Inhaltsverzeichnis
Das Größte ist die Liebe
Aus dem Leben und
Wirken des großen Mystikers
P. Johannes Reus SJ
1868-1947
von
Alfons Maria Weigl

Neu herausgegeben von Klemens Kiser
Das Größte ist die Liebe
Aus dem Leben und Wirken
des
großen Mystikers
P. Johannes Reus SJ (1868-1947)
von Alfons Maria Weigl
op 126 - 108 S. - Original 221 S.
Mit kirchlicher Druckerlaubnis
Erklärung
Gemäß dem Urteil Papst Urbans VIII. unterwerfen
wir alle die in diesem Buch angeführten Gnadenerweise, Offenbarungen und
Erscheinungen sowie alle Ausdrücke dem Urteil der Kirche, dem in keiner Weise
vorgegriffen werden soll.
Sein Ziel war: Ich will ein heiliger Priester
werden.
.
Wer wird den kommenden Sturm bestehen?
Stürme fegen übers Land. Immer
heißer bläst Luzifers teuflischer Atem in das Zeitgeschehen. Ein noch
gewaltigerer Sturm wird anheben. Wer wird ihn bestehen? Die Ängstlichen? Die
Genießer? Die ewigen Kritiker? Nein, nur wer Glauben hat, wer Hoffnung hat,
wer Liebe hat. Wir müssen wieder glauben lernen, unerschütterlich glauben;
nur auf dem einen aufbauend: “Gott lebt.” Wir müssen hoffen lernen gegen
alle Hoffnung, nur aufbauend auf dem einen Wort: “Er ist unser Vater.” Wir
müssen lieben lernen, ohne auf Lohn zu warten, einfach lieben, bedingungslos
lieben, weil Er uns liebt.
Die Liebe zu Gott aber ist
nicht Überschwenglichkeit, nicht gefühlvolle Tröstung, sondern das sehr
nüchterne, klare, willensmäßige Streben mit dem Ziel, sich selber
abzusterben, um für Gott, den höchsten Herrn, zu leben, um Seinem Willen zu
leben in allem Denken und Reden, Tun und Leiden. Es gibt keine größere
Liebe, als sich ganz Gott hinzugeben.
Das ist das Größte:
“Gott lieben aus ganzem
Herzen, aus ganzer Seele und aus allen Kräften”, wie die Hl. Schrift
sagt: “Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist die Liebe.” (1 Jo
4,8)
Jeder Mensch ist zu diesem
höchsten Tun berufen, aber nur ganz wenige verstehen, was Gott aus ihnen
machen würde, wenn sie sich ganz und gar Ihm überließen. Je hochherziger
sich jemand der Majestät Gottes gegenüber erweist, desto mehr wird er Gottes
Freigebigkeit erfahren. “Noch niemand hat es zu bereuen gehabt, Gott
gegenüber großmütig zu sein” (Gregor von Nazianz).
Ein wahrhaft
überzeugender Beweis dafür
ist das Leben des im Jahr 1947 verstorbenen
deutschen Jesuitenpaters Johann Baptist Reus. Dieser schlichte Priester hat
bis zum letzten Einsatz seiner Persönlichkeit mit der Gnade Gottes
mitgewirkt. Er hatte keine außergewöhnliche Begabung. Er hatte auch in
seinem äußeren priesterlichen Wirken wenig Erfolg, aber er hat mit seltenem
Großmut Gott gedient und darum auch wie wenige, die Freigebigkeit Gottes
erfahren dürfen. Pater Reus wußte mit dem hl. Paulus: “Das Größte aber ist
die Liebe.” Diese Liebe machte ihn zu jedem Opfer bereit. Die Antwort des
Himmels war so, daß sie uns in Erstaunen setzt. Diese Antwort des Himmels
war das Sichtbarwerden göttlichen Eingreifens. Es verwirklichte sich in ihm
das Wort des christusbegeisterten Apostels: “Christus ist mir Leben, und
Sterben ist mir Gewinn” (Phil 1,21).
Im Leben dieses Priesters wurde
der Schleier zwischen Diesseits und Jenseits weggezogen. Pater Reus
schaute oft die jenseitige Wirklichkeit, soweit diese ein Mensch
überhaupt zu schauen vermag; nicht mit leiblichen Augen, sondern geistig. Er
schaute Gott, die Engel und die Heiligen *. Er nahm die Gegenwart des
Dreipersönlichen Gottes lebendig in sich wahr. Er durfte die Liebe
Gottes zu den Seelen unter den Bildern eindringenden Lichtes und
verzehrenden Feuers erleben. Die Wirklichkeit der Übernatur eröffnete sich
ihm durch einen ergreifenden, besonderen Gnadenerweis.
*Die wirkliche Wesenheit der
himmlischen Geister ist für einen Irdischen nicht faßbar. Ihre Gestalt
erscheint dem mystisch Schauenden in einem für einen Menschen faßbaren,
lichten Gewand. Des Menschen innere Augen sehen tiefer.Im Auftrag
seiner Vorgesetzten
und auf ausdrückliche Weisung des Heilands schrieb er eine Selbstbiographie und dann ein fortlaufendes Tagebuch.
Seine Obern und Mitbrüder versicherten: Bei Pater Reus scheint jede nur
mögliche Bürgschaft der Glaubwürdigkeit gegeben zu sein. Er war ein
ausgesprochen nüchterner, ja trockener und einsilbiger Mann, dazu ein
“Wahrheitsfanatiker”, der lieber sein Leben hingegeben hätte, als nur die
kleinste Lüge zu begehen. Die unter Gehorsam aufgegebene Verpflichtung, sein
Leben und seine Begnadigung niederzuschreiben, war ihm “eine schwere
Aufgabe”, ja “die größte Demütigung seines Lebens”. Die mehr als 1.100
Seiten seiner in einer schlichten Sprache niedergeschriebenen “Bekenntnisse”
sind Zeugnis einer außergewöhnlichen Begnadigung; für uns sind sie ein
wirkliches “Himmelszeichen”: “Gott lebt, Gott liebt, Gott liebt jeden von
uns.” Die Priester stehen dem liebenden Herzen Gottes am nächsten und
haben die herrliche Aufgabe, den Feuerstrom der Gottesliebe weiterzuleiten
und dies in der heutigen Sturmzeit um so mehr und um so
verantwortungsvoller. Pater Reus, der eigentlich nie Botschaften empfangen
hat, ist selber zur Botschaft geworden für die zweifelnden und
glaubensschwachen Menschen unserer Zeit, besonders auch für die Priester ein
Bote Gottes an die Welt.
Bevor du aber, Bruder, Schwester, in diesem Buch zu lesen beginnst, sprich
jedesmal ein kurzes, seelenvolles: “Veni, Sancte Spiritus! - Komm, Heiliger
Geist!” Und Er kommt mit Seinem Licht und Seiner Gnad'. Nur
“vom Lichtglanz des Hl. Geistes erhellt, vermagst du zu schauen und zu
erkennen, was Gott wohlgefällig und deinem Heil förderlich ist”.
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GOTTES SONNE ÜBERSTRAHLT
KINDHEIT UND JUGEND
Das Elternhaus und der Segen der Mutter
Eine gute Mutter ist ein großes
Geschenk des Himmels für das ganze Leben. Als Johann Baptist Reus noch ein
ganz kleiner Junge war, trug ihn seine Mutter eines Tages in die
Wallfahrtskirche zu Ehren der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in Gößweinstein
und weihte ihn dort dem Dreifaltigen Gott mit der Bitte, Seine Gnade möge
ihn einmal zum Priester berufen. Niemand hatte die Mutter dazu gedrängt. Was
mag sie nur bewogen haben, ausgerechnet ihren Johann Baptist dem Herrn zu
weihen?
Johannes wurde am 10. Juli 1868
in Pottenstein in der Fränkischen Schweiz als das achte von elf Kindern
geboren. Drei dieser Kinder starben früh. Die Eltern besaßen eine kleine
Metzgerei (Fleischerei) und einen mit viel Schulden belasteten
landwirtschaftlichen Betrieb. Sie mußten sich den Lebensunterhalt bei harter
Arbeit mühsam verdienen.
Sie wußten aber auch, daß an
Gottes Segen alles gelegen ist. Die Mutter Anna Margareta suchte darum
innigen Kontakt mit Gott und betete viel für ihre Kinder, besonders für
ihren Johann Baptist. Sie forderte auch den kleineren Bruder auf, für ihn zu
beten. Oft rief sie den Hl. Geist an: “Komm, o komm, Du Tröster mein! Komm
in sein kleines Herz hinein, mit Deinen sieben Gaben!” Bei einer solchen
Gelegenheit machte der kleine Bruder Franz die Bemerkung: “Er muß aber auch
fest mithelfen.” Häufig ging die Mutter auch zu den hl. Sakramenten.
Samstags nachmittags legte sie ihre besseren Kleider an und sagte: “Kinder,
ich geh in die Kirche.” Dort beichtete sie. Sonntags besuchte sie die
Frühmesse, damit die Kinder in den Hauptgottesdienst gehen konnten. Die
Mutter lebte ihren Kindern das Ideal eines christlichen Lebens vor.
Dabei hatte sie nicht weniger
Sorgen mit ihren Kindern als andere Eltern. So landete Johann Baptist einmal
im Winter beim Schlittenfahren zusammen mit einem ungeschickten kleinen
Kameraden im eiskalten Wasser des Baches. Ein anderes Mal stürzte er durch
einen Fehltritt die steile Treppe, die in der Scheune vom Heuboden zur Tenne
führte, hinunter. In seinen späteren Aufzeichnungen erwähnte Pater Reus bei
diesen und bei anderen Gelegenheiten immer wieder den Schutz seines hl.
Engels. Eines Tages schien die Mutter die Arbeit und die Sorge um ihren
Baptist beinahe zu erdrücken. Sie konnte fast nicht mehr. Da glaubte sie,
eine Stimme hinter sich zu vernehmen: “Er wird Dir einmal große Freude
machen.” - “Wer mag es gewesen sein?” schrieb Pater Reus in seinen
Erinnerungen; “wahrscheinlich mein heiliger Schutzengel.”
Diese tieffromme,
ausgezeichnete Mutter starb am 7. März 1907 im 75. Lebensjahr. Sie hatte die
Freude, den Segen ihres anhaltenden Opferns und Betens noch zu erleben:
Johann Baptist wurde am 30. Juli 1893 im Hohen Dom zu Bamberg zum Priester
geweiht. Am Fest des hl. Ignatius von Loyola trat er in seiner Heimat
Pottenstein zum ersten Mal an den Altar, um sein Primizopfer zu feiern. - Am
dritten Tag nach seiner Weihe feierte er das hl. Opfer am Gnadenaltar der
berühmten Wallfahrtskirche in Gößweinstein. [ca. 7,5 km entfernt]
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Tiefe Dankbarkeit für den Vater
Auch an seinen guten Vater
dachte Pater Reus stets mit Ehrfurcht und Liebe. Dieser Vater war es
gewesen, der ihm die treue Pflichterfüllung lehrte, der ihm auch den festen
Glauben und das Vorbild eines christlichen Lebens mit auf den Weg gab. Vater
Reus trug die Liebe zum eucharistischen Herrn tief in seinem Herzen und
scheute sich nicht, dies in aller Öffentlichkeit zu zeigen. Während des
sogenannten vierzigstündigen Gebetes, hatte er eine eigene Stunde, in der
er, kniend auf dem Betstuhl, der sonst dem Priester vorbehalten war, dem
Volk vorbetete. Er ließ es sich auch nicht nehmen, bei der
Fronleichnamsprozession den Traghimmel mitzutragen. Seine liebste
Unterhaltung war in der “Goffine”, einer volkstümlichen Erklärung des
Meßbuches, zu lesen.
Als Pater Reus die Nachricht
vom Tod seines fast 92jährigen Vaters erhielt, schrieb er in sein Tagebuch:
“O göttliches Herz Jesu, vergilt Du ihm die Wohltaten, die er mir erwiesen
hat, besonders die eines festen, wahren Glaubens, einer hohen Achtung vor
dem Priestertum und des Vorbilds eines christlichen Lebens.” - Beim hl.
Opfer für seinen Vater, am 23. Febr. 1946, sah er den hl. Erzengel Michael,
den Führer der Seelen. Dieser stellte die Seele des Vaters der göttlichen
Majestät dar, inmitten des Lichtes. Viele Engel waren ringsum, die beim
Sanctus, zusammen mit dem hl. Michael, ihrem Fürsten, mit lauter Stimme den
Lobgesang beteten.
Pater Reus blieb
zeitlebens seiner
Heimat verbunden
Er blieb allezeit, ein echter
Sohn des Frankenlandes und damit Bayerns. Seine Heimat, Pottenstein, liegt
einmalig schön in jener Gegend Oberfrankens, die wegen ihrer
Naturschönheiten weithin bekannt den Namen “Fränkische Schweiz”
trägt. Auf einem Felsenmassiv, 70 Meter über dem Ort, thront die Burg. Schon
etwa 1000 Jahre lang
schaut sie, wie von einem Wachposten aus, in die tiefen, umliegenden Täler
hinein und auf das Städtchen herab. Vermutlich war sie ursprünglich eines
der Bollwerke, die König Konrad (911-918) gegen die damals noch heidnischen
Slawen errichten ließ. Man nimmt an, daß ihr Name auf den Pfalzgrafen Botho
von Kärnten zurückgeht und zuerst Botho-Stein lautete.
Die Pottensteiner sind stolz
darauf, daß die hl. Elisabeth von Thüringen nach dem Tod ihres Gatten
Ludwig zusammen mit ihren drei Kindern auf dieser Burg gewohnt hat.
Elisabeth (1207-1231) war ungarische Königstochter und zugleich eine Nichte
der hl. Hedwig, der Landesmutter von Schlesien. Als ihr Gemahl, Landgraf
Ludwig von Thüringen, auf dem Kreuzzug an der Pest starb, mußte die junge
Witwe ihre Güter verlassen. Sie wäre mit ihren Kindern der Not und dem Elend
ausgesetzt gewesen, hätte nicht ihr Onkel, Bischof Ekbert von Bamberg, ihr
die Burg Pottenstein zum Aufenthalt angeboten, solange bis sie unter dem
Schutz der heimkehrenden thüringischen Kreuzfahrer wieder auf ihr Witwengut
in Marburg zurückkehren konnte. Dort verzehrte sich ihr junges Leben rasch
im Dienst der Liebe für die Armen, Kranken und Aussätzigen. 1231 starb sie
aufgerieben und vollendet im Alter von 24 Jahren; schon vier Jahre später
wurde sie durch Papst Gregor IX. heiliggesprochen.
Nicht weniger unvergessen
blieben für Pater Reus d i e beiden Kirchen seines Heimatortes. In der
Pfarrkirche Sankt Bartholomäus war ihm in der hl. Taufe am Tag nach seiner
Geburt die Gnade der übernatürlichen Lebensgemeinschaft mit Christus
geschenkt worden; hier erlebte er seine erste hl. Kommunion; hier durfte er
sein Primizamt feiern. - In der zweiten Kirche des Städtchens, Sankt
Kunigund, hielt er manch stille Stunde der Anbetung.
Während des zweiten Weltkrieges, als Pater Reus in Brasilien weilte, machte er sich große
Sorgen um seine Angehörigen daheim. Jeden Morgen bei der hl. Messe dachte er
auch an sein Heimatstädtchen. So schrieb er am 8. Jan. 1947 an seinen
Landsmann, Geistlichen Rat und Pfarrer Michael Schmitt: “Da ich keine andere
Hilfe bringen konnte als das Gebet, so habe ich immer meinen Segen bei
der hl. Messe nach Pottenstein ausgedehnt, besonders auch auf die
Familie Reus.” Tatsächlich blieb seine Heimat Pottenstein von Fliegern
ganz verschont. Die Einwohnerzahl des Städtchens, die im Jahr 1940 rund
1000 betrug, ist nach dem Krieg infolge des Zustromes von Heimatvertriebenen
aus dem Osten stark angewachsen.
In den letzten Jahrzehnten ist
Pottenstein, zwischen Nürnberg und Bayreuth unweit der Autobahn gelegen, ein
beliebtes Ziel der Touristen geworden, besonders seit der vollen
Erschließung und Instandsetzung der nahen Tropfsteingrotten, die “in
märchenhaften Räumen und in einer Länge von 1500 Metern eine seltene Pracht
und Fülle von Tropfsteingebilden zeigen”.
Pottenstein gedenkt heute mit Dankbarkeit seines großen begnadeten Sohnes.
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Die Achtung vor dem Priestertum
Bei der Taufe von Johann
Baptist am 11. Juli 1868 wurde ein Priester sein Pate; es war der älteste
Bruder seines Vaters. Dieser wirkte als Pfarrer und Dechant segensreich in
Stadtsteinach (Oberfranken).
Der Priesterberuf war in der
Familie Reus hochgeachtet und lag sozusagen in der Tradition der Familie. So
ist ein Bruder des Urgroßvaters in den Jesuitenorden eingetreten und in Rom,
wenige Jahre vor der Aufhebung des Ordens gestorben. Es war dies Pater Georg
Reus, auch aus Pottenstein.
Der Ordensschwesternberuf war
ebenfalls in der Familie Reus hochgeschätzt. Eine Schwester unseres Paters
trat bei den Franziskanerinnen in Mallersdorf (in Niederbayern) ein; sie
starb aber schon mit 29 Jahren in der damals ungarischen, jetzt rumänischen
Stadt Oradea Mare.
Eine nahe Verwandte des Paters
war Laienschwester im Institut der Englischen Fräulein in Bamberg, Sr.
Conradine. Sie vollendete am 9. April 1923 im Ruf der Heiligkeit ihr Leben.
Von den zwölf Kindern seines Bruders Friedrich wurden drei Ordensfrauen,
davon zwei bei den Dillinger Franziskanerinnen.
So war es eine große Freude für
die Eltern unseres kleinen Johannes, als ihnen Rektor Meßbacher, der fünfzig
Jahre lang die Knabenschule mit 120 Schülern betreute, nahelegte, ihren Sohn
nach Gottes Willen Priester werden zu lassen. Wie mag die gute Mutter sich
gefreut haben! Sie hatte doch Johann Baptist in Gößweinstein der
Allerheiligsten Dreifaltigkeit geweiht mit der Bitte, ihm die Gnade des
Priestertums zu schenken. Aber ob er mit der Gnade auch mitwirken würde?
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Kindheit und Schule
Obwohl “Baptist”, wie er zu
Hause gerufen wurde, der jüngste seines Jahrgangs war, gehörte er zu den
eifrigsten in der Schule. Er erhielt oft ein besonderes Lob wegen seiner
schönen Handschrift und wegen seiner guten Antworten in der Religionsstunde.
- Der allgemeine Eindruck in der Erinnerung seiner ersten Schulkameraden war
der “eines gut talentierten, gewissenhaften, fleißigen Knaben, der sich
an losen Streichen nicht beteiligte”. Von seiner Gewissenhaftigkeit
zeugt auch die Tatsache, daß er vor der ersten hl. Kommunion einem Nachbarn
etwa fünf Pfennig brachte, um Schadenersatz zu leisten für einige Beeren,
die er sich in dessen Garten einmal genommen hatte. Im übrigen war Baptist
“ein rechter Bub”, frisch, lebendig und fröhlich. Schon früh wurde er zu
Arbeiten herangezogen, wie z. B. zum Hüten der 12-15 Gänse, eine Aufgabe,
die er sehr gewissenhaft erfüllte. Auch der Mutter half er gerne im Haus.
Am Weißen Sonntag des Jahres
1880, dem 4. April, ging er zum ersten Mal zum Tisch des Herrn. Seltsam,
obwohl er nach seinen eigenen Worten “gut vorbereitet” war, wurde er bei der
Gegenwart des himmlischen Gastes durch sonderbare, unfromme Gedanken
verwirrt. - Wenn Gott in einer Seele in außergewöhnlicher Weise wirken will,
läßt er es nicht selten zu, daß auch der Widersacher, der ewige Neider, die
Seele belästigt. Pater Reus war jedenfalls davon überzeugt und schrieb noch
am Ende seines Lebens, am 27. Okt. 1946: “Eines scheint mir wahr zu sein,
der Teufel hat mich schon als Kind sehr verfolgt.” Außer der Verwirrung
bei der ersten hl. Kommunion meinte er damit auch die Bilder von dunklen,
bewaffneten Gestalten, die auf ihn einstürmten, oder das Bild einer dunklen
Gegend mit schwarzen Mauern, in deren Innerem Feuerflammen lohten. Er rief
dann angstvoll nach der Mutter. Die Erklärung glaubte er aber erst in seinen
letzten Lebensjahren zu finden, als er das “Leben Jesu” nach den Gesichten
der sel. Anna Katharina Emmerich las. Ihr wurde die Hölle in Form eines
unübersehbar großen, schwarzen Felsenbaues gezeigt, wie es unser Johann in
ähnlicher Weise geschaut hatte.
Er schrieb es später “dem
Schutz seines lieben hl. Engels und den Gebeten der frommen Mutter” zu, daß
ihm jener Anblick doch keinen nachhaltigen Schrecken eingeflößt hatte.
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Neun Jahre Gymnasium in Bamberg
Am Tag seiner ersten hl.
Kommunion zählte der Bub schon zwölf Jahre. Es war Zeit, das Studium zu
beginnen. Sein Onkel und Taufpate erklärte sich bereit, für die
Studienkosten aufzukommen. Gleichzeitig machte er auch den Vorschlag, daß
Baptist zu ihm nach Stadtsteinach komme, wo Kaplan Schwarzmann ihn für die
Aufnahmeprüfung am Gymnasium vorbereiten sollte und zwar gleich für die
Prüfung in die dritte Klasse. So mußte der Stoff von zwei Jahren des
Gymnasiums in etwa vier Monaten bewältigt werden. Immerhin ein Wagnis!
Im Mai 1880 verließ also Johann Baptist das Elternhaus und zog zu seinem
Onkel.
Kaplan Schwarzmann brachte
seinen Schützling Ende September persönlich nach Bamberg und meldete ihn zur
Prüfung für die dritte Gymnasialklasse an. Doch der Prüfling bestand die
Aufnahmeprüfung nicht. Es, wurde ihm mitgeteilt, er könne seine Papiere auf
dem Rektorat wieder abholen. Trotz seiner Schüchternheit und, obwohl ihm
niemand dazu geraten hatte, wagte er es, den gestrengen Herrn Rektor zu
bitten, daß er bleiben und in die zweite Klasse statt in die dritte
eintreten dürfe. Obgleich dieselbe Bitte anderen abgeschlagen wurde,
gewährte sie ihm der Rektor, “wahrscheinlich” - so schrieb Pater Reus später
-, “weil er sah, daß ich so klein war.” Rückblickend glaubt unser Pater auch
in jener Entscheidung ein “erstes sichtbares Eingreifen des Heiligsten
Herzens Jesu und der lieben Gottesmutter feststellen zu können”; denn hätte
er damals nicht in Bamberg bleiben dürfen, wäre er wohl nicht zum Studium
gekommen.
Kaplan Schwarzmann besorgte ihm
auch eine Wohnung bei einer gut katholischen Frau. Dort blieb Johann Baptist
während seiner neunjährigen Gymnasialzeit.
Die gute Frau
Weyermann
leistete ihm sowie noch einem zweiten Buben wirklichen
“Schutzengeldienst”. In seiner Lebensbeschreibung stellte er dieser Frau das
schöne Zeugnis aus: “Sie behandelte mich wie ihr Kind. Da ich trotz
meiner zwölf Jahre sehr klein war, hatte sie ihre helle Freude an mir
und deshalb auch große Geduld. Sie war mir eine wahre Mutter, die an allem
Anteil nahm, was auf mich Bezug hatte. Auch später, als ich im
Priesterseminar war, blieb sie mir aufrichtig zugetan.”
Wie freute sich der Student
jedesmal auf die Ferien in seiner schönen Heimat; auch seine Eltern und
Geschwister freuten sich auf das Wiedersehen.
Baptist baute zu Hause für die Gottesmutter eine Grotte, die in seinem
Zimmer aufgestellt wurde. Während der Weihnachtsferien stellte er im
Wohnzimmer eine selbstgebastelte, große Krippe auf; viele Bekannte kamen und
bewunderten sie.
Baptist war mittelmäßig begabt.
Er studierte gern. Nur Mathematik lag ihm nicht; sie machte ihm nicht
viel Freude; ihretwegen mußte er sogar die sechste Klasse des Gymnasiums
wiederholen. Später machte Pater Reus hierzu die Bemerkung: “Es war
Nachlässigkeit.” “Hätten Sie etwas getan, dann wären Sie nicht hier!” So
sagte der nachfolgende Mathematikprofessor. Diesen Mißerfolg hat Pater Reus
nie ganz vergessen.
Neben seinen Pflichtstudien
interessierte sich Baptist noch für verschiedene Nebenfächer, so für
Italienisch, Hebräisch, Aramäisch und sogar Arabisch. Die Sprachen lagen
ihm.
Sein früherer Klassenkamerad,
Dr. Josef Metzner, der spätere Direktor des Alten Gymnasiums in Bamberg
berichtet: “Reus lernte auch Kurzschrift und Gesang und übte sich im
Zeichnen.” - Besonders viel Freude machte ihm das Zitherspiel. Damit
bereitete er seinen Kameraden sowie seinen Eltern und Geschwistern viele
schöne Stunden.
In seinem Reifezeugnis waren
seine Leistungen im allgemeinen als “gut” bewertet. Hervorgehoben wurden
besonders sein außerordentlicher Fleiß und seine vollkommen tadellose
Haltung. Diese letzten drei Worte sind das schönste Lob, das man einem
jungen Mann spenden kann.
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Die Muttergottes führt ihn
Das große Geheimnis seiner
jungen Jahre war das beginnende persönliche Verhältnis zum Heiland. Der Weg
zu Christus war für ihn Maria, die Mutter des Erlösers.
“Wer zu Maria geht, ist auf dem
geraden Weg zu Christus. Er bekommt Wegweisung zur Herzmitte der Welt, zu
Jesus Christus. Er schaut das leuchtendste Vorbild der Nachahmung und
Nachfolge Christi” (Bischof Graber).
Die gute Frau Weyermann nahm
den kleinen Buben jeden Morgen mit in die hl. Messe. Später, als er der
Bemutterung entwachsen war, behielt er die Gewohnheit bei. Mit den
Schulbüchern unterm Arm ging er jeden Morgen in die Martinskirche, die alte
Jesuitenkirche, die nicht weit vom Gymnasium entfernt war. Die hl.
Sakramente empfing er, wie vorgeschrieben, drei- bis viermal im Jahr, weil
eben niemand ihn zu einem öfteren Empfang anhielt. Erst Papst Pius X.
öffnete die Tabernakeltüren weit.
Unser Student hatte eine
besondere Liebe zur Muttergottes. Jeden Samstag Abend ging er in die Kirche
Unserer Lieben Frau in der oberen Pfarrei. Die Muttergottesandachten dort
wurden für ihn zu Gnadenstunden. Besonderen Eindruck auf ihn machte die
feierliche Andacht vor dem ausgesetzten Allerheiligsten und dem
hellbeleuchteten Bild der himmlischen Mutter. Das Mariengebet, das der
Priester jedesmal dabei sprach, klang wie eine Melodie in seiner Seele:
“Jungfrau, Muttergottes mein, laß mich ganz dein eigen sein... !” Ebenso das
Memorare, das “Gedenke” des hl. Bernhard. Wenn er nach der Andacht den Berg
hinabstieg; war ihm stets so froh ums Herz. Da kam ihm, ohne daß er selbst
recht wußte, wie und warum, immer wieder die Bitte an die liebe Gottesmutter
über die Lippen:
“Laß mich dein armer Priester sein!”
Eine seltsame Bitte. Sie kam
aus der Tiefe. Die Mittlerin der Gnaden mochte ihm diese Bitte eingegeben
haben. Er dachte dabei nicht an einen Priester, der sich durch ein Gelübde
zur Armut verpflichtete. Fast 50 Jahre später erinnerte sich Pater Reus noch
genau an dieses Gebet und schrieb: “Sie nahm mich beim Wort und erlangte mir
durch ihre Fürbitte, daß ich ein armer Jesuit wurde.” - “Welche Freude hat
mir später die vollständige Erfüllung dieses meines Wunsches gemacht! Wie
sie doch weit über alles menschliche Verstehen hinaus erhört! Dank sei ihr
in alle Ewigkeit!” - Marienliebe ist im letzten Mariennachfolge -
Christusnachfolge.
Gerne erinnerte er sich auch daran, wie er, einem Versprechen getreu, einige Kerzen vor dem
Bild der Gottesmutter anzündete. Dies war nach seinen eigenen Worten - für
einen Studenten eine große Demütigung. Die gütige Mutter, so meint er, habe
ihm dafür ein anderes Licht angezündet, das Licht der Erkenntnis von der
Schönheit des Ordensberufes und das Glutfeuer der Gottesliebe, das sie
selbst tief im Herzen trug. Beim Gedanken daran schreibt er in Dankbarkeit:
“O liebste Mutter, o meine Herzensliebe, wie ich dich liebe!”
Inhaltsverzeichnis
Er wird Soldat
Nach seinem Gymnasialstudium
mußte Johann Baptist Reus in die Kaserne. Seit den Kulturkampfzeiten von
1874-1890 bestand in Deutschland auch für die Theologen die Pflicht zum
Heeresdienst. Die abgeschlossene 6. Klasse des Gymnasiums gab aber das
Recht, die Dienstpflicht als “Einjährig-Freiwilliger” zu leisten. Bevor er
am 1. Okt. 1889 in die Kaserne zu Bamberg einzog, mußte er sich im
Priesterseminar von Bamberg anmelden. Der kleine Gymnasiast war inzwischen
zu einem stattlichen jungen Mann von 1,80 m Größe herangewachsen. Für
die Anmeldung im Priesterseminar brauchte er ein Gesundheitszeugnis. Da
meinte der Arzt: “Ein so schöner junger Mann!” Auch geschah es, daß man
einmal in einer Familie in seiner Gegenwart von seinem Priesterberuf sprach
und eine Frau die taktlose Bemerkung machte: “Wie schade! Ein so hübscher
Student!” Diesem Bericht fügt Pater Reus hinzu: “Daß solche Taktlosigkeiten
kein größeres Unglück veranlaßten, war Gnade Gottes.” Die liebe Mutter im
Himmel wachte über ihn.
Der
“Einjährige” Reus
war ein strammer Soldat. Er wurde nach kurzer Zeit zum
Gefreiten, später zum Unteroffizier und - nach einem mit viel “Glück”
bestandenen Offiziersexamen zum Offiziersaspiranten befördert. Dieses letzte
Recht mußte jedoch geopfert werden, weil nach damaliger Auffassung das
Priestertum mit dem Stand eines Offiziers unvereinbar war.
Die Gedanken an das Priestertum
würden ihm beim Militär schon vergehen, so hatte ihm ein Freund gesagt. Es
fehlte auch nicht an Versuchungen und an Gelegenheiten zu groben
Ausschreitungen. Als ihn einer seiner Kameraden einlud, sich einmal das
Treiben in einem der schlechten Häuser anzusehen, erhielt er als Antwort ein
so entschiedenes “Nein - niemals!”, daß keiner mehr wagte, ihm ähnliche
Vorschläge zu machen. Aus dem Heeresdienst wurde der Offiziersaspirant am 1.
Okt 1890 mit einem sehr ehrenvollen Führungszeugnis entlassen. Etwas
militärisch Strammes; sowie eine gerade und aufrechte Haltung in jeder
Hinsicht hat Reus sein Leben lang bewahrt.
Ein stark ausgeprägtes
Ehrgefühl mit der Neigung zu vielleicht allzu großer Strenge und einer fast
übergroßen Empfindlichkeit blieben bei all seiner heroischen Demut und
Tugend doch immer an ihm bemerkbar.
Sein schwerster Entschluß
Von Kindheit auf hatte Johannes
keinen heißeren Wunsch gekannt als Priester zu werden. Und nun das
Unglaubliche! Als er das Gymnasium hinter sich hatte und ins Priesterseminar
eintreten konnte, hatte er einen ausgesprochenen Widerwillen gegen diesen
Eintritt. Auf den dringenden Rat des Onkels und der Mutter wollte er es
doch versuchen. Aber eigenartig: Gerade in der Kirche war der innere
Widerstand am unerträglichsten. Manchmal weinte er vor lauter Ratlosigkeit
und innerer Pein und sagte halblaut vor sich hin: “Ich kann nicht, ich kann
nicht!” Der Herr aber, den er immer wieder rief, nahm ihm die Schwierigkeit
nicht weg, zog ihn aber doch mit innerer Gewalt, daß er trotz des seltsamen
Widerstrebens am festgesetzten Tage die Schwelle des Priesterseminars in
Bamberg überschritt. An diesem Tag, am 20. Okt. 1890, verschob er aber den
Eintritt bis auf die letzte Minute. Punkt 6 Uhr abends!
Von dem Augenblick an aber,
da er das Priesterseminar betrat, war aller Widerwille wie weggeblasen.
“Der Zauber war gebrochen”, schrieb er später und führte an dieser Stelle
zum erstenmal die nachher oft von ihm wiederholte Bitte an: “Dränge unseren
Willen, o Herr, auch wenn er sich auflehnt, in Gnaden zu Dir!” - Gebet hat
immer erhellende Kraft.
Inhaltsverzeichnis
Er bereitet sich auf das Priestertum vor
Gleich nach seinem Eintritt ins
Seminar hatte Reus Gelegenheit, zum erstenmal in seinem Leben dreitägige
ignatianische Exerzitien zu machen. Drei Tage stiller Gottverbundenheit und
ernsten Betrachtens beglückten seine Seele. Es ist ganz hell geworden in
ihm. Wie “Tag und Nacht”, bezeichnet er seine Geisteshaltung vorher und
nachher.
Gott hatte diese Seele zur
innigsten Vereinigung mit Sich berufen; Er schuf die dafür notwendige
Voraussetzung: ein ganz ernsthaftes Ringen gegen die Sünde. “Rein sein wie
ein Engel!” So lautete der Exerzitienvorsatz des Seminaristen; darnach ging
fortan sein Streben. Den Hauptbeweggrund und die Kraft dazu gab ihm seine
Liebe zum Heiland, besonders zum göttlichen Kind in der Krippe. Darüber
schrieb Pater Reus später in seinem Tagebuch: “Die liebe Gottesmutter flößte
mir zuerst Liebe zu ihrem göttlichen Kind ein. Dieses Kind zu lieben, dafür
war ich zu haben. In ihrem Heiligtum der oberen Pfarrei hatte ich die Krippe
gesehen und bewundert; denn sie bot jede Woche eine neue Szene. Die Freude
daran brachte mich dazu, mir ein Novenen-Büchlein vom Jesuskind zu kaufen
und diese Andacht zu halten. Es zog ein großes Vertrauen und eine innige
Liebe zum Jesuskind in mein Herz ein.”
Es wundert uns nicht, daß sich
seine Liebe zum Jesuskind bald auch in gleicher Innigkeit der immerwährenden
Krippe auf dem Altar zuwandte; hier erneuert sich gleichsam das Geheimnis
von Bethlehem; hier ist der Heiland auf dem Altar und im Tabernakel wahrhaft
und wirklich lebendig unter uns. Während sich Reus zuerst gewundert hatte,
daß einige Alumnen nach dem gemeinsamen Gebet noch in der Kapelle knien
blieben, war nunmehr der Heiland im heiligsten Sakrament auch für ihn zum
wirklichen Magnet geworden.
Jesus sollte
immer mehr zur Herzmitte seines Lebens werden.
Zu gleicher Zeit wurde die hl. Kommunion die große Sehnsucht seines Herzens.
Oft saß Reus im Sommer auf der
schönen Plattform des Seminarturms, von wo aus man die türmereiche Stadt
Bamberg überblicken konnte. Sein Auge suchte all die Kirchen, in denen er
den göttlichen Heiland auf dem Altar verborgen wußte.
In allen betete
er Ihn an. Er hatte Herzenskontakt mit Ihm. Reus erzählte aber niemand von
seinem Geheimnis.
Da er die Liebe des Herrn so
lebendig erfuhr, bedurfte es nur einer Anregung, sich mit Freude, ja
Begeisterung die Andachtsübung zum Herzen Jesu zu eigen zu machen. Jesu
tiefstes Wesen ist Liebe. Seiner gottmenschlichen Liebe verdanken wir alles.
Sein Herz ist der Inbegriff dieser Liebe.
Bald nach dem Eintritt ins
Seminar wurden alle in die Herz-Jesu-Bruderschaft aufgenommen. Die
göttliche Vorsehung bediente sich dann eines Buches: “Herz-JesuAndacht für
Theologie-Studierende”, um ihn gleichsam seine tiefste Berufung finden zu
lassen. Die darin angegebene Weiheformel schrieb er sich ab und betete sie
von da an täglich. Ein Herz-Jesu-Bild stellte er auf sein Pult. Für die
Andacht warb er auch zu Hause bei seinen Geschwistern und hielt mit seinen
zwei jüngeren Schwestern eine dreitägige Andacht zum heiligsten Herzen Jesu
in einem aussichtslos scheinenden Gerichtsverfahren seines Vaters; dieses
nahm einen unerwartet günstigen Ausgang. Die Freude war groß.
Nachdem Reus nun das Leitmotiv
seines Lebens gefunden hatte, drängte es ihn, seine Liebe zum heiligsten
Herzen auch durch tägliche Opfer zu beweisen. Seine Liebe machte ihn
erfinderisch im Verzichten, im Erdulden und Sichbeherrschen. Liebe kann
nicht anders als liebend opfern.
Im allgemeinen fiel Reus durch
keine besonderen Talente oder Anlagen auf, höchstens durch sein blasses
Gesicht, das durch seine tiefschwarzen Haare noch mehr betont wurde. Dennoch
hatten alle, die mit ihm umgingen, den Eindruck, daß in ihm etwas
Außergewöhnliches vorging.
Inhaltsverzeichnis
Gerufen zur Heiligkeit
Weil Johann Baptist Reus den
Heiland aufrichtig liebte, wollte er auch Seinem Herzen möglichst ähnlich
werden. Deshalb drängte sich ihm immer mehr der Gedanke an den Ordensstand
als den Stand der Vollkommenheit auf. Er interessierte sich besonders für
die Jesuiten, weil dieser Orden so viele Heilige hervorgebracht hatte. Reus
hatte noch nie in seinem Leben einen Jesuiten gesehen; er kannte sie nur aus
Büchern und an den Bildern zweier heiligmäßiger Jesuiten im elterlichen
Hause. Auch wußte er, daß ein Bruder des Urgroßvaters in Rom als Jesuit
gestorben war. Am meisten mochte ihn bei seinen Eintrittsexerzitien ins
Priesterseminar die Gestalt des Ordensgründers, des hl. Ignatius von Loyola,
angezogen haben. Wer steht nicht in Ehrfurcht vor dem genialen Lebenswerk
dieses “Soldaten Christi”! Ihm hat die Gnade durch eine schwere Verwundung
die irdische, glänzende Laufbahn zerschlagen, aber ihm gerade dadurch neue
Perspektiven geöffnet, wodurch er zum Größten für das Reich Gottes befähigt
wurde: Ein Leben nur noch für die “größere Ehre Gottes”.
Als es sich bei Reus im Seminar
um die tatsächliche Ausführung seines Entschlusses handelte, ergriff ihn
wiederum ein heftiges Widerstreben dagegen. Es lehnte sich sein
ganzes Innere gegen den Ordensberuf auf. Gott macht es Seinen
Heiligen nicht leicht. So war und ist es immer: Alles Große muß erbetet,
erkämpft, eropfert werden. Gott läßt das Wüten Satans zu, damit die Seele
lerne, die Treue zu wahren und die Verdienste zu mehren.
Am 2. April 1892 wurde Reus zum Subdiakon geweiht. Diesen Tag ersehnte er gleichsam als “dies
nuptialis”, als seinen “Hochzeitstag”, weil er sich damit für immer dem
Geliebten seiner Seele übergab. Vierzehn Tage später, am 16. April 1892,
wurde er Diakon. Am 21. April 1892 starb sein Onkel und Pate, Dekan Reus,
der so großherzig für sein Patenkind gesorgt hatte. Am Weißen Sonntag wurde
er begraben.
Um Klarheit in seinem Anliegen
zu erhalten, begann Johann Baptist mit den sechs aloysianischen Sonntagen,
zur Erinnerung an die sechs Jahre, die der hl. Aloisius im Orden der
Gesellschaft Jesu zugebracht hatte; dennoch wollte das vom Herzen erwartete
“Ja” nicht über seine Lippen kommen. Es waren schwere Monate des Ringens.
Endlich, am 3. Juni 1892, es war an einem Herz-Jesu-Freitag, da sagte er
beim Besuch des heiligsten Sakramentes innerlich sein entscheidendes
“Ja” zum
Eintritt in die Gesellschaft Jesu.
Im September 1892 fuhr er in
die holländische Stadt Exaeten bei Roermond, wo er zum erstenmal in
seinem Leben leibhaftige Jesuiten sah. Im dortigen Kloster wurde er von vier
Patres über seinen Ordensberuf geprüft. Das Ergebnis war, daß man ihn am
gleichen Tag in die Gesellschaft Jesu aufnahm. Seine Seele jubelte. Der
Pater Provinzial riet ihm aber, sich zuerst in seiner Heimatdiözese zum
Priester weihen zu lassen.
Der erste Gang des neuen
Kandidaten der Gesellschaft Jesu galt der lieben Mutter Gottes, der
Mittlerin aller Gnaden. Er fuhr zum nahen berühmten Wallfahrtsort Kevelaer (Rheinland).An dieser großen Gnadenstätte wird seit
Jahrhunderten die Trösterin der Betrübten verehrt. Eine Stätte großen
Segens! Er wollte der Muttergottes Dank sagen. Unterwegs kam ihm erst so
recht zum Bewußtsein, daß er nunmehr erreicht hatte, worum er so viel und so
schwer hatte ringen müssen. Tief war sein Dank. Es schien ihm fast zuviel
des Glückes; er glaubte zu träumen. Vierzig Jahre später noch erinnerte er
sich genau an den reichen Schmuck des Wallfahrtsortes Kevelaer, der ganz zu
seiner Seelenstimmung paßte.
Inhaltsverzeichnis
Priester Gottes
Am 30. Juli 1893 wurde Johann
Baptist Reus im Bamberger Dom, wo der deutsche Papst Klemens II. sowie das
hl. Kaiserpaar Heinrich und Kunigund begraben liegen, zusammen mit siebzehn
anderen Diakonen durch Erzbischof Josef von Schork zum Priester geweiht.
Exerzitien leiteten den
Weihetag ein. Es waren Tage der Stille und Seelenbereitung. Reus bot sich
dem Herrn als Opfer an. Er wußte, daß er heilig sein müsse als Priester
Gottes, “um mit seinen geweihten Händen die hl. Hostie berühren zu dürfen”.
Er fühlte die große Verantwortung, die er als solcher auf sich nehmen würde.
Aber mit ganzem Vertrauen warf er sich in die Vaterarme Gottes, mit ganzer
Hingabe an die Brust seines Meisters. Kindlich wandte er sich auch an seine
himmlische Mutter, die ihm stets eine treue Führerin gewesen.
Sein Vorsatz lautete: “Mein
Gott, ich will Dich recht herzlich, recht innig lieben mit der reinsten,
heiligsten, mit der bräutlichen Gottesliebe.” - So schrieb er in seine
Selbstbiographie. *
Sein Vater nahm an der hl.
Feier teil. Voll tiefen Dankes fuhren Vater und Sohn am gleichen Tag heim
nach Pottenstein. Am folgenden Tag, am Fest des hl. Ignatius, konnte er in
seiner Heimatgemeinde sein erstes hl. Meßopfer feiern. Pater Reus nennt in
seinen Aufzeichnungen den Tag der Priesterweihe “einen erschütternden
Tag, an dem der göttliche Bräutigam sich mir ganz übergab”.
* Diese und andere häufig
wiederkehrenden zärtlichen Ausdrücke lassen die Vermutung aufsteigen, Reus
sei vielleicht recht sentimental veranlagt gewesen; im Gegenteil. Er galt
als sehr nüchtern und zurückhaltend. Diese Ausdrücke voll Zärtlichkeit waren
die Wirkung einer tiefen, echten und ehrlichen Liebe zu Christus einerseits
und einer ungewöhnlichen Gnade der Liebe andererseits.
Den Primiztag
nannte er “einen Tag des Erschauerns”.
Diese
Seine erste hl. Messe
feierte Pater Reus unter
jubelnder Anteilnahme seiner Landsleute in der Pfarrkirche seiner
Heimatgemeinde Pottenstein. Am folgenden Tag sang er feierlich das Hochamt
in der dortigen Kirche Sankt Kunigund, in der er oft Zwiesprache mit dem
eucharistischen Heiland gehalten hatte. Am dritten Tag nach seiner Weihe
hielt er einen Dankgottesdienst am Gnadenaltar der Wallfahrtskirche
zur heiligsten Dreifaltigkeit in Gößweinstein, wo seine Mutter ihn
als Kind schon dem Dreieinigen Gott geweiht hatte, mit der Bitte, daß er
einmal Priester werden dürfe.
