,40f
In drei Abschnitten vollzieht sich der Verlauf
der Passion. Jesus wird gefangen, gerichtet und
gekreuzigt. Freiwillig schreitet Jesus in die
Passion, die ER mit Gebet beginnt. Wohl ist ER
seelisch niedergedrückt. Aber dreimal betont ER
ausdrücklich im Gebet zum Vater seine
Bereitschaft, während er dreimal die Jünger
schlafend findet, in mangelnder Bereitschaft.
Und es sind doch jene drei, die ihn in der
Verklärung auf Tabor geschaut haben. Sie sehen
ihn jetzt in der Niedergeschlagenheit. Aber wie
sie dort die Zeichen seiner Grösse nicht richtig
gedeutet haben, so geht ihnen auch hier das
Verständnis für seine Erniedrigung ab. Das
Leiden nimmt seinen Lauf. Menschlicher Wille und
Gottes Wille decken sich keineswegs immer. Sie
sind auch in Jesus getrennt: «Nicht mein,
sondern dein Wille geschehe». Der Herr wird den
Kelch trinken. Das Leiden wird weder verhindert
noch gemildert. So ist es oft beim Gebet des
Menschen.
43
Jesus wird gefangen genommen
Mt 26.47f + Mk
14,43f + Lk 22.47f + Joh 18,2f
Die Gegner bringen Militär aus der Tempelwache
(unterstützt durch römische Truppen; sogar ein
röm. Offizier ist zugegen. Sie befürchten einen
Aufstand der Galiläer). Jesus kennt den Verräter
und warnt ihn ein letztes Mal. Der Kuss als
Zeichen der Liebe wird durch Judas zum Signal
des Verrates. Jesus lehnt jeden Widerstand ab.
ER weiss, dass sein Vater ihm an Stelle dieser
zwölf Apostel, von denen der eine schon zum
Verräter geworden ist, der zweite Ihn noch diese
Nacht verleugnen wird und die übrigen ihn
verlassen, zwölf Legionen Engel schicken würde,
wenn ER ihn darum bäte. Aber Jesus will den
Willen des Vaters tun und das Opfer der Erlösung
darbringen. Zweimal betont Er, dass sich die
Schrift erfüllen soll. Petrus greift zum
Schwert. Er begegnet der Gewalt mit Gewalt. Aber
Christus weist ihn zurück. ER will den Kelch
trinken, den der Vater ihm reicht. Wenn die
Menschen auf ihre Macht pochen, steht immer
Macht gegen Macht. Das führt zu den gewaltsamen
Auseinandersetzungen. Wenn sie sich nach dem
Willen Gottes richten würden, dann wäre alles
geordnet, denn die menschliche Macht stünde dann
im Dienste der göttlichen Allmacht. Dann wäre
die Macht nicht von Leidenschaft geführt und
nicht Werkzeug des Hasses, sondern im Gehorsam
gegen Gott eine aufbauende Kraft der Liebe.
44
Petrus verleugnet seinen Herrn
Mt 26,58f + Mk
14,54f + Lk 22,54f + Joh 18,15f
Wohl keiner der zwölf Jünger Jesu hat die
Bedeutung eines Simon Petrus errungen. Petrus
war ein Mann mit dem Herz auf dem rechten Fleck,
manchmal voreilig, schnell mit den Worten.
So rasch er Sündigte, so rasch ist er auch in
seiner Reue darüber, und in seiner Umkehr und
Busse.
Simon Petrus ist temperamentvoll und
begeisterungsfähig, seine Entscheidungen kommen
aus ganzem Herzen (Joh 6,68f).
Der Jude Simon, Sohn des
Johannes, aus Betsaida (Joh 1,44) war von Beruf
Fischer. Simon dürfte eine typisch jüdische
Elementarbildung genossen haben, die für
damalige Zeiten überdurchschnittlich war. Ziel
war es, die Beteiligung im Synagogengottesdienst
durch Schriftlesung zu gewährleisten.
Entsprechend lagen die Schwerpunkte dieser
Ausbildung auf Sprachen, Textauslegung und
Gedächtnisschulung. Simon selbst wohnte in
Kapernaum und ging dort zusammen mit seinem
Bruder Andreas (Mt 4,18), wohl mit eigenem Boot,
dem Beruf des Vaters als Fischer nach.
Im Zwölferkreis gehörte er zum engsten
Jüngerkreis, bestehend aus Simon, Jakobus und
Johannes
(Verklärung und Garten Gethsemane).
Er ist der von Christus, an die Spitze des
Zwölfer-Kollegiums gestellte Apostel.
