Gott bedient sich Marias, bei
der Heil(ig)ung
der Seelen
Der
HI. Ludwig Maria Grignion von Montfort hat in seinem
Goldenen Buch ein wunderschönes Kapitel geschrieben,
das sich für dieses Thema geradezu aufdrängt. Einleitend
schreibt er dazu: So wie die drei Personen der
Allerheiligsten Dreifaltigkeit beim ersten Kommen Jesu
Christi in der Menschwerdung gewirkt haben, so wirken
sie täglich auf unsichtbare Weise in der heiligen
Kirche, und so werden sie es halten bis Christus
wiederkommt und die Zeit sich vollendet.
1.
Maria, die Gnadenvermittlerin
GOTT Vater hat
alle Wasser gesammelt und sie Meer genannt; ER
hat alle Gnaden gesammelt und sie Maria genannt.
Der grosse
GOTT besitzt einen übervollen Schrein, eine
Schatzkammer, in der ER alle Schönheit, allen
Glanz, alles, was selten und kostbar ist,
eingeschlossen hat, selbst seinen eigenen Sohn. |
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Diese unermessliche Schatzkammer ist
niemand anders als Maria. Die Heiligen nennen sie denn
auch GOTTES Schatzkammer, aus deren Fülle die Menschen
ihre Reichtümer empfangen. |
GOTT
Sohn hat
seiner Mutter alles übergeben, was ER durch sein Leben
und Sterben erworben
hat, seine unendlichen Verdienste
und seine wunderbaren Tugenden. Das ganze Erbe, das sein
Vater ihm verliehen hat, lässt ER durch sie verwalten
und verteilen; durch sie wendet ER seine Verdienste
seinen Gliedern zu, durch sie teilt ER seine Tugenden
mit und spendet seine Gnaden. Maria ist wie ein
geheimnisvolles Strombett; sie ist die Leitung, durch
die ER sanft und reichlich die Wasser seines Erbarmens
strömen lässt.
GOTT
der Heilige Geist
hat seiner treuen Braut Maria
seine unaussprechlich grossen Gaben anvertraut: ER hat
sie zur Ausspenderin seines ganzen Besitzes erwählt;
darum ist sie es, die alle seine Gaben und Gnaden
verteilt an wen sie will, in welchem Masse sie will, wie
sie will und wann sie will. Keine himmlische Gabe wird
den Menschen verliehen die nicht durch ihre
jungfräulichen Hände ginge. Denn das ist der Wille
GOTTES, dass wir alles durch Maria empfangen; so will
nämlich der Allerhöchste jene Magd auszeichnen, erhöhen
und ehren, die sich während ihres ganzen Erdenlebens in
tiefer Demut entäussert, erniedrigt und bis in die
Tiefen ihres Nichts verborgen hat. Das ist die
Auffassung der Kirche und der heiligen Kirchenväter.
Wenn ich
zu den Gelehrten dieser Zeit spräche, dann würde ich
alles, was ich jetzt einfach behaupte, ausführlich durch
lateinische Zitate aus der Heiligen Schrift und den
Kirchenvätern belegen. Nun spreche ich aber
hauptsächlich zu den Armen und Einfachen; und da diese
guten Willens sind und mehr Glauben besitzen als die
meisten Gelehrten, nehmen sie das alles viel einfacher
auf und haben auch mehr Verdienste dabei. Darum begnüge
ich mich damit, ihnen einfach die Wahrheit zu erklären,
und halte mich nicht lange auf mit der Anführung all der
lateinischen Textstellen, die sie ja doch nicht
verstehen. Einige Texte zitiere ich allerdings, jedoch
ohne mich besonders darauf zu verlegen. Aber fahren wir
fort.
2.
