Das Größte ist die Liebe

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  Inhaltsverzeichnis

Das Größte ist die Liebe
Aus dem Leben und Wirken des großen Mystikers
P. Johannes Reus SJ

1868-1947

von
Alfons Maria Weigl

Neu herausgegeben von Klemens Kiser

Das Größte ist die Liebe

Aus dem Leben und Wirken
des großen Mystikers

P. Johannes Reus SJ (1868-1947)

von Alfons Maria Weigl

op 126 - 108 S. - Original 221 S.

Mit kirchlicher Druckerlaubnis

Erklärung

Gemäß dem Urteil Papst Urbans VIII. unterwerfen wir alle die in diesem Buch angeführten Gnadenerweise, Offenbarungen und Erscheinungen sowie alle Ausdrücke dem Urteil der Kirche, dem in keiner Weise vorgegriffen werden soll.

Sein Ziel war: Ich will ein heiliger Priester werden.

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Inhalt

Wer wird den kommenden Sturm bestehen?
Gottes Sonne überstrahlt Kindheit und Jugend
Das Elternhaus und der Segen der Mutter
Tiefe Dankbarkeit für den Vater
Zeitlebens seiner Heimat verbunden
Die Achtung vor dem Priestertum
Kindheit und Schule
Neun Jahre Gymnasium in Bamberg
Die Muttergottes führt ihn
Er wird Soldat
Vorbereitung auf das Priestertum
Gerufen zur Heiligkeit
Priester Gottes

Ein Seelsorger voll Feuereifer
Er erfährt zum erstenmal die liebende Nähe Gottes
Jede Sendung muß im Kreuz verankert sein
Im Noviziat der Gesellschaft Jesu
Pater Eberschweiler, sein Spiritual
Jeder Edelstein muß geschliffen werden
Die Kraftquellen seines inneren Lebens
Als Missionar nach Brasilien

Rio Grande war kein leichtes Arbeitsfeld
Aus Opfern quillt neuer Segen
Mystik, eine große Gnade Gottes
Im Jahre 1912: Durchbruch der mystischen Gnaden
Beständiges Zwiegespräch mit dem Herrn
Der Wundmale Christi gewürdigt
Die große Gnade der mystischen Verlobung
Die Vermählung der Seele mit Gott
Pfarrer in São Leopoldo (1913-1914)
Spiritual im Großen und Kleinen Seminar
Lehrer im Kleinen Seminar (1914-44)
“Mein Beruf ist die Liebe!”
Immer das Vollkommenere tun!”
War das nicht des Guten zuviel
Ein wahrer Sturm in seiner Seele
Ein Mann mit großem Verlangen
Nur ein paar Sätze aus der Fülle
Die Vereinigung seiner Person mit der Person Christi
Der Tausch der Herzen
Die Gewißheit seiner ewigen Seligkeit
Ohne Fegfeuer sofort in den Himmel
Er “schaut” die übernatürlichen Wahrheiten
Die Macht seines priesterlichen Betens und Segnens
Zweifler und Kritiker fragen
Nur nichts Außergewöhnliches wollen
Die hl. Messe, ein Meer von Gnaden
Groß aber ist der Liebe Lohn
“Laßt uns hintreten zum Altar Gottes!”
Das eigentliche Wunder der göttlichen Liebe
Der Augenblick innigster Christusvereinigung
Die Wirkung dieser Gottesvereinigung
Der Vertraute des eucharistischen Herrn
Vor dem Tabernakel des Allerhöchsten
Und noch einmal das göttliche Herz des Erlösers
Hl. Messe, die beste Herz-Jesu-Verehrung
Zarte Liebe zum göttlichen Kind von Bethlehem
Häufige Erscheinungen des Jesuskindes
“Warum leistest du einen solchen Widerstand?”
Das Jesuskind dornengekrönt
Ein Beispiel aus unseren Tagen
“In herzlicher Weise der Mutter Christi zugetan”
Maria, seine allerliebste Mutter
Mutter Gottes und Mutter der Menschen
Maria, die Mittlerin aller Gnaden
Das Vertrauen ist eine Großmacht
Seine Freunde: die übrigen Heiligen
Hohe Verehrung für die hl. Engel
Der Opferweg der Liebe geht zu Ende

Seine Liebe ringt um Seelen
“Die Mutter ist da!”
Seine letzte Ruhestätte in SãoLeopoldo
Ein Strom von Menschen zieht an sein Grab
Über 100.000 Gebetserhörungen
Der kirchliche Prozeß
Brennende Anliegen in unserer Zeit
Novene - Gebet

Wer wird den kommenden Sturm bestehen?

Stürme fegen übers Land. Immer heißer bläst Luzifers teuflischer Atem in das Zeitgeschehen. Ein noch gewaltigerer Sturm wird anheben. Wer wird ihn bestehen? Die Ängstlichen? Die Genießer? Die ewigen Kritiker? Nein, nur wer Glauben hat, wer Hoffnung hat, wer Liebe hat. Wir müssen wieder glauben lernen, unerschütterlich glauben; nur auf dem einen aufbauend: “Gott lebt.” Wir müssen hoffen lernen gegen alle Hoffnung, nur aufbauend auf dem einen Wort: “Er ist unser Vater.” Wir müssen lieben lernen, ohne auf Lohn zu warten, einfach lieben, bedingungslos lieben, weil Er uns liebt.

Die Liebe zu Gott aber ist nicht Überschwenglichkeit, nicht gefühlvolle Tröstung, sondern das sehr nüchterne, klare, willensmäßige Streben mit dem Ziel, sich selber abzusterben, um für Gott, den höchsten Herrn, zu leben, um Seinem Willen zu leben in allem Denken und Reden, Tun und Leiden. Es gibt keine größere Liebe, als sich ganz Gott hinzugeben.

Das ist das Größte:

“Gott lieben aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und aus allen Kräften”, wie die Hl. Schrift sagt: “Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist die Liebe.” (1 Jo 4,8)

Jeder Mensch ist zu diesem höchsten Tun berufen, aber nur ganz wenige verstehen, was Gott aus ihnen machen würde, wenn sie sich ganz und gar Ihm überließen. Je hochherziger sich jemand der Majestät Gottes gegenüber erweist, desto mehr wird er Gottes Freigebigkeit erfahren. “Noch niemand hat es zu bereuen gehabt, Gott gegenüber großmütig zu sein” (Gregor von Nazianz).

Ein wahrhaft überzeugender Beweis dafür
ist das Leben des im Jahr 1947 verstorbenen deutschen Jesuitenpaters Johann Baptist Reus. Dieser schlichte Priester hat bis zum letzten Einsatz seiner Persönlichkeit mit der Gnade Gottes mitgewirkt. Er hatte keine außergewöhnliche Begabung. Er hatte auch in seinem äußeren priesterlichen Wirken wenig Erfolg, aber er hat mit seltenem Großmut Gott gedient und darum auch wie wenige, die Freigebigkeit Gottes erfahren dürfen. Pater Reus wußte mit dem hl. Paulus: “Das Größte aber ist die Liebe.” Diese Liebe machte ihn zu jedem Opfer bereit. Die Antwort des Himmels war so, daß sie uns in Erstaunen setzt. Diese Antwort des Himmels war das Sichtbarwerden göttlichen Eingreifens. Es verwirklichte sich in ihm das Wort des christusbegeisterten Apostels: “Christus ist mir Leben, und Sterben ist mir Gewinn” (Phil 1,21).

  Im Leben dieses Priesters wurde der Schleier zwischen Diesseits und Jenseits weggezogen. Pater Reus schaute oft die jenseitige Wirklichkeit, soweit diese ein Mensch überhaupt zu schauen vermag; nicht mit leiblichen Augen, sondern geistig. Er schaute Gott, die Engel und die Heiligen*. Er nahm die Gegenwart des Dreipersönlichen Gottes lebendig in sich wahr. Er durfte die Liebe Gottes zu den Seelen unter den Bildern eindringenden Lichtes und verzehrenden Feuers erleben. Die Wirklichkeit der Übernatur eröffnete sich ihm durch einen ergreifenden, besonderen Gnadenerweis.
*Die wirkliche Wesenheit der himmlischen Geister ist für einen Irdischen nicht faßbar. Ihre Gestalt erscheint dem mystisch Schauenden in einem für einen Menschen faßbaren, lichten Gewand. Des Menschen innere Augen sehen tiefer.

Im Auftrag seiner Vorgesetzten
und auf ausdrückliche Weisung des Heilands schrieb er eine Selbstbiographie und dann ein fortlaufendes Tagebuch. Seine Obern und Mitbrüder versicherten: Bei Pater Reus scheint jede nur mögliche Bürgschaft der Glaubwürdigkeit gegeben zu sein. Er war ein ausgesprochen nüchterner, ja trockener und einsilbiger Mann, dazu ein “Wahrheitsfanatiker”, der lieber sein Leben hingegeben hätte, als nur die kleinste Lüge zu begehen. Die unter Gehorsam aufgegebene Verpflichtung, sein Leben und seine Begnadigung niederzuschreiben, war ihm “eine schwere Aufgabe”, ja “die größte Demütigung seines Lebens”. Die mehr als 1.100 Seiten seiner in einer schlichten Sprache niedergeschriebenen “Bekenntnisse” sind Zeugnis einer außergewöhnlichen Begnadigung; für uns sind sie ein wirkliches “Himmelszeichen”: “Gott lebt, Gott liebt, Gott liebt jeden von uns.” Die Priester stehen dem liebenden Herzen Gottes am nächsten und haben die herrliche Aufgabe, den Feuerstrom der Gottesliebe weiterzuleiten und dies in der heutigen Sturmzeit um so mehr und um so verantwortungsvoller. Pater Reus, der eigentlich nie Botschaften empfangen hat, ist selber zur Botschaft geworden für die zweifelnden und glaubensschwachen Menschen unserer Zeit, besonders auch für die Priester ein Bote Gottes an die Welt.

Bevor du aber, Bruder, Schwester, in diesem Buch zu lesen beginnst, sprich jedesmal ein kurzes, seelenvolles: “Veni, Sancte Spiritus! - Komm, Heiliger Geist!” Und Er kommt mit Seinem Licht und Seiner Gnad'. Nur “vom Lichtglanz des Hl. Geistes erhellt, vermagst du zu schauen und zu erkennen, was Gott wohlgefällig und deinem Heil förderlich ist”.

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GOTTES SONNE ÜBERSTRAHLT
KINDHEIT UND JUGEND

Das Elternhaus und der Segen der Mutter

Eine gute Mutter ist ein großes Geschenk des Himmels für das ganze Leben. Als Johann Baptist Reus noch ein ganz kleiner Junge war, trug ihn seine Mutter eines Tages in die Wallfahrtskirche zu Ehren der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in Gößweinstein und weihte ihn dort dem Dreifaltigen Gott mit der Bitte, Seine Gnade möge ihn einmal zum Priester berufen. Niemand hatte die Mutter dazu gedrängt. Was mag sie nur bewogen haben, ausgerechnet ihren Johann Baptist dem Herrn zu weihen?

Johannes wurde am 10. Juli 1868 in Pottenstein in der Fränkischen Schweiz als das achte von elf Kindern geboren. Drei dieser Kinder starben früh. Die Eltern besaßen eine kleine Metzgerei (Fleischerei) und einen mit viel Schulden belasteten landwirtschaftlichen Betrieb. Sie mußten sich den Lebensunterhalt bei harter Arbeit mühsam verdienen.

Sie wußten aber auch, daß an Gottes Segen alles gelegen ist. Die Mutter Anna Margareta suchte darum innigen Kontakt mit Gott und betete viel für ihre Kinder, besonders für ihren Johann Baptist. Sie forderte auch den kleineren Bruder auf, für ihn zu beten. Oft rief sie den Hl. Geist an: “Komm, o komm, Du Tröster mein! Komm in sein kleines Herz hinein, mit Deinen sieben Gaben!” Bei einer solchen Gelegenheit machte der kleine Bruder Franz die Bemerkung: “Er muß aber auch fest mithelfen.” Häufig ging die Mutter auch zu den hl. Sakramenten. Samstags nachmittags legte sie ihre besseren Kleider an und sagte: “Kinder, ich geh in die Kirche.” Dort beichtete sie. Sonntags besuchte sie die Frühmesse, damit die Kinder in den Hauptgottesdienst gehen konnten. Die Mutter lebte ihren Kindern das Ideal eines christlichen Lebens vor.

Dabei hatte sie nicht weniger Sorgen mit ihren Kindern als andere Eltern. So landete Johann Baptist einmal im Winter beim Schlittenfahren zusammen mit einem ungeschickten kleinen Kameraden im eiskalten Wasser des Baches. Ein anderes Mal stürzte er durch einen Fehltritt die steile Treppe, die in der Scheune vom Heuboden zur Tenne führte, hinunter. In seinen späteren Aufzeichnungen erwähnte Pater Reus bei diesen und bei anderen Gelegenheiten immer wieder den Schutz seines hl. Engels. Eines Tages schien die Mutter die Arbeit und die Sorge um ihren Baptist beinahe zu erdrücken. Sie konnte fast nicht mehr. Da glaubte sie, eine Stimme hinter sich zu vernehmen: “Er wird Dir einmal große Freude machen.” - “Wer mag es gewesen sein?” schrieb Pater Reus in seinen Erinnerungen; “wahrscheinlich mein heiliger Schutzengel.”

Diese tieffromme, ausgezeichnete Mutter starb am 7. März 1907 im 75. Lebensjahr. Sie hatte die Freude, den Segen ihres anhaltenden Opferns und Betens noch zu erleben: Johann Baptist wurde am 30. Juli 1893 im Hohen Dom zu Bamberg zum Priester geweiht. Am Fest des hl. Ignatius von Loyola trat er in seiner Heimat Pottenstein zum ersten Mal an den Altar, um sein Primizopfer zu feiern. - Am dritten Tag nach seiner Weihe feierte er das hl. Opfer am Gnadenaltar der berühmten Wallfahrtskirche in Gößweinstein. [ca. 7,5 km entfernt]

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Tiefe Dankbarkeit für den Vater

Auch an seinen guten Vater dachte Pater Reus stets mit Ehrfurcht und Liebe. Dieser Vater war es gewesen, der ihm die treue Pflichterfüllung lehrte, der ihm auch den festen Glauben und das Vorbild eines christlichen Lebens mit auf den Weg gab. Vater Reus trug die Liebe zum eucharistischen Herrn tief in seinem Herzen und scheute sich nicht, dies in aller Öffentlichkeit zu zeigen. Während des sogenannten vierzigstündigen Gebetes, hatte er eine eigene Stunde, in der er, kniend auf dem Betstuhl, der sonst dem Priester vorbehalten war, dem Volk vorbetete. Er ließ es sich auch nicht nehmen, bei der Fronleichnamsprozession den Traghimmel mitzutragen. Seine liebste Unterhaltung war in der “Goffine”, einer volkstümlichen Erklärung des Meßbuches, zu lesen.

Als Pater Reus die Nachricht vom Tod seines fast 92jährigen Vaters erhielt, schrieb er in sein Tagebuch: “O göttliches Herz Jesu, vergilt Du ihm die Wohltaten, die er mir erwiesen hat, besonders die eines festen, wahren Glaubens, einer hohen Achtung vor dem Priestertum und des Vorbilds eines christlichen Lebens.” - Beim hl. Opfer für seinen Vater, am 23. Febr. 1946, sah er den hl. Erzengel Michael, den Führer der Seelen. Dieser stellte die Seele des Vaters der göttlichen Majestät dar, inmitten des Lichtes. Viele Engel waren ringsum, die beim Sanctus, zusammen mit dem hl. Michael, ihrem Fürsten, mit lauter Stimme den Lobgesang beteten. 

         Pater Reus blieb zeitlebens seiner Heimat verbunden

Er blieb allezeit, ein echter Sohn des Frankenlandes und damit  Bayerns. Seine Heimat, Pottenstein, liegt einmalig schön in jener Gegend Oberfrankens, die wegen ihrer Naturschönheiten weithin bekannt den Namen “Fränkische Schweiz” trägt. Auf einem Felsenmassiv, 70 Meter über dem Ort, thront die Burg. Schon etwa 1000 Jahre lang schaut sie, wie von einem Wachposten aus, in die tiefen, umliegenden Täler hinein und auf das Städtchen herab. Vermutlich war sie ursprünglich eines der Bollwerke, die König Konrad (911-918) gegen die damals noch heidnischen Slawen errichten ließ. Man nimmt an, daß ihr Name auf den Pfalzgrafen Botho von Kärnten zurückgeht und zuerst Botho-Stein lautete.

Die Pottensteiner sind stolz darauf, daß die hl. Elisabeth von Thüringen nach dem Tod ihres Gatten Ludwig zusammen mit ihren drei Kindern auf dieser Burg gewohnt hat. Elisabeth (1207-1231) war ungarische Königstochter und zugleich eine Nichte der hl. Hedwig, der Landesmutter von Schlesien. Als ihr Gemahl, Landgraf Ludwig von Thüringen, auf dem Kreuzzug an der Pest starb, mußte die junge Witwe ihre Güter verlassen. Sie wäre mit ihren Kindern der Not und dem Elend ausgesetzt gewesen, hätte nicht ihr Onkel, Bischof Ekbert von Bamberg, ihr die Burg Pottenstein zum Aufenthalt angeboten, solange bis sie unter dem Schutz der heimkehrenden thüringischen Kreuzfahrer wieder auf ihr Witwengut in Marburg zurückkehren konnte. Dort verzehrte sich ihr junges Leben rasch im Dienst der Liebe für die Armen, Kranken und Aussätzigen. 1231 starb sie aufgerieben und vollendet im Alter von 24 Jahren; schon vier Jahre später wurde sie durch Papst Gregor IX. heiliggesprochen.

Nicht weniger unvergessen blieben für Pater Reus d i e beiden Kirchen seines Heimatortes. In der Pfarrkirche Sankt Bartholomäus war ihm in der hl. Taufe am Tag nach seiner Geburt die Gnade der übernatürlichen Lebensgemeinschaft mit Christus geschenkt worden; hier erlebte er seine erste hl. Kommunion; hier durfte er sein Primizamt feiern. - In der zweiten Kirche des Städtchens, Sankt Kunigund, hielt er manch stille Stunde der Anbetung.

Während des zweiten Weltkrieges, als Pater Reus in Brasilien weilte, machte er sich große Sorgen um seine Angehörigen daheim. Jeden Morgen bei der hl. Messe dachte er auch an sein Heimatstädtchen. So schrieb er am 8. Jan. 1947 an seinen Landsmann, Geistlichen Rat und Pfarrer Michael Schmitt: “Da ich keine andere Hilfe bringen konnte als das Gebet, so habe ich immer meinen Segen bei der hl. Messe nach Pottenstein ausgedehnt, besonders auch auf die Familie Reus.” Tatsächlich blieb seine Heimat Pottenstein von Fliegern ganz verschont. Die Einwohnerzahl des Städtchens, die im Jahr 1940 rund 1000 betrug, ist nach dem Krieg infolge des Zustromes von Heimatvertriebenen aus dem Osten stark angewachsen.

In den letzten Jahrzehnten ist Pottenstein, zwischen Nürnberg und Bayreuth unweit der Autobahn gelegen, ein beliebtes Ziel der Touristen geworden, besonders seit der vollen Erschließung und Instandsetzung der nahen Tropfsteingrotten, die “in märchenhaften Räumen und in einer Länge von 1500 Metern eine seltene Pracht und Fülle von Tropfsteingebilden zeigen”.

Pottenstein gedenkt heute mit Dankbarkeit seines großen begnadeten Sohnes.

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Die Achtung vor dem Priestertum

Bei der Taufe von Johann Baptist am 11. Juli 1868 wurde ein Priester sein Pate; es war der älteste Bruder seines Vaters. Dieser wirkte als Pfarrer und Dechant segensreich in Stadtsteinach (Oberfranken).

Der Priesterberuf war in der Familie Reus hochgeachtet und lag sozusagen in der Tradition der Familie. So ist ein Bruder des Urgroßvaters in den Jesuitenorden eingetreten und in Rom, wenige Jahre vor der Aufhebung des Ordens gestorben. Es war dies Pater Georg Reus, auch aus Pottenstein.

Der Ordensschwesternberuf war ebenfalls in der Familie Reus hochgeschätzt. Eine Schwester unseres Paters trat bei den Franziskanerinnen in Mallersdorf (in Niederbayern) ein; sie starb aber schon mit 29 Jahren in der damals ungarischen, jetzt rumänischen Stadt Oradea Mare.

Eine nahe Verwandte des Paters war Laienschwester im Institut der Englischen Fräulein in Bamberg, Sr. Conradine. Sie vollendete am 9. April 1923 im Ruf der Heiligkeit ihr Leben. Von den zwölf Kindern seines Bruders Friedrich wurden drei Ordensfrauen, davon zwei bei den Dillinger Franziskanerinnen.

So war es eine große Freude für die Eltern unseres kleinen Johannes, als ihnen Rektor Meßbacher, der fünfzig Jahre lang die Knabenschule mit 120 Schülern betreute, nahelegte, ihren Sohn nach Gottes Willen Priester werden zu lassen. Wie mag die gute Mutter sich gefreut haben! Sie hatte doch Johann Baptist in Gößweinstein der Allerheiligsten Dreifaltigkeit geweiht mit der Bitte, ihm die Gnade des Priestertums zu schenken. Aber ob er mit der Gnade auch mitwirken würde?

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Kindheit und Schule

Obwohl “Baptist”, wie er zu Hause gerufen wurde, der jüngste seines Jahrgangs war, gehörte er zu den eifrigsten in der Schule. Er erhielt oft ein besonderes Lob wegen seiner schönen Handschrift und wegen seiner guten Antworten in der Religionsstunde. - Der allgemeine Eindruck in der Erinnerung seiner ersten Schulkameraden war der “eines gut talentierten, gewissenhaften, fleißigen Knaben, der sich an losen Streichen nicht beteiligte”. Von seiner Gewissenhaftigkeit zeugt auch die Tatsache, daß er vor der ersten hl. Kommunion einem Nachbarn etwa fünf Pfennig brachte, um Schadenersatz zu leisten für einige Beeren, die er sich in dessen Garten einmal genommen hatte. Im übrigen war Baptist “ein rechter Bub”, frisch, lebendig und fröhlich. Schon früh wurde er zu Arbeiten herangezogen, wie z. B. zum Hüten der 12-15 Gänse, eine Aufgabe, die er sehr gewissenhaft erfüllte. Auch der Mutter half er gerne im Haus.

Am Weißen Sonntag des Jahres 1880, dem 4. April, ging er zum ersten Mal zum Tisch des Herrn. Seltsam, obwohl er nach seinen eigenen Worten “gut vorbereitet” war, wurde er bei der Gegenwart des himmlischen Gastes durch sonderbare, unfromme Gedanken verwirrt. - Wenn Gott in einer Seele in außergewöhnlicher Weise wirken will, läßt er es nicht selten zu, daß auch der Widersacher, der ewige Neider, die Seele belästigt. Pater Reus war jedenfalls davon überzeugt und schrieb noch am Ende seines Lebens, am 27. Okt. 1946: “Eines scheint mir wahr zu sein, der Teufel hat mich schon als Kind sehr verfolgt.” Außer der Verwirrung bei der ersten hl. Kommunion meinte er damit auch die Bilder von dunklen, bewaffneten Gestalten, die auf ihn einstürmten, oder das Bild einer dunklen Gegend mit schwarzen Mauern, in deren Innerem Feuerflammen lohten. Er rief dann angstvoll nach der Mutter. Die Erklärung glaubte er aber erst in seinen letzten Lebensjahren zu finden, als er das “Leben Jesu” nach den Gesichten der sel. Anna Katharina Emmerich las. Ihr wurde die Hölle in Form eines unübersehbar großen, schwarzen Felsenbaues gezeigt, wie es unser Johann in ähnlicher Weise geschaut hatte.

Er schrieb es später “dem Schutz seines lieben hl. Engels und den Gebeten der frommen Mutter” zu, daß ihm jener Anblick doch keinen nachhaltigen Schrecken eingeflößt hatte.

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Neun Jahre Gymnasium in Bamberg

Am Tag seiner ersten hl. Kommunion zählte der Bub schon zwölf Jahre. Es war Zeit, das Studium zu beginnen. Sein Onkel und Taufpate erklärte sich bereit, für die Studienkosten aufzukommen. Gleichzeitig machte er auch den Vorschlag, daß Baptist zu ihm nach Stadtsteinach komme, wo Kaplan Schwarzmann ihn für die Aufnahmeprüfung am Gymnasium vorbereiten sollte und zwar gleich für die Prüfung in die dritte Klasse. So mußte der Stoff von zwei Jahren des Gymnasiums in etwa vier Monaten bewältigt werden. Immerhin ein Wagnis! Im Mai 1880 verließ also Johann Baptist das Elternhaus und zog zu seinem Onkel.

Kaplan Schwarzmann brachte seinen Schützling Ende September persönlich nach Bamberg und meldete ihn zur Prüfung für die dritte Gymnasialklasse an. Doch der Prüfling bestand die Aufnahmeprüfung nicht. Es, wurde ihm mitgeteilt, er könne seine Papiere auf dem Rektorat wieder abholen. Trotz seiner Schüchternheit und, obwohl ihm niemand dazu geraten hatte, wagte er es, den gestrengen Herrn Rektor zu bitten, daß er bleiben und in die zweite Klasse statt in die dritte eintreten dürfe. Obgleich dieselbe Bitte anderen abgeschlagen wurde, gewährte sie ihm der Rektor, “wahrscheinlich” - so schrieb Pater Reus später -, “weil er sah, daß ich so klein war.” Rückblickend glaubt unser Pater auch in jener Entscheidung ein “erstes sichtbares Eingreifen des Heiligsten Herzens Jesu und der lieben Gottesmutter feststellen zu können”; denn hätte er damals nicht in Bamberg bleiben dürfen, wäre er wohl nicht zum Studium gekommen.

Kaplan Schwarzmann besorgte ihm auch eine Wohnung bei einer gut katholischen Frau. Dort blieb Johann Baptist während seiner neunjährigen Gymnasialzeit.

    Die gute Frau Weyermann
leistete ihm sowie noch einem zweiten Buben wirklichen “Schutzengeldienst”. In seiner Lebensbeschreibung stellte er dieser Frau das schöne Zeugnis aus: “Sie behandelte mich wie ihr Kind. Da ich trotz meiner zwölf Jahre sehr klein war, hatte sie ihre helle Freude an mir und deshalb auch große Geduld. Sie war mir eine wahre Mutter, die an allem Anteil nahm, was auf mich Bezug hatte. Auch später, als ich im Priesterseminar war, blieb sie mir aufrichtig zugetan.”

Wie freute sich der Student jedesmal auf die Ferien in seiner schönen Heimat; auch seine Eltern und Geschwister freuten sich auf das Wiedersehen.

Baptist baute zu Hause für die Gottesmutter eine Grotte, die in seinem Zimmer aufgestellt wurde. Während der Weihnachtsferien stellte er im Wohnzimmer eine selbstgebastelte, große Krippe auf; viele Bekannte kamen und bewunderten sie.

Baptist war mittelmäßig begabt. Er studierte gern. Nur Mathematik lag ihm nicht; sie machte ihm nicht viel Freude; ihretwegen mußte er sogar die sechste Klasse des Gymnasiums wiederholen. Später machte Pater Reus hierzu die Bemerkung: “Es war Nachlässigkeit.” “Hätten Sie etwas getan, dann wären Sie nicht hier!” So sagte der nachfolgende Mathematikprofessor. Diesen Mißerfolg hat Pater Reus nie ganz vergessen.

Neben seinen Pflichtstudien interessierte sich Baptist noch für verschiedene Nebenfächer, so für Italienisch, Hebräisch, Aramäisch und sogar Arabisch. Die Sprachen lagen ihm.

Sein früherer Klassenkamerad, Dr. Josef Metzner, der spätere Direktor des Alten Gymnasiums in Bamberg berichtet: “Reus lernte auch Kurzschrift und Gesang und übte sich im Zeichnen.” - Besonders viel Freude machte ihm das Zitherspiel. Damit bereitete er seinen Kameraden sowie seinen Eltern und Geschwistern viele schöne Stunden.

In seinem Reifezeugnis waren seine Leistungen im allgemeinen als “gut” bewertet. Hervorgehoben wurden besonders sein außerordentlicher Fleiß und seine vollkommen tadellose Haltung. Diese letzten drei Worte sind das schönste Lob, das man einem jungen Mann spenden kann.

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Die Muttergottes führt ihn

Das große Geheimnis seiner jungen Jahre war das beginnende persönliche Verhältnis zum Heiland. Der Weg zu Christus war für ihn Maria, die Mutter des Erlösers.

“Wer zu Maria geht, ist auf dem geraden Weg zu Christus. Er bekommt Wegweisung zur Herzmitte der Welt, zu Jesus Christus. Er schaut das leuchtendste Vorbild der Nachahmung und Nachfolge Christi” (Bischof Graber).

Die gute Frau Weyermann nahm den kleinen Buben jeden Morgen mit in die hl. Messe. Später, als er der Bemutterung entwachsen war, behielt er die Gewohnheit bei. Mit den Schulbüchern unterm Arm ging er jeden Morgen in die Martinskirche, die alte Jesuitenkirche, die nicht weit vom Gymnasium entfernt war. Die hl. Sakramente empfing er, wie vorgeschrieben, drei- bis viermal im Jahr, weil eben niemand ihn zu einem öfteren Empfang anhielt. Erst Papst Pius X. öffnete die Tabernakeltüren weit.

Unser Student hatte eine besondere Liebe zur Muttergottes. Jeden Samstag Abend ging er in die Kirche Unserer Lieben Frau in der oberen Pfarrei. Die Muttergottesandachten dort wurden für ihn zu Gnadenstunden. Besonderen Eindruck auf ihn machte die feierliche Andacht vor dem ausgesetzten Allerheiligsten und dem hellbeleuchteten Bild der himmlischen Mutter. Das Mariengebet, das der Priester jedesmal dabei sprach, klang wie eine Melodie in seiner Seele: “Jungfrau, Muttergottes mein, laß mich ganz dein eigen sein... !” Ebenso das Memorare, das “Gedenke” des hl. Bernhard. Wenn er nach der Andacht den Berg hinabstieg; war ihm stets so froh ums Herz. Da kam ihm, ohne daß er selbst recht wußte, wie und warum, immer wieder die Bitte an die liebe Gottesmutter über die Lippen:

“Laß mich dein armer Priester sein!”

Eine seltsame Bitte. Sie kam aus der Tiefe. Die Mittlerin der Gnaden mochte ihm diese Bitte eingegeben haben. Er dachte dabei nicht an einen Priester, der sich durch ein Gelübde zur Armut verpflichtete. Fast 50 Jahre später erinnerte sich Pater Reus noch genau an dieses Gebet und schrieb: “Sie nahm mich beim Wort und erlangte mir durch ihre Fürbitte, daß ich ein armer Jesuit wurde.” - “Welche Freude hat mir später die vollständige Erfüllung dieses meines Wunsches gemacht! Wie sie doch weit über alles menschliche Verstehen hinaus erhört! Dank sei ihr in alle Ewigkeit!” - Marienliebe ist im letzten Mariennachfolge - Christusnachfolge.

Gerne erinnerte er sich auch daran, wie er, einem Versprechen getreu, einige Kerzen vor dem Bild der Gottesmutter anzündete. Dies war nach seinen eigenen Worten - für einen Studenten eine große Demütigung. Die gütige Mutter, so meint er, habe ihm dafür ein anderes Licht angezündet, das Licht der Erkenntnis von der Schönheit des Ordensberufes und das Glutfeuer der Gottesliebe, das sie selbst tief im Herzen trug. Beim Gedanken daran schreibt er in Dankbarkeit: “O liebste Mutter, o meine Herzensliebe, wie ich dich liebe!”

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Er wird Soldat

Nach seinem Gymnasialstudium mußte Johann Baptist Reus in die Kaserne. Seit den Kulturkampfzeiten von 1874-1890 bestand in Deutschland auch für die Theologen die Pflicht zum Heeresdienst. Die abgeschlossene 6. Klasse des Gymnasiums gab aber das Recht, die Dienstpflicht als “Einjährig-Freiwilliger” zu leisten. Bevor er am 1. Okt. 1889 in die Kaserne zu Bamberg einzog, mußte er sich im Priesterseminar von Bamberg anmelden. Der kleine Gymnasiast war inzwischen zu einem stattlichen jungen Mann von 1,80 m Größe herangewachsen. Für die Anmeldung im Priesterseminar brauchte er ein Gesundheitszeugnis. Da meinte der Arzt: “Ein so schöner junger Mann!” Auch geschah es, daß man einmal in einer Familie in seiner Gegenwart von seinem Priesterberuf sprach und eine Frau die taktlose Bemerkung machte: “Wie schade! Ein so hübscher Student!” Diesem Bericht fügt Pater Reus hinzu: “Daß solche Taktlosigkeiten kein größeres Unglück veranlaßten, war Gnade Gottes.” Die liebe Mutter im Himmel wachte über ihn.

Der “Einjährige” Reus
war ein strammer Soldat. Er wurde nach kurzer Zeit zum Gefreiten, später zum Unteroffizier und - nach einem mit viel “Glück” bestandenen Offiziersexamen zum Offiziersaspiranten befördert. Dieses letzte Recht mußte jedoch geopfert werden, weil nach damaliger Auffassung das Priestertum mit dem Stand eines Offiziers unvereinbar war.

Die Gedanken an das Priestertum würden ihm beim Militär schon vergehen, so hatte ihm ein Freund gesagt. Es fehlte auch nicht an Versuchungen und an Gelegenheiten zu groben Ausschreitungen. Als ihn einer seiner Kameraden einlud, sich einmal das Treiben in einem der schlechten Häuser anzusehen, erhielt er als Antwort ein so entschiedenes “Nein - niemals!”, daß keiner mehr wagte, ihm ähnliche Vorschläge zu machen. Aus dem Heeresdienst wurde der Offiziersaspirant am 1. Okt 1890 mit einem sehr ehrenvollen Führungszeugnis entlassen. Etwas militärisch Strammes; sowie eine gerade und aufrechte Haltung in jeder Hinsicht hat Reus sein Leben lang bewahrt.

Ein stark ausgeprägtes Ehrgefühl mit der Neigung zu vielleicht allzu großer Strenge und einer fast übergroßen Empfindlichkeit blieben bei all seiner heroischen Demut und Tugend doch immer an ihm bemerkbar.

Sein schwerster Entschluß

Von Kindheit auf hatte Johannes keinen heißeren Wunsch gekannt als Priester zu werden. Und nun das Unglaubliche! Als er das Gymnasium hinter sich hatte und ins Priesterseminar eintreten konnte, hatte er einen ausgesprochenen Widerwillen gegen diesen Eintritt. Auf den dringenden Rat des Onkels und der Mutter wollte er es doch versuchen. Aber eigenartig: Gerade in der Kirche war der innere Widerstand am unerträglichsten. Manchmal weinte er vor lauter Ratlosigkeit und innerer Pein und sagte halblaut vor sich hin: “Ich kann nicht, ich kann nicht!” Der Herr aber, den er immer wieder rief, nahm ihm die Schwierigkeit nicht weg, zog ihn aber doch mit innerer Gewalt, daß er trotz des seltsamen Widerstrebens am festgesetzten Tage die Schwelle des Priesterseminars in Bamberg überschritt. An diesem Tag, am 20. Okt. 1890, verschob er aber den Eintritt bis auf die letzte Minute. Punkt 6 Uhr abends!