Simon hörte die
Predigten Jesu, er sah die Wunder, wurde von
seinem Herrn ausgesandt, selbst von Gottes
anbrechender Herrschaft zu verkünden und selbst
Wunder in Jesu Namen zu vollbringen. Simon wagte
es auf Jesu Wort hin aus dem Boot in den
stürmischen See zu treten und auf dem Wasser zu
wandeln. Doch dort verlässt ihn trotz
erfolgreicher erster Schritte auf dem Wasser
bald der Mut und er beginnt zu sinken.
Simon erkennt in Jesus den Christus den Sohn
Gottes (Mt 16,16).
Darauf hin gibt ihm den Titel Fels
(Fels= aramäisch: Kephas,
griech. Petrus). Mt 16,18-19
Du bist Petrus , und auf diesem Felsen will ich
meine Gemeinde erbauen, und die Pforten des
Totenreiches sollen sie nicht überwältigen. Ich
werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben;
was du auf Erden binden wirst, das wird auch im
Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen
wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.
Die Ankündigung der Verleugnung und der
Umkehr des Petrus:
Lk 22,31
Simon, Simon, der Satan hat verlangt, dass er
euch wie Weizen sieben darf.
Lk 22,32
Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube
nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt
hast, dann stärke deine Brüder.
Lk 22,33
Darauf sagte Petrus zu ihm: Herr, ich bin
bereit, mit dir sogar ins Gefängnis und in den
Tod zu gehen. Lk
22,34
Jesus erwiderte: Ich sage dir, Petrus, ehe heute
der Hahn kräht, wirst du dreimal leugnen, mich
zu kennen.
Die Verleugnung:
(Lk 22,55-62)
Mitten im Hof hatte man ein Feuer angezündet und
Petrus setzte sich zu den Leuten, die dort
beieinandersaßen. Eine Magd sah ihn am Feuer
sitzen, schaute ihn genau an und sagte: Der war
auch mit ihm zusammen. Petrus aber leugnete es
und sagte: Frau, ich kenne ihn nicht. Kurz
danach sah ihn ein anderer und bemerkte: Du
gehörst auch zu ihnen. Petrus aber sagte: Nein,
Mensch, ich nicht! Etwa eine Stunde später
behauptete wieder einer: Wahrhaftig, der war
auch mit ihm zusammen; er ist doch auch ein
Galiläer. Petrus aber erwiderte: Mensch, ich
weiß nicht, wovon du sprichst. Im gleichen
Augenblick, noch während er redete, krähte ein
Hahn. Da wandte sich der Herr um und blickte
Petrus an. Und Petrus erinnerte sich an das, was
der Herr zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn
kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er
ging hinaus und weinte bitterlich.
Wie muss es
Petrus nur gegangen sein, in all den Stunden,
bis er völlig unerwartet, Tage später, selbst
dem Auferstandenen begegnen durfte? Wie
belastete ihn seine Verleugnung?
Es ist tröstlich, dass selbst Petrus, der eine
Vorrangstellung unter den zwölf Aposteln hatte,
aus Angst, das gleiche Schicksal zu erleiden wie
sein Meister, geleugnet hat, aber trotzdem von
Jesus angenommen worden ist.
Petrus starb zwischen 64 und 67 n. Chr. in Rom
den Märtyrertod.
Als er vor den Christenverfolgungen aus der
Stadt fliehen wollte, begegnete er auf der Via
Appia jedoch Jesus, der in die engegengesetzte
Richtung ging. Auf die Frage des Petrus:
"Wohin gehst du, Herr?" (Quo vadis, Domine?)
entgegnete er: "Ich gehe nach Rom, um mich
nochmals kreuzigen zu lassen." Beschämt
drehte Petrus um und nahm den Tod am Kreuz an.
Weil er sich jedoch nicht als würdig ansah, auf
die gleiche Weise wie Christus zu sterben, liess
er sich kopfüber kreuzigen.
Da er sein dreimaliges Verleugnen Christi
bereute und Buße tun wollte, wählte er diese
wesentlich schmerzlichere Variante als Sühne.
(Katholische
Kirchen, die dem Hl. Petrus geweiht sind, tragen
oder trugen ein dementsprechendes Kreuz auf dem
Turm anstatt des üblichen Kreuzes. Vielfach wird
das Petruskreuz mit einem antichristlichen
Symbol verwechselt.)
Heilige Päpste, haben der kath.