Inhaltsverzeichnis
Ein Seelsorger voll Feuereifer
Nach der Priesterweihe wäre der
Primiziant am liebsten gleich bei den Jesuiten eingetreten, weil er dort am
sichersten sein Ziel zu erreichen hoffte, nämlich möglichst heilig zu
werden. Sein Ziel stand hoch und darum entschied er sich für diesen Orden.
Um aber dort einzutreten, brauchte er die Genehmigung seines Bischofs.
Begreiflicherweise wollte dieser den Neupriester nicht gerne ziehen lassen,
weil er ihn für die Pfarrseelsorge benötigte. Also vertröstete er ihn damit,
daß er erst nach einem Jahr Pfarrseelsorge gehen könne, hoffend, er werde
dann seinen Plan wieder aufgeben. Er rechnete aber nicht damit, daß Reus
“ein Mann ohne Kompromisse” war.
Der Bischof schickte den
Neupriester Reus nach Neuhaus an der Pegnitz. Dort wirkte dieser vom
6. Sept. 1893 bis zum 15. Okt. 1894. Der damals 65-jährige Pfarrer von
Neuhaus, Anton Held, bezeichnete seinen jungen Kaplan als einen “Priester
nach dem Herzen Jesu”. - Kaplan Reus hatte neben anderen Ortschaften vor
allem die Filiale Ranna zu betreuen. Diese lag eine halbe Stunde vom
Pfarrdorf entfernt. In den Monaten März bis Mai 1894 war er gleichzeitig
Pfarrverweser des benachbarten Ortes Hartenstein. So kam es, daß er bei Wind
und Wetter gar weite Wege zu Fuß (!) zurücklegen mußte.
Für den
opferfreudigen Neupriester
war das eine Selbstverständlichkeit. Jedes Opfer
galt ja dem eucharistischen Herrn. Die Schulkinder von Ranna eiferte er
an, die neun ersten Freitage zu Ehren des heiligsten Herzens Jesu zu halten.
Um sie alle auch zur himmlischen Mutter zu führen, ließ er eine große Menge
Rosenkränze kommen und teilte sie an die Kinder aus. Auch verbreitete er
das Skapulier unserer Lieben Frau vom Berg Karmel. Er wußte diese
gnadenbringenden Sakramentalien der Kirche zu schätzen. Eine besondere
seelsorgerliche Liebe hatte er zu den Armen. Er sah, wie er selbst schrieb,
in ihnen den göttlichen Heiland so lebendig vor sich, daß er es nicht wagte,
ihnen nur eine kleine Pfennigmünze, wie früher üblich, zu geben. Was er
selbst geschenkt bekam, brachte er gerne im geheimen den Armen und Kranken.
Von seinem bescheidenen Gehalt schaffe er für die Kirchen von Neuhaus und
Ranna je eine Statue der heiligsten Herzen Jesu und Mariä an. Für neue
Kreuzwegstationen ging er von Haus zu Haus betteln.
Eine besondere
Liebe hatte er für die Armen Seelen.
Um ihnen helfen zu können,
gewann er soviel Ablässe, als es ihm irgendwie möglich war. Am 17. Nov. 1893
vollzog er den Armen Seelen zuliebe den sogenannten “Heroischen Liebesakt”;
damit ist der Verzicht auf die Zuwendung all der guten Werke, über die man
verfügen kann, zugunsten der Armen Seelen gemeint. Dieser Entschluß fiel ihm
nicht ganz leicht; auch der böse Feind machte ihm diesbezüglich zu schaffen.
Seine größte Sorge war, er könne einmal, wie die Armen Seelen, von Gott eine
Zeitlang getrennt werden. Aber der Unendliche läßt sich nie an Großmut
übertreffen. Später versicherte ihm der Herr mehrmals, “daß er niemals von
ihm getrennt werde”.
Kaplan Reus entwickelte einen
heroischen Gebets- und Bußeifer. Es war echte Liebe zum Herrn. Er wollte vor
allem sühnen für die vielen Beleidigungen, die dem heiligsten Herzen Jesu
zugefügt werden, auch für die Schmach, die Seiner geliebten Mutter Maria
angetan wird. Deshalb feierte er auch jeden Monat bis zum Ende seines Lebens
je eine hl. Messe zu Ehren des Erlöserherzens und eine zum reinsten Herzen
Mariens. Weihnachten 1893 machte er das förmliche Gelübde, die
Herz-Jesu-Verehrung nach Möglichkeit zu verbreiten. Ein hochherziger
Entschluß! Beim Gedanken an Jesus dachte er fast immer an dessen
unbegreifliche Liebe zu den Menschen. Symbol dafür war Sein göttliches Herz;
darum redete er fast nur vom “heiligsten Herzen Jesu”, wenn er den Heiland
selber meinte. Für ihn war, “das heiligste Herz” der Erlöser selbst, dessen
tiefstes Wesen Liebe ist, dessen gottmenschlicher Liebe wir alles verdanken.
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Er erfährt zum erstenmal die liebende Nähe
Gottes
Reus war ein Mann, der in
allem, was er tat, aufs Ganze ging. Von der Liebe gedrängt und, um hl. Sühne
zu leisten, besuchte er nicht nur tagsüber, sondern auch nachts öfters die
Kirche, obwohl er ohne Licht durch den dunklen Friedhof gehen mußte. Er
wollte immer nahe bei dem sein, den er liebte. Liebe will nahe sein, Liebe
will Zwiesprache halten.
Vor dem Tabernakel erhielt er
auch die erste mystische Gnade, deren sich Pater Reus erinnerte. Er schreibt
darüber in seinen späteren Aufzeichnungen, die er auf Geheiß seines Obern
machen mußte - übrigens “die größte Demütigung seines Lebens” -, folgendes:
“Auf einmal überkam mich die Nähe Gottes. Es schien mir, als ginge
ich in Gott ein und als sei ich ganz eingetaucht in Ihn, zugleich mit dem
süßesten inneren Frieden.” - Es war “ein Erfahren Gottes in Seinen
übernatürlichen Einwirkungen auf die Seele”.
Erst zwanzig Jahre später wurde
ihm, der stets ein nüchtern denkender Mensch war, und der nie mystische
Gnaden erstrebte, ja sogar eine ausgesprochene Abneigung gegen alles
Mystische empfand, ganz klar, daß Gott ihm hier die erste mystische Gnade
gewährt hatte. Sein Grundsatz war, sich ganz auf die Hl. Schrift als dem
unbeirrbaren, lebendigen Wort Gottes einzustellen. Er hielt sich daran. Er
durfte aber auch die Wahrheit der in der Schrift enthaltenen Herrenworte in
ihrer überaus beglückenden Erfüllung erfahren: “Wer Mich liebt, wird von
Meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und Mich ihm
offenbaren.”
Die außergewöhnlichen Gnaden,
die Pater Reus in seinem Leben erfahren durfte und von denen hier noch die
Rede sein wird, waren freies Geschenk der Liebe Gottes; Gott schenkt Seine
Gnaden auch heute noch, wann und wo und wie und wem Er will. Gott ist die
Liebe, die sich verströmende, ewige Liebe. Er aber zwingt seine Gnaden
keinem auf. - Für Seine Liebe müssen die Herzen bereitwillig geöffnet sein:
in Demut - Vertrauen - Hingabe.
Inhaltsverzeichnis
Jede Sendung muß im Kreuz verankert sein
Ein volles Jahr stand Kaplan
Reus bereits in der Seelsorgsarbeit. Keinen Tag vergaß er, daß er bereits
die Aufnahme in die Gesellschaft Jesu hatte. Die Frage aber, wann er den
Eintritt verwirklichen könne, hielt ihn beständig in Atem; er wollte
“heilig” werden, dazu mußte er dem folgen, der ihn gerufen hatte. In seiner
inneren Not betete er oft zum Herzen Jesu: “Zeige Deine Macht, o geliebtes
Herz!” Er wandte sich auch an Maria, seine Mutter, an den Ordensstifter
Sankt Ignatius und die übrigen Heiligen der Gesellschaft Jesu. Er erneuerte
immer wieder sein Vertrauen und seinen festen Willen: “Ich werde die Kette
zerreißen, mit der ich an die Welt gekettet bin. Du, o starker Gott, wirst
mich stärken.”
Er versäumte nicht, seine Bitte
ein paarmal an den Herrn Erzbischof heranzutragen, schriftlich und mündlich,
doch erhielt er als Antwort nur freundliche Worte und Vertröstungen. Am 26.
Sept. 1894 machte er nochmals einen Versuch, vom Oberhirten die gewünschte
Erlaubnis zu erhalten. Er fuhr zu diesem Zweck nach Bamberg, wurde aber gar
nicht vorgelassen.
Kaplan Reus litt sehr
unter
dem inneren Drängen und unter der Nichterfüllung seines Herzenswunsches. Ein bekannter
Jesuitenpater, Professor der Moraltheologie, hatte ihm nahe gelegt, den
Eintritt nicht mehr länger aufzuschieben. Inzwischen aber hatte ihm sein
guter Freund, Subregens Geiger*, den er auf dem laufenden gehalten hatte,
die Erlaubnis des Bischofs erwirkt. *[später Dompfarrer]
Auf diese freudige Nachricht
hin schrieb Reus sofort nach Exaeten, daß er am 15. Oktober abreisen und am
folgenden Tag dort eintreffen werde. Aus übervollem Herzen dankte er der
lieben Gottesmutter und den himmlischen Freunden, daß sie ihm das Tor öffnen
halfen. Um den Schmerz seiner Eltern und Geschwister nicht zu vergrößern, machte er keine persönlichen Abschiedsbesuche in seiner Heimat. Er hing
zu sehr an seinen Angehörigen und wußte um den vermehrten Schmerz, den er
ihnen bereiten würde. Vor allem wollte er selber seinem Heiland ein
vollständiges Opfer bringen. Er verabschiedete sich darum nur schriftlich
von den Seinen.
Trotz allen Großmuts, trotz aller drängenden Sehnsucht nach dem Orden, ja
trotz seiner Freude, “die Welt endlich los zu sein”, empfand der angehende
Jesuiten-Novize die Größe des Opfers. Als er durch Würzburg fuhr, wo er
liebe Verwandte hatte, wurde auf einmal der ganze Trennungsschmerz lebendig:
Das Opfer, für immer von seinen Angehörigen und seiner Heimat Abschied
nehmen zu müssen, stand groß vor ihm. Aber er wußte: Jede Sendung muß im
Kreuz verankert sein. Nur aus dem Opfer quillt Segen.
Inhaltsverzeichnis
Im Noviziat der Gesellschaft Jesu
Nach einer Nachtfahrt bis Köln
hatte Reus im Dom die hl. Messe gefeiert und war dann bis zur deutschen
Grenzstation Goch gefahren. Von dort ging er zu Fuß nach Belijenbeek, einem
alten Kastell, das im Jahr 1873 den aus Deutschland vertriebenen Jesuiten
als Noviziatshaus zur Verfügung gestellt worden war. Mit Reus waren 60 junge
Menschen, darunter 9 Priester, eingetreten. Wenige Wochen später begannen die dreißigtägigen “geistlichen Übungen” des hl. Ignatius in ihrer
vollen ursprünglichen Form mit vier oder fünf Betrachtungsstunden am Tag.
Sie schienen dem jungen Novizen keineswegs zu lang und zu beschwerlich. Nur
eine kleine Sorge hatte er zu Beginn der Exerzitien: wie es wohl mit seinem
Knie gehen werde, das vom Seminar her immer noch geschwollen war. Ohne
irgendeine Ausnahme zu machen, hielt er alle Betrachtungen und Gebete
kniend. Und “sonderbar, am Ende der Exerzitien war auch die Geschwulst am
Knie vollständig verschwunden”. Dieses kleine Beispiel blieb unvergessen
für sein ganzes Leben und hat dazu beigetragen, sein Vertrauen zu stärken,
daß Gott schon für seine Gesundheit sorgen werde, wenn er sich mehr von der
Großmut der Liebe als von der Rücksicht auf sein Wohlbefinden leiten lasse.
Am 23. Dez. 1894 schrieb Reus
das Programm seines geistlichen Lebens
nieder. Dieses erstrebt nichts
anderes als das Einswerden mit dem Herzen Jesu, und zwar durch die Fürbitte
Mariens. Der Weg zu diesem Hochziel soll nach seinen Worten “ein
unersättliches Verlangen nach dem Herzen Jesu und Seinen Tugenden, besonders
Seiner Liebe und Demut sein”. Eine solche Sehnsucht habe Maria vor der
Verkündigung gehabt, desgleichen der hl. Josef, der als “gerechter Mann” das
Reich des Messias erwartete, ebenso die Hirten von Bethlehem, Maria
Magdalena und andere. Zur Begründung für dieses sein hochgezieltes Streben
schrieb er: “Ohne Maß hat mich das teuerste Herz Jesu geliebt, und ohne Maß
will ich Es lieben, soweit ich es vermag; nichts anderes will ich, als daß
ich ganz Gottes sei... Um diese Liebe zu erlangen, will ich die Demut
erwerben, denn durch sie hat unser Herr alles überwunden.”
Die Exerzitien lehrten ihn, die
Nachfolge Christi zum Hauptgegenstand seines Betens und Strebens zu machen,
denn dazu drängte ja schon der Name eines S. J. (eines Sozius oder Gefährten
Jesu).
Als besondere Schule der Demut,
der Geduld und des Gottvertrauens hatte der hl. Ignatius für die Novizen der
Gesellschaft Jesu die sogenannte Bettel- oder Pilgerreise bestimmt. Ihre
Reiseroute war genau vorgeschrieben. Die tägliche Unterkunft und ihre
Verpflegung sollten die Novizen dabei “um der Liebe Christi willen” bei
guten Leuten erbitten, meist in Pfarrhäusern und Klöstern, den Weg
größtenteils zu Fuß machen, ganz gleich bei welchem Wetter. Die
Bettelreise unseres Paters Johannes, zusammen mit einem Mitnovizen, dauerte vom 24. Juni bis zum 15. Juli und führte bis ins Westfalenland.
Sie legte manche Prüfungen und Überwindungen auf. Am Ende dieser Reise
schrieb Pater Reus in sein Tagebuch: “Ein unvergeßlicher Eindruck blieb mir
vom Münsterland, von den schönen, schmucken Kirchen und den guten Priesterherzen.”
Inhaltsverzeichnis
Pater Eberschweiler wird sein Spiritual
Es war eine gütige Fügung der
Vorsehung, daß Pater Reus im zweiten Noviziatsjahr 1895/96 in Exaeten den
heiligmäßigen aus Püttlingen/Saar stammenden Pater Wilhelm Eberschweiler als
Spiritual bekam. Dessen Art der geistlichen Führung sagte ihm sehr zu. Pater
Eberschweiler, ein von tiefer Christusliebe erfüllter, vorbildlicher
Ordensmann, ermunterte zum beharrlichen Streben nach Heiligkeit. Er erkannte
stets an, wo etwas anzuerkennen war, und machte damit viel Mut. Pater Reus
verehrte ihn sehr und versuchte, ihn möglichst nachzuahmen.
Bezeichnend für die echt
priesterliche Gesinnung von Pater Eberschweiler ist dessen Aufzeichnung vom
Sankt-Theresien-Tag (15.10.) 1876: “Als ich heute bei der Danksagung meinen
Jesus inständig bat, er möge mich (armen Sünder) zu einem Heiligen machen,
nicht meinetwegen, sondern Seinetwegen... und des himmlischen Vaters wegen,
da ließ Er mich erkennen, daß Er mir wirklich diesen besonderen Beruf
gegeben habe, nämlich, daß ich selbst immer vollkommener meinen Gott liebe
und glühend danach verlange, Er möge von allen erkannt und geliebt werden,
endlich, daß ich nach Kräften dazu beitrage, daß recht viele Ihn wahrhaft
und immer vollkommener lieben mögen.” Pater Eberschweiler machte das
Ordensziel seines hl. Ordensstifters Ignatius “Alles zur größeren Ehre
Gottes”, wirklich zu seinem Lebensziel. Als er am 23. Dez. 1921 in Exaeten
hochbetagt starb, war man überzeugt, daß hier ein Heiliger heimgegangen sei.
Der Heiligsprechungsprozeß für ihn ist seit 1951 eingeleitet. Nach
Vollendung des Informativprozesses wurde Pater Wilhelm Eberschweiler am 16.
Mai 1958 in der “Jesuitenkirche” (Kirche des Priesterseminars) zu Trier
beigesetzt. Die Grabplatte trägt die Inschrift: Ein Apostel froher
Gottesliebe erwartet hier die Auferstehung. - Das Grab dieses großen
Gottliebenden wird täglich von Vertrauenden besucht. Zahlreich sind die
Gebetserhörungen, die auf seine Fürbitte hin schon geschahen. Viele seiner
Ansprachen und Aussprüche sind weithin im Volk verbreitet und ermutigen zu
einem innerlichen, gottverbundenen Leben.
Unter der
geistlichen Führung dieses begnadeten Priesters durfte Pater Reus am 1. Nov.
1895 die privaten Ordensgelübde ablegen.
An diesem Allerheiligentag -
zugleich Herz-Jesu-Freitag - schenkte sich der opferbereite Novize aufs neue
dem göttlichen Meister. Er schrieb an jenem Tag unter anderem: “Meinen Leib,
meine Seele, alles, was ich habe, gehört Deinem heiligsten Herzen, denn Du
hast Dich gewürdigt, heute meine Gelübde der immerwährenden Armut,
Keuschheit und des Gehorsams anzunehmen. Jetzt kann ich Dich noch viel mehr
den Geliebten nennen, weil ich nichts mehr habe als Dein heiligstes Herz und
nichts mehr verlangen kann als die Liebe Deines Herzens.”
Am Ende der Jahresexerzitien
erhielt der überglückliche Novize die innere Gewißheit über seine besondere
Berufung und den Weg, den Gott ihn führen wolle. Auf die Liebe eines
großmütigen Herzens antwortet Gott immer mit Großmut. Er greift aber den
freien Willen bei keinem Menschen vor. Am letzten Tag der Exerzitien, am 29.
Aug. 1896, schrieb Pater Reus: “Ich bin gewiß, daß ich erreichen werde, was
Du willst, mein geliebter Seelenbräutigam: Die Heiligkeit, nicht eine
glänzende, sondern eine verachtete. - O Maria, freigebige Mutter, schütze
mich, damit ich durchhalte.”
Nicht eine
glänzende Heiligkeit
Dies ist tatsächlich wahr
geworden, denn Pater Reus hatte kaum Gelegenheit zu glänzenden äußeren
Werken des Seeleneifers oder sonstwie zu hervorstechenden Taten in seinem
Priesterleben. Der Himmel scheint dadurch bestätigt zu haben, daß gerade
diese verborgene, “nicht glänzende, sondern verachtete” Heiligkeit in den
Augen Gottes um so größer war, je mehr sie vollkommene, restlose Hinopferung
aus Liebe und Angleichung an den mit Dornen gekrönten gekreuzigten Gottkönig
der Liebe geworden ist. Das Größte ist die Liebe und nicht der Erfolg
und nicht die Leistung, die man heute vielfach allein noch anbetet. Die
Liebe ist das Höchste, sie währt in alle Ewigkeit.
Inhaltsverzeichnis
Jeder Edelstein muß geschliffen werden
Diente das zweite Noviziatsjahr in Exaeten neben der Vertiefung des
geistlichen Lebens, vor allem auch dem Studium der Rhetorik (Redekunst), so
folgte anschließend die Wiederholung und Vertiefung seiner philosophischen
und theologischen Studien in Valkenburg (Holland). Dort durfte er zum
Abschluß seines Noviziates am 18. Okt. 1896 feierlich die ersten hl.
Ordensgelübde ablegen. Durch sie band er sich endgültig an den Orden. Das
bedeutete für ihn die Erfüllung seines einstigen inbrünstigen Gebetes zur
Gottesmutter: “Laß mich Dein armer Priester sein!” Den verschwiegenen
Blättern seines Tagebuches vertraute er seinen tiefen Dank dafür und die
überströmende Freude seines Herzens an: “Maria, liebste Mutter, zuerst hast
du mich zum Priester gemacht und dann zum armen Priester (durch das Gelübde
der Armut). Wie soll ich dir dafür danken!”
Welch unendlicher Segen, wenn
auch in unserer Zeit der Glaubenskrise der Priester- und Ordensberuf mit
solchem Glauben, mit solcher Liebe ergriffen und erfüllt würde! Möchten doch
unsere Gläubigen diese Gnade recht vielen erbeten helfen! ‘Hl. Priester -
ein hl. Volk!” “Das Volk hat die Priester, die es verdient”, so sagt eine
alte Volksweisheit.
Pater Reus war wirklich ein
großer, den Heiland liebender Priester. Er liebte nicht etwa mit Worten.
Er brachte
Opfer, viele Opfer,
um seinem Meister ähnlich zu werden. So verlangt es
ja auch das Ordensideal. Er erkannte die Aufgabe des Sich-nie-Gehenlassens
und Sich-nie-Nachgebens als Stählung im Kampf gegen die höllischen Mächte.
Pater Reus war darum bestrebt, seine stark ausgeprägte Neigung zur Ehrsucht
und seine empfindliche Natur ganz der Liebe Gottes zum Opfer zu bringen. Er
wollte die Eigenliebe, soweit sie der Liebe Gottes entgegenstand, bis in die
Wurzeln hinein treffen. Darum sprach er fast nie von seinen Vorzügen, um so
häufiger aber absichtlich von seinem Versagen und seinen Fehlern. Darum
ertrug er tapfer seine nüchterne, wenig umgängliche Art sowie sein zur Enge
und übertriebener Strenge neigendes Wesen, das ihm bei den Mitbrüdern
manche Hänseleien, ja zum Teil Ablehnung eintrug, umgekehrt litt er selber
eine Zeitlang sehr schwer an einem “unüberwindlichen Widerwillen” gegen
einen Vorgesetzten.
Darum nahm er bewußt auch all
die Demütigungen an, die der Herr ihm immer wieder auferlegte. So zum
Beispiel hatte sich Pater Reus “möglichst gut” auf das Jurisdiktionsexamen,
das heißt auf die Prüfung über die zur Spendung des Bußsakramentes
erforderlichen Kenntnisse, vorbereitet. Er bestand aber das Examen nicht
gleich und erhielt den Bescheid, es nach einiger Zeit noch einmal zu
wiederholen. Auch seine theologische Abschlußprüfung in Valkenburg war kein
voller Erfolg. Demütig gesteht Pater Reus bezüglich seines Studiums von sich
selbst: “Gott hat mir nicht die Schnelligkeit des Verstandes und die
Leichtigkeit des Gedächtnisses gegeben wie anderen, aber Er hat alles sehr
gut gemacht.” Begreiflich, daß der Herr ihn zur Prüfung seiner Geduld und
Hingabe in jungen Jahren schon mehrmals mit Krankheit heimsuchte. P. Reus
nahm diese Prüfungen als Fügungen Gottes ergeben hin. Auch folgendes
Beispiel sei noch erwähnt: Obwohl Pater Reus in Valkenburg längere Zeit in
einem Zimmer wohnte, dessen Fenster sehr schlecht schlossen, so daß er
nachts oft erwachte oder kaum schlafen konnte, so hat er sich nie darüber
beklagt.
Selbstzucht aus Liebe - Großmut aus Liebe wurden immer mehr die
Kraftquellen
seines inneren Lebens.
Pater Reus war bestrebt, sich
täglich der “Selbstentäußerung” und der Hingabe seines Meisters
anzugleichen, wie es der hl. Ignatius für sich und die Seinen als Ideal
erstrebte.
So war auch der Hauptvorsatz
bei den abschließenden großen Exerzitien 1899: “Die Demut und die
Selbstentäußerung Christi in der Liebe zum Kreuz und im Ertragen von
Verachtungen und Demütigungen sich besonders zu eigen zu machen.” Als
praktische Übung für die Übung der Demut nahm er sich vor: Ich will mich
ganz und gar unabhängig machen vom Urteil anderer, zum Beispiel bei
Bußübungen, in der Beobachtung der Regel der Bescheidenheit und der Armut.
Ich will - und das war der alles zusammenfassende Vorsatz - auch das
Verkannt - und Verachtetwerden lieben. Seine Mitbrüder merkten, daß
Pater Reus anders war als sie. Sie hielten ihn für zu streng und enge und
spielten ihm manche Streiche. Pater Reus ließ sich nichts anmerken, daß ihm
das wehe tat. Er benützte diese kostbare Gelegenheit, die Tugend zu üben. Er
wollte seine Liebe zu sich der Liebe zu Christus restlos zum Opfer bringen.
Eigenliebe ist ja nie fruchtbar. Ihre Überwindung aber erwartete er nicht
von seiner Kraft, sondern von der Kraft Gottes. Das war ein entscheidendes
Moment in seinem Streben, das ist es auch heute noch für jeden wahrhaft
Ringenden. “Alles ist Gnade.”
Zum Abschluß seiner
Valkenburger Jahre durfte der treue Verehrer des göttlichen Herzens noch ein
kirchengeschichtliches Ereignis erleben, an dem er tiefen Anteil nahm:
Die Weihe der Welt an das Erlöserherz Jesu.
Papst Leo XIII. nannte diese Weihe “die größte Tat seines Pontifikats”. Sie
erfolgte am 11. Juni 1899. Am Tag der Weltweihe schrieb der Pater: “Ich
glaube, es ist heute der höchste Triumph, die höchste Ehre, die Dein Herz
jemals von den Geschöpfen erhalten hat - mit Ausnahme des hl. Opfers -. Alle
Völker kommen zu Deinem heiligsten Herzen - Welche Freude im Himmel! Welche
Freude für die seligste Jungfrau und für die Seelen, die Dein Herz geliebt
haben! Wie glücklich sind wir, daß Du uns auserwählt hast, Dir diese Freude
zu machen!” - Nur ein wahrhaft Gottliebender kann diesen Jubel und Dank
nachfühlen.
Inhaltsverzeichnis
ALS MISSIONAR NACH BRASILIEN
Erst “dunkle Nacht der Seele”
Nach dem dritten Probejahr, das
Pater Reus anschließend an sein Studium machte, und das nach dem Willen des
Ordensstifters einer weiteren Vertiefung des inneren Lebens dienen sollte,
fiel die Entscheidung, wo und für welche Arbeit der Pater in der Zukunft
verwendet werden sollte. Sein stiller Wunsch, für den Heiland viel leiden
und vielleicht auch sein Blut und Leben hingeben zu dürfen, hatte ihm schon
früher den Gedanken eingegeben, einmal um die Entsendung in die
Sambesi-Mission zu bitten. Diese hatte damals große Opfer an Menschenleben
gefordert, darunter sechs deutsche Patres. Auch die Indien-Mission verlangte
viele Opfer. Pater Reus aber wurde für Brasilien bestimmt, das damals auch
als Mission betrachtet wurde. Wie unerforschlich sind doch Gottes Pläne und
Wege! Gerade das Missionsland Brasilien bot eine günstige Voraussetzung für
die Berufung, die Pater Reus offensichtlich hatte: “Victima amoris” - “ein
Opfer der Liebe” für seinen Meister zu werden. Zudem sollte diesem in
religiöser Hinsicht unterentwickelten Land der besondere Segen eines mit
Christus vereinten, verborgenen Opferlebens zugewendet werden!
Gott aber schenkt Seine Gnade
nur dem Demütigen, dem ganz Hingegebenen; darum durchlitt Pater Reus nach
Vollendung des dritten gnadenvollen Probejahres einen Zustand der inneren
Prüfung, den man mit dem hl. Johannes vom Kreuz “eine dunkle Nacht der
Seele” nennen könnte. Er erlebte die ganze Wucht seiner erbsündigen Anlagen,
besonders die Anlage zur Ungeduld und Heftigkeit, die ihm schwer zu
schaffen machte. Er war eben vom gleichen Holz wie wir alle. Im
Vergleich zu den Tagen des fühlbaren Eifers und Trostes im Noviziat und in
den Studienjahren lebte er in einer gewissen Nacht des bloßen Glaubens.
Aber
das Große an ihm war gerade dies, daß er in jener Zeit der Prüfung und
Trockenheit Gott um so treuer zu dienen und seine Liebe in größerer
Vollkommenheit seines Tuns und Handelns zu beweisen suchte. Gerade in dieser
dunklen Nacht der Seele schloß er sich um so enger an Jesus an. Ihm allein
wollte er gehören, allezeit bereit, heldenmütig mit den Plänen Gottes
mitzuarbeiten, ungeachtet der eigenen Gebrechlichkeit, einzig und allein im
Vertrauen auf Seine Gnade. “Meine Gnade genügt dir!”
Erfährt nicht jede Seele irgendwie die “Nacht der Seele”, eine oft
zermarternde Prüfung, aber zugleich die unüberhörbare innere Einladung:
“Komm, komm zu Mir, Meine Kraft genügt dir!” Pater Reus hat die Größe und
Macht der Gnade immer mehr kennengelernt.
Nach einer
erlebnisreichen Überfahrt
auf der “Rosario” kam Pater Reus mit noch vier
Mitbrüdern am 10. Sept. 1900 in Brasilien an. Dankbar jubelte seine Seele
dem Schöpfer entgegen, so oft er die leuchtende Bahn der untergehenden Sonne
im spiegelnden Wasser des Meeres oder ein herrliches Seeleuchten am Gestade
schauen durfte. Die Augen einer kindlichen, einer gottliebenden Seele sehen
stets tiefer und beglückender.
Pater Reus, der angehende
Missionar, war 32 Jahre alt und 6 Jahre im Orden, als er in Brasilien
ankam. 47 Jahre sollte er dort arbeiten und dort auch seine letzte
Ruhestätte finden. Die Orte, an denen er wirkte, waren: Rio Grande, Porto
Alegre und São Leopoldo, alle im südlichsten Staat des weitausgedehnten
Landes gelegen, nämlich im Rio Grande do Sul. Dieser Teil gehörte damals zur
südbrasilianischen Mission der deutschen Jesuiten. Was Pater Reus als seine
wichtigste Aufgabe in “der Neuen Welt” betrachtete, war dies: die Menschen
zu lehren, daß sie das göttliche Herz Jesu lieben lernen aus ganzer Seele,
und daß so Christus die Mitte ihres Herzens werde. Dafür erbat er sich vom
ersten Tag an den Segen seiner Mutter Maria, der himmlischen
Gnadenvermittlerin. Dafür holte er sich auch den Segen seines hl. Engels; er
versprach ihm seinerseits tägliche Verehrung, er versprach aber auch die
Verbreitung der Schutzengelverehrung in seinem Wirkungskreis eifrig zu
fördern. Das war eine sichtliche Führung des Hl. Geistes, sich nicht nur die
Hilfe des eigenen Schutzengels zu sichern, sondern auch die Hilfe der Engel
aller ihm anvertrauten Seelen. Müßten das nicht alle Seelsorger viel
bewußter tun? Die hl. Engel, die ja allezeit das Antlitz Gottes schauen,
sind unüberhörbare Mahner der Seelen, sind ihre getreuen Geleiter und
Führer, ihre starken Mitkämpfer wider Satan und seine Helfer, sind Tröster
in den Prüfungen und sind unsere allerbesten Freunde und Brüder. Es liegt
einzig an uns, Kontakt mit ihnen aufzunehmen und diesen Kontakt immer mehr
zu beseelen und zu vertiefen. Pater Reus tat es und leitete die Seelen dazu
an. Und das war gut.
Zunächst aber machte er sich an das
Erlernen der Landessprache, des
Portugiesischen. Schon am 1. Adventssonntag 1900 hielt er seine erste
portugiesische Predigt über sein Lieblingsthema: das göttliche Herz Jesu. Er
hatte aber auch Gelegenheit zur Seelsorge in deutscher Sprache, in den
dortigen deutschen Gemeinden, aber auch bei deutschen Ordensleuten.
Inhaltsverzeichnis
Rio Grande war kein leichtes Arbeitsfeld
Dort herrschte in weiten
Kreisen eine ausgesprochen kirchenfeindliche, freimaurerische Stimmung.
Hetze gegen die Kirche und die Priester war an der Tagesordnung. Im Volk war
die Unwissenheit und der Aberglaube bestürzend. Der Spiritismus,
dieser abergläubische, zum Teil dämonische Verkehr mit Geistern, war und ist
heute noch im ganzen Land groß geschrieben. Als das meist gekaufte Buch
bezeichnete ein Buchhändler in Rio Grande dem Pater Reus gegenüber einen
“Leitfaden für die Abhaltung spiritistischer Sitzungen”. Die Moral stand
vielfach auch recht tief. Leider waren einige pflichtvergessene Priester
nicht ganz unschuldig an dem seelsorgerischen Tiefstand. In diesem von
manchem Unkraut überwucherten Weinberg des Herrn betrachtete sich Pater Reus
“allen Gebildeten und Ungebildeten gegenüber als Schuldner” und suchte nach
Möglichkeit, allen alles zu werden. Er wollte und mußte die Pflugscharen
tief ansetzen. Am liebsten hätte er sich sofort mit ganzer Kraft der
Seelsorgstätigkeit gewidmet, aber er konnte es nur nebenbei. Die Oberen
bestimmten anders.
In den ersten Jahren seines
Wirkens hatte Pater Reus als
Hauptaufgabe: Unterricht an der Schule.
26 Schulstunden in der Woche
und die Aufsicht über alle Schüler während der Pause! “Arbeit in Hülle und
Fülle!” Dann die hohe Schülerzahl in einer Klasse bis zu 56 -, dazu das
südländische Temperament der Buben, die oft “das reinste Quecksilber” waren
- wahrhaft eine Nervenprobe für ihn. Dazwischen gehörten manche Stunden der
Schwestern- und Krankenseelsorge! Als unser guter Pater einmal wegen eines
schweren Sumpffiebers drei Wochen ans Bett gefesselt war, ohne nur einen Tag
zelebrieren zu können, schien ihm das “wie eine kleine Ewigkeit” zu sein.
Nach 5 Jahren schon wurde der
damals 37-jährige zum Oberen des Hauses in Rio Grande ernannt, eine
unerwartete und schwierige Aufgabe; noch schwerer aber wurde für ihn zuletzt
die Durchführung der vom Orden beschlossene Aufhebung des Herz-Jesu-Kollegs
in Rio Grande und seine Verlegung nach Sancta Catarine. Pater Reus brauchte
ein bergeversetzendes Vertrauen, zumal noch eine große finanzielle
Schuldenlast auf dem Haus lag. Das liebende Herz seines Meisters war ihm
Zuflucht.
Er vertraute nicht umsonst. Der
große Betrag der seinerzeit entlehnten Summe von 40.000 Mark wurde dem Haus
erlassen. Im Lauf all der Jahre wuchsen die Seelsorgsarbeiten immer mehr. Superior Reus nahm
sich besonders der Arbeiter an. Sie brauchten nicht nur soziale Förderurig,
sondern auch religiöse. Er mußte von Mann zu Mann werben. Mit Eifer erteilte
er ihnen abendlichen Religionsunterricht, hielt Exerzitien für sie, gründete
einen katholischen Arbeiterverein, besorgte den Kauf eines Grundstückes,
hielt Lichtbildervorträge im Schulhof und veranstaltete gemeinsame Ausflüge.
Er schuf eine Theatergruppe, der 21 junge Arbeiter beitraten; er wurde auch
ihr Regisseur und opferte viele Stunden der Nacht; auch zum Kulissenmaler
ist er dabei einmal geworden. Wozu all das? - “Wenn nur die Seelen vom Weg
des Verderbens abgehalten werden, und wenn auch nur eine schwere Sünde
verhindert wird!”, so schrieb er damals. Das ist die Parole eines Heiligen,
der ganz erfüllt ist von der Sorge seines Meisters: “Was nützt es dem
Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden
nimmt!” Wie viele weite Wege ist Pater Reus in jenen Jahren gegangen, um
wilde Ehen in Ordnung zu bringen und so “ein Sündenleben zu verhindern”.
Überzeugt von dem hohen Wert der Presse, schrieb er immer wieder
Zeitungsartikel, in denen er Glaube und Kirche kraftvoll verteidigte. Im
Jahr 1910 begann er mit der Herausgabe eines vierseitigen Monatsblattes
“Strahlen” (des heiligsten Herzens). An allen Sonn- und Feiertagen hielt
Pater Reus Katechismusunterricht für die Kinder.
Als Vorgesetzter kleidete er
nach seinen eigenen Worten seine Befehle immer in Bittform. Für ihn galt
das Wort des Herrn: “Der Vorgesetzte werde wie der Diener” (Lk 22,26). Auch
war er überaus mildtätig gegen alle Notleidenden, obwohl im Haus
franziskanische Armut herrschte.
Die Jahre in Rio Grande zeigen,
daß Pater Reus in der apostolischen Arbeit seinen Mann vollauf gestellt
hätte, wenn nicht der Herr es anders gewollt. Gerade der Verzicht darauf
sollte ein Teil seines “Ganzopfers der Liebe” werden. Er sollte seinen
Willen opfern lernen. - Willst du heilig werden, dann mußt du dich ganz dem
Willen Gottes, Seinen Forderungen, Fügungen und Zulassungen ergeben lernen.
Inhaltsverzeichnis
Aus Opfern quillt neuer Segen
Der Herr selbst arbeitete an
der Läuterung seines hochherzigen Dieners Johannes. Allerlei Fügungen und
Zulassungen sollten ihn immer mehr von jeder Anhänglichkeit an das Diesseits
lösen und ganz an Gott binden. So bedrängte ihn Wochen hindurch der Gedanke
an seinen baldigen Heimgang. Mehrmals erkrankte er ernsthaft. “Kopfweh
plagte ihn stetig.” Schwere Träume von seinem baldigen Sterben
überfielen ihn. Er selbst bemerkt dazu: “Ich glaube nicht an Träume, aber
man kann einen Traum als Anlaß benützen, um sich gründlicher auf den Tod
vorzubereiten.” Ergreifend ist sein Flehen in diesen Tagen:
“Maria, liebste Mutter, bewahre mich vor der Hölle und dem Fegfeuer!”
Sechs volle Wochen lang
erdrückte ihn schier die innere Angst, er werde ewig verdammt werden.
Das war eine quälende Prüfung und Belastung seines Glaubens und Vertrauens.
Schließlich fand er wie einst Franz von Sales mit einem innig gebeteten
Memorare (Gedenke) vor dem Bild der Gottesmutter die Ruhe wieder. Ja, er
fühlte seine Seele von neuer Innigkeit der Liebe und von Dankbarkeit gegen
Jesus und seine hl. Mutter durchdrungen. Gerade in dieser Zeit der Prüfung
suchte er dem Herrn um so treuer zu dienen und Seine Liebe durch ein
besonders vollkommenes Tun zu beweisen.
Pater Reus konnte über die 10
Jahre in Rio Grande die vielsagenden Worte schreiben: “Ich tat im
geistlichen Leben, was die Regel vorschrieb.” - Er wollte seinen göttlichen
Meister zufriedenstellen und ihm Freude machen. Wundern wir uns deshalb
nicht, daß Gott ihm zuweilen außerordentliche Gnadenerweise als Zeichen
Seiner Liebe schickte. Aus der letzten Zeit seines Aufenthaltes in Rio
schreibt er: “Auffällig war mir, daß ich bei der Betrachtung zuweilen
Gottes Nähe fühlte. Es war mir, als ob Er auf mich herabkäme und auf mir
ruhte, so daß ich Ihn ganz nahe fühlte. Ich aber wußte nicht, was das sein
solle.”
“Ebenso geschah es, daß ich,
wenigstens einmal, den göttlichen Heiland ganz in der Nähe glaubte. Ich war
ins Sprechzimmer gerufen worden. Während ich mit den Leuten verhandelte, war
es mir plötzlich, als ob der Herr neben mir stünde.
Er sprach zwar nichts, aber ich
begann unwillkürlich mit Ihm zu reden, während ich in der Unterhaltung mit
den besuchenden Personen begriffen war. Es war eine merkwürdige
Doppelunterhaltung, ohne daß eine die andere störte.” Pater Reus hatte keine
Ahnung, daß es sich um eine mystische Gnade handelte, das heißt: um das
übernatürliche Erleben der Gegenwart Gottes. Er hatte sogar eine
Abneigung gegen Mystik; er hatte sich noch nie damit befaßt.
Inhaltsverzeichnis
Mystik - eine große Gnade Gottes
Pater Reus hat nie nach
Außergewöhnlichem verlangt. Er hat immer ein vorsichtiges Mißtrauen dagegen
bewahrt und selbst dazu erklärt: “Eine Demütigung, die der Heiland zuläßt,
ist ein Beweis Seiner Liebe, und zwar mit größerer Sicherheit, als wenn Er
mich in der Vision umarmte.” Erst mit 44 Jahren setzte sich Pater Reus mit
den Gnaden der Mystik auseinander.
Mystik ist tatsächlich ein
geheimnisvolles Einwirken Gottes in die Menschenseele, ein Bewußtmachen
Seines Lebens und Seines Gnadenwirkens in unserer Seele. Die heiligmachende
Gnade, die wir für gewöhnlich nicht bewußt wahrnehmen, ist etwas so
Wunderbares und Großes, daß die Kirche in jeder hl. Messe den Priester sagen
läßt: “O Gott, Du hast den Menschen in seiner Würde wunderbar erschaffen und
noch wunderbarer erneuert.” Die mystisch begnadete Seele darf erfahren, was
wir nur durch den Glauben wissen und mit dem Verstand allein nicht begreifen
können. Wenn schon das natürliche Leben um so wundervoller erscheint, je
mehr die Wissenschaft eindringt in die Geheimnisse der Biologie, der Physik
und der Chemie, in die Welt der Atome, so birgt das übernatürliche Leben
noch weit größere Wirklichkeiten und Wunder in sich.
Bischof Rudolf
Graber schreibt:
“In einem
naturwissenschaftlichen Zeitalter kommt es vor allem auf das Experiment an.
Demgegenüber befindet sich der Glaube in einer schier hoffnungslosen
Situation. Hier versagt das Experiment. Die stärksten
Glaubwürdigkeitsbeweise erreichen niemals den Überzeugungsgrad eines
Experimentes, und das verleiht der heutigen Technik diesen Vorsprung und
diese Überlegenheit gegenüber Theologie und Glaube. Es rächt sich heute, daß
wir ein Teilgebiet des Glaubens vernachlässigt und ausgeklammert haben, das
uns sogar dem Worte nach auch hier ein “Experimentieren” erlauben würde; es
ist die Mystik, die ja geradezu definiert wird als ‘cognitio Dei
experimentalis’, als ‘ein erfahrungsmäßiges Erkennen Gottes in Seinen
übernatürlichen Einwirkungen auf die Seele’. Christus selbst hat dies
angedeutet, wenn Er sagt: “Wer gewillt ist, den Willen des Vaters zu tun,
der wird erkennen, ob diese Lehre aus Gott ist” (Jo 7,17). Wir können also
erfahrungsgemäß, gewissermaßen “experimentell”, feststellen, und zwar durch
ein Tun, ob eine Lehre aus Gott ist. Es gibt somit eine Möglichkeit und
einen Weg, Gott zu erfahren und Seiner inne zu werden, freilich nicht aus
eigener Kraft, sondern gnadenhaft von oben, von Gott selbst uns geschenkt.
Immerhin, wir können uns für diesen Empfang disponieren. Für die Zukunft der
Kirche und des Christentums wird alles davon abhängen, ob wir diesen
verschütteten Weg wieder auffinden und die Mysterien Gottes so stark
erfahren können, daß sie uns sicherer sind als alle irdischen Beweise und
Experimente.” ( “Deutsche Tagespost” Weihnachten, 1970)
Die Tiefen der Menschenseele
können nie mit Äußerlichkeiten und Oberflächlichkeiten ausgefüllt werden.
Gerade in unserer so “weltlich” gewordenen Zeit drängt es viele wieder zur
mystischen Erfahrung, hin zu Gott, der allein die Sehnsucht des
Menschenherzens befriedigen kann.
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Thronus gratiae =
Thron der Gnade |
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20. Mai 1946:
Ich las die Messe vom Unbefleckten Herzen Mariä. Schon beim Beginn
sah ich die liebe Mutter Gottes mit ihrem sichtbaren Herzen,
inmitten eines großen Glanzes. Von ihrem Unbefleckten Herzen gingen
Strahlen nach allen Seiten und trafen auch die vielen hl. Engel
ringsum. Die Worte des Eingangs der hl. Messe Laßt uns hintreten zum
Thron der Gnade...” fanden in dieser Flut von Licht und Gnade ihren
Ausdruck. Das Unbefleckte Herz Mariens soll die Wirkungen der Güte
und Liebe und des Erbar-mens der ganzen Schöpfung mitteilen. Daran
wird wohl der Priester sein geschütteltes und gerütteltes Maß
erhalten. Denn er ist das Werkzeug, dessen sie sich vor allem
bedient, um die Seelen zu retten und zur Urquelle der Gnaden, dem
heiligsten Herzen Jesu, zuzuführen. Das heiligste Herz Jesu will
Zeichnung und Bericht. Am Schluß der Messe gab die liebe Mutter mit
mir den Segen. |
Das Grunderleben des mystischen Weges
ist das unmittelbare
Innewerden der liebenden Gegenwart Gottes in der Seele. Gott tritt
sozusagen aus Seiner Verborgenheit und Zurückhaltung heraus und gibt sich
auf vielfache Weise der Seele kund. Die Seele - Geist vom Geist Gottes
vermag Seine Wirklichkeit wahrzunehmen. Das aber ist ein übersinnliches
Eintauchen in Seine Schönheit und Unendlichkeit, ein Sichversenken und
Eingehen in Ihn, über alle Sinne hinweg. Die mystische Vereinigung ist die
Erfüllung der Offenbarung Christi: “Wer Mich liebt, der wird von Meinem
Vater geliebt werden, und auch Ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren”
(Jo 14,21).
