Maria - Die sieben
Gesetze der Liebe

   
   




 

 

  
Es werden in der Hl. Schrift nur sieben Aussprüche der Mutter GOTTES erwähnt. Diese sieben Worte werden hier verwendet, um die sieben Gesetze der Liebe zu erläutern.

1. Die Liebe ist eine Wahl.

Jeder Akt der Liebe ist eine Bejahung, ein Bevorzugen und ein Entschluss. Er ist aber auch eine Verneinung. «Ich liebe dich« bedeutet, dass ich jemand anderen nicht liebe. Weil Liebe eine Wahl besagt, setzt sie eine Loslösung von der bisherigen Lebensweise und ein Brechen mit vorhergehenden Bindungen voraus. Deshalb das Gebot des Alten Testamentes: «Der Mann wird daher Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen« (Gen 2, 24).

Zugleich mit dieser Loslösung entsteht ein tiefes Gefühl der Anhänglichkeit für den geliebten Menschen. Die Sehnsucht des einen Teils findet im anderen die Erwiderung seiner Gefühle. Die werbende Liebe fragt nie darnach, warum man geliebt wird. Die einzige Frage lautet: «Wie?» Liebe ist nie frei von Sorgen: «Wie sollen wir leben? Wie können wir uns erhalten?»

GOTT liebt sogar den sündigen Menschen. Aber ER wollte seine Liebe der menschlichen Natur nicht aufdrängen. Daher warb ER um eines seiner Geschöpfe, damit es sich durch einen freien Willensakt von dem sündhaften Menschengeschlecht loslöse und ihm so innig anhänge, dass es ihm die menschliche Natur geben und so ein neues Menschengeschlecht beginnen könne. Die erste Frau traf eine Wahl, die das Verderben brachte; die Neue Frau wird aufgefordert eine Wahl zu treffen, um den Menschen wiederherzustellen. Es stand aber eine Schwierigkeit im Wege: «Wie soll dies geschehen, da ich keinen Mann erkenne?» Da es aber die göttliche Liebe ist, die wirbt, findet sie auch die Möglichkeit sich zu verkörpern. Der Sohn GOTTES, durch ihren Willen geboren, wird durch den Geist der Liebe GOTTES empfangen.

2. Nach der Wahl erfolgt Hingabe an den Geliebten.

Jede Liebe sehnt sich nach vollkommener Übereinstimmung und danach, etwas von sich herschenken zu können, um dem anderen zu helfen. Wenn die Wahl einmal getroffen ist, folgt ihr die Hingabe, denn wir besitzen die Freiheit nur, um sie wegzuschenken. «Mein Wille gehört nur mir, um ihn dir zu schenken», sprechen die Lippen jedes Liebenden. Die Freiheit ist zur süssen Sklaverei der Liebe bestimmt. Jede Liebe geht von der Möglichkeit zur Tat, von der Wahl zum Besitz, von der Sehnsucht zur Vereinigung und von der Werbung zum ehelichen Bund über. Von allem Anfang an wird gesagt, dass die Liebe Mann und Frau zu, zwei in einem Fleisch' mache. Eine Seele geht in die andere ein und der Leib folgt der Seele in der innigsten Vereinigung, die erreicht werden kann. Der Unterschied zwischen Dirnentum und Liebe besteht darin, dass in dem ersten der Leib ohne Seele dargeboten wird. Wahre Liebe verlangt, dass der Wille zur Liebe dem Akt der Besitzergreifung vorausgeht. Nachdem GOTT um die Seele eines Geschöpfes geworben und sie aufgefordert hatte, ihm die menschliche Natur zu geben und nachdem alle Schwierigkeiten gelöst waren, wie ihre Jungfräulichkeit gewahrt werden könne, folgt die grosse Tat der Hingabe: «FIAT, mir geschehe ...»— Ergebung, Entsagung und die Feier der göttlichen Vermählung. In anderem Sinn wurden jetzt zwei in einem Fleisch: die göttliche Natur und die menschliche lebten in der Person Christi im Schosse Marias, GOTT und Mensch zugleich. Nie ist auf dieser Welt in einer Person eine solche Einheit zwischen GOTT und Mensch gewesen, wie es jetzt Maria in sich erlebte, als sie IHN, den die Himmel nicht fassen konnten, neun Monate lang trug. Nachdem Maria schon im Geiste mit ihm vereint war, wurde sie jetzt im Leibe mit ihm vereint, als ihre Liebe in der mütterlichen Fürsorge für das ,heimatlose Wort' ihren Höhepunkt erreichte.

