Wert und Segen des heiligen
Meßopfers
Stiftskanonikus Georg Zinnbauer, Regensburg
Der Segen, die Wohlfahrt der Einzelnen wie der Völker,
hängt von dem Grade ab, wie wir mit der Kirche Opferung, Wandlung und
Kommunion halten. Die heilige Messe ist das Zentralgeheimnis der
christlichen Religion, Sonne und Lebensquell der Kirche Gottes, ein
sicherer Rettungsanker in allen Stürmen und Gefahren der Zeit.
Ich blättere in den ehrwürdigen Archiven der Menschheitsgeschichte.
Was lese ich? Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Durch dieses
Felsentor der Schöpfungsworte tritt das Weltall ins Dasein und mit ihm
der Mensch. Und was stellt der Mensch unter das Eintrittsportal dieser
Zeit? Welches ist das erste Baudenkmal, von dem wir Kunde haben? Ein
Altar! Zwei Altäre und neben ihnen die beiden ersten bekannten
Altarbauer und Priester: Kain und Abel!
Die Sintflut reinigt den Erdkreis. Die Bewohner der Arche eröffnen
eine neue Zeit. Und die erste Nacht dieser neuen Zeit? Noah baute dem
Herrn einen Altar! So geht's durch den ganzen Alten Bund. Wenn große
Stunden anbrechen, baut man wieder zuerst Altäre. Und die größte
Stunde aller Jahrhunderte? Es war jene Karfreitagsstunde, wo die
Kreuz-Altarweihe stattfand mit Blut und Tränen auf Golgotha durch
Christus, den Hohen Priester.
Seither hat das Altarbauen und Opfern unter den Christen nie mehr
aufgehört. Neue Zeiten, neue Priester, neue Altäre. Die Altäre, die
wichtigsten Monumente durch alle Jahrtausende! Ein Volk, das Altäre
baut und Priester hervorbringt, ist ein großes Volk. Und ein Volk, das
die Sprache der Altäre nicht mehr versteht, ist ein armes Volk. Die
Sprache der Altäre, was heißt das?
Altäre dürfen keine bloßen Kunstwerke sein. Altäre sind Opferstätten!
Wo aber sind die Opfer? Das erste ist Jesus Christus. Wir wissen, daß
derjenige, der einst die Altarstufen von Golgotha hinangestiegen,
täglich hunderttausend Male auf dem ganzen Erdkreis Leib und Blut
dahingibt. Aber ich frage noch einmal wie einst Isaak seinen Vater
Abraham: Wo sind die Opfer? Und diesmal schaue ich euch an. Ihr habt
den Mut gehabt, Altäre zu bauen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ihr
müßt auch den Mut haben Opfer zu sein - wie Jesus - Leib und Leben,
Gut und Blut Gott zur Verfügung stellen. Alles!
Der Altar redet eine unerbittliche Sprache. Er ist mehr als Opferstock
und Opferteller. Hier werden Kleinmünzen hineingelegt, dort Herzen.
Hier etwas, dort alles. Der Opferstock rechnet mit Tausendstel und
Zehntausendstel vom Vermögen; der Altar mit 100 Prozent. Der Altar ist
kein Krämertisch und keine Wechselbank, wo man wieder etwas
herausbekommt. Der Altar redet die Sprache des Hauptgebotes. Du sollst
den Herrn deinen Gott lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner
ganzen Seele, aus allen deinen Kräften. Wir meinen immer, das Herz sei
ein Kuchen, den man in vier und noch mehr Stücke teilen könne. Das
größere Stück nehmen wir selbstverständlich vorweg für uns. Ein Stück
bekommt der Nächste, eines das Geschäft, die Politik oder das
Vergnügen. Den Rest bekommt der gute liebe Gott, damit er wieder
Kartoffeln gibt und Obst und Heu.
Gott lebt nicht von den Resten und Brosamen, die von unseren Tischen
fallen. Auf den Stufen des Altares wird die Souveränität Gottes ohne
Rückhalt ausgesprochen. Die Opferstätte ist der Ort, wo Gottes
allerhöchste, einzige Herrschafts- und Eigentumsrechte auf alles
Geschaffene erklärt werden. Das Opfer spricht: Herr, da bin ich; mach
mit mir, was Du willst! Ich bin Dein, Dein meine ganze Persönlichkeit,
meine Intelligenz, mein Wille, mein Leben, meine Familie, mein
Vermögen. In der Politik herrscht Proporz. Das Gesetz der Altäre ist
das der absoluten Monarchie Gottes. Gott der Eine und Einzige!