Kirche leuchtenden Glanz moralischer
Strahlungskraft verliehen. So ist die Leitung
eines Amtes von der menschlichen Grösse, als
auch der Kleinheit des jeweiligen Würdenträgers
abhängig. Das gilt besonders auch für kirchliche
Würdenträger, denen ein Hirtenamt übertragen
wurde. Darum ist der Fall des Petrus für jeden
Mahnung und Warnung, niemals allein auf die
eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, sondern immer
und in allem, auch auf die Hilfe des Herrn zu
vertrauen, der Himmel und Erde erschaffen hat. |
XII.
Jesus wird verhört
Jesus als
Sohn GOTTES in der Glorie (Fra Angelico); über
diese Treppen wurde Jesus zum Verhör zu
Kaiphas geführt (Pilatus
überlässt ihn zuerst den Juden).
Burg
Antonia (Rekonstruktion; links: Überreste
vom Fussboden), wo Jesus verhört und verurteilt
wurde.
Herodes
kleidet Jesus zum Hohn in ein weisses Gewand und
schickt ihn zu Pilatus zurück (Fra Angelico).
«Ecce
homo» — Seht, den Menschen (H. Bosch).
|
Überblick: In drei ‚Etappen' rollt das
Geschehen ab: Angeklagter ist Jesus, äusserlich
ohne jede Macht, und doch spricht er furchtlos
vom wahren Reich und der wahren Macht, die ihm
gegeben ist. Pilatus will ihn zuerst den Juden
überlassen, die als Kläger auftreten. Sie wollen
Jesus hinrichten, doch ihr Urteil muss vom
Richter Pilatus als Vertreter der Weltmacht Roms
bestätigt werden. Sie wollen sein Amtsgebäude
nicht betreten, um sich nicht zu verunreinigen
und das Passalamm essen zu können, während sie
sich aus einem Justizmord nichts machen
(Hinrichtung Jesu).
Er ist am Festtag nach Jerusalem gekommen
(sonst in Cäsarea).
Verachtend schaut er auf die religiösen Kämpfe
und behandelt ihre Führer von oben herab.
Während er in aller Form feststellt, dass Jesus
unschuldig sei, gibt er ihn trotzdem nicht frei,
sondern sucht alle möglichen Ausflüchte und
Auswege, bis er schliesslich Jesus zum Tod
verurteilt.
45 Jesus vor dem jüdischen Gericht
Mt 26,67f + Mk 14,65f + Lk 22,63f + Joh 18,12f
Das jüdische Gericht hat offiziellen Charakter
(alle drei Gruppen
sind versammelt, Priester, Schriftgelehrte und
Älteste).
Die Vorwürfe und Anklagen, die sie gegen Jesus
erheben, brechen in nichts zusammen. Bestochene
Zeugen können ihm nichts nachweisen. Sein Wort
vom Niederreissen des Tempels und vom
Wiederaufbau in drei Tagen ist geheimnisvolle
Andeutung seines gewaltsamen Todes und seiner
Auferstehung am dritten Tag. Nur ein einziger
Vorwurf und eine einzige Klage ergibt sich aus
den Verhandlungen, formuliert durch den
Hohenpriester als Oberhaupt des Volkes Israel:
«Ich beschwöre dich beim lebendigen GOTT, dass
du uns sagst, ob du der Messias, der Sohn GOTTES
bist». Jesus legt das Bekenntnis ab, dass ER der
Messias, der Sohn GOTTES sei, das ER erweitert
durch den Hinweis auf seine Wiederkunft auf den
Wolken des Himmels und seine Herrlichkeit zur
Rechten des allmächtigen GOTTES. Das ist für
jüdische Ohren eine Gotteslästerung, was ihre
Begründung für das einstimmig gefällte
Todesurteil ist. Es folgt die erste Verhöhnung:
sie speien ihm ins Gesicht, schlagen ihn mit
Fäusten: «Messias weissage uns, wer dich
geschlagen hat».
46
Jesus vor dem heidnischen Gericht
Mt 27,2f + Mk 15,1f + Lk 23,1f + Joh 18,28f
Das heidnische Gericht verurteilt Jesus
ebenfalls als Messias, aber unter der für
Pilatus allein massgebenden politischen
Rücksicht, dass der Messias sich als König der
Juden ausgibt. Zugleich betont Pilatus, dass
dieses Königtum religiöser Natur sei. Die Worte
Jesu enthalten ein Doppeltes: Das Bekenntnis
seiner königlichen Grösse und seines Reiches,
das nicht von dieser Welt ist und darum alle
Reiche dieser Welt überragt. ER ist gekommen als
Zeuge der Wahrheit. Wenn Pilatus die Wahrheit
sucht, wird er innerlich die Stimme GOTTES
erkennen. Aber Pilatus weicht aus: Was ist schon
wahr, was ist Wahrheit? Immerhin ist ihm jetzt
die Unschuld des Angeklagten klar. Er will ihn
freigeben. Um aber die Juden zu besänftigen,
will er ihnen einen Mörder freilassen. Pilatus
verurteilt ihn nicht, sondern überlässt ihn dem
‚Urteil' der Juden. So wird Jesus als religiöser
Messias sterben. Die Kreuzigung wird ihn
ausweisen als Sohn GOTTES.