Von dem Augenblick an aber, da er das Priesterseminar betrat, war aller Widerwille wie weggeblasen. “Der Zauber war gebrochen”, schrieb er später und führte an dieser Stelle zum erstenmal die nachher oft von ihm wiederholte Bitte an: “Dränge unseren Willen, o Herr, auch wenn er sich auflehnt, in Gnaden zu Dir!” - Gebet hat immer erhellende Kraft.

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Er bereitet sich auf das Priestertum vor

Gleich nach seinem Eintritt ins Seminar hatte Reus Gelegenheit, zum erstenmal in seinem Leben dreitägige ignatianische Exerzitien zu machen. Drei Tage stiller Gottverbundenheit und ernsten Betrachtens beglückten seine Seele. Es ist ganz hell geworden in ihm. Wie “Tag und Nacht”, bezeichnet er seine Geisteshaltung vorher und nachher.

Gott hatte diese Seele zur innigsten Vereinigung mit Sich berufen; Er schuf die dafür notwendige Voraussetzung: ein ganz ernsthaftes Ringen gegen die Sünde. “Rein sein wie ein Engel!” So lautete der Exerzitienvorsatz des Seminaristen; darnach ging fortan sein Streben. Den Hauptbeweggrund und die Kraft dazu gab ihm seine Liebe zum Heiland, besonders zum göttlichen Kind in der Krippe. Darüber schrieb Pater Reus später in seinem Tagebuch: “Die liebe Gottesmutter flößte mir zuerst Liebe zu ihrem göttlichen Kind ein. Dieses Kind zu lieben, dafür war ich zu haben. In ihrem Heiligtum der oberen Pfarrei hatte ich die Krippe gesehen und bewundert; denn sie bot jede Woche eine neue Szene. Die Freude daran brachte mich dazu, mir ein Novenen-Büchlein vom Jesuskind zu kaufen und diese Andacht zu halten. Es zog ein großes Vertrauen und eine innige Liebe zum Jesuskind in mein Herz ein.”

Es wundert uns nicht, daß sich seine Liebe zum Jesuskind bald auch in gleicher Innigkeit der immerwährenden Krippe auf dem Altar zuwandte; hier erneuert sich gleichsam das Geheimnis von Bethlehem; hier ist der Heiland auf dem Altar und im Tabernakel wahrhaft und wirklich lebendig unter uns. Während sich Reus zuerst gewundert hatte, daß einige Alumnen nach dem gemeinsamen Gebet noch in der Kapelle knien blieben, war nunmehr der Heiland im heiligsten Sakrament auch für ihn zum wirklichen Magnet geworden.

Jesus sollte immer mehr zur Herzmitte seines Lebens werden.

Zu gleicher Zeit wurde die hl. Kommunion die große Sehnsucht seines Herzens.

Oft saß Reus im Sommer auf der schönen Plattform des Seminarturms, von wo aus man die türmereiche Stadt Bamberg überblicken konnte. Sein Auge suchte all die Kirchen, in denen er den göttlichen Heiland auf dem Altar verborgen wußte.

In allen betete er Ihn an. Er hatte Herzenskontakt mit Ihm. Reus erzählte aber niemand von seinem Geheimnis.

Da er die Liebe des Herrn so lebendig erfuhr, bedurfte es nur einer Anregung, sich mit Freude, ja Begeisterung die Andachtsübung zum Herzen Jesu zu eigen zu machen. Jesu tiefstes Wesen ist Liebe. Seiner gottmenschlichen Liebe verdanken wir alles. Sein Herz ist der Inbegriff dieser Liebe.

Bald nach dem Eintritt ins Seminar wurden alle in die Herz-Jesu-Bruderschaft aufgenommen. Die göttliche Vorsehung bediente sich dann eines Buches: “Herz-JesuAndacht für Theologie-Studierende”, um ihn gleichsam seine tiefste Berufung finden zu lassen. Die darin angegebene Weiheformel schrieb er sich ab und betete sie von da an täglich. Ein Herz-Jesu-Bild stellte er auf sein Pult. Für die Andacht warb er auch zu Hause bei seinen Geschwistern und hielt mit seinen zwei jüngeren Schwestern eine dreitägige Andacht zum heiligsten Herzen Jesu in einem aussichtslos scheinenden Gerichtsverfahren seines Vaters; dieses nahm einen unerwartet günstigen Ausgang. Die Freude war groß.

Nachdem Reus nun das Leitmotiv seines Lebens gefunden hatte, drängte es ihn, seine Liebe zum heiligsten Herzen auch durch tägliche Opfer zu beweisen. Seine Liebe machte ihn erfinderisch im Verzichten, im Erdulden und Sichbeherrschen. Liebe kann nicht anders als liebend opfern.

Im allgemeinen fiel Reus durch keine besonderen Talente oder Anlagen auf, höchstens durch sein blasses Gesicht, das durch seine tiefschwarzen Haare noch mehr betont wurde. Dennoch hatten alle, die mit ihm umgingen, den Eindruck, daß in ihm etwas Außergewöhnliches vorging.

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Gerufen zur Heiligkeit

Weil Johann Baptist Reus den Heiland aufrichtig liebte, wollte er auch Seinem Herzen möglichst ähnlich werden. Deshalb drängte sich ihm immer mehr der Gedanke an den Ordensstand als den Stand der Vollkommenheit auf. Er interessierte sich besonders für die Jesuiten, weil dieser Orden so viele Heilige hervorgebracht hatte. Reus hatte noch nie in seinem Leben einen Jesuiten gesehen; er kannte sie nur aus Büchern und an den Bildern zweier heiligmäßiger Jesuiten im elterlichen Hause. Auch wußte er, daß ein Bruder des Urgroßvaters in Rom als Jesuit gestorben war. Am meisten mochte ihn bei seinen Eintrittsexerzitien ins Priesterseminar die Gestalt des Ordensgründers, des hl. Ignatius von Loyola, angezogen haben. Wer steht nicht in Ehrfurcht vor dem genialen Lebenswerk dieses “Soldaten Christi”! Ihm hat die Gnade durch eine schwere Verwundung die irdische, glänzende Laufbahn zerschlagen, aber ihm gerade dadurch neue Perspektiven geöffnet, wodurch er zum Größten für das Reich Gottes befähigt wurde: Ein Leben nur noch für die “größere Ehre Gottes”.

Als es sich bei Reus im Seminar um die tatsächliche Ausführung seines Entschlusses handelte, ergriff ihn wiederum ein heftiges Widerstreben dagegen. Es lehnte sich sein ganzes Innere gegen den Ordensberuf auf. Gott macht es Seinen Heiligen nicht leicht. So war und ist es immer: Alles Große muß erbetet, erkämpft, eropfert werden. Gott läßt das Wüten Satans zu, damit die Seele lerne, die Treue zu wahren und die Verdienste zu mehren.

Am 2. April 1892 wurde Reus zum Subdiakon geweiht. Diesen Tag ersehnte er gleichsam als “dies nuptialis”, als seinen “Hochzeitstag”, weil er sich damit für immer dem Geliebten seiner Seele übergab. Vierzehn Tage später, am 16. April 1892, wurde er Diakon. Am 21. April 1892 starb sein Onkel und Pate, Dekan Reus, der so großherzig für sein Patenkind gesorgt hatte. Am Weißen Sonntag wurde er begraben.

Um Klarheit in seinem Anliegen zu erhalten, begann Johann Baptist mit den sechs aloysianischen Sonntagen, zur Erinnerung an die sechs Jahre, die der hl. Aloisius im Orden der Gesellschaft Jesu zugebracht hatte; dennoch wollte das vom Herzen erwartete “Ja” nicht über seine Lippen kommen. Es waren schwere Monate des Ringens. Endlich, am 3. Juni 1892, es war an einem Herz-Jesu-Freitag, da sagte er beim Besuch des heiligsten Sakramentes innerlich sein entscheidendes 

       “Ja” zum Eintritt in die Gesellschaft Jesu.

Im September 1892 fuhr er in die holländische Stadt Exaeten bei Roermond, wo er zum erstenmal in seinem Leben leibhaftige Jesuiten sah. Im dortigen Kloster wurde er von vier Patres über seinen Ordensberuf geprüft. Das Ergebnis war, daß man ihn am gleichen Tag in die Gesellschaft Jesu aufnahm. Seine Seele jubelte. Der Pater Provinzial riet ihm aber, sich zuerst in seiner Heimatdiözese zum Priester weihen zu lassen.

Der erste Gang des neuen Kandidaten der Gesellschaft Jesu galt der lieben Mutter Gottes, der Mittlerin aller Gnaden. Er fuhr zum nahen berühmten Wallfahrtsort Kevelaer (Rheinland).An dieser großen Gnadenstätte wird seit Jahrhunderten die Trösterin der Betrübten verehrt. Eine Stätte großen Segens! Er wollte der Muttergottes Dank sagen. Unterwegs kam ihm erst so recht zum Bewußtsein, daß er nunmehr erreicht hatte, worum er so viel und so schwer hatte ringen müssen. Tief war sein Dank. Es schien ihm fast zuviel des Glückes; er glaubte zu träumen. Vierzig Jahre später noch erinnerte er sich genau an den reichen Schmuck des Wallfahrtsortes Kevelaer, der ganz zu seiner Seelenstimmung paßte.

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Priester Gottes

Am 30. Juli 1893 wurde Johann Baptist Reus im Bamberger Dom, wo der deutsche Papst Klemens II. sowie das hl. Kaiserpaar Heinrich und Kunigund begraben liegen, zusammen mit siebzehn anderen Diakonen durch Erzbischof Josef von Schork zum Priester geweiht.

Exerzitien leiteten den Weihetag ein. Es waren Tage der Stille und Seelenbereitung. Reus bot sich dem Herrn als Opfer an. Er wußte, daß er heilig sein müsse als Priester Gottes, “um mit seinen geweihten Händen die hl. Hostie berühren zu dürfen”. Er fühlte die große Verantwortung, die er als solcher auf sich nehmen würde. Aber mit ganzem Vertrauen warf er sich in die Vaterarme Gottes, mit ganzer Hingabe an die Brust seines Meisters. Kindlich wandte er sich auch an seine himmlische Mutter, die ihm stets eine treue Führerin gewesen.

Sein Vorsatz lautete: “Mein Gott, ich will Dich recht herzlich, recht innig lieben mit der reinsten, heiligsten, mit der bräutlichen Gottesliebe.” - So schrieb er in seine Selbstbiographie.*

Sein Vater nahm an der hl. Feier teil. Voll tiefen Dankes fuhren Vater und Sohn am gleichen Tag heim nach Pottenstein. Am folgenden Tag, am Fest des hl. Ignatius, konnte er in seiner Heimatgemeinde sein erstes hl. Meßopfer feiern. Pater Reus nennt in seinen Aufzeichnungen den Tag der Priesterweihe “einen erschütternden Tag, an dem der göttliche Bräutigam sich mir ganz übergab”.

* Diese und andere häufig wiederkehrenden zärtlichen Ausdrücke lassen die Vermutung aufsteigen, Reus sei vielleicht recht sentimental veranlagt gewesen; im Gegenteil. Er galt als sehr nüchtern und zurückhaltend. Diese Ausdrücke voll Zärtlichkeit waren die Wirkung einer tiefen, echten und ehrlichen Liebe zu Christus einerseits und einer ungewöhnlichen Gnade der Liebe andererseits.

Den Primiztag nannte er “einen Tag des Erschauerns”.

Diese Seine erste hl. Messe

feierte Pater Reus unter jubelnder Anteilnahme seiner Landsleute in der Pfarrkirche seiner Heimatgemeinde Pottenstein. Am folgenden Tag sang er feierlich das Hochamt in der dortigen Kirche Sankt Kunigund, in der er oft Zwiesprache mit dem eucharistischen Heiland gehalten hatte. Am dritten Tag nach seiner Weihe hielt er einen Dankgottesdienst am Gnadenaltar der Wallfahrtskirche zur heiligsten Dreifaltigkeit in Gößweinstein, wo seine Mutter ihn als Kind schon dem Dreieinigen Gott geweiht hatte, mit der Bitte, daß er einmal Priester werden dürfe.

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Ein Seelsorger voll Feuereifer

Nach der Priesterweihe wäre der Primiziant am liebsten gleich bei den Jesuiten eingetreten, weil er dort am sichersten sein Ziel zu erreichen hoffte, nämlich möglichst heilig zu werden. Sein Ziel stand hoch und darum entschied er sich für diesen Orden. Um aber dort einzutreten, brauchte er die Genehmigung seines Bischofs. Begreiflicherweise wollte dieser den Neupriester nicht gerne ziehen lassen, weil er ihn für die Pfarrseelsorge benötigte. Also vertröstete er ihn damit, daß er erst nach einem Jahr Pfarrseelsorge gehen könne, hoffend, er werde dann seinen Plan wieder aufgeben. Er rechnete aber nicht damit, daß Reus “ein Mann ohne Kompromisse” war.

Der Bischof schickte den Neupriester Reus nach Neuhaus an der Pegnitz. Dort wirkte dieser vom 6. Sept. 1893 bis zum 15. Okt. 1894. Der damals 65-jährige Pfarrer von Neuhaus, Anton Held, bezeichnete seinen jungen Kaplan als einen “Priester nach dem Herzen Jesu”. - Kaplan Reus hatte neben anderen Ortschaften vor allem die Filiale Ranna zu betreuen. Diese lag eine halbe Stunde vom Pfarrdorf entfernt. In den Monaten März bis Mai 1894 war er gleichzeitig Pfarrverweser des benachbarten Ortes Hartenstein. So kam es, daß er bei Wind und Wetter gar weite Wege zu Fuß (!) zurücklegen mußte.

Für den opferfreudigen Neupriester
war das eine Selbstverständlichkeit. Jedes Opfer galt ja dem eucharistischen Herrn. Die Schulkinder von Ranna eiferte er an, die neun ersten Freitage zu Ehren des heiligsten Herzens Jesu zu halten. Um sie alle auch zur himmlischen Mutter zu führen, ließ er eine große Menge Rosenkränze kommen und teilte sie an die Kinder aus. Auch verbreitete er das Skapulier unserer Lieben Frau vom Berg Karmel. Er wußte diese gnadenbringenden Sakramentalien der Kirche zu schätzen. Eine besondere seelsorgerliche Liebe hatte er zu den Armen. Er sah, wie er selbst schrieb, in ihnen den göttlichen Heiland so lebendig vor sich, daß er es nicht wagte, ihnen nur eine kleine Pfennigmünze, wie früher üblich, zu geben. Was er selbst geschenkt bekam, brachte er gerne im geheimen den Armen und Kranken.

Von seinem bescheidenen Gehalt schaffe er für die Kirchen von Neuhaus und Ranna je eine Statue der heiligsten Herzen Jesu und Mariä an. Für neue Kreuzwegstationen ging er von Haus zu Haus betteln.

 

Eine besondere Liebe hatte er für die Armen Seelen.

Um ihnen helfen zu können, gewann er soviel Ablässe, als es ihm irgendwie möglich war. Am 17. Nov. 1893 vollzog er den Armen Seelen zuliebe den sogenannten “Heroischen Liebesakt”; damit ist der Verzicht auf die Zuwendung all der guten Werke, über die man verfügen kann, zugunsten der Armen Seelen gemeint. Dieser Entschluß fiel ihm nicht ganz leicht; auch der böse Feind machte ihm diesbezüglich zu schaffen. Seine größte Sorge war, er könne einmal, wie die Armen Seelen, von Gott eine Zeitlang getrennt werden. Aber der Unendliche läßt sich nie an Großmut übertreffen. Später versicherte ihm der Herr mehrmals, “daß er niemals von ihm getrennt werde”.

Kaplan Reus entwickelte einen heroischen Gebets- und Bußeifer. Es war echte Liebe zum Herrn. Er wollte vor allem sühnen für die vielen Beleidigungen, die dem heiligsten Herzen Jesu zugefügt werden, auch für die Schmach, die Seiner geliebten Mutter Maria angetan wird. Deshalb feierte er auch jeden Monat bis zum Ende seines Lebens je eine hl. Messe zu Ehren des Erlöserherzens und eine zum reinsten Herzen Mariens. Weihnachten 1893 machte er das förmliche Gelübde, die Herz-Jesu-Verehrung nach Möglichkeit zu verbreiten. Ein hochherziger Entschluß! Beim Gedanken an Jesus dachte er fast immer an dessen unbegreifliche Liebe zu den Menschen. Symbol dafür war Sein göttliches Herz; darum redete er fast nur vom “heiligsten Herzen Jesu”, wenn er den Heiland selber meinte. Für ihn war, “das heiligste Herz” der Erlöser selbst, dessen tiefstes Wesen Liebe ist, dessen gottmenschlicher Liebe wir alles verdanken.

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Er erfährt zum erstenmal die liebende Nähe Gottes

Reus war ein Mann, der in allem, was er tat, aufs Ganze ging. Von der Liebe gedrängt und, um hl. Sühne zu leisten, besuchte er nicht nur tagsüber, sondern auch nachts öfters die Kirche, obwohl er ohne Licht durch den dunklen Friedhof gehen mußte. Er wollte immer nahe bei dem sein, den er liebte. Liebe will nahe sein, Liebe will Zwiesprache halten.

Vor dem Tabernakel erhielt er auch die erste mystische Gnade, deren sich Pater Reus erinnerte. Er schreibt darüber in seinen späteren Aufzeichnungen, die er auf Geheiß seines Obern machen mußte - übrigens “die größte Demütigung seines Lebens” -, folgendes: “Auf einmal überkam mich die Nähe Gottes. Es schien mir, als ginge ich in Gott ein und als sei ich ganz eingetaucht in Ihn, zugleich mit dem süßesten inneren Frieden.” - Es war “ein Erfahren Gottes in Seinen übernatürlichen Einwirkungen auf die Seele”.

Erst zwanzig Jahre später wurde ihm, der stets ein nüchtern denkender Mensch war, und der nie mystische Gnaden erstrebte, ja sogar eine ausgesprochene Abneigung gegen alles Mystische empfand, ganz klar, daß Gott ihm hier die erste mystische Gnade gewährt hatte. Sein Grundsatz war, sich ganz auf die Hl. Schrift als dem unbeirrbaren, lebendigen Wort Gottes einzustellen. Er hielt sich daran. Er durfte aber auch die Wahrheit der in der Schrift enthaltenen Herrenworte in ihrer überaus beglückenden Erfüllung erfahren: “Wer Mich liebt, wird von Meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und Mich ihm offenbaren.”

Die außergewöhnlichen Gnaden, die Pater Reus in seinem Leben erfahren durfte und von denen hier noch die Rede sein wird, waren freies Geschenk der Liebe Gottes; Gott schenkt Seine Gnaden auch heute noch, wann und wo und wie und wem Er will. Gott ist die Liebe, die sich verströmende, ewige Liebe. Er aber zwingt seine Gnaden keinem auf. - Für Seine Liebe müssen die Herzen bereitwillig geöffnet sein: in Demut - Vertrauen - Hingabe.

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Jede Sendung muß im Kreuz verankert sein

Ein volles Jahr stand Kaplan Reus bereits in der Seelsorgsarbeit. Keinen Tag vergaß er, daß er bereits die Aufnahme in die Gesellschaft Jesu hatte. Die Frage aber, wann er den Eintritt verwirklichen könne, hielt ihn beständig in Atem; er wollte “heilig” werden, dazu mußte er dem folgen, der ihn gerufen hatte. In seiner inneren Not betete er oft zum Herzen Jesu: “Zeige Deine Macht, o geliebtes Herz!” Er wandte sich auch an Maria, seine Mutter, an den Ordensstifter Sankt Ignatius und die übrigen Heiligen der Gesellschaft Jesu. Er erneuerte immer wieder sein Vertrauen und seinen festen Willen: “Ich werde die Kette zerreißen, mit der ich an die Welt gekettet bin. Du, o starker Gott, wirst mich stärken.”

Er versäumte nicht, seine Bitte ein paarmal an den Herrn Erzbischof heranzutragen, schriftlich und mündlich, doch erhielt er als Antwort nur freundliche Worte und Vertröstungen. Am 26. Sept. 1894 machte er nochmals einen Versuch, vom Oberhirten die gewünschte Erlaubnis zu erhalten. Er fuhr zu diesem Zweck nach Bamberg, wurde aber gar nicht vorgelassen.

Kaplan Reus litt sehr
unter dem inneren Drängen und unter der Nichterfüllung seines Herzenswunsches. Ein bekannter Jesuitenpater, Professor der Moraltheologie, hatte ihm nahe gelegt, den Eintritt nicht mehr länger aufzuschieben. Inzwischen aber hatte ihm sein guter Freund, Subregens Geiger*, den er auf dem laufenden gehalten hatte, die Erlaubnis des Bischofs erwirkt. *[später Dompfarrer]

Auf diese freudige Nachricht hin schrieb Reus sofort nach Exaeten, daß er am 15. Oktober abreisen und am folgenden Tag dort eintreffen werde. Aus übervollem Herzen dankte er der lieben Gottesmutter und den himmlischen Freunden, daß sie ihm das Tor öffnen halfen. Um den Schmerz seiner Eltern und Geschwister nicht zu vergrößern, machte er keine persönlichen Abschiedsbesuche in seiner Heimat. Er hing zu sehr an seinen Angehörigen und wußte um den vermehrten Schmerz, den er ihnen bereiten würde. Vor allem wollte er selber seinem Heiland ein vollständiges Opfer bringen. Er verabschiedete sich darum nur schriftlich von den Seinen.

Trotz allen Großmuts, trotz aller drängenden Sehnsucht nach dem Orden, ja trotz seiner Freude, “die Welt endlich los zu sein”, empfand der angehende Jesuiten-Novize die Größe des Opfers. Als er durch Würzburg fuhr, wo er liebe Verwandte hatte, wurde auf einmal der ganze Trennungsschmerz lebendig: Das Opfer, für immer von seinen Angehörigen und seiner Heimat Abschied nehmen zu müssen, stand groß vor ihm. Aber er wußte: Jede Sendung muß im Kreuz verankert sein. Nur aus dem Opfer quillt Segen.

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Im Noviziat der Gesellschaft Jesu

Nach einer Nachtfahrt bis Köln hatte Reus im Dom die hl. Messe gefeiert und war dann bis zur deutschen Grenzstation Goch gefahren. Von dort ging er zu Fuß nach Belijenbeek, einem alten Kastell, das im Jahr 1873 den aus Deutschland vertriebenen Jesuiten als Noviziatshaus zur Verfügung gestellt worden war. Mit Reus waren 60 junge Menschen, darunter 9 Priester, eingetreten. Wenige Wochen später begannen die dreißigtägigen “geistlichen Übungen” des hl. Ignatius in ihrer vollen ursprünglichen Form mit vier oder fünf Betrachtungsstunden am Tag. Sie schienen dem jungen Novizen keineswegs zu lang und zu beschwerlich. Nur eine kleine Sorge hatte er zu Beginn der Exerzitien: wie es wohl mit seinem Knie gehen werde, das vom Seminar her immer noch geschwollen war. Ohne irgendeine Ausnahme zu machen, hielt er alle Betrachtungen und Gebete kniend. Und “sonderbar, am Ende der Exerzitien war auch die Geschwulst am Knie vollständig verschwunden”. Dieses kleine Beispiel blieb unvergessen für sein ganzes Leben und hat dazu beigetragen, sein Vertrauen zu stärken, daß Gott schon für seine Gesundheit sorgen werde, wenn er sich mehr von der Großmut der Liebe als von der Rücksicht auf sein Wohlbefinden leiten lasse. Am 23. Dez. 1894 schrieb Reus
das Programm seines geistlichen Lebens
nieder. Dieses erstrebt nichts anderes als das Einswerden mit dem Herzen Jesu, und zwar durch die Fürbitte Mariens. Der Weg zu diesem Hochziel soll nach seinen Worten “ein unersättliches Verlangen nach dem Herzen Jesu und Seinen Tugenden, besonders Seiner Liebe und Demut sein”. Eine solche Sehnsucht habe Maria vor der Verkündigung gehabt, desgleichen der hl. Josef, der als “gerechter Mann” das Reich des Messias erwartete, ebenso die Hirten von Bethlehem, Maria Magdalena und andere. Zur Begründung für dieses sein hochgezieltes Streben schrieb er: “Ohne Maß hat mich das teuerste Herz Jesu geliebt, und ohne Maß will ich Es lieben, soweit ich es vermag; nichts anderes will ich, als daß ich ganz Gottes sei... Um diese Liebe zu erlangen, will ich die Demut erwerben, denn durch sie hat unser Herr alles überwunden.”

Die Exerzitien lehrten ihn, die Nachfolge Christi zum Hauptgegenstand seines Betens und Strebens zu machen, denn dazu drängte ja schon der Name eines S. J. (eines Sozius oder Gefährten Jesu).

Als besondere Schule der Demut, der Geduld und des Gottvertrauens hatte der hl. Ignatius für die Novizen der Gesellschaft Jesu die sogenannte Bettel- oder Pilgerreise bestimmt. Ihre Reiseroute war genau vorgeschrieben. Die tägliche Unterkunft und ihre Verpflegung sollten die Novizen dabei “um der Liebe Christi willen” bei guten Leuten erbitten, meist in Pfarrhäusern und Klöstern, den Weg größtenteils zu Fuß machen, ganz gleich bei welchem Wetter. Die Bettelreise unseres Paters Johannes, zusammen mit einem Mitnovizen, dauerte vom 24. Juni bis zum 15. Juli und führte bis ins Westfalenland. Sie legte manche Prüfungen und Überwindungen auf. Am Ende dieser Reise schrieb Pater Reus in sein Tagebuch: “Ein unvergeßlicher Eindruck blieb mir vom Münsterland, von den schönen, schmucken Kirchen und den guten Priesterherzen.”

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Pater Eberschweiler wird sein Spiritual

Es war eine gütige Fügung der Vorsehung, daß Pater Reus im zweiten Noviziatsjahr 1895/96 in Exaeten den heiligmäßigen aus Püttlingen/Saar stammenden Pater Wilhelm Eberschweiler als Spiritual bekam. Dessen Art der geistlichen Führung sagte ihm sehr zu. Pater Eberschweiler, ein von tiefer Christusliebe erfüllter, vorbildlicher Ordensmann, ermunterte zum beharrlichen Streben nach Heiligkeit. Er erkannte stets an, wo etwas anzuerkennen war, und machte damit viel Mut. Pater Reus verehrte ihn sehr und versuchte, ihn möglichst nachzuahmen.

Bezeichnend für die echt priesterliche Gesinnung von Pater Eberschweiler ist dessen Aufzeichnung vom Sankt-Theresien-Tag (15.10.) 1876: “Als ich heute bei der Danksagung meinen Jesus inständig bat, er möge mich (armen Sünder) zu einem Heiligen machen, nicht meinetwegen, sondern Seinetwegen... und des himmlischen Vaters wegen, da ließ Er mich erkennen, daß Er mir wirklich diesen besonderen Beruf gegeben habe, nämlich, daß ich selbst immer vollkommener meinen Gott liebe und glühend danach verlange, Er möge von allen erkannt und geliebt werden, endlich, daß ich nach Kräften dazu beitrage, daß recht viele Ihn wahrhaft und immer vollkommener lieben mögen.” Pater Eberschweiler machte das Ordensziel seines hl. Ordensstifters Ignatius “Alles zur größeren Ehre Gottes”, wirklich zu seinem Lebensziel. Als er am 23. Dez. 1921 in Exaeten hochbetagt starb, war man überzeugt, daß hier ein Heiliger heimgegangen sei. Der Heiligsprechungsprozeß für ihn ist seit 1951 eingeleitet. Nach Vollendung des Informativprozesses wurde Pater Wilhelm Eberschweiler am 16. Mai 1958 in der “Jesuitenkirche” (Kirche des Priesterseminars) zu Trier beigesetzt. Die Grabplatte trägt die Inschrift: Ein Apostel froher Gottesliebe erwartet hier die Auferstehung. - Das Grab dieses großen Gottliebenden wird täglich von Vertrauenden besucht. Zahlreich sind die Gebetserhörungen, die auf seine Fürbitte hin schon geschahen. Viele seiner Ansprachen und Aussprüche sind weithin im Volk verbreitet und ermutigen zu einem innerlichen, gottverbundenen Leben.

Unter der geistlichen Führung dieses begnadeten Priesters durfte Pater Reus am 1. Nov. 1895 die privaten Ordensgelübde ablegen.

An diesem Allerheiligentag - zugleich Herz-Jesu-Freitag - schenkte sich der opferbereite Novize aufs neue dem göttlichen Meister. Er schrieb an jenem Tag unter anderem: “Meinen Leib, meine Seele, alles, was ich habe, gehört Deinem heiligsten Herzen, denn Du hast Dich gewürdigt, heute meine Gelübde der immerwährenden Armut, Keuschheit und des Gehorsams anzunehmen. Jetzt kann ich Dich noch viel mehr den Geliebten nennen, weil ich nichts mehr habe als Dein heiligstes Herz und nichts mehr verlangen kann als die Liebe Deines Herzens.”

Am Ende der Jahresexerzitien erhielt der überglückliche Novize die innere Gewißheit über seine besondere Berufung und den Weg, den Gott ihn führen wolle. Auf die Liebe eines großmütigen Herzens antwortet Gott immer mit Großmut. Er greift aber den freien Willen bei keinem Menschen vor. Am letzten Tag der Exerzitien, am 29. Aug. 1896, schrieb Pater Reus: “Ich bin gewiß, daß ich erreichen werde, was Du willst, mein geliebter Seelenbräutigam: Die Heiligkeit, nicht eine glänzende, sondern eine verachtete. - O Maria, freigebige Mutter, schütze mich, damit ich durchhalte.”

Nicht eine glänzende Heiligkeit

Dies ist tatsächlich wahr geworden, denn Pater Reus hatte kaum Gelegenheit zu glänzenden äußeren Werken des Seeleneifers oder sonstwie zu hervorstechenden Taten in seinem Priesterleben. Der Himmel scheint dadurch bestätigt zu haben, daß gerade diese verborgene, “nicht glänzende, sondern verachtete” Heiligkeit in den Augen Gottes um so größer war, je mehr sie vollkommene, restlose Hinopferung aus Liebe und Angleichung an den mit Dornen gekrönten gekreuzigten Gottkönig der Liebe geworden ist. Das Größte ist die Liebe und nicht der Erfolg und nicht die Leistung, die man heute vielfach allein noch anbetet. Die Liebe ist das Höchste, sie währt in alle Ewigkeit.

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Jeder Edelstein muß geschliffen werden

Diente das zweite Noviziatsjahr in Exaeten neben der Vertiefung des geistlichen Lebens, vor allem auch dem Studium der Rhetorik (Redekunst), so folgte anschließend die Wiederholung und Vertiefung seiner philosophischen und theologischen Studien in Valkenburg (Holland). Dort durfte er zum Abschluß seines Noviziates am 18. Okt. 1896 feierlich die ersten hl. Ordensgelübde ablegen. Durch sie band er sich endgültig an den Orden. Das bedeutete für ihn die Erfüllung seines einstigen inbrünstigen Gebetes zur Gottesmutter: “Laß mich Dein armer Priester sein!” Den verschwiegenen Blättern seines Tagebuches vertraute er seinen tiefen Dank dafür und die überströmende Freude seines Herzens an: “Maria, liebste Mutter, zuerst hast du mich zum Priester gemacht und dann zum armen Priester (durch das Gelübde der Armut). Wie soll ich dir dafür danken!”

Welch unendlicher Segen, wenn auch in unserer Zeit der Glaubenskrise der Priester- und Ordensberuf mit solchem Glauben, mit solcher Liebe ergriffen und erfüllt würde! Möchten doch unsere Gläubigen diese Gnade recht vielen erbeten helfen! ‘Hl. Priester - ein hl. Volk!” “Das Volk hat die Priester, die es verdient”, so sagt eine alte Volksweisheit.

Pater Reus war wirklich ein großer, den Heiland liebender Priester. Er liebte nicht etwa mit Worten. 

Er brachte Opfer, viele Opfer,
um seinem Meister ähnlich zu werden. So verlangt es ja auch das Ordensideal. Er erkannte die Aufgabe des Sich-nie-Gehenlassens und Sich-nie-Nachgebens als Stählung im Kampf gegen die höllischen Mächte. Pater Reus war darum bestrebt, seine stark ausgeprägte Neigung zur Ehrsucht und seine empfindliche Natur ganz der Liebe Gottes zum Opfer zu bringen. Er wollte die Eigenliebe, soweit sie der Liebe Gottes entgegenstand, bis in die Wurzeln hinein treffen. Darum sprach er fast nie von seinen Vorzügen, um so häufiger aber absichtlich von seinem Versagen und seinen Fehlern. Darum ertrug er tapfer seine nüchterne, wenig umgängliche Art sowie sein zur Enge und übertriebener Strenge neigendes Wesen, das ihm bei den Mitbrüdern manche Hänseleien, ja zum Teil Ablehnung eintrug, umgekehrt litt er selber eine Zeitlang sehr schwer an einem “unüberwindlichen Widerwillen” gegen einen Vorgesetzten.

Darum nahm er bewußt auch all die Demütigungen an, die der Herr ihm immer wieder auferlegte. So zum Beispiel hatte sich Pater Reus “möglichst gut” auf das Jurisdiktionsexamen, das heißt auf die Prüfung über die zur Spendung des Bußsakramentes erforderlichen Kenntnisse, vorbereitet. Er bestand aber das Examen nicht gleich und erhielt den Bescheid, es nach einiger Zeit noch einmal zu wiederholen. Auch seine theologische Abschlußprüfung in Valkenburg war kein voller Erfolg. Demütig gesteht Pater Reus bezüglich seines Studiums von sich selbst: “Gott hat mir nicht die Schnelligkeit des Verstandes und die Leichtigkeit des Gedächtnisses gegeben wie anderen, aber Er hat alles sehr gut gemacht.” Begreiflich, daß der Herr ihn zur Prüfung seiner Geduld und Hingabe in jungen Jahren schon mehrmals mit Krankheit heimsuchte. P. Reus nahm diese Prüfungen als Fügungen Gottes ergeben hin. Auch folgendes Beispiel sei noch erwähnt: Obwohl Pater Reus in Valkenburg längere Zeit in einem Zimmer wohnte, dessen Fenster sehr schlecht schlossen, so daß er nachts oft erwachte oder kaum schlafen konnte, so hat er sich nie darüber beklagt.

Selbstzucht aus Liebe - Großmut aus Liebe wurden immer mehr die Kraftquellen seines inneren Lebens.