Der katholische
Gottesdienst ist darum vor allem eine Actio Christi.
Eine Tat Christi. Die Messe ist in erster Linie Christus.
Die Sprache der Altäre ist verzehrendes
Feuer. Feuer brennt, flammt, ergreift. Feuer kennt keine Halbheit und
krankhafte Neutralität. Feuer verzehrt und vernichtet alles, was
unrein. Feuer will vorwärts, erfaßt die Umgebung, will herrschen.
Katholisches Volk! Laß dieses Feuer deiner Altäre nie erlöschen. Du
warst Altarbauer.
Nun sei auch Opferer mit deinen Priestern. Erst in der heiligen Messe
erreicht der Mensch den Höhepunkt seiner christlichen Würde auf Erden.
Größer ist er nie als vor dem Altare. Sage mir, wie du zur Messe
stehst, und ich werde dir sagen, wer du bist.
Wenn wir wüßten, was die Messe ist, wir würden die Welt umkehren. Wir
würden in kurzer Zeit die größte aller geistigen Revolutionen
vollbringen. Wir würden das Angesicht der Erde erneuern. Alle Priester
würden Heilige und alle Pfarreien umgewandelt. Aber wir wissen kaum
noch, was die Messe ist. Wir Priester nicht und das katholische Volk
nicht. Wir gehen mit halbblinden Augen zu den Altären. Wie
Halbbewußtlose, die nicht recht wissen, was sie machen.
Die Messe ist die Wandlung. Alles andere im Gottesdienst ist nur
vorbereitend und vollendend. Der Höhepunkt, die Seele der ganzen
Opferhandlung ist die Wandlung. Die Messe ist der Wandlung wegen da.
Die Priester werden der Wandlung wegen geweiht. Die katholischen
Kirchen werden der Wandlung wegen gebaut.
Man muß dem
Sonntag wieder seine katholische Seele zurückgeben.
In der hochheiligen Wandlung wird das
Opfer des Neuen Bundes dargebracht. Das unblutige Kreuzopfer.
Die Messe ist höchste Aktivität. Messe ist Actio. Handlung. Handlung
in dreifacher Abstufung: Opferzubereitung, Opferdarbringung,
Opfermahl. Vor allem aber die Wandlung ist Tat. Totale Hingabe der
Schöpfung an den Schöpfer.
Feierliche Anerkennung der allerersten Tatsache: Es ist ein Gott. Es
ist ein Erschaffer des Himmels und der Erde. Es ist ein Herr und
Eigentümer aller Dinge. Also feierliche offizielle Anerkennung der
allerhöchsten absoluten und universalen Souveränität Gottes durch die
Welt.
Die Messe ist höchste Aktivität Christi. Die katholische Kirche ist
mehr als Organisation, sie ist lebendiger Organismus. Besser gesagt:
Die Katholische Kirche ist eine Persönlichkeit. Die katholische Kirche
ist der fortlebende und fortwirkende Christus in Verbindung mit seinem
mystischen Leib, der Gemeinschaft der Gläubigen.
Die katholische Pfarrei ist der fortlebende gegenwärtige Christus mit
seinen Gliedern.
Der katholische Gottesdienst ist darum vor allem eine Actio Christi.
Eine Tat Christi. Die Messe ist in erster Linie Christus. Messe ohne
den zwar unsichtbar, aber wahrhaft wirklich und wesentlich
gegenwärtigen Christus wäre Theater. Meinetwegen ein von Menschen
aufgeführtes Passionsspiel, aber weiter nichts. Die Messe ist Actio
Christi. Erhabenste Tat Christi. Vollkommne Hingabe an den Willen des
Vaters.
Ich glaube an die Messe. Ich glaube an das kommende, goldene Zeitalter
der Messe. Ich glaube an den unter uns fortlebenden und fortopfernden
Christus. Ich glaube an die auch werktags vollen Kirchen. Ich glaube
an die Generalkommunion der ganzen Familie und der ganzen Gemeinde.