Einer Welt wie heute, die
infolge des zunehmenden Materialismus und Atheismus (Gottlosigkeit) an die
Übernatur nicht mehr glauben will, schickt der Herr in Seiner Erbarmung immer
wieder Auserwählte, die in geistiger Weise die
Existenz einer “anderen Welt” gleichsam greifbar erfahren dürfen,
um so den Glauben an das
Übernatürliche zu festigen. Diese von Gott auf den mystischen Weg Berufenen
werden durch besonders schwere Leiden geläutert und geprüft. Pater Reus
wurde, wie wir im folgenden noch lesen werden, ein Werkzeug der
Auserwählung, gerade auch für unsere Zeit.
Der Klarheit halber sei noch
erwähnt, daß die grundlegende mystische Gnade neben einigen
Begleiterscheinungen die “Beschauung” ist, das heißt, das
liebeerfüllte Innewerden, das Schauen des übernatürlichen Lebens. Die Seele
verkehrt dabei mit Gott nach der Art der Engel, also nicht durch
sinnenfällige Vorstellungen, sondern als Geist mit dem Geist Gottes, ähnlich
wie der erste Mensch vor der Sünde im Paradies. Die Beschauung ist meist von
kurzer Dauer.
Bei der höheren Stufe, Ekstase genannt, sind nicht nur die Seelenkräfte gefangen genommen, es
verlieren auch die äußeren Sinne vorübergehend ihre Tätigkeit. Der Mensch
sieht in diesem Zustand nicht mehr, hört und fühlt nicht mehr; Phantasie und
sinnliches Strebevermögen sind jeder eigenen Tätigkeit beraubt. Jede dieser
Gnaden bereichert die Seele wunderbar.
Eine einzige von ihnen genügt,
so sagen die Gottesgelehrten, um die Seele mit einem Schlag von gewissen
Unvollkommenheiten zu befreien und, was noch mehr ist, um sie mit Tugenden
auszustatten, und das ist das Entscheidende. Die größte aller Tugenden aber
ist die Liebe. Gott aus ganzer Seele lieben, das ist die einzige
entsprechende Antwort des Menschen auf Gottes unendliche Liebe. Mehr wie bei
jedem anderen kommt es beim mystisch Begnadeten dazu, daß all seine Kräfte
auf Gottes Liebe und Gottes Willen hingeordnet sind, auch im dunkelsten
Leid, in dem die Gegenwart Gottes oft nicht mehr erfahren wird. Wir wissen,
Pater Reus suchte nie und nirgends das Außergewöhnliche; er wollte nur in
vollkommener Weise und überall Gottes hl. Willen erfüllen. Er hätte all
diese seelischen Erlebnisse einfach beiseite schieben können, wie ein
Großteil der Menschen die Seele des Menschen leugnet. Er aber hatte die
Augen seiner Seele offen, um all die Schönheit Gottes, die verborgene, zu
schauen.
In tiefer Dankbarkeit erwähnt
er am Ende seiner Rio-Grande-Jahre, daß die Freude am Kreuzwegbeten
wiedergekehrt sei; er, der in den ersten Ordensjahren täglich ein paar Mal
den hl. Kreuzweg zu beten pflegte, gesteht mit großer Wehmut: “Es kamen
Jahre in Rio Grande, wo ich kaum je den Kreuzweg betete. In der letzten Zeit
meines Aufenthaltes kam ich wieder häufiger dazu.” Das ist das Bekenntnis
eines innerlich schwer Geprüften, der aber um so dankbarer war.
Im Dezember 1911 wurde Pater
Reus als Superior in Rio Grande durch Pater Augustin Scholl abgelöst.
Das Jahr 1912 brachte ihm den vollen
Durchbruch der mystischen Gnaden.
Er war bis dahin ein treuer,
eifriger Priester und Ordensmann gewesen, dabei einfach und schlicht; an
Außergewöhnliches, an Charismen (Gnadengaben) hatte er nie gedacht, ja, er hatte geradezu Angst vor mystischen Büchern. Mehr als einmal weist
Pater Reus darauf hin, daß er infolge seiner ganzen Erziehung und seiner
nüchternen Veranlagung von Mystik nichts wissen, ja sie meiden wollte “wie
die Pest”. Er hielt sie von vorherein für etwas Gefährliches und Abwegiges.
Als er einmal in der Hausbibliothek in Porto Alegre einzelne Bücher
durchmusterte, und ihm eines in die Hand kam, das über Mystik handelte,
stellte er es sofort an seinen Platz “wie eine Giftflasche”. - Wahrhaft ein
Fehlurteil unseres guten Paters! Aber trotz allem hat ihn Gott gerade auf
diesen außergewöhnlichen Weg der Sühne berufen und zum Werkzeug Seiner Gnade
gemacht.
Pater Reus schreibt: “Im Jahr
1912 erhielt ich
die Gnade eines beständigen Zwiegespräches mit dem Herrn”,
dies dauerte Monate hindurch an.
Neue seelische Erlebnisse
überraschten ihn Ende August: “Während der Gewissenserforschung am Mittag,
dem 26. August, kam - so schreibt er - eine solche Glut in mein Herz, daß
ich sie nur mit den heftigsten Seufzern lindern konnte. Plötzlich wurde
diese Liebe, die von oben kam und mein Herz entzündete, derart vermehrt, daß
ich sie nicht mehr zu ertragen vermochte.” Da ihm die Sache zu auffallend
war, machte er davon dem Missionsobern, Pater Zartmann S. J., Mitteilung.
Dieser, ein
kluger und nüchterner Mann, prüfte und sagte:
“Die
Sache kommt wahrhaft von Gott.”
Die mystischen Erlebnisse des
Dieners Gottes gingen weiter. Pater Reus schreibt dazu: “Ich erkannte, wie
ich s o zusagen das ewige Leben schon begonnen habe, indem ich nicht mehr
nur im Glauben und aus der Ferne für Gott lebe, sondern indem ich das
göttliche Leben erfahre und dessen Einfluß fühle.”
Seine
tiefe Demut und die restlose Hingabe seinerseits, die jene Erlebnisse in ihm
hervorriefen, sind für sich allein schon ein Beweis dafür, daß sie auf den
Geist Gottes zurückgingen.
1. Okt. 1942:
Ich las die hl. Messe zu
Ehren des Hl. Geistes. Als ich im Introitus betete: “Aufstehen möge Gott...
und fliehen sollen vor Seinem Angesicht, die Ihn hassen...”, sah ich den Hl.
Geist und sah, wie zu beiden Seiten die höllischen Geister in aller Eile
die Flucht ergriffen. Ich wollte nichts davon schreiben, aber der
Heiland will es und will die Zeichnung. Der Hl. Geist wird alle Anfeindungen
der Teufel zunichte machen.
Fugiant a facie eius = Sie
sollen fliehen vor seinem Angesicht!
Bei der Betrachtung am 31.
August fühlte er die Liebesglut wieder so heftig, daß er nur noch stammeln
konnte: “Meine Liebe!” Am folgenden Tag wurde die Glut so stark, daß er, wie
einst der hl. Philipp Neri, seine Brust entblößen mußte, um die Gottesliebe
ertragen zu können. Er brachte kein Wort mehr hervor. - Unter Tränen sank er
zu Boden.
Am 4. September betete er
gleich einem Franziskus: “Nichts verlange ich, als Dich mit seraphischer
Liebe zu lieben.” - Gott, laß die Flammen der Liebe auch unser Herz
reinigen, damit es lauter sei und ein Tabernakel des Herrn!
Am 6. September erschien ihm
der göttliche Heiland mit der himmlischen Mutter und dem hl. Josef.
Pater Reus schreibt darüber: “Plötzlich hast Du gestattet, daß Maria, die
Herrin meines Herzens und meine Liebe, kam. Ich fühlte ihre Ankunft in
Begleitung des hl. Josef. Ich konnte mit der teuersten Mutter sprechen; sie
blieb bis zum Schluß der Betrachtung. Wie ist es möglich, daß die liebste
Mutter zu mir kommt?
Der 7.
Sept. 1912 brachte ihm eine ganz große mystische Gnade: Er wurde
der
Wundmale Christi gewürdigt.
Dies geschah so: In der Nacht
zum 7. September wurde Pater Reus mehrmals wach und nahm jedesmal die
Gegenwart des Heilandes wahr. Bei der Betrachtung am Morgen fühlte er einige
Male, wie der Herr auf ihn blickte. “Plötzlich”, so berichtet er, “überkam
mich eine heftige Liebe; sie entflammte meinen ganzen Körper, so daß er zu
brennen schien. Es riß mich nach oben, so daß die Arme ausgespannt blieben.
Eine
ungeheure Feuerflamme schoß hernieder
und ich nahm wahr, wie einige
Pfeile in mein Herz eindrangen. Ich schrieb dies meiner Phantasie zu und
wollte jede Täuschung ausschlagen, aber es nützte nichts. Ich erkannte, daß
die fünf Lichtstrahlen sich auf die fünf Stellen meines Leibes richteten, an
denen Du Deine hl. Wundmale bewahrst. Ich wehrte mich und flehte: ‘Nein,
meine Liebe, nein!' Ich schloß die Hände und zog die Füße zurück, damit die
Strahlen sie nicht treffen sollten. Vergebens!
Es war ein
wahrer Kampf.
Obwohl ich nichts mit den Augen
sah (!), war die Erscheinung so klar, daß ich nicht zweifeln konnte, daß ich
in meiner Seele Deine hl. fünf Wunden empfangen hatte.” - Diese Einprägung
der Wunden vollzog sich in ganz kurzer Zeit.
Eine Weile war Pater Reus
bestürzt und ermüdet. Dann brach ein Strom von Tränen aus seinen Augen. Der
Heiland war ihm wahrnehmbar gegenwärtig und er, Sein Priester und Opfer,
konnte sich Ihm nur aufopfern. Er betete: Ich opfere mich Dir auf, daß Du
mit mir nach Deinem Willen verfügen mögest, wobei ich meiner geistigen Armut
und Schwächen eingedenk bleibe und Dir für die unverhoffte Wohltat danke.”
Die Wundmale blieben
unsichtbar, was auch bei anderen begnadeten Seelen vorkam. Dies gab
Pater Reus selbst Anlaß, sich immer wieder zu fragen, ob es sich nicht um
Einbildung oder Täuschung handle. Die beste Antwort aber auf all seine
Zweifel, die ihm an der Echtheit aufstiegen, war diese, daß er die Wundmale
(Stigmen) beständig empfand, auch dann, wenn er sich zerstreute und nicht
daran denken wollte. Die Schmerzen der Wundmale waren sehr stark.
Manchmal steigerten sie sich bis zur Unerträglichkeit. In diesem
Zusammenhang sei hingewiesen auf die treue Opferseele
Anna Schäffer
von Mindelstetten (1882-1925) (heilig)
Diese erhielt die Wundmale
(Stigmen) am Fest des hl. Franziskus 1910. Sie schreibt darüber in einem
Büchlein, das sie einer vertrauten Freundin und Pflegerin, Rosa J., zum
Aufbewahren bis nach ihrem Tod übergab: “Unmittelbar vor dem Empfang der hl.
Kommunion, die mir der Herr Pfarrer brachte, sah ich von der hl. Hostie fünf
Feuerstrahlen ausgehen, die wie ein Blitz in meine Hände und Füße und in das
Herz fuhren. Es fing sofort ein unendlicher Schmerz an diesen Körperteilen
an. Als ich die hl. Kommunion empfangen hatte, spürte ich im Innern eine
solche Feuersglut, daß ich glaubte, ich müßte verbrennen.”
Auf ihr inniges Flehen nahm ihr
der Herr nach längerer Zeit die äußeren sichtbaren Zeichen der Wundmale weg,
die inneren aber blieben und damit auch die Schmerzen, die nach ihren Worten
“wie ein heißes Feuer brannten und schrecklicher schmerzten als die
schrecklichste Krankheit der Welt.” Ihre Nachfolgerin im Opfer- und
Sühneleiden
Therese
Neumann von Konnersreuth (1898-1962)
erhielt die Wundmale wenige Monate nach
dem Tod von Anna Schäffer, in der Fastenzeit 1926. Auch sie spürte den
bohrenden, wie Feuer brennenden Schmerz der Stigmen bis zu ihrem Lebensende
1962, volle 36 Jahre lang. Der Verfasser dieser Schrift hatte als Kaplan des
benachbarten Marktredwitz und auch später oft Gelegenheit, darüber mit ihr
zu sprechen. Sie war keinen Augenblick ohne Schmerz.
Und wie viel
duldete und litt fünfzig Jahre lang der Pater Pio, der heilige
Kapuziner (1887-1968) von San Giovanni Rotondo! Im Jahr 1918 hatte dieser
die Wundmale empfangen. Fünfzig Jahre hat er sie getragen! Wahrhaft ein Meer
von Schmerzen! Mit Christus ans Kreuz geheftet! Tag und Nacht! Ein Opfer
sühnender Liebe! Nur wer weiß, was immer-währende Schmerzen bedeuten, kann
das einigermaßen begreifen!
Was aber sind Stigmen anders als Zeichen einer besonderen,
gnadenhaften Verähnlichung
mit Christus, dem gekreuzigten Erlöser; “Freundschaftszeichen”, wie Pater Reus sie nannte, Zeichen brennender Sühne zur Läuterung der eigenen Seele
und vieler, vieler anderer Seelen. Sie sind ein ungewöhnliches “Ergänzen”
der Leiden Christi (vergleiche Paulus) oder vielmehr eine gewisse
Fortsetzung Seines Erlöserleidens (Kol 1,24). Die Stigmen (Wundmale) sind
eine außerordentliche Gnade. Das Ertragen der Stigmen-Schmerzen ist nur
durch einen besonderen Beistand des Himmels möglich. Ist aber nicht jeder
Schmerz - an Leib und Seele - in Liebe getragen, Anteilnahme am Leiden
Christi? Ist nicht jedes Kreuz, das eigene wie das fremde, ein Anruf der
fordernden Liebe Gottes an uns? Gott hat viele Gnaden bereit, aber man muß
sie annehmen. Sind wir nicht alle zum Opfern und Sühnen berufen ? Passion
(Leiden) ist immer; an jedem Tag der Weltgeschichte. Passion in allen
Ländern der Erde, in manchen ganz besonders schwer; Passion in so vielen
Familien, Passion an jedem Tag unseres ganz persönlichen Lebens. Nur müssen
wir den Hl. Geist bitten, daß Er uns die Augen öffne für unseren manchmal
ganz winzigen Anteil an der großen Com-passio, am Mit-leiden mit Ihm: So bei
all unseren Schmerzen und körperlichen Gebrechen, bei unserer inneren Not,
beim Alleingelassenwerden von den Freunden, beim Ausgeliefertsein an die
Menschen, beim Lächerlich-Gemachtwerden, beim Offenbarwerden unserer Fehler
und ganz besonders in der Bedrängnis und Not unserer Todeskrankheit. Fiel
nicht der Herr unterm Kreuz, so daß es alle sahen! Und nicht nur einmal ist
Er gefallen. Er schien es allein nicht zu schaffen,
Er
brauchte einen Mitträger, einen Simon von Cyrene - eine Veronika - Er hätte
es wohl auch allein geschafft; aber nein, wir dürfen, wir sollen Anteil
haben an Seinem Leiden, an Seiner göttlichen Liebe, an Seinem Erlösersegen.
Wir sollen das Leid, das über uns kommt, nie als Strafe empfinden, sondern
als Gnade zur Nachfolge Christi. Jeder Christ nimmt irgendwie Anteil am
Sühneleiden Christi.
17.
Jan. 1940:
Bei Beginn der hl. Wandlung
merkte ich plötzlich, daß der liebe Heiland am Kreuz unmittelbar vor mir
war. Doch achtete ich weiter nicht darauf. Es könnte ja schließlich eine
Täuschung sein. Aber nach der Anbetung der hl. Hostie nahm ich zweifellos
den lieben Heiland am Kreuz wahr. Sobald ich die ersten Worte sprach: “Das
ist der Kelch...”, fielen Tropfen des hl. Blutes aus der hl. Seitenwunde
in meinen Kelch. Als ich fortfuhr “... meines Blutes...” floß das hl.
Blut strömend hernieder in den Kelch hinein.
Heilige tröstliche Wahrheit:
Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, fließt wirklich, wenn auch unter
einem Schleier verborgen, unter meiner Hand auf dem Altar. Welche Gnade für
mich, daß er für mich den geheimnisvollen Schleier weggezogen und die
Wirklichkeit mir zu zeigen sich gewürdigt hat! - Als ich das Pater noster zu
beten begann, sah ich in der hl. Hostie die allerheiligste Dreifaltigkeit.
Der dreieinige Gott ist ja unser Vater. In der hl. Hostie ist der Vater
und der Hl. Geist, in der Einheit des Wesens mit dem Sohn Jesus Christus,
gegenwärtig. Ich mußte beide Zeichnungen machen und dies schreiben. -
Jeder ist Glied Seines mystischen Leibes
Jeder darf mitleiden nach dem
Maß der göttlichen Berufung - und dadurch Gnaden erwirken helfen. Geheimnis
der Weisheit und Erbarmung Gottes! Ob wir aber auch willig und auch bereit
sind? - Es liegt an uns, an unserem freien Willen. Gott zwingt uns nicht.
Der Segen des Leids wird aber ein unendlicher sein!
“Um deinetwillen”, so hatte der
Herr einst zu Pater Reus gesagt, “werde ich die Pfarrei und das Seminar von
São Leopoldo segnen”. Zusicherungen, die später durch weit höhere überboten
wurden.
35 Jahre
lang trug Pater Reus die hl. Wundmale des Herrn schweigend und vor der
Welt verborgen, zum Segen für viele. Verborgene Liebe der Tat! Auch heute
gibt es solche heroisch Liebende, mehr als wir glauben. Aber auch Millionen
vom Leid Heimgesuchter. Sie warten auf deine Liebe.
Die Millionen vom Leid
Heimgesuchten könnten alle ein unermeßlicher Segen werden, ähnlich wie Pater
Reus, wenn ihnen jemand zeigte, wie sie durch den Blick auf den Gekreuzigten
auch ihr Leid in Liebe annehmen und tragen und in Segen wandeln können. Wie
schade um die brachliegenden, ungenützten Energien in den Tiefen der Erde,
in den Strömen, in den Atomen - noch viel mehr schade um die ungleich
kostbareren, ungenützten Energien in unseren Krankheiten,
Unglücksfällen, Ungerechtigkeiten, “Schicksalsschlägen” usw.! Wir könnten
und müßten alles Leid in Segen wandeln! Darum Leid aus Liebe - in einem
unerschütterlichen Vertrauen auf die Liebe Gottes!
Die große Gnade der Einprägung
der Wundmale vom 7. Sept. 1912 weckte in unserem Diener Gottes vor allem den
Entschluß, “ein neues, ein hl. Leben zu führen”. Deshalb legte er, wie er
selbst schreibt, beim Missionssuperior eine bis ins kleinste gehende
Wiederholungsbeichte über die vorausgegangenen zwölf Jahre ab. Reinigung
des Herzens und die Leitung durch den Hl. Geist sind ja nach Pater Lallement
S. J. die zwei Grundelemente des geistlichen Lebens. Gleichzeitig
steigerte sich in Pater Reus der Bußgeist. Er fühlte sich
“unwiderstehlicherweise” angetrieben, “Speise und Trank einzuschränken,
damit der Herr ihn für Seine Gnade empfänglich mache”. Dabei ging er bis zum
Äußersten, bis entweder der Gehorsam oder die Schädigung der Gesundheit ihm
Grenzen setzte. Seiner Liebe zum Herrn und seiner Großmut war nur das Letzte
und Beste seinerseits gut genug. Großmut ist immer Liebe, die opfert und
leidet, duldet und trägt, schweigend und verborgen vor den Menschen.
Liebe ist
Gotteslohn
Am 12. Sept. 1912 berichtet
Pater Reus zum erstenmal von der schmerzenden Liebeswunde am Herzen; von
dieser ist dann oft in seinen Aufzeichnungen die Rede. Zum Beispiel: “Beim
Breviergebet schien es mir, daß plötzlich jemand mein Herz mit einem
Pfeil oder mit einer Lanze durchbohre...; ich fühlte einen wahren
Liebesschmerz, der aus dieser inneren Herzenswunde kam, und zwar so
heftig, daß ich einige Zeit lang aufseufzte und bat, daß doch niemand in
mein Zimmer komme und mich in diesem Zustand sehe.”
Nach Ansicht mystischer
Schriftsteller sind gerade solche Seelen, die durch die Liebesverwundung
begnadet werden, in der Tat selten. Immer aber erwählt der Hl. Geist gerade
solche, deren Gebete und Opfer vor Gott eine einzigartige Bedeutung und
Wirksamkeit besitzen.
Eine andere Gnade, die unseren
erwählten Diener Gottes das erste Mal tief beschämte, die aber im Lauf der
Zeit sich öfter in ähnlicher Form wiederholte, war das mystische Ruhen an
der Brust des Herrn. So schreibt er am 15. September: “Meine Feder
sträubt sich, diese Gnade niederzuschreiben, aber es ist unzweifelhaft wahr,
daß Du mich derselben gewürdigt hast.”
Genau einen Monat nach der geistigen Einprägung der Wundmale
erhielt Pater Reus am 7. Okt. 1912
die Gnade der
mystischen Verlobung
so wie einst die hl. Katharina
von Siena und andere. Lesen wir seine Aufzeichnungen: “Diese liebste Mutter
war mit ihrem göttlichen Kind bei mir. Einige Zeit auf das innigste mit der
hochheiligsten Dreifaltigkeit vereint, glaubte ich zuerst, eine Menge Engel
zu erkennen, dann die göttliche Majestät, so daß ich mich, vor ihr
niedergeworfen, in mein Nichts zurückzog. Dann schien ein Engel zu mir zu
eilen, um mir ein Kleid nach Art eines Mantels umzulegen und mir einen Ring
an den Finger zu stecken, auf daß ich wie ein Gotteskind vor Seinem
göttlichen Antlitz bleiben sollte.”
Pater Reus schrieb diese Gnade
wohl auf, doch “machte er sich nicht viel daraus”, weil er sich nicht für
besonders bevorzugt halten wollte. Erst später fiel ihm auf, daß er sich
dafür “so undankbar benommen habe”, und er bat innig dafür um Verzeihung.
Es wundert uns vielleicht, daß
Pater Reus, ebenso wie andere Mystiker, nicht selten von einer “bräutlichen”
Liebe zu Gott und zu Christus dem Herrn sprechen: Tatsache ist, daß in der
Hl. Schrift, besonders im “Hohenlied” das Verhältnis der menschlichen Seele
zu Gott mit dem Bild bräutlicher Liebe bezeichnet wird. Es wird damit das
innige Verhältnis der Seele zu Gott mit der edelsten Bezeichnung
menschlicher Liebe einigermaßen angedeutet.
“Bräutliche
Liebe”,
so meint Pater Reus einmal, “hat für uns armselige Menschenkinder so
einen Beigeschmack von Sinnlichkeit, aber diese göttliche bräutliche
Liebe ist die reinste Liebe, frei von allem, was irgendwie anstoßen
könnte, und dabei von einer unsagbaren Innigkeit, die man eben nicht
beschreiben kann.” So der überaus nüchterne, ganz und gar nur auf das
Geistige eingestellte Pater Reus am 22. Juli 1938.
23.
Mai 1946:
Ich las die hl. Messe zu
Ehren des heiligsten Herzens Jesu. Schon bei Beginn sah ich angesichts der
heiligsten Dreifaltigkeit den lieben Heiland mit seinem heiligsten Herzen.
Aber gleich darauf änderte sich die Vision. Ich sah deutlich die liebevollen
Worte:
MEIN BRUDER. Und, wie um
mich mit Freude und Ehrfurcht vor diesem Liebesnamen zu erfüllen,
umschwebten hl. Engel denselben. Viele hl. Engel ringsum. - Es ist doch eine
andere Sache: Aus dem Glauben zu wissen, daß alle Christen Brüder Jesu sind,
und diesen Namen von ihm persönlich zu erhalten. Dank dem heiligsten Herzen
Jesu für seine Herablassung und abgrundlose Barmherzigkeit und
Freigebigkeit!
Mystische
Brautschaft aber führt zum Höchsten, zur geistigen, zur mystischen
Vermählung der Seele mit Gott
Diese findet ihre letzte
Vollendung in der beseligenden Anschauung Gottes, im “himmlischen
Hochzeitsfest”. Das charakteristische Merkmal dieser höchsten hienieden
erreichbaren Stufe besteht darin, daß die Seele allzeit die Gewißheit
hat, in das Leben des dreieinigen Gottes eingegangen zu sein, die
Gewißheit, daß sie wirklich mit der menschlichen Seele des verklärten
Gottmenschen innigst vereint ist. Diese mystische Vermählung wurde dem
begnadeten Diener Gottes noch im Oktober 1912 zuteil; er hat sie aber erst
später als solche erkannt.
Es ist ergreifend, wie er immer
wieder den Heiland anfleht: “Gib, daß ich gänzlich in Dich umgestaltet
werde! - Ich bitte Dich, Deine Gnade zu beschleunigen, damit ich Dich
vollkommen liebe. Meine Seele hungert und dürstet nach Dir und nimmt jede
Bedingung an, die Dein heiligster Wille stellen will. - Gib, daß ich das
Opfer Deiner Liebe sei.” (19.1.1913).
Wahrhaftig, hier ging es nicht
um süße Gefühle oder gar um Sentimentalitäten, hier ging es um das Letzte
und Tiefste, um die Ganzhingabe an Jesus, den Bräutigam seiner Seele. “Nicht
mehr ich lebe, Christus lebt in mir.” Das ist Mysterium, Geheimnis der
Gnade.
Diese große Gnade der innigsten Vereinigung mit Gott wurde für den Diener
Gottes der Ausgangspunkt für immer neue Gnaden, die er Tag für Tag erfuhr.
So erlebte er in jener Zeit häufig die geistige Nähe von Engeln und
Heiligen; besonders häufig nahm er die Gegenwart der hl. Theresia von
Avila wahr, der größten Mystikerin ihrer Zeit (^
15.10.1582). Der Hochbegnadete beantwortete all diese Hulderweise mit einer
echten, ungeheuchelten Herzensdemut. Es wuchsen aber auch die Demütigungen
und Prüfungen immer mehr. Es schien, als ob der Herr selbst das sichtbare
Wirken seines Erwählteneinschränke, um ihn desto mehr hinzuweisen auf seine
vollkommenste priesterliche Sendung, nämlich auf das restlose Opfern und
Hingeopfertwerden in Liebe. Das ist ein Gesetz des geistlichen Lebens: Hat
sich eine Seele Gott geschenkt, dann schält Gott sie mit Konsequenz los von
aller irdischen, über das gottgewollte Maß hinausgehenden Anhänglichkeit an
die Welt und die Menschen. Nur ein ganzes Opfer der Liebe flammt auf vor
Gott, ein halbes Opfer brennt nur, es tut weh. Gott will unser Ja bis
zur letzten Folgerung.
Inhaltsverzeichnis
Pfarrer in São Leopoldo (1913-14)
Pater Reus wirkte kaum ein Jahr
an der Schule und in der Kongregation in Porto Alegre, als ihm diese
Tätigkeit wieder abgenommen und die Pfarrei São Leopoldo übertragen wurde.
Die rasche Versetzung empfand er als Demütigung. “Es ist mir also die
marianische Männerkongregation wieder genommen worden und mit Recht”,
schreibt er. “Eine Gelegenheit, mich von der Kongregation zu verabschieden,
wurde mir nicht gegeben, auch mit Recht.” - Doch dies lag nicht in den
Absichten seiner Vorgesetzten, sondern an verschiedenen Umständen. Mochte
sich seine Natur darüber auch etwas erregen, seine Seele sprach in Demut ihr
Ja zur neuen Berufung. Er setzte sofort seine ganze Bereitschaft und
priesterliche Sorge für die neue Aufgabe ein.
Die Pfarrei, ebenfalls im Süden
Brasiliens gelegen, zählte etwa 9.000 Seelen, darunter 4.000 deutscher
Abstammung, war doch das Städtchen von deutschen Siedlern gegründet worden.
Eine seiner Hauptsorgen war der Katechismusunterricht in den etwa zwanzig
Schulen seiner weit ausgedehnten Pfarrei.
Pater Reus
machte alle seine Wege und Besuche stets zu Fuß oder auf einem Maulesel.
Einmal scheute sein Reitesel, und er fiel so unglücklich, daß der Vorderfuß
des Tieres auf die Brust des Paters trat. Dieser hatte während des Falles
den Namen Jesus angerufen. “Kraft dieses hl. Namens”, so schrieb er, “traten
keine schlimmen Folgen auf.”
Der neue Pfarrer rechnete
damit, daß er viele Jahre in dieser Pfarrei bleiben würde. Er war dankbar,
Seelsorger sein zu dürfen und er bemühte sich, gründliche Arbeit zu leisten.
Er besuchte darum sämtliche Familien seiner Pfarrei persönlich bei etwa
9.000 Seelen keine leichte Aufgabe. Er brachte alle Mischehen, soweit als
möglich, in Ordnung. Er nahm sich mit besonderer Liebe auch der Armen
und Kranken an. Immer ließ er sich abwechselnd von zwei katholischen Männern
begleiten. Die Laien sollten die treuen Helfer des Seelsorgers sein. “Mit
den Protestanten”, so sagte er selbst, “suchte ich stets in Güte
auszukommen. Zu Kompromissen in grundsätzlichen Fragen war ich aber um des
lieben Friedens willen nie bereit.”
Die
Pfarrkinder waren zufrieden
mit ihrem neuen Pfarrer. Er mühte sich sehr um
ihre Seelen. Als er einmal den “bejammernswerten Zustand verschiedener
abgefallener Familien überdachte”, da war es ihm, als versicherte ihm der
Heiland tröstend: “Ich habe Meinen Schutz auf diese ganze Pfarrei ausgedehnt
und sie in Meinen Schutz genommen - um deinetwillen”. Das Wort “um
deinetwillen” beschämte ihn sehr.
Am 17. November schrieb er:
“Mir geht es gut trotz der ungeheuren Arbeit, die auf mir lastet. Es will
mir scheinen, daß ich im gleichen Maß, wie ich arbeite, auch stärker und
widerstandsfähiger werde.” Pater Reus hatte sein festes Seelsorgsprogramm.
Er tat alles mit dem Segen des heiligsten Herzens. Morgens beim Erwachen und
beim Aufstehen grüßte er sofort das göttliche Herz und empfahl Ihm seine
ganze Gemeinde. Sein Ziel war dieses: “Ich werde darauf dringen, daß man
Dein heiligstes Herz innig liebe.” Im Juni, dem Monat des göttlichen
Herzens, hielt er täglich eine Abendandacht mit einer kurzen Ansprache. Den
Monat Mai und Oktober weihte er besonders der Muttergottes.-
Was sein inneres Leben betraf,
so flammte in ihm seit der mystischen Vermählung gleichsam
“ein verzehrendes Feuer”
Es schien, als ob nur das
göttliche Liebesfeuer selbst seine Herzenssehnsucht stillen könnte. Die
unendliche Liebe nach Gebühr wieder zu lieben, das war sein “ein und alles”.
Das war seine einzige Leidenschaft: Gott aus ganzem Herzen zu lieben. Das
ist die Leidenschaft der Heiligen.
“Meine Seele hungert nach
Deiner Liebe”, so steht es immer wieder in seinen Aufzeichnungen. Sehr
häufig war das Liebesfeuer mit einem Liebesschmerz verbunden. So überkam ihn
am 29. Mai plötzlich das Gefühl der Gegenwart der heiligsten
Dreifaltigkeit. Es war ihm, als kniete er mitten unter Seraphinen, die
alle glühten vor göttlicher Liebe. “Doch”, so bemerkte er, “jene waren
ruhig, ich aber heftig bewegt, weil die Last des Körpers diese göttliche
Liebe nicht zu ertragen vermag”.
In tiefer Demut gesteht er
auch, daß sich trotz der Vereinigung mit der heiligsten Dreifaltigkeit oder
jeweils mit den einzelnen hochheiligen Personen immer wieder Zerstreuungen
einstellten. Er war tief beschämt darüber. Zerstreuungen im Augenblick
innigster Gottvereinigung ! -
Wie aber ist
Gott unendlich erbarmend und gut!
Mit Pater Reus wollen wir Gott,
dem guten, allheiligen Gott, von Herzen danken für die vielen Gnaden, die Er
ihm erwiesen - und die Er allen Seelen erweist, die sich Seiner Liebe
öffnen! Niemand verlangt so sehr nach dem Glück, nach der Vollendung der
Menschen als der unendlich liebende Gott selbst! Jeder Seele gehört Seine
Liebe ganz persönlich. Auch dir und mir, mein Bruder, meine Schwester! Wir
sollten viel mehr an diese Liebe glauben und sollten täglich wiederholt
beten:
“Mein Gott, ich glaube an Deine Liebe zu mir, ich glaube an Deine
unendliche Liebe zu mir Sünder!”
12.
Sept. 1946:
Maria Namen. Gleich bei
Beginn der hl. Messe sah ich über dem Altar in der Höhe den hl. Namen MARIA.
Aber vorsichtig, wie ich zu sein pflege, gab ich nichts darauf. Kaum hatte
ich, den Altar hinauf schreitend “... Nimm unsre Sünden hinweg...” beendet,
kam schon Ekstase. Ich sah die allerheiligste Dreifaltigkeit, vor ihr den
Namen MARIA, umgeben von einem engen und von einem großen, weiten
Engelkreis. Die Vision vervollständigte sich nach und nach. Ich sah, wie
rings um den hl. Namen Rosen erschienen.
Bei der Opferung neue
Ekstase: Ich sah, wie vom Hl. Geist Strahlen auf den hl. Namen ausgingen,
aber von Rosen gebildet. Später sah ich die liebe hl. Mutter selbst inmitten
dieses Rosenflores, mit einer Rosenkrone auf dem Haupt. So blieb es bis zum
Schluß. Nach der Wandlung sah ich das Jesuskindchen, umgeben von einem Kranz
von Rosen, und die hl. Hostie selbst rings am Kranze eingefaßt von Rosen. So
empfing ich sie auch. - Der hl. Name MARIA hat seine große Anziehungskraft,
die wir in der Kirche tagtäglich wahrnehmen, und seine Widerstandskraft, die
er mitteilt vom Hl. Geiste und führt auch wieder zum Hl. Geist. Deshalb
müssen die Priester Diener Mariens sein. - Ave gartia plena = Sei gegrüßt,
Gnadenvolle!
Inhaltsverzeichnis
Wieder ein neues, schwieriges Arbeitsfeld
Spiritual im Großen und Kleinen Seminar
Am Ende des Jahres 1913 teilte
der Missionsobere, Pater Zartmann, dem erst vor 10 Monaten zum Pfarrer
ernannten Pater Reus mit, er habe ihn zum Spiritual (geistlichen Vater) des
neu eröffneten Seminars in São Leopoldo ernannt. Mit diesem raschen
Wechsel hatte Pater Reus nicht gerechnet. Es fiel ihm der Abschied von der
liebgewonnenen Pfarrseelsorge sehr schwer. Auch seine Pfarrkinder wollten
alles versuchen, um ihren “hl. Pater” zu behalten. Pater Reus aber riet
ihnen davon ab. Er suchte nichts anderes als den hl. Willen Gottes. Diesen
sah er gehorsam in der neuen Berufung.
Der neue Erzbischof von Porto
Allegre Joao Becker hatte 1913 den Jesuiten in den Räumen des ehemaligen
Gymnasiums von São Leopoldo die Erziehung seiner Seminaristen, sowohl der
Theologen wie der Knabenseminaristen, anvertraut. Nach dem Willen seines
Missionsobern sollte Pater Reus Spiritual für die beiden Seminare und
zugleich auch für die Ordensgemeinschaft werden. Ein bedeutungsvoller Beruf!
Pater Reus war sich der Bedeutung seines Amtes bewußt. Er wollte Priester
nach dem Herzen Gottes heranbilden. Außer der geistigen Leitung der
Seminaristen wurde ihm auch die Betreuung der zwei Kongregationen im Seminar
anvertraut; dazu eine Mädchenkongregation bei Schwestern.
Am Lichtmeßtag 1914 übergab der neuernannte Spiritual seine Pfarrei dem Nachfolger
und ging am Abend in die Exerzitien. Hier erwählte er sich als Wahlspruch: Pati, das heißt ‘leiden’.
Wo Liebe, da Leid, wo viel
Liebe, da viel Leid. So fügte es der Herr. Gar schmerzhaft hat es Pater Reus
gerade in den nächsten drei Jahren erfahren. Obwohl er den allerbesten
Willen für sein Amt als Spiritual hatte, so enttäuschte er in diesem Amt. Er
fand nicht den rechten Ton für die jungen Leute. Er war ihnen zu streng,
zu ernst, zu zurückhaltend. Diese heißblütigen Südländer hatten ein
anderes Temperament. Den Maßstab, den Pater Reus bei sich selbst anlegte,
legte er auch bei diesen an. Er kam nicht an bei ihnen.
Es war Pater Reus, wenigstens
in den Jahren seiner äußeren Tätigkeit nicht gegeben, leutselig und
anziehend zu erscheinen. Erst in späteren Jahren spiegelte auch das
gütige Lächeln seines Antlitzes mehr die reife Milde und innere Heiligkeit
wider.
1916 berichtet der Diener
Gottes von Vorhaltungen, die ihm sein Beichtvater machte. Diese waren zwar
offensichtlich und vielleicht gewollt übertrieben, aber sie zeigen doch
deutlich die Grenzen und Schwächen in der menschlichen Anlage des Pater
Reus. Eine gewisse Unnahbarkeit, unnatürliche Körperhaltung, übertriebene
Bescheidenheit der Augen schreckte die Knaben mehr ab und machte ihn eher
zum gefürchteten als beliebten Erzieher. Als “bösen Pater” bezeichneten ihn
manche Mädchen, die bei ihm gebeichtet hatten.
Die Folge war, daß ihm nach drei Jahren die geistige Leitung der
Seminaristen wieder genommen wurde. Ein harter Schlag. Gerade deswegen,
weil er sich alle Mühe gegeben und das Beste gewollt hatte.
Wie aber
reagierte Pater Reus?
“Alle scheinen gegen mich zu
sein. Gestern erhielt ich die Bestimmung, das Amt eines geistlichen
Vaters im Seminar aufzugeben. Ich genügte den Anforderungen nicht...
Nichtsdestoweniger wird niemand Dich mehr lieben als ich. Gern gebe ich
dieses fruchtbare Amt ab, ja sage Dir deshalb Lob und Dank, da Du durch
Vermittlung anderer besser geliebt wirst... Ich fühlte großen Trost... Innig
freue ich mich, daß Du diese Gesinnungen der Dankbarkeit, Unterwürfigkeit
und edler Liebe in mein Herz gelegt hast. Ich erkenne nämlich, daß diese
Gesinnung ein Wunder der Gnade ist... Oft sagte ich doch: Ich will nicht
Deine Geschenke, sondern Deine Liebe. Jetzt habe ich Gelegenheit, dies
wahrzumachen” (1917).
Es ist ungemein tröstlich für
uns Ringende und oft Unterliegende: Das Wunder der Demut ist auch Pater Reus
keineswegs als ganz unverdiente Gabe in den Schoß gefallen. Hören wir: “Ich
weiß nicht, was das ist: Jedes noch so kleine Opfer wird mir so schwer,
widerstrebt so sehr den Sinnen, daß immer neue Kräfte zur Ertragung erfleht
werden müssen” (1916).
Pater Reus aber hatte das große
und schöne Wort gewagt: “Nichtsdestoweniger wird niemand Dich mehr lieben
als ich.” - Und er hat es wahr gemacht. Sein tiefes Seelenleid wurde zum
Quell selbstloser, opferstarker Liebe. Wird es bei allen Vertrauenden.
15.
Sept. 1946:
Heute die hl. Messe zu Ehren
der hl. Herzen Jesu und Mariä. Schon in der Betrachtung sah ich die beiden
hl. Herzen mit Dornen umgeben. Als ich zur hl. Messe ging, war ich
entschlossen, auf keine Vision zu achten, in welcher diese beiden hl. Herzen
erscheinen würden. Aber Gott ist mächtiger. Als ich, den Altar
hinaufschreitend, gebetet hatte: ‘Nimm hinweg, Herr, unsere Missetaten...”,
war schon Ekstase da. Ich sah die Allerheiligste Dreifaltigkeit. Vor ihr
diese beiden heiligsten Herzen mit Dornen umgeben und beide nochmal von
einer großen Dornenkrone eingeschlossen, wohl um anzudeuten, daß diese
beiden heiligsten Herzen sollen geliebt und geehrt werden, wie sie zusammen
gelitten und sozusagen gemeinsam die Menschenkinder geliebt haben. Vom Hl.
Geist gingen Strahlen auf beide aus. Denn Er ist die Quelle beider durch die
Menschwerdung und die Unbefleckte Empfängnis.
Rings viele hl. Engel, die im weiteren Verlauf der hl. Messe mit
Dornenkronen in den Händen erschienen, uns zum Beispiel. Nach der
Wandlung bei den Worten “... Laß uns alle mit allem Gnadensegen erfüllt
werden”, gingen von beiden hl. Herzen Strahlen der Gnade auf mich über. Auch
der liebe Heiland zeigte Sein gütiges Herz... Es sollte wohl die Erscheinung
der beiden hl. Herzen ein Unterpfand sein für die Erhörung in dem Anliegen.
Er blieb wohl noch Spiritual
seiner Mitbrüder, und zwar bis zum Ende seines Lebens. Ohne Zweifel hat er
als solcher gerade durch das Beispiel seines heroischen Strebens nach
Vollkommenheit und durch sein anhaltendes Gebet am meisten gewirkt. Er war,
wie einst der Hohepriester Onias, “der Brüder Freund, der viel für das Volk
und die hl. Stadt betete” (2 Makk 15,14). Das Flehen eines hl. Beters ist
eine Großmacht. Um seinetwillen hat der Herr auch das Seminar in Säo
Leopoldo besonders gesegnet. Am 1. Jan. 1934 wurde es zum Zentralseminar für
ganz Brasilien erhoben. Das Kleine Seminar zählte in jenen Jahren 250
Zöglinge, das Große, auf der anderen Seite der Straße, 200. Im Seminar von
Säo Leopoldo waren in den ersten 40 Jahren seines Bestehens mehr als 1.000
Priester geweiht worden. Diesen allen hatte der gute Pater Reus sein Beten,
Opfern und Leiden geschenkt.
Inhaltsverzeichnis
Er wird Lehrer im Kleinen Seminar (1914-44)
Wie gern wäre Pater Reus
Volksmissionar geworden oder hätte in der Heidenmission mitgearbeitet! Es
drängte ihn mit der ganzen Glut seines Herzens zur unmittelbaren Arbeit an
den Seelen. Er aber mußte diesen Herzenswunsch opfern, er mußte zwischen die
Mauern einer Schule und Unterricht geben, einmal in Latein, dann in
Portugiesisch, Geschichte und Religion. Diese neue Bestimmung fiel ihm nicht
leicht, denn er war kein “geborener Schulmann”, aber aus Liebe zu seinem
Herrn widmete er sich mit ganzer Kraft der neuen Arbeit und gewann sie
schließlich auch lieb. Der Erfolg blieb nicht aus. Die wirklich guten
Schüler schätzten ihren tieffrommen Lehrer hoch. In den Religionsstunden
war er in seinem ureigensten Element. Seine Schüler berichteten darüber:
“Von den himmlischen Reichtümern sprach er mit einer solchen Hochschätzung
und Glut, daß man von Begierde erfüllt wurde, sie zu erwerben. Seine
Lieblingsthemen waren: das heiligste Herz Jesu und die liebe Muttergottes. -
Einer seiner
ehemaligen Schüler gesteht:
“Wie oft bin ich nach der
Schule in die Kapelle gegangen, um für die Gnade zu danken, Schüler eines
Heiligen zu sein.” Seine Mahnungen machten gerade deshalb großen
Eindruck auf seine Schüler, weil diese merkten, daß er selbst das tat, was
er von ihnen verlangte. Pater Reus wollte in der Schule nicht bloß
unterrichten, sondern auch erziehen - gerade um das muß es jedem
verantwortungsbewußten Lehrer gehen, das Gute im jungen Menschen zu
entfalten, seinen Charakter zu bilden. Er hielt sehr auf Ordnung,
Wahrhaftigkeit, Aufmerksamkeit, Fleiß und kameradschaftlichen Geist. Es wird
aber auch kaum einen anderen Lehrer gegeben haben, der wie Pater Reus
täglich so inständig für alle seine Schüler gebetet hat, besonders wenn
diese, weil weniger begabt, ihr Klassenziel kaum erreichten. Tiefen Eindruck
machte es auf seine Schüler, daß er ihren Aussagen unbedingten Glauben
schenkte; weil er selber durch und durch wahrhaftig war, ließ er stets auch
die Erklärungen eines Schülers gelten. Diese erinnerten sich in ihrem
späteren Leben dankbar an ihren hochgeschätzten Lehrer. “Wenn Pater Reus
kein Heiliger ist, dann weiß ich nicht, wer es sein könnte”, so schrieb
einer in sein Tagebuch. Ja, ein Heiliger hat Strahlkraft, denn Gottesliebe
ist das Lichtstrahlendste, das es gibt.