Pater Reus war bestrebt, sich täglich der “Selbstentäußerung” und der Hingabe seines Meisters anzugleichen, wie es der hl. Ignatius für sich und die Seinen als Ideal erstrebte.

So war auch der Hauptvorsatz bei den abschließenden großen Exerzitien 1899: “Die Demut und die Selbstentäußerung Christi in der Liebe zum Kreuz und im Ertragen von Verachtungen und Demütigungen sich besonders zu eigen zu machen.” Als praktische Übung für die Übung der Demut nahm er sich vor: Ich will mich ganz und gar unabhängig machen vom Urteil anderer, zum Beispiel bei Bußübungen, in der Beobachtung der Regel der Bescheidenheit und der Armut. Ich will - und das war der alles zusammenfassende Vorsatz - auch das Verkannt - und Verachtetwerden lieben. Seine Mitbrüder merkten, daß Pater Reus anders war als sie. Sie hielten ihn für zu streng und enge und spielten ihm manche Streiche. Pater Reus ließ sich nichts anmerken, daß ihm das wehe tat. Er benützte diese kostbare Gelegenheit, die Tugend zu üben. Er wollte seine Liebe zu sich der Liebe zu Christus restlos zum Opfer bringen. Eigenliebe ist ja nie fruchtbar. Ihre Überwindung aber erwartete er nicht von seiner Kraft, sondern von der Kraft Gottes. Das war ein entscheidendes Moment in seinem Streben, das ist es auch heute noch für jeden wahrhaft Ringenden. “Alles ist Gnade.”

Zum Abschluß seiner Valkenburger Jahre durfte der treue Verehrer des göttlichen Herzens noch ein kirchengeschichtliches Ereignis erleben, an dem er tiefen Anteil nahm:

Die Weihe der Welt an das Erlöserherz Jesu.

Papst Leo XIII. nannte diese Weihe “die größte Tat seines Pontifikats”. Sie erfolgte am 11. Juni 1899. Am Tag der Weltweihe schrieb der Pater: “Ich glaube, es ist heute der höchste Triumph, die höchste Ehre, die Dein Herz jemals von den Geschöpfen erhalten hat - mit Ausnahme des hl. Opfers -. Alle Völker kommen zu Deinem heiligsten Herzen - Welche Freude im Himmel! Welche Freude für die seligste Jungfrau und für die Seelen, die Dein Herz geliebt haben! Wie glücklich sind wir, daß Du uns auserwählt hast, Dir diese Freude zu machen!” - Nur ein wahrhaft Gottliebender kann diesen Jubel und Dank nachfühlen.

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ALS MISSIONAR NACH BRASILIEN

Erst “dunkle Nacht der Seele”

Nach dem dritten Probejahr, das Pater Reus anschließend an sein Studium machte, und das nach dem Willen des Ordensstifters einer weiteren Vertiefung des inneren Lebens dienen sollte, fiel die Entscheidung, wo und für welche Arbeit der Pater in der Zukunft verwendet werden sollte. Sein stiller Wunsch, für den Heiland viel leiden und vielleicht auch sein Blut und Leben hingeben zu dürfen, hatte ihm schon früher den Gedanken eingegeben, einmal um die Entsendung in die Sambesi-Mission zu bitten. Diese hatte damals große Opfer an Menschenleben gefordert, darunter sechs deutsche Patres. Auch die Indien-Mission verlangte viele Opfer. Pater Reus aber wurde für Brasilien bestimmt, das damals auch als Mission betrachtet wurde. Wie unerforschlich sind doch Gottes Pläne und Wege! Gerade das Missionsland Brasilien bot eine günstige Voraussetzung für die Berufung, die Pater Reus offensichtlich hatte: “Victima amoris” - “ein Opfer der Liebe” für seinen Meister zu werden. Zudem sollte diesem in religiöser Hinsicht unterentwickelten Land der besondere Segen eines mit Christus vereinten, verborgenen Opferlebens zugewendet werden!

Gott aber schenkt Seine Gnade nur dem Demütigen, dem ganz Hingegebenen; darum durchlitt Pater Reus nach Vollendung des dritten gnadenvollen Probejahres einen Zustand der inneren Prüfung, den man mit dem hl. Johannes vom Kreuz “eine dunkle Nacht der Seele” nennen könnte. Er erlebte die ganze Wucht seiner erbsündigen Anlagen, besonders die Anlage zur Ungeduld und Heftigkeit, die ihm schwer zu schaffen machte. Er war eben vom gleichen Holz wie wir alle. Im Vergleich zu den Tagen des fühlbaren Eifers und Trostes im Noviziat und in den Studienjahren lebte er in einer gewissen Nacht des bloßen Glaubens.

Aber das Große an ihm war gerade dies, daß er in jener Zeit der Prüfung und Trockenheit Gott um so treuer zu dienen und seine Liebe in größerer Vollkommenheit seines Tuns und Handelns zu beweisen suchte. Gerade in dieser dunklen Nacht der Seele schloß er sich um so enger an Jesus an. Ihm allein wollte er gehören, allezeit bereit, heldenmütig mit den Plänen Gottes mitzuarbeiten, ungeachtet der eigenen Gebrechlichkeit, einzig und allein im Vertrauen auf Seine Gnade. “Meine Gnade genügt dir!”

Erfährt nicht jede Seele irgendwie die “Nacht der Seele”, eine oft zermarternde Prüfung, aber zugleich die unüberhörbare innere Einladung: “Komm, komm zu Mir, Meine Kraft genügt dir!” Pater Reus hat die Größe und Macht der Gnade immer mehr kennengelernt.

Nach einer erlebnisreichen Überfahrt
auf der “Rosario” kam Pater Reus mit noch vier Mitbrüdern am 10. Sept. 1900 in Brasilien an. Dankbar jubelte seine Seele dem Schöpfer entgegen, so oft er die leuchtende Bahn der untergehenden Sonne im spiegelnden Wasser des Meeres oder ein herrliches Seeleuchten am Gestade schauen durfte. Die Augen einer kindlichen, einer gottliebenden Seele sehen stets tiefer und beglückender.

Pater Reus, der angehende Missionar, war 32 Jahre alt und 6 Jahre im Orden, als er in Brasilien ankam. 47 Jahre sollte er dort arbeiten und dort auch seine letzte Ruhestätte finden. Die Orte, an denen er wirkte, waren: Rio Grande, Porto Alegre und São Leopoldo, alle im südlichsten Staat des weitausgedehnten Landes gelegen, nämlich im Rio Grande do Sul. Dieser Teil gehörte damals zur südbrasilianischen Mission der deutschen Jesuiten. Was Pater Reus als seine wichtigste Aufgabe in “der Neuen Welt” betrachtete, war dies: die Menschen zu lehren, daß sie das göttliche Herz Jesu lieben lernen aus ganzer Seele, und daß so Christus die Mitte ihres Herzens werde. Dafür erbat er sich vom ersten Tag an den Segen seiner Mutter Maria, der himmlischen Gnadenvermittlerin. Dafür holte er sich auch den Segen seines hl. Engels; er versprach ihm seinerseits tägliche Verehrung, er versprach aber auch die Verbreitung der Schutzengelverehrung in seinem Wirkungskreis eifrig zu fördern. Das war eine sichtliche Führung des Hl. Geistes, sich nicht nur die Hilfe des eigenen Schutzengels zu sichern, sondern auch die Hilfe der Engel aller ihm anvertrauten Seelen. Müßten das nicht alle Seelsorger viel bewußter tun? Die hl. Engel, die ja allezeit das Antlitz Gottes schauen, sind unüberhörbare Mahner der Seelen, sind ihre getreuen Geleiter und Führer, ihre starken Mitkämpfer wider Satan und seine Helfer, sind Tröster in den Prüfungen und sind unsere allerbesten Freunde und Brüder. Es liegt einzig an uns, Kontakt mit ihnen aufzunehmen und diesen Kontakt immer mehr zu beseelen und zu vertiefen. Pater Reus tat es und leitete die Seelen dazu an. Und das war gut.

Zunächst aber machte er sich an das Erlernen der Landessprache, des Portugiesischen. Schon am 1. Adventssonntag 1900 hielt er seine erste portugiesische Predigt über sein Lieblingsthema: das göttliche Herz Jesu. Er hatte aber auch Gelegenheit zur Seelsorge in deutscher Sprache, in den dortigen deutschen Gemeinden, aber auch bei deutschen Ordensleuten.

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Rio Grande war kein leichtes Arbeitsfeld

Dort herrschte in weiten Kreisen eine ausgesprochen kirchenfeindliche, freimaurerische Stimmung. Hetze gegen die Kirche und die Priester war an der Tagesordnung. Im Volk war die Unwissenheit und der Aberglaube bestürzend. Der Spiritismus, dieser abergläubische, zum Teil dämonische Verkehr mit Geistern, war und ist heute noch im ganzen Land groß geschrieben. Als das meist gekaufte Buch bezeichnete ein Buchhändler in Rio Grande dem Pater Reus gegenüber einen “Leitfaden für die Abhaltung spiritistischer Sitzungen”. Die Moral stand vielfach auch recht tief. Leider waren einige pflichtvergessene Priester nicht ganz unschuldig an dem seelsorgerischen Tiefstand. In diesem von manchem Unkraut überwucherten Weinberg des Herrn betrachtete sich Pater Reus “allen Gebildeten und Ungebildeten gegenüber als Schuldner” und suchte nach Möglichkeit, allen alles zu werden. Er wollte und mußte die Pflugscharen tief ansetzen. Am liebsten hätte er sich sofort mit ganzer Kraft der Seelsorgstätigkeit gewidmet, aber er konnte es nur nebenbei. Die Oberen bestimmten anders.

In den ersten Jahren seines Wirkens hatte Pater Reus als
       Hauptaufgabe: Unterricht an der Schule.

26 Schulstunden in der Woche und die Aufsicht über alle Schüler während der Pause! “Arbeit in Hülle und Fülle!” Dann die hohe Schülerzahl in einer Klasse bis zu 56 -, dazu das südländische Temperament der Buben, die oft “das reinste Quecksilber” waren - wahrhaft eine Nervenprobe für ihn. Dazwischen gehörten manche Stunden der Schwestern- und Krankenseelsorge! Als unser guter Pater einmal wegen eines schweren Sumpffiebers drei Wochen ans Bett gefesselt war, ohne nur einen Tag zelebrieren zu können, schien ihm das “wie eine kleine Ewigkeit” zu sein.

Nach 5 Jahren schon wurde der damals 37-jährige zum Oberen des Hauses in Rio Grande ernannt, eine unerwartete und schwierige Aufgabe; noch schwerer aber wurde für ihn zuletzt die Durchführung der vom Orden beschlossene Aufhebung des Herz-Jesu-Kollegs in Rio Grande und seine Verlegung nach Sancta Catarine. Pater Reus brauchte ein bergeversetzendes Vertrauen, zumal noch eine große finanzielle Schuldenlast auf dem Haus lag. Das liebende Herz seines Meisters war ihm Zuflucht.

Er vertraute nicht umsonst. Der große Betrag der seinerzeit entlehnten Summe von 40.000 Mark wurde dem Haus erlassen. Im Lauf all der Jahre wuchsen die Seelsorgsarbeiten immer mehr. Superior Reus nahm sich besonders der Arbeiter an. Sie brauchten nicht nur soziale Förderurig, sondern auch religiöse. Er mußte von Mann zu Mann werben. Mit Eifer erteilte er ihnen abendlichen Religionsunterricht, hielt Exerzitien für sie, gründete einen katholischen Arbeiterverein, besorgte den Kauf eines Grundstückes, hielt Lichtbildervorträge im Schulhof und veranstaltete gemeinsame Ausflüge. Er schuf eine Theatergruppe, der 21 junge Arbeiter beitraten; er wurde auch ihr Regisseur und opferte viele Stunden der Nacht; auch zum Kulissenmaler ist er dabei einmal geworden. Wozu all das? - “Wenn nur die Seelen vom Weg des Verderbens abgehalten werden, und wenn auch nur eine schwere Sünde verhindert wird!”, so schrieb er damals. Das ist die Parole eines Heiligen, der ganz erfüllt ist von der Sorge seines Meisters: “Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden nimmt!” Wie viele weite Wege ist Pater Reus in jenen Jahren gegangen, um wilde Ehen in Ordnung zu bringen und so “ein Sündenleben zu verhindern”. Überzeugt von dem hohen Wert der Presse, schrieb er immer wieder Zeitungsartikel, in denen er Glaube und Kirche kraftvoll verteidigte. Im Jahr 1910 begann er mit der Herausgabe eines vierseitigen Monatsblattes “Strahlen” (des heiligsten Herzens). An allen Sonn- und Feiertagen hielt Pater Reus Katechismusunterricht für die Kinder.

Als Vorgesetzter kleidete er nach seinen eigenen Worten seine Befehle immer in Bittform. Für ihn galt das Wort des Herrn: “Der Vorgesetzte werde wie der Diener” (Lk 22,26). Auch war er überaus mildtätig gegen alle Notleidenden, obwohl im Haus franziskanische Armut herrschte.

Die Jahre in Rio Grande zeigen, daß Pater Reus in der apostolischen Arbeit seinen Mann vollauf gestellt hätte, wenn nicht der Herr es anders gewollt. Gerade der Verzicht darauf sollte ein Teil seines “Ganzopfers der Liebe” werden. Er sollte seinen Willen opfern lernen. - Willst du heilig werden, dann mußt du dich ganz dem Willen Gottes, Seinen Forderungen, Fügungen und Zulassungen ergeben lernen.

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Aus Opfern quillt neuer Segen

Der Herr selbst arbeitete an der Läuterung seines hochherzigen Dieners Johannes. Allerlei Fügungen und Zulassungen sollten ihn immer mehr von jeder Anhänglichkeit an das Diesseits lösen und ganz an Gott binden. So bedrängte ihn Wochen hindurch der Gedanke an seinen baldigen Heimgang. Mehrmals erkrankte er ernsthaft. “Kopfweh plagte ihn stetig.” Schwere Träume von seinem baldigen Sterben überfielen ihn. Er selbst bemerkt dazu: “Ich glaube nicht an Träume, aber man kann einen Traum als Anlaß benützen, um sich gründlicher auf den Tod vorzubereiten.” Ergreifend ist sein Flehen in diesen Tagen:

“Maria, liebste Mutter, bewahre mich vor der Hölle und dem Fegfeuer!”

Sechs volle Wochen lang erdrückte ihn schier die innere Angst, er werde ewig verdammt werden. Das war eine quälende Prüfung und Belastung seines Glaubens und Vertrauens. Schließlich fand er wie einst Franz von Sales mit einem innig gebeteten Memorare (Gedenke) vor dem Bild der Gottesmutter die Ruhe wieder. Ja, er fühlte seine Seele von neuer Innigkeit der Liebe und von Dankbarkeit gegen Jesus und seine hl. Mutter durchdrungen. Gerade in dieser Zeit der Prüfung suchte er dem Herrn um so treuer zu dienen und Seine Liebe durch ein besonders vollkommenes Tun zu beweisen.

Pater Reus konnte über die 10 Jahre in Rio Grande die vielsagenden Worte schreiben: “Ich tat im geistlichen Leben, was die Regel vorschrieb.” - Er wollte seinen göttlichen Meister zufriedenstellen und ihm Freude machen. Wundern wir uns deshalb nicht, daß Gott ihm zuweilen außerordentliche Gnadenerweise als Zeichen Seiner Liebe schickte. Aus der letzten Zeit seines Aufenthaltes in Rio schreibt er: “Auffällig war mir, daß ich bei der Betrachtung zuweilen Gottes Nähe fühlte. Es war mir, als ob Er auf mich herabkäme und auf mir ruhte, so daß ich Ihn ganz nahe fühlte. Ich aber wußte nicht, was das sein solle.”

“Ebenso geschah es, daß ich, wenigstens einmal, den göttlichen Heiland ganz in der Nähe glaubte. Ich war ins Sprechzimmer gerufen worden. Während ich mit den Leuten verhandelte, war es mir plötzlich, als ob der Herr neben mir stünde.

Er sprach zwar nichts, aber ich begann unwillkürlich mit Ihm zu reden, während ich in der Unterhaltung mit den besuchenden Personen begriffen war. Es war eine merkwürdige Doppelunterhaltung, ohne daß eine die andere störte.” Pater Reus hatte keine Ahnung, daß es sich um eine mystische Gnade handelte, das heißt: um das übernatürliche Erleben der Gegenwart Gottes. Er hatte sogar eine Abneigung gegen Mystik; er hatte sich noch nie damit befaßt.

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Mystik - eine große Gnade Gottes

Pater Reus hat nie nach Außergewöhnlichem verlangt. Er hat immer ein vorsichtiges Mißtrauen dagegen bewahrt und selbst dazu erklärt: “Eine Demütigung, die der Heiland zuläßt, ist ein Beweis Seiner Liebe, und zwar mit größerer Sicherheit, als wenn Er mich in der Vision umarmte.” Erst mit 44 Jahren setzte sich Pater Reus mit den Gnaden der Mystik auseinander.

Mystik ist tatsächlich ein geheimnisvolles Einwirken Gottes in die Menschenseele, ein Bewußtmachen Seines Lebens und Seines Gnadenwirkens in unserer Seele. Die heiligmachende Gnade, die wir für gewöhnlich nicht bewußt wahrnehmen, ist etwas so Wunderbares und Großes, daß die Kirche in jeder hl. Messe den Priester sagen läßt: “O Gott, Du hast den Menschen in seiner Würde wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erneuert.” Die mystisch begnadete Seele darf erfahren, was wir nur durch den Glauben wissen und mit dem Verstand allein nicht begreifen können. Wenn schon das natürliche Leben um so wundervoller erscheint, je mehr die Wissenschaft eindringt in die Geheimnisse der Biologie, der Physik und der Chemie, in die Welt der Atome, so birgt das übernatürliche Leben noch weit größere Wirklichkeiten und Wunder in sich.

      Bischof Rudolf Graber schreibt:
“In einem naturwissenschaftlichen Zeitalter kommt es vor allem auf das Experiment an. Demgegenüber befindet sich der Glaube in einer schier hoffnungslosen Situation. Hier versagt das Experiment. Die stärksten Glaubwürdigkeitsbeweise erreichen niemals den Überzeugungsgrad eines Experimentes, und das verleiht der heutigen Technik diesen Vorsprung und diese Überlegenheit gegenüber Theologie und Glaube. Es rächt sich heute, daß wir ein Teilgebiet des Glaubens vernachlässigt und ausgeklammert haben, das uns sogar dem Worte nach auch hier ein “Experimentieren” erlauben würde; es ist die Mystik, die ja geradezu definiert wird als ‘cognitio Dei experimentalis’, als ‘ein erfahrungsmäßiges Erkennen Gottes in Seinen übernatürlichen Einwirkungen auf die Seele’. Christus selbst hat dies angedeutet, wenn Er sagt: “Wer gewillt ist, den Willen des Vaters zu tun, der wird erkennen, ob diese Lehre aus Gott ist” (Jo 7,17). Wir können also erfahrungsgemäß, gewissermaßen “experimentell”, feststellen, und zwar durch ein Tun, ob eine Lehre aus Gott ist. Es gibt somit eine Möglichkeit und einen Weg, Gott zu erfahren und Seiner inne zu werden, freilich nicht aus eigener Kraft, sondern gnadenhaft von oben, von Gott selbst uns geschenkt. Immerhin, wir können uns für diesen Empfang disponieren. Für die Zukunft der Kirche und des Christentums wird alles davon abhängen, ob wir diesen verschütteten Weg wieder auffinden und die Mysterien Gottes so stark erfahren können, daß sie uns sicherer sind als alle irdischen Beweise und Experimente.” ( “Deutsche Tagespost” Weihnachten, 1970)

Die Tiefen der Menschenseele können nie mit Äußerlichkeiten und Oberflächlichkeiten ausgefüllt werden. Gerade in unserer so “weltlich” gewordenen Zeit drängt es viele wieder zur mystischen Erfahrung, hin zu Gott, der allein die Sehnsucht des Menschenherzens befriedigen kann.

Thronus gratiae =
Thron der Gnade

20. Mai 1946:
Ich las die Messe vom Unbefleckten Herzen Mariä. Schon beim Beginn sah ich die liebe Mutter Gottes mit ihrem sichtbaren Herzen, inmitten eines großen Glanzes. Von ihrem Unbefleckten Herzen gingen Strahlen nach allen Seiten und trafen auch die vielen hl. Engel ringsum. Die Worte des Eingangs der hl. Messe Laßt uns hintreten zum Thron der Gnade...” fanden in dieser Flut von Licht und Gnade ihren Ausdruck. Das Unbefleckte Herz Mariens soll die Wirkungen der Güte und Liebe und des Erbar-mens der ganzen Schöpfung mitteilen. Daran wird wohl der Priester sein geschütteltes und gerütteltes Maß erhalten. Denn er ist das Werkzeug, dessen sie sich vor allem bedient, um die Seelen zu retten und zur Urquelle der Gnaden, dem heiligsten Herzen Jesu, zuzuführen. Das heiligste Herz Jesu will Zeichnung und Bericht. Am Schluß der Messe gab die liebe Mutter mit mir den Segen.

       Das Grunderleben des mystischen Weges
ist das unmittelbare Innewerden der liebenden Gegenwart Gottes in der Seele. Gott tritt sozusagen aus Seiner Verborgenheit und Zurückhaltung heraus und gibt sich auf vielfache Weise der Seele kund. Die Seele - Geist vom Geist Gottes vermag Seine Wirklichkeit wahrzunehmen. Das aber ist ein übersinnliches Eintauchen in Seine Schönheit und Unendlichkeit, ein Sichversenken und Eingehen in Ihn, über alle Sinne hinweg. Die mystische Vereinigung ist die Erfüllung der Offenbarung Christi: “Wer Mich liebt, der wird von Meinem Vater geliebt werden, und auch Ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren” (Jo 14,21).

Einer Welt wie heute, die infolge des zunehmenden Materialismus und Atheismus (Gottlosigkeit) an die Übernatur nicht mehr glauben will, schickt der Herr in Seiner Erbarmung immer wieder Auserwählte, die in geistiger Weise die 
Existenz einer “anderen Welt” gleichsam greifbar erfahren dürfen,
um so den Glauben an das Übernatürliche zu festigen. Diese von Gott auf den mystischen Weg Berufenen werden durch besonders schwere Leiden geläutert und geprüft. Pater Reus wurde, wie wir im folgenden noch lesen werden, ein Werkzeug der Auserwählung, gerade auch für unsere Zeit.

Der Klarheit halber sei noch erwähnt, daß die grundlegende mystische Gnade neben einigen Begleiterscheinungen die “Beschauung” ist, das heißt, das liebeerfüllte Innewerden, das Schauen des übernatürlichen Lebens. Die Seele verkehrt dabei mit Gott nach der Art der Engel, also nicht durch sinnenfällige Vorstellungen, sondern als Geist mit dem Geist Gottes, ähnlich wie der erste Mensch vor der Sünde im Paradies. Die Beschauung ist meist von kurzer Dauer.

Bei der höheren Stufe, Ekstase genannt, sind nicht nur die Seelenkräfte gefangen genommen, es verlieren auch die äußeren Sinne vorübergehend ihre Tätigkeit. Der Mensch sieht in diesem Zustand nicht mehr, hört und fühlt nicht mehr; Phantasie und sinnliches Strebevermögen sind jeder eigenen Tätigkeit beraubt. Jede dieser Gnaden bereichert die Seele wunderbar.

Eine einzige von ihnen genügt, so sagen die Gottesgelehrten, um die Seele mit einem Schlag von gewissen Unvollkommenheiten zu befreien und, was noch mehr ist, um sie mit Tugenden auszustatten, und das ist das Entscheidende. Die größte aller Tugenden aber ist die Liebe. Gott aus ganzer Seele lieben, das ist die einzige entsprechende Antwort des Menschen auf Gottes unendliche Liebe. Mehr wie bei jedem anderen kommt es beim mystisch Begnadeten dazu, daß all seine Kräfte auf Gottes Liebe und Gottes Willen hingeordnet sind, auch im dunkelsten Leid, in dem die Gegenwart Gottes oft nicht mehr erfahren wird. Wir wissen, Pater Reus suchte nie und nirgends das Außergewöhnliche; er wollte nur in vollkommener Weise und überall Gottes hl. Willen erfüllen. Er hätte all diese seelischen Erlebnisse einfach beiseite schieben können, wie ein Großteil der Menschen die Seele des Menschen leugnet. Er aber hatte die Augen seiner Seele offen, um all die Schönheit Gottes, die verborgene, zu schauen.

In tiefer Dankbarkeit erwähnt er am Ende seiner Rio-Grande-Jahre, daß die Freude am Kreuzwegbeten wiedergekehrt sei; er, der in den ersten Ordensjahren täglich ein paar Mal den hl. Kreuzweg zu beten pflegte, gesteht mit großer Wehmut: “Es kamen Jahre in Rio Grande, wo ich kaum je den Kreuzweg betete. In der letzten Zeit meines Aufenthaltes kam ich wieder häufiger dazu.” Das ist das Bekenntnis eines innerlich schwer Geprüften, der aber um so dankbarer war.

Im Dezember 1911 wurde Pater Reus als Superior in Rio Grande durch Pater Augustin Scholl abgelöst. 

Das Jahr 1912 brachte ihm den vollen
Durchbruch der mystischen Gnaden.

Er war bis dahin ein treuer, eifriger Priester und Ordensmann gewesen, dabei einfach und schlicht; an Außergewöhnliches, an Charismen (Gnadengaben) hatte er nie gedacht, ja, er hatte geradezu Angst vor mystischen Büchern. Mehr als einmal weist Pater Reus darauf hin, daß er infolge seiner ganzen Erziehung und seiner nüchternen Veranlagung von Mystik nichts wissen, ja sie meiden wollte “wie die Pest”. Er hielt sie von vorherein für etwas Gefährliches und Abwegiges. Als er einmal in der Hausbibliothek in Porto Alegre einzelne Bücher durchmusterte, und ihm eines in die Hand kam, das über Mystik handelte, stellte er es sofort an seinen Platz “wie eine Giftflasche”. - Wahrhaft ein Fehlurteil unseres guten Paters! Aber trotz allem hat ihn Gott gerade auf diesen außergewöhnlichen Weg der Sühne berufen und zum Werkzeug Seiner Gnade gemacht.  

Pater Reus schreibt: “Im Jahr 1912 erhielt ich
die Gnade eines beständigen Zwiegespräches mit dem Herrn”,
dies dauerte Monate hindurch an.

Neue seelische Erlebnisse überraschten ihn Ende August: “Während der Gewissenserforschung am Mittag, dem 26. August, kam - so schreibt er - eine solche Glut in mein Herz, daß ich sie nur mit den heftigsten Seufzern lindern konnte. Plötzlich wurde diese Liebe, die von oben kam und mein Herz entzündete, derart vermehrt, daß ich sie nicht mehr zu ertragen vermochte.” Da ihm die Sache zu auffallend war, machte er davon dem Missionsobern, Pater Zartmann S. J., Mitteilung.
Dieser, ein kluger und nüchterner Mann, prüfte und sagte:

Die Sache kommt wahrhaft von Gott.”

 Die mystischen Erlebnisse des Dieners Gottes gingen weiter. Pater Reus schreibt dazu: “Ich erkannte, wie ich s o zusagen das ewige Leben schon begonnen habe, indem ich nicht mehr nur im Glauben und aus der Ferne für Gott lebe, sondern indem ich das göttliche Leben erfahre und dessen Einfluß fühle.”

imageSeine tiefe Demut und die restlose Hingabe seinerseits, die jene Erlebnisse in ihm hervorriefen, sind für sich allein schon ein Beweis dafür, daß sie auf den Geist Gottes zurückgingen.

1. Okt. 1942:
Ich las die hl. Messe zu Ehren des Hl. Geistes. Als ich im Introitus betete: “Aufstehen möge Gott... und fliehen sollen vor Seinem Angesicht, die Ihn hassen...”, sah ich den Hl. Geist und sah, wie zu beiden Seiten die höllischen Geister in aller Eile die Flucht ergriffen. Ich wollte nichts davon schreiben, aber der Heiland will es und will die Zeichnung. Der Hl. Geist wird alle Anfeindungen der Teufel zunichte machen.

Fugiant a facie eius = Sie sollen fliehen vor seinem Angesicht!

Bei der Betrachtung am 31. August fühlte er die Liebesglut wieder so heftig, daß er nur noch stammeln konnte: “Meine Liebe!” Am folgenden Tag wurde die Glut so stark, daß er, wie einst der hl. Philipp Neri, seine Brust entblößen mußte, um die Gottesliebe ertragen zu können. Er brachte kein Wort mehr hervor. - Unter Tränen sank er zu Boden.

Am 4. September betete er gleich einem Franziskus: “Nichts verlange ich, als Dich mit seraphischer Liebe zu lieben.” - Gott, laß die Flammen der Liebe auch unser Herz reinigen, damit es lauter sei und ein Tabernakel des Herrn!

Am 6. September erschien ihm der göttliche Heiland mit der himmlischen Mutter und dem hl. Josef. Pater Reus schreibt darüber: “Plötzlich hast Du gestattet, daß Maria, die Herrin meines Herzens und meine Liebe, kam. Ich fühlte ihre Ankunft in Begleitung des hl. Josef. Ich konnte mit der teuersten Mutter sprechen; sie blieb bis zum Schluß der Betrachtung. Wie ist es möglich, daß die liebste Mutter zu mir kommt? 

Der 7. Sept. 1912 brachte ihm eine ganz große mystische Gnade: Er wurde der Wundmale Christi gewürdigt.

Dies geschah so: In der Nacht zum 7. September wurde Pater Reus mehrmals wach und nahm jedesmal die Gegenwart des Heilandes wahr. Bei der Betrachtung am Morgen fühlte er einige Male, wie der Herr auf ihn blickte. “Plötzlich”, so berichtet er, “überkam mich eine heftige Liebe; sie entflammte meinen ganzen Körper, so daß er zu brennen schien. Es riß mich nach oben, so daß die Arme ausgespannt blieben.

Eine ungeheure Feuerflamme schoß hernieder
und ich nahm wahr, wie einige Pfeile in mein Herz eindrangen. Ich schrieb dies meiner Phantasie zu und wollte jede Täuschung ausschlagen, aber es nützte nichts. Ich erkannte, daß die fünf Lichtstrahlen sich auf die fünf Stellen meines Leibes richteten, an denen Du Deine hl. Wundmale bewahrst. Ich wehrte mich und flehte: ‘Nein, meine Liebe, nein!' Ich schloß die Hände und zog die Füße zurück, damit die Strahlen sie nicht treffen sollten. Vergebens!

Es war ein wahrer Kampf.

Obwohl ich nichts mit den Augen sah (!), war die Erscheinung so klar, daß ich nicht zweifeln konnte, daß ich in meiner Seele Deine hl. fünf Wunden empfangen hatte.” - Diese Einprägung der Wunden vollzog sich in ganz kurzer Zeit.

Eine Weile war Pater Reus bestürzt und ermüdet. Dann brach ein Strom von Tränen aus seinen Augen. Der Heiland war ihm wahrnehmbar gegenwärtig und er, Sein Priester und Opfer, konnte sich Ihm nur aufopfern. Er betete: Ich opfere mich Dir auf, daß Du mit mir nach Deinem Willen verfügen mögest, wobei ich meiner geistigen Armut und Schwächen eingedenk bleibe und Dir für die unverhoffte Wohltat danke.”

Die Wundmale blieben unsichtbar, was auch bei anderen begnadeten Seelen vorkam. Dies gab Pater Reus selbst Anlaß, sich immer wieder zu fragen, ob es sich nicht um Einbildung oder Täuschung handle. Die beste Antwort aber auf all seine Zweifel, die ihm an der Echtheit aufstiegen, war diese, daß er die Wundmale (Stigmen) beständig empfand, auch dann, wenn er sich zerstreute und nicht daran denken wollte. Die Schmerzen der Wundmale waren sehr stark. Manchmal steigerten sie sich bis zur Unerträglichkeit. In diesem Zusammenhang sei hingewiesen auf die treue Opferseele

         Anna Schäffer von Mindelstetten (1882-1925) (heilig)
Diese erhielt die Wundmale (Stigmen) am Fest des hl. Franziskus 1910. Sie schreibt darüber in einem Büchlein, das sie einer vertrauten Freundin und Pflegerin, Rosa J., zum Aufbewahren bis nach ihrem Tod übergab: “Unmittelbar vor dem Empfang der hl. Kommunion, die mir der Herr Pfarrer brachte, sah ich von der hl. Hostie fünf Feuerstrahlen ausgehen, die wie ein Blitz in meine Hände und Füße und in das Herz fuhren. Es fing sofort ein unendlicher Schmerz an diesen Körperteilen an. Als ich die hl. Kommunion empfangen hatte, spürte ich im Innern eine solche Feuersglut, daß ich glaubte, ich müßte verbrennen.”

Auf ihr inniges Flehen nahm ihr der Herr nach längerer Zeit die äußeren sichtbaren Zeichen der Wundmale weg, die inneren aber blieben und damit auch die Schmerzen, die nach ihren Worten “wie ein heißes Feuer brannten und schrecklicher schmerzten als die schrecklichste Krankheit der Welt.” Ihre Nachfolgerin im Opfer- und Sühneleiden

Therese Neumann von Konnersreuth (1898-1962)
erhielt die Wundmale wenige Monate nach dem Tod von Anna Schäffer, in der Fastenzeit 1926. Auch sie spürte den bohrenden, wie Feuer brennenden Schmerz der Stigmen bis zu ihrem Lebensende 1962, volle 36 Jahre lang. Der Verfasser dieser Schrift hatte als Kaplan des benachbarten Marktredwitz und auch später oft Gelegenheit, darüber mit ihr zu sprechen. Sie war keinen Augenblick ohne Schmerz.

Und wie viel duldete und litt fünfzig Jahre lang der Pater Pio, der heilige Kapuziner (1887-1968) von San Giovanni Rotondo!  Im Jahr 1918 hatte dieser die Wundmale empfangen. Fünfzig Jahre hat er sie getragen! Wahrhaft ein Meer von Schmerzen! Mit Christus ans Kreuz geheftet! Tag und Nacht! Ein Opfer sühnender Liebe! Nur wer weiß, was immer-währende Schmerzen bedeuten, kann das einigermaßen begreifen!