Macht der
Fürbitte
Mariens
Die Gnade
ist die Vollendung der Natur und die Glorie die
Vollendung der Gnade. Darum ist der Heiland sicherlich
auch im Himmel Sohn Mariens, wie ER es auf Erden war. ER
hat deshalb die Ehrfurcht und den Gehorsam des
vollkommensten aller Kinder gegenüber der besten aller
Mütter bewahrt. Freilich muss man sich davor hüten,
diese Abhängigkeit als irgendeine Erniedrigung oder
Unvollkommenheit in Jesus Christus aufzufassen. Denn
Maria steht ja unendlich viel tiefer als ihr Sohn, der
GOTT ist. Sie kann ihm daher nicht so befehlen wie
irgendeine Mutter hienieden ihrem Kinde befiehlt, das
tiefer steht als sie. Aber Maria ist ganz in GOTT
hineingenommen durch die Gnade und Glorie, die alle
Heiligen in ihn hineinzieht. Daher erbittet, will und
tut sie nichts, was dem ewigen und unveränderlichen
Willen GOTTES zuwiderliefe. Wenn man darum in den
Schriften der Heiligen wie Bernhard, Bernardin,
Bonaventura und anderer liest, alles im Himmel und auf
Erden, ja GOTT selbst sei der allerseligstenJungfrau
untertan, dann ist das so zu verstehen: Die Gewalt, die
GOTT Maria gnädig verliehen hat, ist so gross, dass es
scheint, als habe sie die gleiche Macht wie Gott. Ihre
Gebete und Bitten haben bei GOTT ein solches Gewicht,
dass ER sie stets wie Befehle achtet und seiner lieben
Mutter niemals eine Bitte abschlägt, eben weil sie immer
demütig ist und ganz im Willen GOTTES steht.
Schon
Moses hat durch
die Kraft seines
Gebetes den
Zorn GOTTES über
die Israeliten
so wirksam aufgehalten, dass der erhabene und unendlich
barmherzige Herr ihm nicht widerstehen konnte. »Lass
mich doch meinem Zorne nachgeben und das aufrührerische
Volk bestrafen!» so hatte er ihn gebeten. Wenn das schon
bei Moses so war, müssen wir dann nicht das gleiche mit
noch viel mehr Grund vom Gebet der demütigen Jungfrau
Maria annehmen? Hat doch das Gebet der Gottesmutter vor
dem Herrn mehr Gewicht als die Gebete und Fürbitten
aller Engel und Heiligen im Himmel und auf Erden.
Das ist
der Wille des Herrn, der die Niedrigen erhöht, dass
Himmel, Erde und Hölle sich den Befehlen der demütigen
Jungfrau beugen, ob sie wollen oder nicht. Er hat sie
zur Königin des Himmels und der Erde gemacht, zur
Anführerin seiner Heerscharen, zur Verwalterin seiner
Schätze, zur Ausspenderin seiner Gnaden, zur
Vollbringerin seiner grossen Wunder, zur Versöhnerin und
Fürsprecherin der Menschheit, zur Siegerin über die
Feinde GOTTES und zur treuen Gefährtin seiner Grosstaten
und seiner Triumphe.
3.Wer
Maria nicht zur Mutter hat,
hat GOTT nicht zum Vater.
GOTT
Vater will sich bis zum Ende der Welt durch Maria Kinder
zeugen. Deshalb spricht er zu ihr: »In Jakob schlage
dein Zelt auf«, das heisst: nimm Wohnung und Aufenthalt
in meinen Kindern und meinen Auserwählten, die durch
Jakob versinnbildet sind, und nicht in den Kindern
Satans, deren Sinnbild Esau ist.
Wie zur
natürlichen, körperlichen Zeugung ein Vater und eine
Mutter notwendig sind, so gehören auch zur
übernatürlichen, geistigen Zeugung ein Vater, nämlich
GOTT, und eine Mutter, nämlich Maria. Alle wahren Kinder
GOTTES haben Gott zum Vater und Maria zur Mutter. Wer
Maria nicht zur Mutter hat, der hat auch GOTT nicht zum
Vater. Darum haben alle jene, die Maria hassen, ihr mit
Missachtung oder Gleichgültigkeit begegnen, GOTT nicht
zum Vater, wenn sie sich auch dessen rühmen, eben weil
sie Maria nicht zur Mutter haben. Hätten sie Maria zur
Mutter, dann würden sie sie lieben und ehren, wie ein
gutes Kind die Mutter liebt und ehrt, die ihm das Leben
geschenkt hat.