 

3. Liebe verlangt ständigen Verzicht auf sich selbst.

Man macht es sich leicht in der Liebe, wenn man den geliebten Menschen als selbstverständlich hinnimmt und findet, dass das, was für das ganze Leben freiwillig dargeboten wurde, keine Gegenleistung erfordert. Aber die Liebe kann entweder wie eine antike Statue behandelt werden, die keine Pflege benötigt, oder wie eine Blume, die eine ständige Betreuung beansprucht. Man kann den anderen in der Liebe so stark mit Beschlag belegen, dass man sich der Rechte des anderen fast nicht mehr bewusst wird. Damit die Liebe nicht zu einem gemeinsamen Egoismus herabsinkt, muss ein ständiger Kontakt mit dem anderen Menschen bestehen: ein ,nach aussenhin` Leben und ein vermehrtes Suchen nach einer stärkeren Gemeinschaft. Die Liebe zu GOTT ist unzertrennlich von der Nächstenliebe. Worte der Liebe müssen in Taten umgesetzt werden und müssen über die blossen Grenzen des eigenen Heimes hinausreichen. Die Not des Nächsten kann so dringend sein, dass man seine eigene Bequemlichkeit opfern muss, um dem anderen zu helfen. Die Liebe, welche sich nicht auch auf die Mitmenschen ausdehnt, geht an ihrem eigenen Überfluss zugrunde. Maria befolgt sogar in der Schwangerschaft dieses 3. Gesetz der Liebe, indem sie eine schwangere Nachbarin besucht, eine alternde Frau, die bereits sechs Monate ein Kind im Schosse trägt. Von dieser Zeit an bis zum heutigen Tage kann keiner, der sich rühmt GOTT zu lieben, für sich eine Ausnahme von dem Gesetz der Nächstenliebe beanspruchen. Maria eilte über die Berge, um ihre Base Elisabeth zu besuchen. Sie ist bei den drei wichtigsten Augenblicken im Leben des Nächsten anwesend: bei einer Geburt, anlässlich der Heimsuchung, und später bei einer Hochzeit in Kana und bei einem Tod am Kalvarienberg. Kaum hat sie den Besuch des Engels empfangen, eilte sie, um einer Frau in der Not beizustehen. Einer Frau wird am ehesten wieder von einer Frau geholfen und Maria, die göttliche Liebe in sich tragend, strahlt diese so stark auf Elisabeth aus, dass Johannes der Täufer in dem Schosse ihrer Base vor Freude aufhüpft. Christus in sich zu tragen ist untrennbar mit dem Dienst an Christus verbunden. Nicht um ihretwillen allein stieg der Sohn GOTTES zu Maria herab, sondern für die ganze Welt. Die Liebe muss sozial sein oder sie ist keine wahre Liebe mehr.

4. Die Liebe ist untrennbar von der Freude.

Es ist die grösste Freude einer Frau ein Kind zur Welt zu bringen. Die Freude des Vaters besteht darin, die Frau zur Mutter zu machen. Die Liebe kann nicht ohne Freude bestehen, obwohl diese oft nur im Voraus als Belohnung für später eintretende Pflichten geschenkt wird. Die Freude in der Liebe strahlt nach zwei Richtungen aus: eine in die Breite durch die Mehrung der Liebe in der Familie und eine in die Höhe durch den Aufstieg unserer Danksagung zu GOTT, weil ER die Quelle aller Liebe ist. Der Geizhals wird von seinem Gold verschlungen, der Heilige von GOTT.