Was aber sind Stigmen anders als Zeichen einer besonderen,
gnadenhaften Verähnlichung mit Christus, dem gekreuzigten Erlöser; “Freundschaftszeichen”, wie Pater Reus sie nannte, Zeichen brennender Sühne zur Läuterung der eigenen Seele und vieler, vieler anderer Seelen. Sie sind ein ungewöhnliches “Ergänzen” der Leiden Christi (vergleiche Paulus) oder vielmehr eine gewisse Fortsetzung Seines Erlöserleidens (Kol 1,24). Die Stigmen (Wundmale) sind eine außerordentliche Gnade. Das Ertragen der Stigmen-Schmerzen ist nur durch einen besonderen Beistand des Himmels möglich. Ist aber nicht jeder Schmerz - an Leib und Seele - in Liebe getragen, Anteilnahme am Leiden Christi? Ist nicht jedes Kreuz, das eigene wie das fremde, ein Anruf der fordernden Liebe Gottes an uns? Gott hat viele Gnaden bereit, aber man muß sie annehmen. Sind wir nicht alle zum Opfern und Sühnen berufen ? Passion (Leiden) ist immer; an jedem Tag der Weltgeschichte. Passion in allen Ländern der Erde, in manchen ganz besonders schwer; Passion in so vielen Familien, Passion an jedem Tag unseres ganz persönlichen Lebens. Nur müssen wir den Hl. Geist bitten, daß Er uns die Augen öffne für unseren manchmal ganz winzigen Anteil an der großen Com-passio, am Mit-leiden mit Ihm: So bei all unseren Schmerzen und körperlichen Gebrechen, bei unserer inneren Not, beim Alleingelassenwerden von den Freunden, beim Ausgeliefertsein an die Menschen, beim Lächerlich-Gemachtwerden, beim Offenbarwerden unserer Fehler und ganz besonders in der Bedrängnis und Not unserer Todeskrankheit. Fiel nicht der Herr unterm Kreuz, so daß es alle sahen! Und nicht nur einmal ist Er gefallen. Er schien es allein nicht zu schaffen,

Er brauchte einen Mitträger, einen Simon von Cyrene - eine Veronika - Er hätte es wohl auch allein geschafft; aber nein, wir dürfen, wir sollen Anteil haben an Seinem Leiden, an Seiner göttlichen Liebe, an Seinem Erlösersegen. Wir sollen das Leid, das über uns kommt, nie als Strafe empfinden, sondern als Gnade zur Nachfolge Christi. Jeder Christ nimmt irgendwie Anteil am Sühneleiden Christi.

image17. Jan. 1940:
Bei Beginn der hl. Wandlung merkte ich plötzlich, daß der liebe Heiland am Kreuz unmittelbar vor mir war. Doch achtete ich weiter nicht darauf. Es könnte ja schließlich eine Täuschung sein. Aber nach der Anbetung der hl. Hostie nahm ich zweifellos den lieben Heiland am Kreuz wahr. Sobald ich die ersten Worte sprach: “Das ist der Kelch...”, fielen Tropfen des hl. Blutes aus der hl. Seitenwunde in meinen Kelch. Als ich fortfuhr “... meines Blutes...” floß das hl. Blut strömend hernieder in den Kelch hinein.
Heilige tröstliche Wahrheit: Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, fließt wirklich, wenn auch unter einem Schleier verborgen, unter meiner Hand auf dem Altar. Welche Gnade für mich, daß er für mich den geheimnisvollen Schleier weggezogen und die Wirklichkeit mir zu zeigen sich gewürdigt hat! - Als ich das Pater noster zu beten begann, sah ich in der hl. Hostie die allerheiligste Dreifaltigkeit. Der dreieinige Gott ist ja unser Vater. In der hl. Hostie ist der Vater und der Hl. Geist, in der Einheit des Wesens mit dem Sohn Jesus Christus, gegenwärtig. Ich mußte beide Zeichnungen machen und dies schreiben. -

Jeder ist Glied Seines mystischen Leibes

Jeder darf mitleiden nach dem Maß der göttlichen Berufung - und dadurch Gnaden erwirken helfen. Geheimnis der Weisheit und Erbarmung Gottes! Ob wir aber auch willig und auch bereit sind? - Es liegt an uns, an unserem freien Willen. Gott zwingt uns nicht. Der Segen des Leids wird aber ein unendlicher sein!

“Um deinetwillen”, so hatte der Herr einst zu Pater Reus gesagt, “werde ich die Pfarrei und das Seminar von São Leopoldo segnen”. Zusicherungen, die später durch weit höhere überboten wurden.

35 Jahre lang trug Pater Reus die hl. Wundmale des Herrn schweigend und vor der Welt verborgen, zum Segen für viele. Verborgene Liebe der Tat! Auch heute gibt es solche heroisch Liebende, mehr als wir glauben. Aber auch Millionen vom Leid Heimgesuchter. Sie warten auf deine Liebe.

Die Millionen vom Leid Heimgesuchten könnten alle ein unermeßlicher Segen werden, ähnlich wie Pater Reus, wenn ihnen jemand zeigte, wie sie durch den Blick auf den Gekreuzigten auch ihr Leid in Liebe annehmen und tragen und in Segen wandeln können. Wie schade um die brachliegenden, ungenützten Energien in den Tiefen der Erde, in den Strömen, in den Atomen - noch viel mehr schade um die ungleich kostbareren, ungenützten Energien in unseren Krankheiten, Unglücksfällen, Ungerechtigkeiten, “Schicksalsschlägen” usw.! Wir könnten und müßten alles Leid in Segen wandeln! Darum Leid aus Liebe - in einem unerschütterlichen Vertrauen auf die Liebe Gottes!

Die große Gnade der Einprägung der Wundmale vom 7. Sept. 1912 weckte in unserem Diener Gottes vor allem den Entschluß, “ein neues, ein hl. Leben zu führen”. Deshalb legte er, wie er selbst schreibt, beim Missionssuperior eine bis ins kleinste gehende Wiederholungsbeichte über die vorausgegangenen zwölf Jahre ab. Reinigung des Herzens und die Leitung durch den Hl. Geist sind ja nach Pater Lallement S. J. die zwei Grundelemente des geistlichen Lebens. Gleichzeitig steigerte sich in Pater Reus der Bußgeist. Er fühlte sich “unwiderstehlicherweise” angetrieben, “Speise und Trank einzuschränken, damit der Herr ihn für Seine Gnade empfänglich mache”. Dabei ging er bis zum Äußersten, bis entweder der Gehorsam oder die Schädigung der Gesundheit ihm Grenzen setzte. Seiner Liebe zum Herrn und seiner Großmut war nur das Letzte und Beste seinerseits gut genug. Großmut ist immer Liebe, die opfert und leidet, duldet und trägt, schweigend und verborgen vor den Menschen.

    Liebe ist Gotteslohn
Am 12. Sept. 1912 berichtet Pater Reus zum erstenmal von der schmerzenden Liebeswunde am Herzen; von dieser ist dann oft in seinen Aufzeichnungen die Rede. Zum Beispiel: “Beim Breviergebet schien es mir, daß plötzlich jemand mein Herz mit einem Pfeil oder mit einer Lanze durchbohre...; ich fühlte einen wahren Liebesschmerz, der aus dieser inneren Herzenswunde kam, und zwar so heftig, daß ich einige Zeit lang aufseufzte und bat, daß doch niemand in mein Zimmer komme und mich in diesem Zustand sehe.”

Nach Ansicht mystischer Schriftsteller sind gerade solche Seelen, die durch die Liebesverwundung begnadet werden, in der Tat selten. Immer aber erwählt der Hl. Geist gerade solche, deren Gebete und Opfer vor Gott eine einzigartige Bedeutung und Wirksamkeit besitzen.

Eine andere Gnade, die unseren erwählten Diener Gottes das erste Mal tief beschämte, die aber im Lauf der Zeit sich öfter in ähnlicher Form wiederholte, war das mystische Ruhen an der Brust des Herrn. So schreibt er am 15. September: “Meine Feder sträubt sich, diese Gnade niederzuschreiben, aber es ist unzweifelhaft wahr, daß Du mich derselben gewürdigt hast.” 

Genau einen Monat nach der geistigen Einprägung der Wundmale
erhielt Pater Reus am 7. Okt. 1912
die Gnade der mystischen Verlobung

so wie einst die hl. Katharina von Siena und andere. Lesen wir seine Aufzeichnungen: “Diese liebste Mutter war mit ihrem göttlichen Kind bei mir. Einige Zeit auf das innigste mit der hochheiligsten Dreifaltigkeit vereint, glaubte ich zuerst, eine Menge Engel zu erkennen, dann die göttliche Majestät, so daß ich mich, vor ihr niedergeworfen, in mein Nichts zurückzog. Dann schien ein Engel zu mir zu eilen, um mir ein Kleid nach Art eines Mantels umzulegen und mir einen Ring an den Finger zu stecken, auf daß ich wie ein Gotteskind vor Seinem göttlichen Antlitz bleiben sollte.”

Pater Reus schrieb diese Gnade wohl auf, doch “machte er sich nicht viel daraus”, weil er sich nicht für besonders bevorzugt halten wollte. Erst später fiel ihm auf, daß er sich dafür “so undankbar benommen habe”, und er bat innig dafür um Verzeihung.

Es wundert uns vielleicht, daß Pater Reus, ebenso wie andere Mystiker, nicht selten von einer “bräutlichen” Liebe zu Gott und zu Christus dem Herrn sprechen: Tatsache ist, daß in der Hl. Schrift, besonders im “Hohenlied” das Verhältnis der menschlichen Seele zu Gott mit dem Bild bräutlicher Liebe bezeichnet wird. Es wird damit das innige Verhältnis der Seele zu Gott mit der edelsten Bezeichnung menschlicher Liebe einigermaßen angedeutet.

“Bräutliche Liebe”,
so meint Pater Reus einmal, “hat für uns armselige Menschenkinder so einen Beigeschmack von Sinnlichkeit, aber diese göttliche bräutliche Liebe ist die reinste Liebe, frei von allem, was irgendwie anstoßen könnte, und dabei von einer unsagbaren Innigkeit, die man eben nicht beschreiben kann.” So der überaus nüchterne, ganz und gar nur auf das Geistige eingestellte Pater Reus am 22. Juli 1938. 

image23. Mai 1946:

Ich las die hl. Messe zu Ehren des heiligsten Herzens Jesu. Schon bei Beginn sah ich angesichts der heiligsten Dreifaltigkeit den lieben Heiland mit seinem heiligsten Herzen. Aber gleich darauf änderte sich die Vision. Ich sah deutlich die liebevollen Worte:
MEIN BRUDER. Und, wie um mich mit Freude und Ehrfurcht vor diesem Liebesnamen zu erfüllen, umschwebten hl. Engel denselben. Viele hl. Engel ringsum. - Es ist doch eine andere Sache: Aus dem Glauben zu wissen, daß alle Christen Brüder Jesu sind, und diesen Namen von ihm persönlich zu erhalten. Dank dem heiligsten Herzen Jesu für seine Herablassung und abgrundlose Barmherzigkeit und Freigebigkeit!

Mystische Brautschaft aber führt zum Höchsten, zur geistigen, zur mystischen
Vermählung der Seele mit Gott

Diese findet ihre letzte Vollendung in der beseligenden Anschauung Gottes, im “himmlischen Hochzeitsfest”. Das charakteristische Merkmal dieser höchsten hienieden erreichbaren Stufe besteht darin, daß die Seele allzeit die Gewißheit hat, in das Leben des dreieinigen Gottes eingegangen zu sein, die Gewißheit, daß sie wirklich mit der menschlichen Seele des verklärten Gottmenschen innigst vereint ist. Diese mystische Vermählung wurde dem begnadeten Diener Gottes noch im Oktober 1912 zuteil; er hat sie aber erst später als solche erkannt.

Es ist ergreifend, wie er immer wieder den Heiland anfleht: “Gib, daß ich gänzlich in Dich umgestaltet werde! - Ich bitte Dich, Deine Gnade zu beschleunigen, damit ich Dich vollkommen liebe. Meine Seele hungert und dürstet nach Dir und nimmt jede Bedingung an, die Dein heiligster Wille stellen will. - Gib, daß ich das Opfer Deiner Liebe sei.” (19.1.1913).

Wahrhaftig, hier ging es nicht um süße Gefühle oder gar um Sentimentalitäten, hier ging es um das Letzte und Tiefste, um die Ganzhingabe an Jesus, den Bräutigam seiner Seele. “Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir.” Das ist Mysterium, Geheimnis der Gnade.

Diese große Gnade der innigsten Vereinigung mit Gott wurde für den Diener Gottes der Ausgangspunkt für immer neue Gnaden, die er Tag für Tag erfuhr. So erlebte er in jener Zeit häufig die geistige Nähe von Engeln und Heiligen; besonders häufig nahm er die Gegenwart der hl. Theresia von Avila wahr, der größten Mystikerin ihrer Zeit (^ 15.10.1582). Der Hochbegnadete beantwortete all diese Hulderweise mit einer echten, ungeheuchelten Herzensdemut. Es wuchsen aber auch die Demütigungen und Prüfungen immer mehr. Es schien, als ob der Herr selbst das sichtbare Wirken seines Erwählteneinschränke, um ihn desto mehr hinzuweisen auf seine vollkommenste priesterliche Sendung, nämlich auf das restlose Opfern und Hingeopfertwerden in Liebe. Das ist ein Gesetz des geistlichen Lebens: Hat sich eine Seele Gott geschenkt, dann schält Gott sie mit Konsequenz los von aller irdischen, über das gottgewollte Maß hinausgehenden Anhänglichkeit an die Welt und die Menschen. Nur ein ganzes Opfer der Liebe flammt auf vor Gott, ein halbes Opfer brennt nur, es tut weh. Gott will unser Ja bis zur letzten Folgerung.

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Pfarrer in São Leopoldo (1913-14)

Pater Reus wirkte kaum ein Jahr an der Schule und in der Kongregation in Porto Alegre, als ihm diese Tätigkeit wieder abgenommen und die Pfarrei São Leopoldo übertragen wurde. Die rasche Versetzung empfand er als Demütigung. “Es ist mir also die marianische Männerkongregation wieder genommen worden und mit Recht”, schreibt er. “Eine Gelegenheit, mich von der Kongregation zu verabschieden, wurde mir nicht gegeben, auch mit Recht.” - Doch dies lag nicht in den Absichten seiner Vorgesetzten, sondern an verschiedenen Umständen. Mochte sich seine Natur darüber auch etwas erregen, seine Seele sprach in Demut ihr Ja zur neuen Berufung. Er setzte sofort seine ganze Bereitschaft und priesterliche Sorge für die neue Aufgabe ein.

Die Pfarrei, ebenfalls im Süden Brasiliens gelegen, zählte etwa 9.000 Seelen, darunter 4.000 deutscher Abstammung, war doch das Städtchen von deutschen Siedlern gegründet worden. Eine seiner Hauptsorgen war der Katechismusunterricht in den etwa zwanzig Schulen seiner weit ausgedehnten Pfarrei.

Pater Reus machte alle seine Wege und Besuche stets zu Fuß oder auf einem Maulesel. Einmal scheute sein Reitesel, und er fiel so unglücklich, daß der Vorderfuß des Tieres auf die Brust des Paters trat. Dieser hatte während des Falles den Namen Jesus angerufen. “Kraft dieses hl. Namens”, so schrieb er, “traten keine schlimmen Folgen auf.”

Der neue Pfarrer rechnete damit, daß er viele Jahre in dieser Pfarrei bleiben würde. Er war dankbar, Seelsorger sein zu dürfen und er bemühte sich, gründliche Arbeit zu leisten. Er besuchte darum sämtliche Familien seiner Pfarrei persönlich bei etwa 9.000 Seelen keine leichte Aufgabe. Er brachte alle Mischehen, soweit als möglich, in Ordnung. Er nahm sich mit besonderer Liebe auch der Armen und Kranken an. Immer ließ er sich abwechselnd von zwei katholischen Männern begleiten. Die Laien sollten die treuen Helfer des Seelsorgers sein. “Mit den Protestanten”, so sagte er selbst, “suchte ich stets in Güte auszukommen. Zu Kompromissen in grundsätzlichen Fragen war ich aber um des lieben Friedens willen nie bereit.”

Die Pfarrkinder waren zufrieden
mit ihrem neuen Pfarrer. Er mühte sich sehr um ihre Seelen. Als er einmal den “bejammernswerten Zustand verschiedener abgefallener Familien überdachte”, da war es ihm, als versicherte ihm der Heiland tröstend: “Ich habe Meinen Schutz auf diese ganze Pfarrei ausgedehnt und sie in Meinen Schutz genommen - um deinetwillen”. Das Wort “um deinetwillen” beschämte ihn sehr.

Am 17. November schrieb er: “Mir geht es gut trotz der ungeheuren Arbeit, die auf mir lastet. Es will mir scheinen, daß ich im gleichen Maß, wie ich arbeite, auch stärker und widerstandsfähiger werde.” Pater Reus hatte sein festes Seelsorgsprogramm. Er tat alles mit dem Segen des heiligsten Herzens. Morgens beim Erwachen und beim Aufstehen grüßte er sofort das göttliche Herz und empfahl Ihm seine ganze Gemeinde. Sein Ziel war dieses: “Ich werde darauf dringen, daß man Dein heiligstes Herz innig liebe.” Im Juni, dem Monat des göttlichen Herzens, hielt er täglich eine Abendandacht mit einer kurzen Ansprache. Den Monat Mai und Oktober weihte er besonders der Muttergottes.-

Was sein inneres Leben betraf, so flammte in ihm seit der mystischen Vermählung gleichsam
         “ein verzehrendes Feuer
Es schien, als ob nur das göttliche Liebesfeuer selbst seine Herzenssehnsucht stillen könnte. Die unendliche Liebe nach Gebühr wieder zu lieben, das war sein “ein und alles”. Das war seine einzige Leidenschaft: Gott aus ganzem Herzen zu lieben. Das ist die Leidenschaft der Heiligen.

“Meine Seele hungert nach Deiner Liebe”, so steht es immer wieder in seinen Aufzeichnungen. Sehr häufig war das Liebesfeuer mit einem Liebesschmerz verbunden. So überkam ihn am 29. Mai plötzlich das Gefühl der Gegenwart der heiligsten Dreifaltigkeit. Es war ihm, als kniete er mitten unter Seraphinen, die alle glühten vor göttlicher Liebe. “Doch”, so bemerkte er, “jene waren ruhig, ich aber heftig bewegt, weil die Last des Körpers diese göttliche Liebe nicht zu ertragen vermag”.

In tiefer Demut gesteht er auch, daß sich trotz der Vereinigung mit der heiligsten Dreifaltigkeit oder jeweils mit den einzelnen hochheiligen Personen immer wieder Zerstreuungen einstellten. Er war tief beschämt darüber. Zerstreuungen im Augenblick innigster Gottvereinigung ! -

Wie aber ist Gott unendlich erbarmend und gut!

Mit Pater Reus wollen wir Gott, dem guten, allheiligen Gott, von Herzen danken für die vielen Gnaden, die Er ihm erwiesen - und die Er allen Seelen erweist, die sich Seiner Liebe öffnen! Niemand verlangt so sehr nach dem Glück, nach der Vollendung der Menschen als der unendlich liebende Gott selbst! Jeder Seele gehört Seine Liebe ganz persönlich. Auch dir und mir, mein Bruder, meine Schwester! Wir sollten viel mehr an diese Liebe glauben und sollten täglich wiederholt beten:
“Mein Gott, ich glaube an Deine Liebe zu mir, ich glaube an Deine unendliche Liebe zu mir Sünder!”

image12. Sept. 1946:
Maria Namen. Gleich bei Beginn der hl. Messe sah ich über dem Altar in der Höhe den hl. Namen MARIA. Aber vorsichtig, wie ich zu sein pflege, gab ich nichts darauf. Kaum hatte ich, den Altar hinauf schreitend “... Nimm unsre Sünden hinweg...” beendet, kam schon Ekstase. Ich sah die allerheiligste Dreifaltigkeit, vor ihr den Namen MARIA, umgeben von einem engen und von einem großen, weiten Engelkreis. Die Vision vervollständigte sich nach und nach. Ich sah, wie rings um den hl. Namen Rosen erschienen.

Bei der Opferung neue Ekstase: Ich sah, wie vom Hl. Geist Strahlen auf den hl. Namen ausgingen, aber von Rosen gebildet. Später sah ich die liebe hl. Mutter selbst inmitten dieses Rosenflores, mit einer Rosenkrone auf dem Haupt. So blieb es bis zum Schluß. Nach der Wandlung sah ich das Jesuskindchen, umgeben von einem Kranz von Rosen, und die hl. Hostie selbst rings am Kranze eingefaßt von Rosen. So empfing ich sie auch. - Der hl. Name MARIA hat seine große Anziehungskraft, die wir in der Kirche tagtäglich wahrnehmen, und seine Widerstandskraft, die er mitteilt vom Hl. Geiste und führt auch wieder zum Hl. Geist. Deshalb müssen die Priester Diener Mariens sein. - Ave gartia plena = Sei gegrüßt, Gnadenvolle!

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Wieder ein neues, schwieriges Arbeitsfeld Spiritual im Großen und Kleinen Seminar

Am Ende des Jahres 1913 teilte der Missionsobere, Pater Zartmann, dem erst vor 10 Monaten zum Pfarrer ernannten Pater Reus mit, er habe ihn zum Spiritual (geistlichen Vater) des neu eröffneten Seminars in São Leopoldo ernannt. Mit diesem raschen Wechsel hatte Pater Reus nicht gerechnet. Es fiel ihm der Abschied von der liebgewonnenen Pfarrseelsorge sehr schwer. Auch seine Pfarrkinder wollten alles versuchen, um ihren “hl. Pater” zu behalten. Pater Reus aber riet ihnen davon ab. Er suchte nichts anderes als den hl. Willen Gottes. Diesen sah er gehorsam in der neuen Berufung.

Der neue Erzbischof von Porto Allegre Joao Becker hatte 1913 den Jesuiten in den Räumen des ehemaligen Gymnasiums von São Leopoldo die Erziehung seiner Seminaristen, sowohl der Theologen wie der Knabenseminaristen, anvertraut. Nach dem Willen seines Missionsobern sollte Pater Reus Spiritual für die beiden Seminare und zugleich auch für die Ordensgemeinschaft werden. Ein bedeutungsvoller Beruf! Pater Reus war sich der Bedeutung seines Amtes bewußt. Er wollte Priester nach dem Herzen Gottes heranbilden. Außer der geistigen Leitung der Seminaristen wurde ihm auch die Betreuung der zwei Kongregationen im Seminar anvertraut; dazu eine Mädchenkongregation bei Schwestern.

Am Lichtmeßtag 1914 übergab der neuernannte Spiritual seine Pfarrei dem Nachfolger und ging am Abend in die Exerzitien. Hier erwählte er sich als Wahlspruch: Pati, das heißt ‘leiden’.

Wo Liebe, da Leid, wo viel Liebe, da viel Leid. So fügte es der Herr. Gar schmerzhaft hat es Pater Reus gerade in den nächsten drei Jahren erfahren. Obwohl er den allerbesten Willen für sein Amt als Spiritual hatte, so enttäuschte er in diesem Amt. Er fand nicht den rechten Ton für die jungen Leute. Er war ihnen zu streng, zu ernst, zu zurückhaltend. Diese heißblütigen Südländer hatten ein anderes Temperament. Den Maßstab, den Pater Reus bei sich selbst anlegte, legte er auch bei diesen an. Er kam nicht an bei ihnen.

Es war Pater Reus, wenigstens in den Jahren seiner äußeren Tätigkeit nicht gegeben, leutselig und anziehend zu erscheinen. Erst in späteren Jahren spiegelte auch das gütige Lächeln seines Antlitzes mehr die reife Milde und innere Heiligkeit wider.

1916 berichtet der Diener Gottes von Vorhaltungen, die ihm sein Beichtvater machte. Diese waren zwar offensichtlich und vielleicht gewollt übertrieben, aber sie zeigen doch deutlich die Grenzen und Schwächen in der menschlichen Anlage des Pater Reus. Eine gewisse Unnahbarkeit, unnatürliche Körperhaltung, übertriebene Bescheidenheit der Augen schreckte die Knaben mehr ab und machte ihn eher zum gefürchteten als beliebten Erzieher. Als “bösen Pater” bezeichneten ihn manche Mädchen, die bei ihm gebeichtet hatten.

Die Folge war, daß ihm nach drei Jahren die geistige Leitung der Seminaristen wieder genommen wurde. Ein harter Schlag. Gerade deswegen, weil er sich alle Mühe gegeben und das Beste gewollt hatte.

Wie aber reagierte Pater Reus?

“Alle scheinen gegen mich zu sein. Gestern erhielt ich die Bestimmung, das Amt eines geistlichen Vaters im Seminar aufzugeben. Ich genügte den Anforderungen nicht... Nichtsdestoweniger wird niemand Dich mehr lieben als ich. Gern gebe ich dieses fruchtbare Amt ab, ja sage Dir deshalb Lob und Dank, da Du durch Vermittlung anderer besser geliebt wirst... Ich fühlte großen Trost... Innig freue ich mich, daß Du diese Gesinnungen der Dankbarkeit, Unterwürfigkeit und edler Liebe in mein Herz gelegt hast. Ich erkenne nämlich, daß diese Gesinnung ein Wunder der Gnade ist... Oft sagte ich doch: Ich will nicht Deine Geschenke, sondern Deine Liebe. Jetzt habe ich Gelegenheit, dies wahrzumachen” (1917).

Es ist ungemein tröstlich für uns Ringende und oft Unterliegende: Das Wunder der Demut ist auch Pater Reus keineswegs als ganz unverdiente Gabe in den Schoß gefallen. Hören wir: “Ich weiß nicht, was das ist: Jedes noch so kleine Opfer wird mir so schwer, widerstrebt so sehr den Sinnen, daß immer neue Kräfte zur Ertragung erfleht werden müssen” (1916).

Pater Reus aber hatte das große und schöne Wort gewagt: “Nichtsdestoweniger wird niemand Dich mehr lieben als ich.” - Und er hat es wahr gemacht. Sein tiefes Seelenleid wurde zum Quell selbstloser, opferstarker Liebe. Wird es bei allen Vertrauenden.

image15. Sept. 1946:
Heute die hl. Messe zu Ehren der hl. Herzen Jesu und Mariä. Schon in der Betrachtung sah ich die beiden hl. Herzen mit Dornen umgeben. Als ich zur hl. Messe ging, war ich entschlossen, auf keine Vision zu achten, in welcher diese beiden hl. Herzen erscheinen würden. Aber Gott ist mächtiger. Als ich, den Altar hinaufschreitend, gebetet hatte: ‘Nimm hinweg, Herr, unsere Missetaten...”, war schon Ekstase da. Ich sah die Allerheiligste Dreifaltigkeit. Vor ihr diese beiden heiligsten Herzen mit Dornen umgeben und beide nochmal von einer großen Dornenkrone eingeschlossen, wohl um anzudeuten, daß diese beiden heiligsten Herzen sollen geliebt und geehrt werden, wie sie zusammen gelitten und sozusagen gemeinsam die Menschenkinder geliebt haben. Vom Hl. Geist gingen Strahlen auf beide aus. Denn Er ist die Quelle beider durch die Menschwerdung und die Unbefleckte Empfängnis. Rings viele hl. Engel, die im weiteren Verlauf der hl. Messe mit Dornenkronen in den Händen erschienen, uns zum Beispiel. Nach der Wandlung bei den Worten “... Laß uns alle mit allem Gnadensegen erfüllt werden”, gingen von beiden hl. Herzen Strahlen der Gnade auf mich über. Auch der liebe Heiland zeigte Sein gütiges Herz... Es sollte wohl die Erscheinung der beiden hl. Herzen ein Unterpfand sein für die Erhörung in dem Anliegen.

Er blieb wohl noch Spiritual seiner Mitbrüder, und zwar bis zum Ende seines Lebens. Ohne Zweifel hat er als solcher gerade durch das Beispiel seines heroischen Strebens nach Vollkommenheit und durch sein anhaltendes Gebet am meisten gewirkt. Er war, wie einst der Hohepriester Onias, “der Brüder Freund, der viel für das Volk und die hl. Stadt betete” (2 Makk 15,14). Das Flehen eines hl. Beters ist eine Großmacht. Um seinetwillen hat der Herr auch das Seminar in Säo Leopoldo besonders gesegnet. Am 1. Jan. 1934 wurde es zum Zentralseminar für ganz Brasilien erhoben. Das Kleine Seminar zählte in jenen Jahren 250 Zöglinge, das Große, auf der anderen Seite der Straße, 200. Im Seminar von Säo Leopoldo waren in den ersten 40 Jahren seines Bestehens mehr als 1.000 Priester geweiht worden. Diesen allen hatte der gute Pater Reus sein Beten, Opfern und Leiden geschenkt.

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Er wird Lehrer im Kleinen Seminar (1914-44)

Wie gern wäre Pater Reus Volksmissionar geworden oder hätte in der Heidenmission mitgearbeitet! Es drängte ihn mit der ganzen Glut seines Herzens zur unmittelbaren Arbeit an den Seelen. Er aber mußte diesen Herzenswunsch opfern, er mußte zwischen die Mauern einer Schule und Unterricht geben, einmal in Latein, dann in Portugiesisch, Geschichte und Religion. Diese neue Bestimmung fiel ihm nicht leicht, denn er war kein “geborener Schulmann”, aber aus Liebe zu seinem Herrn widmete er sich mit ganzer Kraft der neuen Arbeit und gewann sie schließlich auch lieb. Der Erfolg blieb nicht aus. Die wirklich guten Schüler schätzten ihren tieffrommen Lehrer hoch. In den Religionsstunden war er in seinem ureigensten Element. Seine Schüler berichteten darüber: “Von den himmlischen Reichtümern sprach er mit einer solchen Hochschätzung und Glut, daß man von Begierde erfüllt wurde, sie zu erwerben. Seine Lieblingsthemen waren: das heiligste Herz Jesu und die liebe Muttergottes. - 

Einer seiner ehemaligen Schüler gesteht:

Wie oft bin ich nach der Schule in die Kapelle gegangen, um für die Gnade zu danken, Schüler eines Heiligen zu sein.” Seine Mahnungen machten gerade deshalb großen Eindruck auf seine Schüler, weil diese merkten, daß er selbst das tat, was er von ihnen verlangte. Pater Reus wollte in der Schule nicht bloß unterrichten, sondern auch erziehen - gerade um das muß es jedem verantwortungsbewußten Lehrer gehen, das Gute im jungen Menschen zu entfalten, seinen Charakter zu bilden. Er hielt sehr auf Ordnung, Wahrhaftigkeit, Aufmerksamkeit, Fleiß und kameradschaftlichen Geist. Es wird aber auch kaum einen anderen Lehrer gegeben haben, der wie Pater Reus täglich so inständig für alle seine Schüler gebetet hat, besonders wenn diese, weil weniger begabt, ihr Klassenziel kaum erreichten. Tiefen Eindruck machte es auf seine Schüler, daß er ihren Aussagen unbedingten Glauben schenkte; weil er selber durch und durch wahrhaftig war, ließ er stets auch die Erklärungen eines Schülers gelten. Diese erinnerten sich in ihrem späteren Leben dankbar an ihren hochgeschätzten Lehrer. “Wenn Pater Reus kein Heiliger ist, dann weiß ich nicht, wer es sein könnte”, so schrieb einer in sein Tagebuch. Ja, ein Heiliger hat Strahlkraft, denn Gottesliebe ist das Lichtstrahlendste, das es gibt.

Neben seinen Arbeiten im Seminar hatte Pater Reus noch manche Gelegenheit, seinen Seeleneifer zu betätigen. Regelmäßig leistete er Beichtaushilfe in der Pfarrkirche. Von 1914-1923 war er nebenbei auch

Kaplan im Kolleg der Franziskanerinnen,
das nur durch die Straße vom Seminar getrennt war. Er zelebrierte dort die hl. Messe, war Beichtvater der Schwestern und leitete die Mädchenkongregation des Kollegs. Gerade für letztere gab er sich viel Mühe, sollten doch die Mädchen in der Immakulata ihr Leitbild und ihre mütterliche Führerin kennenlernen. Aber schon im Jahr 1923 wurde ihm diese liebgewonnene Arbeit genommen. Warum? Die damalige Oberin der Franziskanerinnen wünschte für das Kloster einen anderen Kaplan, weil die tägliche Messe von Kaplan Reus zu lange dauerte. In dem Bericht darüber zittert bei aller Ergebung des Paters in Gottes Schickung doch ein gewisser Schmerz nach, wenn er schreibt: “Damit war mir auch die Kongregation der Mädchen genommen, nachdem ich schon die zwei Kongregationen der Seminaristen verloren hatte. Ich konnte also nichts Besonderes mehr tun für die liebe Muttergottes.” Es waren dies schwere Schläge für den von Seeleneifer brennenden Priester. Seine große Sehnsucht, Volksmissionar zu werden, hatte sich nicht erfüllt. Auch nicht seine Bitte, Seelsorger eines neuerrichteten Aussätzigenheimes zu werden.

Die Arbeiten, die ihm zunächst im Seminar zugedacht waren, wurden ihm nach nicht langer Zeit wieder abgenommen.

         Es blieben ihm nur die unscheinbaren Arbeiten:
für die Seminaristen Schule zu halten und mit den Großen die Liturgie einzuüben. Für sie schrieb er auch ein mehr als 500 Seiten umfassendes wertvolles Lehrbuch der Liturgie. Wohl blieb er auch Spiritual für die Jesuiten bis zum Ende seines Lebens. Aber durch seine Wortkargheit fiel es seinen Mitbrüdern schwer, zu ihm zu gehen. Wahrscheinlich hat es ihn einen harten Kampf gekostet, bis er sich zu der Erkenntnis durchgerungen hat: Gott habe ihm mehr und mehr die äußere Arbeit abgenommen, damit er sich ausschließlich seiner von Gott gegebenen wichtigsten Aufgabe widme, nämlich der vollkommenen Erfüllung des größten Gebotes, der Liebe zu Gott. Er schreibt: “Immer habe ich gesagt, ich will nicht mein Glück, sondern einzig und allein die Liebe des heiligsten Herzens. Oft sagte ich, daß ich nicht Deine Geschenke, sondern Deine Liebe will. Jetzt habe ich Gelegenheit, dies wahr zu machen.”

Als unserem guten Pater einmal das Bedauern kommen wollte über die verlorene Gelegenheit zu geistigen Verdiensten, glaubte er die überaus gütige Stimme des Heilandes zu hören: “Bin Ich dir nicht mehr wert?” Und Pater Reus antwortete:

“Ja, ich will keinen Lohn, sondern nur Deine Liebe, ohne Lohn.”

Eine bedeutsame Episode
soll hier eingeschaltet werden: In der Zeit, als Pater Reus Kaplan bei den Franziskanerinnen war, lernte er auch die im Ruf der Heiligkeit verstorbene Sr. Maria Antonia Cony kennen. Diese mystisch begnadete Seele hatte ein besonders inniges Verhältnis zu ihrem Schutzengel, und zwar schon von Kindheit an. Nach ihrem Tod sah Pater Reus diese Schwester in der Seligkeit des Himmels. Er hat ihre in portugiesischer Sprache geschriebene Selbstbiographie herausgegeben. Diese ist unterdessen auch in deutscher Sprache erschienen mit dem Titel: “Ich sah meinen Engel”. Es ist ein kostbares Buch, das in überzeugender und packender Weise das Führer- und Schützeramt des von Gott einem jeden Menschen beigesellten Engels darstellt. Pater Reus gesteht, daß er Anfang des Jahres 1944 schwer erkrankt und mit den hl. Sterbesakramenten versehen, auf die Fürbitte der Sr. Maria Antonia Cony wieder geheilt worden sei. Ihr Buch ist im Canisius-Verlag erschienen.