Neben seinen Arbeiten im
Seminar hatte Pater Reus noch manche Gelegenheit, seinen Seeleneifer zu
betätigen. Regelmäßig leistete er Beichtaushilfe in der Pfarrkirche.
Von 1914-1923 war er nebenbei auch
Kaplan im
Kolleg der Franziskanerinnen,
das nur durch die Straße vom Seminar
getrennt war. Er zelebrierte dort die hl. Messe, war Beichtvater der
Schwestern und leitete die Mädchenkongregation des Kollegs. Gerade für
letztere gab er sich viel Mühe, sollten doch die Mädchen in der Immakulata
ihr Leitbild und ihre mütterliche Führerin kennenlernen. Aber schon im
Jahr 1923 wurde ihm diese liebgewonnene Arbeit genommen. Warum? Die
damalige Oberin der Franziskanerinnen wünschte für das Kloster einen anderen
Kaplan, weil die tägliche Messe von Kaplan Reus zu lange dauerte. In
dem Bericht darüber zittert bei aller Ergebung des Paters in Gottes
Schickung doch ein gewisser Schmerz nach, wenn er schreibt: “Damit war mir
auch die Kongregation der Mädchen genommen, nachdem ich schon die zwei
Kongregationen der Seminaristen verloren hatte. Ich konnte also nichts
Besonderes mehr tun für die liebe Muttergottes.” Es waren dies schwere
Schläge für den von Seeleneifer brennenden Priester. Seine große Sehnsucht,
Volksmissionar zu werden, hatte sich nicht erfüllt. Auch nicht seine Bitte,
Seelsorger eines neuerrichteten Aussätzigenheimes zu werden.
Die Arbeiten, die ihm zunächst
im Seminar zugedacht waren, wurden ihm nach nicht langer Zeit wieder
abgenommen.
Es blieben ihm
nur die unscheinbaren Arbeiten:
für die Seminaristen Schule zu
halten und mit den Großen die Liturgie einzuüben. Für sie schrieb er auch
ein mehr als 500 Seiten umfassendes wertvolles Lehrbuch der Liturgie.
Wohl blieb er auch Spiritual für die Jesuiten bis zum Ende seines Lebens.
Aber durch seine Wortkargheit fiel es seinen Mitbrüdern schwer, zu ihm zu
gehen. Wahrscheinlich hat es ihn einen harten Kampf gekostet, bis er sich zu
der Erkenntnis durchgerungen hat: Gott habe ihm mehr und mehr die äußere
Arbeit abgenommen, damit er sich ausschließlich seiner von Gott gegebenen
wichtigsten Aufgabe widme, nämlich der vollkommenen Erfüllung des größten
Gebotes, der Liebe zu Gott. Er schreibt: “Immer habe ich gesagt, ich will
nicht mein Glück, sondern einzig und allein die Liebe des heiligsten
Herzens. Oft sagte ich, daß ich nicht Deine Geschenke, sondern Deine Liebe
will. Jetzt habe ich Gelegenheit,
dies wahr zu machen.”
Als unserem guten Pater einmal
das Bedauern kommen wollte über die verlorene Gelegenheit zu geistigen
Verdiensten, glaubte er die überaus gütige Stimme des Heilandes zu hören:
“Bin Ich dir nicht mehr wert?” Und Pater Reus antwortete:
“Ja, ich will
keinen Lohn, sondern nur Deine Liebe, ohne Lohn.”
Eine
bedeutsame Episode
soll hier eingeschaltet werden: In der Zeit, als Pater Reus Kaplan bei den Franziskanerinnen war, lernte er auch die im Ruf der
Heiligkeit verstorbene Sr. Maria Antonia Cony kennen. Diese mystisch
begnadete Seele hatte ein besonders inniges Verhältnis zu ihrem Schutzengel,
und zwar schon von Kindheit an. Nach ihrem Tod sah Pater Reus diese
Schwester in der Seligkeit des Himmels. Er hat ihre in portugiesischer
Sprache geschriebene Selbstbiographie herausgegeben. Diese ist unterdessen
auch in deutscher Sprache erschienen mit dem Titel: “Ich sah meinen Engel”.
Es ist ein kostbares Buch, das in überzeugender und packender Weise das
Führer- und Schützeramt des von Gott einem jeden Menschen beigesellten
Engels darstellt. Pater Reus gesteht, daß er Anfang des Jahres 1944 schwer
erkrankt und mit den hl. Sterbesakramenten versehen, auf die Fürbitte der
Sr. Maria Antonia Cony wieder geheilt worden sei. Ihr Buch ist im Canisius-Verlag
erschienen.
Inhaltsverzeichnis
“Mein Beruf ist die Liebe”
Gott hat dem seeleneifrigen
Priester die Möglichkeit zum äußeren Wirken immer mehr aus der Hand
genommen. Dadurch wurde ihm klarer, was der Herr von ihm wollte: nichts als
Liebe, nichts als restlose Hingabe seines Willens in den Willen Gottes. “Verlasse
die Welt und sei nicht niedergedrückt!” - Er erkannte, daß seine
Lebensaufgabe darin bestehe, die Liebe Gottes zu den Menschen zu erfahren
und zwar in lebendiger, ganz unmittelbarer Weise, und sie damit den Menschen
in etwa zu veranschaulichen, gerade den Menschen unserer Tage, die den
Glauben an die Liebe Gottes weithin verloren haben und mit dem Glauben auch
die Liebe zu Gott selber. Das ist eine der erschütterndsten Erscheinungen
unserer Tage: Niedergang des Glaubenslebens und damit die Erkaltung der
Liebe zu Gott.
Die unmittelbar und wirklich
erlebte Gottesliebe erschien unserem Pater als seine eigentliche
Lebensaufgabe; dieses ganz der Liebe leben und der Liebe geopfert sein, so
wie die hl. Theresia von Lisieux (1873-1897), die Zeitgenossin des Pater
Reus, von ihrem Leben sagte: “Mein Beruf ist die Liebe.”
Aber bei aller Bereitschaft zum
liebenden Opfern schon von Jugend an und trotz aller Begnadung hatte Pater
Reus, wie wir alle, immer wieder mit den menschlichen Regungen und
Neigungen, mit Schwächen und Unvollkommenheiten zu kämpfen. Er hat dies auch
mit schonungsloser Offenheit eingestanden. So konnten ihn sein stark
ausgeprägtes Rechtsempfinden und Ehrgefühl leicht zu übergroßer
Empfindlichkeit verleiten; seine große Entschiedenheit und Tatkraft
ließen ihn schnell ungeduldig, aufbrausend und heftig werden. Er war
überzeugt, daß er aus eigener Kraft, allein, das Ziel, das er sich
vorgenommen hatte, nicht erreichen könne. So betete er oft: “O Gott, hilf
mir, Dich so zu lieben, wie Du es von mir erwartest!”
Unwillkürlich fragt man sich: Warum läßt Gott Seinen Erwählten soviele, zum Teil
auffallende Menschlichkeiten und Schwächen, obwohl sie sich oft in geradezu
rührender Weise dagegen wehren? Antwort: “Dieser Stachel im Fleisch” soll
sie nach dem hl. Franz von Sales bewahren vor der allergrößten Gefahr, vor
dem Stolz, vor dem “Ich bin Ich” Luzifers. Die trotz ernsten Ringens
immer wieder kehrenden Fehler festigen die Freunde Gottes in der
grundlegendsten Tugend, in der Demut, und bewahren sie nicht zuletzt vor der
“gefährlichen Publicity”, der Sensation und dem Zulauf. Nichts aber ist der
Hölle mehr zuwider, als ein demütiger, herzensreiner Mensch, denn er ist ein
Abbild des göttlichen Lammes, ein Abbild der demütigen Gottesmagd Maria.
P. Reus war
ein großer Beter
bei Tag und Nacht. Er betete neben seinem Breviergebet
und anderen Pflichtgebeten vor dem Allerheiligsten täglich den ganzen
Psalter; er betete auch mehrmals den hl. Kreuzweg. Er nützte die
kostbare Zeit, die Gott ihm schenkte zur häufigen Anbetung des
eucharistischen Herrn. Pater Reus wußte: Der Herr der Heerscharen sucht
Anbeter. Er, der Höchste, verborgen im unscheinbaren Brot, der im
Tabernakel eine immerwährende Gefangenschaft erträgt. Besonders wichtig und
wertvoll schienen ihm auch die Stoßgebete, diese kurzen Akte der Liebe. Sein
Lieblingsstoßgebet lautete: “Jesus, Maria, Josef.” Er betete es ungezählte
Male am Tag. Dieses häufige, liebende Sprechen der hl. Namen wurde für ihn
eine starke Quelle des Trostes und der Kraft, in gleicher Weise wie der im
Ruf der Heiligkeit verstorbenen Kapuzinerin, Sr. Consolata Betrone (^
1949). Diese hatte auf Wunsch des Heilandes zu den hl. Namen noch die innige
Bitte hinzugefügt: “Rettet Seelen!”
Schließlich drängte ihn die Liebe zu Gott zu einem besonderen Entschluß:
“Immer das Vollkommenere tun”
“Was ich als vollkommener
erkenne, werde ich tun”, das schrieb Pater Reus nicht nur in sein
Tagebüchlein, das gelobte er auch durch ein besonderes Gelübde und das hielt
er auch. Vorbild war ihm sein früherer heiligmäßiger Spiritual in Exaeten,
Pater Eberschweiler, der auch das Gelübde abgelegt hat, immer das
Vollkommenere zu tun. Pater Reus war sich der ganzen Schwere seiner
Entscheidung bewußt und hat lange zuvor mit sich darum gerungen; liegt doch
in diesem Gelübde inbegriffen, nicht die geringste Unvollkommenheit zu
dulden, sondern mit einzigartiger Gewissenhaftigkeit und Treue alle Gebote
Gottes und alle Vorschriften des Ordens zu erfüllen, ja, auf jeden Wunsch
des Herrn, den er durch die Anregung der Gnade zu erkennen glaubte,
möglichst vollkommen einzugehen.
Das ist das Hochziel, das sich
Heilige setzen, gleichsam die einzige Leidenschaft, die sie haben. “Seid
vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist!” In diesem Heilandswort
liegt auch der einmalige Beweggrund für das Heiligwerdenwollen. Mit großer
Hingabe betete Pater Reus am Tag seiner Gelübdeablegung das folgende
ergreifende Weihegebet: “Heiligstes Herz Jesu, meines Beliebtesten Herrn und
Meisters! Um Dir wohlgefällig zu sein, um Deine Liebe reiner zu erwidern, um
Dir treuer zu dienen, und Deinem heiligsten, mir durch den Gehorsam
gezeigten Willen zu entsprechen, gelobe ich, angesichts der
liebtrautesten Mutter Maria, meines hl. Vaters Ignatius, aller Heiligen der
Gesellschaft Jesu und des ganzen himmlischen Hofes: allzeit das zu
wollen, was ich in den gegebenen Umständen als das Vollkommenere erkenne.
Um jedoch aller Gefahr, Dich zu
beleidigen, vorzubeugen, verpflichte ich mich nicht unter Sünde, bin aber
gern bereit, für die vielleicht freiwilligen Übertretungen des Gelübdes
wenigstens einige Bußen auf mich zu nehmen.”
Dieses Gelübde, das Pater Reus
mit Erlaubnis seines Missionsobern ablegte, und das ihm auch später von
allen zuständigen Obern erlaubt wurde, blieb die unverbrüchliche Treue-Norm
für all sein Streben und Tun. Die nächste Auswirkung dieses Gelübdes lag für
ihn darin, daß dadurch all seine äußeren Abtötungen und Bußwerke sozusagen
für immer bestätigt wurden. Er hatte sie schon bisher in seinem Ordensleben,
soweit es ihm der Gehorsam gestattete, geübt.
Als
besondere Bußwerke
hatte er sich im April 1915 vom Missionsobern noch
folgende erbeten: Auf harten Brettern zu schlafen, die er ins Bett
legte; jede Woche einmal bis Mitternacht in der Kapelle vor dem
Allerheiligsten zu beten, und dreimal in der Woche kein Frühstück zu sich zu
nehmen*. Als er bald nachher vom Missionsoberen freie Hand in seinen
Bußübungen erhielt, fügte er noch eine Reihe anderer hinzu. Das zunehmende
Alter freilich verlangte dann Milderungen.
*
Es sei ausdrücklich
vermerkt, daß Pater Reus diese schweren Bußübungen einem inneren Anruf
folgend auf sich genommen hat. Sie müssen gewertet werden als eine
Sonderleistung einer überaus strengen Bußgesinnung. Dazu war eine ganz
besondere Gnade, aber auch eine außerordentlich große Liebe und
Sühnebereitschaft notwendig. Diese Bußübungen sind aber nicht ein Anruf an
die Allgemeinheit. Der normale Bußund Heiligkeitsweg ist die gewissenhafte
Beobachtung der Gebote Gottes, die treue Erfüllung der Alltagspflichten und
das geduldige Ertragen der täglichen Mühsale um des Gekreuzigten willen.
War das nicht
des Guten zuviel,
so fragen wir Menschen unserer Tage? Antwort: Liebe für
Liebe! Das war der Beweggrund für diese heroischen Opfer unseres Paters. Die
ungewöhnlichen Gnaden, die Gott ihm schenkte, vor allem die mystischen
Wundmale und die dauernde innige Vereinigung seiner Seele mit Gott, mußte er
ebenso großmütig beantworten. Pater Reus war davon überzeugt, daß alles, was
er auf sich nehme und leide, nur wenig im Vergleich zu dem sei, was er Gott
schulde. Darum suchte er im großen, aber auch im kleinen und kleinsten die
Überwindung und das Entsagen. Er tat es aus Liebe zum Gekreuzigten, dessen
Leiden und Sterben er so gerne mit dem Martertode seinerseits vergolten
hätte.
Wundert es uns dann, wenn er in
vielen Dingen geradezu erfinderisch war, dem Herrn seine Opferliebe zu
zeigen. So las er die Zeitung nie am Morgen, sondern einen halben oder
ganzen Tag später. Freitags pflegte er keine Zeitung zu lesen, auch wenn an
diesem Tag spannende Neuigkeiten darin enthalten waren, wie z. B. die
Papstwahl Pius XII. im Jahr 1939. Die Briefe, die er erhielt, ließ er meist
einen halben Tag liegen.
Als das
Luftschiff Zeppelin
auf seiner Reise nach Argentinien auch über São Leopoldo
flog, ließ sich wohl kaum einer, der davon wußte, dieses einmalige
Schauspiel entgehen. Was tat Pater Reus? Er sagt: “Ich ging in die Kapelle,
um in Gegenwart des Herrn im allerheiligsten Sakrament zu beten. Ich hörte
das Surren der Motoren, aber ich blieb ruhig vor dem Allerheiligsten. -
Nicht, als ob ich kein Interesse daran gehabt hätte; im Gegenteil, alles,
was auf diese Fortschritte Bezug hat, nimmt mich sehr in Anspruch. Doch ich
hatte das Vollkommenheitsgelübde gemacht, und das wollte ich halten. Ich
konnte mich nicht überzeugen, daß es vollkommener sei, das Luftschiff
anzuschauen.”
Ein nicht minder reiches und ein ebenso wichtiges Betätigungsfeld seines
Vollkommenheitsgelübdes war
die innere Abtötung,
die Überwindung
seiner Charakterschwächen, vor allem seiner übergroßen Empfindlichkeit,
seines zeitweilig heftigen Aufbrausens und seiner Ungeduld. Noch im Jahr
1935 klagte er, daß er trotz der vielen Gnaden immer noch ungeduldig werde;
und diesmal mußte er der Wahrheit gemäß hinzufügen: “Jedes Jahr wenigstens
einmal” (werde ich ungeduldig). Anreiz zu Regungen der Ungeduld wurden für
ihn zuweilen die ganz unvermuteten und wider seinen Willen eintretenden
Ekstasen, gerade während der hl. Messe, so daß er manchmal warten mußte, und
mit dem Meßopfer nicht fortfahren konnte.
Er konnte aber Gott nicht genug
danken, wenn es ihm gelang, mit Seiner Hilfe immer wieder Herr seiner
Schwäche zu werden. So nennt er folgendes ein direktes Gnadenwunder, das er
der Fürbitte des hl. Josef zuschreibt: “Ich wurde heftig beleidigt, ich
beleidigte aber nicht wieder und wurde nicht zornig” (5. März 1917). Aus dem
Jahr 1932 erzählte er in seiner Selbstbiographie, daß er von einem Mitbruder
einen in grob beleidigender Form abgefaßten Brief erhielt. Wegen seines
Vollkommenheitsgelübdes verzichtete er darauf, ihm zu antworten, und er ließ
sich bei einer späteren Begegnung mit ihm in keiner Weise etwas anmerken. -
Es entscheidet immer die Größe der Liebe. So kann eine große Liebe selbst
einem nicht so großen Opfer einen hohen Wert verleihen.
Eine große Selbstüberwindung
bedeutete für den Pater auch die Rechenschaft über sein außergewöhnliches
Innenleben. Er schuldete diese Rechenschaft seinen Oberen und hatte den
Auftrag, darüber laufende Aufzeichnungen zu machen. Er mußte nicht nur im
Gehorsam sein ganzes Leben aufzeichnen, sondern auch alle täglich erhaltenen
besonderen Gnaden. Er hatte jedoch den Vorgesetzten gebeten, das Geheimnis
seines Innenlebens zu wahren. Durch die Erfüllung dieses Wunsches blieben
die Gnadengaben des Paters bis in seine letzten Jahre fast ganz unbekannt.
Es entstand aber einmal
ein wahrer
“Sturm” in seiner Seele,
als er hörte, es sei der Wunsch
der Gesellschaft, daß nicht nur dem Provinzial, sondern auch dem Hausoberen
Gewissensrechenschaft abgelegt werden solle. “Es schien mir”, so schreibt
er, “für den Augenblick leichter, schwere Sünden zu offenbaren, als diese
mystischen Gnaden”; aber er hatte dem Heiland versprochen, das Vollkommenere
zu tun, und er hielt es auch.
Eine schier unbegrenzte
Betätigung der Übung der Vollkommenheit war für Pater Reus sein liebender
Wandel vor Gott oder, wie er sich selbst ausdrückte:
“die
Vergegenwärtigung Gottes”.
Er hatte stets Kontakt mit dem
Herrn, dafür wählte er als äußeren Ausdruck häufig wiederholte Akte der
Liebe. Er berief sich auf das Wort der hl. Theresia von Avila: “Ohne die
beständige Vergegenwärtigung Gottes gibt es keine vollkommene Liebe.”
Durch die bei Tag und Nacht mit großer Innigkeit immer wieder gesprochenen
Namen: JESUS, MARIA, JOSEF war er in der Lage, beständig Akte des Glaubens,
der Hoffnung und der Liebe zu erwecken. Pater Reus wußte, daß der letzte
Sinn aller Übung der Frömmigkeit darin besteht, zu einer immer größeren
Vereinigung mit Gott zu kommen. Er verlangte danach, nicht nur um der Ehre
Gottes willen und nicht so sehr seinetwegen, als vielmehr im Hinblick auf
die Rettung vieler Seelen, denn das ist ein ganz hohes Apostolat: “Herr,
mach, daß ich mir sterbe und daß ich Dir lebe, um Dir möglichst viele Seelen
zu retten ! “ Sein Leben wurde buchstäblich ein in Gott-Hineinsterben. So
öffnete sich ihm Gott in gnadenvoller Weise.
Ergänzt sei noch eine wichtige Bemerkung für uns alle: Wer sich oft liebend
mit Gott beschäftigt, und sei es auch nur in schlichten Stoßgebeten,
verfällt nicht unguten Gedanken, die immer wieder die Quelle vieler Übel
werden.
Inhaltsverzeichnis
Vir desideriorum: ein Mann mit großem
Verlangen
'Wie sehr Pater Reus alles,
auch das Kleinste mit größtmöglicher Vollkommenheit zu tun begehrte, das
geht auch aus einem “Pakt mit Gott” hervor, den er in lateinischer Sprache
niedergelegt hat. Wir greifen aus dieser längeren Niederschrift nur ein paar
wesentliche Gedanken heraus: “O Gott, um Dich mehr lieben zu können, wünsche
ich folgendes aus ganzem Herzen:
Sooft mein Herz schlägt,
sooft ich Atem hole, sooft ich auch nur die geringste Bewegung mache, ebenso oft mögest Du
von allen Geschöpfen gepriesen und geehrt werden!
Ebensooft übergebe ich mich in
Deine Hände, daß Du über mich verfügst, wie über eine ganz Dir gehörige
Sache, von jetzt an und für immer!
Ebensooft mißfallen mir alle
Sünden, die seit Anbeginn der Welt begangen wurden und bis an ihr Ende
begangen werden. Möchten Dir, o mein höchstes Gut, an Stelle jeder einzelnen
Sünde tausendmal tausend Huldigungen erwiesen werden. - Dafür opfere ich
besonders das hl. Meßopfer auf.
Ebensooft opfere ich Deiner göttlichen Majestät alles Gute auf, das möglich ist. Vor allem
das Leiden und Sterben und die heiligsten Wunden meines Erlösers Jesus
Christus - besonders für die Bekehrung der Sünder und die Befreiung der
Armen Seelen.
Diesen jetzt gemachten Akt
möchte ich ebensooft erneuert haben, als ich eines von den anfangs genannten
Zeichen setzte, nämlich so oft ich Atem hole usw.”
Hier gilt wahrhaft das Wort,
das der Erzengel Gabriel dem Propheten Daniel sagte: “Du bist ein Mann
mit großem Verlangen” (Dan 9,23). Müßten wir nicht auch manchmal mehr
Verlangen, mehr Sehnsucht, mehr Weite haben! “Aufrichtiges Verlangen,
ernstes Wollen ist vor Gott bereits vollendete Tat”, sagt ein
Gottesgelehrter. Entscheidend für das Gute ist immer zuerst das: Ich will. -
Ich will Gott lieben. Der Herr wird dann unser Herz weit machen für die
Liebe.
Inhaltsverzeichnis
Nur ein paar Sätze aus der Fülle
Aus den zahlreichen
Aufzeichnungen, die Pater Reus anläßlich seiner Exerzitien all die Jahre
hindurch und auch sonst machte, seien hier nur ein paar programmatische
Sätze herausgegriffen.
“Ich will andere retten, und
zwar an erster Stelle
durch das eigene vollkommene Leben.”
“Gib, o ewige Liebe, daß ich
Seelen rette,
die in Gefahr sind, in die Hölle zu stürzen.”
“Nicht aus Furcht, sondern aus
reinster Liebe will ich jede Sünde meiden.”
“Diesen einen Ruhm, o
göttliches Herz, werde ich Dir sicher einbringen,
den einer unbegreiflichen
Barmherzigkeit mir gegenüber.”
“Keine Gelegenheit fliehen, wo
es etwas zu leiden gibt.”
“Ich komme mir vor wie
vernichtet, denn alles, was von mir ist, ist nicht gut.”
“O liebste Liebe, Erbarmen über
Deine Priester!”
“Der Priester muß Opfer sein
mit Jesus, der sich für uns opfert.”
“Ohne Dich, o ewige Liebe, bin
ich der Abgrund der Bosheit.”
“Von Ihm ist alles, jedes
Fünkchen Glut.”
“Was mir Mut gibt zu einem
immerwährenden Jesus-Lieben ist das Gebot:
Du sollst Gott, deinen Herrn,
lieben aus deinem ganzen Herzen.”
“Der Hl. Geist ist die Liebe.
In Ihm lieben wir das heiligste Herz Jesu,
das Wunderwerk des Hl. Geistes.”
“Solange Jesus will, will ich
als Opfer der Liebe zu Ihm
mein elendes Leben weiterschleppen.”
“Es ist mir geistiger Weise
nicht recht wohl,
wenn ich mehr oder weniger frei von Leiden bin.”
“Wenn der Herr mein
Gehorsamsopfer verlangt, muß die Natur schweigen und darf sich nicht einmal
in Gedanken des Unmuts aufhalten.”
“Ich schaue einzig allein auf
das, was Er will. Das geschehe!”
“Ich vertraue auf das heiligste
Herz Jesu, und alles geht gut.
Gern hilft dann auch die Mutter des Herrn.”
“Die einzige Möglichkeit, etwas
zu erlangen, ist die unendliche Freigebigkeit, Barmherzigkeit und Güte
Gottes und die Güte des heiligsten Herzens Jesu. Einen anderen Weg gibt es
nicht.”
“Ich suche den Visionen zu
entgehen, wo ich nur kann.”
“Der liebe Heiland ist es, der über mich
verfügt.”
“Ich muß Seinen hl. Willen
ausführen,
mag man über mich denken, was man will.”
“Schon um des hl. Opfers willen
muß ich heilig leben.”
“Ich will nur Gottes hl. Willen
in allem.”
“Die Viertelstunde gleich nach
der hl. Messe ist einzig für Ihn!”
“Jetzt schon alles tun, um
einmal die Worte des Richters hören zu dürfen:
‘Kommt, ihr
Gesegneten!”`
“Dir zuliebe alle Schmach!”
“Die Du liebst, o Jesus, müssen
leiden!”
“Nimm gnädig alle körperlichen
Leiden als Anteilnahme
an der furchtbaren Qual Deiner
Geißelung!”
“Ausharren am Kreuz bei
Krankheiten - mit Ihm!”
“Überall, wo der Auferstandene
erscheint, ist Freude und Trost.
So soll auch mein Erscheinen alle trösten,
mit denen ich zusammenkomme.”
“Gott ist in meinem Herzen, und
ich wußte es nicht” (vergleiche Gen 28,16).
“In meinem
Herzen ist ein großes Meer von Glut, aber nichts von mir.”
Die Antwort des Himmels
Die Antwort des Himmels auf
sein ständiges Bemühen, um Gottes willen immer vollkommener zu werden, war
so, daß sie uns in Erstaunen versetzt. Je großmütiger sich der Mensch
Gott schenkt und seinen Willen von Gott binden läßt, desto
großmütiger, freigebiger, liebender und beglückender ist der Herr. Gott läßt sich an Großmut nie übertreffen.
Er schenkte immer neue
mystische Gnaden. Der opferbereite Pater erfuhr fast täglich, wenn auch nur
kurz, in irgend einer Form volle 30 Jahre lang die göttliche Liebesglut. Er
schreibt: “In allen möglichen Lagen und Stellungen, an allen möglichen
Orten, auf der Stiege, auf den Gängen, in der Kapelle, mitten in der Arbeit
oder sonst einer Beschäftigung, in der Kapelle, im Garten wurde ich
jahrelang, Tag für Tag von der Liebesglut überrascht. Widerstand ist
unmöglich. - Gott ist Liebe und unendliches Lieben; Er ist darum auch ein
verzehrendes Feuer, und Er möchte, daß das Feuer, das Er auf die Erde
bringen wollte, auflodere zu einer alles verzehrenden Flamme.” Im Februar
1925 schreibt er: “Starke Glut auch in den Wunden.”
Am 25. Juni 1925: “Die hl.
Kommunion schien in mein Herz hinabzusteigen wie ein verzehrendes Feuer
oder, besser gesagt, wie ein sengendes Feuer.”
Gott Selbst hat Sich im Alten Bund in einem brennenden und doch nicht
verbrennenden Dornbusch gezeigt. Er ist personenhafte, unendliche Liebe. Der
Hl. Geist ist am Pfingstfest unter dem Sinnbild feuriger Zungen erschienen.
So wollte der menschgewordene Sohn Gottes durch das Bild Seines flammenden
Herzens gerade unsere, in der Liebe erkaltete Zeit erinnern an Sein
immerfort geltendes Wort: “Feuer auf die Erde zu bringen, bin Ich gekommen,
und was will Ich anders, als daß es brenne!”
Immer neue Opfer, immer neue Gnaden
Gott schenkt jedem Menschen
Seine helfenden Gnaden. Ohne diese Gnadenkraft kann kein Mensch etwas im
Hinblick auf das ewige Ziel. Gott läßt aber auch jedem die freie
Entscheidung, ob er annehmen will oder nicht. Er wartet aber immer auf unser
J a. Je größer unsere Bereitschaft, um so mehr Gnade von Seiner Seite. Gott
läßt Sich nie an Großmut übertreffen. “Gott ist größer als unser Herz” (1 Jo
3,20). Pater Reus ist das sprechendste Beispiel dafür.
Am 27. April 1915, am Fest des
hl. Petrus Canisius, hatte der Pater im Sinn seines Gelübdes, immer das
Vollkommenere zu tun, den Missionsoberen Pater Zartmann um die Erlaubnis zu
mehreren einschneidenden Bußübungen gebeten. Der Missionsobere gewährte ihm
volle Freiheit hierin. “Der natürliche Mensch”, so schreibt Pater Reus,
“hatte keine besondere Freude an dieser Erlaubnis” doch der Herr, für den er
wirklich das Äußerste aufbieten wollte, dessen er fähig war, gab ihm noch am
gleichen Tag eine Antwort, wie sie nur Seine unendliche Liebe und Macht
schenken kann: Pater Reus selbst beschreibt diese Gnade mit folgenden
Worten: “Ich fühlte mich sozusagen körperlich auf wunderbare Weise
eingeschlossen in das heiligste Herz Jesu.
Ich fühlte, wie mein Herz
sozusagen mit dem Herzen Jesu den gleichen Pulsschlag hatte. Zu gleicher
Zeit ruhte ich am Herzen des liebsten Vaters.” Zwanzig Jahre später, als
er im Gehorsam sein inneres Leben beschrieb, konnte er bestätigen, daß diese
Gnade, ins heiligste Herz Jesu eingeschlossen zu sein, ständig fortdauere.
Im Oktober 1922 berichtet er,
daß das Fühlen seiner Vereinigung mit dem Herzen Jesu ihm auch geistig
irgendwie sichtbar gemacht wurde. Er suchte dies in einer noch ganz kleinen
Zeichnung anzudeuten: Zwei Herzen ineinander, von denen das kleinere,
nämlich das seine, sich im größeren des Herzens Jesu befindet. Dies ist die
erste skizzenhafte Zeichnung, die sich in seinen Aufzeichnungen findet;
viele andere, etwa 800, folgten ihr.
“Noch immer sehe ich mein
Herz vereint mit dem Herzen Jesu”, so schrieb er am 10. Okt. 1922. Ohne
daß diese Gnade der erlebten Vereinigung der Herzen aufgehört hätte, kam
dann 12 Jahre später dazu:
Inhaltsverzeichnis
die Vereinigung seiner Person mit der Person
Christi
eine Gnade, für die er
zeitlebens ganz besonders dankte. Im Monat Juni 1934 nahm er die Gestalt des
Heilandes in kurzer Entfernung von sich wahr, aber doch so, daß er zugleich
sagen mußte: “Er ist in mir. Ich weiß nicht, wie das zugeht, aber ich weiß,
daß es so ist.” - “Jesu Person ist eins geworden mit mir”, so stellt
er am 15. Juni 1935 fest. “Oft und oft lege ich meine Hand auf meine Brust,
um dem göttlichen Heiland meine Liebe zu bekunden, und nicht selten füge ich
bei: ‘Erbarme Dich', weil mich eine Angst, ja, ein Entsetzen beherrscht,
wenn ich an die Größe der Gnade und an meine Armseligkeit denke.” So.
drängte es den Diener Gottes immer erneut zu dem Ausruf: “Zuerst gab Er
mir Seine hl. Wunden, dann Sein heiligstes Herz, jetzt Seine ganze Person!
- Dein Wille geschehe, o liebstes Herz Jesu! Gib, daß ich Dich wahrhaft
liebe!”
Der Tausch der Herzen
Eine weitere ganz große und für
das Innenleben entscheidende Gnade erfuhr Pater Reus am Fest des hl.
Aloisius, am 21. Juni 1936: den mystischen Tausch seines Herzens mit dem
Herzen Jesu. Er beschreibt dies mit folgenden Worten: “Als ich (bei der hl.
Kommunion) die hl. Hostie zu mir nahm, fühlte und sah ich, wie mein Herz aus
dem umgebenden Körperteil herausgerissen wurde, sah die zerfetzten,
ungleichen Ränder. Mein Herz war also herausgerissen. Darum betete ich auch
nachher: Ich liebe mit Deinem Herzen. Auf einmal sah ich, wie mich eine
Lichtsonne in weitem Bogen ganz umschloß, jedenfalls um des Herzens Jesu willen,
das in mir war. Doch erst, als ich aus der Kapelle gegangen war,
schaute
ich statt meines Herzens das heiligste Herz Jesu
in vollem Glanz in mir.” - Der
tiefere Sinn dieser Gnade war wohl, daß Christus selbst vollkommen in seiner
Seele Gestalt gewinnen solle. Gott will den Menschen ganz. Nur wer sich Ihm
verborgen restlos hingibt, dem schenkt Er sich auch ganz.
Ergriffen fragte sich Pater
Reus: “Weshalb ließ sich der Heiland so weit herab, daß Er mir mein Herz
herausriß und Sein göttliches Herz an Stelle des meinen setzte? Er hat”, so
schreibt er, “das gleiche auch der Sr. Maria Chambon von der Heimsuchung
Mariä getan und erklärt: “Ich brauche dein Herz, daß es Mich
entschädige... Ich habe Mir nun ein Schlachtopfer auserwählt, in dessen
Herzen Ich ruhen möchte, und ihr sollt Mich lieben und Mir alles überlassen.
Ihr sollt am Herzen eures Meisters ruhen wie der hl. Johannes. Wenn ihr Ihn
liebt, verschafft ihr Ihm große Verherrlichung!”
“Diese Worte”, so meint Pater
Reus, “lassen mir das Unverständliche einigermaßen begreiflich erscheinen.
Freilich, wie ich Ihn entschädigen solle, ist und bleibt mir ein Rätsel -
angesichts des Nichts, das Er unfehlbar in mir finden muß. Aber:
“Vertraue auf
Ihn - Er wird sorgen!”
“Es bleibt mir nichts anderes
übrig, als mein Vertrauen auf das heiligste Herz Jesu zu setzen, Er wird es
schon recht machen.” War dieser gnadenvolle Herzenstausch, den der Heiland
Seinem treuen Diener gegenüber wiederholt bestätigte, nicht die Erfüllung
des Flehens vorn 4. Okt. 1912: “O mein geliebter Jesus, gib, daß ich Dich
liebe, Dich erkenne und ganz in Dich umgestaltet werde!” Und will diese
wundersame Gnade den gläubigen Christen nicht klar veranschaulichen, daß wir
immer mehr unser eigenes, selbstsüchtiges Denken und Wollen aufgeben müssen,
um statt dessen Christi Herz, das heißt, Sein Wollen, Sein Lieben uns zu
eigen zu machen. “Seid so gesinnt, wie Christus Jesus gesinnt war.”
Die Gnade des mystischen Herzenstausches brachte es mit sich, daß Pater Reus
nicht selten auch die ganze Traurigkeit und den bitteren Schmerz des
Erlöserherzens über die Sünden der Menschen teilte. Es ist dies ein
Geheimnis schmerzvollster Sühne, wie sie die wahrhaft Liebenden leisten.
Wirkliche Teilnahme am Erlöserleiden Christi! Wie wartet der Heiland auf
bereitwillige Seelen, die mit der Liebe Seines Herzens lieben, opfern und
sühnen! Sie helfen die Welt retten.
Inhaltsverzeichnis
Die Gewißheit seiner ewigen Seligkeit
Zu den ganz großen Gnaden, die
Pater Reus erfahren durfte, gehört auch die Zusicherung, daß er nach dem
Tod, ohne jeden Verzug sofort mit dem Herzen Jesu eins sein und von diesem
verherrlicht werde*. Es war am 24. Nov. 1915 abends, als er in Vorbereitung
des Unterrichtes folgendes aufzeichnete: “Gott hat es nicht mir und nicht
dir gesagt, daß wir bestimmt in den Himmel kommen.” In diesem Augenblick
wurde sein Herz plötzlich von einem ungewöhnlich heftigen Liebessturm
erfaßt, so daß er unwillkürlich die Hand aufs Herz preßte, von seinem Stuhl
aufstand und sich auf die Knie warf. Dann wurde ihm mitgeteilt:
“Es ist dir schon gesagt
worden, daß du in den Himmel kommen wirst, gesagt bereits im Oktober
1912" - es war anläßlich der mystischen Verlobung. Damals schien ihm der
Herr, den er aber nicht mit körperlichen Augen sah, deutlich zu sagen: “Ja,
du wirst zu Mir kommen und in Meinem Herzen ruhen durch die ganze Ewigkeit.”
In früheren Jahren hatte der
Pater oftmals Gott den Heiland um die Gnade angefleht, daß er nach seinem
Tod ohne Verzug die ewige Seligkeit erlangen möge. Später betete er nicht
mehr darum, weil es ihm vollkommener erschien, sich rückhaltlos der
Vorsehung und Barmherzigkeit Gottes zu überlassen.
Mit besonderer Innigkeit sprach er täglich bei der hl. Messe die Gebetsworte: “Laß mich niemals von
Dir getrennt werden.” Auch jedesmal, sooft er Weihwasser nahm, sei es in
der Kirche, sei es im Zimmer, pflegte er zu beten: “Laß mich nicht von Dir
und von der Gesellschaft (Jesu) getrennt werden!” Am 24. Nov. 1927 schien es
ihm, daß der Heiland im heiligsten Sakrament selbst ihm versicherte:
“Numquam”, das heißt: niemals! Er deutete diese Zusicherung als Gnade, er
werde vor dem Fegfeuer bewahrt bleiben, das heißt, auch nach dem Tod keinen
Augenblick vom Herrn getrennt sein.
Bei jeder Danksagung nach der
hl. Messe dankte er dem Geber aller Gaben für folgende Gnaden: “Daß Du in
Deiner unsagbaren Liebe meine arme, undankbare Seele mit Deinen hl. fünf
Wunden ausgezeichnet, Dein heiligstes Herz mit dem meinen verbunden, Deine
hl. Person mit der meinen fühlbar vereint, Dein Herz mit dem meinen
getauscht, daß Du mir die ewige Seligkeit und Herrlichkeit nach dem Tode
geoffenbart hast!” Aber niemals bedankte er sich für die Offenbarung, daß
er ohne Fegfeuer sofort in den Himmel eingehen werde. Das sah er als
Vermessenheit an, eine so große Gnade anzunehmen. Er meinte sogar: “Lieber
will ich hundert und tausend Jahre im Fegfeuer bleiben, als so etwas sagen.”
Aber die Gnade Gottes trieb ihn dazu an, bis er es in seinem Herzen annahm
und aussprach: “Ich glaube, daß Du mich ohne Fegfeuer zu Dir nimmst.”
Er fühlte sich gedrängt,
besonders der lieben Gottesmutter für die Vermittlung dieser Gnade innigst
zu danken; ja, die Tatsache, daß er die Gnade gerade am 24. November, dem
Fest des hl. Johannes vom Kreuz erhielt, ließ ihn folgende Erwägung
niederschreiben:
“Wem habe ich
diese Gnade zu verdanken:
Zunächst der unendlichen
Barmherzigkeit des heiligsten Herzens Jesu, dann glaube ich, sie sei mir
gegeben von der lieben Muttergottes wegen des KarmelSkapuliers, für dessen
Verbreitung ich soviel gearbeitet habe, ferner auf die Fürbitte der hl.
Theresia vom Kinde Jesu (über ihr Leben hatte er ein Buch geschrieben, das
aber nie veröffentlicht wurde), ferner auf die Fürbitte der hl. Theresia von
Avila, die meine Lehrmeisterin in den Fragen der Mystik (in den späteren
Jahren) war, und auf die Fürbitte des hl. Johannes vom Kreuz.” Die Gnade der
künftigen Auserwählung wurde ihm in den kommenden Jahren noch oft bestätigt.
Auch die Gottesmutter bestätigte ihm die Offenbarung seiner ewigen
Seligkeit.
So sah er am 23. Juli
1943 bei den Worten der hl. Messe: “Nimm uns auf in ihre Gemeinschaft”,
wie der himmlische Vater ihm einen Platz unter den Heiligen anwies. Ja,
es wurde ihm zwei Jahre vor seinem Tod sogar die Offenbarung seiner
künftigen Verherrlichung auf Erden gezeigt.
Tief beschämt
beschreibt er
die große Wirkung all dieser Gnaden: “Heiland, jetzt will ich
Dir noch treuer sein.” - “Der Gedanke: Nunmehr bin ich sicher und brauche
mich nicht mehr anzustrengen, liegt mir ferne. Gerade das Gegenteil ist der
Fall: Die Güte des Herzens Jesu treibt mich zur äußersten Anstrengung an, um
Ihm zu gefallen, Ihm zu dienen und für Ihn Opfer zu bringen.”
Diese großmütige Bereitschaft
voll tiefer Demut und Gottesliebe, dieser wahrhaft gute Wille war das
Entscheidende im Leben von Pater Reus. Wie oft hat er in seinen
Niederschriften geklagt über seine Unheiligkeit, seine Klotzigkeit, seine
Empfindlichkeit und Ungeduld, über das rechthaberische Bestehen auf seiner
Meinung und - trotz aller dieser Fehler und Schwächen:
Ohne Fegfeuer sofort
in den Himmel - ein Heiliger des Himmels!
Brüder, Schwestern! Wie groß
denkt Gott von jedem ehrlich sich mühenden, immer wieder aus Schuld und
Sünde aufstehenden, wahrhaft um die Liebe Gottes ringenden Menschen!
Haben wir Mut, haben wir
Vertrauen auf die unermeßliche Gnadenhilfe Gottes! Haben wir Vertrauen auf
die unendliche Liebe Gottes! Die Liebe Gottes hilft uns immer wieder
aufstehen. Gerade für unsere Zeit stellt uns Gott die Liebe als größte Macht
vor Augen: im Herzen Jesu und im Herzen der Unbefleckten Gottesmutter.
Obwohl Glauben kein Wissen ist, sondern nur ein Fürwahrhalten, so ist
Glaubensund Vertrauenskraft eine große Gnadenkraft. Darum an die Liebe
Gottes aus ganzem Herzen glauben! Die Liebe Gottes ist das Größte, das es
gibt. Den tief und beharrlich Vertrauenden, den wahrhaft Reuigen und immer
neu Beginnenden, den aus ganzem Herzen Liebenden und Sühnenden wird nach
Ansicht der Kleinen hl. Theresia der Himmel auch ohne Fegfeuer geschenkt.
“Warum sollte Gott in den Flammen des Fegfeuers jene Seelen reinigen, die
sich in den Feuern der göttlichen Liebe verzehrten?” (Aus dem Brief an den
Missionar P. Roulland.)
Ein Trost, ein unsagbarer Trost
für dich und mich, mein Bruder, meine
Schwester, die wir im täglichen Kampf stehen. Wir brauchen nicht zu
verzagen, wir dürfen nicht verzagen, wenn uns unser reizbares,
überempfindsames Temperament noch soviel zu schaffen macht; und uns diese
und jene Charakterschwächen Jahre und Jahrzehnte vor den Mitmenschen
demütigen.
Inhaltsverzeichnis
ER “SCHAUT” DIE ÜBERNATÜRLICHEN WAHRHEITEN
Er erlebt die hl. Mysterien
Durch die mystische Teilnahme
am Erlöserleiden des Herrn, vor allem an dessen erschütternder Traurigkeit
über die Sünden der Menschen, erlebte Pater Reus die Verwerflichkeit auch
der kleinsten Fehler und Unvollkommenheiten. Dieses Erleben steigerte sich
mehr und mehr zu einem außergewöhnlichen Reueschmerz und zu einem tiefen
Abscheu vor jeder Sünde. Diesen Abscheu, ja Haß gegen die Sünde, erneuerte
er immer wieder beim Empfang des hl. Bußsakramentes. So wurde die hl.
Beichte, die er einer inneren Stimme folgend täglich ablegte, für ihn
niemals etwas Alltägliches. Er bereute dabei aus ganzem Herzen die
Sünden, die er selbst zeitlebens begangen hatte. Jede Beichte wurde ihm eine
erneute Absage wider Satan. Und wenn er von Gotteslästerungen anderer hörte
oder las, dann war es ihm, als müßte er auch darüber tiefen Reueschmerz und
Abscheu empfinden, weil Gott, das höchste Gut, so sehr mißachtet wurde.
Zusammenfassend berichtete Pater Reus im Jahr 1934: “Lange Zeit hindurch
hatte ich bei der Vorbereitung auf die tägliche Beichte Tränen der Reue,
begleitet von einem unbeschreiblich tiefen inneren Schmerz.” - Die Tränen
liebender Sehnsucht nach Gott, die Tränen brennender Liebesreue sind kostbar
vor Gott.