Und wenn man mich fragt, auf was sich dieser Optimismus stütze, dann
antworte ich: auf den Heiligen Geist! Und auf ein kommendes, neues,
heiliges Priestergeschlecht. Was ist die hl. Messe? Das gegenwärtige
Golgotha. Der wichtigste Tag der Weltgeschichte ist der Karfreitag.
Die wichtigste Stunde der Weltgeschichte ist die Todesstunde Jesu. Von
dieser Stunde hängt das Heil der Welt ab für alle Jahrtausende. Was
machte Christus am Kreuze? Er hielt von 12 Uhr bis 3 Uhr Gottesdienst.
Gottesdienst als Vertreter des gesamten Menschengeschlechtes.
Gottesdienst der Anbetung und der Hingabe bis zum letzten Tropfen
Blut. Bis zur letzten Faser seiner Natur. Bis zum letzten Atemzug.
Anerkennung der allerhöchsten Herrschaftsrechte und Eigentumsrechte
Gottes. Gottesdienst der Sühne und der Genugtuung für alle Sünden der
ganzen Welt. Er trug unsere Krankheiten. Er lud auf sich unsere
Schmerzen. Er wurde verwundet um unserer Missetaten willen.
Gottesdienst des Flehens und Aufschreiens um Erbarmung.
Dieser dreistündige Gottesdienst des gekreuzigten Opferpriesters
Christus machte im Himmel einen solchen Eindruck, daß Gott beschloß,
um dieses Opfers willen den Menschen ihre Sünden wieder zu vergeben
und sie zur ewigen Seligkeit zuzulassen. Die Menschheit war erlöst. Es
ist klar, daß dieses wichtigste Ereignis zwischen Erschaffung und
Weltgericht, das immerwährend vor Gottes Auge steht, auch auf Erden
nie vergessen werden darf. Die Erinnerung an das Kreuzesopfer wird
stetsfort lebendig erhalten in allen Kirchen und Familien, in den
katholischen Gegenden, auch an den Straßen und auf den Bergen, durch
das Kruzifix, das erhabene Zeichen der Erlösung. Die katholische Messe
ist in ihrem innersten Wesen Andenken, Erneuerung und
lebendige Darstellung des Golgothadramas. Testamentsvollstreckung des
letzten Willens Jesu durch die von ihm bestellten Priester. Ausführung
des Christuswortes: Tut das zu meinem Gedächtnis.
Ohne die Messe keine Gnade.
Ohne die Messe keine Heiligkeit.
Ohne die Messe keine ewige Seligkeit.
Weil die Messe der opfernde, gnadenspendende Christus ist, sobald der
Priester die Wandlungsworte gesprochen hat, kann man sagen: Alles Heil
hängt von der heiligen Messe ab. Ohne die Messe können wir nichts tun.
Ohne die Messe würde der Gnadenstrom des Kreuzes versiegen. Ohne die
Messe keine Gnade. Ohne die Messe keine Heiligkeit. Ohne die Messe
keine ewige Seligkeit. Alles hängt von der Messe ab, weil alles von
Christus, dem Opfer, abhängt und die Messe Christus, das Opfer, ist.
Die Messe ist der große Gnadenkanal der Christenheit. Wir leben von
der Messe. Es gibt noch andere Gnadenleitungen, die wir Sakramente
nennen. Taufe, Firmung, Buße, Krankensalbung, Priesterweihe, Ehe. Aber
diese Gnadenleitungen sind nur Nebenkanäle, die aus dem Hauptkanal der
heiligen Messe ihre Nahrung schöpfen, dem auf den Altären opfernden
Christus. Die Hauptsache in der Rettung der Menschheit ist die Messe.
Ein Katholizismus ohne Liebe zur heiligen Messe ist ein Katholizismus
ohne Herz. Man muß darum dem Sonntag wieder seine katholische Seele
zurückgeben.
Man muß den unter dem Schutt des Materialismus begrabenen guten alten
Sonntag wieder zum Leben erwecken. Der Sonntag soll wieder der
Sonnentag der Christenheit werden, das belebende und erneuernde
Prinzip unserer geistigen Wiedergeburt.