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“Mein Beruf ist die Liebe”

Gott hat dem seeleneifrigen Priester die Möglichkeit zum äußeren Wirken immer mehr aus der Hand genommen. Dadurch wurde ihm klarer, was der Herr von ihm wollte: nichts als Liebe, nichts als restlose Hingabe seines Willens in den Willen Gottes. “Verlasse die Welt und sei nicht niedergedrückt!” - Er erkannte, daß seine Lebensaufgabe darin bestehe, die Liebe Gottes zu den Menschen zu erfahren und zwar in lebendiger, ganz unmittelbarer Weise, und sie damit den Menschen in etwa zu veranschaulichen, gerade den Menschen unserer Tage, die den Glauben an die Liebe Gottes weithin verloren haben und mit dem Glauben auch die Liebe zu Gott selber. Das ist eine der erschütterndsten Erscheinungen unserer Tage: Niedergang des Glaubenslebens und damit die Erkaltung der Liebe zu Gott.

Die unmittelbar und wirklich erlebte Gottesliebe erschien unserem Pater als seine eigentliche Lebensaufgabe; dieses ganz der Liebe leben und der Liebe geopfert sein, so wie die hl. Theresia von Lisieux (1873-1897), die Zeitgenossin des Pater Reus, von ihrem Leben sagte: “Mein Beruf ist die Liebe.”

Aber bei aller Bereitschaft zum liebenden Opfern schon von Jugend an und trotz aller Begnadung hatte Pater Reus, wie wir alle, immer wieder mit den menschlichen Regungen und Neigungen, mit Schwächen und Unvollkommenheiten zu kämpfen. Er hat dies auch mit schonungsloser Offenheit eingestanden. So konnten ihn sein stark ausgeprägtes Rechtsempfinden und Ehrgefühl leicht zu übergroßer Empfindlichkeit verleiten; seine große Entschiedenheit und Tatkraft ließen ihn schnell ungeduldig, aufbrausend und heftig werden. Er war überzeugt, daß er aus eigener Kraft, allein, das Ziel, das er sich vorgenommen hatte, nicht erreichen könne. So betete er oft: “O Gott, hilf mir, Dich so zu lieben, wie Du es von mir erwartest!”

Unwillkürlich fragt man sich: Warum läßt Gott Seinen Erwählten soviele, zum Teil auffallende Menschlichkeiten und Schwächen, obwohl sie sich oft in geradezu rührender Weise dagegen wehren? Antwort: “Dieser Stachel im Fleisch” soll sie nach dem hl. Franz von Sales bewahren vor der allergrößten Gefahr, vor dem Stolz, vor dem “Ich bin Ich” Luzifers. Die trotz ernsten Ringens immer wieder kehrenden Fehler festigen die Freunde Gottes in der grundlegendsten Tugend, in der Demut, und bewahren sie nicht zuletzt vor der “gefährlichen Publicity”, der Sensation und dem Zulauf. Nichts aber ist der Hölle mehr zuwider, als ein demütiger, herzensreiner Mensch, denn er ist ein Abbild des göttlichen Lammes, ein Abbild der demütigen Gottesmagd Maria.

P. Reus war ein großer Beter
bei Tag und Nacht. Er betete neben seinem Breviergebet und anderen Pflichtgebeten vor dem Allerheiligsten täglich den ganzen Psalter; er betete auch mehrmals den hl. Kreuzweg. Er nützte die kostbare Zeit, die Gott ihm schenkte zur häufigen Anbetung des eucharistischen Herrn. Pater Reus wußte: Der Herr der Heerscharen sucht Anbeter. Er, der Höchste, verborgen im unscheinbaren Brot, der im Tabernakel eine immerwährende Gefangenschaft erträgt. Besonders wichtig und wertvoll schienen ihm auch die Stoßgebete, diese kurzen Akte der Liebe. Sein Lieblingsstoßgebet lautete: “Jesus, Maria, Josef.” Er betete es ungezählte Male am Tag. Dieses häufige, liebende Sprechen der hl. Namen wurde für ihn eine starke Quelle des Trostes und der Kraft, in gleicher Weise wie der im Ruf der Heiligkeit verstorbenen Kapuzinerin, Sr. Consolata Betrone (^ 1949). Diese hatte auf Wunsch des Heilandes zu den hl. Namen noch die innige Bitte hinzugefügt: “Rettet Seelen!”

Schließlich drängte ihn die Liebe zu Gott zu einem besonderen Entschluß:

 “Immer das Vollkommenere tun”
“Was ich als vollkommener erkenne, werde ich tun”, das schrieb Pater Reus nicht nur in sein Tagebüchlein, das gelobte er auch durch ein besonderes Gelübde und das hielt er auch. Vorbild war ihm sein früherer heiligmäßiger Spiritual in Exaeten, Pater Eberschweiler, der auch das Gelübde abgelegt hat, immer das Vollkommenere zu tun. Pater Reus war sich der ganzen Schwere seiner Entscheidung bewußt und hat lange zuvor mit sich darum gerungen; liegt doch in diesem Gelübde inbegriffen, nicht die geringste Unvollkommenheit zu dulden, sondern mit einzigartiger Gewissenhaftigkeit und Treue alle Gebote Gottes und alle Vorschriften des Ordens zu erfüllen, ja, auf jeden Wunsch des Herrn, den er durch die Anregung der Gnade zu erkennen glaubte, möglichst vollkommen einzugehen.

Das ist das Hochziel, das sich Heilige setzen, gleichsam die einzige Leidenschaft, die sie haben. “Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist!” In diesem Heilandswort liegt auch der einmalige Beweggrund für das Heiligwerdenwollen. Mit großer Hingabe betete Pater Reus am Tag seiner Gelübdeablegung das folgende ergreifende Weihegebet: “Heiligstes Herz Jesu, meines Beliebtesten Herrn und Meisters! Um Dir wohlgefällig zu sein, um Deine Liebe reiner zu erwidern, um Dir treuer zu dienen, und Deinem heiligsten, mir durch den Gehorsam gezeigten Willen zu entsprechen, gelobe ich, angesichts der liebtrautesten Mutter Maria, meines hl. Vaters Ignatius, aller Heiligen der Gesellschaft Jesu und des ganzen himmlischen Hofes: allzeit das zu wollen, was ich in den gegebenen Umständen als das Vollkommenere erkenne.

Um jedoch aller Gefahr, Dich zu beleidigen, vorzubeugen, verpflichte ich mich nicht unter Sünde, bin aber gern bereit, für die vielleicht freiwilligen Übertretungen des Gelübdes wenigstens einige Bußen auf mich zu nehmen.”

Dieses Gelübde, das Pater Reus mit Erlaubnis seines Missionsobern ablegte, und das ihm auch später von allen zuständigen Obern erlaubt wurde, blieb die unverbrüchliche Treue-Norm für all sein Streben und Tun. Die nächste Auswirkung dieses Gelübdes lag für ihn darin, daß dadurch all seine äußeren Abtötungen und Bußwerke sozusagen für immer bestätigt wurden. Er hatte sie schon bisher in seinem Ordensleben, soweit es ihm der Gehorsam gestattete, geübt. 

Als besondere Bußwerke
hatte er sich im April 1915 vom Missionsobern noch folgende erbeten: Auf harten Brettern zu schlafen, die er ins Bett legte; jede Woche einmal bis Mitternacht in der Kapelle vor dem Allerheiligsten zu beten, und dreimal in der Woche kein Frühstück zu sich zu nehmen
*. Als er bald nachher vom Missionsoberen freie Hand in seinen Bußübungen erhielt, fügte er noch eine Reihe anderer hinzu. Das zunehmende Alter freilich verlangte dann Milderungen.
* Es sei ausdrücklich vermerkt, daß Pater Reus diese schweren Bußübungen einem inneren Anruf folgend auf sich genommen hat. Sie müssen gewertet werden als eine Sonderleistung einer überaus strengen Bußgesinnung. Dazu war eine ganz besondere Gnade, aber auch eine außerordentlich große Liebe und Sühnebereitschaft notwendig. Diese Bußübungen sind aber nicht ein Anruf an die Allgemeinheit. Der normale Bußund Heiligkeitsweg ist die gewissenhafte Beobachtung der Gebote Gottes, die treue Erfüllung der Alltagspflichten und das geduldige Ertragen der täglichen Mühsale um des Gekreuzigten willen. 

War das nicht des Guten zuviel,
so fragen wir Menschen unserer Tage? Antwort: Liebe für Liebe! Das war der Beweggrund für diese heroischen Opfer unseres Paters. Die ungewöhnlichen Gnaden, die Gott ihm schenkte, vor allem die mystischen Wundmale und die dauernde innige Vereinigung seiner Seele mit Gott, mußte er ebenso großmütig beantworten. Pater Reus war davon überzeugt, daß alles, was er auf sich nehme und leide, nur wenig im Vergleich zu dem sei, was er Gott schulde. Darum suchte er im großen, aber auch im kleinen und kleinsten die Überwindung und das Entsagen. Er tat es aus Liebe zum Gekreuzigten, dessen Leiden und Sterben er so gerne mit dem Martertode seinerseits vergolten hätte.

Wundert es uns dann, wenn er in vielen Dingen geradezu erfinderisch war, dem Herrn seine Opferliebe zu zeigen. So las er die Zeitung nie am Morgen, sondern einen halben oder ganzen Tag später. Freitags pflegte er keine Zeitung zu lesen, auch wenn an diesem Tag spannende Neuigkeiten darin enthalten waren, wie z. B. die Papstwahl Pius XII. im Jahr 1939. Die Briefe, die er erhielt, ließ er meist einen halben Tag liegen.

Als das Luftschiff Zeppelin
auf seiner Reise nach Argentinien auch über São Leopoldo flog, ließ sich wohl kaum einer, der davon wußte, dieses einmalige Schauspiel entgehen. Was tat Pater Reus? Er sagt: “Ich ging in die Kapelle, um in Gegenwart des Herrn im allerheiligsten Sakrament zu beten. Ich hörte das Surren der Motoren, aber ich blieb ruhig vor dem Allerheiligsten. - Nicht, als ob ich kein Interesse daran gehabt hätte; im Gegenteil, alles, was auf diese Fortschritte Bezug hat, nimmt mich sehr in Anspruch. Doch ich hatte das Vollkommenheitsgelübde gemacht, und das wollte ich halten. Ich konnte mich nicht überzeugen, daß es vollkommener sei, das Luftschiff anzuschauen.”

Ein nicht minder reiches und ein ebenso wichtiges Betätigungsfeld seines Vollkommenheitsgelübdes war die innere Abtötung,
die Überwindung seiner Charakterschwächen, vor allem seiner übergroßen Empfindlichkeit, seines zeitweilig heftigen Aufbrausens und seiner Ungeduld. Noch im Jahr 1935 klagte er, daß er trotz der vielen Gnaden immer noch ungeduldig werde; und diesmal mußte er der Wahrheit gemäß hinzufügen: “Jedes Jahr wenigstens einmal” (werde ich ungeduldig). Anreiz zu Regungen der Ungeduld wurden für ihn zuweilen die ganz unvermuteten und wider seinen Willen eintretenden Ekstasen, gerade während der hl. Messe, so daß er manchmal warten mußte, und mit dem Meßopfer nicht fortfahren konnte.

Er konnte aber Gott nicht genug danken, wenn es ihm gelang, mit Seiner Hilfe immer wieder Herr seiner Schwäche zu werden. So nennt er folgendes ein direktes Gnadenwunder, das er der Fürbitte des hl. Josef zuschreibt: “Ich wurde heftig beleidigt, ich beleidigte aber nicht wieder und wurde nicht zornig” (5. März 1917). Aus dem Jahr 1932 erzählte er in seiner Selbstbiographie, daß er von einem Mitbruder einen in grob beleidigender Form abgefaßten Brief erhielt. Wegen seines Vollkommenheitsgelübdes verzichtete er darauf, ihm zu antworten, und er ließ sich bei einer späteren Begegnung mit ihm in keiner Weise etwas anmerken. - Es entscheidet immer die Größe der Liebe. So kann eine große Liebe selbst einem nicht so großen Opfer einen hohen Wert verleihen.

Eine große Selbstüberwindung bedeutete für den Pater auch die Rechenschaft über sein außergewöhnliches Innenleben. Er schuldete diese Rechenschaft seinen Oberen und hatte den Auftrag, darüber laufende Aufzeichnungen zu machen. Er mußte nicht nur im Gehorsam sein ganzes Leben aufzeichnen, sondern auch alle täglich erhaltenen besonderen Gnaden. Er hatte jedoch den Vorgesetzten gebeten, das Geheimnis seines Innenlebens zu wahren. Durch die Erfüllung dieses Wunsches blieben die Gnadengaben des Paters bis in seine letzten Jahre fast ganz unbekannt. Es entstand aber einmal 

ein wahrer “Sturm” in seiner Seele,
als er hörte, es sei der Wunsch der Gesellschaft, daß nicht nur dem Provinzial, sondern auch dem Hausoberen Gewissensrechenschaft abgelegt werden solle. “Es schien mir”, so schreibt er, “für den Augenblick leichter, schwere Sünden zu offenbaren, als diese mystischen Gnaden”; aber er hatte dem Heiland versprochen, das Vollkommenere zu tun, und er hielt es auch.

Eine schier unbegrenzte Betätigung der Übung der Vollkommenheit war für Pater Reus sein liebender Wandel vor Gott oder, wie er sich selbst ausdrückte:

die Vergegenwärtigung Gottes”.

Er hatte stets Kontakt mit dem Herrn, dafür wählte er als äußeren Ausdruck häufig wiederholte Akte der Liebe. Er berief sich auf das Wort der hl. Theresia von Avila: “Ohne die beständige Vergegenwärtigung Gottes gibt es keine vollkommene Liebe.” Durch die bei Tag und Nacht mit großer Innigkeit immer wieder gesprochenen Namen: JESUS, MARIA, JOSEF war er in der Lage, beständig Akte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu erwecken. Pater Reus wußte, daß der letzte Sinn aller Übung der Frömmigkeit darin besteht, zu einer immer größeren Vereinigung mit Gott zu kommen. Er verlangte danach, nicht nur um der Ehre Gottes willen und nicht so sehr seinetwegen, als vielmehr im Hinblick auf die Rettung vieler Seelen, denn das ist ein ganz hohes Apostolat: “Herr, mach, daß ich mir sterbe und daß ich Dir lebe, um Dir möglichst viele Seelen zu retten ! “ Sein Leben wurde buchstäblich ein in Gott-Hineinsterben. So öffnete sich ihm Gott in gnadenvoller Weise.

Ergänzt sei noch eine wichtige Bemerkung für uns alle: Wer sich oft liebend mit Gott beschäftigt, und sei es auch nur in schlichten Stoßgebeten, verfällt nicht unguten Gedanken, die immer wieder die Quelle vieler Übel werden.

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Vir desideriorum: ein Mann mit großem Verlangen

'Wie sehr Pater Reus alles, auch das Kleinste mit größtmöglicher Vollkommenheit zu tun begehrte, das geht auch aus einem “Pakt mit Gott” hervor, den er in lateinischer Sprache niedergelegt hat. Wir greifen aus dieser längeren Niederschrift nur ein paar wesentliche Gedanken heraus: “O Gott, um Dich mehr lieben zu können, wünsche ich folgendes aus ganzem Herzen:

Sooft mein Herz schlägt,
sooft ich Atem hole, sooft ich auch nur die geringste Bewegung mache, ebenso oft mögest Du von allen Geschöpfen gepriesen und geehrt werden!

Ebensooft übergebe ich mich in Deine Hände, daß Du über mich verfügst, wie über eine ganz Dir gehörige Sache, von jetzt an und für immer!

Ebensooft mißfallen mir alle Sünden, die seit Anbeginn der Welt begangen wurden und bis an ihr Ende begangen werden. Möchten Dir, o mein höchstes Gut, an Stelle jeder einzelnen Sünde tausendmal tausend Huldigungen erwiesen werden. - Dafür opfere ich besonders das hl. Meßopfer auf.

Ebensooft opfere ich Deiner göttlichen Majestät alles Gute auf, das möglich ist. Vor allem das Leiden und Sterben und die heiligsten Wunden meines Erlösers Jesus Christus - besonders für die Bekehrung der Sünder und die Befreiung der Armen Seelen.

Diesen jetzt gemachten Akt möchte ich ebensooft erneuert haben, als ich eines von den anfangs genannten Zeichen setzte, nämlich so oft ich Atem hole usw.”

Hier gilt wahrhaft das Wort, das der Erzengel Gabriel dem Propheten Daniel sagte: “Du bist ein Mann mit großem Verlangen” (Dan 9,23). Müßten wir nicht auch manchmal mehr Verlangen, mehr Sehnsucht, mehr Weite haben! “Aufrichtiges Verlangen, ernstes Wollen ist vor Gott bereits vollendete Tat”, sagt ein Gottesgelehrter. Entscheidend für das Gute ist immer zuerst das: Ich will. - Ich will Gott lieben. Der Herr wird dann unser Herz weit machen für die Liebe.

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Nur ein paar Sätze aus der Fülle

Aus den zahlreichen Aufzeichnungen, die Pater Reus anläßlich seiner Exerzitien all die Jahre hindurch und auch sonst machte, seien hier nur ein paar programmatische Sätze herausgegriffen.

“Ich will andere retten, und zwar an erster Stelle
durch das eigene vollkommene Leben.”

“Gib, o ewige Liebe, daß ich Seelen rette,
die in Gefahr sind, in die Hölle zu stürzen.”

“Nicht aus Furcht, sondern aus reinster Liebe will ich jede Sünde meiden.”

“Diesen einen Ruhm, o göttliches Herz, werde ich Dir sicher einbringen,
den einer unbegreiflichen Barmherzigkeit mir gegenüber.”

“Keine Gelegenheit fliehen, wo es etwas zu leiden gibt.”

“Ich komme mir vor wie vernichtet, denn alles, was von mir ist, ist nicht gut.”

“O liebste Liebe, Erbarmen über Deine Priester!”

“Der Priester muß Opfer sein mit Jesus, der sich für uns opfert.”

“Ohne Dich, o ewige Liebe, bin ich der Abgrund der Bosheit.”

“Von Ihm ist alles, jedes Fünkchen Glut.”

“Was mir Mut gibt zu einem immerwährenden Jesus-Lieben ist das Gebot:
Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben aus deinem ganzen Herzen.”

“Der Hl. Geist ist die Liebe. In Ihm lieben wir das heiligste Herz Jesu,
das Wunderwerk des Hl. Geistes.”

“Solange Jesus will, will ich als Opfer der Liebe zu Ihm
mein elendes Leben weiterschleppen.”

“Es ist mir geistiger Weise nicht recht wohl,
wenn ich mehr oder weniger frei von Leiden bin.”

“Wenn der Herr mein Gehorsamsopfer verlangt, muß die Natur schweigen und darf sich nicht einmal in Gedanken des Unmuts aufhalten.”

“Ich schaue einzig allein auf das, was Er will. Das geschehe!”

“Ich vertraue auf das heiligste Herz Jesu, und alles geht gut.
Gern hilft dann auch die Mutter des Herrn.”

“Die einzige Möglichkeit, etwas zu erlangen, ist die unendliche Freigebigkeit, Barmherzigkeit und Güte Gottes und die Güte des heiligsten Herzens Jesu. Einen anderen Weg gibt es nicht.”

“Ich suche den Visionen zu entgehen, wo ich nur kann.”
“Der liebe Heiland ist es, der über mich verfügt.”

“Ich muß Seinen hl. Willen ausführen,
mag man über mich denken, was man will.”

“Schon um des hl. Opfers willen muß ich heilig leben.”

“Ich will nur Gottes hl. Willen in allem.”

“Die Viertelstunde gleich nach der hl. Messe ist einzig für Ihn!”

“Jetzt schon alles tun, um einmal die Worte des Richters hören zu dürfen:
‘Kommt, ihr Gesegneten!”`

“Dir zuliebe alle Schmach!”

“Die Du liebst, o Jesus, müssen leiden!”

“Nimm gnädig alle körperlichen Leiden als Anteilnahme
an der furchtbaren Qual Deiner Geißelung!”

“Ausharren am Kreuz bei Krankheiten - mit Ihm!”

“Überall, wo der Auferstandene erscheint, ist Freude und Trost.
So soll auch mein Erscheinen alle trösten, mit denen ich zusammenkomme.”

“Gott ist in meinem Herzen, und ich wußte es nicht” (vergleiche Gen 28,16).

“In meinem Herzen ist ein großes Meer von Glut, aber nichts von mir.”

Die Antwort des Himmels

Die Antwort des Himmels auf sein ständiges Bemühen, um Gottes willen immer vollkommener zu werden, war so, daß sie uns in Erstaunen versetzt. Je großmütiger sich der Mensch Gott schenkt und seinen Willen von Gott binden läßt, desto großmütiger, freigebiger, liebender und beglückender ist der Herr. Gott läßt sich an Großmut nie übertreffen.

Er schenkte immer neue mystische Gnaden. Der opferbereite Pater erfuhr fast täglich, wenn auch nur kurz, in irgend einer Form volle 30 Jahre lang die göttliche Liebesglut. Er schreibt: “In allen möglichen Lagen und Stellungen, an allen möglichen Orten, auf der Stiege, auf den Gängen, in der Kapelle, mitten in der Arbeit oder sonst einer Beschäftigung, in der Kapelle, im Garten wurde ich jahrelang, Tag für Tag von der Liebesglut überrascht. Widerstand ist unmöglich. - Gott ist Liebe und unendliches Lieben; Er ist darum auch ein verzehrendes Feuer, und Er möchte, daß das Feuer, das Er auf die Erde bringen wollte, auflodere zu einer alles verzehrenden Flamme.” Im Februar 1925 schreibt er: “Starke Glut auch in den Wunden.”

Am 25. Juni 1925: “Die hl. Kommunion schien in mein Herz hinabzusteigen wie ein verzehrendes Feuer oder, besser gesagt, wie ein sengendes Feuer.”

Gott Selbst hat Sich im Alten Bund in einem brennenden und doch nicht verbrennenden Dornbusch gezeigt. Er ist personenhafte, unendliche Liebe. Der Hl. Geist ist am Pfingstfest unter dem Sinnbild feuriger Zungen erschienen. So wollte der menschgewordene Sohn Gottes durch das Bild Seines flammenden Herzens gerade unsere, in der Liebe erkaltete Zeit erinnern an Sein immerfort geltendes Wort: “Feuer auf die Erde zu bringen, bin Ich gekommen, und was will Ich anders, als daß es brenne!”

Immer neue Opfer, immer neue Gnaden

Gott schenkt jedem Menschen Seine helfenden Gnaden. Ohne diese Gnadenkraft kann kein Mensch etwas im Hinblick auf das ewige Ziel. Gott läßt aber auch jedem die freie Entscheidung, ob er annehmen will oder nicht. Er wartet aber immer auf unser J a. Je größer unsere Bereitschaft, um so mehr Gnade von Seiner Seite. Gott läßt Sich nie an Großmut übertreffen. “Gott ist größer als unser Herz” (1 Jo 3,20). Pater Reus ist das sprechendste Beispiel dafür.

Am 27. April 1915, am Fest des hl. Petrus Canisius, hatte der Pater im Sinn seines Gelübdes, immer das Vollkommenere zu tun, den Missionsoberen Pater Zartmann um die Erlaubnis zu mehreren einschneidenden Bußübungen gebeten. Der Missionsobere gewährte ihm volle Freiheit hierin. “Der natürliche Mensch”, so schreibt Pater Reus, “hatte keine besondere Freude an dieser Erlaubnis” doch der Herr, für den er wirklich das Äußerste aufbieten wollte, dessen er fähig war, gab ihm noch am gleichen Tag eine Antwort, wie sie nur Seine unendliche Liebe und Macht schenken kann: Pater Reus selbst beschreibt diese Gnade mit folgenden Worten: “Ich fühlte mich sozusagen körperlich auf wunderbare Weise eingeschlossen in das heiligste Herz Jesu.

Ich fühlte, wie mein Herz sozusagen mit dem Herzen Jesu den gleichen Pulsschlag hatte. Zu gleicher Zeit ruhte ich am Herzen des liebsten Vaters.” Zwanzig Jahre später, als er im Gehorsam sein inneres Leben beschrieb, konnte er bestätigen, daß diese Gnade, ins heiligste Herz Jesu eingeschlossen zu sein, ständig fortdauere.

Im Oktober 1922 berichtet er, daß das Fühlen seiner Vereinigung mit dem Herzen Jesu ihm auch geistig irgendwie sichtbar gemacht wurde. Er suchte dies in einer noch ganz kleinen Zeichnung anzudeuten: Zwei Herzen ineinander, von denen das kleinere, nämlich das seine, sich im größeren des Herzens Jesu befindet. Dies ist die erste skizzenhafte Zeichnung, die sich in seinen Aufzeichnungen findet; viele andere, etwa 800, folgten ihr.

Noch immer sehe ich mein Herz vereint mit dem Herzen Jesu”, so schrieb er am 10. Okt. 1922. Ohne daß diese Gnade der erlebten Vereinigung der Herzen aufgehört hätte, kam dann 12 Jahre später dazu:

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die Vereinigung seiner Person mit der Person Christi

eine Gnade, für die er zeitlebens ganz besonders dankte. Im Monat Juni 1934 nahm er die Gestalt des Heilandes in kurzer Entfernung von sich wahr, aber doch so, daß er zugleich sagen mußte: “Er ist in mir. Ich weiß nicht, wie das zugeht, aber ich weiß, daß es so ist.” - “Jesu Person ist eins geworden mit mir”, so stellt er am 15. Juni 1935 fest. “Oft und oft lege ich meine Hand auf meine Brust, um dem göttlichen Heiland meine Liebe zu bekunden, und nicht selten füge ich bei: ‘Erbarme Dich', weil mich eine Angst, ja, ein Entsetzen beherrscht, wenn ich an die Größe der Gnade und an meine Armseligkeit denke.” So. drängte es den Diener Gottes immer erneut zu dem Ausruf: “Zuerst gab Er mir Seine hl. Wunden, dann Sein heiligstes Herz, jetzt Seine ganze Person! - Dein Wille geschehe, o liebstes Herz Jesu! Gib, daß ich Dich wahrhaft liebe!”

  

Der Tausch der Herzen

Eine weitere ganz große und für das Innenleben entscheidende Gnade erfuhr Pater Reus am Fest des hl. Aloisius, am 21. Juni 1936: den mystischen Tausch seines Herzens mit dem Herzen Jesu. Er beschreibt dies mit folgenden Worten: “Als ich (bei der hl. Kommunion) die hl. Hostie zu mir nahm, fühlte und sah ich, wie mein Herz aus dem umgebenden Körperteil herausgerissen wurde, sah die zerfetzten, ungleichen Ränder. Mein Herz war also herausgerissen. Darum betete ich auch nachher: Ich liebe mit Deinem Herzen. Auf einmal sah ich, wie mich eine Lichtsonne in weitem Bogen ganz umschloß, jedenfalls um des Herzens Jesu willen, das in mir war. Doch erst, als ich aus der Kapelle gegangen war,
          schaute ich statt meines Herzens das heiligste Herz Jesu
in vollem Glanz in mir.” - Der tiefere Sinn dieser Gnade war wohl, daß Christus selbst vollkommen in seiner Seele Gestalt gewinnen solle. Gott will den Menschen ganz. Nur wer sich Ihm verborgen restlos hingibt, dem schenkt Er sich auch ganz.

Ergriffen fragte sich Pater Reus: “Weshalb ließ sich der Heiland so weit herab, daß Er mir mein Herz herausriß und Sein göttliches Herz an Stelle des meinen setzte? Er hat”, so schreibt er, “das gleiche auch der Sr. Maria Chambon von der Heimsuchung Mariä getan und erklärt: “Ich brauche dein Herz, daß es Mich entschädige... Ich habe Mir nun ein Schlachtopfer auserwählt, in dessen Herzen Ich ruhen möchte, und ihr sollt Mich lieben und Mir alles überlassen. Ihr sollt am Herzen eures Meisters ruhen wie der hl. Johannes. Wenn ihr Ihn liebt, verschafft ihr Ihm große Verherrlichung!”

“Diese Worte”, so meint Pater Reus, “lassen mir das Unverständliche einigermaßen begreiflich erscheinen. Freilich, wie ich Ihn entschädigen solle, ist und bleibt mir ein Rätsel - angesichts des Nichts, das Er unfehlbar in mir finden muß. Aber:

“Vertraue auf Ihn - Er wird sorgen!”

“Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mein Vertrauen auf das heiligste Herz Jesu zu setzen, Er wird es schon recht machen.” War dieser gnadenvolle Herzenstausch, den der Heiland Seinem treuen Diener gegenüber wiederholt bestätigte, nicht die Erfüllung des Flehens vorn 4. Okt. 1912: “O mein geliebter Jesus, gib, daß ich Dich liebe, Dich erkenne und ganz in Dich umgestaltet werde!” Und will diese wundersame Gnade den gläubigen Christen nicht klar veranschaulichen, daß wir immer mehr unser eigenes, selbstsüchtiges Denken und Wollen aufgeben müssen, um statt dessen Christi Herz, das heißt, Sein Wollen, Sein Lieben uns zu eigen zu machen. “Seid so gesinnt, wie Christus Jesus gesinnt war.”

Die Gnade des mystischen Herzenstausches brachte es mit sich, daß Pater Reus nicht selten auch die ganze Traurigkeit und den bitteren Schmerz des Erlöserherzens über die Sünden der Menschen teilte. Es ist dies ein Geheimnis schmerzvollster Sühne, wie sie die wahrhaft Liebenden leisten. Wirkliche Teilnahme am Erlöserleiden Christi! Wie wartet der Heiland auf bereitwillige Seelen, die mit der Liebe Seines Herzens lieben, opfern und sühnen! Sie helfen die Welt retten.

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Die Gewißheit seiner ewigen Seligkeit

Zu den ganz großen Gnaden, die Pater Reus erfahren durfte, gehört auch die Zusicherung, daß er nach dem Tod, ohne jeden Verzug sofort mit dem Herzen Jesu eins sein und von diesem verherrlicht werde*. Es war am 24. Nov. 1915 abends, als er in Vorbereitung des Unterrichtes folgendes aufzeichnete: “Gott hat es nicht mir und nicht dir gesagt, daß wir bestimmt in den Himmel kommen.” In diesem Augenblick wurde sein Herz plötzlich von einem ungewöhnlich heftigen Liebessturm erfaßt, so daß er unwillkürlich die Hand aufs Herz preßte, von seinem Stuhl aufstand und sich auf die Knie warf. Dann wurde ihm mitgeteilt:

Es ist dir schon gesagt worden, daß du in den Himmel kommen wirst, gesagt bereits im Oktober 1912" - es war anläßlich der mystischen Verlobung. Damals schien ihm der Herr, den er aber nicht mit körperlichen Augen sah, deutlich zu sagen: “Ja, du wirst zu Mir kommen und in Meinem Herzen ruhen durch die ganze Ewigkeit.”

In früheren Jahren hatte der Pater oftmals Gott den Heiland um die Gnade angefleht, daß er nach seinem Tod ohne Verzug die ewige Seligkeit erlangen möge. Später betete er nicht mehr darum, weil es ihm vollkommener erschien, sich rückhaltlos der Vorsehung und Barmherzigkeit Gottes zu überlassen.

Mit besonderer Innigkeit sprach er täglich bei der hl. Messe die Gebetsworte: “Laß mich niemals von Dir getrennt werden.” Auch jedesmal, sooft er Weihwasser nahm, sei es in der Kirche, sei es im Zimmer, pflegte er zu beten: “Laß mich nicht von Dir und von der Gesellschaft (Jesu) getrennt werden!” Am 24. Nov. 1927 schien es ihm, daß der Heiland im heiligsten Sakrament selbst ihm versicherte: “Numquam”, das heißt: niemals! Er deutete diese Zusicherung als Gnade, er werde vor dem Fegfeuer bewahrt bleiben, das heißt, auch nach dem Tod keinen Augenblick vom Herrn getrennt sein.

Bei jeder Danksagung nach der hl. Messe dankte er dem Geber aller Gaben für folgende Gnaden: “Daß Du in Deiner unsagbaren Liebe meine arme, undankbare Seele mit Deinen hl. fünf Wunden ausgezeichnet, Dein heiligstes Herz mit dem meinen verbunden, Deine hl. Person mit der meinen fühlbar vereint, Dein Herz mit dem meinen getauscht, daß Du mir die ewige Seligkeit und Herrlichkeit nach dem Tode geoffenbart hast!” Aber niemals bedankte er sich für die Offenbarung, daß er ohne Fegfeuer sofort in den Himmel eingehen werde. Das sah er als Vermessenheit an, eine so große Gnade anzunehmen. Er meinte sogar: “Lieber will ich hundert und tausend Jahre im Fegfeuer bleiben, als so etwas sagen.” Aber die Gnade Gottes trieb ihn dazu an, bis er es in seinem Herzen annahm und aussprach: “Ich glaube, daß Du mich ohne Fegfeuer zu Dir nimmst.”

Er fühlte sich gedrängt, besonders der lieben Gottesmutter für die Vermittlung dieser Gnade innigst zu danken; ja, die Tatsache, daß er die Gnade gerade am 24. November, dem Fest des hl. Johannes vom Kreuz erhielt, ließ ihn folgende Erwägung niederschreiben:

“Wem habe ich diese Gnade zu verdanken:

Zunächst der unendlichen Barmherzigkeit des heiligsten Herzens Jesu, dann glaube ich, sie sei mir gegeben von der lieben Muttergottes wegen des KarmelSkapuliers, für dessen Verbreitung ich soviel gearbeitet habe, ferner auf die Fürbitte der hl. Theresia vom Kinde Jesu (über ihr Leben hatte er ein Buch geschrieben, das aber nie veröffentlicht wurde), ferner auf die Fürbitte der hl. Theresia von Avila, die meine Lehrmeisterin in den Fragen der Mystik (in den späteren Jahren) war, und auf die Fürbitte des hl. Johannes vom Kreuz.” Die Gnade der künftigen Auserwählung wurde ihm in den kommenden Jahren noch oft bestätigt. Auch die Gottesmutter bestätigte ihm die Offenbarung seiner ewigen Seligkeit.

So sah er am 23. Juli 1943 bei den Worten der hl. Messe: “Nimm uns auf in ihre Gemeinschaft”, wie der himmlische Vater ihm einen Platz unter den Heiligen anwies. Ja, es wurde ihm zwei Jahre vor seinem Tod sogar die Offenbarung seiner künftigen Verherrlichung auf Erden gezeigt.

Tief beschämt beschreibt er
die große Wirkung all dieser Gnaden: “Heiland, jetzt will ich Dir noch treuer sein.” - “Der Gedanke: Nunmehr bin ich sicher und brauche mich nicht mehr anzustrengen, liegt mir ferne. Gerade das Gegenteil ist der Fall: Die Güte des Herzens Jesu treibt mich zur äußersten Anstrengung an, um Ihm zu gefallen, Ihm zu dienen und für Ihn Opfer zu bringen.”