47
Jesus vor Herodes
Lk23,7-12
Ging es vor dem jüdischen Gericht um Hoheit und
Erniedrigung, vor dem heidnischen um Macht und
Ohnmacht, so geht es vor Herodes um Weisheit und
Torheit. Dieser glaubt sich weise. Er hatte
durch die Gefangennahme des Täufers viel
Sympathien verloren. So war es klug, Jesus in
Ruhe zu lassen. Klugheit gebot aber nun, die
Geste des Pilatus zu beantworten und ein Urteil
über Jesus zu fällen. So gewann Herodes Ansehen
vor allem bei den jüdischen Führern, die vor
seinem Richterstuhl ihre Klage gegen Jesus
vorbringen mussten. Jesus ist für Herodes ein
Narr, weil ER seine Chance nicht auszunützt. ER
könnte beim galiläischen Herodes auf die
Zugehörigkeit zur gleichen Nation pochen, könnte
die antirömische und pilatusfeindliche Haltung
des Königs zu seinen Gunsten ausnützen, könnte
durch kluge Antworten alle Angriffe der
jüdischen Führer entwaffnen und so ein günstiges
Urteil erwirken. Aber Jesus schweigt. ER weiss,
dass Herodes auf seinen Wallfahrten zu den
jüdischen Festen Frömmigkeit heuchelt und mehr
heidnisch als jüdisch lebt. ER weiss, dass
Herodes Pilatus gegenüber den Römerfreund spielt
und doch ein geheimes Waffenlager angelegt hat.
ER weiss, dass Herodes hier den Richter mimt,
während er seine Stellung stärken will. Einem
solchen ,Schein'-Menschen antwortet Jesus nicht.
So schickt Herodes den Häftling im Narrengewand
zu Pilatus zurück und erwidert damit die
politische Höflichkeit, was seine Wirkung nicht
verfehlt: «Herodes und Pilatus wurden an diesem
Tag Freunde, denn vorher hatten sie in
Feindschaft miteinander gelebt».
48
Jesus vor dem Pöbel
Mt 27,15f + Mk 15,6f + Lk 23,13f + Joh 18,39f
Die ,2. Etappe' war kein Verhör, keine
Gerichtsverhandlung mehr, sondern ein
Volksauflauf und eine Misshandlung Jesu. Vom
Pöbel, der durch die Pharisäer und
Schriftgelehrten fanatisiert wurde, geht die
Initiative aus, dass Pilatus ihnen den Barabbas
freigebe. Pilatus will Jesus freilassen. Vom
Volk geht auch der Ruf aus: «Kreuzige ihn!»
Dreimal betont Pilatus die Unschuld des
Gefangenen. Er kommt sogar der Forderung des
Volkes entgegen und lässt den unschuldig
Gefangenen auspeitschen. Aber sie sind damit
nicht zufrieden. Das Ganze endet mit einem
Tumult: «Sie aber setzten ihm mit lautem
Geschrei zu und verlangten, dass er gekreuzigt
werde. Und ihr Geschrei setzte sich durch.» Es
ist ein Musterbeispiel für die Unzuverlässigkeit
der Masse. Neben verantwortungsbewusstem Volk
mit gesundem Empfinden gibt es Masse, die nur
den Namen Pöbel verdient, zusammengerotteter
Haufen, wo der einzelne sein klares Urteil
verliert, seine Meinung überschwemmen lässt vom
Geschrei der Massen. Sie folgen dem, der am
lautesten schreit. So kann ihr Hosanna jäh ins
Kreuzige ihn umschlagen. Diesem verhetzten Pöbel
ist auch Jesus geopfert worden. |
XIII. Jesus wird gekreuzigt und stirbt
Die
Kapelle Lithostrotos steht in der Burg Antonia,
wo Pilatus Jesus verurteilte (=2. Station der
Via Dolorosa).
Auf diesem
Pflaster des Lithostrotos wurde Jesus
vor Pilatus nach der
Verurteilung das Kreuz aufgelegt.