Der Pater
durfte aber auch gerade in der hl. Beichte
die unendliche Barmherzigkeit und
Güte Gottes gegen die demütige, reuige Seele erfahren. So sah er zum
Beispiel am 7. April 1918 beim Empfang der hl. Lossprechung, wie bei den
Worten “Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes” drei
getrennte Flammen in sein Herz hineinströmten. Eine beseligende Tatsache!
Weiter berichtet er: “Wenn beim Beichthören meine Hand sich zur Lossprechung
erhob, sah ich in meiner Hand die lichte Hand des göttlichen Heilandes,
der in mir und mit mir durch das hl. Kreuz die Lossprechung erteilte.
Eigentlich ist das nichts Neues, da ich den lieben Heiland immer in mir
sehe, wenn ich nicht äußerlich abgelenkt werde. Aber so klar, gerade in
Bezug auf die Hände, hatte ich es nie beobachtet. Nachdem ich einmal
aufmerksam geworden war, sah ich auch in der anderen Hand die lichte Hand
des Herrn” (30.6.1936).
“Als ich im Beichtstuhl saß und
gerade eine Seele von schweren Sünden lossprach, fühlte ich zum ersten Mal,
wie das Jesuskind das rechte Ärmchen, das es um meinen Hals gelegt hatte,
enger anschmiegte und anzog, wie um mir seine Erkenntlichkeit erkennen zu
lassen dafür, daß ich es von dieser Sündenqual befreit hatte” (7.1.1937).
“Als ich heute die Beichte der
Franziskanerinnen hörte und sie aufforderte, sich für die Ankunft des
Jesuskindes vorzubereiten, erblickte ich plötzlich in dem Beichtkind das
Jesuskind in hellem Glanz. Und so sah ich es in einer ganzen Anzahl von
Beichtenden, manchmal in strahlender Schönheit.”
Pater Reus erlebte auch immer
wieder das innige Verhältnis zwischen den drei göttlichen Personen. Alle
Christen sind durch die Taufe dem dreifaltigen Gott in geheimnisvoller Weise
verbunden. So schreibt er am 9. Aug. 1936: “Während der Betrachtung war die
Gegenwart der hochheiligsten Dreifaltigkeit sehr lebhaft. Ich kam mir vor
wie eine lebendige Monstranz, in der die hochheiligste Dreifaltigkeit den
Platz der hl. Hostie einnimmt. Ich mußte immer wieder die grenzenlose
Barmherzigkeit Gottes bewundern und anbeten.” - In Wahrheit sind wir alle
durch die Taufe eine Monstranz, sind ein Tempel des lebendigen Gottes
geworden.
Besonders klar durfte der
Diener Gottes auch das Geheimnis der Priesterweihe erfahren. Am 30. Juli
1941, dem 48. Jahrestag seiner Priesterweihe, bat er im Memento der hl.
Messe den Heiland, Er möge ihm die Gnade des Priestertages erneuern: Und
wirklich sah er sich beim folgenden Gebet vor dem Heiland knien, der ihm
beide Hände auflegte. Auch der himmlische Vater streckte seine Hände
über ihn aus: “Dies soll wohl bedeuten”, so bemerkt der Pater, “daß der Herr
wirklich jene erste Gnade erneuert, und zwar für jeden Priester, der ihn
darum bittet.” Christus selbst ist es also, der die hl. Priesterweihe am
Weihetag vollzieht.
Mehrmals erlebte er auch
ganz eindrucksvoll
die Macht des priesterlichen Betens und Segnens,
so bei seiner Fahrt zur Seligsprechung der drei brasilianischen
Jesuiten-Märtyrer. Pater Reus hatte im Auftrag des Provinzials eine
ausführliche Biographie über diese drei aus Rio Grande stammenden und 1628
gemarterten Blutzeugen geschrieben. Er durfte als Vertreter der Provinz an
deren Seligsprechungsfeierlichkeiten in Rom am 28. Jan. 1934 teilnehmen. Bei
der Hinfahrt hatte das Schiff an der brasilianischen Hafenstadt Santos einen
längeren Aufenthalt. Pater Reus beteiligte sich mit noch einigen Passagieren
an einem Auto-Ausflug nach São Paulo. Auf dem Rückweg entlud sich ein
Gewitter. Das Auto, in dem Pater Reus fuhr, blieb stecken und kam nach
vielen Versuchen nur noch im Schneckengang vorwärts.
Bei der dadurch
gegebenen Gefahr, den Dampfer nicht mehr rechtzeitig zu erreichen,
bemächtigte sich der Insassen des Wagens eine begreifliche Aufregung. Was
tat da unser Pater? Lassen wir ihn selbst erzählen: “Ich drückte mich in
eine Ecke und betete um Hilfe in dieser nicht geringen Not. Und siehe da: Nur wenige Augenblicke später begann das Auto regelrecht zu laufen. Ich
erinnere mich nicht, die Wirkung des Gebetes so rasch gesehen zu haben wie
hier.” Als sie in Santos wieder ausstiegen, wandte sich ein argentinischer
Mitbruder an Pater Reus mit den Worten: “Nun, haben Sie denn keinen
Schrecken ausgestanden? Sie haben ein eiskaltes Blut.” Dieser aber
antwortete ihm: “Haben wir nicht einen Gott im Himmel? Ich habe unterdessen
gebetet.”
Auch folgende Tatsache sei noch
erwähnt. Im März und April 1935 erlebte der Diener Gottes dreimal, daß
ein gefahrdrohendes heftiges Gewitter abflaute, als er sich auf die Knie
warf und mit ausgespannten Armen um Hilfe betete. Tatsächlich war es in
der Geschichte des Seminars schon mehr als einmal vorgekommen, daß durch
Gewitter und Hagel in einigen Sekunden Hunderte von Fensterscheiben
eingeschlagen wurden.
Verschiedentlich erlebte der Pater,
wie seine Gebete, besonders das
Breviergebet und auch das Stufengebet der hl. Messe gleich Feuersonnen
aus seinem Mund aufstiegen. Auch beim hl. Bruder Konrad von Altötting
stieg das Gebet gleich Lichtkugeln zum Himmel. - Umgekehrt geschah es, als
Pater Reus am 24. April 1939 der begnadeten Sr. Antonia auf ihrem
Sterbelager das Leiden Christi vorlas da glaubte er zu sehen, wie die
einzelnen Worte der Hl. Schrift gleich kleinen Flämmchen auf die Kranke
niederfielen und ihr Trost brachten. Alles übernatürliche Gegebenheiten, die
wir nur mit dem Glauben erfassen, Pater Reus aber geistig wirklich
wahrnehmen durfte.
Inhaltsverzeichnis
Zweifler und Kritiker aber fragen:
Waren diese mystischen
Erlebnisse wirklich echt? Sind sie nicht Phantasien? Ist Pater Reus
glaubwürdig?
Diese Fragen drängen sich
begreiflicherweise auf, gerade heute im Zeitalter der Wissenschaften, der
Experimente. der Forschung. War Pater Reus nicht etwa ein Mann von
phantastischen Einbildungen und Halluzinationen? Ist das glaubhaft, was
Pater Reus erlebt hat?
Niemand als er selbst hat mehr
mit diesen Zweifeln gerungen und darunter gelitten. Er hatte, wie schon
erwähnt, ursprünglich von Mystik nichts wissen wollen, nichts bis zu seinem
44. Lebensjahr, aber bei all seinem Mißtrauen und bei seiner Furcht vor
Täuschungen hielt er sich an das Wort des hl. Johannes: “Prüft die Geister,
ob sie von Gott sind!” Wir fragen zunächst:
Was sagen
seine Vorgesetzten
über die Person des Paters? Seine Provinziale von
1912-47, denen er alles anvertraute? Dann die Rektoren des Kollegs São Leopoldo, die einen gründlichen Einblick in sein Leben bekamen? Pater
Ferdinand Baumann, sein gewissenhafter Biograph, der Pater Reus selber
persönlich kannte, schreibt dazu: “Sie alle sahen in Pater Reus einen
überaus nüchternen, urvernünftigen Menschen, mit stark ausgeprägter
männlicher Haltung, mit Energie und kritischem Sinn, frei von
Sentimentalität und Überschwang. Sie kannten vor allem seine unbestechliche
Wahrhaftigkeit und wußten, daß man seinen Worten unbedingt glauben konnte.
Die Vorgesetzten kannten auch das heroische Tugendleben von Pater Reus. Sie
mußten sich sagen, daß er seine außergewöhnlichen Abtötungen, Bußen,
nächtlichen Gebetsstunden, seine offensichtlich immerwährende Sammlung und
Selbstverleugnung, ohne diese charismatische Begnadung kaum auf sich nehmen
und jedenfalls auf die Dauer nicht hätte durchführen können.”
Und was sagt
Pater Reus?
“Was mich tröstet, ist der
Umstand, daß ich mit aufrichtigem Willen zur Wahrheit über alles berichte
und es den Oberen mitteile, folge daraus, was wolle. Ich glaube, ich kann
mit dem Bewußtsein sterben, daß ich nichts Falsches dargestellt oder
verheimlicht habe, was irgendwie Bedeutung hat.” - Ein unantastbares
Bekenntnis! Rückhaltlos gesteht er auch die Ängste, die er hinsichtlich
seines mystischen Erlebens ausgestanden, und das Ringen und Beten um die
Unterscheidung der Geister, das heißt um die Fähigkeit, das Echte vom
Unechten zu unterscheiden. Nichts an Oberflächlichkeit, wie sie so vielen
rasch Urteilenden unserer Tage eigen ist.
Wohl ist es bei echten Visionen
schwierig festzustellen, was beim Schauen der Geheimnisse unmittelbar und
ganz auf Gott zurückzuführen ist, und was der Mensch, von Gottes Gnade
angeregt, von dem Seinigen hinzugefügt hat. Tatsache aber ist nach dem
Urteil der großen hl. Theresia, die Pater Reus in seiner Angst vor
Täuschungen in seinen späteren Jahren gründlich studiert hat, folgende
Wahrheit: “Wer einmal echte Visionen gehabt hat, der kann bloße
Phantasiegebilde mit Leichtigkeit von echten Visionen unterscheiden.” Im
übrigen konnte Pater Reus feststellen, daß die meisten seiner Visionen rein
geistiger Art waren. Er konnte bestätigen, was die heiligmäßige Ursuline,
Sr. Salesia Schulten, einmal niedergeschrieben hatte: “Ich empfinde die Nähe
des Heilandes mit den Sinnen meines Körpers; sehe den Heiland aber mit den
Sinnen des Geistes; denn mit den leiblichen Augen habe ich noch nie die
Person des Heilandes oder der Heiligen gesehen. Gott gewährte mir auch die
Gnade zu erkennen, daß Liebesgluten nicht nur in geistiger, sondern auch in
körperlich fühlbarer Weise empfangen werden.”
Als besonderen Beweis für die
Echtheit seiner Visionen erwähnt Pater Reus auch die Tatsache: “Sie hängen
nicht von mir ab. Sie kommen oft an ganz gewöhnlichen Tagen und bleiben an
hohen Festen, an denen die Seele vom Tagesgeheimnis erfüllt ist, aus (zum
Beispiel am Karfreitag). Ich kann auch an der Vision nichts ändern, ein
Umstand, den auch die hl. Theresia erwähnt.”
Kurz zusammenfassend können wir von den mystischen Erlebnissen unseres Pater
Reus sagen: Er hat sie nicht und in keiner Weise gesucht. Das soll auch kein
Mensch, das könnte ihm gefährlich werden.
Nur nichts
Außergewöhnliches wollen!
Falsche Mystik entspringt
dem eigenen Geltungsdrang; echte Mystik aber dem Willen Gottes. Wörtlich
sagte Pater Reus seinem Herrn und Meister: “Du weißt, daß ich keine
außergewöhnlichen Dinge suchte. Nur weil Du diese Dinge schickst, lasse ich
sie zu.” Reus kann bekennen, daß er nie etwas anderes verlangt habe als
wahre Heiligkeit. Diese aber besteht wesentlich im vollen Einssein
unseres Willens mit dem Willen Gottes. Dies zu erreichen ist auch ohne
mystische Gnade möglich. Nicht viele Heilige hatten diese außerordentlichen
mystischen Gnaden: Dieses unmittelbare Innewerden der liebenden Gegenwart
Gottes in der Seele, gleichsam die Vorwegnahme, ja, das Vorverkosten des
ewigen Lebens, wie man die Mystik auch nennt. [Oft wissen wir nicht darum!]
Nachdem Pater Reus einmal
erkannt hatte, daß er die Berufung für diesen außerordentlichen Weg erhalten
hatte, war er mit großer Treue bemüht, diese Gnade nicht zu verlieren; sie
ist ja ein ungemein wirksames Mittel, um die Vollkommenheit rascher und in
höherem Maße zu erreichen. Wie Pater.Reus, so hat auch die große hl.
Theresia bezeugt, daß die mystischen Gnaden ihrer Seele zu Tugenden
verhalfen, die sie vorher nicht kannte.
Wohl ist es unleugbar, daß
Satan immer wieder versuchen wird, manche Gnadenmittel nachzuäffen;
darum gilt es: “Nicht jedem Geist zu glauben, sondern zu prüfen.” Satan kann
in den stolzen Menschen außerordentliche Täuschungen hervorrufen, z. B.
Visionen und innere Ansprachen. Dies wußte Pater Reus. Darum hat er nicht
bloß häufig den hl. Erzengel Michael, die liebe Muttergottes und das
heiligste Herz Jesu um Schutz vor Täuschungen angerufen. Er hat sich auch
immer wieder gegen die nicht wesentlichen Erlebnisse der mystischen Führung
zu wehren versucht. Seine Grundhaltung diesen Dingen gegenüber blieb immer:
“Nicht
annehmen!”
Zuerst der
Vernunft folgen
Als Pater Reus einmal
hinsichtlich der Seelenführung von Sr. M. Antonia Zweifel bekam, las er wie
zufällig in einem Buch, daß “Jesus mit Vernunftgründen immer einverstanden
sei und daß die Vernünftigen nicht überall Wunder und Offenbarungen erwarten
oder wünschen, sondern einfach so handeln, wie die Gründe der Vernunft es
ihnen nach innigem Gebet (!) nahelegen”! Daran hielt sich Pater Reus gerade
bei seiner außerordentlich nüchternen Veranlagung und wehrte sich gegen das
Außergewöhnliche; aber all sein Widerstand wurde stets durch die Macht der
Gnade überwältigt, manchmal erst nach langem Widerstreben.
Mit großer Sorge hat Pater Reus
alles vor den Augen der Menschen zu verbergen gesucht, konnte aber nicht
verhindern, daß manches bekannt oder wenigstens vermutet wurde - und daß
manche ihn belächelten. Leider findet man auch heute in christlichen Kreisen
einerseits viele
Vorurteile und Abneigung gegen die Mystik
Dies ist zum Großteil aus der
im Lauf der Geschichte gemachten Erfahrung begreiflich; anderseits trägt
eine gewisse Unkenntnis des geheimnisvollen Gebietes der Mystik zur
Ablehnung bei.
Mystik ist eben nicht mit dem
Verstand allein faßbar. Es ist ein außerordentliches, geheimnisvolles
Einwirken Gottes auf die Menschenseele, ein Bewußtmachen Seines
Gnadenlebens, ein Hineingezogenwerden in den göttlichen Lebensstrom des
Dreieinen. Zusammenfassend aber gilt: Das untrügliche Kennzeichen und das
sicherste Mittel zur Unterscheidung der Geister wird bei allen Zweifeln
immer wieder das bleiben, was der Heiland selbst angegeben hat: “An ihren
Früchten werdet ihr sie erkennen” (Mt 7,16 und 20). Neben strengem
Gehorsam, neben tiefer Demut und wahrer Selbsterkenntnis offenbarte Pater
Reus in seinem Leben eine immer größere Liebe zu Gott, eine immer größere
Liebe zum Kreuz. “Die Kreuzesgnaden täuschen nie”, sagt Fidelis Weiß, die
tiefe Mystikerin.
Äußere Erfolge, sogar
Erscheinungen und Entzückungen könn'en ein Werk des Bösen sein, aber des
“Kreuzes Christi sich rühmen”, das ist Gnadengabe Gottes. “Hast du es dahin
gebracht, daß dir die Trübsale um Christi willen willkommen sind, dann
darfst du überzeugt sein, daß es gut mit dir steht, weil du ein Paradies auf
Erden gefunden” (Nachfolge Christi II, 12). Pater Reus brannte förmlich
darnach, mit und für Christus leiden zu dürfen. Leiden und Demütigungen
erkannte er als sichere Zeichen göttlicher Huld. Freilich mußte auch er das
Widerstreben der Natur gegen das Leiden immer wieder schmerzvoll spüren; nur
durch Gebet und Opfer überwand er dieses Widerstreben.
Alle außergewöhnlichen Gnaden waren für Pater Reus ein immerwährender Anruf
Gottes,
als Ganzopfer der Liebe nur für
Gott und Seine Ehre zu leben. Es wurde ihm aber auch immer klarer, so
berichtet sein gewissenhafter Biograph Pater Baumann, daß das Erfülltsein
mit göttlichem Leben und die immerwährende Opferbereitschaft stets auch das
fruchtbarste Apostolat für die Rettung der Seelen bedeutet. “Möchte doch
mein ganzes Leben ein Apostolat sein, damit das heiligste Herz Jesu immer
mehr erkannt werde in Seiner überfließenden Barmherzigkeit gegen alle,
besonders gegen Seine Priester!” So rief der große gottliebende Pater Reus
in seiner stillen Zelle von São Leopoldo einmal aus: “Fruchtbarkeit im
Reich Gottes wird nur um den Preis eines blutenden Herzens gewährt.” -
Und sollten diese gottgewollten, erlittenen Erlebnisse nicht ein Weckruf für
unsere vom Diesseitskampf abgestumpften Seelen sein! Brauchen wir nicht mehr
Standfestigkeit gegenüber den Manipulationen so mancher veröffentlichter
Meinungen!
Zu den tiefsten mystischen Erlebnissen, deren Pater Reus gewürdigt wurde,
gehört vor allem die Feier des hl. Meßopfers als die geheimnisvolle
Erneuerung des Opfertodes Christi am Kreuz, mit dem Ausströmen Seines
Blutsegens über die ganze Erde und das ganze Fegfeuer; ja er durfte in
überwältigender Weise folgende Tatsache erfahren:
Inhaltsverzeichnis
Die hl. Messe, ein Meer von Gnaden
Der Priester, ein zweiter Christus
Pater Reus wurde gewürdigt,
das gnadenvollste Geheimnis unseres Glaubens unverhüllt mit seiner Seele zu
schauen, das heißt auf geistige, nicht sinnengebundene Weise, und zwar
volle 35 Jahre hindurch. Er durfte klar erkennen, daß die hl. Messe
das Herzstück aller Gottesverehrung ist, höchste Anbetung und Danksagung,
zugleich aber eine unerschöpfliche Quelle der Gnaden. Dieses mystische
Erleben aber hat für ihn selbst den Glauben nicht aufgehoben, sondern nur
noch mehr vertieft, noch lebendiger gemacht. Er sagte wiederholt: “Wir
sollen glauben lernen!” Demütig, hingebend, in Vertrauen glauben;
In anschaulicher und geradezu
überwältigender Weise durfte er erfahren, daß der göttliche Hohepriester im
geweihten Priester auf Erden fortlebt und fortwirkt; ja, daß Christus eins
mit dem Priester am Altar wird, daß Christus selber im Priester das hl.
Opfer feiert, die unblutige Erneuerung seines Kreuzestodes. Sehr oft sah
Pater Reus in seiner Priesterhand die lichte Hand des Heilandes. So
berichtet er am 7. Aug. 1937: “Besonders bei der hl. Wandlung sah ich wieder
die lichte Hand des göttlichen Heilandes, wie er alle Zeremonien mit mir und
in mir machte. Ich fühlte die Schwere Seines Armes in meinem Arm. Beim Pater
noster hörte ich klar, wie zwei Stimmen die gleichen Worte sprachen, nämlich
meine Stimme und die Stimme des göttlichen Heilandes. Ich will nicht
behaupten, daß ich mit den leiblichen Ohren die geheimnisvolle Stimme des
Herrn vernahm, weil ich bisher nie mit den leiblichen Sinnen etwas
derartiges wahrnahm. Aber es war gerade so, als ob ich mit den leiblichen
Ohren Ihn auch hörte. - Bei der Konsekration
des Kelches hörte ich ganz klar, wie
der liebe Heiland die Konsekrationsworte in mir und mit mir sprach,
und wie bei der Erhebung des
Kelches Seine lichten, lieben Hände in den meinen waren. Nicht nur bei der
Konsekration, auch bei einer anderen Stelle der hl. Messe nahm ich wahr, wie
der liebe Heiland dieselben Worte sprach. Und beim Segen am Schluß der hl.
Messe sah ich, wie Er mit Seiner rechten Hand das Kreuzzeichen zu
gleicher Zeit mit mir machte. Was der Priester segnet, ist ja von Gott
selbst gesegnet und geweiht. Diese bekannte Wahrheit ließ mich der Herr
wahrnehmbar sehen, um in mir das Vertrauen auf den Segen der Kirche zu
mehren” (7.7.1946).
Der Herr selbst, so bekennt Pater Reus wiederholt,
feierte mit mir die hl. Messe. Bei dieser Einheit mit Christus wies der
Pater auch hin auf den sichtbaren Beistand, den die Mutter des Erlösers ihm
öfter gewährte. Er sah, wie die liebe Muttergottes ihm nach der hl. Wandlung
die Hände auf die Schulter legte oder frei über ihn hielt, und ein andermal
berichtet er: “Ich schaute den lieben Heiland am Kreuz und zu Seiner rechten
Seite die allerseligste Jungfrau Maria, wie sie Ihm bei Seinem blutigen
Opfer nahe blieb und vertrauensvoll zu Ihm aufblickte.” Wo der göttliche
Sohn, da auch Seine Mutter; wo der Priester Christi, da ist auch Maria.
Sie erstrebt für ihn die
innigste Vereinigung mit Jesus.
Gerade beim eucharistischen
Opfer wurde dem Diener Gottes besonders klar, wie sehr der Priester die
Stelle Jesu Christi vertritt, wie er im wahren Sinn ein “zweiter Christus”
ist, Sein anderes Ich. Um 1900 offenbarte der Heiland einer Begnadeten: “Die
Priester sind mein anderes Ich, mein zweites ‘Ich-selbst`.” Papst Pius X.
war erschüttert, als er diese Worte vernahm.
Nach dem Konzilsdekret handelt
der Priester in der Person Christi und stellt durch sein Leben und Wirken
Christus dar (Konstitution über die Kirche). Zusammen mit Christus und in
Einheit mit Ihm bringt der Priester dem himmlischen Vater die höchste
Anbetung, Ehre und Liebe dar.
Was den Priester aber in
Wahrheit ganz zum Priester macht, ist die Liebe und Opfergesinnung. Darum
konnte sich Pater Reus nicht genug tun, dem Heiland immer wieder seine Liebe
zu beteuern. Ungezählte Male schließen seine Aufzeichnungen mit einem
herzinnigen: “Gib, daß ich Dich wahrhaft liebe!” Das Größte, das ein
Priester schenken kann, ist die Liebe, die restlose Hingabe seines Ichs an
seinen Herrn und Meister, die Hinopferung seines ganzen Seins.
Das reine, hl. Christusopfer,
so schrieb der Pater einmal, verlangt lilienreine Priester, wie es Jesus
selbst ist (10.7.1943), verlangt Priester, die mit Jesus mitzuopfern und
mitzusterben bereit sind. - Und demütige Priester. Pater Reus war sich jeden
Augenblick bewußt: So hoch Gott den Priester heraushebt aus dem Volk, so
tief muß sich der Priester selbst beugen.
Ihn selbst hat es jedesmal im
Innersten durchschauert, wenn er dem himmlischen Vater das kostbare Blut des
göttlichen Sohnes im hl. Opfer darbrachte. Er fühlte sich stets unwürdig
dazu. Aber wenn er in tiefster Dankbarkeit den Kelch mit dem hl. Blut in den
Händen hielt, war es ihm, als müßte die ganze Menschheit mit ihm dankend in
die Knie sinken, weil er das große Wunder der Vergegenwärtigung des
Kreuzesopfers vollziehen durfte, nicht etwa bloß eine Erinnerung an dasselbe
oder ein Symbol dafür.
Inhaltsverzeichnis
“Groß aber ist der Liebe Lohn”
Der tiefgläubige, zu allen
Opfern bereite Priester Reus durfte bei der hl. Messe nicht nur die
überwältigende Liebe der ganzen hochheiligen Dreifaltigkeit erfahren,
sondern auch die ganz persönliche Liebe einer jeden der drei göttlichen
Personen oft in unsagbarer Weise. Diese Liebe aber, so betont er
ausdrücklich, gilt jedem guten Priester, der sich ihrer nicht unwürdig
macht. Freilich ist diese Liebe nicht wahrnehmbar, sie ist aber Tatsache, so
wie sich die innerste Lebensgemeinschaft zwischen Christus und dem Priester
Reus täglich in mystischer Weise in seiner hl. Messe erneuerte. Pater Reus
war überzeugt, daß die besonderen Gunsterweise göttlicher Liebe allen
Priestern und Gläubigen zuteil werden, nur daß diese Wunder göttlicher Huld
für gewöhnlich nicht geschaut werden können.
Laßt uns hintreten zum Altar Gottes!
Wenn Pater Reus zum Beginn der
hl. Messe feierlich das Kreuzzeichen über sich machte und dabei sprach: Im
Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes, dann war das für ihn
keine bloße Formsache. Er wußte, mit diesem Kreuzzeichen beginnt die
geheimnisvolle Erneuerung des Kreuzesopfers zu Ehren der allerheiligsten
Dreifaltigkeit. So lautet sein Bericht vom 22.7.1940: “Gleich am Anfang sah
ich die hochheilige Dreifaltigkeit unmittelbar bei mir. Ich war sozusagen
in der hochheiligsten Dreifaltigkeit. Ich glaube, dies soll man dem
Priester sagen, daß er bei der hl. Messe in greifbarer Nähe der
allerheiligsten Dreifaltigkeit sei.”
Wir wollen jetzt im folgenden Pater Reus bei seiner hl. Messe kurz begleiten. Es können aber nur die
wesentlichen gleichbleibenden Texte der hl. Messe, wie sie damals gefeiert
wurde, berücksichtigt werden.
Als Pater Reus (am 25. Sept.
1941) am Schluß des Psalms “Judica” der Vorschrift gemäß beim Gloria Patri
sich anbetend verneigte, sah er plötzlich vor sich bis hinauf zum Thron der
heiligsten Dreifaltigkeit zwei Reihen von Engeln, die alle gleichzeitig mit
ihm in tiefer Ehrfurcht sich verneigten. “Eine Mahnung, mit welcher
Ehrfurcht wir diesen Lobspruch beten sollen. Ein Trost für unsere Armut, daß
die hl. Engel uns helfen, der Majestät Gottes die gebührende Ehrfurcht zu
erweisen!” “Welch stets fließende Gnadenquelle”, so schreibt er am 23. Sept.
1945, “hat doch der Priester sozusagen in jedem Wort der hl. Messe! Welch
himmlischen Reichtums beraubt er sich, wenn er nur gedankenlos alles
hersagt!”
Während er das Kyrie
betete, sah er (am 26.2.1941), wie aus dem heiligsten Herzen Jesu ein Strom
hervorquoll und sich über ihn ergoß. Das war ihm ein Zeichen, daß er durch
diesen Strom gereinigt werden solle. Wir erflehen nie vergebens das Erbarmen
Gottes.
Beim Gloria in
excelsis
sah sich Pater Reus von einem Kranz hl. Engel umgeben, die mit ihm
laut den Lobgesang beteten. Er beobachtete dabei manchmal, wie die Worte aus
seinem Mund gleich Feuerflammen sich vor Gottes Angesicht erhoben. “Dieser
Lobpreis”, so schreibt er, “macht vieles gut, was die Menschheit ohne
Unterlaß fehlt.” Weiter gesteht er: “Wenn ich den Altar küßte, sah ich,
wie ich den Kuß auf die hl. Lippen Jesu drückte” (14. 9. 1943).
“Als ich am 14. Mai 1941 bei
der Opferbereitung das “Nimm hin, o heiliger Vater...“ betete, sah ich mich
plötzlich vor dem himmlischen Vater knien. Ich hielt Ihm mit beiden Händen
mein Herz entgegen. Er beugte Sich liebevoll zu mir nieder und nahm mein
Herz mit beiden Händen entgegen. Dann legte ich die Hostie auf den Altar
nieder. Diese Güte des himmlischen Vaters machte einen solchen Eindruck auf
mich, daß ich in Tränen ausbrach und eine kleine Weile warten mußte. Der himmlische
Vater hat mir damit gezeigt, daß Ihm diese Übung, sich mit dem Brote (und
dem Weine) selbst aufzuopfern, sehr wohlgefällig sei.”
Nach dem bisher Berichteten ist es nicht zu verwundern, wenn Pater Reus
ziemlich häufig auch beim Gebet “Komm, Heiligmacher” den Hl. Geist mystisch
schauen durfte. Mit Recht bemerkt der Diener Gottes: “Man vergißt zu
leicht, daß auch dem Hl. Geist das hochheilige Opfer gebührt, das der
Heiland durch die Hand des Priesters darbringt. Mit einer unbeschreiblichen
Liebe und Innigkeit vergilt der Hl. Geist die Liebe Seines armseligen
Geschöpfes. Er ist ja die Liebe des Vaters und des Sohnes.”
Auch beim Lavabo (Händewaschen)
sah Pater Reus den lieben Hl. Geist über sich, wie Er ihm seine Reinheit
mitteilte; um diese bittet ja der Priester im Psalm gemäß dem Auftrag der
Kirche. Wohl im Zusammenhang mit seiner Lieblingsandacht zum Herzen Jesu
schaute Pater Reus an der gleichen Stelle der hl. Messe noch eine andere
Deutung: “Als ich nach der Opferung die Hände wusch, sah ich aus der hl.
Seitenwunde Jesu Wasser herausfließen, das mir die Hände und die Seele
reinigen und so Gott genehm machen sollte. Es ist immer das hl. Blut Jesu,
das uns von Sünden reinigt. Man vergißt nur zu leicht”, so fährt er fort,
“daß jede Zeremonie nicht nur Bedeutung, sondern auch himmlische Kraft
besitzt, um Priester und Volk zu heiligen.”
Als Pater Reus am 20. Sept.
1938 das Sursum corda - Erhebet die Herzen sprach, sah er sein Herz förmlich
emporfliegen. Er knüpfte daran die Erwägung: “Damit will das heiligste Herz
Jesu wohl zu verstehen geben, daß die Worte, die in der hl. Messe gesprochen
werden, auch ihre geheimnisvolle Wirkung haben.”
Das folgende “ Sanctus - Heilig, heilig, heilig” betete er wahrnehmbar mit
dem Chor der Engel,
die anbetend den Thron umstanden. Eine Vision bei den Worten: Benedictus,
qui venit - schildert Pater Reus (am 27. Mai 1940) mit folgenden Worten:
“Ich sah plötzlich über mir den göttlichen Heiland. Dann sah ich Engel. Sie
werden wohl ihren Herrn begleiten, wenn Er auf die liebeleere Welt
herabsteigt, um sich aufs neue zu opfern und bei uns zu bleiben. In
menschenleeren Kirchen beten sie Ihn an und leisten Ihm Gesellschaft, die Er
vergebens bei den Menschen sucht. Ich muß dies schreiben und zeichnen.
Beim Hanc igitur (So nimm denn,
o Herr) - berichtet der Pater am 21. Nov. 1943 - sah ich auf einmal das
heiligste Herz Jesu neben dem meinen und dann das heiligste Herz inmitten
von Licht, das auch über mein Herz ausstrahlte. Dies dauerte bis zur
Kommunion. Der Priester und der göttliche Heiland sind eins im hl. Opfer,
aber die ganze Würde und Schönheit kommt von Seinem heiligsten Herzen.”
Inhaltsverzeichnis
Das
eigentliche Wunder der göttlichen Liebe
ist bei der Eucharistiefeier die
hl. Wandlung und Kommunion. Dieses Wunder blieb für Pater Reus
unaussprechlich. Er war Tag für Tag, Jahr für Jahr durch Gottes übergroße
Gnade so davon ergriffen, daß er die letzten Jahrzehnte bei jeder Wandlung
und Kommunion in Ekstase geriet, das heißt: Seine Seele stellte für kürzere
oder längere Augenblicke sozusagen ihren Dienst im leiblichen Leben ein und
gab sich als Geist ganz dem Geiste Gottes hin, versenkte sich förmlich in
Gottes unbegreifliche, unendliche Liebe, in Sein geheimnisvolles Licht und
Leben.
Am 19. Febr. 1943 schildert er
voll Ergriffenheit sein Erstaunen so: “Schon bei der Wandlung des Brotes
sah ich aus dem Herzen des himmlischen Vaters das Jesuskind hervorgehen;
ganz besonders klar sah ich dies, als ich die Wandlungsworte über den Kelch
sprach. Es ist eine wunderbare Liebe des himmlischen Vaters, daß Er Seinen
eingeborenen Sohn zu Seinen armseligen, erdgeborenen Kindern Tag für Tag vom
Himmel durch die Hände des Priesters kommen läßt. Wie wahr ist doch, was der
Heiland sagt: “Der Vater liebt euch!” - Die Liebe Gottes zu den Menschen ist
das unbegreiflich große Geheimnis, das Größte, das es gibt. Die Allmacht
wird zur Ohnmacht am Kreuze - für uns!
Das Geheimnis der hl. Wandlung
wurde ihm noch deutlicher gezeigt am 22. Okt. 1941: “Schon vor der hl.
Wandlung war der liebe Heiland da am Kreuz, dann der himmlische Vater und
darüber der Hl. Geist, ringsum hl. Engel. Bei den Worten: “Das ist der Kelch
Meines Blutes” sah ich das hl. Blut Jesu aus Seiner hl. Seite in den
Kelch flließen, den ich in der Hand hielt.”
Am 17. Febr. 1940 erlebte er
bei der hl. Wandlung folgendes: “Sobald ich die ersten Worte über den Kelch
sprach: Hic est (= das ist) fielen Tropfen des hl. Blutes aus der hl.
Seitenwunde in meinen Kelch. Als ich fortfuhr: calix sanquinis (= der Kelch
meines Blutes) floß das Blut strömend in den Kelch hinein.
Heilige tröstliche Wahrheit!
Das Blut Christi, des Sohnes Gottes, fließt wirklich, wenn auch unter einem
Schleier verborgen, unter meiner Hand auf den Altar! Welche Gnade für mich,
daß Er den geheimnisvollen Schleier weggezogen und mir die Wirklichkeit zu
zeigen Sich gewürdigt hat!” - Die hl. Messe ist wahrhaft die Erneuerung des
Kreuzesopfers Christi! Christus hat Sich Selbst in einem einmaligen
göttlichen Liebesakt dem Vater zum Opfer gebracht - in unserem Namen und für
uns. Er erneuert diesen Liebes- und Opferakt in jeder hl. Messe! Gratias
agamus!
Mehr als einmal sah Pater Reus
bei den Wandlungsworten “Zur Vergebung der Sünden” das hl. Blut aus dem
Kelch nach allen Seiten überquellen.
Am 12. Sept. 1942 stellte Pater
Reus fest: “Bei der Erhebung der hl. Gestalten, der hl. Hostie und
des Kelches, pflege ich die Zeremonie, die an und für sich die Anbetung des
unter den Gestalten gegenwärtigen göttlichen Heilandes bezweckt, auch zu
benützen, um dem himmlischen Vater das hl. Opfer aufs neue darzubringen.
Als ich die hl. Hostie erhob, sah ich, wie zwei Hände diese aus meinen
Händen entgegennahmen. - Ebenso das hl. Blut im Kelch.”
Am 29. Sept. 1940 mußte er
schreiben und in einer Zeichnung andeuten: “Während der Wandlung des Weines
sah ich das hl. Blut hoch aufquellen, gleich einer Wassersäule und dann bei
der Erhebung über den Kelch hinaus sich auf den Altar ergießen.”
Bemerkenswert ist das
Geständnis vom 11. Aug. 1939: “Bei der Wandlung der hl. Hostie sah ich aus
ihr eine Feuerflamme ausgehen. Diese umschloß mich wie bei einer Umarmung.
Nach der zweiten Konsekration ging diese umarmende Liebesflamme von beiden
hl. Gestalten aus. Zugleich flammte auch aus meinem Herzen eine Liebesflamme
auf, die sich nach oben erhob. Dieses Geschehen sollte wohl das gemeinsame
Opfer des Priesters und des göttlichen Opferlammes bedeuten und bekräftigen.
Priester und Opfer sind eins durch die Liebe, deren Quelle das
heiligste Herz Jesu ist.”
Ganz besonderen Eindruck machte
auf den Pater folgende empfangene Gnade: “Bei der hl. Wandlung sah ich die
allerheiligste Dreifaltigkeit. Der liebe himmlische Vater hielt den
allerheiligsten, gekreuzigten Sohn in Seinen Händen. Der Hl. Geist schwebte
in der Mitte. Da dies eine bekannte (bildliche) Darstellung ist, so
mißtraute ich der Vision. Allein sie dauerte auch während der nächsten
Gebete mehr oder weniger fort... Ich sah, wie die allerheiligste
Dreifaltigkeit sich herniederließ, immer näher kommend, während ich
weiter betete, bis der gekreuzigte liebe Heiland in erreichbarer Nähe war,
dann trat Ekstase ein. - Der liebe himmlische Vater ließ es zu, daß ich den
lieben Heiland mit samt dem Kreuz umarmte und an mein Herz zog. Dann fuhr
ich weiter im Gebet.”
Zuweilen sah Pater Reus in der hl. Hostie auch das heiligste Antlitz des
Herrn.
Beim Memento für die
Verstorbenen schaute er (am 4. Aug. 1939) den lieben Heiland am Kreuz;
zugleich sah er, “wie aus der hl. Seitenwunde Sein hl. Blut in das
Fegfeuer herabfloß.” Der Pater bemerkt dazu: “Das heiligste Herz Jesu
ist die Quelle des Lichtes und Trostes für die Armen Seelen; diese Quelle
öffnet sich'in der hl. Messe in besonderer Weise, um mit Seinem Blut die
Flammen des Fegfeuers zu löschen.”
Am 30. Sept. 1941 erlebte er
bei den Worten: “Daß dieses Opfer durch die Hände des hl. Engels dargebracht
werde”, wie der hl. Erzengel Michael selbst den Opferkelch der Majestät
Gottes darbrachte und mit dem Kelch hinaufschwebte. In anderen Fällen
waren es andere Engel, die das Opfer der allerheiligsten Dreifaltigkeit
darbrachten. “Wenn die Engel”, so schreibt er am 31. Dez. 1941, “schon alle
Gebete ihrer Schutzbefohlenen der hl. Majestät Gottes darbringen, mit
welcher Freude und Ehrfurcht werden sie dann am Altar dienen, um die
Gnadenfülle des heiligsten Herzens Jesu auf die Kirche herab zubringen.”
Beim Gebet Suplices: “Demütig
bitten wir” sah Pater Reus am Pfingstfest 1944, wie der Hl. Geist in Gestalt
einer Taube das Jesuskind vor den Thron des Allerhöchsten emportrug, zuerst
begrüßt von der lieben Gottesmutter. “Eine sehr liebliche Darstellung”,
schreibt der Pater, “wie der liebe Heiland Sich durch den Hl. Geist für
Seine Kirche aufopfert, zugleich aber auch, mit welch unendlicher Liebe
gegen uns Menschen der Hl. Geist unaufhörlich bis zum Ende der Zeiten im
hochheiligen Opfer tätig ist, um das heiligste Herz Jesu immer mehr zu
verherrlichen und zugleich die Liebe des reinsten Herzens Mariä vor Augen zu
stellen.”
Bemerkenswert ist auch folgende
schlichte Feststellung vom 15. Juni 1945: “Während der Gebete nach der
Wandlung sah ich, wie jedes Wort gleich einer Liebesflamme emporflog auf den
himmlischen Vater zu. Als Seine Antwort sah ich bei den Worten: “Mit
allem Gnadensegen erfüllt zu werden” aus Seinem Herzen eine große,
breite Flamme hervorbrechen als Sinnbild der vielen Segnungen, um die wir in
diesen Gebeten flehen.”
Beim nobis quoque: “Auch uns
Sündern”, sah der Pater, wie der gekreuzigte göttliche Erlöser Seine hl.
Arme voll Güte und Erbarmen ihm entgegenstreckte, um die Verzeihung zu
gewähren (6.7.1939).
Auch durfte der Begnadete bei
der Namensnennung der Heiligen nach der Wandlung diese alle rings um die
allerheiligste Dreifaltigkeit erblicken. “Damit sollte gezeigt werden, wie
auch diese sich um unser Heil und unsere Vollkommenheit bemühen” (9.7.1941).
Die sogenannte “kleine
Erhebung” der hl. Hostie, zugleich mit dem Kelch, bildete bei den Worten:
“Alle Ehre und Verherrlichung” für ihn einen neuen Höhepunkt seiner hl.
Messe. Da pflegte sich der Pater wiederum zusammen mit dem Heiland dem
himmlischen Vater als Opfer darzubringen. Dabei sah er sich (am 3.8.1938) im
Augenblick, da er die hl. Hostie erhob, von dieser hinaufgehoben - der
heiligsten Gottheit entgegen. Körperlich aber blieb er auf dem Altar stehen.
“Das war nur ein Augenblick”, so schreibt er. “Damit gibt der liebe Heiland
offenbar zu verstehen, daß der himmlische Vater die Aufopferung Seiner
Selbst von seiten des Priesters zugleich mit dem Opfer des göttlichen Sohnes
gerne annimmt und von seinen Priestern erwartet.”
Wenn Pater Reus anschließend das Pater noster betete, kam er zuweilen schon
bei den ersten zwei Worten in Ekstase. Bei den Worten: “Gib uns heute unser
tägliches Brot”, sah er, wie der himmlische Vater Seinen Arm ausstreckte und
auf den lieben Heiland deutete, der zu Seiner Rechten saß. Das soll
bedeuten, daß er uns gleichsam das Liebste, das er hat, zur Speise gibt.
Sein eingeborener Sohn unter der Gestalt des Brotes soll unser wahres Brot
sein. Mehr als einmal wurde ihm das kundgetan. - Beim Paternoster kam es
manchmal vor, daß das Jesukind laut mitbetete oder wenigstens die Händchen
in die Höhe hielt als Zeichen der Freude.
Inhaltsverzeichnis
Der Augenblick innigster Christusvereinigung
Bei den Vorbereitungsgebeten
auf die hl. Kommunion sah Pater Reus seine Gottessehnsucht in Form von
Feuerflammen aus seinem Mund aufsteigen (19.6.1938). Sehnsucht nach Gott
kann zum Brand werden.
Bei den Worten “Domine, non sum
dignus” schaute der Pater mehr als einmal, wie der Heiland, entweder als
Gekreuzigter oder in der Gestalt des Kindes, Seine Arme nach ihm
ausstreckte. Dies gab ihm Anlaß zu der Erwägung: “Gottes Barmherzigkeit ist
unendlich groß gegen den Priester. Gerade in dem Augenblick, in dem der
Priester sich für unwürdig erklärt, den Herrn in sein Herz aufzunehmen,
findet dieser in Seiner Güte gerade dadurch das Herz so gut vorbereitet,
daß er ein wahrhaftes Verlangen hat, darin einzukehren.”
Die Wirkung des Gebetes “O
Herr, ich bin nicht würdig” durfte Pater Reus auch anschaulich vor der
Spendung der hl. Kommunion an andere erleben. “Als ich mich”, so schreibt
er, “einmal anschickte, dem Meßdiener die hl. Kommunion zu reichen, sah
ich hinter ihm den Teufel, der bei jedem ‘Domine, non sum dignus` immer
weiter zurückwich. Ein Beweis für die Kraft der Demut, die den Menschen
für den Empfang des heiligsten Sakramentes bereitet” (27. und 28. Febr.
1941).
Die hl. Kommunion selbst kam fast gewöhnlich
wie Feuer in das Herz
des Dieners Gottes und schien
es in der Glut der Liebe zu verbrennen. Gott ist ja ein Gott der Liebe,
einer glühenden Liebe. Als er sich beispielsweise am 10. April 1938 zur hl.
Kommunion anschickte, sah er aus der hl. Hostie, die er in der Hand hielt,
eine Flamme aufsteigen, die sich seinem Mund zuwandte. Dies sollte wohl - so
erklärt er - die Sehnsucht des heiligsten Herzens Jesu andeuten, sich mit
der Seele des Menschen zu vereinen. Am 3. Juli 1937 schrieb er: “Die hl.
Kommunion kam wie Feuer in mein Herz. Hat nicht der Heiland ausdrücklich
gesagt: ‘Feuer auf die Erde zu bringen, bin ich gekommen'. Ich sah aus
meinem Herzen eine Feuersäule aufsteigen und dies trotz all meiner
Armseligkeit im Tugendleben.”