Diese großmütige Bereitschaft voll tiefer Demut und Gottesliebe, dieser wahrhaft gute Wille war das Entscheidende im Leben von Pater Reus. Wie oft hat er in seinen Niederschriften geklagt über seine Unheiligkeit, seine Klotzigkeit, seine Empfindlichkeit und Ungeduld, über das rechthaberische Bestehen auf seiner Meinung und - trotz aller dieser Fehler und Schwächen:
Ohne Fegfeuer sofort in den Himmel - ein Heiliger des Himmels!

Brüder, Schwestern! Wie groß denkt Gott von jedem ehrlich sich mühenden, immer wieder aus Schuld und Sünde aufstehenden, wahrhaft um die Liebe Gottes ringenden Menschen!

Haben wir Mut, haben wir Vertrauen auf die unermeßliche Gnadenhilfe Gottes! Haben wir Vertrauen auf die unendliche Liebe Gottes! Die Liebe Gottes hilft uns immer wieder aufstehen. Gerade für unsere Zeit stellt uns Gott die Liebe als größte Macht vor Augen: im Herzen Jesu und im Herzen der Unbefleckten Gottesmutter. Obwohl Glauben kein Wissen ist, sondern nur ein Fürwahrhalten, so ist Glaubensund Vertrauenskraft eine große Gnadenkraft. Darum an die Liebe Gottes aus ganzem Herzen glauben! Die Liebe Gottes ist das Größte, das es gibt. Den tief und beharrlich Vertrauenden, den wahrhaft Reuigen und immer neu Beginnenden, den aus ganzem Herzen Liebenden und Sühnenden wird nach Ansicht der Kleinen hl. Theresia der Himmel auch ohne Fegfeuer geschenkt. “Warum sollte Gott in den Flammen des Fegfeuers jene Seelen reinigen, die sich in den Feuern der göttlichen Liebe verzehrten?” (Aus dem Brief an den Missionar P. Roulland.)

Ein Trost, ein unsagbarer Trost
für dich und mich, mein Bruder, meine Schwester, die wir im täglichen Kampf stehen. Wir brauchen nicht zu verzagen, wir dürfen nicht verzagen, wenn uns unser reizbares, überempfindsames Temperament noch soviel zu schaffen macht; und uns diese und jene Charakterschwächen Jahre und Jahrzehnte vor den Mitmenschen demütigen.

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ER “SCHAUT” DIE ÜBERNATÜRLICHEN WAHRHEITEN

Er erlebt die hl. Mysterien

Durch die mystische Teilnahme am Erlöserleiden des Herrn, vor allem an dessen erschütternder Traurigkeit über die Sünden der Menschen, erlebte Pater Reus die Verwerflichkeit auch der kleinsten Fehler und Unvollkommenheiten. Dieses Erleben steigerte sich mehr und mehr zu einem außergewöhnlichen Reueschmerz und zu einem tiefen Abscheu vor jeder Sünde. Diesen Abscheu, ja Haß gegen die Sünde, erneuerte er immer wieder beim Empfang des hl. Bußsakramentes. So wurde die hl. Beichte, die er einer inneren Stimme folgend täglich ablegte, für ihn niemals etwas Alltägliches. Er bereute dabei aus ganzem Herzen die Sünden, die er selbst zeitlebens begangen hatte. Jede Beichte wurde ihm eine erneute Absage wider Satan. Und wenn er von Gotteslästerungen anderer hörte oder las, dann war es ihm, als müßte er auch darüber tiefen Reueschmerz und Abscheu empfinden, weil Gott, das höchste Gut, so sehr mißachtet wurde. Zusammenfassend berichtete Pater Reus im Jahr 1934: “Lange Zeit hindurch hatte ich bei der Vorbereitung auf die tägliche Beichte Tränen der Reue, begleitet von einem unbeschreiblich tiefen inneren Schmerz.” - Die Tränen liebender Sehnsucht nach Gott, die Tränen brennender Liebesreue sind kostbar vor Gott.

Der Pater durfte aber auch gerade in der hl. Beichte
die unendliche Barmherzigkeit und Güte Gottes gegen die demütige, reuige Seele erfahren. So sah er zum Beispiel am 7. April 1918 beim Empfang der hl. Lossprechung, wie bei den Worten “Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes” drei getrennte Flammen in sein Herz hineinströmten. Eine beseligende Tatsache! Weiter berichtet er: “Wenn beim Beichthören meine Hand sich zur Lossprechung erhob, sah ich in meiner Hand die lichte Hand des göttlichen Heilandes, der in mir und mit mir durch das hl. Kreuz die Lossprechung erteilte. Eigentlich ist das nichts Neues, da ich den lieben Heiland immer in mir sehe, wenn ich nicht äußerlich abgelenkt werde. Aber so klar, gerade in Bezug auf die Hände, hatte ich es nie beobachtet. Nachdem ich einmal aufmerksam geworden war, sah ich auch in der anderen Hand die lichte Hand des Herrn” (30.6.1936).

“Als ich im Beichtstuhl saß und gerade eine Seele von schweren Sünden lossprach, fühlte ich zum ersten Mal, wie das Jesuskind das rechte Ärmchen, das es um meinen Hals gelegt hatte, enger anschmiegte und anzog, wie um mir seine Erkenntlichkeit erkennen zu lassen dafür, daß ich es von dieser Sündenqual befreit hatte” (7.1.1937).

“Als ich heute die Beichte der Franziskanerinnen hörte und sie aufforderte, sich für die Ankunft des Jesuskindes vorzubereiten, erblickte ich plötzlich in dem Beichtkind das Jesuskind in hellem Glanz. Und so sah ich es in einer ganzen Anzahl von Beichtenden, manchmal in strahlender Schönheit.”

Pater Reus erlebte auch immer wieder das innige Verhältnis zwischen den drei göttlichen Personen. Alle Christen sind durch die Taufe dem dreifaltigen Gott in geheimnisvoller Weise verbunden. So schreibt er am 9. Aug. 1936: “Während der Betrachtung war die Gegenwart der hochheiligsten Dreifaltigkeit sehr lebhaft. Ich kam mir vor wie eine lebendige Monstranz, in der die hochheiligste Dreifaltigkeit den Platz der hl. Hostie einnimmt. Ich mußte immer wieder die grenzenlose Barmherzigkeit Gottes bewundern und anbeten.” - In Wahrheit sind wir alle durch die Taufe eine Monstranz, sind ein Tempel des lebendigen Gottes geworden.

Besonders klar durfte der Diener Gottes auch das Geheimnis der Priesterweihe erfahren. Am 30. Juli 1941, dem 48. Jahrestag seiner Priesterweihe, bat er im Memento der hl. Messe den Heiland, Er möge ihm die Gnade des Priestertages erneuern: Und wirklich sah er sich beim folgenden Gebet vor dem Heiland knien, der ihm beide Hände auflegte. Auch der himmlische Vater streckte seine Hände über ihn aus: “Dies soll wohl bedeuten”, so bemerkt der Pater, “daß der Herr wirklich jene erste Gnade erneuert, und zwar für jeden Priester, der ihn darum bittet.” Christus selbst ist es also, der die hl. Priesterweihe am Weihetag vollzieht.

Mehrmals erlebte er auch ganz eindrucksvoll

     die Macht des priesterlichen Betens und Segnens,
so bei seiner Fahrt zur Seligsprechung der drei brasilianischen Jesuiten-Märtyrer. Pater Reus hatte im Auftrag des Provinzials eine ausführliche Biographie über diese drei aus Rio Grande stammenden und 1628 gemarterten Blutzeugen geschrieben. Er durfte als Vertreter der Provinz an deren Seligsprechungsfeierlichkeiten in Rom am 28. Jan. 1934 teilnehmen. Bei der Hinfahrt hatte das Schiff an der brasilianischen Hafenstadt Santos einen längeren Aufenthalt. Pater Reus beteiligte sich mit noch einigen Passagieren an einem Auto-Ausflug nach São Paulo. Auf dem Rückweg entlud sich ein Gewitter. Das Auto, in dem Pater Reus fuhr, blieb stecken und kam nach vielen Versuchen nur noch im Schneckengang vorwärts.
Bei der dadurch gegebenen Gefahr, den Dampfer nicht mehr rechtzeitig zu erreichen, bemächtigte sich der Insassen des Wagens eine begreifliche Aufregung. Was tat da unser Pater? Lassen wir ihn selbst erzählen: “Ich drückte mich in eine Ecke und betete um Hilfe in dieser nicht geringen Not. Und siehe da: Nur wenige Augenblicke später begann das Auto regelrecht zu laufen. Ich erinnere mich nicht, die Wirkung des Gebetes so rasch gesehen zu haben wie hier.” Als sie in Santos wieder ausstiegen, wandte sich ein argentinischer Mitbruder an Pater Reus mit den Worten: “Nun, haben Sie denn keinen Schrecken ausgestanden? Sie haben ein eiskaltes Blut.” Dieser aber antwortete ihm: “Haben wir nicht einen Gott im Himmel? Ich habe unterdessen gebetet.”

Auch folgende Tatsache sei noch erwähnt. Im März und April 1935 erlebte der Diener Gottes dreimal, daß ein gefahrdrohendes heftiges Gewitter abflaute, als er sich auf die Knie warf und mit ausgespannten Armen um Hilfe betete. Tatsächlich war es in der Geschichte des Seminars schon mehr als einmal vorgekommen, daß durch Gewitter und Hagel in einigen Sekunden Hunderte von Fensterscheiben eingeschlagen wurden.

Verschiedentlich erlebte der Pater, wie seine Gebete, besonders das Breviergebet und auch das Stufengebet der hl. Messe gleich Feuersonnen aus seinem Mund aufstiegen. Auch beim hl. Bruder Konrad von Altötting stieg das Gebet gleich Lichtkugeln zum Himmel. - Umgekehrt geschah es, als Pater Reus am 24. April 1939 der begnadeten Sr. Antonia auf ihrem Sterbelager das Leiden Christi vorlas da glaubte er zu sehen, wie die einzelnen Worte der Hl. Schrift gleich kleinen Flämmchen auf die Kranke niederfielen und ihr Trost brachten. Alles übernatürliche Gegebenheiten, die wir nur mit dem Glauben erfassen, Pater Reus aber geistig wirklich wahrnehmen durfte.

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Zweifler und Kritiker aber fragen:

Waren diese mystischen Erlebnisse wirklich echt? Sind sie nicht Phantasien? Ist Pater Reus glaubwürdig?

Diese Fragen drängen sich begreiflicherweise auf, gerade heute im Zeitalter der Wissenschaften, der Experimente. der Forschung. War Pater Reus nicht etwa ein Mann von phantastischen Einbildungen und Halluzinationen? Ist das glaubhaft, was Pater Reus erlebt hat?

Niemand als er selbst hat mehr mit diesen Zweifeln gerungen und darunter gelitten. Er hatte, wie schon erwähnt, ursprünglich von Mystik nichts wissen wollen, nichts bis zu seinem 44. Lebensjahr, aber bei all seinem Mißtrauen und bei seiner Furcht vor Täuschungen hielt er sich an das Wort des hl. Johannes: “Prüft die Geister, ob sie von Gott sind!” Wir fragen zunächst:

Was sagen seine Vorgesetzten
über die Person des Paters? Seine Provinziale von 1912-47, denen er alles anvertraute? Dann die Rektoren des Kollegs São Leopoldo, die einen gründlichen Einblick in sein Leben bekamen? Pater Ferdinand Baumann, sein gewissenhafter Biograph, der Pater Reus selber persönlich kannte, schreibt dazu: “Sie alle sahen in Pater Reus einen überaus nüchternen, urvernünftigen Menschen, mit stark ausgeprägter männlicher Haltung, mit Energie und kritischem Sinn, frei von Sentimentalität und Überschwang. Sie kannten vor allem seine unbestechliche Wahrhaftigkeit und wußten, daß man seinen Worten unbedingt glauben konnte. Die Vorgesetzten kannten auch das heroische Tugendleben von Pater Reus. Sie mußten sich sagen, daß er seine außergewöhnlichen Abtötungen, Bußen, nächtlichen Gebetsstunden, seine offensichtlich immerwährende Sammlung und Selbstverleugnung, ohne diese charismatische Begnadung kaum auf sich nehmen und jedenfalls auf die Dauer nicht hätte durchführen können.”

Und was sagt Pater Reus?

“Was mich tröstet, ist der Umstand, daß ich mit aufrichtigem Willen zur Wahrheit über alles berichte und es den Oberen mitteile, folge daraus, was wolle. Ich glaube, ich kann mit dem Bewußtsein sterben, daß ich nichts Falsches dargestellt oder verheimlicht habe, was irgendwie Bedeutung hat.” - Ein unantastbares Bekenntnis! Rückhaltlos gesteht er auch die Ängste, die er hinsichtlich seines mystischen Erlebens ausgestanden, und das Ringen und Beten um die Unterscheidung der Geister, das heißt um die Fähigkeit, das Echte vom Unechten zu unterscheiden. Nichts an Oberflächlichkeit, wie sie so vielen rasch Urteilenden unserer Tage eigen ist.

Wohl ist es bei echten Visionen schwierig festzustellen, was beim Schauen der Geheimnisse unmittelbar und ganz auf Gott zurückzuführen ist, und was der Mensch, von Gottes Gnade angeregt, von dem Seinigen hinzugefügt hat. Tatsache aber ist nach dem Urteil der großen hl. Theresia, die Pater Reus in seiner Angst vor Täuschungen in seinen späteren Jahren gründlich studiert hat, folgende Wahrheit: “Wer einmal echte Visionen gehabt hat, der kann bloße Phantasiegebilde mit Leichtigkeit von echten Visionen unterscheiden.” Im übrigen konnte Pater Reus feststellen, daß die meisten seiner Visionen rein geistiger Art waren. Er konnte bestätigen, was die heiligmäßige Ursuline, Sr. Salesia Schulten, einmal niedergeschrieben hatte: “Ich empfinde die Nähe des Heilandes mit den Sinnen meines Körpers; sehe den Heiland aber mit den Sinnen des Geistes; denn mit den leiblichen Augen habe ich noch nie die Person des Heilandes oder der Heiligen gesehen. Gott gewährte mir auch die Gnade zu erkennen, daß Liebesgluten nicht nur in geistiger, sondern auch in körperlich fühlbarer Weise empfangen werden.”

Als besonderen Beweis für die Echtheit seiner Visionen erwähnt Pater Reus auch die Tatsache: “Sie hängen nicht von mir ab. Sie kommen oft an ganz gewöhnlichen Tagen und bleiben an hohen Festen, an denen die Seele vom Tagesgeheimnis erfüllt ist, aus (zum Beispiel am Karfreitag). Ich kann auch an der Vision nichts ändern, ein Umstand, den auch die hl. Theresia erwähnt.”

Kurz zusammenfassend können wir von den mystischen Erlebnissen unseres Pater Reus sagen: Er hat sie nicht und in keiner Weise gesucht. Das soll auch kein Mensch, das könnte ihm gefährlich werden. 

Nur nichts Außergewöhnliches wollen!

Falsche Mystik entspringt dem eigenen Geltungsdrang; echte Mystik aber dem Willen Gottes. Wörtlich sagte Pater Reus seinem Herrn und Meister: “Du weißt, daß ich keine außergewöhnlichen Dinge suchte. Nur weil Du diese Dinge schickst, lasse ich sie zu.” Reus kann bekennen, daß er nie etwas anderes verlangt habe als wahre Heiligkeit. Diese aber besteht wesentlich im vollen Einssein unseres Willens mit dem Willen Gottes. Dies zu erreichen ist auch ohne mystische Gnade möglich. Nicht viele Heilige hatten diese außerordentlichen mystischen Gnaden: Dieses unmittelbare Innewerden der liebenden Gegenwart Gottes in der Seele, gleichsam die Vorwegnahme, ja, das Vorverkosten des ewigen Lebens, wie man die Mystik auch nennt. [Oft wissen wir nicht darum!]

Nachdem Pater Reus einmal erkannt hatte, daß er die Berufung für diesen außerordentlichen Weg erhalten hatte, war er mit großer Treue bemüht, diese Gnade nicht zu verlieren; sie ist ja ein ungemein wirksames Mittel, um die Vollkommenheit rascher und in höherem Maße zu erreichen. Wie Pater.Reus, so hat auch die große hl. Theresia bezeugt, daß die mystischen Gnaden ihrer Seele zu Tugenden verhalfen, die sie vorher nicht kannte.

Wohl ist es unleugbar, daß Satan immer wieder versuchen wird, manche Gnadenmittel nachzuäffen; darum gilt es: “Nicht jedem Geist zu glauben, sondern zu prüfen.” Satan kann in den stolzen Menschen außerordentliche Täuschungen hervorrufen, z. B. Visionen und innere Ansprachen. Dies wußte Pater Reus. Darum hat er nicht bloß häufig den hl. Erzengel Michael, die liebe Muttergottes und das heiligste Herz Jesu um Schutz vor Täuschungen angerufen. Er hat sich auch immer wieder gegen die nicht wesentlichen Erlebnisse der mystischen Führung zu wehren versucht. Seine Grundhaltung diesen Dingen gegenüber blieb immer:
“Nicht annehmen!”

Zuerst der Vernunft folgen

Als Pater Reus einmal hinsichtlich der Seelenführung von Sr. M. Antonia Zweifel bekam, las er wie zufällig in einem Buch, daß “Jesus mit Vernunftgründen immer einverstanden sei und daß die Vernünftigen nicht überall Wunder und Offenbarungen erwarten oder wünschen, sondern einfach so handeln, wie die Gründe der Vernunft es ihnen nach innigem Gebet (!) nahelegen”! Daran hielt sich Pater Reus gerade bei seiner außerordentlich nüchternen Veranlagung und wehrte sich gegen das Außergewöhnliche; aber all sein Widerstand wurde stets durch die Macht der Gnade überwältigt, manchmal erst nach langem Widerstreben.

Mit großer Sorge hat Pater Reus alles vor den Augen der Menschen zu verbergen gesucht, konnte aber nicht verhindern, daß manches bekannt oder wenigstens vermutet wurde - und daß manche ihn belächelten. Leider findet man auch heute in christlichen Kreisen einerseits viele

Vorurteile und Abneigung gegen die Mystik

Dies ist zum Großteil aus der im Lauf der Geschichte gemachten Erfahrung begreiflich; anderseits trägt eine gewisse Unkenntnis des geheimnisvollen Gebietes der Mystik zur Ablehnung bei.

Mystik ist eben nicht mit dem Verstand allein faßbar. Es ist ein außerordentliches, geheimnisvolles Einwirken Gottes auf die Menschenseele, ein Bewußtmachen Seines Gnadenlebens, ein Hineingezogenwerden in den göttlichen Lebensstrom des Dreieinen. Zusammenfassend aber gilt: Das untrügliche Kennzeichen und das sicherste Mittel zur Unterscheidung der Geister wird bei allen Zweifeln immer wieder das bleiben, was der Heiland selbst angegeben hat: “An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen” (Mt 7,16 und 20). Neben strengem Gehorsam, neben tiefer Demut und wahrer Selbsterkenntnis offenbarte Pater Reus in seinem Leben eine immer größere Liebe zu Gott, eine immer größere Liebe zum Kreuz. “Die Kreuzesgnaden täuschen nie”, sagt Fidelis Weiß, die tiefe Mystikerin.

Äußere Erfolge, sogar Erscheinungen und Entzückungen könn'en ein Werk des Bösen sein, aber des “Kreuzes Christi sich rühmen”, das ist Gnadengabe Gottes. “Hast du es dahin gebracht, daß dir die Trübsale um Christi willen willkommen sind, dann darfst du überzeugt sein, daß es gut mit dir steht, weil du ein Paradies auf Erden gefunden” (Nachfolge Christi II, 12). Pater Reus brannte förmlich darnach, mit und für Christus leiden zu dürfen. Leiden und Demütigungen erkannte er als sichere Zeichen göttlicher Huld. Freilich mußte auch er das Widerstreben der Natur gegen das Leiden immer wieder schmerzvoll spüren; nur durch Gebet und Opfer überwand er dieses Widerstreben.

Alle außergewöhnlichen Gnaden waren für Pater Reus ein immerwährender Anruf Gottes,

als Ganzopfer der Liebe nur für Gott und Seine Ehre zu leben. Es wurde ihm aber auch immer klarer, so berichtet sein gewissenhafter Biograph Pater Baumann, daß das Erfülltsein mit göttlichem Leben und die immerwährende Opferbereitschaft stets auch das fruchtbarste Apostolat für die Rettung der Seelen bedeutet. “Möchte doch mein ganzes Leben ein Apostolat sein, damit das heiligste Herz Jesu immer mehr erkannt werde in Seiner überfließenden Barmherzigkeit gegen alle, besonders gegen Seine Priester!” So rief der große gottliebende Pater Reus in seiner stillen Zelle von São Leopoldo einmal aus: “Fruchtbarkeit im Reich Gottes wird nur um den Preis eines blutenden Herzens gewährt.” - Und sollten diese gottgewollten, erlittenen Erlebnisse nicht ein Weckruf für unsere vom Diesseitskampf abgestumpften Seelen sein! Brauchen wir nicht mehr Standfestigkeit gegenüber den Manipulationen so mancher veröffentlichter Meinungen!

Zu den tiefsten mystischen Erlebnissen, deren Pater Reus gewürdigt wurde, gehört vor allem die Feier des hl. Meßopfers als die geheimnisvolle Erneuerung des Opfertodes Christi am Kreuz, mit dem Ausströmen Seines Blutsegens über die ganze Erde und das ganze Fegfeuer; ja er durfte in überwältigender Weise folgende Tatsache erfahren:

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Die hl. Messe, ein Meer von Gnaden

Der Priester, ein zweiter Christus

Pater Reus wurde gewürdigt, das gnadenvollste Geheimnis unseres Glaubens unverhüllt mit seiner Seele zu schauen, das heißt auf geistige, nicht sinnengebundene Weise, und zwar volle 35 Jahre hindurch. Er durfte klar erkennen, daß die hl. Messe das Herzstück aller Gottesverehrung ist, höchste Anbetung und Danksagung, zugleich aber eine unerschöpfliche Quelle der Gnaden. Dieses mystische Erleben aber hat für ihn selbst den Glauben nicht aufgehoben, sondern nur noch mehr vertieft, noch lebendiger gemacht. Er sagte wiederholt: “Wir sollen glauben lernen!” Demütig, hingebend, in Vertrauen glauben;

In anschaulicher und geradezu überwältigender Weise durfte er erfahren, daß der göttliche Hohepriester im geweihten Priester auf Erden fortlebt und fortwirkt; ja, daß Christus eins mit dem Priester am Altar wird, daß Christus selber im Priester das hl. Opfer feiert, die unblutige Erneuerung seines Kreuzestodes. Sehr oft sah Pater Reus in seiner Priesterhand die lichte Hand des Heilandes. So berichtet er am 7. Aug. 1937: “Besonders bei der hl. Wandlung sah ich wieder die lichte Hand des göttlichen Heilandes, wie er alle Zeremonien mit mir und in mir machte. Ich fühlte die Schwere Seines Armes in meinem Arm. Beim Pater noster hörte ich klar, wie zwei Stimmen die gleichen Worte sprachen, nämlich meine Stimme und die Stimme des göttlichen Heilandes. Ich will nicht behaupten, daß ich mit den leiblichen Ohren die geheimnisvolle Stimme des Herrn vernahm, weil ich bisher nie mit den leiblichen Sinnen etwas derartiges wahrnahm. Aber es war gerade so, als ob ich mit den leiblichen Ohren Ihn auch hörte. - Bei der Konsekration des Kelches hörte ich ganz klar, wie der liebe Heiland die Konsekrationsworte in mir und mit mir sprach,
und wie bei der Erhebung des Kelches Seine lichten, lieben Hände in den meinen waren. Nicht nur bei der Konsekration, auch bei einer anderen Stelle der hl. Messe nahm ich wahr, wie der liebe Heiland dieselben Worte sprach. Und beim Segen am Schluß der hl. Messe sah ich, wie Er mit Seiner rechten Hand das Kreuzzeichen zu gleicher Zeit mit mir machte. Was der Priester segnet, ist ja von Gott selbst gesegnet und geweiht. Diese bekannte Wahrheit ließ mich der Herr wahrnehmbar sehen, um in mir das Vertrauen auf den Segen der Kirche zu mehren” (7.7.1946).

Der Herr selbst, so bekennt Pater Reus wiederholt, feierte mit mir die hl. Messe. Bei dieser Einheit mit Christus wies der Pater auch hin auf den sichtbaren Beistand, den die Mutter des Erlösers ihm öfter gewährte. Er sah, wie die liebe Muttergottes ihm nach der hl. Wandlung die Hände auf die Schulter legte oder frei über ihn hielt, und ein andermal berichtet er: “Ich schaute den lieben Heiland am Kreuz und zu Seiner rechten Seite die allerseligste Jungfrau Maria, wie sie Ihm bei Seinem blutigen Opfer nahe blieb und vertrauensvoll zu Ihm aufblickte.” Wo der göttliche Sohn, da auch Seine Mutter; wo der Priester Christi, da ist auch Maria.

Sie erstrebt für ihn die innigste Vereinigung mit Jesus.

Gerade beim eucharistischen Opfer wurde dem Diener Gottes besonders klar, wie sehr der Priester die Stelle Jesu Christi vertritt, wie er im wahren Sinn ein “zweiter Christus” ist, Sein anderes Ich. Um 1900 offenbarte der Heiland einer Begnadeten: “Die Priester sind mein anderes Ich, mein zweites ‘Ich-selbst`.” Papst Pius X. war erschüttert, als er diese Worte vernahm.

Nach dem Konzilsdekret handelt der Priester in der Person Christi und stellt durch sein Leben und Wirken Christus dar (Konstitution über die Kirche). Zusammen mit Christus und in Einheit mit Ihm bringt der Priester dem himmlischen Vater die höchste Anbetung, Ehre und Liebe dar.

Was den Priester aber in Wahrheit ganz zum Priester macht, ist die Liebe und Opfergesinnung. Darum konnte sich Pater Reus nicht genug tun, dem Heiland immer wieder seine Liebe zu beteuern. Ungezählte Male schließen seine Aufzeichnungen mit einem herzinnigen: “Gib, daß ich Dich wahrhaft liebe!” Das Größte, das ein Priester schenken kann, ist die Liebe, die restlose Hingabe seines Ichs an seinen Herrn und Meister, die Hinopferung seines ganzen Seins.

Das reine, hl. Christusopfer, so schrieb der Pater einmal, verlangt lilienreine Priester, wie es Jesus selbst ist (10.7.1943), verlangt Priester, die mit Jesus mitzuopfern und mitzusterben bereit sind. - Und demütige Priester. Pater Reus war sich jeden Augenblick bewußt: So hoch Gott den Priester heraushebt aus dem Volk, so tief muß sich der Priester selbst beugen.

Ihn selbst hat es jedesmal im Innersten durchschauert, wenn er dem himmlischen Vater das kostbare Blut des göttlichen Sohnes im hl. Opfer darbrachte. Er fühlte sich stets unwürdig dazu. Aber wenn er in tiefster Dankbarkeit den Kelch mit dem hl. Blut in den Händen hielt, war es ihm, als müßte die ganze Menschheit mit ihm dankend in die Knie sinken, weil er das große Wunder der Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers vollziehen durfte, nicht etwa bloß eine Erinnerung an dasselbe oder ein Symbol dafür.

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“Groß aber ist der Liebe Lohn”

Der tiefgläubige, zu allen Opfern bereite Priester Reus durfte bei der hl. Messe nicht nur die überwältigende Liebe der ganzen hochheiligen Dreifaltigkeit erfahren, sondern auch die ganz persönliche Liebe einer jeden der drei göttlichen Personen oft in unsagbarer Weise. Diese Liebe aber, so betont er ausdrücklich, gilt jedem guten Priester, der sich ihrer nicht unwürdig macht. Freilich ist diese Liebe nicht wahrnehmbar, sie ist aber Tatsache, so wie sich die innerste Lebensgemeinschaft zwischen Christus und dem Priester Reus täglich in mystischer Weise in seiner hl. Messe erneuerte. Pater Reus war überzeugt, daß die besonderen Gunsterweise göttlicher Liebe allen Priestern und Gläubigen zuteil werden, nur daß diese Wunder göttlicher Huld für gewöhnlich nicht geschaut werden können.

  

Laßt uns hintreten zum Altar Gottes!

Wenn Pater Reus zum Beginn der hl. Messe feierlich das Kreuzzeichen über sich machte und dabei sprach: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes, dann war das für ihn keine bloße Formsache. Er wußte, mit diesem Kreuzzeichen beginnt die geheimnisvolle Erneuerung des Kreuzesopfers zu Ehren der allerheiligsten Dreifaltigkeit. So lautet sein Bericht vom 22.7.1940: “Gleich am Anfang sah ich die hochheilige Dreifaltigkeit unmittelbar bei mir. Ich war sozusagen in der hochheiligsten Dreifaltigkeit. Ich glaube, dies soll man dem Priester sagen, daß er bei der hl. Messe in greifbarer Nähe der allerheiligsten Dreifaltigkeit sei.”

Wir wollen jetzt im folgenden Pater Reus bei seiner hl. Messe kurz begleiten. Es können aber nur die wesentlichen gleichbleibenden Texte der hl. Messe, wie sie damals gefeiert wurde, berücksichtigt werden.

Als Pater Reus (am 25. Sept. 1941) am Schluß des Psalms “Judica” der Vorschrift gemäß beim Gloria Patri sich anbetend verneigte, sah er plötzlich vor sich bis hinauf zum Thron der heiligsten Dreifaltigkeit zwei Reihen von Engeln, die alle gleichzeitig mit ihm in tiefer Ehrfurcht sich verneigten. “Eine Mahnung, mit welcher Ehrfurcht wir diesen Lobspruch beten sollen. Ein Trost für unsere Armut, daß die hl. Engel uns helfen, der Majestät Gottes die gebührende Ehrfurcht zu erweisen!” “Welch stets fließende Gnadenquelle”, so schreibt er am 23. Sept. 1945, “hat doch der Priester sozusagen in jedem Wort der hl. Messe! Welch himmlischen Reichtums beraubt er sich, wenn er nur gedankenlos alles hersagt!”

Während er das Kyrie betete, sah er (am 26.2.1941), wie aus dem heiligsten Herzen Jesu ein Strom hervorquoll und sich über ihn ergoß. Das war ihm ein Zeichen, daß er durch diesen Strom gereinigt werden solle. Wir erflehen nie vergebens das Erbarmen Gottes.

Beim Gloria in excelsis
sah sich Pater Reus von einem Kranz hl. Engel umgeben, die mit ihm laut den Lobgesang beteten. Er beobachtete dabei manchmal, wie die Worte aus seinem Mund gleich Feuerflammen sich vor Gottes Angesicht erhoben. “Dieser Lobpreis”, so schreibt er, “macht vieles gut, was die Menschheit ohne Unterlaß fehlt.” Weiter gesteht er: “Wenn ich den Altar küßte, sah ich, wie ich den Kuß auf die hl. Lippen Jesu drückte” (14. 9. 1943).

“Als ich am 14. Mai 1941 bei der Opferbereitung das “Nimm hin, o heiliger Vater...“ betete, sah ich mich plötzlich vor dem himmlischen Vater knien. Ich hielt Ihm mit beiden Händen mein Herz entgegen. Er beugte Sich liebevoll zu mir nieder und nahm mein Herz mit beiden Händen entgegen. Dann legte ich die Hostie auf den Altar nieder. Diese Güte des himmlischen Vaters machte einen solchen Eindruck auf mich, daß ich in Tränen ausbrach und eine kleine Weile warten mußte. Der himmlische Vater hat mir damit gezeigt, daß Ihm diese Übung, sich mit dem Brote (und dem Weine) selbst aufzuopfern, sehr wohlgefällig sei.”

Nach dem bisher Berichteten ist es nicht zu verwundern, wenn Pater Reus ziemlich häufig auch beim Gebet “Komm, Heiligmacher” den Hl. Geist mystisch schauen durfte. Mit Recht bemerkt der Diener Gottes: “Man vergißt zu leicht, daß auch dem Hl. Geist das hochheilige Opfer gebührt, das der Heiland durch die Hand des Priesters darbringt. Mit einer unbeschreiblichen Liebe und Innigkeit vergilt der Hl. Geist die Liebe Seines armseligen Geschöpfes. Er ist ja die Liebe des Vaters und des Sohnes.”

Auch beim Lavabo (Händewaschen) sah Pater Reus den lieben Hl. Geist über sich, wie Er ihm seine Reinheit mitteilte; um diese bittet ja der Priester im Psalm gemäß dem Auftrag der Kirche. Wohl im Zusammenhang mit seiner Lieblingsandacht zum Herzen Jesu schaute Pater Reus an der gleichen Stelle der hl. Messe noch eine andere Deutung: “Als ich nach der Opferung die Hände wusch, sah ich aus der hl. Seitenwunde Jesu Wasser herausfließen, das mir die Hände und die Seele reinigen und so Gott genehm machen sollte. Es ist immer das hl. Blut Jesu, das uns von Sünden reinigt. Man vergißt nur zu leicht”, so fährt er fort, “daß jede Zeremonie nicht nur Bedeutung, sondern auch himmlische Kraft besitzt, um Priester und Volk zu heiligen.”

Als Pater Reus am 20. Sept. 1938 das Sursum corda - Erhebet die Herzen sprach, sah er sein Herz förmlich emporfliegen. Er knüpfte daran die Erwägung: “Damit will das heiligste Herz Jesu wohl zu verstehen geben, daß die Worte, die in der hl. Messe gesprochen werden, auch ihre geheimnisvolle Wirkung haben.”

Das folgende “ Sanctus - Heilig, heilig, heilig” betete er wahrnehmbar mit dem Chor der Engel, die anbetend den Thron umstanden. Eine Vision bei den Worten: Benedictus, qui venit - schildert Pater Reus (am 27. Mai 1940) mit folgenden Worten: “Ich sah plötzlich über mir den göttlichen Heiland. Dann sah ich Engel. Sie werden wohl ihren Herrn begleiten, wenn Er auf die liebeleere Welt herabsteigt, um sich aufs neue zu opfern und bei uns zu bleiben. In menschenleeren Kirchen beten sie Ihn an und leisten Ihm Gesellschaft, die Er vergebens bei den Menschen sucht. Ich muß dies schreiben und zeichnen.

Beim Hanc igitur (So nimm denn, o Herr) - berichtet der Pater am 21. Nov. 1943 - sah ich auf einmal das heiligste Herz Jesu neben dem meinen und dann das heiligste Herz inmitten von Licht, das auch über mein Herz ausstrahlte. Dies dauerte bis zur Kommunion. Der Priester und der göttliche Heiland sind eins im hl. Opfer, aber die ganze Würde und Schönheit kommt von Seinem heiligsten Herzen.”