In
Grabeskirche: Ort wo Jesus am Kreuz auf
Golgatha starb.
Vom Kreuz wurde der
Leib Jesu zur Salbung
auf den Salbungsstein gelegt,
heute in der Grabeskirche.
Der Golgota-Felsen wurde von einer dicken
Kalkschicht befreit (er wurde
wahrscheinlich "versiegelt" um zu vermeiden,
dass die Pilger Steine aus dem Hl. Felsen
herausbrachen und als Reliquien nach Hause
nahmen!). Während der geologischen
Sondierungen stiess man auf eine Stelle, wo das
Material sehr weich war. Es entpuppte sich als
Imitation des echten Felsens. Mit einem
"Kunstpfropfen" war das nach unten konisch
verlaufende Standloch des Kreuzes vor
neugierigen Blicken versiegelt worden. Am untern
Ende lag der abgebildete Steinring, der zur
Verkeilung des Kreuz-Längsbalkens im Felsloch
diente. |
49 Pilatus verurteilt Jesus
Mt 27,26f + Mk
15,15f + Lk 23,24f + Joh 16
Der jüdische Vorwurf Du bist kein Freund des
Kaisers, wenn du ihn freilässt, weckt die
Menschenfurcht. Sieben Ausweichversuche
unternimmt Pilatus, fünf Unschuldserklärungen
formuliert er. Das Wort der Juden: Wir haben
keinen König als den Kaiser, ist im biblischen
Zusammenhang bedeutsam. Im alten Israel hiess
es: Wir haben keinen König als Gott. Jetzt
verlassen sie GOTT und vertrauen auf den
irdischen Cäsar. Die Priesterschaft hat die
messianische Hoffnung und damit Israel verraten,
das sich selbst verworfen hat, bis am Ende der
Tage GOTT sich seiner erbarmt. Dies ist der
zweite Sündenfall der Menschheit. In dieser ,3.
Etappe' übergab Pilatus ihnen Jesus zur
Kreuzigung. Dieser weltgeschichtliche Augenblick
wäre der Tag der eigentlichen
Menschheitskatastrophe, das Ende aller Hoffnung,
wenn nicht GOTT auch das Böse zum Guten lenken
würde, wenn nicht GOTTES Gnade grösser wäre als
des Menschen Sünde, GOTTES Liebe stärker als der
Menschen Tun.
50
Jesus auf dem Kreuzweg
Mt 27,31f + Mk
15,20f + Lk 23,26f + Joh 19,16f
Simon von Cyrene kommt zufällig des Weges und
wird zum Kreuztragen genötigt. Dieser Zwang ist
ihm zum Heil geworden. Immer wieder erneuert
sich das im Leben der Menschen. Völlig
unerwartet trifft sie ein Leid, und
unvorbereitet werden sie zum Kreuztragen
genötigt (Krankheit, Familienleid,
Berufsschwierigkeiten, Ehekrisen, politische
Katastrophen, ungerechte Behandlungen...). Sie
setzen sich anfangs zur Wehr. Aber der
Widerstand ist fruchtlos, und so müssen sie sich
mit dem Kreuz auseinandersetzen. Kommen sie auf
diese Weise Christus näher, wird die bisher
bloss äussere Beziehung allmählich zu einem
inneren Verständnis. Der Taufscheinchrist wird
zu einem Herzenschristen.— Die Jesus beklagenden
Frauen stehen im Gegensatz zu Simon offenbar auf
der Seite Christi und haben Mitleid mit ihm.
Christus tadelt sie. Sie sollen nicht über ihn
trauern, sondern über sich. Es gibt Tränen, die
keinerlei Wert haben. Es gibt eine Verbundenheit
mit Christus, die nur Gefühlssache ist.
Sentimentale Frömmigkeit ist seinem Wesen fremd.
ER lehnt sie ab. Wer in der Erinnerung an die
Passion nur in Stimmung macht, hat deren Sinn
nicht verstanden. Man kann diesen Menschen nur
das warnende Wort Christi zurufen: Sie sind
dürres Holz. Der Einzige, der hier am Kreuzweg
die richtige Haltung hat, ist ER selbst. Nur wer
auf das Denken und die innerste Gesinnung Jesu
achtet und eingeht, steht richtig am Kreuzweg
des Herrn.