In tiefer Dankbarkeit schreibt
er vom Empfang des göttlichen Blutes am 3. Juli 1939: “In dem Augenblick, in
dem ich den Kelch an meine Lippen setzte, war der Heiland am Kreuz
gegenwärtig. Ich trank das lebendige Blut aus Seiner allerheiligsten
Seitenwunde. Nur noch ein wenig von den Umrissen des Kelches war sichtbar.
Grenzenlose Güte mir und jedem Priester gegenüber, den Er an Seinen hl.
Altar zu rufen sich herab läßt.”
Am 28. Febr. 1941 erlebte Pater
Reus bei seiner hl. Kommunion, wie vom Altar aus Feuerflammen nach
rückwärts schlugen und die dort stehenden Teufel in die Flucht trieben.
Er gab dazu die Erklärung: “Das hl. Blut bewahrt den Priester vor den
Nachstellungen des Teufels und läßt ihn trotz aller Schwierigkeiten Trost
empfinden.”
Pater Reus hatte die schöne
Gewohnheit, jedesmal, wenn er die letzten Tropfen des hl. Blutes im Kelch zu
sich nahm, innerlich die Bitte zu wiederholen: “Laß mich niemals von Dir
getrennt werden!” Dabei glaubte er am 13. Nov. 1939 die Antwort des
Heilandes zu vernehmen, er werde niemals von ihm getrennt werden.
Inhaltsverzeichnis
Die Wirkung dieser Gottvereinigung
In gar vielen,
verschiedenartigen Schauungen wurde dem Diener Gottes wiederholt die Wirkung
der hl. Kommunion anschaulich gemacht: So das immer tiefere Einswerden mit
Christus, aber auch das Mitgekreuzigtsein mit Ihm, nicht zuletzt die innige
Lebensgemeinschaft mit der heiligsten Dreifaltigkeit. Vernehmen wir einige
wichtige Bekenntnisse des Paters: “Am 20. April 1941 sah ich nach dem
Empfang der hl. Kommunion den lieben Heiland ganz so in meinem Herzen, wie
ich Ihn gestern gesehen hatte, als Auferstandenen umgeben von hl. Engeln. Es
ist ja Seine Freude, bei den Menschenkindern zu sein und in ihren Herzen zu
wohnen, besonders im Herzen des Priesters.” Am 4. Sept. 1940 gesteht er:
“Wenn Gott brennendes Feuer ist, dann muß auch die hl. Kommunion brennendes
Feuer sein, das den ganzen Menschen in seiner Glut erfaßt und in sich
umwandelt zu einem Feuer, wie Gott Selbst es ist.” - Gott hat uns in der
Taufe ein Siegel aufgedrückt: Du gehörst ewig Gott. Diese Liebe erneuert Er
in jeder hl. Kommunion. Wer nicht hungert nach dem lebendigen Brot, dessen
Seele lebt ein dunkles Leben. Das absolute “Licht-Sein” der heiligsten
Eucharistie hilft auch uns “Licht werden” im Einssein mit dem Herrn in der
Gestalt des Brotes.
Auch wenn Pater Reus seinen Mitbrüdern, die nicht Priester waren, die hl. Kommunion
austeilte, sah er manchmal nach deren Empfang in ihrer Brust “ein nach allen
Seiten ausstrahlendes Licht”.
Es war nicht bei allen gleich
hell und stark, was er selbst als Folge einer mehr oder weniger guten
Vorbereitung deutete. (27.1.1938)
Am 29. März 1940 sah er sich in
der Ekstase nach der hl. Kommunion mit ausgestreckten Armen am Kreuz hängen.
Dazu erklärte er: “Ich bin mit Christus ans Kreuz geheftet. Wie der liebe
Heiland geheimnisvoller Weise in der hl. Messe ans Kreuz geheftet ist, so
auch der Priester mit Ihm.” Mit tiefer Ergriffenheit liest man wiederholt
von dieser mystischen Kreuzigung, wie sie Pater Reus nach der hl. Kommunion
erlebt. Er sah sich unter schrecklichen Qualen ans Kreuz geschlagen,
unaussprechliche Schmerzen erduldend. Er sollte eben, mit seinem göttlichen
Erlöser eins geworden, mitleiden für die Sünden der Welt. Victima amoris! -
Opfer der Liebe!
Vor dem Pfingstfest 1940
erlebte er folgendes: “Die drei göttlichen Personen kamen ganz in meine
Nähe, so daß ich ganz und gar von ihnen eingeschlossen war. Es soll wohl
heißen, daß wir durch die hl. Kommunion ganz in Gott aufgenommen,
vergöttlicht, der göttlichen Natur teilhaft gemacht werden!” - Wer kann
dieses Geheimnis in seiner Tiefe nur ein klein wenig erahnen, geschweige
denn erfassen! Wie müßten wir uns in tiefer Ehrfurcht immer wieder anbetend
vor dem in uns wohnenden dreifaltigen Gott verbeugen und Ihn aus ganzem
Herzen zu lieben versuchen! Laden wir dazu immer auch die liebe
Gottesmutter, Sankt Josef und die hl. Engel mit ein. Sie helfen anbeten, sie
helfen danken, sie helfen lieben!
Pater Reus durfte bei seiner
hl. Kommunion auch die liebe Gottesmutter und den hl. Josef schauen. So
berichtet er unter dem Datum des 19. Mai 1941: “Bei der hl. Kommunion sah
ich zuerst den lieben Heiland mit Seinem heiligsten Herzen, dann rechts und
links von Ihm die liebe Muttergottes und den hl. Josef, den ich durch innere
Offenbarung erkannte. Ich war höchlichst erstaunt über diesen himmlischen
Besuch. Er gilt wohl jedem Priester, da dieser durch die Wandlungsgewalt in
ein gewisses Verhältnis zur Hl. Familie tritt. Er ist der Muttergottes
ähnlich, insofern der Heiland durch ihn das sakramentale Leben erhält. Er
ist dem hl. Josef ähnlich, weil er den Heiland beschützen und bewahren
soll.”
Die
Bedeutung des letzten Segens
bei der hl. Messe wurde dem Diener Gottes
auf mehrfache Weise vor Augen geführt. So durfte er schauen, wie der Heiland
selbst oder die ganze heiligste Dreifaltigkeit den Segen zu gleicher Zeit
mit ihm spendeten. Einmal erlebte er es, wie das Jesuskind das Händchen
erhob und zugleich mit ihm seinen göttlichen Segen gab. Dadurch wollte der
Heiland wohl in besonderer Weise Seine Herzlichkeit und Güte zu den
Geschöpfen zum Ausdruck bringen. “Allerliebst!” So schrieb der Pater am
Schluß dieses Berichtes. - Er muß ganz hingerissen gewesen sein von der
Liebe des göttlichen Kindes. Ein andermal schildert er: “Als ich am Schluß
der hl. Messe den Segen spendete, sah ich über mir den lieben Heiland am
Kreuz, wie er gleichzeitig mit mir den Segen gab und zwar mit Seiner
heiligen vom Kreuz abgelösten Hand. Der Heiland ist nicht nur das gütige,
leidensfrohe Opferlamm, das sich von neuem hinschlachten läßt, sondern auch
der opfernde, betende und segnende Hohepriester. Was der Priester am
Altar tut, tut der Herr in ihm und mit ihm.” (21.9.1941)
Es war ein ergreifender Moment
für Pater Reus, als er einmal bei seinem Schlußsegen der hl. Messe erlebte,
wie die heiligste Dreifaltigkeit mit ihm den Segen gab und zwar über
eine unzählige Menge.
Pater Reus betont ausdrücklich:
“Der Segen der hl. Messe gilt offenbar der ganzen hl. Kirche, denn
der Priester muß den Segen geben, auch wenn er ganz allein die hl. Messe
liest.” So hat jeder Priester Segensmacht und Segenskraft über die ganze
Welt hin. Nach dem Maß seines Glaubens und Vertrauens wird dieser Segen auch
wirksam, vor allem als bannender Segen wider alle Dämonie der Zeit.
Die Danksagung des Paters nach
der hl. Messe war im Grunde nur eine Fortsetzung der Liebesglut, die er am
Altar erfahren hatte. In dieser Viertelstunde wollte der Heiland von ihm
keine Bitten, sondern nur seine fortgesetzte wortlose Beteuerung der Liebe
entgegennehmen. Dabei gestand der Pater sein ganzes Unvermögen: “Was ich Ihm
gebe, das ist alles nichts.”
Pater Reus hat sich darum oft
nach Helfern und Fürbittern für diese kostbare Viertelstunde umgesehen. Er
wandte sich vor allem an die liebe himmlische Mutter, daß sie ihm anbeten,
danken und lieben helfe. Er wandte sich an die Freunde des göttlichen
Herzens Jesu. Besonders aber vereinte er sich mit den Huldigungen und der
liebenden Anbetung der hl. Engel. So schrieb er einmal: “Ich sah zwei
Engel an meiner Seite, die mit mir den lieben Heiland in meinem Herzen
anbeteten. Es waren, wie ich glaube, zwei Seraphinen. Alle drei standen wir
in Flammen, die zusammen eine einzige große Feuerflamme bildeten. Es wird
dies wohl bedeuten, daß die hl. Engel, wenn wir sie einladen, wie ich das
immer tue, mit uns den göttlichen Heiland anbeten und ihre Liebesflamme mit
der unseren vereinen.”
Voll Seligkeit gestand er einmal: “In der Danksagung nach der hl. Messe
erfahre ich eine ans Unglaubliche grenzende Vertraulichkeit und Innigkeit...
Schon oft kam mir der Gedanke, im Himmel werde es nicht so schön sein wie am
Altar im trauten Verkehr mit Gott” (1.1.1942). - Wir beten: O Liebe Gottes,
sei du das Meer, das unsere Eigenliebe verschlingt! Sei du der Brand, der
unseren Eigenwillen in Deinem hl. Willen für immer versengt!
Inhaltsverzeichnis
DER VERTRAUTE DES EUCHARISTISCHEN HERRN
Der Tabernakel: Zentrum seines Lebens
Mit dem im Tabernakel
verborgenen Heiland verband unseren Pater eine Herzens-Freundschaft, die sich
in seinem langen Leben immer mehr vertiefte und steigerte. Für ihn war der
Tabernakel der Thron der schweigenden, grenzenlosen Liebe Jesu, der Thron
Seines göttlichen Erbarmens. Für ihn schlug in der kleinen Hostie wirklich
das lebendige, liebeglühende Herz des Herrn, das alle Menschen liebt, das
alle trösten und heilen will. Er durfte immer wieder die Lichtströme
wahrnehmen, die von dort ausgingen, die wunderbaren Kraft- und Liebesströme,
die sich von diesem Zentrum in die ganze Schöpfung ergießen. Die Eucharistie
war die Herzmitte seines Lebens.
Glücklich, wer sich dem
eucharistischen Herrn mit solch lebendigem Glauben naht, wer vor ihm tief in
die Knie sinkt und sein Herz weit auftut für Seine Liebe, für Seine
unausschöpfbare Liebe! Pater Reus tat es, tat es bereits in jungen Jahren;
bei einer nächtlichen Anbetung in der Dorfkirche zu Neuhaus erhielt
Kaplan Reus seine erste mystische Gnade: das Innewerden des göttlichen
Lebens in seiner Seele. Erst 20 Jahre später hat er diese Gnade als solche
kennen gelernt.
Vor dem
Tabernakel des Allerhöchsten
hat Pater Reus über 50 Priesterjahre hindurch,
so weit es ihm möglich war, sein Breviergebet verrichtet; dort stets auch
seinen Rosenkranz gebetet. Vom Jahr 1912 an hielt er wenigstens einmal in
der Woche nächtliche Anbetung bis Mitternacht. Für diesen gottliebenden
Priester war die Nacht ein unaussprechliches Erlebnis. Während es draußen
still und stiller wurde, sprach der im Tabernakel lebendige Herr im
Schweigen der Nacht zu seinem Freund. Von der Eucharistie geht der stärkste
Liebesanruf aus. Hier ruft der gefangene, verlassene Gott. Wer liebt, der
hört diesen geheimnisvollen Anruf Tag und Nacht, und er läßt ihm keine Ruhe.
Die Seele öffnet sich diesem Rufe im Gebet. - Die Gnade des Gebetes ist ein
herrliches Geschenk vom Himmel. Gott zwingt sie keinem auf. Die Freiheit des
menschlichen Willens ist für den Schöpfer etwas Unantastbares. Aber wenn die
Seele Ihm Antwort gibt, dann öffnet Er die Schleusen Seiner Liebe und
überströmt sie mit Seinem lebendigen Wasser. Gebet wird “höchste Tätigkeit
der höchsten Fähigkeit der Seele”. So ist es zu verstehen, daß Pater Reus
einem inneren Anruf folgend auch
tagsüber sogar jede Stunde
den eucharistischen Heiland in
der Hauskapelle besuchte, sofern es ihm nur irgendwie möglich war. Die Liebe
drängt zum Geliebten. Jesu Gefangenschaft im Tabernakel ergriff seine Seele
zutiefst. Der Tabernakel wurde zum Zentrum seines Lebens, zur Herzmitte all
seines Denkens, Redens und Handelns. - Wenn sich unsere Seele nicht öfter
dem eucharistischen Feuer nähert, bleibt sie ohne Feuer, ohne Glut. -
Nur Jesus allein wußte um die
dankbar liebende Anbetung dieses Priesters, um dessen Herzensvertrautheit
mit Ihm. Pater Reus gebrauchte nicht viele Worte dabei. Das beste Gebet
kommt aus einem liebenden Herzen und wird selber zur Liebe, zur wortlosen
Liebe, ja zur Liebesflamme.
Wohl gesteht der Begnadete in
Demut: “Oft war ich vor Müdigkeit und Schläfrigkeit zerstreut, aber
die Liebesflamme entbrannte immer von neuem.” - Sollte etwa Gott ein Herz
nicht zu einer Glut entfachen können, die niemand mehr zu löschen vermag?
Gottbegnadete Seelen bezeugten
zu allen Zeiten, daß jeden Tabernakel Engel des Himmels umstehen, die den
stillen, unscheinbaren, verborgenen Gott im Brote im Namen der ganzen
Schöpfung unaufhörlich anbeten und preisen. Zu den immer Liebenden,
immerwährend Anbetenden auf Erden gehörte Pater Reus.
Am 8, Dez. 1916 kniete er
gelegentlich eines Tabernakelbesuches wieder in Anbetung. - Im Knien macht
sich der Mensch schon äußerlich kleiner vor seinem Herrn und Gott. - Bei
dieser Besuchung wollte Pater Reus vor allem um die Abwendung einer schweren
Krankheit für die Hausinsassen beten. Er aber konnte einfach nicht bitten,
denn er glaubte ganz deutlich folgende Stimme zu vernehmen: “Ich will,
daß du einzig und allein liebst; für alles andere werde ich sorgen.” War
dieses Wort nicht die Wiederholung jener von den Menschen zu wenig bedachten
Wahrheit, die er Seinen Aposteln schon lehrte: “Sucht zuerst das Reich
Gottes und alles andere wird euch dazu gegeben werden?” Ja, sucht zuerst das
Reich Gottes, d. h. die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen und
alles andere wird euch gleichsam nachgeworfen werden. Wir verstehen darum,
wenn Pater Reus hundert und hundert Male die Bitte wiederholte: “Herr, gib,
daß ich Dich wahrhaft liebe, daß ich Dich im Werk liebe.”
Oft ist es
nur ein armseliges Stammeln,
das wir Gott im Tabernakel bringen; aber
gerade vor dem Tabernakel begegnet sich die armselige menschliche Liebe mit
der unendlichen göttlichen Liebe. Sollten nicht auch wir öfter bei unseren
Tabernakelbesuchen um eine wahre, selbstlose und durch die Tat bewährte
Liebe flehen! Diese Liebe wird zur wahren Anbetung. Das ist das Erste, was
wir Gott schuldig sind. Erst die Anbetung, dann der Dank, dann die Bitten.
Alle liebende Anbetung aber
wird zur Freude, zur unermeßlichen Freude, daß wir Gott lieben und Ihm
dienen dürfen, Ihm, dem höchsten, barmherzigsten und gütigsten Herrn. Diese
Freude entzündet vor dem Tabernakel, wird unser ganzes Tun ausfüllen, am
meisten im Alltag und in der Selbsterziehung. Diese Freude wollen wir froh
erkennen und froh bejahen. Anbetung ist das schönste und wertvollste Tun
aller Geschöpfe.
Liebende
Anbetung führt aber auch zur heiligen bewußten Sühne für alle dem
eucharistischen Herrn angetane Schmach. Im Oktober 1937 hatte Pater Reus in
einem gemeinsamen Hirtenschreiben der spanischen Bischöfe gelesen, daß ein
spanischer Kommunist aus Haß einen Revolver gegen den Tabernakel gerichtet
und dorthin abgefeuert hatte. Dazu bemerkt der Pater: “Dieses furchtbare
Sakrileg hat mich tief ergriffen. Bei der hl. Messe unmittelbar nach der hl.
Wandlung wurde das Mitleid mit dem Herrn so groß, daß ich in Tränen
ausbrach. Diese rannen so reichlich und so plötzlich, daß ich in aller Eile
das Taschentuch auf die beiden Augen drückte, um nichts davon auf das
Korporale fallen zu lassen.”
Mit großem Schmerz schrieb er
am 2. März 1940: “Wie oft wird der liebe Heiland im heiligsten Sakrament
mißhandelt, mißachtet, auch durch Seelen, die durch die Bande der
innigsten Liebe mit Ihm verbunden sind.” Wir begreifen, daß es unseren guten
Pater immerwieder zur heiligen anbetenden Sühne vor den Tabernakel drängte.
Dabei betete er nicht selten: “Jesus, ich liebe Dich mit Deinem Herzen”, um
so seiner sühnenden Liebe mehr Nachdruck zu verleihen.
Therese Neumann von
Konnersreuth, die manche Stunde der Nacht SühneAnbetung hielt, wurde einmal
gelegentlich einer solchen Sühnestunde von ihren Leidensvisionen überrascht.
Es war dies in der Hauskapelle von Theologieprofessor Dr.Wutz -
Eichstätt in der Nacht von Donnerstag auf Freitag (31. Okt. 1941). Ihr
Bruder Ferdinand, der gegen 1.30 Uhr in der Kapelle Licht sah, schaute nach
und fand sie am Boden mit Blutstropfen aus den Augen über die Wangen.
Blutstropfen hatten bereits das Gebetbuch benetzt. Ihre Anbetung in dieser
Nacht ist zur schweren Sühne geworden.
Nicht selten überkam unseren
anbetenden Pater besonders bei der
Aussetzung des
höchsten Gutes
und beim Segen mit dem Allerheiligsten eine Liebesglut. Am
Fest Maria Verkündigung 1939 schaute er abends in Ekstase, wie beim Segen
vom allerheiligsten Sakrament gewaltige Liebesflammen ausgingen, die in
die Kapelle hineinschlugen. Dabei sah er, wie sich die Liebesflammen von
oben herab auf jeden einzelnen seiner Mitbrüder, die in den Bänken knieten,
herabließen. Die Gnade Gottes ermahnte ihn hernach, dies alles
niederzuschreiben. Bekannt ist, daß auch andere begnadete Seelen, gerade bei
der feierlichen Aussetzung und beim Segen mit dem Allerheiligsten einen ganz
großen Gnadensegen geistig wahrnehmen durften.
Vielleicht ist
jemand versucht,
zu sagen: Ja, wenn ich selbst einmal den Heiland geistigerweise im Tabernakel oder beim Segnen schauen dürfte, dann würde
auch meine Andacht größer werden aber: “Selig, die nicht sehen und doch
glauben”, sagt der Herr. Gibt uns nicht der Glaube an Seine unfehlbaren
Worte eine ebenso große Gewißheit von Seiner Gegenwart, ja
eine noch viel größere als sie je eine Vision verbürgen könnte!
Entscheidend
ist unser demütiger, kindlicher Glaube an die unbedingte und unbeirrbare
Gültigkeit des lebendigen Wortes Gottes. Wir müssen erst glauben lernen, mit
ganzer Seele glauben! Kann nicht solch ein Glaube Berge versetzen? Auch
Berge unserer Herzenskälte und Gleichgültigkeit? Wenn wir erst aus ganzem
Herzen glauben, dann wird uns auch die Gnade der Liebe geschenkt werden, die
größte aller Gnaden. - Herr, laß uns hineinwachsen in die Liebe und anders
werden mit ihr - untrennbar immer mit Dir verbunden!
Wie sehr verlangt der Heiland
darnach, um Seiner unendlichen Liebe willen, von allen Menschen geliebt zu
werden! Hat Er nicht gerade deshalb die verzehrende Glut Seiner Liebe in das
Herz Seines treuen Dieners Johannes Reus gesenkt, um wenigstens aus diesem
einen Herzen etwas von jener brennenden Liebe zu empfangen - die
höchstmögliche, geschöpfliche Liebe? Du aber wisse:
Mit dem Schlüssel ‘Liebe’ kann man alle Türen aufsperren,
kann man
besonders das Herz Gottes, diesen brennenden Feuerofen der Liebe,
aufschließen. “Unendliche Liebe, die Du im Herzen Jesu wohnst, gib Dich den
Menschen zu erkennen, daß sie Dich lieben, wie Du geliebt werden willst!” So
ruft Schwester Maria Luise Margareta aus. - Das Größte ist die Liebe.
Höchste Liebe muß aber nicht immer von fühlbarer Glut begleitet sein. Jesus
empfand in den letzten Stunden am Kreuz bei der höchsten Liebe und Hingabe
an den Vater, bei der höchsten Liebe auch zu Seinen Feinden keinerlei Gefühl
der Nähe Gottes, sondern die peinlichste Gottverlassenheit. Das gleiche
erfahren wir bei vielen Heiligen: Zuweilen jahrelang kein Gefühl, kein Trost
der Gottesnähe, keine innere Glut, trotz der größten Hingabe an Gott und
trotz des Sich-Hinopferns für die Menschen. Da findet die Seele ihren
einzigen Halt und Trost im Glaub en an Gottes Wort und Verheißung. “Ich
liebe Dich, aus Lieb' allein, sollt' auch kein Höll' und Himmel sein.” -
Brüder, Schwestern! Über tausend Kreuze führt uns der Herr dem Ziele zu, das
Er für uns gewählt hat. Keiner kann sich diesen Kreuzweg aussuchen; nicht
einmal Maria konnte es. Wir müssen nur Ja sagen können zu allem, was Gott
schickt, denn es kommt aus Gottes Vaterhand, der gütig und weise ist. Er
beläßt die Seele im trockensten Alltag, in der bittersten Armut, in
Verdemütigungen und Dunkelheiten, Seine Kraft aber genügt unserer
Schwachheit.
Inhaltsverzeichnis
Und noch einmal das göttliche Herz des
Erlösers
Ein erschreckender Tatbestand
für unsere Zeit: Glaube und Liebe sind am Erkalten. Unseren Tagen blieb es
vorbehalten, von einer “Gott ist tot”-Bewegung zu sprechen, als ob der
Schöpfer alles Seins, der alles Belebende, alles Bewegende dem Vergehen
unterworfen sei. Ist es nicht, als wollte der Mensch gewordene Sohn Gottes
durch das Bild Seines flammenden Herzens an Sein Wort erinnern: “Feuer auf
die Erde zu bringen, bin Ich gekommen, was will Ich anders, als daß es
brenne!” (Lk. 12, 49). Das Herz Jesu ist der Inbegriff aller Liebe Gottes zu
den Geschöpfen.
Durch dieses göttliche Herz geht die Liebe des Vaters gleich einem
Liebesstrom zum Hl. Geist und wird durch diesen über alle Geschöpfe
ausgegossen.
Wie sehr liebte Pater Reus
dieses Feuerherz der göttlichen Liebe! Wenn er vom Herzen Jesu sprach, dann
meinte er damit immer den Heiland Selbst, das heißt die menschgewordene
Liebe in Person, die sich ganz für die Ehre des Vaters und in der Liebe des
Hl. Geistes für das Heil der Seelen verzehrte. Er wußte: Am Kreuz ließ der
unendlich liebende Sohn des Vaters
Sein Herz weit
öffnen,
damit alle, die guten Willens sind, darin Eingang finden und
heimfinden zum Vater. Ja, Pater Reus wußte: Jesus wollte durch Seine
Erscheinung gegenüber der hl. Margareta Alacoque (^
1690) die beglückende Wahrheit in Erinnerung bringen, daß Sein Herz allezeit
in Liebe zu den Seelen schlägt, ja, daß aus diesem Herzen
ununterbrochen ein Strom von Liebe und Erbarmen quillt. Freilich wurde Reus erst als
Theologe durch das Buch von Pater Noldin S. J. auf die besondere Verehrung
des Erlöserherzens aufmerksam. Vorher hatte ihm niemand davon gesprochen.
Aber bereits Weihnachten 1893 verpflichtete er sich durch ein Gelübde,
für die Verehrung des göttlichen Herzens zu arbeiten, die Wünsche des
Erlöserherzens immer mehr kennenzulernen und die Liebe dieses Herzens nach
Kräften zu erwidern besonders auch im Sinn des seelenrettenden Apostolates.
Bezeichnend ist dies: Wenn er
beim Aufstehen seinen Fuß auf den Boden setzte, war sein erstes Gebet:
“Herr, für Deine Seelen ! “ Auch während des Tages und während der Nacht
empfahl er dem Herzen Jesu die Seelen. Er selber weihte sich dem
göttlichen Herzen täglich durch besondere Gebete. Auch sein heroisches
Gelübde, in allem das Vollkommenere zu tun, brachte er dem Herzen Jesu dar.
Von den unerschöpflichen Reichtümern des Herzens Jesu erwartete er alles und
schrieb Ihm alles zu. In jeder Situation, besonders in schwerer Bedrängnis,
wiederholte er die ermunternden Worte: “Vertrau auf Ihn, der die Liebe ist,
und Er wird sorgen!” Er wußte, je mehr Leid ein Mensch trägt, um so mehr
Liebe und Kraft von oben braucht er, sonst zerbricht er. Hier sei noch
angeführt,
was Papst Johannes XXIII. in seinem “Geistlichen Tagebuch”
über die Verehrung des
heiligsten Herzens Jesu schreibt: “Mir scheint, daß mein Leben dazu bestimmt
ist, sich vor dem strahlenden Licht des Tabernakels abzuspielen und daß im
Herzen Jesu alle meine Schwierigkeiten eine Lösung finden. Ich glaube, ich
wäre bereit, mein Blut für den Triumph des Herzens Jesu hinzugeben. Mein
brennendster Wunsch ist, etwas für diese meine Liebe tun zu können. Zuweilen
läßt mich der Gedanke an meine Überheblichkeit, an meine unglaubliche
Eigenliebe und an meine Armseligkeit vor Schreck erstarren, und ich bin
bestürzt und mutlos. Doch sofort finde ich wieder Kraft in jenen Worten, die
Jesus zur seligen Margarita sprach: “Ich habe dich dazu auserwählt, das
Wunder meines Herzens zu enthüllen, weil du ein Abgrund von Unwissenheit und
Elend bist” (aus den Aufzeichnungen von Papst Johannes vor der
Priesterweihe)
Pater Reus
kündete gerne auch folgende Wahrheit:
“Sprecht von der Liebe des
heiligsten Herzeins, sprecht oft davon! Die Wirkungen der Worte wird der
liebevolle Herr schon selbst hervorbringen!”
Am 8. Jan. 1944 sah der Pater
die hl. Seitenwunde Christi ganz weit geöffnet, so daß man die Hand
hineinlegen konnte. Erklärend fügte er bei: “Die hl. Wunde (des Herrn)
ist für uns alle das Himmelstor, ist der Ort des Friedens, dies aber in
hervorragender Weise für die Armen Seelen gleichsam als einzige Quelle ihres
Trostes und ihrer Befreiung.”
Und wieder schreibt er (am 19.
Febr. 1946): “Gegen Schluß der hl. Messe sah ich, wie die Flammen des
heiligsten Herzens Jesu alles erfüllten und durchglühten. Dieses Herz ist
alles in allem.”
“Der Priester hat das Glück,
inmitten dieses Weltenbrandes von Glut und Liebe zu stehen und dies anderen
mitzuteilen.”
Ein anderes gnadenreiches
Erleben war dies: “In der Ekstase vom 27. April 1943 schaute ich das
allerheiligste Herz Jesu in großem Glanz. Auf einmal sah ich, wie der liebe
Heiland mein Herz in Sein göttliches Herz hineinlegte, und aus diesen
vereinigten Herzen schlug die Liebesflamme empor zur Verherrlichung der
göttlichen Majestät. - Es war, als wollte der Heiland auf meine beständige
Klage antworten, daß ich so gar nichts habe, um es Ihm zu geben. Sein
göttliches Herz - oder mit anderen Worten, Seine Verdienste stehen uns immer
zur Verfügung; sie ersetzen jeden Mangel unsererseits.”
Gleichsam eine Ergänzung hiezu
bildet folgende Vision des Paters: “Ich sah die allerheiligste
Dreifaltigkeit. Aus dem Herzen Jesu gingen zwei Glutströme aus. Der eine
loderte zum himmlischen Vater empor, der andere abwärts zum Altar, dem
zelebrierenden Priester entgegen. Die Bedeutung”, so schreibt der Pater
weiter, “ist klar: Aus dem Herzen Jesu wird dem lieben himmlischen Vater die
größtmögliche Verherrlichung, aber zu gleicher Zeit geht ein Strom des
Segens über die ganze Kirche hin, besonders aber auf den glücklichen
Priester zu” (12. Okt. 1941). Wo anders wird uns Priestern die hinreißende
Glut wahrer Christusliebe entzündet als in Seinem Feuerherzen! Ein
gluterfülltes, christusergriffenes Leben kann nur in der Kraft Seiner
göttlichen Liebe gelebt werden. Mehr als einmal wurde dem Diener Gottes
ausdrücklich bestätigt, wie wohlgefällig dem Heiland die besondere Verehrung
Seines Herzens sei und wie viele Gnaden davon ausgingen.
Auch das Wohlgefallen des Herrn
über die Sühne und die hl. Sühnemesse zu Ehren des Herzens Jesu wurde dem
Pater vor Augen gestellt. “Im hl. Opfer können wir”, so schreibt er
am 25. Mai 1943, “die Liebe des heiligsten Herzens
Jesu vergelten.
Daher ist die
hl. Messe die beste Herz-Jesu-Verehrung
- Die hl. Sühnekommunion”, so
fährt er fort, “ersetzt dem heiligsten Herzen alle Unehre, welche Ihm die
Sünder antun.”
Immer kann durch liebende Sühne
die Gerechtigkeit Gottes in Liebe und Barmherzigkeit umgewandelt werden.
Jedes Vertrauen, jede sühnende Hingabe trägt dazu bei.
Darum lebte Pater Reus ein
Leben des Opfers und der Sühne und vereinigte seine verborgene Sühne mit dem
unendlichen Sühnopfer Jesu Christi. An der Größe des Opfers Christi erkannte
er die Größe der Schuld der Menschen.
So empfing der Diener Gottes
immer neue Erkenntnisse und Gnaden aus dem göttlichen Herzen. Waren sie
nicht die Antwort der göttlichen Freigebigkeit auf seinen unerschütterlichen
Glauben an die Liebe dieses Herzens, eine Antwort auf das unbegrenzte
Vertrauen in dieses Herz und nicht zuletzt auch eine Antwort auf sein
ehrliches, liebendes Sich-Mühen, nach dem Vorbild dieses Herzens immer
reiner, demütiger und heiliger zu werden.
Nichts anderes erstrebte dieser große Bevorzugte des Herrn, als daß sein Leben ein glühendes, weltweites Apostolat werde mit dem Ziel, daß das
heiligste Herz Jesu in Seiner überfließenden Barmherzigkeit gegenüber allen
immer mehr erkannt werde.
Inhaltsverzeichnis
Zarte Liebe zum göttlichen Kind von Bethlehem
Häufige Erscheinungen des Jesuskindes
Wohl zum ergreifendsten im
Leben von Pater Reus, dessen männlich herbe Art allgemein auffiel, gehört
der innige Kontakt mit dem Jesuskind. Gerade diese herzliche Verbundenheit
mit dem göttlichen Kind von Bethlehem beleuchtet das Innenleben des Dieners
Gottes, beleuchtet noch mehr, mit welch unfaßbarer Liebe Gott Sich uns
Menschen kundtut. Die hl. Hildegard sagt: “Gottes Menschwerdung ist die
größte Mitteilung Seiner Liebe. In ihr schaut der Mensch Gott ins
Angesicht.” Gerade durch das Geheimnis von Bethlehem sollten wir in
besonderer Weise zum Verständnis, ja zur Liebe des unsichtbaren Gottes
“hingerissen werden”, wie es die Weihnachtspräfation andeutet. In diesem für
den menschlichen Verstand wahrhaft unfaßbaren Geschehen von Weihnacht hat
“das Wort” des ewigen Vaters sichtbare Gestalt angenommen in einem
liebenswürdigen Kinde. Nur die Liebe Gottes kann solches ersinnen und
bewirken. Das Weihnachtsgeschehen ist ungeheuerlich; es sprengt alle Maße
und Maßstäbe, daß die menschliche Sprache dahinter zurückbleibt. Der
Himmel kommt auf die Erde. Gott Selbst unterwirft Sich allen irdischen
Lebensgesetzen, um dadurch alles Leben an Sich zu ziehen, zu erlösen, heil
zu machen und heimzuholen. Wenn wir doch mehr über dieses erschütternde Wort
nachdenken würden: “Et verbum caro factum est et habitavit in nobis. - Und
das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.” Wir würden immer
tiefer in die Knie sinken. Franz von Assisi und viele Heilige sind ob dieses
wunderbaren Geheimnisses in helles Entzücken geraten.
Schon der Gymnasiast Johann
Baptist Reus hatte eine besondere Vorliebe, Krippen zu basteln und dadurch
dem göttlichen Kind eine Herberge zu bereiten. In Bamberg besuchte der junge
Theologiestudent alle schönen Kirchenkrippen in der Bischofsstadt und legte
darein mit kindlich frommem Gemüt alle seine Anliegen.
Als Seminarist
schrieb er in sein geistliches Tagebuch folgende Bitte, die er dann 40 Jahre
später noch in seiner Lebensbeschreibung erwähnte: “Liebes göttliches Kind,
erbarme Dich meiner! Hl. Mutter des lieben Jesuskindes, bitte für mich, daß
ich reinen Herzens werde und bleibe!” Diese vertrauensvolle Liebe zum Kind
in der Krippe führte bald zu einer außerordentlichen Andacht zu dem im hl.
Sakrament gegenwärtigen Herrn. Für Pater Reus wurde
der Tabernakel die
immerwährende Krippe
von Bethlehem, vor der er gerne
anbetend kniete. Gerade im heiligsten Sakrament wartet der Herr in Liebe auf
die Anbetung Seiner Geschöpfe. Vor dem Tabernakel erlebte Pater Reus häufig
die mystische Nähe des göttlichen Kindes. Wenige Tage, nachdem er die hl.
Wundmale empfangen hatte, schaute er das Jesuskind, zunächst mehrmals auf
den Armen der lieben Mutter Maria. Aus ganzem Herzen dankte er für diese
besondere Gnade.
Am Weihnachtsfest des gleichen
Jahres 1912 bekennt er staunend: “Während der Mitternachtsmesse sah ich
Dich bei der hl. Kommunion in meinem Herzen gegenwärtig als kleines Kind.
Ich glaube, es war keine Täuschung.” Sollte das nicht eine deutliche
Veranschaulichung der Wahrheit sein, daß Jesus auch in uns lebendig sein
will und immer mehr Gestalt in uns gewinnen will. “Und wäre Christus
tausendmal in Bethlehem geboren, aber nicht in dir, so wärest du ewiglich
verloren” (Angelus Silesius). Aber eigenartig, gerade an den hohen
Weihnachtsfesttagen fühlte der begnadete Mystiker die schmerzenden. Wundmale
bei Tag und Nacht. Er aber schreibt dazu:
“Gib, daß mir nichts anderes
als Dein durchbohrtes Herz gefalle” (Weihnachten 1918). - Lieben ist Leiden,
echte Jesusliebe ist wahre Kreuzesliebe. Auch die Liebe zum göttlichen Kind
muß im Kreuze verankert sein.
Von Weihnachten 1936 an durfte
Pater Reus die liebende Gegenwart des göttlichen Kindes immer häufiger
erfahren, und zwar in einer rührenden, ergreifenden Zärtlichkeit. Er
schildert diese zärtliche Liebe des hl. Kindes in dankbarer Seligkeit:
Ich sehe
plötzlich das Jesuskind,
sehe es an mich angeschmiegt, wie auf meinem
linken Arm sitzend, das Ärmchen um meinen Hals gelegt. Das Ärmchen
fühlte ich ganz deutlich um meinen Hals. Ich wehrte mich anfangs. Umsonst!
Ein Zweifel an der Wahrheit kann nicht aufkommen.” - “Als ich auf dem Weg
zur Pfarrkirche (am 28. Dez. 1936) an der Sonnenseite ging, sah ich klar das
Jesuskind, so licht, daß es durch Sein weißes, mildes Licht die Klarheit und
den weißen Glanz des Sonnenlichtes übertraf. Die Vision des Jesuskindes
dauert auch nachts fort, wenn ich schlaflos daliege.”
Wer kann fassen, welch lichte
Schönheit aus dem Auge des Gotteskindes dem liebenden Pater
entgegenleuchtete! Wenn uns schon aus jedem unschuldigen Kindesauge Gottes
Liebe entgegenstrahlt, um wieviel mehr aus dem Auge des menschgewordenen
Sohnes Gottes! War es nicht, als ob das göttliche Kind unserem Pater immer
wieder sagen wollte: “Freue dich, freue dich in deinem Heiland, denn in der
Freude hast du doppelte Kraft!” Und doch fragt sich der gute Pater ganz
bekümmert am 23. Jan. 1937, warum der Herr Seine Gnade an ihn verschwende.
“Ich glaube zum Lobpreis Seiner herrlichen Gnade, mit der Er uns in Seinem
geliebten Sohn beschenkt hat - , da wir alle zum Lobpreis Seiner
Herrlichkeit da sind.” Alle Herrlichkeit aber ist innerlich.
An Weihnachten 1937 hatte Pater
Reus das Jesuskind nicht bei sich selbst gesehen, wohl aber einmal (am 22.
Dezember) in den Seelen anderer, als er beichthörte. Da sah er “in
einer Anzahl der Beichtenden das Jesuskind, manchmal in strahlender
Schönheit.” Welch köstliche Frucht einer guten Beichte: Jesus im strahlenden
Licht in unserer Seele!
Meist erlebte Pater Reus die Gegenwart des göttlichen Kindes im Zusammenhang
mit der hl. Liturgie,
so am 4. Adventssonntag 1938
beim Introitus: Tauet Himmel den Gerechten! Da schaute er “sehr lebhaft das
Jesuskind in der Höhe, gerade als ob es, dem Ruf der hl. Kirche freudig
Folge leistend, herabschweben wolle.”
Beim Kommunionlied des
Quatemberfreitags vor Weihnachten 1940: “Seht, der Herr wird kommen, und
alle Seine Heiligen mit Ihm; an jenem Tag strahlt ein großes Licht”, da
schaute der Pater das Jesuskind in großem Glanz, vor Ihm die Muttergottes,
rings herum im weiten Kreis die Heiligen und in der Nähe der lieben;
Muttergottes auch hl. Engel.” Dazu bemerkte Pater Reus: “Auch zu Weihnachten
kommen alle Heiligen mit ihren Gnaden, die sie mit ihrer Fürbitte erlangen.
Ganz besonders aber, wenn Er als Herrscher kommt und die Gipfel der Berge
unter Seinen Schritten zusammen knicken.”
Ähnliche Gnaden wie zu
Weihnachten erfuhr Pater Reus auch im Zusammenhang mit dem Fronleichnamsfest
1941. Da sah er nach der hl. Kommunion die Muttergottes mit dem Jesuskind
auf dem Arm. Sie reichte Es herab, um Es dem glücklichen Pater zu geben.
“Ich erkannte”, so schrieb er hernach in sein Büchlein, “daß sie es war, die
mir den lieben Heiland in der hl. Kommunion gegeben hatte.” -
Die letzten Jahre seines Lebens durfte Pater Reus bei der hl. Messe
täglich das göttliche Kind schauen.
Man fragt sich unwillkürlich, was denn das Jesuskind bei der unblutigen
Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers zu tun habe. Soll damit nicht zum
Ausdruck gebracht werden, daß das innerste Geheimnis der Menschwerdung
bereits Hinopferung gewesen, die unblutige, aber vollständige und
immerwährende Hinopferung des Gottessohnes für die Ehre Seines Vaters im
Himmel und für das Heil der Brüder und Schwestern auf Erden?
Kranke klagen zuweilen:
“Jesus hat doch nur einen Tag
gelitten; mein Leiden dauert schon 3, 5, 40 Jahre... !” - Nein, das Leiden
des Herrn dauerte 33 Jahre. Der hl. Kardinal Bellarmin, die große hl.
Theresia und andere große Theologen belehren uns: Vom ersten Augenblick
Seiner Empfängnis an hatte Jesus eine vollkommene Erkenntnis und Empfindung
Seines ganzen heiligsten Leidens und Sterbens. Denn Jesus erkannte vom
ersten Augenblick Seines Lebens an die Sündenschuld der ganzen Welt und
aller Zeiten und die ganze Last der Sühne, die die göttliche Gerechtigkeit
dafür fordern mußte. Hätte die göttliche Vorsehung das Herz Jesu nicht
fortwährend gestärkt, so hätte es in dem Augenblick, da Es zu schlagen
anfing, auch schon zermalmt werden müssen unter der Größe des Schmerzes, den
Es zu ertragen hatte. Das gleiche sagt offenbar das Bild vom göttlichen
Herzen, wie es die hl. Margareta Maria Alacoque schauen durfte: Das
göttliche Herz von einer Dornenkrone umgeben, vom Kreuz überragt, verwundet
und von Flammen der Liebe und des Schmerzes umhüllt. In Seinem Herzen, das
heißt in Seinem Innersten verborgen, trägt Jesus Seine ganze Passion durch
Sein ganzes Leben. So hatte der Erlöser nie eine Stunde, da Ihm “wohl” sein
konnte. “Jesus aber schwieg”, heißt es in der Passion öfter, das gilt noch
mehr von der großen Passion Seines ganzen Lebens. Das Morgengebet Seines
Lebens war dies: “Vater, einen Leib hast Du Mir gegeben, siehe, Ich komme
Deinen hl. Willen zu vollbringen!” Das war das “Ja, Vater!” zu Seiner
wirklich lebenslänglichen Passion. Wahr ist: Kein Kranker, kein Sträfling
und kein Martyrer hat je so schwer gelitten wie der, “der alle unsere
Sünden und Gebrechen auf Sich genommen hat.”
Hingebenste Liebe ist von
Anfang an die Grundhaltung des Kindes von Bethlehem, die Liebe totalen,
selbstlosen Hinopferns. Pater Reus durfte gleichsam den Herzschlag dieses
Opferkindes spüren und die flammenden Liebesgluten aus diesem Herzen
gewahren. So sah er am 24. Dez. 1942 in Ekstase nach der hl. Kommunion das
Jesuskind in seinem Herzen, “wie Es ruhte zwischen den Liebesflammen, die Es
in Seinem eigenen Herzen entzündet hatte.” Von Weihnachten 1942 bis zum 11.
Jan. 1943 schaute er mehrere Male das Jesuskind in der hl. Hostie. Dazu
machte er die beachtenswerte Feststellung: “Wir haben aber einen festeren
Beweis der Gegenwart des Jesuskindes als die Wahrnehmung. Das ist Sein
göttliches Wort: “Hoc est enim corpus meum. - Das ist mein Leib.”
Besonders nach seinem goldenen
Priesterjubiläum (30. Juli 1943) wurde der Jubilar durch die Schau des
göttlichen Kindes immer wieder beglückt und zugleich, wie er selbst sagte,
beschämt.
Man hat unwillkürlich den
Eindruck, daß die häufige Begegnung mit dem Jesuskind zusammenhing sowohl
mit dem Geist des vollkommenen Kindseins vor Gott, den sich Pater Reus
errungen hatte, als schließlich auch mit einer gewissen Kindlichkeit seines
ganzen Wesens.
Das demütige, kleine, verkannte
Kind von Bethlehem war ihm gleichsam der Lehrmeister, um den Weg des
Kleinen, Verborgenen zu gehen. Dies hat ihn wohl ein jahrelanges Mühen und
Ringen gekostet. “Das Kindliche ist das Höchste in der Welt”, sagt
Julius Langbehn, und der Herr selbst fordert: “Wenn ihr nicht werdet wie die
Kinder, könnt ihr nicht eingehen in das Himmelreich!”
Auf jeden Fall wurde unserem
Pater nach seinen eigenen Aufzeichnungen vom August 1943 bis zum Jahr 1947,
seinem Todesjahr, die vertraute Liebe des Ewigen Hohenpriesters, besonders
auch die Liebenswürdigkeit des göttlichen Kindes täglich neu gezeigt und
bewiesen. In geradezu überwältigender Huld ist ihm “die Güte und
Menschenfreundlichkeit unseres Gottes” erschienen. Dabei bewahrte der Pater
selbst stets eine große Vorsicht, um nicht das Opfer einer Täuschung zu
werden. Manchmal schien es ihm, als wollte das hl. Kind ihm mahnend sagen:
“Warum
leistest du einen solchen Widerstand?”