In Augenblicken des Entzückens fragen sich Liebende, wie ihre Liebe enden soll. Die Liebe sucht eine Erklärung für ihr Entzücken und fragt: «Wenn die Funken der Liebe schon so gross sind, wie unendlich muss dann die Flamme sein?» Wenn die Ekstase der Liebe von GOTT kommt, ist es nur selbstverständlich, dass diese Freude in ein Lied ausbricht, wie in Marias Magnifikat. Maria fühlte irgendwie, dass ihre Liebe zu einem guten Ende führen wird, wenn auch gewaltige Umwälzungen die Mächtigen entthronen und die Stolzen demütigen werden. Diese Königin des Gesanges singt hier ein anderes Lied als andere Mütter. Alle Mütter singen ihren Kleinen vor. Hier singt aber eine Mutter noch bevor ihr Kind geboren wird. Dem Engel antwortet sie nur mit einem FIAT, Joseph sagt sie gar nichts. Sie singt aber Vers auf Vers ihres Lobliedes an GOTT, der auf die Demut seiner Magd herabgeblickt hat. Wie das Kind in Elisabeths Schoss aufhüpft, so springt ein Lied von Marias Lippen. Wenn ein menschliches Herz so durchschauert werden kann von Entzücken, wie gross muss dann das Glück Marias gewesen sein, die in Liebe zum grossen Herzen GOTTES glühte!

 

5. Liebe ist unzertrennlich von Leid.

Weil die Liebe zu ihrer vollen Befriedigung das Bewusstsein benötigt, dass sie ewig sein wird, sie aber durch die Zeit begrenzt ist, bleibt sie immer unzulänglich und unbefriedigend. Prüfungen, Trauerfälle und auch das Auf und Ab in der Liebe selber werden sogar für den aufopferndsten Liebenden zu einer Belastung. Wenn die Liebe am stärksten ist, fühlt sich der Liebende oft auf sich selbst zurückgeworfen und er wird sich bewusst, dass er, trotz seines Wunsches mit dem geliebten Menschen eins zu sein, doch von diesem getrennt und abgesondert ist. Man kann den Andern in diesem Leben nicht unbegrenzt besitzen. Jede Ehe verspricht, was nur GOTT allein geben kann. Wie die Heiligen die dunkle Nacht der Seele erleiden, so erleben auch alle Liebenden die dunkle Nacht des Leibes.

Da Maria das Leid in der Liebe erleben soll, muss sie unter der dreitägigen Trennung von dem geliebten Kinde leiden. Trotz des guten Willens, in der Liebe mit Christus vereint zu sein, entsteht eine Entfremdung, eine Trennung und eine Trübung ihrer Stimmung, als sie fragt: «Kind, warum hast du uns dies getan? Weisst du nicht, dass wir dich mit Schmerzen gesucht haben» (Lk 2,48)? Die wahre Liebe verläuft nie ohne Schwierigkeiten. Sogar die geistigste Liebe leidet zeitenweise an Leere, geistiger Trockenheit und dem bitteren Gefühl, der Gegenwart GOTTES verlustig zu sein. In der menschlichen Liebe zerstört die übergrosse Liebe manchesmal die Liebe selbst, so dass diese nach einiger Zeit zur Pflicht wird. In der göttlichen Liebe aber wird die Fülle der Gottheit und ihr Überströmen zu einem solchen Bedürfnis, dass auch nur drei Tage der Abwesenheit GOTTES der Seele die grösste Qual verursachen, die sie in diesem Tal der Tränen ertragen kann.

 