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Das eigentliche Wunder der göttlichen Liebe
ist bei der Eucharistiefeier die hl. Wandlung und Kommunion. Dieses Wunder blieb für Pater Reus unaussprechlich. Er war Tag für Tag, Jahr für Jahr durch Gottes übergroße Gnade so davon ergriffen, daß er die letzten Jahrzehnte bei jeder Wandlung und Kommunion in Ekstase geriet, das heißt: Seine Seele stellte für kürzere oder längere Augenblicke sozusagen ihren Dienst im leiblichen Leben ein und gab sich als Geist ganz dem Geiste Gottes hin, versenkte sich förmlich in Gottes unbegreifliche, unendliche Liebe, in Sein geheimnisvolles Licht und Leben.

Am 19. Febr. 1943 schildert er voll Ergriffenheit sein Erstaunen so: “Schon bei der Wandlung des Brotes sah ich aus dem Herzen des himmlischen Vaters das Jesuskind hervorgehen; ganz besonders klar sah ich dies, als ich die Wandlungsworte über den Kelch sprach. Es ist eine wunderbare Liebe des himmlischen Vaters, daß Er Seinen eingeborenen Sohn zu Seinen armseligen, erdgeborenen Kindern Tag für Tag vom Himmel durch die Hände des Priesters kommen läßt. Wie wahr ist doch, was der Heiland sagt: “Der Vater liebt euch!” - Die Liebe Gottes zu den Menschen ist das unbegreiflich große Geheimnis, das Größte, das es gibt. Die Allmacht wird zur Ohnmacht am Kreuze - für uns!

Das Geheimnis der hl. Wandlung wurde ihm noch deutlicher gezeigt am 22. Okt. 1941: “Schon vor der hl. Wandlung war der liebe Heiland da am Kreuz, dann der himmlische Vater und darüber der Hl. Geist, ringsum hl. Engel. Bei den Worten: “Das ist der Kelch Meines Blutes” sah ich das hl. Blut Jesu aus Seiner hl. Seite in den Kelch flließen, den ich in der Hand hielt.”

Am 17. Febr. 1940 erlebte er bei der hl. Wandlung folgendes: “Sobald ich die ersten Worte über den Kelch sprach: Hic est (= das ist) fielen Tropfen des hl. Blutes aus der hl. Seitenwunde in meinen Kelch. Als ich fortfuhr: calix sanquinis (= der Kelch meines Blutes) floß das Blut strömend in den Kelch hinein.

Heilige tröstliche Wahrheit! Das Blut Christi, des Sohnes Gottes, fließt wirklich, wenn auch unter einem Schleier verborgen, unter meiner Hand auf den Altar! Welche Gnade für mich, daß Er den geheimnisvollen Schleier weggezogen und mir die Wirklichkeit zu zeigen Sich gewürdigt hat!” - Die hl. Messe ist wahrhaft die Erneuerung des Kreuzesopfers Christi! Christus hat Sich Selbst in einem einmaligen göttlichen Liebesakt dem Vater zum Opfer gebracht - in unserem Namen und für uns. Er erneuert diesen Liebes- und Opferakt in jeder hl. Messe! Gratias agamus!

Mehr als einmal sah Pater Reus bei den Wandlungsworten “Zur Vergebung der Sünden” das hl. Blut aus dem Kelch nach allen Seiten überquellen.

Am 12. Sept. 1942 stellte Pater Reus fest: “Bei der Erhebung der hl. Gestalten, der hl. Hostie und des Kelches, pflege ich die Zeremonie, die an und für sich die Anbetung des unter den Gestalten gegenwärtigen göttlichen Heilandes bezweckt, auch zu benützen, um dem himmlischen Vater das hl. Opfer aufs neue darzubringen. Als ich die hl. Hostie erhob, sah ich, wie zwei Hände diese aus meinen Händen entgegennahmen. - Ebenso das hl. Blut im Kelch.”

Am 29. Sept. 1940 mußte er schreiben und in einer Zeichnung andeuten: “Während der Wandlung des Weines sah ich das hl. Blut hoch aufquellen, gleich einer Wassersäule und dann bei der Erhebung über den Kelch hinaus sich auf den Altar ergießen.”

Bemerkenswert ist das Geständnis vom 11. Aug. 1939: “Bei der Wandlung der hl. Hostie sah ich aus ihr eine Feuerflamme ausgehen. Diese umschloß mich wie bei einer Umarmung. Nach der zweiten Konsekration ging diese umarmende Liebesflamme von beiden hl. Gestalten aus. Zugleich flammte auch aus meinem Herzen eine Liebesflamme auf, die sich nach oben erhob. Dieses Geschehen sollte wohl das gemeinsame Opfer des Priesters und des göttlichen Opferlammes bedeuten und bekräftigen. Priester und Opfer sind eins durch die Liebe, deren Quelle das heiligste Herz Jesu ist.”

Ganz besonderen Eindruck machte auf den Pater folgende empfangene Gnade: “Bei der hl. Wandlung sah ich die allerheiligste Dreifaltigkeit. Der liebe himmlische Vater hielt den allerheiligsten, gekreuzigten Sohn in Seinen Händen. Der Hl. Geist schwebte in der Mitte. Da dies eine bekannte (bildliche) Darstellung ist, so mißtraute ich der Vision. Allein sie dauerte auch während der nächsten Gebete mehr oder weniger fort... Ich sah, wie die allerheiligste Dreifaltigkeit sich herniederließ, immer näher kommend, während ich weiter betete, bis der gekreuzigte liebe Heiland in erreichbarer Nähe war, dann trat Ekstase ein.  - Der liebe himmlische Vater ließ es zu, daß ich den lieben Heiland mit samt dem Kreuz umarmte und an mein Herz zog. Dann fuhr ich weiter im Gebet.”

Zuweilen sah Pater Reus in der hl. Hostie auch das heiligste Antlitz des Herrn.

Beim Memento für die Verstorbenen schaute er (am 4. Aug. 1939) den lieben Heiland am Kreuz; zugleich sah er, “wie aus der hl. Seitenwunde Sein hl. Blut in das Fegfeuer herabfloß.” Der Pater bemerkt dazu: “Das heiligste Herz Jesu ist die Quelle des Lichtes und Trostes für die Armen Seelen; diese Quelle öffnet sich'in der hl. Messe in besonderer Weise, um mit Seinem Blut die Flammen des Fegfeuers zu löschen.”

Am 30. Sept. 1941 erlebte er bei den Worten: “Daß dieses Opfer durch die Hände des hl. Engels dargebracht werde”, wie der hl. Erzengel Michael selbst den Opferkelch der Majestät Gottes darbrachte und mit dem Kelch hinaufschwebte. In anderen Fällen waren es andere Engel, die das Opfer der allerheiligsten Dreifaltigkeit darbrachten. “Wenn die Engel”, so schreibt er am 31. Dez. 1941, “schon alle Gebete ihrer Schutzbefohlenen der hl. Majestät Gottes darbringen, mit welcher Freude und Ehrfurcht werden sie dann am Altar dienen, um die Gnadenfülle des heiligsten Herzens Jesu auf die Kirche herab zubringen.”

Beim Gebet Suplices: “Demütig bitten wir” sah Pater Reus am Pfingstfest 1944, wie der Hl. Geist in Gestalt einer Taube das Jesuskind vor den Thron des Allerhöchsten emportrug, zuerst begrüßt von der lieben Gottesmutter. “Eine sehr liebliche Darstellung”, schreibt der Pater, “wie der liebe Heiland Sich durch den Hl. Geist für Seine Kirche aufopfert, zugleich aber auch, mit welch unendlicher Liebe gegen uns Menschen der Hl. Geist unaufhörlich bis zum Ende der Zeiten im hochheiligen Opfer tätig ist, um das heiligste Herz Jesu immer mehr zu verherrlichen und zugleich die Liebe des reinsten Herzens Mariä vor Augen zu stellen.”

Bemerkenswert ist auch folgende schlichte Feststellung vom 15. Juni 1945: “Während der Gebete nach der Wandlung sah ich, wie jedes Wort gleich einer Liebesflamme emporflog auf den himmlischen Vater zu. Als Seine Antwort sah ich bei den Worten: “Mit allem Gnadensegen erfüllt zu werden” aus Seinem Herzen eine große, breite Flamme hervorbrechen als Sinnbild der vielen Segnungen, um die wir in diesen Gebeten flehen.”

Beim nobis quoque: “Auch uns Sündern”, sah der Pater, wie der gekreuzigte göttliche Erlöser Seine hl. Arme voll Güte und Erbarmen ihm entgegenstreckte, um die Verzeihung zu gewähren (6.7.1939).

Auch durfte der Begnadete bei der Namensnennung der Heiligen nach der Wandlung diese alle rings um die allerheiligste Dreifaltigkeit erblicken. “Damit sollte gezeigt werden, wie auch diese sich um unser Heil und unsere Vollkommenheit bemühen” (9.7.1941).

Die sogenannte “kleine Erhebung” der hl. Hostie, zugleich mit dem Kelch, bildete bei den Worten: “Alle Ehre und Verherrlichung” für ihn einen neuen Höhepunkt seiner hl. Messe. Da pflegte sich der Pater wiederum zusammen mit dem Heiland dem himmlischen Vater als Opfer darzubringen. Dabei sah er sich (am 3.8.1938) im Augenblick, da er die hl. Hostie erhob, von dieser hinaufgehoben - der heiligsten Gottheit entgegen. Körperlich aber blieb er auf dem Altar stehen. “Das war nur ein Augenblick”, so schreibt er. “Damit gibt der liebe Heiland offenbar zu verstehen, daß der himmlische Vater die Aufopferung Seiner Selbst von seiten des Priesters zugleich mit dem Opfer des göttlichen Sohnes gerne annimmt und von seinen Priestern erwartet.”

Wenn Pater Reus anschließend das Pater noster betete, kam er zuweilen schon bei den ersten zwei Worten in Ekstase. Bei den Worten: “Gib uns heute unser tägliches Brot”, sah er, wie der himmlische Vater Seinen Arm ausstreckte und auf den lieben Heiland deutete, der zu Seiner Rechten saß. Das soll bedeuten, daß er uns gleichsam das Liebste, das er hat, zur Speise gibt. Sein eingeborener Sohn unter der Gestalt des Brotes soll unser wahres Brot sein. Mehr als einmal wurde ihm das kundgetan. - Beim Paternoster kam es manchmal vor, daß das Jesukind laut mitbetete oder wenigstens die Händchen in die Höhe hielt als Zeichen der Freude.

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Der Augenblick innigster Christusvereinigung

Bei den Vorbereitungsgebeten auf die hl. Kommunion sah Pater Reus seine Gottessehnsucht in Form von Feuerflammen aus seinem Mund aufsteigen (19.6.1938). Sehnsucht nach Gott kann zum Brand werden.

Bei den Worten “Domine, non sum dignus” schaute der Pater mehr als einmal, wie der Heiland, entweder als Gekreuzigter oder in der Gestalt des Kindes, Seine Arme nach ihm ausstreckte. Dies gab ihm Anlaß zu der Erwägung: “Gottes Barmherzigkeit ist unendlich groß gegen den Priester. Gerade in dem Augenblick, in dem der Priester sich für unwürdig erklärt, den Herrn in sein Herz aufzunehmen, findet dieser in Seiner Güte gerade dadurch das Herz so gut vorbereitet, daß er ein wahrhaftes Verlangen hat, darin einzukehren.”

Die Wirkung des Gebetes “O Herr, ich bin nicht würdig” durfte Pater Reus auch anschaulich vor der Spendung der hl. Kommunion an andere erleben. “Als ich mich”, so schreibt er, “einmal anschickte, dem Meßdiener die hl. Kommunion zu reichen, sah ich hinter ihm den Teufel, der bei jedem ‘Domine, non sum dignus` immer weiter zurückwich. Ein Beweis für die Kraft der Demut, die den Menschen für den Empfang des heiligsten Sakramentes bereitet” (27. und 28. Febr. 1941).

Die hl. Kommunion selbst kam fast gewöhnlich
wie Feuer in das Herz

des Dieners Gottes und schien es in der Glut der Liebe zu verbrennen. Gott ist ja ein Gott der Liebe, einer glühenden Liebe. Als er sich beispielsweise am 10. April 1938 zur hl. Kommunion anschickte, sah er aus der hl. Hostie, die er in der Hand hielt, eine Flamme aufsteigen, die sich seinem Mund zuwandte. Dies sollte wohl - so erklärt er - die Sehnsucht des heiligsten Herzens Jesu andeuten, sich mit der Seele des Menschen zu vereinen. Am 3. Juli 1937 schrieb er: “Die hl. Kommunion kam wie Feuer in mein Herz. Hat nicht der Heiland ausdrücklich gesagt: ‘Feuer auf die Erde zu bringen, bin ich gekommen'. Ich sah aus meinem Herzen eine Feuersäule aufsteigen und dies trotz all meiner Armseligkeit im Tugendleben.”

In tiefer Dankbarkeit schreibt er vom Empfang des göttlichen Blutes am 3. Juli 1939: “In dem Augenblick, in dem ich den Kelch an meine Lippen setzte, war der Heiland am Kreuz gegenwärtig. Ich trank das lebendige Blut aus Seiner allerheiligsten Seitenwunde. Nur noch ein wenig von den Umrissen des Kelches war sichtbar. Grenzenlose Güte mir und jedem Priester gegenüber, den Er an Seinen hl. Altar zu rufen sich herab läßt.”

Am 28. Febr. 1941 erlebte Pater Reus bei seiner hl. Kommunion, wie vom Altar aus Feuerflammen nach rückwärts schlugen und die dort stehenden Teufel in die Flucht trieben. Er gab dazu die Erklärung: “Das hl. Blut bewahrt den Priester vor den Nachstellungen des Teufels und läßt ihn trotz aller Schwierigkeiten Trost empfinden.”

Pater Reus hatte die schöne Gewohnheit, jedesmal, wenn er die letzten Tropfen des hl. Blutes im Kelch zu sich nahm, innerlich die Bitte zu wiederholen: “Laß mich niemals von Dir getrennt werden!” Dabei glaubte er am 13. Nov. 1939 die Antwort des Heilandes zu vernehmen, er werde niemals von ihm getrennt werden.

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Die Wirkung dieser Gottvereinigung

In gar vielen, verschiedenartigen Schauungen wurde dem Diener Gottes wiederholt die Wirkung der hl. Kommunion anschaulich gemacht: So das immer tiefere Einswerden mit Christus, aber auch das Mitgekreuzigtsein mit Ihm, nicht zuletzt die innige Lebensgemeinschaft mit der heiligsten Dreifaltigkeit. Vernehmen wir einige wichtige Bekenntnisse des Paters: “Am 20. April 1941 sah ich nach dem Empfang der hl. Kommunion den lieben Heiland ganz so in meinem Herzen, wie ich Ihn gestern gesehen hatte, als Auferstandenen umgeben von hl. Engeln. Es ist ja Seine Freude, bei den Menschenkindern zu sein und in ihren Herzen zu wohnen, besonders im Herzen des Priesters.” Am 4. Sept. 1940 gesteht er: “Wenn Gott brennendes Feuer ist, dann muß auch die hl. Kommunion brennendes Feuer sein, das den ganzen Menschen in seiner Glut erfaßt und in sich umwandelt zu einem Feuer, wie Gott Selbst es ist.” - Gott hat uns in der Taufe ein Siegel aufgedrückt: Du gehörst ewig Gott. Diese Liebe erneuert Er in jeder hl. Kommunion. Wer nicht hungert nach dem lebendigen Brot, dessen Seele lebt ein dunkles Leben. Das absolute “Licht-Sein” der heiligsten Eucharistie hilft auch uns “Licht werden” im Einssein mit dem Herrn in der Gestalt des Brotes.

Auch wenn Pater Reus seinen Mitbrüdern, die nicht Priester waren, die hl. Kommunion austeilte, sah er manchmal nach deren Empfang in ihrer Brust “ein nach allen Seiten ausstrahlendes Licht”.

Es war nicht bei allen gleich hell und stark, was er selbst als Folge einer mehr oder weniger guten Vorbereitung deutete. (27.1.1938)

Am 29. März 1940 sah er sich in der Ekstase nach der hl. Kommunion mit ausgestreckten Armen am Kreuz hängen. Dazu erklärte er: “Ich bin mit Christus ans Kreuz geheftet. Wie der liebe Heiland geheimnisvoller Weise in der hl. Messe ans Kreuz geheftet ist, so auch der Priester mit Ihm.” Mit tiefer Ergriffenheit liest man wiederholt von dieser mystischen Kreuzigung, wie sie Pater Reus nach der hl. Kommunion erlebt. Er sah sich unter schrecklichen Qualen ans Kreuz geschlagen, unaussprechliche Schmerzen erduldend. Er sollte eben, mit seinem göttlichen Erlöser eins geworden, mitleiden für die Sünden der Welt. Victima amoris! - Opfer der Liebe!

Vor dem Pfingstfest 1940 erlebte er folgendes: “Die drei göttlichen Personen kamen ganz in meine Nähe, so daß ich ganz und gar von ihnen eingeschlossen war. Es soll wohl heißen, daß wir durch die hl. Kommunion ganz in Gott aufgenommen, vergöttlicht, der göttlichen Natur teilhaft gemacht werden!” - Wer kann dieses Geheimnis in seiner Tiefe nur ein klein wenig erahnen, geschweige denn erfassen! Wie müßten wir uns in tiefer Ehrfurcht immer wieder anbetend vor dem in uns wohnenden dreifaltigen Gott verbeugen und Ihn aus ganzem Herzen zu lieben versuchen! Laden wir dazu immer auch die liebe Gottesmutter, Sankt Josef und die hl. Engel mit ein. Sie helfen anbeten, sie helfen danken, sie helfen lieben!

Pater Reus durfte bei seiner hl. Kommunion auch die liebe Gottesmutter und den hl. Josef schauen. So berichtet er unter dem Datum des 19. Mai 1941: “Bei der hl. Kommunion sah ich zuerst den lieben Heiland mit Seinem heiligsten Herzen, dann rechts und links von Ihm die liebe Muttergottes und den hl. Josef, den ich durch innere Offenbarung erkannte. Ich war höchlichst erstaunt über diesen himmlischen Besuch. Er gilt wohl jedem Priester, da dieser durch die Wandlungsgewalt in ein gewisses Verhältnis zur Hl. Familie tritt. Er ist der Muttergottes ähnlich, insofern der Heiland durch ihn das sakramentale Leben erhält. Er ist dem hl. Josef ähnlich, weil er den Heiland beschützen und bewahren soll.”

Die Bedeutung des letzten Segens
bei der hl. Messe wurde dem Diener Gottes auf mehrfache Weise vor Augen geführt. So durfte er schauen, wie der Heiland selbst oder die ganze heiligste Dreifaltigkeit den Segen zu gleicher Zeit mit ihm spendeten. Einmal erlebte er es, wie das Jesuskind das Händchen erhob und zugleich mit ihm seinen göttlichen Segen gab. Dadurch wollte der Heiland wohl in besonderer Weise Seine Herzlichkeit und Güte zu den Geschöpfen zum Ausdruck bringen. “Allerliebst!” So schrieb der Pater am Schluß dieses Berichtes. - Er muß ganz hingerissen gewesen sein von der Liebe des göttlichen Kindes. Ein andermal schildert er: “Als ich am Schluß der hl. Messe den Segen spendete, sah ich über mir den lieben Heiland am Kreuz, wie er gleichzeitig mit mir den Segen gab und zwar mit Seiner heiligen vom Kreuz abgelösten Hand. Der Heiland ist nicht nur das gütige, leidensfrohe Opferlamm, das sich von neuem hinschlachten läßt, sondern auch der opfernde, betende und segnende Hohepriester. Was der Priester am Altar tut, tut der Herr in ihm und mit ihm.” (21.9.1941)

Es war ein ergreifender Moment für Pater Reus, als er einmal bei seinem Schlußsegen der hl. Messe erlebte, wie die heiligste Dreifaltigkeit mit ihm den Segen gab und zwar über eine unzählige Menge.

Pater Reus betont ausdrücklich: “Der Segen der hl. Messe gilt offenbar der ganzen hl. Kirche, denn der Priester muß den Segen geben, auch wenn er ganz allein die hl. Messe liest.” So hat jeder Priester Segensmacht und Segenskraft über die ganze Welt hin. Nach dem Maß seines Glaubens und Vertrauens wird dieser Segen auch wirksam, vor allem als bannender Segen wider alle Dämonie der Zeit.

Die Danksagung des Paters nach der hl. Messe war im Grunde nur eine Fortsetzung der Liebesglut, die er am Altar erfahren hatte. In dieser Viertelstunde wollte der Heiland von ihm keine Bitten, sondern nur seine fortgesetzte wortlose Beteuerung der Liebe entgegennehmen. Dabei gestand der Pater sein ganzes Unvermögen: “Was ich Ihm gebe, das ist alles nichts.”

Pater Reus hat sich darum oft nach Helfern und Fürbittern für diese kostbare Viertelstunde umgesehen. Er wandte sich vor allem an die liebe himmlische Mutter, daß sie ihm anbeten, danken und lieben helfe. Er wandte sich an die Freunde des göttlichen Herzens Jesu. Besonders aber vereinte er sich mit den Huldigungen und der liebenden Anbetung der hl. Engel. So schrieb er einmal: “Ich sah zwei Engel an meiner Seite, die mit mir den lieben Heiland in meinem Herzen anbeteten. Es waren, wie ich glaube, zwei Seraphinen. Alle drei standen wir in Flammen, die zusammen eine einzige große Feuerflamme bildeten. Es wird dies wohl bedeuten, daß die hl. Engel, wenn wir sie einladen, wie ich das immer tue, mit uns den göttlichen Heiland anbeten und ihre Liebesflamme mit der unseren vereinen.”

Voll Seligkeit gestand er einmal: “In der Danksagung nach der hl. Messe erfahre ich eine ans Unglaubliche grenzende Vertraulichkeit und Innigkeit... Schon oft kam mir der Gedanke, im Himmel werde es nicht so schön sein wie am Altar im trauten Verkehr mit Gott” (1.1.1942). - Wir beten: O Liebe Gottes, sei du das Meer, das unsere Eigenliebe verschlingt! Sei du der Brand, der unseren Eigenwillen in Deinem hl. Willen für immer versengt!

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DER VERTRAUTE DES EUCHARISTISCHEN HERRN

Der Tabernakel: Zentrum seines Lebens

Mit dem im Tabernakel verborgenen Heiland verband unseren Pater eine Herzens-Freundschaft, die sich in seinem langen Leben immer mehr vertiefte und steigerte. Für ihn war der Tabernakel der Thron der schweigenden, grenzenlosen Liebe Jesu, der Thron Seines göttlichen Erbarmens. Für ihn schlug in der kleinen Hostie wirklich das lebendige, liebeglühende Herz des Herrn, das alle Menschen liebt, das alle trösten und heilen will. Er durfte immer wieder die Lichtströme wahrnehmen, die von dort ausgingen, die wunderbaren Kraft- und Liebesströme, die sich von diesem Zentrum in die ganze Schöpfung ergießen. Die Eucharistie war die Herzmitte seines Lebens.

Glücklich, wer sich dem eucharistischen Herrn mit solch lebendigem Glauben naht, wer vor ihm tief in die Knie sinkt und sein Herz weit auftut für Seine Liebe, für Seine unausschöpfbare Liebe! Pater Reus tat es, tat es bereits in jungen Jahren; bei einer nächtlichen Anbetung in der Dorfkirche zu Neuhaus erhielt Kaplan Reus seine erste mystische Gnade: das Innewerden des göttlichen Lebens in seiner Seele. Erst 20 Jahre später hat er diese Gnade als solche kennen gelernt. 

Vor dem Tabernakel des Allerhöchsten
hat Pater Reus über 50 Priesterjahre hindurch, so weit es ihm möglich war, sein Breviergebet verrichtet; dort stets auch seinen Rosenkranz gebetet. Vom Jahr 1912 an hielt er wenigstens einmal in der Woche nächtliche Anbetung bis Mitternacht. Für diesen gottliebenden Priester war die Nacht ein unaussprechliches Erlebnis. Während es draußen still und stiller wurde, sprach der im Tabernakel lebendige Herr im Schweigen der Nacht zu seinem Freund. Von der Eucharistie geht der stärkste Liebesanruf aus. Hier ruft der gefangene, verlassene Gott. Wer liebt, der hört diesen geheimnisvollen Anruf Tag und Nacht, und er läßt ihm keine Ruhe. Die Seele öffnet sich diesem Rufe im Gebet. - Die Gnade des Gebetes ist ein herrliches Geschenk vom Himmel. Gott zwingt sie keinem auf. Die Freiheit des menschlichen Willens ist für den Schöpfer etwas Unantastbares. Aber wenn die Seele Ihm Antwort gibt, dann öffnet Er die Schleusen Seiner Liebe und überströmt sie mit Seinem lebendigen Wasser. Gebet wird “höchste Tätigkeit der höchsten Fähigkeit der Seele”. So ist es zu verstehen, daß Pater Reus einem inneren Anruf folgend auch
       tagsüber sogar jede Stunde
den eucharistischen Heiland in der Hauskapelle besuchte, sofern es ihm nur irgendwie möglich war. Die Liebe drängt zum Geliebten. Jesu Gefangenschaft im Tabernakel ergriff seine Seele zutiefst. Der Tabernakel wurde zum Zentrum seines Lebens, zur Herzmitte all seines Denkens, Redens und Handelns. - Wenn sich unsere Seele nicht öfter dem eucharistischen Feuer nähert, bleibt sie ohne Feuer, ohne Glut. -

Nur Jesus allein wußte um die dankbar liebende Anbetung dieses Priesters, um dessen Herzensvertrautheit mit Ihm. Pater Reus gebrauchte nicht viele Worte dabei. Das beste Gebet kommt aus einem liebenden Herzen und wird selber zur Liebe, zur wortlosen Liebe, ja zur Liebesflamme.

Wohl gesteht der Begnadete in Demut: “Oft war ich vor Müdigkeit und Schläfrigkeit zerstreut, aber die Liebesflamme entbrannte immer von neuem.” - Sollte etwa Gott ein Herz nicht zu einer Glut entfachen können, die niemand mehr zu löschen vermag?

Gottbegnadete Seelen bezeugten zu allen Zeiten, daß jeden Tabernakel Engel des Himmels umstehen, die den stillen, unscheinbaren, verborgenen Gott im Brote im Namen der ganzen Schöpfung unaufhörlich anbeten und preisen. Zu den immer Liebenden, immerwährend Anbetenden auf Erden gehörte Pater Reus.

Am 8, Dez. 1916 kniete er gelegentlich eines Tabernakelbesuches wieder in Anbetung. - Im Knien macht sich der Mensch schon äußerlich kleiner vor seinem Herrn und Gott. - Bei dieser Besuchung wollte Pater Reus vor allem um die Abwendung einer schweren Krankheit für die Hausinsassen beten. Er aber konnte einfach nicht bitten, denn er glaubte ganz deutlich folgende Stimme zu vernehmen: “Ich will, daß du einzig und allein liebst; für alles andere werde ich sorgen.” War dieses Wort nicht die Wiederholung jener von den Menschen zu wenig bedachten Wahrheit, die er Seinen Aposteln schon lehrte: “Sucht zuerst das Reich Gottes und alles andere wird euch dazu gegeben werden?” Ja, sucht zuerst das Reich Gottes, d. h. die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen und alles andere wird euch gleichsam nachgeworfen werden. Wir verstehen darum, wenn Pater Reus hundert und hundert Male die Bitte wiederholte: “Herr, gib, daß ich Dich wahrhaft liebe, daß ich Dich im Werk liebe.”

Oft ist es nur ein armseliges Stammeln,
das wir Gott im Tabernakel bringen; aber gerade vor dem Tabernakel begegnet sich die armselige menschliche Liebe mit der unendlichen göttlichen Liebe. Sollten nicht auch wir öfter bei unseren Tabernakelbesuchen um eine wahre, selbstlose und durch die Tat bewährte Liebe flehen! Diese Liebe wird zur wahren Anbetung. Das ist das Erste, was wir Gott schuldig sind. Erst die Anbetung, dann der Dank, dann die Bitten.

Alle liebende Anbetung aber wird zur Freude, zur unermeßlichen Freude, daß wir Gott lieben und Ihm dienen dürfen, Ihm, dem höchsten, barmherzigsten und gütigsten Herrn. Diese Freude entzündet vor dem Tabernakel, wird unser ganzes Tun ausfüllen, am meisten im Alltag und in der Selbsterziehung. Diese Freude wollen wir froh erkennen und froh bejahen. Anbetung ist das schönste und wertvollste Tun aller Geschöpfe.

Liebende Anbetung führt aber auch zur heiligen bewußten Sühne für alle dem eucharistischen Herrn angetane Schmach. Im Oktober 1937 hatte Pater Reus in einem gemeinsamen Hirtenschreiben der spanischen Bischöfe gelesen, daß ein spanischer Kommunist aus Haß einen Revolver gegen den Tabernakel gerichtet und dorthin abgefeuert hatte. Dazu bemerkt der Pater: “Dieses furchtbare Sakrileg hat mich tief ergriffen. Bei der hl. Messe unmittelbar nach der hl. Wandlung wurde das Mitleid mit dem Herrn so groß, daß ich in Tränen ausbrach. Diese rannen so reichlich und so plötzlich, daß ich in aller Eile das Taschentuch auf die beiden Augen drückte, um nichts davon auf das Korporale fallen zu lassen.”

Mit großem Schmerz schrieb er am 2. März 1940: “Wie oft wird der liebe Heiland im heiligsten Sakrament mißhandelt, mißachtet, auch durch Seelen, die durch die Bande der innigsten Liebe mit Ihm verbunden sind.” Wir begreifen, daß es unseren guten Pater immerwieder zur heiligen anbetenden Sühne vor den Tabernakel drängte. Dabei betete er nicht selten: “Jesus, ich liebe Dich mit Deinem Herzen”, um so seiner sühnenden Liebe mehr Nachdruck zu verleihen.

Therese Neumann von Konnersreuth, die manche Stunde der Nacht SühneAnbetung hielt, wurde einmal gelegentlich einer solchen Sühnestunde von ihren Leidensvisionen überrascht. Es war dies in der Hauskapelle von Theologieprofessor Dr.Wutz - Eichstätt in der Nacht von Donnerstag auf Freitag (31. Okt. 1941). Ihr Bruder Ferdinand, der gegen 1.30 Uhr in der Kapelle Licht sah, schaute nach und fand sie am Boden mit Blutstropfen aus den Augen über die Wangen. Blutstropfen hatten bereits das Gebetbuch benetzt. Ihre Anbetung in dieser Nacht ist zur schweren Sühne geworden.

Nicht selten überkam unseren anbetenden Pater besonders bei der
Aussetzung des höchsten Gutes
und beim Segen mit dem Allerheiligsten eine Liebesglut. Am Fest Maria Verkündigung 1939 schaute er abends in Ekstase, wie beim Segen vom allerheiligsten Sakrament gewaltige Liebesflammen ausgingen, die in die Kapelle hineinschlugen. Dabei sah er, wie sich die Liebesflammen von oben herab auf jeden einzelnen seiner Mitbrüder, die in den Bänken knieten, herabließen. Die Gnade Gottes ermahnte ihn hernach, dies alles niederzuschreiben. Bekannt ist, daß auch andere begnadete Seelen, gerade bei der feierlichen Aussetzung und beim Segen mit dem Allerheiligsten einen ganz großen Gnadensegen geistig wahrnehmen durften.

Vielleicht ist jemand versucht,
zu sagen: Ja, wenn ich selbst einmal den Heiland geistigerweise im Tabernakel oder beim Segnen schauen dürfte, dann würde auch meine Andacht größer werden aber: “Selig, die nicht sehen und doch glauben”, sagt der Herr. Gibt uns nicht der Glaube an Seine unfehlbaren Worte eine ebenso große Gewißheit von Seiner Gegenwart, ja eine noch viel größere als sie je eine Vision verbürgen könnte!
Entscheidend ist unser demütiger, kindlicher Glaube an die unbedingte und unbeirrbare Gültigkeit des lebendigen Wortes Gottes. Wir müssen erst glauben lernen, mit ganzer Seele glauben! Kann nicht solch ein Glaube Berge versetzen? Auch Berge unserer Herzenskälte und Gleichgültigkeit? Wenn wir erst aus ganzem Herzen glauben, dann wird uns auch die Gnade der Liebe geschenkt werden, die größte aller Gnaden. - Herr, laß uns hineinwachsen in die Liebe und anders werden mit ihr - untrennbar immer mit Dir verbunden!

Wie sehr verlangt der Heiland darnach, um Seiner unendlichen Liebe willen, von allen Menschen geliebt zu werden! Hat Er nicht gerade deshalb die verzehrende Glut Seiner Liebe in das Herz Seines treuen Dieners Johannes Reus gesenkt, um wenigstens aus diesem einen Herzen etwas von jener brennenden Liebe zu empfangen - die höchstmögliche, geschöpfliche Liebe? Du aber wisse:

Mit dem Schlüssel ‘Liebe’ kann man alle Türen aufsperren,
kann man besonders das Herz Gottes, diesen brennenden Feuerofen der Liebe, aufschließen. “Unendliche Liebe, die Du im Herzen Jesu wohnst, gib Dich den Menschen zu erkennen, daß sie Dich lieben, wie Du geliebt werden willst!” So ruft Schwester Maria Luise Margareta aus. - Das Größte ist die Liebe. Höchste Liebe muß aber nicht immer von fühlbarer Glut begleitet sein. Jesus empfand in den letzten Stunden am Kreuz bei der höchsten Liebe und Hingabe an den Vater, bei der höchsten Liebe auch zu Seinen Feinden keinerlei Gefühl der Nähe Gottes, sondern die peinlichste Gottverlassenheit. Das gleiche erfahren wir bei vielen Heiligen: Zuweilen jahrelang kein Gefühl, kein Trost der Gottesnähe, keine innere Glut, trotz der größten Hingabe an Gott und trotz des Sich-Hinopferns für die Menschen. Da findet die Seele ihren einzigen Halt und Trost im Glaub en an Gottes Wort und Verheißung. “Ich liebe Dich, aus Lieb' allein, sollt' auch kein Höll' und Himmel sein.” - Brüder, Schwestern! Über tausend Kreuze führt uns der Herr dem Ziele zu, das Er für uns gewählt hat. Keiner kann sich diesen Kreuzweg aussuchen; nicht einmal Maria konnte es. Wir müssen nur Ja sagen können zu allem, was Gott schickt, denn es kommt aus Gottes Vaterhand, der gütig und weise ist. Er beläßt die Seele im trockensten Alltag, in der bittersten Armut, in Verdemütigungen und Dunkelheiten, Seine Kraft aber genügt unserer Schwachheit.