Auch der Sonntag ist, was die heilige Messe ist. Der Sonntag wird erst
dann wieder seine zentrale Bedeutung im Leben des Volkes
zurückerhalten, wenn wir wieder wissen, was die heilige Messe ist.
Wenn wir die Messe gleichsam von neuem entdeckt haben als das große
Mysterium fidei, das Geheimnis des Glaubens, das Tiefste und Höchste
und Weiteste, was es gibt zwischen Himmel und Erde.
Die Messe und darum der Sonntag ist Wandlung.
Durch göttliches Machtwort wird aus dem Brot der Leib Christi und aus
dem Wein sein Blut. Der mystisch gegenwärtige Christus wird zum
sakramental gegenwärtigen Christus. Unter der Gestalt von Brot und
Wein.
Aber das ist noch nicht die ganze Wandlung. Zur liturgischen Wandlung
muß die asketische Wandlung hinzukommen. Es genügt nicht, daß das
Brot, unser Brot, das wir auf den Altar gelegt, Christus wird.
Messe ist Wandlung und Wandlung ist
Umgestaltung in Christus,
Bekehrung, Sterben des alten und
Werden eines neuen Menschen.
Wir selbst müssen Christus werden.
Wir selbst müssen Christus werden. Jeder Christ ein
zweiter Christus! Wir vergessen das oft. Wir meinen, wir hätten unsere
Sonntagspflicht getan, wenn wir der liturgischen Wandlung beigewohnt.
Wir gehen zur Messe. Aber wir kommen gewöhnlich als die Gleichen nach
Hause.
Unverträglich, empfindlich, lieblos, unmäßig, nachlässig.
Es war eine Messe ohne moralische Wandlung. Sie läßt keine tiefen
Spuren zurück im Leben. Wir werden nicht besser. Der Sonntag hat zu
wenig Geist vom Geist der Wandlung. Er ist zu viel bloße
Gewohnheitssache und Äußerlichkeit.
Messe ist Wandlung und Wandlung ist Umgestaltung in Christus,
Bekehrung, Sterben des alten und Werden eines neuen Menschen. Das ist
der wahre Sinn des Sonntags.
Wir kommen am Sonntag zum Gottesdienst zusammen. Die Sonntagsmesse ist
das obligatorische gottesdienstliche Minimum. Kein praktisches
Christentum
ohne sonntägliche Anteilnahme am Mysterium fidei, am unblutig
wiederholten Kreuzopfer des Neuen Bundes.
Aber weil es unsere Aufgabe ist, alles in Christus zu erneuern, müssen
wir auch den Werktag, den von Gott geschaffenen, aber Gott wieder
entrissenen, vermaterialisierten, modernen Werktag dem zurückgeben,
der auch ihn schuf. Ihn wieder christianisieren! Ihn katholisch
machen. Ein hervorragendes Mittel zur Wiederverchristlichung des
Alltagslebens ist die Werktagsmesse.
Im Alten Bund galt das Gesetz: Kein Tag ohne Gottesdienst! Kein Tag
ohne Morgenopfer! So spricht der Herr zu Mose: „Das Feuer auf dem
Altare soll immerdar brennen. Der Priester soll jeden Morgen täglich
Holz dazulegen, es nähren und das Brandopfer darauf tun. Das ist das
ewige Feuer, das nimmer erlöschen soll auf dem Altare." Immerwährender
Gottesdienst! Das Gesetz des Alten Testamentes muß auch das Gesetz des
Christentums sein. Wenn unser Glaube der wahre ist, dann muß er den
immerwährenden Gottesdienst kennen. Das ewige Feuer der Altäre. Die
Prophezeiung des Maleachi
muß in Erfüllung gehen. Also spricht der Herr der Heerscharen: „Vom
Aufgange der Sonne bis zum Niedergange wird mein Name herrlich sein
unter den Völkern und an allen Orten wird meinem Namen geopfert und
ein reines Speiseopfer dargebracht werden". Religion muß vor allem
Gottesdienst sein. Gottesdienst aller Orte und aller Zeiten.
(Quelle: "Bote von Fatima" April/2008, S.52ff., Regensburg)
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