6. Jede Liebe stirbt vor neuem Höhenflug.

Es gibt kein ebenes Fortschreiten im Königreich der Liebe.
Man steigt entweder aufwärts oder gleitet abwärts. Man ist nie sicher, ob das Entzücken zunehmen wird. Wenn keine Läuterung der Liebe eintritt, sinkt das Feuer der Leidenschaft zu einem Flackern der Gefühle herab und wird schliesslich zur Asche der Gewohnheit. Niemand bleibt durstig am Rande einer Quelle. Man kann nicht zuviel lieben; entweder man liebt überaus stark oder zu wenig. Übersättigte Menschen fragen sich oft, ob die Liebe selbst nicht ein Betrug oder ein leerer Wahn sei. Die Wahrheit ist aber, dass das Gesetz der Liebe immerfort in Tätigkeit sein muss; denn Liebe vergeht, wenn sie nicht zunimmt. Die Freuden und die Wonnen der Liebe werden zur blossen Freundschaft, wenn sie nicht durch Opfer erneuert werden. Die blosse Mittelmässigkeit der Liebe ist die Strafe für all jene, die ihrer Liebe keine Opfer bringen wollen, um sie zu einem weiteren Horizont und einem höheren Gipfel zu führen.

Bei der Hochzeit zu Kana bot sich Maria die Gelegenheit, die Liebe ihres Sohnes nur für sich zu beanspruchen. Sie hätte fortfahren können, nur die Mutter Jesu zu sein. Aber sie wusste, dass sie diese Liebe nicht für sich allein behalten durfte. Wenn sie Jesus für sich behalten wollte, würde sie ihn verlieren. Daher bat sie ihn, sein erstes Wunder zu tun, sein öffentliches Wirken zu beginnen und die Stunde zu beschleunigen: das bedeutete seinem Leiden und seinem Tod entgegenzugehen. In dem Augenblick, als sie die Bitte aussprach, Jesus möge das Wasser in Wein verwandeln, ertötete sie ihre Liebe zu Jesus als zu ihrem Sohn und begann zu einer höheren Stufe emporzusteigen, zur Liebe für alle Menschen, die Jesus durch seinen Tod am Kreuze erlösen würde. Kana bedeutet das Ende des Verhältnisses von Mutter und Sohn und den Anfang dieser höheren Liebe, die in der Verbindung der Mutter mit dem durch Christus erlösten Menschengeschlecht liegt. Und dafür, dass sie ihren Sohn für die Welt hergab, wird ER ihr schliesslich später durch ihre Aufnahme in den Himmel und durch ihre Krönung wiedergegeben.

 

7. Ziel ist die Erfüllung des Willens GOTTES.

Auch die Leichtsinnigen sprechen von der Liebe in Begriffen von Ewigkeit. Die Liebe ist zeitlos. In der Entwicklung der wahren Liebe stehen sich zuerst zwei Verliebte gegenüber, die sich gegenseitig besitzen wollen. Wenn die Liebe fortschreitet, suchen sie ein Objekt, das ausserhalb ihrer liegt. In beiden Teilen entsteht das Verlangen nach einer Einheit ausserhalb von sich selbst, nämlich in GOTT. Darum werden die Ehegatten mit der Zeit frömmer, wenn die reine christliche Liebe reifer wird. Zuerst besteht das Glück darin, den Willen des Anderen zu erfüllen, später darin, den Willen GOTTES zu tun. Wahre Liebe ist eine religiöse Tat. Wenn ich dich liebe, wie GOTT es wünscht, dann ist das der höchste Ausdruck der Liebe. Die letzten Worte, die Maria in der Hl. Schrift ausspricht, drücken die totale Hingabe an den Willen GOTTES aus: «Was immer ER euch sagen wird, das tut.» Wie Dante sagt: «In seinem Willen liegt unser Friede.» Die Liebe hat keine andere Bestimmung als Christus zu gehorchen. Unser Wille gehört uns nur, um ihn hinzugeben. Das menschliche Herz ist zerrissen zwischen dem Gefühl der Leere und dem Bedürfnis, wie die Wasserkrüge von Kana gefüllt zu werden. Die Leere kommt daher, weil wir menschlich sind. Die Macht, das Herz zu füllen, gehört nur ihm, der anordnete, dass die Wasserkrüge gefüllt werden sollten. Das Herz möchte geleert, aber auch wieder gefüllt werden. Die Macht, es durch die Liebe für andere zu leeren, ist menschlich. Die Macht es zu füllen, hat nur GOTT allein. Daher muss jede vollkommene Liebe im Schlussakkord enden: «O Herr, nicht mein, sondern Dein Wille geschehe!»

 

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