51
Jesus wird gekreuzigt
Mt 27,33f + Mk
15,22f + Lk 23,33f + Joh 19,18f
Zwischen zwei Missetätern schlagen sie Christus
ebenfalls als Missetäter ans Kreuz. Damit ist ER
von seinem Volk, in aller Form verurteilt,
verworfen und —wie sie meinen— aus der Welt
geschafft. Im Widerspruch verspottet ihn der
Hohe Rat als den Gesalbten und Erwählten des
Herrn. Sein Untergang am Kreuz ist der Beweis
für sie, dass ER nicht der Messias ist. Sie
wollen und erwarten einen andern Messias. Das
gleiche gilt von den Römern. Ihr Soldatenspott
gilt seinem Königtum. Pilatus lässt über dem
Kreuz des Hingerichteten die höhnische Inschrift
anbringen: König der Juden. Das Wort des
Sterbenden: «Vater, vergib ihnen, sie wissen
nicht, was sie tun» ist nicht Vorwurf oder
Richterspruch, sondern eigene Verzeihung und
Bitte an den Vater im Himmel, dass auch er ihnen
verzeihe. Wenn sie erfasst hätten, dass es die
Geburtsstunde einer neuen Menschheit, der Anfang
der Kirche, der Umschlag vom Unheil zum Heil,
vom Tod zum Leben ist, würden sie anders
handeln. Dann rief ER mit lauter Stimme: «Vater,
in deine Hände befehle ich meinen Geist.» Bei
der Geburt Christi wurde die Nacht erleuchtet,
beim Tod Christi wird der hellichte Tag
verdunkelt und «Der Vorhang des Tempels riss
entzwei.» Sein Tod ist aber der Anfang des
eigentlichen Lebens. Darum öffnet sich die Erde,
bersten die Felsen, springen die Gräber auf und
erheben sich die Toten zu neuem Leben. Ein
nüchterner Beobachter dieser Vorgänge, der
römische Hauptmann, fasst alles zusammen:
«Dieser war wirklich Sohn GOTTES». Vom Vater ist
Jesus ausgegangen, zum Vater kehrt ER zurück.
Der Kreislauf schliesst sich.
In der heutigen
Grabeskirche steigt man rechts vom Eingang über
eine schmale Treppe hinauf zu jenem erhöhten
Plateau, wo auf einer Fläche von 15x4.5 m die
Gedächtnisstätte des Richtplatzes Golgota und
des ursprünglichen Kreuzigungsfelsens überbaut
ist. Die Stätte der Kreuzigung und des Todes
Jesu ist im linken Kirchenschiff der
Golgota-Kapelle (auch
Kalvaria-Kapelle; hier befinden sich die 11.+12.
Station des Via Dolorosa-Kreuzweges)
durch einen Altar gekennzeichnet. Zwischen den
Säulen dieses Altars bedeckt eine Silberplatte
die Felsöffnung, in der nach der Überlieferung
und neusten Forschung das Kreuz Jesu stand.
An der rechten Seite dieses im Besitz der
griech.-orthodoxen Kirche stehenden Altars ist
eine Felsspalte zu sehen, die sich beim Tode
Jesu geöffnet hat: "...die Erde bebte und die
Felsen zerbarsten" (Mt
27,51).
Adams Grab: Aus der Vision von Anna
Katharina Emmerich in Geheimnisse des Alten
Bundes: "Von dem Kalvarienberge hatte ich einmal
das Bild, wie ein Prophet, der Gefährte des
Elias, an diesem Orte, der damals ein Hügel mit
Höhlen und gemauerten Grablagern war, sich in
eine solche Höhle unter der Erde begab und in
einem Steinsarge mit Gebeinen den Schädel Adams
ergriff. Es stand die Erscheinung eines Engels
bei ihm, der ihm sagte: "Dieses ist der Schädel
Adams", und ihm verwehrte, denselben
herauszunehmen. Es waren auf diesem Schädel
dünne, gelbe Haare hie und da. Ich sah auch,
dass durch die Erzählung des Propheten der Ort
der Schädelstätte genannt wurde. Senkrecht über
diesem Schädel kam bei der Kreuzigung der Fuss
des Kreuzes Christi zu stehen Ich erhielt die
Anschauung, dass diese Stelle die Mitte der Erde
sei, und es wurde mir die Länge nach Morgen,
Mittag und Abend mit Zahlen gesagt, die ich aber
vergessen habe."