Das
sicherste und untrüglichste Zeichen, um einen
Irrgläubigen von einem Rechtgläubigen, ein Kind des
Lichtes von einem Kind der Finsternis zu unterscheiden,
ist seine Stellung zu Maria. Die Irrgläubigen und die
Kinder der Finsternis haben für die Gottesmutter oft nur
Missachtung und Gleichgültigkeit übrig. Sie suchen durch
Wort und Tat, offen oder im Verborgenen, Marienverehrung
und Marienliebe zu mindern, manchmal unter schönem
Vorwand. Die Armen! GOTT Vater hat Maria nicht geheissen,
ihre Wohnung in ihnen aufzuschlagen.
4. Jesu
Mutter ist auch die Mutter seines mystischen Leibes.
GOTT Sohn
will durch seine liebe Mutter täglich neu gebildet
werden und gleichsam in seinen Gliedern wieder Fleisch
annehmen. Darum spricht ER zu ihr: »In Israel soll dein
Erbe sein.« Es ist, als wollte er sagen: Gott mein Vater
hat mir alle Völker der Erde als Erbe verliehen, alle
Menschen, Gute und Böse, Gotteskinder und Weltkinder.
Die einen werde ich mit einem goldenen Zepter regieren,
die andern mit einem eisernen; den einen werde ich Vater
und Fürsprecher sein, den andern ein gerechter Rächer,
allen aber werde ich Richter sein. Du aber, meine
geliebte Mutter, du sollst als Erbe und Besitz nur die
Auserwählten haben, die in Israel versinnbildet sind.
Als ihre gute Mutter sollst du sie gebären, nähren und
aufziehen; als ihre Königin sollst du sie führen,
regieren und beschützen.
Mensch um
Mensch ward in ihr geboren«, spricht der Hl. Geist. Nach
der Auslegung mehrerer Kirchenväter ist der erste
Mensch, der aus Maria geboren ist, der Gottmensch Jesus
Christus; der zweite ist der blosse Mensch, das
Adoptivkind GOTTES und Mariens. Wenn Jesus Christus, das
Haupt des mystischen Leibes, von ihr geboren ward, dann
müssen notwendigerweise auch die Auserwählten als
Glieder dieses Leibes von ihr geboren werden. Eine
Mutter bringt ja nicht den Kopf ohne die Glieder zur
Welt, ebensowenig wie die Glieder ohne den Kopf; sonst
wäre das eine Missgeburt der Natur. Und ebenso müssen
auch in der Ordnung der Gnade das Haupt und die Glieder
von der gleichen Mutter geboren werden. Und wenn
irgendein Glied des mystischen Leibes Jesu Christi von
einer anderen Mutter stammte als von Maria, die das
Haupt gebar, dann wäre das kein Auserwählter, kein Glied
Jesu Christi, sondern eine Missgeburt in der Ordnung der
Gnade.
5.
Maria bringt Christus in den Seelen hervor
Zudem ist
Jesus jetzt und immer das Kind Mariens. Himmel und Erde
wiederholen es ihr ja täglich tausend- und aber
tausendmal: »Und gebenedeit ist die Frucht deines
Leibes, Jesus.« Darum ist sicherlich Jesus Christus für
jeden einzelnen Menschen, der ihn besitzt, genau so das
Kind und das Werk Mariens wie für die ganze Welt im
allgemeinen. Wenn daher ein Gläubiger Jesus in seinem
Herzen gestaltet hat, dann darf er kühn bekennen:
»Inniger Dank sei Maria! Was ich besitze, hat sie
bewirkt und hervorgebracht, und ohne sie besässe ich es
nicht.« Wenn schon der Hl. Paulus von sich behaupten
kann: »Noch einmal leide ich Geburtswehen um euch, bis
Christus in euch Gestalt gewinnt«, dann können wir mit
grösserem Recht Maria sprechen lassen: Täglich leide ich
Geburtswehen um die Kinder GOTTES, bis mein Sohn Jesus
Christus in der Fülle seines Mannesalters in ihnen
Gestalt angenommen hat. In einem kühnen Gedankenflug
geht der Hl. Augustinus noch viel weiter als ich. Er
erklärt nämlich, alle Erwählten seien in dieser Welt im
Schosse der heiligen Jungfrau verborgen, um dem Bilde
des Gottessohnes gleichförmig zu werden; diese gute
Mutter bewahre, nähre und erhalte sie dort und fördere
ihr Wachstum so lange, bis sie nach dem Tode sie zur
ewigen Herrlichkeit gebiert. Denn das ist erst der
eigentliche Tag ihrer Geburt, wie die Kirche den Tod der
Gerechten nennt. Welch ein Geheimnis der Gnade ist doch
dies, den Weltmenschen unbekannt, den Kindem GOTTES nur
wenig bekannt!