Er selbst aber bekennt: “So
lieb mir diese Visionen sind, so tief verdemütigen sie mich. Ich muß mir
sagen: Dessen bin ich nun einmal nicht wert” (9. Aug. 1943). Ein anderes Mal
das folgende Geständnis: “Wieder hatte ich die liebliche Vision des
Jesuskindes, das mir zulächelte und nach dem Gebet “Corpus Domini... Der
Leib des Herrn” die Ärmchen nach mir ausstreckte. Wenn es nicht so wäre,
würde ich über eine derartige Vision mit Spott und Hohn hinweggehen; so
wenig Verdienst von meiner Seite läßt sich entdecken. In dieser Gnade zeigt
sich so recht der große Abgrund des liebenden göttlichen Herzens” (5. Aug.
1943).
Für den demütigen Pater waren
alle jene Hulderweise des Kindes von Bethlehem Ausdruck der unermeßlichen
Erbarmung und Güte des Erlöserherzens für Sein Geschöpf, ja, für all die
Seinen. So, wenn er zum Beispiel am 20. Okt. 1943, beim Schlußsegen der hl.
Messe folgendes erlebte: “Als ich mich zum Segen umwandte und das Zeichen
des hl. Kreuzes machte, sah ich, wie das Jesuskind das Händchen erhob und zu
gleicher Zeit mit mir Seinen göttlichen Segen spendete. Allerliebst!” Und er
fährt fort: “Damit wollte der liebe Heiland nicht nur die Tatsache zu
erkennen geben, daß Er den Segen spendet, sondern auch die Herzlichkeit und
Güte, mit der Er ihn seinen Geschöpfen mitteilt.” - Welch wundersame
Strahlkraft der göttlichen Segenshand, die hier so oft sichtbar geworden!
Zuweilen wurde Pater Reus bei
den Erscheinungen des Jesuskindes auch an das Leiden erinnert, das der
Erlöser als Kind schon erfahren hat, zugleich aber auch an die liebende
Sühne, die dieses heiligste Kind erwartet. So sah er am 20. März 1945 in
Ekstase
das Jesuskind als dornengekröntes Kind
Zu beiden Seiten die
Gottesmutter und den hl. Josef, beide mit einer Dornenkrone in der Hand,
ringsum viele hl. Engel, ebenfalls mit einer Dornenkrone in der Hand. Dazu
schrieb Pater Reus die Erklärung: “Das hl. Leiden soll uns lieb und teuer
sein, ja, einer unserer liebsten Gedanken werden, besonders wenn wir daran
denken, daß der Heiland schon als Kind Sein hl. Leiden sah und trug und auch
die hl. Mutter schon mit ihrem göttlichen Kind litt.” Nur wer opferbereite
Liebe hat, kann echte Sühne schenken. So schreibt er am 23. März 1943: “Als
ich die Gebete vor der hl. Kommunion verrichtete, sah ich auf einmal, wie
das sichtbare, dornengekrönte Jesuskindchen das Ärmchen nach mir ausstreckte
und mir eine Dornenkrone auf mein Herz setzte. Auch jetzt noch, wo ich dies
schreibe, sehe ich mein Herz mit der Dornenkrone. Es soll wohl bedeuten, daß
wir in der hl. Kommunion des Leidens unseres Herrn besonders eingedenk sein
sollen.” In den nächsten Tagen erwähnte er mehrmals: “Dornenkrone noch
immer' sichtbar in meinem Herzen.”
Sehr sinnvoll ist auch eine
Erklärung, die Pater Reus am 27. April 1944 über eine Schauung des Kindes
von Bethlehem niederschrieb: “Wie ich schon früher bemerkte, erscheint das
Jesuskindchen nicht immer an der gleichen Stelle der hl. Messe, und manchmal
denk ich gar nicht an das hl. Kind, sondern an göttliche Dinge im
allgemeinen, dann plötzlich ist das Jesuskindchen vor mir, so wieder heute.
Erst als ich beim Agnus Dei die Worte sprach: Miserere mei (erbarme Dich
meiner), war das Jesuskindchen vor mir. Zugleich erhielt ich die Bedeutung
dieser Vision: Wie das Kind keinen Groll kennt, wie es alle Beleidigungen
schnell vergißt, so will auch der liebe Heiland in der hl. Kommunion gerne
verzeihen und die ganze Güte Seines heiligsten Herzens, Sein ganz
liebreiches Erbarmen uns mitteilen; Er will nicht als strenger Richter uns
entgegentreten, sondern mit der Einfalt und Arglosigkeit des Kindleins von
Bethlehem uns behandeln und beim einstigen Gericht nur Seine
Liebenswürdigkeit zeigen. Dank Seinem gütigen Herzen!”
Solange Pater Reus lebte,
blieben diese besonderen Gnaden des vertrauten Umgangs mit dem göttlichen
Kind sein treubehütetes Geheimnis. Wenigstens hat keiner seiner Mitbrüder
etwas davon erfahren.
Wenn man dieses vertraute
Verhältnis des greisen Paters zum göttlichen Kind und zu dessen heiligster
Mutter bedenkt, so wird man unwillkürlich an einen anderen hl. Jesuiten
erinnert, an
Pater Bernhardin Realino,
der am 2. Juli 1616 in Süditalien 86-jährig
gestorben ist; von ihm wird folgendes berichtet: Als er am Hl. Abend 1589
ganz verfroren aus dem Beichtstuhl in sein Zimmer kam, schaute er die
Gottesmutter mit dem Kind auf dem Arm. “Warum zitterst du?” fragte die
himmlische Mutter. “Ich zittere vor Kälte”, sagte der Pater. Dann reichte
ihm Maria ihr Kind. Pater Bernhardin umarmte Es mit aller Liebe und wollte
Es kaum mehr aus seinen Armen geben. Und als ihm die himmlische Mutter zu
verstehen gab, daß sie Es wieder haben wolle, da bat der hl. Greis mit der
Einfalt eines Kindes, daß er Es noch etwas länger behalten dürfe (Bericht
von Pater Baumann).
Inhaltsverzeichnis
Ein Beispiel aus unseren Tagen
Pfarrer Augustin Hieber
von Meratzhofen (^
4. Jan. 1968) war ein von der hl. Kindheit Jesu wunderbar ergriffener,
tiefgläubiger Priester. Wie innig liebte dieser Mann Gottes den kleinen
König in der Krippe, wie oft kniete er von Liebe entzündet vor dem
göttlichen Kinde! -
Es war in der schweren Zeit des Nationalsozialismus, als ihm, dem
bischöflichen Kommissar im Dekanat Leutkirch, 52 Schulen unterstanden.
Gerade zur Weihnachtszeit 1940 verstärkte sich der Terror der Kirchenfeinde
in erschreckender Weise. Eines Tages las man in der Zeitung, daß von Neujahr
an jeglicher Religionsunterricht in den Schulen untersagt werde und daß das
Kreuz verschwinden müsse. Da faltete nach bezeugten Berichten der Pfarrer
die Zeitung zusammen und sprach: “Verdoppeln wir das Gebet! Das Jesuskind
muß helfen. Es geht um Tausende von Kinderseelen.” Er erinnerte sich in
diesem Augenblick sicher auch an das Versprechen, das Christus der seligen
Margareta vom heiligsten Sakrament gegeben hatte: “Schöpfe aus den
Verdiensten Meiner Kindheit, und nichts wird dir verweigert werden.”
Oder an jenes andere, das vom Prager Jesuskind bekannt ist: “Je mehr ihr
Mich verehrt, um so mehr werde ich euch segnen!”
Noch am Abend ging Pfarrer
Hieber ins Gotteshaus; er kniete lange, lange vor seinem Jesuskind in der
Krippe, er bat und rang und flehte um die Seelen so vieler Kinder: “Du
Kindlein Jesus, erbarme Dich ihrer! Du bist für sie Mensch geworden, um sie
selig zu machen. Der Feind will sie Dir entreißen, aber Du bist allmächtig.
In Deine kleinen Hände lege ich ihre Seelen. In Deine Händlein lege ich auch
die Seelen der Feinde. Du kannst sie alle mit Deiner Weisheit lenken wie
Wasserbäche. Du hast Legionen von Engeln, die Dir gehorchen; schicke sie
aus, um uns alle zu retten!”
So und ähnlich rang es sich aus
seinem Herzen. Wie lange er da gekniet, wußte er nicht. Er hörte kaum, wie
der Wintersturm heulte und den Klang der Glocke, die zwölfmal schlug, nach allen Seiten trug. Auf einmal
fing das
Jesuskind zu leuchten an,
hell strahlend und schimmernd
in überirdischer Schönheit. Und der Beter, tief erschüttert, verstand die
Worte: “Es geschieht euch nichts.” Da war ihm zumute wie einem
Todgeweihten, der plötzlich wieder zum Leben zurückkehrt. “Es geschieht euch
nichts.” Das klang fort und fort in ihm wie ein himmlisches Lied. Er
glaubte, er dankte. Die Nacht ging vorüber. Und erst als die Morgenglocke
das Ave Maria verkündete, erhob sich der Begnadete und machte sich bereit
für den neuen Tag. Es mochte nun kommen, wie es wollte; sein Vertrauen blieb
unerschüttert; denn was Gott sagt, das wirkt Er augenblicklich. - Die
Nazi-Agenten kamen. Sie fanden einen Mann, der wie eine Eiche standhielt.
Und sie gingen wieder. Sie wußten nicht warum, aber jeder war besiegt. Das
Kreuz in den 52 Schulen blieb an der Wand, der Religionsunterricht wurde
weiterhin erteilt (Nach Ida Lüthold-Minder: Segenspfarrer vom Allgäu).
Wie hat doch einmal der tiefe Denker und Beter Julius Langbehn gesagt:
“Echter
Glaube ist immer Kinderglaube, ja, das Kindliche ist das Höchste in der
Welt.” Mag dies verstanden werden wie immer, Tatsache ist jedenfalls, daß im
Gotteskind von Bethlehem sich die unendliche Liebe und Güte Gottes immer
aufs neue ergreifend offenbart - aller Veräußerlichung des Weihnachtsfestes,
allem Geschäftsrummel und allem Aufgehen in rein irdischen Freuden zum
Trotz. Tatsache ist, daß immer das Wort der Ewigen Wahrheit gilt:
“Wer
sich klein macht wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich” (Mt
18,4). Eine Wahrheit, die man nicht mehr verstehen will, und darum der
geistige und religiöse Niedergang unserer Zeit.
Inhaltsverzeichnis
In herzlicher Weise der Mutter Christi
zugetan
Maria, seine allerliebste Mutter
Weil Pater Reus eine echte,
tiefe Liebe zu Jesus hatte, darum war er auch Seiner Mutter herzlich
zugetan. Wie könnte es anders sein! Er wußte, daß der Heiland Seiner
menschlichen Natur nach immer, auch in der Herrlichkeit, Sohn Mariens ist,
so innig mit ihr verbunden, wie es nur zwischen der liebendsten Mutter und
ihrem göttlichen Sohne möglich ist. Auf dieses innige, zarte Verhältnis
wurde der Pater auch immer wieder in seinen Schauungen hingewiesen. So sah
er einmal, wie “aus dem heiligsten Herzen Jesu Strahlen auf die reinste
Mutter fielen, gleichsam um zu bestätigen, daß sie Seine wirkliche,
allerliebste Mutter ist.”
Einmal schaute er in der
Ekstase nach der hl. Kommunion zuerst die heiligste Dreifaltigkeit und dann
die Gottesmutter, umgeben von Liebesflammen, die aus seinem eigenen Herzen
kamen. Dies war ihm eine große Beruhigung in der bangen Sorge, daß seine
Liebe zur Gottesmutter nicht groß genug sei.
“Es war mir
auch eine Bestätigung”, so schreibt er, “wie sehr der Heiland danach
verlangt, Seine geliebteste Mutter auch von uns geliebt zu wissen. Indem der
Heiland in der Vision keine Liebesglut für Sich verlangte, hat Er gezeigt,
daß Er Seine heiligste Mutter geliebt sehen will, besonders von Priestern.”
Sie ist ja mit Ihm die große
Sühnende im Heilswerk geworden, die sich ganz hinopferte. Mit ihrem Wort:
“Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort”, hat sie
sich freiwillig nicht nur zur Aufnahme des Sohnes Gottes, sondern auch zur
bereitwilligen Sühneübernahme und dadurch zum Leiden bekannt. Auch ihr Herz
ist geöffnet worden. Mutter der heiligsten Liebe!
Wie aber “Gott uns zuerst
geliebt hat” (1 Jo 4,19), noch bevor wir Ihn lieben konnten, so zeigt auch
die himmlische Mutter Maria im Leben von Pater Reus, wie sehr sie den durch
ihren Sohn erlösten Menschenkindern mit zarter Mutterliebe zuvorkommt.
Sie war es,
die dem jungen Gymnasiasten in Bamberg die Bitte ins Herz und auf die Lippen
legte: “Laß mich Dein armer Priester sein!” - obwohl er selbst damals den
Sinn dieser Worte noch gar nicht recht begreifen konnte. Sie flößte ihm dann
besonders beim Anblick der Krippendarstellungen eine große Liebe zu ihrem
göttlichen Kinde ein. Sie geleitete ihn an den Weihealtar. Sie führte den
jungen, hochherzigen Priester in die Gesellschaft Jesu. Sie ließ ihn ihre
mütterliche Liebe so sehr erfahren, daß er eine große Verehrung für die
erhabene Mutter des Herrn empfand. Wie rührend menschlich bis ins kleinste
diese Liebe der seligsten Jungfrau zu ihrem Priestersohn war, hat Pater Reus
selbst mit unverkennbarer Ergriffenheit am 5. Juli 1937 niedergeschrieben.
Er kleidete sich an diesem Morgen in der Sakristei an, um in der
Zöglingskapelle bei der Austeilung der hl. Kommunion zu helfen. Er bat
dabei, wie immer, den Heiland, Er möge ihn in Seine Reinheit kleiden, damit
er weniger unwürdig sei, die hl. Geheimnisse auszuspenden. Wörtlich
berichtet nun der Pater: “Ich hatte gerade den Chorrock angezogen, knüpfte
das Band vorne zusammen und begann die Paramente noch etwas zurechtzuzupfen,
da war plötzlich die liebe Muttergottes vor mir und half mit ihren
eigenen Händen mit. Sie tat, wie etwa eine Mutter ihrem Sohn tut, der
sich fertig angekleidet hat, und dem sie liebevoll vor ihm stehend, noch die
eine oder andere Kleinigkeit zurechtzupft. Alles war die Sache eines
Augenblicks.”
Wahrhaft, Maria ist uns viel
näher, als wir denken; sie ist auch viel menschlicher, als wir glauben. In
echt mütterlicher Art ist ihr Auge stets auch auf uns gerichtet, mehr als
irgendeine andere Mutter weiß sie um jedes Weh und um alles, was an uns
“nicht ganz in Ordnung” ist. Sie trägt all unsere großen Leiden und unsere
kleinen Wehwehs mit. Sie, die zartfühlendste aller Mütter, möchte so gerne
an uns alles in Ordnung bringen helfen, was Gottes hl. Auge stören muß, vor
allem die Unordnung der Sünde, auch der kleinsten Sünde.
Pater Reus liebte Maria, die Mutter Jesu,
besonders aber verehrte er
Mariens unbeflecktes Herz.
Dieses ist ja das Zeichen ihrer
höchsten Reinheit und Auserwählung. Schon in Rio Grande hat er bald nach
1900 das Gelübde gemacht, die Verehrung des unbefleckten Herzens Mariä zu
fördern. Er selbst hat jeden Monat wenigstens einmal die hl. Messe vom
Herzen Mariens oder die von der Unbefleckten Empfängnis gefeiert. Die Weihe
der Welt an dieses Herz, die Papst Pius XII. im Oktober 1942 vollzog, hat
den Eifer des Paters bestätigt und noch vermehrt. Die makellose
Unversehrtheit des Herzens der Gottesmutter entspringt wirklich nicht “dem
verstiegenen Urteil der Kirche”, sondern der hl. Liebe Gottes, die dieses
reinste, sündenlose Gefäß bereitet hat zur Aufnahme des göttlichen Sohnes.
Wiederholt erhielt der Diener
Gottes eine beglückende Bestätigung dafür, wie die Aufopferung der hl. Messe
zu Ehren des unbefleckten Herzens Mariä dem ganzen Himmel eine Freude ist.
So sah er am 24. Aug. 1946 beim hl. Meßopfer die Gottesmutter, wie Strahlen
aus ihrem Herzen, dann aus ihren gütigen Händen auf ihn herniederfielen.
“Ein
wunderschöner Anblick”,
so schreibt er, “war die Konsekration. Ich sah, wie
Maria mit einem unbeschreiblich freundlichen, liebevollen Wohlgefallen auf
das Jesuskindchen schaute, das für mich sichtbar in der hl. Hostie war, und
das sich zu ihrer und zur Ehre der heiligsten Dreifaltigkeit aufopferte.
Etwas später sah ich sie in ähnlicher Freude... Dank der lieben Mutter, die
mir die Gnade verschaffte und mir zeigte, wie wohlgefällig ihr die hl. Messe
zu ihrer Ehre war.”
Als er am 20. Mai 1946 wiederum
die hl. Messe zu Ehren ihres makellosen Herzens feierte, erlebte er
folgendes: “Schon zu Beginn sah ich die liebe Muttergottes mit ihrem
sichtbaren Herzen. Sie stand inmitten eines großen Glanzes. Von ihrem
unbefleckten Herzen gingen Strahlen nach allen Seiten aus und trafen
auch die vielen hl. Engel ringsum. Die Worte des Eingangsgebetes (“Laßt uns
hintreten zum Thron der Gnaden”) fanden in dieser
Flut von Licht
und Gnade
ihren Ausdruck. Das unbefleckte Herz Mariens soll die Wirkungen
der Güte, Liebe und des Erbarmens der gesamten Schöpfung mitteilen. Davon
wird wohl der Priester sein geschütteltes und gerütteltes Maß erhalten; er
ist ja das Werkzeug, dessen sie sich vor allem bedient, um die Seelen zu
retten und sie zum Urquell der Gnaden, zum heiligsten Herzen Jesu zu führen.
Am Schluß der hl. Messe gab die liebe Mutter mit mir den Segen.”
Beim hl. Opfer am 25. Nov. 1946
wiederum zu Ehren der Unbefleckten hatte der Begnadete folgende Vision: Der
göttliche Heiland mit Seinem heiligsten Herzen thronte inmitten einer Sonne,
die Er aber Seiner reinsten Mutter mitteilte. Das soll wohl die Wirkung der
hl. Messe zu Ehren der lieben Muttergottes bedeuten. - Jesus verherrlicht
nämlich durch Sein Opfer den Heiligen, zu dessen Ehre es vor dem himmlischen
Hof und zum Nutzen der Kirche dargebracht wird. Am folgenden Tag sah er am
Schluß der Muttergottes-Messe, wie aus der Sonnenglut des Heilandes diese
Feuerglut auf Seine Mutter überging und von ihr dann auf ihn selber, so daß
er von dieser Liebessonne durchstrahlt war.
“Diese Vision”, so schreibt er,
“soll bedeuten, daß die Verehrung der Unbefleckten Empfängnis ein vom
Herrn gewolltes Mittel ist, um die göttliche Liebesglut in uns in
ungeahnter Stärke zu vermehren.”
Mag auch das große Marienfest
der sündelos Empfangenen am 8. Dezember in unseren Landen* seines festlichen
Charakters entkleidet worden sein, es bleibt doch der große, feierliche
Titel dieses Tages: Hochfest der ohne Sünde empfangenen Jungfrau und
Muttergott es”. Und es bleibt Mariens einmaliger Ruhm, durch Gottes
Erwählung von jeglicher Erbschuld verschont geblieben zu sein, so daß Satan
nicht die geringste Macht über sie erhielt. Sie ist darum auch die von Gott
berufene Schlangenzertreterin; sie die Siegerin über alle offene und geheime
Dämonie. Satan haßt nichts furchtbarer als die unbefleckt empfangene
Gottesmutter. Darum seine immerwährenden Angriffe auf die Marienverehrung.
*[früher Feiertag]
Begreiflich, daß Pater Reus
eine tiefe Verehrung zum makellos empfangenen Herzen Mariens besaß. Häufiger
aber wird in seinen Aufzeichnungen die Verehrung des Mutterherzens Mariens
erwähnt. Groß ist seine Liebe zur
Mutter Gottes und Mutter der Menschen.
Als er am Fest Mariä
Verkündigung 1947 bald nach Beginn der hl. Messe die allerseligste Jungfrau
inmitten der allerheiligsten Dreifaltigkeit in strahlender Schönheit
schaute, schrieb er hernach in sein Tagebuch: “Damit soll wohl angedeutet
werden, zu welch hoher Würde sie durch das Geheimnis des heutigen Festes der
Verkündigung erhoben wurde.”
Daß Maria auch seine Mutter
sei, das wurde dem Diener Gottes am Fest Mariä Geburt 1946 sehr
eindrucksvoll bedeutet: “In der Ekstase sah ich Maria als Kind, umgeben von
einem engeren Kranz von Engeln vor dem Thron der allerheiligsten
Dreifaltigkeit; ringsherum war ein weiterer Kreis von Himmelsfürsten. Ich
vernahm die Worte: Eure Mutter! Dann sah ich, wie der himmlische Vater auf
dieses hl. Kind deutete
mit den Worten:
Deine Mutter!
Desgleichen deutete Jesus auf
Maria mit den Worten: Deine Mutter! Auch der Hl. Geist sagte mir: Deine
Mutter! Ebenfalls nach der hl. Wandlung riefen die Engel: Deine Mutter! Als
ich am Schluß der hl. Messe die Worte sprach: Ave Maria, trat Ekstase ein.
Ich sah, wie das Kind Maria seine eigene Lilie mir darreichte, die ich mit
beiden Händen annahm und an mich zog. - “O liebste Mutter, wie soll ich dir
deine Liebe vergelten!”
Brüder! Schwestern! Welch
unsagbarer Trost: Maria unser aller Mutter!
Dadurch, daß sie die Mutter des
Sohnes Gottes geworden, ist sie geistig die Mutter aller Menschen geworden.
Am Kreuz hat der Heiland diese Wahrheit wie in einem feierlichen Testament
bestätigt. Sterbend sprach er: “Sieh da, deine Mutter! - Sieh da, deinen
Sohn!” Johannes, der getreue Jünger, durfte stellvertretend für alle
Menschen stehen. Müßten wir nicht auf die Knie fallen und freudig bekennen:
Herr und Gott, wir danken Dir, daß Du Deine Mutter auch uns zur Mutter
gegeben, zur Mutter des Heiles, für Zeit und Ewigkeit!
Begreiflich, daß unser Pater
manchmal erschüttert war, wie die Menschen diese gute himmlische Mutter
verleugnen, wie sie oft wenig Dank und Liebe für sie übrig haben. Er selber
weinte am 4. Febr. 1940 anläßlich einer Betrachtung “bittere Tränen über
alles Leid, das er durch seine Untreue und Lieblosigkeit ihrem liebenden
Mutterherzen zugefügt hatte.” Da geschah nach seinem Bericht folgendes:
“Auf einmal erschien sie hoch über mir
und streckte mir beide Arme entgegen,
offenbar als Zeichen ihrer
Liebe. Damit nicht genug, kam sie immer tiefer zu mir herab bis in meine
unmittelbare Nähe und reichte mir die linke Hand zum Kuß. Es ist ein
offenbares Zeichen ihrer Liebe, auch das einzige, das sie einem Priester
geben konnte, zartfühlend wie sie ist.”
Am 1. Okt. 1941 hatte Pater
Reus folgendes beglückende Erlebnis: “Als ich beim Salve Regina zu den
Worten gekommen war: ‘Nach diesem Elend zeige uns Jesus', konnte ich nicht
mehr weiter. Ich sah die Muttergottes, wie sie mir mit beiden Händen das
Jesuskind zeigte. Ringsum hl. Engel, der Hofstaat der Königin und ihres
königlichen Kindes. So hat sie also nicht gewartet, bis ich einst vor ihr
erscheinen werde, um mir ihr göttliches Kind zu zeigen, sondern wollte mir
diese Freude jetzt schon gewähren. Womit ich diese Huld verdient haben soll,
ist mir ein Rätsel. Jedenfalls bin ich ihr von Herzen dankbar. Ich muß dies
zeichnen und schreiben, auch um der lieben Mutter willen, damit man erkennt,
wie gut sie gegen die Sünder ist.” - Ja, so fügen wir jetzt nach seinem Tod
hinzu, damit viele, viele, die dies einmal lesen, erkennen, wie gut Maria zu
allen, allen ist, wenn sie nur vertrauensvoll zu ihr kommen.
Ohne diese gütige Mutter kann
man sich Pater Reus gar nicht denken. Mit zum Schönsten, was er rückblickend
auf sein langes Leben und auf 50 Jahre Priestertum niedergeschrieben hat, gehört folgendes Bekenntnis über
Maria, die Mittlerin aller Gnaden
‘Die liebe Muttergottes ist es,
die mir alles gegeben hat.
Ich komme mir vor wie eines der
Heiligtümer der allerseligsten Jungfrau, dessen Wände mit Votivtafeln
bedeckt sind, auf denen man immer nur liest: Maria hat geholfen... Wenn ich
trotz meiner Unwürdigkeit die Ehre des Priestertums erhielt, so verdanke ich
es der Mutter, die ihr göttliches Kind mir in die Arme gelegt. Wenn ich das
Kleid der Gesellschaft Jesu trage, so verdanke ich es Maria. Sie hat
geholfen. Bei jedem guten Gedanken, bei jedem Willensentschluß, bei jedem
Akt der Liebe war und ist sie es, die dies ermöglichte: Maria hat geholfen.
Man lese von innen und man lese von außen, an Leib und Seele, überall steht:
Maria hat geholfen... Diese Inschrift wird bleiben durch die ganze Ewigkeit
zu ihrer Ehre und zur Freude des heiligsten Herzens Jesu, zu dem mich Maria
geführt hat. Sie hat geholfen. Unzählige Mal am Tag schwebt mir ihr heiliger
Name auf den Lippen. Möge sie mich heilig machen” (Gekürzt nach dem Eintrag
vom 31. Mai 1943).
Diese seine feste Überzeugung gründete sich auf so manche persönliche
Erfahrungen,die er gemacht hatte. Bei der
oben erwähnten Hilfe der Gottesmutter beim Ankleiden in der Sakristei hatte
er den Heiland gebeten, “und es kam Maria und gewährte die Gnade, indem sie
selbst Hand anlegte”. Auch die von ihm geleitete Schwester Antonia Cony
hatte den Heiland um eine besondere Gnade für eine Mitschwester und Oberin
gebeten, und es war ihr dann nicht der Heiland, sondern die Gottesmutter am
29. Okt. 1935 erschienen und hatte ihr erklärt: “Sage jener Schwester, daß
ihre Wünsche von Gott erfüllt werden und sage ihr auch, daß ich die
Mittlerin aller Gnaden bin.” Dies teilte der Pater in einem Brief auch
dem päpstlichen Nuntius und dann dem Bischof von Santa Maria mit.
Immer wieder wurde unserem
Pater Mariens Stellung im Heilsplan Gottes als Mittlerin aller Gnaden
veranschaulicht. So schreibt er zum Beispiel von seiner Vision am 15. Aug.
1943: “Ich sah (bei der hl. Messe) die allerheiligste Dreifaltigkeit; vor
ihr die liebe Muttergottes, die das Kindchen auf ihren Händen trug und der
hochheiligsten Majestät Gottes aufopferte. Durch ihre Fürbitte und ihre
Würde als wahre Mutter des eingeborenen Sohnes Gottes hilft sie, daß wir des
ganzen Segens des hl. Meßopfers teilhaft werden. Der Lieblingstochter des
himmlischen Vaters und der Mutter Seines vielgeliebten Sohnes wird nichts
abgeschlagen, was sie nach dem Willen Gottes erbittet.” Am 22. Jan. 1946
hatte er
folgende wunderbare Schauung:
“Vor der hl. Wandlung sah ich
die liebe Mutter mit ihrem unbefleckten Herzen vor dem Thron der
allerheiligsten Dreifaltigkeit. Der himmlische Vater zeigte auf sie, ebenso
der liebe Heiland. Der Hl. Geist tat das gleiche, indem Er Seine Strahlen
auf sie und nur auf sie fallen ließ. Von ihrem hl. Herzen fielen Strahlen
auf mich. Damit ist offenkundig angedeutet, daß die allerheiligsten drei
göttlichen Personen die Verehrung des unbefleckten Herzens Mariä verlangen,
und daß aus diesem Herzen die Gnaden fließen, zunächst auf den Priester und
dann auf alle, für die der Priester am Altar steht. Das wären die Wünsche,
die in Fatima ihren Ausdruck erhielten.”
Schon Bernardin von Siena (^
20.5.1444) hat diese Wahrheit in die kurzen Sätze gefaßt: “Alle Gnaden,
die man auf dieser Welt erlangt, haben folgende dreifache Abstufung: von
Gott zu Christus, von Christus zur seligsten Jungfrau und von der reinsten
Jungfrau auf uns!”
Maria ist die Schatzkammer Gottes
Sie ist die Schatzmeisterin
Seiner Gnaden, ihre freigebige Spenderin. Wie Christus schon im Mutterschoß
Sich ihrer Hilfe bediente, um Sein messianisches Werk mit der Heiligung des
Johannes zu beginnen, und wie Er als Kind Sich durch die Hände der Mutter im
Tempel aufopfern ließ, so hat Er auch Seine ganze Erlösertätigkeit in der
Weise fortgesetzt, daß Er Seine Mutter daran teilnehmen ließ und, gleichsam
in ihrem Herzen wohnend und von ihren Händen getragen, tätig war (Scheeben,
Die bräutliche Gottesmutter).
Maria ist die Vermittlerin
aller Gnaden; das bestätigt das Leben der Heiligen, das glaubt das
katholische Volk, das verkündet der Stellvertreter Christi. Papst Pius X.
begründet diese Tatsache: “Infolge der Teilnahme Mariens an den Leiden und
Bedrängnissen des Sohnes ist der hehren Jungfrau das Vorrecht geworden, daß
sie bei ihrem eingeborenen Sohne die mächtige Mittlerin und Versöhnerin der
ganzen Welt ist. Weil Maria alle an Heiligkeit und inniger Vereinigung mit
Christus übertriff und von Ihm selbst in den ganzen Vollzug Seines
Erlösungswerkes hineingenommen wurde, in der Absicht, daß sie an uns
vermittle, was Er Selbst von Rechts wegen verdient hat, so ist und bleibt
sie die vornehmste Mitwirkerin bei der Gnadenverteilung. Er sitzt zur
Rechten der Majestät Gottes im Himmel. Maria aber steht als Königin zu
Seiner Rechten als die bewährte Schützerin und zuverlässige Helferin aller
Gefährdeten” (hl. Pius X., Ad diem illum laetissimum).
In überzeugender Weise hat Pater Reus, der hochbegnadete, aber allzeit
demütige Priester dies
erfahren dürfen: Der tiefste Gnadenquell ist und bleibt das göttliche
Erlöserherz; der Kanal aber, in dem uns die Gnaden zufließen, ist Maria.
Immer steht sie dort, wo der Herr, ihr vielgeliebter Sohn, helfen und heilen
will. Es kommt nur auf unser Vertrauen an. Wir müssen nicht nur trauen, nein
vertrauen! Darin liegt etwas Totales. Ohne Vertrauen gelingt das Leben
nicht.
Inhaltsverzeichnis
Das Vertrauen
ist eine Großmacht
Erst recht, wenn wir unser Vertrauen mit dem der himmlischen Mutter
verbinden. Ihr Vertrauen stellt das Höchstmaß aller irdischen Macht dar.
Gehen wir zur Mutter und mit der Mutter zu ihrem göttlichen Sohne! “Es ist
noch nie gehört worden, daß jemand, der zu ihr seine Zuflucht nahm, von ihr
verlassen worden sei.” Das ist das Zeugnis von fast zwei Jahrtausenden und
das ist das Zeugnis aller Heiligen im Himmel. Das bekundet immer und immer
wieder unser lieber Pater Reus. Er hat ihr den Platz zuerkannt, der ihr als
Mutter des Sohnes Gottes und als Mutter aller Menschen zukommt.
Seine Freunde: die übrigen Heiligen
Man spürt, daß dieser Priester
ein lebendiges Verhältnis zu allen Heiligen hatte, daß er wirklich
einzudringen verstand in das Geheimnis ihrer Gottverbundenheit. Er hätte es
wohl nie begriffen und auch nicht verwinden können, daß man heute vielfach
die Heiligen aus unseren Gotteshäusern entfernt, sie, die Leuchten und
Vorbilder, die Christus am hellsten wiederstrahlen. Der Mann mit dem
scharfen Verstand war
ebenso der Mann mit dem tiefen Gemüt. Deshalb konnte er alle Heiligen, auch
die “kleinen” so gut verstehen und hochschätzen. Er hat ihr Leben in ihren
Biographien studiert, aber seine Hochschätzung für sie entsprang nicht nur
eigenem Studium, sondern war vom Hl. Geist durchstrahlt. Ja, im Hl. Geist
war er den Heiligen verbunden. In Seiner Führung durfte er die Nähe so
mancher Heiliger mystisch erfahren, durfte trauten Umgang mit den
Himmelsbewohnern haben.
Am häufigsten ist in seinen Aufzeichnungen
nach der Mutter Gottes der hl.
Josef erwähnt.
Ihn hat er mit kindlicher
Dankbarkeit geradezu “Vater” genannt und auch täglich voll Vertrauen
angerufen; ebenso seinen hl. Ordensvater, Sankt Ignatius. Am Josefsfest, am
19. März 1946, bekannte er: “Meine Verehrung für den hl. Nährvater Jesu ist
keine geringe. Oft und oft spreche ich seinen hl. Namen bei meinen
unablässigen Stoßgebeten: ‘Jesus, Maria, Josef'. Jeden Abend rufe ich ihn,
wie ich es schon im Vaterhaus gelernt habe. Jeden Mittwoch opfere ich die
hl. Kommunion zu seiner Ehre auf. Entschieden trat ich dafür ein, daß sein
Schutzfest feierlich begangen wurde. In dem von mir verfaßten Gebetbuch nahm
ich mehrere Gebete zu seiner Ehre auf.”
An diesem Sankt-Josefsfest 1946
durfte Pater Reus eine besonders eindrucksvolle Gnade erleben: “Schon im
ersten Teil der hl. Messe sah ich”, so berichtet er, “den hl. Josef. Ich
kniete vor ihm; er umarmte mich und gab mir eine Lilie, und zwar
seine eigene. Neben uns, beiden stand die seligste Jungfrau; auf der anderen
Seite der hl. Vater Ignatius, hinter uns die drei Jugendheiligen Aloisius,
Johannes Berchmans und Stanislaus Kostka, alle mit Lilien in den Händen;
ringsum viele hl. Engel, alle trugen Lilien.” - Gerade die hl. Mitbrüder der
vom hl. Ignatius gegründeten Gesellschaft Jesu durfte Pater Reus wiederholt
in seinen Visionen schauen. Mehrmals legte ihm der Ordensvater seine Hände
aufs Haupt. Den großen Ostasien-Missionar, Franz Xaver S. J., schaute er
verschiedene Male “inmitten großen Glanzes”, ebenso die unermüdlichen
Apostel des Herzens Jesu: Pater Claudius de la Colombière und Pater Hoyos,
sowie die Botin Seiner göttlichen Liebe, Margareta Maria Alacoque.
Auch die
Verehrung seines großen hl. Namenspatrons blieb für Pater Johannes Baptista
Reus nicht ohne besondere Wirkung. Am 24. Juni 1944 wehrte er sich zwar aus
Furcht vor Täuschung vor einer auftretenden Vision, aber dann machte ihn die
Ekstase dagegen machtlos. Er mußte gestehen: “Ich sah den hl. Johannes
den Täufer, wie er auf eine von zwei hl. Engeln gehaltene Hostie hinwies:
‘Seht, das Lamm Gottes’ - und das im Angesicht der allerheiligsten
Dreifaltigkeit und einer Engelschar.”
Wiederholt wurde ihm vom
Heiland gesagt, wie sehr die Namenspatrone und all die lieben Heiligen sich
um unser Heil und unsere Vollkommenheit mühen und wie sie beharrlich für uns
bitten.
Neben anderen Heiligen schien
vor allem Theresia von Avila die Aufgabe zu haben, den Diener Gottes in den
Zweifeln seines mystischen Weges zu beruhigen und zu führen. Gerade sie rief
er darum in seinen vielfachen Ängsten gerne um ihre Fürbitte an. Wiederholt
bat er sie, ihm die Gnade zu erlangen, daß Jesus in ihm vollende, was Er in
ihm begonnen.
Auch die kleine hl. Theresia
vom Kinde Jesu, seine Zeitgenossin, verehrte er mit großem Vertrauen. Er
hatte sogar zu ihrer Ehre ein Büchlein geschrieben, das aber nicht gedruckt
wurde. Wohl wunderte er sich über die Art der Vision, die er an ihrem Fest,
am 3. Okt. 1939, hatte. Er hatte sich nämlich den Grundsatz seines
Ordensvaters zu eigen gemacht, daß die Jesuiten ihre eigenen Heiligen an
erster Stelle verehren sollen.
Er mußte aber berichten: “Bei
der hl. Kommunion sah ich die allerheiligste Dreifaltigkeit und in ihrer
Mitte die hl. Theresia vom Kinde Jesu. Da mir dies im Augenblick
ungewöhnlich oder besser, unpassend schien, so wehrte ich mich dagegen.
Gleich darauf kam die allerseligste Jungfrau an ihre Stelle. - Der liebe
Heiland wollte mir dadurch zu erkennen geben, wie hoch Theresia im Himmel
stehe. Ebenso wollte mich die liebe Muttergottes belehren, indem sie ihr
sozusagen für heute ihren Platz angeboten hat.”
In der Selbstbiographie des Paters lesen wir auch folgendes über die 1916 im
Ruf der Heiligkeit verstorbenen italienischen Sr. Benigna Consolata: Von ihr
verlangte der Heiland, sie solle ihm Seelen retten helfen. “Aber wie soll
ich denn dies machen?” fragte sie verlegen. Kurz und bündig lautete die
Antwort: “Opfer bringen!” Dies kurze Wort prägte sich meiner Seele ein und
brachte mich zu mancherlei Opfern und Abtötungen, die ich sonst wohl
unbeachtet gelassen hätte. “Für Deine Seelen”, so lautete dann meine Losung!
- “Was könnten wir alle von den Heiligen lernen! Sie sind uns Leuchten, aber
auch kraftvolle Fürbitter beim Herrn.”
Inhaltsverzeichnis
Hohe Verehrung für die hl. Engel
Weit öfter noch als von den
Heiligen und Seligen ist in den Aufzeichnungen von Pater Reus von den hl.
Engeln die Rede, von diesen Ersterschaffenen, diesen gewaltigen Geistwesen,
die immerdar das Antlitz Gottes schauen, allzeit gegenwärtig, in
flügelschnellem Gehorsam Gottes Willen in der Schöpfung zu erfüllen und
besonders den Menschen in treuester Bruderliebe wider alle Gefahren des
Leibes und der Seele zur Seite zu stehen.
Nur ein paar wenige Berichte
seien hier angeführt: Am Schutzengelfest (2. Okt. 1944) schrieb Pater Reus:
“Als ich die letzten Gebete (nach der hl. Messe) auf der Altarstufe
verrichtete, sah ich die allerheiligste Dreifaltigkeit und vor dem lieben
Heiland meinen hl. Schutzengel, der mich offenbar dem heiligsten Herzen Jesu
empfahl, da er mit seiner Hand auf mich hindeutete. Neben ihm stand der hl.
Josef, auf der anderen Seite die liebe Muttergottes. - Jeden Tag vor der
hl. Messe bitte ich meinen Schutzengel, er möge mich mit seiner Glutliebe
durchglühen, damit wir zusammen den Heiland lieben.” Wohl keine Bitte
hilft der Engel Gottes lieber erfüllen, aber auch keine ist wichtiger und
entscheidender für unser Leben. Nur im Herzen Jesu kann unsere wahre Heimat
sein.
Am 24. März 1947 schaute der
Pater “in Gegenwart der allerheiligsten Dreifaltigkeit und vieler heiliger
Engel, den hl. Erzengel Gabriel; in seinen Armen trug er das Jesuskind,
dessen Ankunft er ja verkünden durfte. Es war die größte und wichtigste Botschaft, die
Gott je in die Schöpfung sandte, die Botschaft von der Menschwerdung Gottes.
An seiner Seite stand die glückliche Mutter Maria; das “fiat mihi - mir
geschehe nach Deinen Worten” auf ihren Lippen. Der Pater selber dankt dem
hl. Erzengel aus tiefer Seele für seine Freudenbotschaft und dafür, daß er
ihm vom göttlichen Kinde Gnaden vermittle.
Vom hl. Erzengel Raphael
berichtet der Pater am 24. Okt. 1945: “Gleich von Beginn der Messe an sah
ich den hl. Erzengel über mir schweben. So blieb es bis zur hl. Kommunion.
Nach dem Genuß des hl. Blutes sah ich, wie der hl. Erzengel eine Lilie in
der Hand hielt und zwar, wie ich erkannte, meine Lilie. Der Himmelsbote wies
dadurch auf die hl. Kommunion hin als ein Mittel, um die Lilie (die
Reinheit) zu bewahren. Wie tröstlich ist es für den Priester, dessen Lilie
gesichert ist, wenn er würdig das hl. Meßopfer darbringt.”
Wiederholt durfte Pater Reus
auch den Engelsfürsten Sankt Michael schauen. Als er am 23.Febr. 1946
die Jahresgedächtnismesse für seinen verstorbenen Vater zelebrierte, sah er,
wie schon oft, während des ganzen hl. Opfers den hl. Erzengel Michael. Er
schreibt: “Dieser Führer der Seelen stellte der göttlichen Majestät die
Seele (meines Vaters) inmitten des Lichtes dar. Es waren viele hl. Engel ringsum,
die beim Sanctus zugleich mit dem hl. Michael, ihrem Fürsten, mit lauter
Stimme den Lobgesang beteten, zu dem auch der Priester berufen ist. Deshalb
ist es seines Amtes, auch die Reinheit der Engel in sich zu verwirklichen
und die allerheiligste Dreifaltigkeit zu ehren und zu preisen.” - Anbetung ist höchster und wichtigster Dienst für Engel und Menschen. “O
Gott, gib uns die Gnade, daß Deine hl. Engel die Liebe zur Anbetung uns ins
Herz senken, damit unser Herz immer in Deinem ruhen möge!”
Mögen uns die hl. Engel, diese
machtvollen und kraftvollen Ebenbilder Gottes, stets Führer und Wegweiser
auf unserem Lebensweg sein; zugleich aber auch Schützer und Helfer wider
alle dämonischen Mächte! Je stärker die Dämonen in der Jetztzeit am Werk
sind, um so mehr möge Gott die Macht Seiner Engel kundtun und und diese
handgreiflich erfahren lassen! Als Geistwesen werden sie uns immer verborgen
bleiben. Wir können uns die Engel nur in einer für uns verständlichen und
daher gültigen Gestalt, der des Idealmenschen, des verklärten, jugendlichen
Menschen vorstellen. Einmal aber werden wir sie beglückt schauen von
Angesicht zu Angesicht.
Laß uns, o Herr, aus der Wirrnis unserer Zeit durch Deine hl. Engel
heimfinden in die Herrlichkeit und Harmonie Deines Reiches für alle
Ewigkeit! -
Inhaltsverzeichnis
DER OPFERWEG DER LIEBE GEHT ZU ENDE
Der ewigen Heimat zu
Pater Reus näherte sich dem 80.
Lebensjahr. Am 1. Jan. 1947 wandte er sich in seinem Tagebuch an den Heiland
mit den Worten: “Herr, Dank für die Gnade, daß Du mich bis zu diesem Alter
hast gelangen lassen! Dank auch für alles Leiden und alle
Unannehmlichkeiten, die mit diesem Alter verbunden sind!”
Mit körperlichen Schwächen und
Gebrechen hatte Pater Reus schon seit Jahren zu tun gehabt. Der Weg der
Liebe ist ein Weg des Leidens. Schon im Juli 1912 hatte der Arzt den Anfang
von Wassersucht festgestellt; 1920 machten ihm gleichzeitig drei Krankheiten
zu schaffen: Wassersucht, Zuckerkrankheit und Eiweißgehalt (Nieren).
Immer wieder plagte ihn zu allem ein starkes Kopfweh. Im Jahr 1921 hatte er
an einen Freund im Bamberger Domkapitel geschrieben: “Im Dienst des
göttlichen Herzens sollen alle meine Kräfte sich verzehren.” Das ist in den
letzten Jahren seines Lebens volle Wirklichkeit geworden. Neben dem
ständigen Kopfweh machten sich lästige, anhaltende Hautausschläge bemerkbar.
Da er sehr für Erkältung anfällig war, verschlimmerte sich seine Bronchitis.