52
Jesus wird begraben
Mt 27,57f + Mk
15,42f + Lk 23,50f + Joh 19,38f
In einen unberührten jungfräulichen Schoss ist
Jesus bei seiner Empfängnis gelegt worden. In
ein unberührtes Grab wird sein Leib nach dem
Tode gelegt. Aus Erde ist der erste Mensch
genommen, zur Erde soll er als Wirkung der Sünde
wieder zurückkehren. So kehrt auch der zweite
Adam, Christus, der die Sünde der Welt auf sich
genommen hat, zur Erde zu rück. Freilich wird er
nicht lange und nicht dauernd in ihrem Schosse
ruhen. Der Sabbat ist nach dem Schöpfungsbericht
der Tag, an dem der Herr nach vollendetem
Schöpfungswerk ruhte. Nun hat auch Jesus sein
Erlösungswerk vollendet. Seine Sabbatruhe ist
Zeichen der Erfüllung und Vollendung seines Tuns.
Seitdem liegt über jedem christlichen Grab jene
feierliche Ruhe und jenes stille Sabbatleuchten,
in dem nicht Trauer und Schmerz überwiegen,
sondern das Wissen um die Vollendung des
Lebenswerkes und das Warten auf den Tag der
Auferstehung. Aber erst wenn Leib und Seele
wieder verbunden in GOTT ruhen, ist alles
vollendet. |
XIV.
Der auferstandene Jesus fährt in den Himmel auf
Der
marmorüberdeckte hl. Stein — Ort der
Auferstehung des Herrn — befindet sich im hl.
Grab in der Grabes- oder Auferstehungskirche.
Die beiden
Emmausjünger beim Brotbrechen mit dem Herrn (A.
Marlinetti).
Das 1985
entdeckte Galiläa-Boot (bei seiner Rückkehr nach
Galiläa, könnte es Jesus benutzt haben).
Die Himmelfahrtskapelle
ist auf der höchsten Stelle des
Ölbergs
in
Jerusalem
östlich der
Altstadt
gelegen. Sie befindet sich an der Stelle von der
aus
Jesus Christus
zum Himmel aufgefahren sein soll.
Letzter Fußabdruck
Christi in der Himmelfahrtskapelle |
53 Das leere Grab
Mt 28,1f +
Mk 16,2f + Lk 24,1f + Joh 20,1f
Die Auferstehung vollzieht sich trotz
staatlichem Siegel und militärischem Aufgebot
majestätisch. Das Überirdische wird sichtbar.
Die Wachen fallen leblos zu Boden. Engel hatten
die Empfängnis des Herrn an Maria verkündet,
Engel hatten die Geburt Christi den Hirten
kundgetan. Engel verkünden nun seine Geburt in
eine andere Welt hinein: «Was sucht ihr den
Lebenden bei den Toten? ER ist nicht hier, ER
ist auferweckt.» Die Frauen sind die ersten
Boten an die Jünger, und diese sollen die
Botschaft weitertragen in die Welt. Die
Nachricht vom grossen Geschehen wird
unaufhaltsam weitergehen durch die Jahrtausende.
Zugleich werden die Jünger aufgefordert, nach
Galiläa zu gehen, wo sie den Herrn sehen sollen.
Nach dem Engel, dem Vorläufer des
Auferstandenen, wird Jesus selbst sichtbar. Das
zweite ist das Erkennen und Verstehen der Worte
Jesu: «Denkt doch... wie ER sagte, dass der
Menschensohn den Händen der Sünder ausgeliefert
werden müsse, dass ER gekreuzigt werde und am
dritten Tage auferstehe.» Die Jünger hatten
diese Worte immer wieder gehört, aber nie
innerlich aufgenommen und sie deshalb nicht
verstanden. Jetzt erst erinnern sie sich und
beginnen zu verstehen.
54
Jesus erscheint zwei Jüngern
Mk 16,12f
+ Lk 24,13-35
Die Jünger sind gläubige Menschen, aber durch
das Leiden an ihrem Glauben ungläubig geworden.
Ein gekreuzigter Erlöser ist ihnen etwas
Unfassliches. Sie haben die Botschaft der Frauen
noch gehört, nehmen sie aber nicht an. Als
Enttäuschte verlassen sie Jerusalem. Da
erscheint ihnen der Herr und erklärt ihnen die
Schrift. Und aus der Schrift den Sinn des
Leidens als grossen Heilsplan GOTTES. «Er begann
mit Moses und allen Propheten und legte ihnen
aus, was in allen Schriften von IHM gesagt
wird.» Zudem offenbart sich Jesus persönlich im
Brotbrechen. «Da gingen ihnen die Augen auf, und
sie erkannten ihn.» Zur Schriftdeutung kommt das
Geheimnis des Brotbrechens. Der Mensch kann
studieren, nachdenken und beten. Es ist
letztlich Gnade GOTTES, wenn sich Christus ihm
kundtut. Durch diese Selbstmitteilung des Herrn
vollzieht sich das gleiche wie bei den
Emmausjüngern: «Es gingen ihnen die Augen auf,
und sie erkannten ihn.» «Noch in der gleichen
Stunde machten sie sich auf und kehrten nach
Jerusalem zurück.» Im Abendmahlssaal erfahren
sie, dass der Herr dem Simon erschienen ist. Die
gegenseitigen Berichte bestätigen somit: Dass
wahrhaftig der Herr auferweckt sei!