6.
Maria bildet die Heiligen
GOTT der
Hl. Geist will sich in ihr und durch sie seine
Auserwählten bilden: »In meinen Auserwählten sollst du
Wurzeln schlagen; du, meine geliebte Braut, sollst die
Wurzeln all deiner Tugenden schlagen in meinen
Erwählten, damit sie wachsen von Tugend zu Tugend und
von Gnade zu Gnade. Ich habe ein solches Gefallen an dir
gefunden, als du auf Erden lebtest und die erhabensten
Tugenden übtest, dass ich dich weiter auf Erden finden
möchte, ohne dass du aufhörst, im Himmel zu sein. Darum
lebe weiter in meinen Auserwählten, damit ich mit
Wohlgefallen in ihnen die Wurzeln deines
unüberwindlichen Glaubens, deiner tiefen Demut, deiner
allseitigen Abtötung, deines erhabenen Gebetes, deiner
glühenden Gottesliebe, deiner festen Hoffnung und all
deiner Tugenden erblicke. Du bist ja immer noch meine
Braut, treu, rein und fruchtbar wie eh und je. Dein
Glaube soll mir Gläubige schenken, deine Reinheit
Jungfrauen, deine Fruchtbarkeit Auserwählte und
Gottestempel.»
Wenn
Maria in einer Seele Wurzeln geschlagen hat, dann bringt
sie darin Wunder der Gnade hervor, wie nur sie es
vermag. Sie allein ist ja die fruchtbare Jungfrau, die
niemals ihresgleichen an Reinheit und Fruchtbarkeit
gefunden hat, noch finden wird. Zusammen mit dem Hl.
Geist hat Maria den Gottmenschen hervorgebracht, das
Grösste, was es je gab und geben wird. Sie wird auch die
grössten Dinge der Endzeit wirken. Ihr ist die Bildung
und Erziehung der grossen Heiligen vorbehalten, die
gegen das Weltende hin auftreten werden. Denn nur diese
einzigartige und wunderbare Jungfrau kann zusammen mit
dem Hl. Geist Einzigartiges und Aussergewöhnliches
hervorbringen.
Wenn der
Hl. Geist, ihr Bräutigam, Maria in einer Seele findet,
dann eilt er hin, geht ganz in diese Seele ein und teilt
sich ihr in seiner Fülle mit, und zwar genauso, wie
diese Seele seiner Braut Eingang gewährt. Einer der
Hauptgründe dafür, dass der Hl. Geist heute keine
auffallenden Wunder in den Seelen wirkt, ist die
Tatsache, dass er sie zu wenig mit seiner treuen,
unzertrennlichen Braut vereinigt findet. Ich sage:
unzertrennliche Braut des Hl. Geistes; denn seit er als
die wesenhafte Liebe des Vaters und des Sohnes sich mit
Maria vermählt hat, um Jesus Christus, das Haupt der
Auserwählten, hervorzubringen, und dann Jesus Christus
in den Auserwählten, seitdem hat er sie niemals
verstossen, weil sie stets treu und fruchtbar geblieben
ist.
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