Die damit verbundenen Asthmaanfälle wurden häufiger. Dazu quälten ihn
bisweilen unvorstellbare gotteslästerliche Bilder und Phantasien, wie er
sie je kaum gehabt. Eine besonders schwere Prüfung! Einmal stieg ihm sogar
nach seinem kurzen Bericht ein direkter Überdruß an den Visionen auf und
damit verbunden der geheime Wunsch, ein für allemal diese Sache los zu
werden. “Ich aber”, so schreibt er in seinem Tagebuch, “willigte natürlich
nicht in diese schreckliche Undankbarkeit gegenüber dem heiligsten Herzen
Jesu ein. Immer wieder stärkte mich in diesen harten Prüfungen das Wort
Gottes: ‘Hoffe auf Ihn und Er wird sorgen!'”
Mit großer Ergebung und
Bereitwilligkeit opferte er all diese Bedrängnisse, Schmerzen und Prüfungen
zur Sühne für die dem Herzen Jesu zugefügten Beleidigungen auf. Immer wieder
bot er sein Leben an, um die schrecklichen Beleidigungen zu sühnen, die Tag
für Tag dem Heiland angetan werden.
Nach und nach zwang ihn seine
Schwäche, bald diese, bald jene seelsorgerliche Tätigkeit aufzugeben; so
den liebgewonnen en sonntäglichen Beichtstuhl in der Pfarrkirche, die
Vorlesungen über Aszetik, die Leitung der Priesterweihe, das Amt des
außerordentlichen Beichtvaters bei den Franziskanerinnen. Sein demütiges,
kurzes Geständnis: “Es geht nicht mehr!” besagt alles. Die letzten Jahre
seines Lebens verbrachte er im neuerrichteten Christkönigskolleg am Rand der
Stadt São Leopoldo
von 1942 - 47. Am 28. März 1944 erlitt Pater Reus einen
totalen
körperlichen Zusammenbruch,
so daß er mit der hl. Ölung
versehen wurde. Wegen der Gefahr des Erbrechens konnte er die hl. Wegzehrung
nicht empfangen. Da begann er am 29.März “eine Novene zum heiligsten Herzen
Jesu und zur Sr. Antonia” (^
3. Mai 1939). Diese Schwester hatte er jahrelang als Seelenführer geleitet
und zu ihren Lebzeiten häufig für sie gebetet, “weil Jesus durch sie viele
Seelen retten wollte”. Er erklärte zu Beginn der Novene: “Wenn ich innerhalb
von fünf Tagen, also am 3. April, wieder meine an diesem Tag fällige
Liturgiestunde halten kann, so will ich dies den Verdiensten und der
Heiligkeit der Sr. Antonia zuschreiben.” - Statt besser, wurde es aber an
den zwei folgenden Tagen schlimmer. Man hielt es für unmöglich, daß er
innerhalb so kurzer Zeit die nötige Kraft dazu werde aufbringen können.
Pater Reus aber hatte ein großes Vertrauen; er verwies immer wieder auf die
Hilfe des Himmels und wirklich am 3. April las er morgens die hl. Messe
(wobei er wiederum das Jesuskind sah) und hielt am Nachmittag seine
Liturgiestunde. Mit offensichtlicher Freude stellte der Pater fest: “Die
liebe Schwester hat also geholfen.”
Im Jahr 1946 aber traten
ernstliche Herzbeschwerden ein, die ihn von da an nicht mehr losließen.
Herzbeschwerden sind schwer und verursachen immer wieder Angstzustände. Sie
wirken sehr oft drückend und lähmend auf Leib und Seele. Alle
Herzkranken werden dies bestätigen können. Pater Reus wollte den Rest seiner
Kräfte bis zur Erschöpfung im Dienst der Liebe opfern.
Als Spiritual des Hauses stand
er darum seinen Mitbrüdern bis in die letzten Wochen vor seinem Tod zur
Verfügung. Solange es irgendwie möglich war, schleppte er sich mühsam an den
Betstuhl, um Beichten zu hören. Immer noch arbeitete er für den liturgischen
Kalender (Direktorium) seiner Ordensprovinz und bereitete schon die
kommenden Jahre vor. Die liebste und wichtigste Beschäftigung aber blieb für
ihn immer die bewußte, ausdrückliche Liebe zu Gott und seine Sorge für die
Seelen.
Inhaltsverzeichnis
Seine Liebe ringt um die Seelen
Im Juli 1945 schrieb er in sein
Tagebuch: “In letzter Zeit bitte ich den lieben Heiland um viele Seelen. Ich
opfere Ihm alles auf, meine Beschwerden und Leiden, alles für Seelen. Ich
bitte Ihn immer um tausend Seelen, weil er nämlich einer Heiligen sagte: Ein
Gerechter könne für tausend Seelen Gerechtigkeit erlangen. Oft bei Tag
und bei Nacht sehe ich viele tausend Seelen in die Hölle fallen und ihre
hl. Schutzengel mit leeren Händen in den Himmel zurückkehren, weil sie ihre
Schützlinge nicht zu retten vermochten; und ich höre sozusagen die
Verzweiflungsschreie (der Verdammten). Ich füge aber immer meiner Bitte (um
tausend Seelen) bei: wenn ich ohne Vermessenheit diese Bitte stellen darf. -
Die einzige Möglichkeit, etwas zu erhalten, ist die unendliche
Freigebigkeit, Barmherzigkeit und Güte Gottes, die Güte des heiligsten
Herzens Jesu. Einen anderen Weg gibt es nicht.”
Um der unsterblichen Seelen
willen dankt er immer wieder für all seine Leiden und bittet den Heiland
“mit den zärtlichsten Ausdrücken, er möge das Kopfweh, das körperliche Elend
und die Schlaflosigkeit gnädig annehmen in Vereinigung mit Seinem Leiden und
Seinem hl. Blut für die Rettung der Seelen, die nach Tausenden und Tausenden
zugrunde gehen. - Der Heiland gab mir zu verstehen, Er werde meine Bitte um
Seelen erhören - über alle meine Erwartungen. Dank Seinem heiligsten
Herzen!”
Nur durch Leid und Liebe werden Seelen gerettet. Alles seelenrettende
Apostolat ist Kreuz, wächst und blüht im Kreuz. Der Herr will opferbereite
Apostel, keine bequemen. Kreuz und Dornenkrone gehören seit Christi
Zeiten zu jedem Priester, zu jedem Apostel. “Weniger, aber dafür heilige
Priester” - so sagte im Februar 1971 ein deutscher Bischof. Wahrhaft, ein
ernstzunehmendes Wort!
Immer neue Opfer warten auf ihn
Ein großes, schweres Leid wurde
für unseren Pater das radikale Nachlassen seiner Sehkraft. Seine Umgebung
befürchtete ein totales Erblinden. Auch er rechnete mit dieser Möglichkeit,
suchte aber gerade in dieser Lage seine vollkommene Ergebung zu bewahren. Er
schreibt: “Ich war gern bereit, auch dieses Kreuz zu den anderen hinzu noch
auf mich zu nehmen, wenn es dem heiligsten Herzen so gefiele. - Sei gegrüßt
kostbares Kreuz! - Freilich entgingen mir auch die schweren Opfer nicht, die
ich dabei zu bringen hätte: Vollständige Abhängigkeit von der
Opferwilligkeit der Mitbrüder, die mir in meiner Armseligkeit Beistand
leisten müßten, vielleicht vollständige Entbehrung der hl. Messe, wenn es
mir nicht gelänge, alle Gebete mit der gehörigen Sicherheit auswendig zu
lernen, vollständiger Verzicht auf die Instandhaltung meines Liturgiebuches;
alles nehme ich gerne aus der Hand des lieben Heilandes und Seiner hl.
Mutter. Nur Sein heiliger Wille geschehe!” Gott aber war in diesem Fall mit
der Bereitschaft zum Opfer zufrieden und ersparte seinem Diener das, was
manche befürchteten - seine Erblindung. Dafür aber blieb ihm die Taubheit
des Alters nicht erspart. Man mußte sehr laut sprechen, wenn der Pater einen
noch verstehen sollte. Trotz allem schrieb er noch im Januar 1947 dem
Geistlichen Rat Michael Schmitt in seiner Heimat Pottenstein: “Abgesehen von
Alterserscheinungen geht es mir gut. Jedenfalls bin ich
sehr glücklich mit
dem Los,
das mir durch das heiligste
Herz Jesu bereitet wurde.” Die Liebe zum Erlöserherzen lag wie ein
verklärender Schimmer über seinem erlöschenden Leben; sie war die
verzehrende Glut, sie war das Geheimnis der Kraft in den schweren Monaten
seiner Krankheit.
In der
Karwoche 1947
ließ wiederum eine große Herzschwäche den nahen Tod des
Kranken befürchten. Am Karfreitag empfing Pater Reus die hl.
Sterbesakramente. Die ganze Ordensgemeinde war dabei anwesend. Der Pater bat
mit deutlicher Stimme und mit Zeichen aufrichtiger Demut um Verzeihung für
all seine Fehler und Schwächen. Der Herr aber bot ihm noch mehr als drei
Monate lang die Gelegenheit zur leidenden Liebe. Sie ist ja die größte im
Leben. Der Kranke erlitt neben den brennenden Schmerzen der Wundmale häufig
sehr schwere Asthma-Anfälle. Einmal meinte er einem Besucher gegenüber:
“Wenn es in der Hölle auch nur Asthma gäbe, so wäre dies allein schon eine
furchtbare Qual.” Er aber litt alles mit bewundernswerter Ruhe, Gelassenheit
und innerer Heiterkeit. Nie hörte man eine Klage von ihm und niemals sah man
auch nur das geringste Zeichen von Ungeduld an ihm. Alle Besucher waren
davon tief ergriffen. So erklärt zum Beispiel ein damaliger Seminarist:
“Soeben komme ich vom Zimmer des Pater Reus. Der Anblick dieses lieben
Greises, der im Bett hustet, lächelt und von nichts anderem redet, als von
Gott, von Unserer Lieben Frau und von hl. Dingen, ist wirklich überirdisch.
Wenn ich mit ihm gesprochen habe, fühle ich mich jedesmal in weit
besserer Verfassung, um in der Tugend vorwärts zu kommen. Als ich ihn
fragte, wie es ihm gehe, erwiderte er:
“Immer näher
zum Himmel!”
Bei diesen Worten lag ein
Lächeln der Freude auf seinen Lippen, wie immer, wenn er vom Himmel sprach.
Sein damaliger Oberer, Pater
Georg Steiger S. J. machte folgende bemerkenswerte Feststellung: “Mit dem
Fortschreiten seiner Krankheit verlor Pater Reus jene Härte in seinem
Äußeren, die vorher nicht wenige von ihm fern hielt - es war nicht mehr
der gestrenge Pater Reus von früher. Jetzt leuchtete aus allem die Güte,
die Freundlichkeit, die Dankbarkeit. Sie zeigten mir den Pater in einem
anderen Licht. “Alle spürten die Ausstrahlung tiefer innerer Freude aus
seinem Innern.”
Der Verfall seiner körperlichen
Kräfte und Organe aber nahm seinen naturgemäßen, langsamen Verlauf. Am 10.
Juni 1947 machte er die letzte Eintragung in sein Tagebuch: Neben den
Hinweis auf die drei Ekstasen, die er bei jeder hl. Messe erleben durfte -
und zwar bei der hl. Wandlung, vor und nach der hl. Kommunion schrieb er die
Worte:
“Letzte hl.
Messe!”
So war es auch. Sein Mitbruder
Pater Baumann schreibt: “In seiner immerfort gelebten ‘Messe' als ‘Ganzopfer
der Liebe' war von da an auch der Verzicht auf jene schönste Stunde des
Tages inbegriffen, die er selbst einmal als ‘seinen Himmel auf Erden'
bezeichnet hatte. Er, der nur einen Wunsch kannte, den Willen des Vaters bis
zum letzten Atemzug zu erfüllen, brachte auch dieses schwerste Opfer mit
vollem Bewußtsein.” Wohl ließ in den letzten Wochen das Asthma nach, aber es
trat der Altersbrand an Händen und Füßen auf. Dieser war nicht weniger
schmerzhaft. Als er sich nach einer überstandenen Krisis am Nachmittag des
11. Juli wieder schlechter fühlte, bat er einen Pater um die hl. Absolution.
Darnach sagte er kurz: “Die Hauptsache ist geschehen!”
'Wenige Minuten nach jener
Bemerkung sah man Pater Reus sich im Bett aufsetzen und sich in Ekstase mit
ausgebreiteten Armen seitwärts wenden. Man rief den Pater Rektor. Als dieser
ins Zimmer trat, sagte Pater Reus:
Inhaltsverzeichnis
“Die Mutter
ist da”
“Gewiß, die Mutter wird Sie
holen kommen”, antwortete Pater Rektor und begann mit den Anwesenden die
Sterbegebete. Mitten während dieser Gebete sagte Pater Reus: “Jetzt ist
die ganze Hl. Familie da.” War es zu verwundern, daß jene heiligsten
Personen, die er seit vielen Jahren fast ununterbrochen in Liebe angerufen
hatte, seinen nahen Heimgang auf diese Weise ankündigen wollten. Er, der nur
einen Wunsch kannte, den Willen des himmlischen Vaters bis zum letzten
Atemzug zu erfüllen, opferte sein Sterben mit vollem Bewußtsein mit
Christus. Jeder Atemzug war ein Beten.
Gegen alle Erwartung aber ging
es dann wieder besser, doch der Kranke lehnte nach dem 11. Juli jede Medizin
ab, trank nur noch Wasser und nahm ganz wenig Nahrung. Er beichtete und
kommunizierte jeden Morgen noch mit voller Klarheit. In den allerletzten
Tagen fiel ihm das Sprechen so schwer, daß man ihn kaum mehr verstand. Am
Sonntag, 20. Juli, ging es ihm ziemlich gut. Er aß mehr und sprach ein
wenig. Am folgenden Tag, dem 21. Juli 1947, fühlte er sich wieder
unwohler und wollte nichts zu Mittag essen. Um 2 Uhr nachmittags fand ihn
der Krankenbruder sehr schwach. Als er ihm um 4 Uhr Milch bringen wollte,
merkte er, daß der Kranke nicht mehr sprechen konnte. Er fühlte ihm den Puls
und rief sofort den Pater Rektor, der im Zimmer nebenan wohnte. Es war nur
ein ganz kurzer Augenblick, bis dieser, vom Bruder begleitet, kam. Doch in
jenem Augenblick hatte der Sterbende ohne jeden Todeskampf bereits
vollendet.
Gott hatte das
große Amen gesprochen.
In jenem Augenblick war eine
lebenslange Hinopferung in liebender Vereinigung mit Christus durch die
letzte Hinopferung des Lebens vollendet und gekrönt worden. Der Ewige
Hohepriester hatte diese Seele, die nur der Liebe gelebt, für immer an Sein
göttliches Herz genommen. Die Endstunde des Lebens unseres Dieners Gottes
ist zur Anfangsstunde seiner himmlischen Herrlichkeit geworden. So hatte es
ihm der unendlich treue Gott seit Jahren immer wieder verheißen: daß er
nämlich niemals von Ihm getrennt sein werde und nach seinem Sterben ohne
Verzug in die himmlische Herrlichkeit werde eingehen können. Daraufhin
scheint auch die allerletztes am 29. Mai 1947, von ihm aufgezeichnete Vision
hinzuweisen: “Als ich an den Altar ging, war dieser in eine hohe Flamme in
dreieckiger Form eingehüllt, in die ich hineintrat.”
Somit ist es wahr geworden, was
der Pater in übergroßer Freude seines Herzens über die restlose Hingabe an
Gott in seinen allerersten Gelübden schon am 1. Nov. 1895 niedergeschrieben
hatte: “Nur ein Tag bleibt noch übrig, der mich glücklicher machen kann, als
der heutige: mein Todestag!”
Damals hatte er noch
hinzugefügt: “Obschon ich sehr nach Dir verlange, o mein liebster Jesus,
will ich doch leben, um das Reich Deines heiligsten Herzens in den Herzen
derer zu verbreiten, die Du mit Deinem kostbaren Blute erlöst hast.”
Dieser so heißersehnte Tag seines Heimgangs, der Geburtstag für den Himmel,
kam für Pater Reus nach über 79 Lebensjahren, nach 54 Priesterjahren, nach
53 Ordensjahren: am 21. Juli 1947.
Inhaltsverzeichnis
Seine letzte Ruhestätte in São Leopoldo
Ein
Strom von Menschen zieht an sein Grab
Auf dem Friedhof in der Nähe
des Christkönigs-Kollegs von São Leopoldo wurden die sterblichen Überreste
des großen Gottliebenden beigesetzt. Dort hatten bereits 100 Jesuiten vor
ihm ihre letzte Ruhestätte gefunden. Die Vorgesetzten von Pater Reus, die um
sein außergewöhnliches Innenleben wußten, hatten für ihn ausnahmsweise ein
gemauertes Grab herrichten lassen. Nach außen hin freilich sollte es sich in
nichts von den Gräbern des Jesuitenfriedhofs unterscheiden. Die Beerdigung,
vorgenommen vom Obern des Kollegs, war eine Stunde ernster Besinnung.
Eine geheimnisvolle Macht zog
gar bald die Menschen zu diesem Grab. Immer mehr wurden die Besucher. Am
vierten Jahrestag des Todes von Pater Reus waren es nicht weniger als 2.000.
Immer mehr erfuhr man jetzt von den außergewöhnlichen Gnaden, die der
Erwählte vom Herrn empfangen hatte. Immer mehr wurde der Schleier gelüftet,
der das große Geheimnis seiner Vertrautheit mit dem Heiland verhüllt hatte.
Der eigentliche Grund aber für die wachsende Zahl von Besuchern war die
Überzeugung des Volkes: Hier liegt einer, der Macht hat bei Gott, ein
gütiger Fürsprecher, ein treuer Helfer für alle Anliegen des Leibes und der
Seele.
Es wurden immer neue,
auffallende, ja wirklich “wunderbare” Gebetserhörungen auf seine
Fürbitte hin gemeldet. Sie verbreiteten seinen Ruf und das Vertrauen zu ihm
allmählich in der ganzen Welt. Pater Baumann schreibt: “In den ersten zehn
Jahren seit dem Tod von Pater Reus wurden mehr als 20.000 durch seine
Fürsprache erlangte ‘Gnaden` veröffentlicht.” - Und jetzt, im Jahr 1971 sind
es bereits
über 100.000 bezeugte Gebetserhörungen*.
Dies sind aber bei weitem nicht
alle Gebetserhörungen, die ihm zugeschrieben werden; denn viele davon, zumal
die Gnaden der Bekehrung und des geistigen Fortschrittes der Seelen bleiben
nach Pater Baumann das stille Geheimnis der Betenden.
*
Was heißt das: 100.000
Gebetserhörungen? Man denke: 1 Bücherregal 1 Meter breit, 4 Meter hoch mit
je 10 großen Leitz-Ordern, jeder prall gefüllt mit 1.000 Briefen! So einen
Aktenschrank könnte man auch ein Himmelszeichen für unsere Zeit nennen.
Lauter Zeugnisse, daß es ein Fortleben nach dem Tode gibt, daß die Heiligen
leben ‘ daß Gott lebt! Aber wer blind ist, dem nützen keine Gotteszeichen,
wenn sie auch ein Berg von Dokumenten wären, der bis zum Mond reichen
würde... So viele gibt es, die an ein übernatürliches Wirken nicht mehr
glauben. “Glaubhaft” ist für sie nur das, was sie verstandesmäßig erfassen
können, was für sie einsichtsvoll ist. Ein Mysterium (Geheimnis) gibt es
nicht.
Der Herr aber will den
demütigen Glauben. Das “Nicht-sehen” und doch glauben hat Er mit dem “Selig”
umkleidet.
Ungezählte fragen nach Bildern
und Reliquien vom Diener Gottes, die heute bereits in vielen
Hunderttausenden von Exemplaren verbreitet sind, an erster Stelle in
Brasilien, aber auch in Deutschland, ja selbst in den Ländern englischer,
französischer und spanischer Zunge.
Inhaltsverzeichnis
Der
kirchliche Prozeß
über den Ruf der Heiligkeit und der Wunder von Pater
Reus wurde bereits 6 Jahre nach seinem Tod, am 25. Juni 1953, in Porto
Alegre begonnen. Diesem schlossen sich zwei kleinere Prozesse in Bamberg an.
Prälat Theodor Geiger (^
1960), der ehemalige Subregens des Seminaristen Baptist Reus, schrieb, daß
er am 18. April 1956 trotz seiner 93 Jahre ein dreistündiges Verhör lebend
überstanden habe. - Am 15. Mai 1957 wurde durch den kirchlichen Gerichtshof
das Grab des Dieners Gottes geöffnet. Am 25. Mai wurden seine Gebeine in
einem neuen Sarg wieder an derselben Stelle wie vorher beigesetzt.
Heute steht bereits unweit des
Grabes ein herrliches, dem Herzen Jesu geweihtes, 3.000 Menschen
fassendes Gotteshaus, in dem einmal mit kirchlicher Erlaubnis die
Gebeine des Dieners Gottes beigesetzt werden sollen. Es wurde ausschließlich
von Spenden zu Ehren von Pater Reus erbaut und ausgestattet. Der Zustrom der
Gläubigen zum Grab von Pater Reus hält unvermindert an.
Der gewaltige Strom von
betenden und vertrauenden Menschen hat nur noch ein Gegenstück, und zwar in
der Verehrung des Paters Rupert Mayer - München.
Dieser heiligmäßige
Jesuitenpater, der aus Stuttgart stammte, war ein aufrechter Kämpfer gegen
den christusfeindlichen Nationalsozialismus und erduldete dafür viele
Schmach und Verfolgung. Sein Leben war opferbereites Bekennertum und
zugleich restloses Sichverzehren im Dienst aller Bedrängten. Pater Rupert
Mayer starb am 1. Nov. 1945 - 71-jährig - während seiner hl. Messe in der
Sankt-MichaelsKirche. In der Unterkirche des “Bürgersaales” in München fand
er seine letzte Ruhestätte. Auch für ihn wurde wenige Jahre nach seinem Tod
der Seligsprechungsprozeß eingeleitet. Sein Grab wird täglich von
ungezählten vertrauenden Menschen besucht. Die Zahl der durch ihn bewirkten
Gebetserhörungen wächst von Monat zu Monat. [Inzwischen seliggesprochen.]
Während das Grab dieses
Großstadtapostels in Bayerns Hauptstadt in einer der belebtesten Straßen
nahe dem Hauptbahnhof liegt, ist das Grab von Pater Reus für die Besucher
nur nach langwierigen Wegen und Reisen zu erreichen. Es lag bisher ganz
abseits jeglichen größeren Verkehrs. Erst durch die neuerrichtete große
Autostraße, die von Porto Alegre über SãoLeopoldo nach dem Norden Brasiliens
führt, ist die Zufahrt leichter möglich. So kommen gerade an
Sonntagnachmittagen aus Porto Alegre und den der Straße anliegenden
Ortschaften immer zahlreichere Besucher ans Grab des Gottseligen. Es ist zu
diesem Zweck bereits ein großer Parkplatz angelegt worden. Pater Reus wird
für alle, die tatsächlich oder auch nur geistig an sein Grab kommen, ein
großer Fürbitter sein.
Wie aber das Tiefste und
Schönste seines Erdenlebens, nämlich das Geheimnis seines inneren Lebens nie
vollständig in Worten ausgedrückt werden kann, ebenso wenig vermag man sein
Fortwirken im Reich der Seelen von der Ewigkeit her in die rechten Worte zu
fassen. Hat doch gerade dieser große Liebling Gottes schon zu Lebzeiten
wunderbare Verheißungen aus dem Mund des göttlichen Heilandes empfangen
dürfen: “Ich werde deine Bitte um Seelen erhören - über all deine
Erwartungen.”
Dicke Bände
würden sich füllen, wollte man all die Gebetserhörungen aufzeichnen, die auf
die Fürbitte des “guten” Pater Reus bereits gewirkt worden sind: Heilungen
von allen möglichen schweren und langwierigen Krankheiten und Leiden,
Heilungen von Trunksucht und anderen Lastern; auffallende Hilfe bei schwerer
Geburt, Hilfe in Wirtschafts-und Wohnungsanliegen, in Berufs- und
Familiennöten, ganz besonders aber in seelischer Bedrängnis. Nur ein Fall
vom 17. Mai 1970 sei hier erwähnt: “Dem guten Pater Reus danke ich
aufrichtig für eine mir sehr wichtige Gebetserhörung: Zwei mir sehr liebe
Menschen haben nach langer Zeit (50 Jahre und 4 Jahre) wieder zur hl.
Eucharistie zurückgefunden. Ewig Dank dafür!” M. D.
Im Sankt-“Ignatius-Kalender” der Jesuiten werden viele dieser Anliegen
jährlich veröffentlicht. Wöchentlich werden an die 200 hl. Messen am Grab
des Pater Reus für “seine Seligsprechung” zum Dank für eine Erhörung
bestellt.
Inhaltsverzeichnis
Brennende Anliegen der Zeit
Das Grab des großen Beters,
Büßers und Mystikers Johannes Baptist Reus ist ein geistiger Mittelpunkt
geworden, gleich einem Magnetfeld voll Strahlkraft. Hunderttausende, ja
Millionen zog es in den kaum 25 Jahren, seitdem er tot ist, an diese
gesegnete Stätte. “Kein Mensch ist lebendiger als ein toter Heiliger”
(Sheehan).
Brüder, Schwestern! Am Schluß
der Lektüre dieses Buches wollen auch wir uns im Geist an diesem Grab
niederknien und dem göttlichen Herzen Jesu zusammen mit dem Diener Gottes
unsere Anliegen vortragen! Packen wir nur aus mit all unseren persönlichen
Sorgen, die uns bedrängen, mit den Sorgen um die Gesundheit, um den Beruf,
um das Fortkommen, besonders aber unsere seelischen Nöte; packen wir aus mit
all unseren Familiensorgen, die immer drückender werden! Vergessen wir nicht
die großen Anliegen von Kirche und Volk in unserer religiös und sittlich so
schwer angeschlagenen Zeit. Der Sturm tobt. Satans heißer Atem bläst
gewaltig in das Zeit- und Weltgeschehen.
Müßten wir an dieser
geheiligten Stätte zusammen mit dem edlen Priester Pater Reus den Herrn
nicht inbrünstig um die Erhaltung unseres heiligen katholischen Glaubens und für jeden von uns
um mehr demütigen Glauben bitten!
Stehen wir nicht alle in einem
wahren Trommelfeuer von äußeren Beeinflussungen? Der Wissensstolz
triumphiert. Die Verwirrung der Geister hat wie eine Epidemie um sich
gegriffen. “Es gibt Priester und Theologen”, so schreibt Pater Werenfried,
“die, durch Glaubenszweifel oder Unglauben verblendet, nicht mehr sehen, was
der Herr von Seiner Braut, der Kirche, verlangt.” Es werden fast alle
Glaubenswahrheiten unserer hl. Religion angezweifelt, ja sogar geleugnet.
Durch einen unerhörten Mißbrauch werden die Irrtümer von Presse, Rundfunk
und Fernsehen weltweit verbreitet. Die im Evangelium niedergelegten und von
der Kirche gelehrten übernatürlichen Wahrheiten werden entmythologisiert,
das heißt, man läßt nur noch das gelten, was man mit dem Verstand rein
natürlich erklären kann. Mit 'dem ungläubigen Thomas sagen so viele: “Wenn
ich nicht an Seinen Händen das Mal der Nägel sehe, nicht meinen Finger an
die Stelle der Nägel und meine Hand in Seine Seite lege, glaube ich nicht.”
Einen “Net glaum wöllerer = einen nicht glauben Wollenden” nennt Therese
Neumann den Thomas.
Heute gibt es so viele. Dazu
die Unrast, die Hetze des heutigen Lebens, sie lassen den Menschen kaum mehr
Zeit zur Besinnung auf das eine Notwendige, das Ewige. Und was tut der Herr?
Statt unseren Unglauben und unseren törichten Stolz zu strafen, geht Er uns
nach, wie einst Seinem ungläubigen Jünger Thomas, indem Er einen aus unserer
Mitte ruft und ihn mit seinen Händen die Wunden greifen läßt, so wie einst
Thomas, ja, ihm die großen Gottesgeheimnisse in einmaliger Weise enthüllt
und sichtbar werden läßt - einen Priester, der immer den schlichten Weg des
Glaubens an Jesu Wort und Lehre gehen wollte und stets allen
Privatoffenbarungen und Visionen abgeneigt war.
Ja, dich,
guter Pater Reus,
ließ der Herr die Wahrheiten der Obernatur in
überwältigender Weise erleben. 35 Jahre durftest du täglich, besonders bei
der Feier des hl. Meßopfers, das Geheimnis der Menschwerdung des Herrn
schauen, Seinen Opfertod am Kreuz und das Ausströmen Seines Blutsegens über
die ganze Erde, über das ganze Fegfeuer hin, durftest schauen den Glanz des
himmlischen Hofstaates. Du durftest erleben die Wonne der liebenden Hingabe
an Jesus, den göttlichen Bruder, sowie die Lebens- und Liebesgemeinschaft
der hochheiligen Dreifaltigkeit. Dem Auftrag Jesu folgend, hast du alles
niedergeschrieben, ja sogar in Bildern festgehalten, damit wir in alledem
eine beglückende Bestätigung für unseren Glauben haben sollten. - “Glauben,
auch wenn wir nicht sehen!” - Gerade die Bitte um einen demütigen Glauben, das ist die erste brennende Bitte an deinem Grab; vor allem
um
einen unbeirrbaren Glauben an die hl. Eucharistie,
an die lebendige, wirkliche
Gegenwart des Sohnes Gottes im weißen Brot, einen, Glauben, wie ihn die
ersten Christen besaßen. Dazu eine tiefe, heilige Ehrfurcht vor dem in der
Gestalt des Brotes gegenwärtigen Herrn und Gott. Wie hast du, lieber Pater
Reus, den Tag ersehnt, an dem du zum ersten Mal die hl. Wandlungsworte
sprechen und den Leib des Herrn in deinen geweihten Händen halten durftest.
Ehrfurcht und Liebe durchschauerten dein ganzes Wesen. Mit dir wollen wir
vom Heiland diese große Gnade tiefer Ehrfurcht erbitten. Sie ist weithin
verloren gegangen durch die neue Kommunionpraxis. Wir müßten auch
hinsichtlich der kleinsten Splitter der hl. Hostie allerhöchste Ehrfurcht
haben! Denn wie jedes Goldstäubchen Gold bleibt, so bleibt das winzigste
Teilchen einer konsekrierten, hl. Hostie noch die Gestalt, darin Jesus
Christus wahrhaft wirklich und lebendig gegenwärtig ist.
Dazu ein
weiteres brennendes Anliegen:
die Sorge um den Beruf des Priesters
Guter Pater Reus, die
Hauptaufgabe deines langen Lebens war ja diese: mitzuwirken an der
Heranbildung von Priestern und Ordensleuten im Kleinen und Großen Seminar
von São Leopoldo. Mit dem hl. Pfarrer von Ars hast du klar erkannt: Der
Priesterberuf erwächst aus dem göttlichen Herzen Jesu. Priester müssen
zuerst erbetet und eropfert werden. Nicht das ist die größte Not der Kirche,
daß es überall in der Welt zu wenig Priester gibt, sondern vielmehr, daß der
Sinn des geistlichen Berufes, der Sinn des Ordensberufes überhaupt in Frage
gestellt wird. Man will nicht mehr glauben, daß der Priester ein zweiter
Christus ist. Der Heiland aber ist nicht müde geworden, dir auf jede
erdenkliche Weise zu zeigen, wie sehr Er Seine Priester liebt. Wie oft hast
du nach dem Stufengebet der hl. Messe beim Hinansteigen zum Altar erleben
dürfen, wie Er vor dem Tabernakel mit weitgeöffneten Armen auf dich wartete
und dich nach dem Altarkuß liebend umarmte und an Sein Herz zog. Und immer
wieder gab Dir der Heiland zu verstehen, wie er alle Priester in Sein
liebendes Herz schließt, freilich auch gerade von ihnen eine glühende, alles
übersteigende Gegenliebe erwartet. Mit Schmerz hast Du wiederholt aus Seinem
Mund die Klage vernommen: “Wie wenige unter den frommen und eifrigen
Priestern, ja selbst unter Meinen ergebensten Freunden wissen, daß Ich da
bin im Grunde ihrer Seele und voll Verlangen, sie eins zu machen mit Mir. O
wenn sie sich den sinnenfälligen Dingen mehr entziehen wollten, um ganz
hinab zu steigen in das Innerste ihrer Seele bis auf den Grund, wo Ich bin!
- Möchten sie doch mit vollem Vertrauen zu Meiner guten Mutter gehen, die
auch die ihrige ist und die sie so sehr liebt und die sich darin gefällt,
Mich für sie zu bitten.”
Etwas ungemein Tröstliches
Lieber Pater Reus! Sollte nicht
gerade Dein Leben allen Priestern sagen, daß sie nie verzagen dürfen,
wenn ihnen Enttäuschungen, Verkennungen und Mißerfolg in reichem Maß zuteil
werden. Auch Dir blieben größere, äußere Erfolge in deinem Wirken fast
durchwegs versagt. Es war Dir nicht gegeben, leutselig und anziehend zu
sein. Man hat Dir darum auch zu Lebzeiten nicht viel Sympathien
entgegengebracht; Du aber hast klar erkannt: Das ist der königliche Weg des
Kreuzes. Demütig und tapfer bist Du ihn gegangen, allzeit bestrebt, Deinem
Meister ähnlich zu werden. Du lehrst uns: Der Schwerpunkt eines jeden
Priester- und Ordenslebens muß in einem intensiven Innenleben liegen, im
apostolischen Beten und in stiller, unverdrossener Berufsarbeit: Bet und
arbeit! Wir haben keinen Grund zu verzagen, wenn unsere besten Bemühungen
nicht “ankommen”. Mißerfolg bei heilig ernstem Bemühen ist immer ein
Vorzeichen großer Gnade.
Ja, nicht einmal unsere
Schwächen und Sünden sind ein Grund zum Verzweifeln; bei Dir, lieber Pater,
wurde offenbar: Heiligkeit blüht bisweilen sogar neben offenkundigen
Fehlern. Trotz all Deiner Fehler, die Du immer wieder beklagst, hat Dich der
Herr mit Gnaden geradezu überhäuft. Du hast die Worte des hl. Paulus ernst
genommen: “Die Liebe glaubt alles, die Liebe hofft alles” - auch bei Fehlern
und Schwachheiten, gerade dann erhofft sie alles von der Gnade Gottes. Die
vertrauende Liebe legt die ganze menschliche Armseligkeit in das göttliche
Herz Jesu.
Die Liebe
glaubt alles, die Liebe hofft alles, die Liebe duldet alles.
Diese alles duldende Liebe, ein
besonderes Geschenk des heiligsten Herzens, wollen wir mit Dir mit großem
Vertrauen von Jesus erbitten. Du hast diese opferbereite, sühnende,
apostolische Liebe zu den Seelen besessen. Sie tut uns Christen allen not.
Es sind ja ungezählte
Millionen, die sich um ihr ewiges Ziel nicht mehr kümmern. Sie gehen den Weg
des Verderbens. Wehe, wenn sich niemand findet, der für sie betet, opfert
und sühnt. Du hast es jahrzehntelang getan. Dein Leben lehrt uns, daß Buße
und persönliches Opfer bei Gott Großes vermögen. Wohl sind gerade diese
Worte für die Wohlstandschristen unserer Tage Fremdwörter geworden. Gebet
und Buße aber sind die entscheidendsten Faktoren für die Rettung der Seelen.
So lehrt es uns der Herr. So kündet es uns die Liebe Frau in Fatima und an
vielen anderen Erscheinungsorten. So sagt es uns Dein Leben. DieLiebe
erduldet alles, dieLiebe überwindet alles. Sie nimmt die täglichen Opfer und
Kreuze tapfer auf sich. Sie ringt und betet, duldet und leidet, nur um
Seelen zu retten, die in höchster Gefahr sind, ewig verloren zu gehen.
Lieber Pater Reus! Hilf uns diese tiefe, weite wahrhaft apostolische Liebe
vom Herrn erbitten!
Fruchtbarkeit im Reich Gottes wird nur um den Preis eines blutenden Herzens
gewährt. “Die Kirche lebt nicht von der Wissenschaft ihrer Gelehrten,
sondern von der Opferhingabe ihrer Heiligen” (Bischof Rudolf Graber in
der Sylvesterpredigt 1970). - “Die Zukunft der Kirche wird von denen kommen,
die tiefer wurzeln und nicht nur andere kritisieren, sich selbst aber für
unfehlbar halten. Sie wird auch diesmal von den Heiligen geprägt durch
tägliche Passion. Wie blind sind wir doch alle, die wir nicht mit dem Herzen
sehen” (Prof. Dr. Josef Ratzinger). “Kirche und Welt von heute brauchen vor
allem die Heiligen” (Papst Paul VI.).
Das Beten und Leiden, das ganze
Lebensopfer von Pater Reus galt vor allem dem großen, weiten Land Brasilien.
Dieses Land, ja
ganz Lateinamerika ist Missionsland
geworden. Streckenweise kommen,
wie man erst neulich lesen konnte, auf 100.000 Seelen nur fünf Priester. Ein
geradezu erdrückendes Anliegen für die Hirten der Kirche. Papst Pius XII.
hat gestanden, daß ihm die Sorge um die religiöse, sittliche und soziale
Lage in Südamerika schlaflose Nächte bereitete. Nicht anders Papst Paul VI.
Die dortige, unvorstellbare religiöse wie soziale Not schreit in manchen
Orten zum Himmel. Wohl bedeutet die Aktion “Adveniat” eine spürbare Hilfe.
Sie ist aber nur ein Tropfen auf einen heißen Stein. Es müssen viele Kräfte
zusammenwirken, wirtschaftliche und vor allem religiöse Kräfte.
47 Jahre hast Du, lieber Pater Reus, in Brasilien gewirkt, hast für dieses
Land gebetet, geopfert, gelitten und Gott hat Dein Wirken gesegnet - mehr
als wir ahnen können. Ist es nicht auch Deinem Beten und Opfern zu
verdanken, daß unlängst ein 63-jähriger Missionar aus diesem Land an Pater
Werenfried schreiben konnte:
“Die verwöhnten, über alles
urteilenden und überentwickelten Superchristen in Europa können kaum
verstehen, daß ein unterentwickelter, ungelehrter und unwissender
südamerikanischer Indianer trotzdem ein guter Christ sein kann und sehr oft
ein guter Christ ist. Die Liebe zu Gott hängt ja nicht von Vielwisserei,
sondern vom Streben des Herzens ab. Wer liebt, wird von der Liebe selbst
belehrt. In dieser Schule sind viele meiner unwissenden Indianer weiter
fortgeschritten als mancher Theologe. Die Reinheit des Herzens, der gute
Wille und die Demut sind die Merkmale der Auserwählung. Ihnen schenkt Gott
seine Gnade *.”
*
Die Missionare
Lateinamerikas sind fast alle sehr arm und bedürftig. Sie sind darum sehr
dankbar für Meßstipendien.
Mit Dir aber, lieber Pater
Reus, wollen wir als größte und wichtigste aller Bitten diese zum Himmel
empor senden:
Ewiger, gütiger Gott, gib uns
die wahre Christenliebe, eine Liebe, die alles glaubt, alles hofft, alles
duldet in Deiner Kraft und Gnade! Gewähre uns die Gnade, daß jedes Gebet,
das wir sprechen, daß jedes Wort der Hl. Schrift, das wir überdenken, daß
jedes Leid, das wir in Liebe tragen, vor allem aber, daß jede hl. Kommunion
uns zu einer tief innerlicher Begegnung der Liebe mit Dir werde! - “Es
bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe; das Größte aber ist die Liebe” (1 Kor
13,13). Sie währt in alle Ewigkeit.
Ein herzliches Vergelt's Gott!
Am Schluß allen, die zum Werden
dieses Buches mitgeholfen haben, allen die mir schreiben, korrigieren, beten
und opfern halfen, ein priesterliches “Gott vergelt's”! Auch allen Lesern
und Verbreitern unserer Schriften! Ich segne Sie alle in tiefer Dankbarkeit
als Werkzeuge, das heißt als Zeugen Seines Werkes, Seiner Gnade. Möge unsere
mit dem Segen des Hochwürdigsten Herrn Bischofs Rudolf Graber,
Regensburg, begonnene Aktion
“Stille
Hilfe durch das Buch”
weitergehen, auch wenn mich der himmlische Vater
inzwischen zu sich abberufen sollte. Viele Kranke, Leidende, Einsame und
Verlassene warten auf Trost und Ermutigung, warten auf eine wirkliche
geistige Hilfe durch das gute Buch. Es ist eine Zeit großer geistiger
Verdunkelung, wo die Not der Seelen ihr “Warum” tausendfach zum Himmel
schreit, wo der Kinderglaube vielfach erstickt und der gute Wille zertreten
wird. Die Gnade wirkt am meisten im Verborgenen, in der schweigenden Liebe.
Darum diese überaus wichtige zeitgemäße Aktion: Stille Hilfe durch das Buch!
Diese Aktion, wie überhaupt unser ganzes Schriftenapostolat, wird seit dem
18. Febr. 1971 in einzigartiger Weise vom Segen überstrahlt; denn seit
diesem Tag hat das Grignionhaus in Altötting in seiner Hauskapelle die
“Ewige Anbetung”. Der Segen dieser Anbetung von früh bis abends ist sehr
groß und ergießt sich auch über alle Leser und Verbreiter unserer Bücher,
über das ganze Schriftenapostolat. Viele Tausende treuer Apostelseelen mögen
diese Aktion fördern zur Ehre Gottes und zum Heil der Seelen! Für mich aber
erbitte ich ein stilles Gott vergelt's und eine hl. Messe, die mir und allen
Priestern in der Ewigkeit zugute kommen möge. Für die lebenden und
verstorbenen Priester sollte viel mehr gebetet und geopfert werden!
Ihr in Christus allzeit
verbundener dankbarer A. M. Weigl, Pfr. i. R.
Gebet - Novene
zum Diener Gottes P. Johannes
Baptist Reus (Nur für Privatgebrauch)
Gott, der Du in Deiner unendlichen
Güte und Barmherzigkeit Deinem demütigen Diener Johannes ein so glühendes
Verlangen nach Heiligkeit eingeflößt und ihn mit so vielen und
außerordentlichen Gnaden überhäuft hast, wir bitten Dich inständig: Schenke
uns die Gnade, Deinen treuen Diener nachzuahmen in der vollständigen Hingabe
ans heiligste Herz Jesu, in der Liebe zum Kreuz, in der Hochschätzung der
hl. Messe, im vertrauten Umgang mit dem eucharistischen Heiland, in der
kindlichen Verehrung des Unbefleckten Herzens der Gottesmutter und im
eifrigen Wirken für die Priester- und Ordensberufe.
Gott, Du ehrst, die Dich ehren.
Sieh, das Leben Deines Dieners Johannes war ganz Deiner Liebe und Ehre
geweiht. Erhöre gnädig unsere Bitten, die wir zu Deiner Verherrlichung auf
Erden zu Dir emporsenden und gewähre uns auf seine Fürbitte die Gnade, um
die wir Dich anflehen. Durch Christus, unsern Herrn.
Amen.
Jesus, Maria, Josef!
Heiligstes Herz Jesu, ich vertraue auf Dich!
Süßes Herz Mariä, sei meine Rettung!
Heiligstes Herz Jesu, zu uns komme Dein Reich!
Maria, ohne Makel der Erbsünde empfangen, bitte für uns,
die wir unsere Zuflucht zu dir nehmen!
Vater unser... Gegrüßet seist du, Maria... Ehre sei...
Vielleicht muß einer 100 mal oder 500 mal dieses Gebet sprechen... 100.000
Glückliche ermutigen: Weiterbeten! “Viel vermag das beharrliche Gebet des
Gerechten.” P. Reus wird endlich jeden annehmen und seine Not dem
Allerbarmer vortragen, und dann wird Hilfe kommen von dem, “der Himmel und
Erde erschaffen hat”, und der Schrank mit den 100.000 Dokumenten wird noch
höher werden... Sei überzeugt, Pater Reus darf auch in Deinen Anliegen
helfen, und zwar so, wie es nach dem Willen und der Weisheit Gottes am
besten für Dich ist.
Bitte: Gebetserhörungen und
Gnadenerweise, die man auf Fürbitte des P. Reus erlangt hat, berichte man an
den Postulator des Seligsprechungsprozesses: Pater Pascual Cebollado S. J. -
Rom - postulatore@sjcuria.org
Wichtig: Man vermeide alles, was einer öffentlichen Verehrung ähnlich ist.
Benützte Literatur
P. Ferdinand Baumann S. J., “Pater Reus S. J., ein Apostel des Herzens Jesu (Kanisiusverlag)
P. Leo Kohler S. J.,
“Lebensbild des P. J. Baptist Reus S. J. (Selbstverlag der Vizepostulation).
Ida Lüthold-Minder,
“Segenspfarrer vom Allgäu (Kanisius-Verlag).
Eine Reihe Aufsätze über die
Mystik.
Inhaltsverzeichnis |