55 Der
Auferstandene erscheint den Aposteln
Lk 24,36-49 + Joh
21,1-14
Danach offenbarte sich Jesus noch einmal seinen
Jüngern am See Tiberias. Bei der ersten
Offenbarung nach der Auferstehung hat ER sich
ihnen gezeigt und ihnen die Vollmacht zur
Sündenvergebung übertragen. Bei der 2.
Erscheinung hat er sie im Glauben bestärkt
(v.a. Thomas).
Nun, bei der 3. Erscheinung, gibt ER ihnen das
Vertrauen für ihre Sendung. Ohne ihn ist ihre
Arbeit verlorene Mühe. Sie fangen nichts, auch
wenn sie gemeinsam arbeiten unter der Führung
des Petrus. Mit Christus und durch ihn wird der
Fang ein erstaunlich grosser. Das Netz ist zu
klein und zu schwach, eine solche Menge grosser
Fische zu fassen, und das Fahrzeug ist zu
gebrechlich, um ein solch prall gefülltes Netz
ans Ufer zu bringen. So ist es in der Kirche,
deren Leitung den Jüngern anvertraut ist. Rein
menschlich gesehen ist sie für die
Reich-Gottes-Arbeit untauglich, denn alles
Menschliche ist zu klein und schwach, um GOTTES
Werk zu verrichten. Sie wird darum immer wieder
Zeiten der Enttäuschung, des Leerlaufes, der
scheinbaren Unfruchtbarkeit haben. Aber wenn die
Jünger im Glauben an IHN, im Gehorsam gegen sein
Wort ihr Werk betreiben, wird ER den Fischfang
immer wieder wunderbar gestalten, so dass er den
menschlichen Rahmen sprengt. Die von Menschen
geleitete Kirche, in der es oft allzu menschlich
zugeht, ist das Werk Christi und darum Reich
GOTTES auf Erden. Ist die amtliche Vollmacht von
der Heiligkeit des Trägers abhängig? Die Szene
am See Genesareth gibt die Antwort. Simon hat
das Amt nicht verloren, das verheissende Wort
Jesu geht in Erfüllung. ER überträgt ihm trotz
dreimaliger Verleugnung in feierlicher Form das
Amt der obersten Leitung. Petrus wird in Tabgha
der oberste sichtbare Hirte der Herde Christi.
56
Jesus fährt in den Himmel auf
Mk 16,19 +
Lk 24,50-51
Zweimal wird betont, dass Jesus sich segnend von
den Aposteln verabschiedet habe. Es fällt kein
Wort der Belehrung mehr und kein Auftrag. Alles
Dunkel ist verschwunden. Trotz der Flucht in der
Passion, der Verleugnung des Petrus, dem Zweifel
nach der Auferstehung und der Unsicherheit noch
bei der letzten Erscheinung, ist nun alles in
Licht getaucht. Und im Segen des Herrn endet
alles in Freude. Dieser wird ihnen die Kraft
geben, ohne die sichtbare Gegenwart ihres
Meisters zu leben und zu wirken und sein Werk
weiterzuführen. Die Erinnerung an den segnenden
Herrn wird in ihnen lebendig bleiben. Seine
Auffahrt in den Himmel ist nicht nur für ihn
selbst die Rückkehr zum Vater, sondern ist auch
für die Jünger Hinweis auf seine Wiederkunft und
danach auf ihre eigene Himmelfahrt. Sie wissen
von dieser Stunde an, dass ihr Leben ein
Schreiten zum Licht ist, und dass trotz allem
Dunkel irdischer Existenz in feindlicher
Verfolgung am Ende alles im Licht und in der
Klarheit der Verklärung endet. Die Auferstehung
des Herrn und seine Himmelfahrt haben ihnen den
göttlichen Ursprung, das göttliche Wesen und die
Erhöhung zur Rechten des Vaters endgültig
gezeigt. Bewundernde Anbetung ist der einzig
mögliche Ausdruck ihrer staunenden Freude. Dann
«kehrten sie hocherfreut nach Jerusalem zurück,
waren allzeit im Tempel und priesen GOTT».
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Weitere Bilder von einer
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http://kath-zdw.ch/forum/index.php/topic,134.0.html |