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Und noch einmal das göttliche Herz des Erlösers

Ein erschreckender Tatbestand für unsere Zeit: Glaube und Liebe sind am Erkalten. Unseren Tagen blieb es vorbehalten, von einer “Gott ist tot”-Bewegung zu sprechen, als ob der Schöpfer alles Seins, der alles Belebende, alles Bewegende dem Vergehen unterworfen sei. Ist es nicht, als wollte der Mensch gewordene Sohn Gottes durch das Bild Seines flammenden Herzens an Sein Wort erinnern: “Feuer auf die Erde zu bringen, bin Ich gekommen, was will Ich anders, als daß es brenne!” (Lk. 12, 49). Das Herz Jesu ist der Inbegriff aller Liebe Gottes zu den Geschöpfen. Durch dieses göttliche Herz geht die Liebe des Vaters gleich einem Liebesstrom zum Hl. Geist und wird durch diesen über alle Geschöpfe ausgegossen.

Wie sehr liebte Pater Reus dieses Feuerherz der göttlichen Liebe! Wenn er vom Herzen Jesu sprach, dann meinte er damit immer den Heiland Selbst, das heißt die menschgewordene Liebe in Person, die sich ganz für die Ehre des Vaters und in der Liebe des Hl. Geistes für das Heil der Seelen verzehrte. Er wußte: Am Kreuz ließ der unendlich liebende Sohn des Vaters

Sein Herz weit öffnen,
damit alle, die guten Willens sind, darin Eingang finden und heimfinden zum Vater. Ja, Pater Reus wußte: Jesus wollte durch Seine Erscheinung gegenüber der hl. Margareta Alacoque (^ 1690) die beglückende Wahrheit in Erinnerung bringen, daß Sein Herz allezeit in Liebe zu den Seelen schlägt, ja, daß aus diesem Herzen ununterbrochen ein Strom von Liebe und Erbarmen quillt. Freilich wurde Reus erst als Theologe durch das Buch von Pater Noldin S. J. auf die besondere Verehrung des Erlöserherzens aufmerksam. Vorher hatte ihm niemand davon gesprochen. Aber bereits Weihnachten 1893 verpflichtete er sich durch ein Gelübde, für die Verehrung des göttlichen Herzens zu arbeiten, die Wünsche des Erlöserherzens immer mehr kennenzulernen und die Liebe dieses Herzens nach Kräften zu erwidern besonders auch im Sinn des seelenrettenden Apostolates.

Bezeichnend ist dies: Wenn er beim Aufstehen seinen Fuß auf den Boden setzte, war sein erstes Gebet: “Herr, für Deine Seelen ! “ Auch während des Tages und während der Nacht empfahl er dem Herzen Jesu die Seelen. Er selber weihte sich dem göttlichen Herzen täglich durch besondere Gebete. Auch sein heroisches Gelübde, in allem das Vollkommenere zu tun, brachte er dem Herzen Jesu dar. Von den unerschöpflichen Reichtümern des Herzens Jesu erwartete er alles und schrieb Ihm alles zu. In jeder Situation, besonders in schwerer Bedrängnis, wiederholte er die ermunternden Worte: “Vertrau auf Ihn, der die Liebe ist, und Er wird sorgen!” Er wußte, je mehr Leid ein Mensch trägt, um so mehr Liebe und Kraft von oben braucht er, sonst zerbricht er. Hier sei noch angeführt,
                  was Papst Johannes XXIII. in seinem “Geistlichen Tagebuch”
über die Verehrung des heiligsten Herzens Jesu schreibt: “Mir scheint, daß mein Leben dazu bestimmt ist, sich vor dem strahlenden Licht des Tabernakels abzuspielen und daß im Herzen Jesu alle meine Schwierigkeiten eine Lösung finden. Ich glaube, ich wäre bereit, mein Blut für den Triumph des Herzens Jesu hinzugeben. Mein brennendster Wunsch ist, etwas für diese meine Liebe tun zu können. Zuweilen läßt mich der Gedanke an meine Überheblichkeit, an meine unglaubliche Eigenliebe und an meine Armseligkeit vor Schreck erstarren, und ich bin bestürzt und mutlos. Doch sofort finde ich wieder Kraft in jenen Worten, die Jesus zur seligen Margarita sprach: “Ich habe dich dazu auserwählt, das Wunder meines Herzens zu enthüllen, weil du ein Abgrund von Unwissenheit und Elend bist” (aus den Aufzeichnungen von Papst Johannes vor der Priesterweihe)

Pater Reus kündete gerne auch folgende Wahrheit:

“Sprecht von der Liebe des heiligsten Herzeins, sprecht oft davon! Die Wirkungen der Worte wird der liebevolle Herr schon selbst hervorbringen!”

Am 8. Jan. 1944 sah der Pater die hl. Seitenwunde Christi ganz weit geöffnet, so daß man die Hand hineinlegen konnte. Erklärend fügte er bei: “Die hl. Wunde (des Herrn) ist für uns alle das Himmelstor, ist der Ort des Friedens, dies aber in hervorragender Weise für die Armen Seelen gleichsam als einzige Quelle ihres Trostes und ihrer Befreiung.”

Und wieder schreibt er (am 19. Febr. 1946): “Gegen Schluß der hl. Messe sah ich, wie die Flammen des heiligsten Herzens Jesu alles erfüllten und durchglühten. Dieses Herz ist alles in allem.”

“Der Priester hat das Glück, inmitten dieses Weltenbrandes von Glut und Liebe zu stehen und dies anderen mitzuteilen.”

Ein anderes gnadenreiches Erleben war dies: “In der Ekstase vom 27. April 1943 schaute ich das allerheiligste Herz Jesu in großem Glanz. Auf einmal sah ich, wie der liebe Heiland mein Herz in Sein göttliches Herz hineinlegte, und aus diesen vereinigten Herzen schlug die Liebesflamme empor zur Verherrlichung der göttlichen Majestät. - Es war, als wollte der Heiland auf meine beständige Klage antworten, daß ich so gar nichts habe, um es Ihm zu geben. Sein göttliches Herz - oder mit anderen Worten, Seine Verdienste stehen uns immer zur Verfügung; sie ersetzen jeden Mangel unsererseits.”

Gleichsam eine Ergänzung hiezu bildet folgende Vision des Paters: “Ich sah die allerheiligste Dreifaltigkeit. Aus dem Herzen Jesu gingen zwei Glutströme aus. Der eine loderte zum himmlischen Vater empor, der andere abwärts zum Altar, dem zelebrierenden Priester entgegen. Die Bedeutung”, so schreibt der Pater weiter, “ist klar: Aus dem Herzen Jesu wird dem lieben himmlischen Vater die größtmögliche Verherrlichung, aber zu gleicher Zeit geht ein Strom des Segens über die ganze Kirche hin, besonders aber auf den glücklichen Priester zu” (12. Okt. 1941). Wo anders wird uns Priestern die hinreißende Glut wahrer Christusliebe entzündet als in Seinem Feuerherzen! Ein gluterfülltes, christusergriffenes Leben kann nur in der Kraft Seiner göttlichen Liebe gelebt werden. Mehr als einmal wurde dem Diener Gottes ausdrücklich bestätigt, wie wohlgefällig dem Heiland die besondere Verehrung Seines Herzens sei und wie viele Gnaden davon ausgingen.

Auch das Wohlgefallen des Herrn über die Sühne und die hl. Sühnemesse zu Ehren des Herzens Jesu wurde dem Pater vor Augen gestellt. “Im hl. Opfer können wir”, so schreibt er am 25. Mai 1943, “die Liebe des heiligsten Herzens Jesu vergelten. Daher ist die

hl. Messe die beste Herz-Jesu-Verehrung

- Die hl. Sühnekommunion”, so fährt er fort, “ersetzt dem heiligsten Herzen alle Unehre, welche Ihm die Sünder antun.”

Immer kann durch liebende Sühne die Gerechtigkeit Gottes in Liebe und Barmherzigkeit umgewandelt werden. Jedes Vertrauen, jede sühnende Hingabe trägt dazu bei.

Darum lebte Pater Reus ein Leben des Opfers und der Sühne und vereinigte seine verborgene Sühne mit dem unendlichen Sühnopfer Jesu Christi. An der Größe des Opfers Christi erkannte er die Größe der Schuld der Menschen.

So empfing der Diener Gottes immer neue Erkenntnisse und Gnaden aus dem göttlichen Herzen. Waren sie nicht die Antwort der göttlichen Freigebigkeit auf seinen unerschütterlichen Glauben an die Liebe dieses Herzens, eine Antwort auf das unbegrenzte Vertrauen in dieses Herz und nicht zuletzt auch eine Antwort auf sein ehrliches, liebendes Sich-Mühen, nach dem Vorbild dieses Herzens immer reiner, demütiger und heiliger zu werden.

Nichts anderes erstrebte dieser große Bevorzugte des Herrn, als daß sein Leben ein glühendes, weltweites Apostolat werde mit dem Ziel, daß das heiligste Herz Jesu in Seiner überfließenden Barmherzigkeit gegenüber allen immer mehr erkannt werde.

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Zarte Liebe zum göttlichen Kind von Bethlehem

Häufige Erscheinungen des Jesuskindes

Wohl zum ergreifendsten im Leben von Pater Reus, dessen männlich herbe Art allgemein auffiel, gehört der innige Kontakt mit dem Jesuskind. Gerade diese herzliche Verbundenheit mit dem göttlichen Kind von Bethlehem beleuchtet das Innenleben des Dieners Gottes, beleuchtet noch mehr, mit welch unfaßbarer Liebe Gott Sich uns Menschen kundtut. Die hl. Hildegard sagt: “Gottes Menschwerdung ist die größte Mitteilung Seiner Liebe. In ihr schaut der Mensch Gott ins Angesicht.” Gerade durch das Geheimnis von Bethlehem sollten wir in besonderer Weise zum Verständnis, ja zur Liebe des unsichtbaren Gottes “hingerissen werden”, wie es die Weihnachtspräfation andeutet. In diesem für den menschlichen Verstand wahrhaft unfaßbaren Geschehen von Weihnacht hat “das Wort” des ewigen Vaters sichtbare Gestalt angenommen in einem liebenswürdigen Kinde. Nur die Liebe Gottes kann solches ersinnen und bewirken. Das Weihnachtsgeschehen ist ungeheuerlich; es sprengt alle Maße und Maßstäbe, daß die menschliche Sprache dahinter zurückbleibt. Der Himmel kommt auf die Erde. Gott Selbst unterwirft Sich allen irdischen Lebensgesetzen, um dadurch alles Leben an Sich zu ziehen, zu erlösen, heil zu machen und heimzuholen. Wenn wir doch mehr über dieses erschütternde Wort nachdenken würden: “Et verbum caro factum est et habitavit in nobis. - Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.” Wir würden immer tiefer in die Knie sinken. Franz von Assisi und viele Heilige sind ob dieses wunderbaren Geheimnisses in helles Entzücken geraten.

Schon der Gymnasiast Johann Baptist Reus hatte eine besondere Vorliebe, Krippen zu basteln und dadurch dem göttlichen Kind eine Herberge zu bereiten. In Bamberg besuchte der junge Theologiestudent alle schönen Kirchenkrippen in der Bischofsstadt und legte darein mit kindlich frommem Gemüt alle seine Anliegen.

Als Seminarist schrieb er in sein geistliches Tagebuch folgende Bitte, die er dann 40 Jahre später noch in seiner Lebensbeschreibung erwähnte: “Liebes göttliches Kind, erbarme Dich meiner! Hl. Mutter des lieben Jesuskindes, bitte für mich, daß ich reinen Herzens werde und bleibe!” Diese vertrauensvolle Liebe zum Kind in der Krippe führte bald zu einer außerordentlichen Andacht zu dem im hl. Sakrament gegenwärtigen Herrn. Für Pater Reus wurde

          der Tabernakel die immerwährende Krippe
von Bethlehem, vor der er gerne anbetend kniete. Gerade im heiligsten Sakrament wartet der Herr in Liebe auf die Anbetung Seiner Geschöpfe. Vor dem Tabernakel erlebte Pater Reus häufig die mystische Nähe des göttlichen Kindes. Wenige Tage, nachdem er die hl. Wundmale empfangen hatte, schaute er das Jesuskind, zunächst mehrmals auf den Armen der lieben Mutter Maria. Aus ganzem Herzen dankte er für diese besondere Gnade.

Am Weihnachtsfest des gleichen Jahres 1912 bekennt er staunend: “Während der Mitternachtsmesse sah ich Dich bei der hl. Kommunion in meinem Herzen gegenwärtig als kleines Kind. Ich glaube, es war keine Täuschung.” Sollte das nicht eine deutliche Veranschaulichung der Wahrheit sein, daß Jesus auch in uns lebendig sein will und immer mehr Gestalt in uns gewinnen will. “Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, aber nicht in dir, so wärest du ewiglich verloren” (Angelus Silesius). Aber eigenartig, gerade an den hohen Weihnachtsfesttagen fühlte der begnadete Mystiker die schmerzenden. Wundmale bei Tag und Nacht. Er aber schreibt dazu:

“Gib, daß mir nichts anderes als Dein durchbohrtes Herz gefalle” (Weihnachten 1918). - Lieben ist Leiden, echte Jesusliebe ist wahre Kreuzesliebe. Auch die Liebe zum göttlichen Kind muß im Kreuze verankert sein.

Von Weihnachten 1936 an durfte Pater Reus die liebende Gegenwart des göttlichen Kindes immer häufiger erfahren, und zwar in einer rührenden, ergreifenden Zärtlichkeit. Er schildert diese zärtliche Liebe des hl. Kindes in dankbarer Seligkeit:

Ich sehe plötzlich das Jesuskind,
sehe es an mich angeschmiegt, wie auf meinem linken Arm sitzend, das Ärmchen um meinen Hals gelegt
. Das Ärmchen fühlte ich ganz deutlich um meinen Hals. Ich wehrte mich anfangs. Umsonst! Ein Zweifel an der Wahrheit kann nicht aufkommen.” - “Als ich auf dem Weg zur Pfarrkirche (am 28. Dez. 1936) an der Sonnenseite ging, sah ich klar das Jesuskind, so licht, daß es durch Sein weißes, mildes Licht die Klarheit und den weißen Glanz des Sonnenlichtes übertraf. Die Vision des Jesuskindes dauert auch nachts fort, wenn ich schlaflos daliege.”

Wer kann fassen, welch lichte Schönheit aus dem Auge des Gotteskindes dem liebenden Pater entgegenleuchtete! Wenn uns schon aus jedem unschuldigen Kindesauge Gottes Liebe entgegenstrahlt, um wieviel mehr aus dem Auge des menschgewordenen Sohnes Gottes! War es nicht, als ob das göttliche Kind unserem Pater immer wieder sagen wollte: “Freue dich, freue dich in deinem Heiland, denn in der Freude hast du doppelte Kraft!” Und doch fragt sich der gute Pater ganz bekümmert am 23. Jan. 1937, warum der Herr Seine Gnade an ihn verschwende. “Ich glaube zum Lobpreis Seiner herrlichen Gnade, mit der Er uns in Seinem geliebten Sohn beschenkt hat - , da wir alle zum Lobpreis Seiner Herrlichkeit da sind.” Alle Herrlichkeit aber ist innerlich.

An Weihnachten 1937 hatte Pater Reus das Jesuskind nicht bei sich selbst gesehen, wohl aber einmal (am 22. Dezember) in den Seelen anderer, als er beichthörte. Da sah er “in einer Anzahl der Beichtenden das Jesuskind, manchmal in strahlender Schönheit.” Welch köstliche Frucht einer guten Beichte: Jesus im strahlenden Licht in unserer Seele!

Meist erlebte Pater Reus die Gegenwart des göttlichen Kindes im Zusammenhang mit der hl. Liturgie,

so am 4. Adventssonntag 1938 beim Introitus: Tauet Himmel den Gerechten! Da schaute er “sehr lebhaft das Jesuskind in der Höhe, gerade als ob es, dem Ruf der hl. Kirche freudig Folge leistend, herabschweben wolle.”

Beim Kommunionlied des Quatemberfreitags vor Weihnachten 1940: “Seht, der Herr wird kommen, und alle Seine Heiligen mit Ihm; an jenem Tag strahlt ein großes Licht”, da schaute der Pater das Jesuskind in großem Glanz, vor Ihm die Muttergottes, rings herum im weiten Kreis die Heiligen und in der Nähe der lieben; Muttergottes auch hl. Engel.” Dazu bemerkte Pater Reus: “Auch zu Weihnachten kommen alle Heiligen mit ihren Gnaden, die sie mit ihrer Fürbitte erlangen. Ganz besonders aber, wenn Er als Herrscher kommt und die Gipfel der Berge unter Seinen Schritten zusammen knicken.”

Ähnliche Gnaden wie zu Weihnachten erfuhr Pater Reus auch im Zusammenhang mit dem Fronleichnamsfest 1941. Da sah er nach der hl. Kommunion die Muttergottes mit dem Jesuskind auf dem Arm. Sie reichte Es herab, um Es dem glücklichen Pater zu geben. “Ich erkannte”, so schrieb er hernach in sein Büchlein, “daß sie es war, die mir den lieben Heiland in der hl. Kommunion gegeben hatte.” -

Die letzten Jahre seines Lebens durfte Pater Reus bei der hl. Messe täglich das göttliche Kind schauen.

Man fragt sich unwillkürlich, was denn das Jesuskind bei der unblutigen Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers zu tun habe. Soll damit nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß das innerste Geheimnis der Menschwerdung bereits Hinopferung gewesen, die unblutige, aber vollständige und immerwährende Hinopferung des Gottessohnes für die Ehre Seines Vaters im Himmel und für das Heil der Brüder und Schwestern auf Erden?

Kranke klagen zuweilen:

“Jesus hat doch nur einen Tag gelitten; mein Leiden dauert schon 3, 5, 40 Jahre... !” - Nein, das Leiden des Herrn dauerte 33 Jahre. Der hl. Kardinal Bellarmin, die große hl. Theresia und andere große Theologen belehren uns: Vom ersten Augenblick Seiner Empfängnis an hatte Jesus eine vollkommene Erkenntnis und Empfindung Seines ganzen heiligsten Leidens und Sterbens. Denn Jesus erkannte vom ersten Augenblick Seines Lebens an die Sündenschuld der ganzen Welt und aller Zeiten und die ganze Last der Sühne, die die göttliche Gerechtigkeit dafür fordern mußte. Hätte die göttliche Vorsehung das Herz Jesu nicht fortwährend gestärkt, so hätte es in dem Augenblick, da Es zu schlagen anfing, auch schon zermalmt werden müssen unter der Größe des Schmerzes, den Es zu ertragen hatte. Das gleiche sagt offenbar das Bild vom göttlichen Herzen, wie es die hl. Margareta Maria Alacoque schauen durfte: Das göttliche Herz von einer Dornenkrone umgeben, vom Kreuz überragt, verwundet und von Flammen der Liebe und des Schmerzes umhüllt. In Seinem Herzen, das heißt in Seinem Innersten verborgen, trägt Jesus Seine ganze Passion durch Sein ganzes Leben. So hatte der Erlöser nie eine Stunde, da Ihm “wohl” sein konnte. “Jesus aber schwieg”, heißt es in der Passion öfter, das gilt noch mehr von der großen Passion Seines ganzen Lebens. Das Morgengebet Seines Lebens war dies: “Vater, einen Leib hast Du Mir gegeben, siehe, Ich komme Deinen hl. Willen zu vollbringen!” Das war das “Ja, Vater!” zu Seiner wirklich lebenslänglichen Passion. Wahr ist: Kein Kranker, kein Sträfling und kein Martyrer hat je so schwer gelitten wie der, “der alle unsere Sünden und Gebrechen auf Sich genommen hat.”

Hingebenste Liebe ist von Anfang an die Grundhaltung des Kindes von Bethlehem, die Liebe totalen, selbstlosen Hinopferns. Pater Reus durfte gleichsam den Herzschlag dieses Opferkindes spüren und die flammenden Liebesgluten aus diesem Herzen gewahren. So sah er am 24. Dez. 1942 in Ekstase nach der hl. Kommunion das Jesuskind in seinem Herzen, “wie Es ruhte zwischen den Liebesflammen, die Es in Seinem eigenen Herzen entzündet hatte.” Von Weihnachten 1942 bis zum 11. Jan. 1943 schaute er mehrere Male das Jesuskind in der hl. Hostie. Dazu machte er die beachtenswerte Feststellung: “Wir haben aber einen festeren Beweis der Gegenwart des Jesuskindes als die Wahrnehmung. Das ist Sein göttliches Wort: “Hoc est enim corpus meum. - Das ist mein Leib.”

Besonders nach seinem goldenen Priesterjubiläum (30. Juli 1943) wurde der Jubilar durch die Schau des göttlichen Kindes immer wieder beglückt und zugleich, wie er selbst sagte, beschämt.

Man hat unwillkürlich den Eindruck, daß die häufige Begegnung mit dem Jesuskind zusammenhing sowohl mit dem Geist des vollkommenen Kindseins vor Gott, den sich Pater Reus errungen hatte, als schließlich auch mit einer gewissen Kindlichkeit seines ganzen Wesens.

Das demütige, kleine, verkannte Kind von Bethlehem war ihm gleichsam der Lehrmeister, um den Weg des Kleinen, Verborgenen zu gehen. Dies hat ihn wohl ein jahrelanges Mühen und Ringen gekostet. “Das Kindliche ist das Höchste in der Welt”, sagt Julius Langbehn, und der Herr selbst fordert: “Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht eingehen in das Himmelreich!”

Auf jeden Fall wurde unserem Pater nach seinen eigenen Aufzeichnungen vom August 1943 bis zum Jahr 1947, seinem Todesjahr, die vertraute Liebe des Ewigen Hohenpriesters, besonders auch die Liebenswürdigkeit des göttlichen Kindes täglich neu gezeigt und bewiesen. In geradezu überwältigender Huld ist ihm “die Güte und Menschenfreundlichkeit unseres Gottes” erschienen. Dabei bewahrte der Pater selbst stets eine große Vorsicht, um nicht das Opfer einer Täuschung zu werden. Manchmal schien es ihm, als wollte das hl. Kind ihm mahnend sagen:

“Warum leistest du einen solchen Widerstand?”

Er selbst aber bekennt: “So lieb mir diese Visionen sind, so tief verdemütigen sie mich. Ich muß mir sagen: Dessen bin ich nun einmal nicht wert” (9. Aug. 1943). Ein anderes Mal das folgende Geständnis: “Wieder hatte ich die liebliche Vision des Jesuskindes, das mir zulächelte und nach dem Gebet “Corpus Domini... Der Leib des Herrn” die Ärmchen nach mir ausstreckte. Wenn es nicht so wäre, würde ich über eine derartige Vision mit Spott und Hohn hinweggehen; so wenig Verdienst von meiner Seite läßt sich entdecken. In dieser Gnade zeigt sich so recht der große Abgrund des liebenden göttlichen Herzens” (5. Aug. 1943).

Für den demütigen Pater waren alle jene Hulderweise des Kindes von Bethlehem Ausdruck der unermeßlichen Erbarmung und Güte des Erlöserherzens für Sein Geschöpf, ja, für all die Seinen. So, wenn er zum Beispiel am 20. Okt. 1943, beim Schlußsegen der hl. Messe folgendes erlebte: “Als ich mich zum Segen umwandte und das Zeichen des hl. Kreuzes machte, sah ich, wie das Jesuskind das Händchen erhob und zu gleicher Zeit mit mir Seinen göttlichen Segen spendete. Allerliebst!” Und er fährt fort: “Damit wollte der liebe Heiland nicht nur die Tatsache zu erkennen geben, daß Er den Segen spendet, sondern auch die Herzlichkeit und Güte, mit der Er ihn seinen Geschöpfen mitteilt.” - Welch wundersame Strahlkraft der göttlichen Segenshand, die hier so oft sichtbar geworden!

Zuweilen wurde Pater Reus bei den Erscheinungen des Jesuskindes auch an das Leiden erinnert, das der Erlöser als Kind schon erfahren hat, zugleich aber auch an die liebende Sühne, die dieses heiligste Kind erwartet. So sah er am 20. März 1945 in Ekstase
                                 
das Jesuskind als dornengekröntes Kind

Zu beiden Seiten die Gottesmutter und den hl. Josef, beide mit einer Dornenkrone in der Hand, ringsum viele hl. Engel, ebenfalls mit einer Dornenkrone in der Hand. Dazu schrieb Pater Reus die Erklärung: “Das hl. Leiden soll uns lieb und teuer sein, ja, einer unserer liebsten Gedanken werden, besonders wenn wir daran denken, daß der Heiland schon als Kind Sein hl. Leiden sah und trug und auch die hl. Mutter schon mit ihrem göttlichen Kind litt.” Nur wer opferbereite Liebe hat, kann echte Sühne schenken. So schreibt er am 23. März 1943: “Als ich die Gebete vor der hl. Kommunion verrichtete, sah ich auf einmal, wie das sichtbare, dornengekrönte Jesuskindchen das Ärmchen nach mir ausstreckte und mir eine Dornenkrone auf mein Herz setzte. Auch jetzt noch, wo ich dies schreibe, sehe ich mein Herz mit der Dornenkrone. Es soll wohl bedeuten, daß wir in der hl. Kommunion des Leidens unseres Herrn besonders eingedenk sein sollen.” In den nächsten Tagen erwähnte er mehrmals: “Dornenkrone noch immer' sichtbar in meinem Herzen.”

Sehr sinnvoll ist auch eine Erklärung, die Pater Reus am 27. April 1944 über eine Schauung des Kindes von Bethlehem niederschrieb: “Wie ich schon früher bemerkte, erscheint das Jesuskindchen nicht immer an der gleichen Stelle der hl. Messe, und manchmal denk ich gar nicht an das hl. Kind, sondern an göttliche Dinge im allgemeinen, dann plötzlich ist das Jesuskindchen vor mir, so wieder heute. Erst als ich beim Agnus Dei die Worte sprach: Miserere mei (erbarme Dich meiner), war das Jesuskindchen vor mir. Zugleich erhielt ich die Bedeutung dieser Vision: Wie das Kind keinen Groll kennt, wie es alle Beleidigungen schnell vergißt, so will auch der liebe Heiland in der hl. Kommunion gerne verzeihen und die ganze Güte Seines heiligsten Herzens, Sein ganz liebreiches Erbarmen uns mitteilen; Er will nicht als strenger Richter uns entgegentreten, sondern mit der Einfalt und Arglosigkeit des Kindleins von Bethlehem uns behandeln und beim einstigen Gericht nur Seine Liebenswürdigkeit zeigen. Dank Seinem gütigen Herzen!”

Solange Pater Reus lebte, blieben diese besonderen Gnaden des vertrauten Umgangs mit dem göttlichen Kind sein treubehütetes Geheimnis. Wenigstens hat keiner seiner Mitbrüder etwas davon erfahren.

Wenn man dieses vertraute Verhältnis des greisen Paters zum göttlichen Kind und zu dessen heiligster Mutter bedenkt, so wird man unwillkürlich an einen anderen hl. Jesuiten erinnert, an

Pater Bernhardin Realino,
der am 2. Juli 1616 in Süditalien 86-jährig gestorben ist; von ihm wird folgendes berichtet: Als er am Hl. Abend 1589 ganz verfroren aus dem Beichtstuhl in sein Zimmer kam, schaute er die Gottesmutter mit dem Kind auf dem Arm. “Warum zitterst du?” fragte die himmlische Mutter. “Ich zittere vor Kälte”, sagte der Pater. Dann reichte ihm Maria ihr Kind. Pater Bernhardin umarmte Es mit aller Liebe und wollte Es kaum mehr aus seinen Armen geben. Und als ihm die himmlische Mutter zu verstehen gab, daß sie Es wieder haben wolle, da bat der hl. Greis mit der Einfalt eines Kindes, daß er Es noch etwas länger behalten dürfe (Bericht von Pater Baumann).

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Ein Beispiel aus unseren Tagen

Pfarrer Augustin Hieber von Meratzhofen (^ 4. Jan. 1968) war ein von der hl. Kindheit Jesu wunderbar ergriffener, tiefgläubiger Priester. Wie innig liebte dieser Mann Gottes den kleinen König in der Krippe, wie oft kniete er von Liebe entzündet vor dem göttlichen Kinde! -

Es war in der schweren Zeit des Nationalsozialismus, als ihm, dem bischöflichen Kommissar im Dekanat Leutkirch, 52 Schulen unterstanden. Gerade zur Weihnachtszeit 1940 verstärkte sich der Terror der Kirchenfeinde in erschreckender Weise. Eines Tages las man in der Zeitung, daß von Neujahr an jeglicher Religionsunterricht in den Schulen untersagt werde und daß das Kreuz verschwinden müsse. Da faltete nach bezeugten Berichten der Pfarrer die Zeitung zusammen und sprach: “Verdoppeln wir das Gebet! Das Jesuskind muß helfen. Es geht um Tausende von Kinderseelen.” Er erinnerte sich in diesem Augenblick sicher auch an das Versprechen, das Christus der seligen Margareta vom heiligsten Sakrament gegeben hatte: “Schöpfe aus den Verdiensten Meiner Kindheit, und nichts wird dir verweigert werden.” Oder an jenes andere, das vom Prager Jesuskind bekannt ist: “Je mehr ihr Mich verehrt, um so mehr werde ich euch segnen!”

Noch am Abend ging Pfarrer Hieber ins Gotteshaus; er kniete lange, lange vor seinem Jesuskind in der Krippe, er bat und rang und flehte um die Seelen so vieler Kinder: “Du Kindlein Jesus, erbarme Dich ihrer! Du bist für sie Mensch geworden, um sie selig zu machen. Der Feind will sie Dir entreißen, aber Du bist allmächtig. In Deine kleinen Hände lege ich ihre Seelen. In Deine Händlein lege ich auch die Seelen der Feinde. Du kannst sie alle mit Deiner Weisheit lenken wie Wasserbäche. Du hast Legionen von Engeln, die Dir gehorchen; schicke sie aus, um uns alle zu retten!”

So und ähnlich rang es sich aus seinem Herzen. Wie lange er da gekniet, wußte er nicht. Er hörte kaum, wie der Wintersturm heulte und den Klang der Glocke, die zwölfmal schlug, nach allen Seiten trug. Auf einmal
     fing das Jesuskind zu leuchten an,
hell strahlend und schimmernd in überirdischer Schönheit. Und der Beter, tief erschüttert, verstand die Worte: “Es geschieht euch nichts.” Da war ihm zumute wie einem Todgeweihten, der plötzlich wieder zum Leben zurückkehrt. “Es geschieht euch nichts.” Das klang fort und fort in ihm wie ein himmlisches Lied. Er glaubte, er dankte. Die Nacht ging vorüber. Und erst als die Morgenglocke das Ave Maria verkündete, erhob sich der Begnadete und machte sich bereit für den neuen Tag. Es mochte nun kommen, wie es wollte; sein Vertrauen blieb unerschüttert; denn was Gott sagt, das wirkt Er augenblicklich. - Die Nazi-Agenten kamen. Sie fanden einen Mann, der wie eine Eiche standhielt. Und sie gingen wieder. Sie wußten nicht warum, aber jeder war besiegt. Das Kreuz in den 52 Schulen blieb an der Wand, der Religionsunterricht wurde weiterhin erteilt (Nach Ida Lüthold-Minder: Segenspfarrer vom Allgäu).

Wie hat doch einmal der tiefe Denker und Beter Julius Langbehn gesagt: “Echter

Glaube ist immer Kinderglaube, ja, das Kindliche ist das Höchste in der Welt.” Mag dies verstanden werden wie immer, Tatsache ist jedenfalls, daß im Gotteskind von Bethlehem sich die unendliche Liebe und Güte Gottes immer aufs neue ergreifend offenbart - aller Veräußerlichung des Weihnachtsfestes, allem Geschäftsrummel und allem Aufgehen in rein irdischen Freuden zum Trotz. Tatsache ist, daß immer das Wort der Ewigen Wahrheit gilt:

“Wer sich klein macht wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich” (Mt 18,4). Eine Wahrheit, die man nicht mehr verstehen will, und darum der geistige und religiöse Niedergang unserer Zeit.

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In herzlicher Weise der Mutter Christi zugetan

Maria, seine allerliebste Mutter

Weil Pater Reus eine echte, tiefe Liebe zu Jesus hatte, darum war er auch Seiner Mutter herzlich zugetan. Wie könnte es anders sein! Er wußte, daß der Heiland Seiner menschlichen Natur nach immer, auch in der Herrlichkeit, Sohn Mariens ist, so innig mit ihr verbunden, wie es nur zwischen der liebendsten Mutter und ihrem göttlichen Sohne möglich ist. Auf dieses innige, zarte Verhältnis wurde der Pater auch immer wieder in seinen Schauungen hingewiesen. So sah er einmal, wie “aus dem heiligsten Herzen Jesu Strahlen auf die reinste Mutter fielen, gleichsam um zu bestätigen, daß sie Seine wirkliche, allerliebste Mutter ist.”

Einmal schaute er in der Ekstase nach der hl. Kommunion zuerst die heiligste Dreifaltigkeit und dann die Gottesmutter, umgeben von Liebesflammen, die aus seinem eigenen Herzen kamen. Dies war ihm eine große Beruhigung in der bangen Sorge, daß seine Liebe zur Gottesmutter nicht groß genug sei.

“Es war mir auch eine Bestätigung”, so schreibt er, “wie sehr der Heiland danach verlangt, Seine geliebteste Mutter auch von uns geliebt zu wissen. Indem der Heiland in der Vision keine Liebesglut für Sich verlangte, hat Er gezeigt, daß Er Seine heiligste Mutter geliebt sehen will, besonders von Priestern.”

Sie ist ja mit Ihm die große Sühnende im Heilswerk geworden, die sich ganz hinopferte. Mit ihrem Wort: “Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort”, hat sie sich freiwillig nicht nur zur Aufnahme des Sohnes Gottes, sondern auch zur bereitwilligen Sühneübernahme und dadurch zum Leiden bekannt. Auch ihr Herz ist geöffnet worden. Mutter der heiligsten Liebe!

Wie aber “Gott uns zuerst geliebt hat” (1 Jo 4,19), noch bevor wir Ihn lieben konnten, so zeigt auch die himmlische Mutter Maria im Leben von Pater Reus, wie sehr sie den durch ihren Sohn erlösten Menschenkindern mit zarter Mutterliebe zuvorkommt.

Sie war es,
die dem jungen Gymnasiasten in Bamberg die Bitte ins Herz und auf die Lippen legte: “Laß mich Dein armer Priester sein!” - obwohl er selbst damals den Sinn dieser Worte noch gar nicht recht begreifen konnte. Sie flößte ihm dann besonders beim Anblick der Krippendarstellungen eine große Liebe zu ihrem göttlichen Kinde ein. Sie geleitete ihn an den Weihealtar. Sie führte den jungen, hochherzigen Priester in die Gesellschaft Jesu. Sie ließ ihn ihre mütterliche Liebe so sehr erfahren, daß er eine große Verehrung für die erhabene Mutter des Herrn empfand. Wie rührend menschlich bis ins kleinste diese Liebe der seligsten Jungfrau zu ihrem Priestersohn war, hat Pater Reus selbst mit unverkennbarer Ergriffenheit am 5. Juli 1937 niedergeschrieben. Er kleidete sich an diesem Morgen in der Sakristei an, um in der Zöglingskapelle bei der Austeilung der hl. Kommunion zu helfen. Er bat dabei, wie immer, den Heiland, Er möge ihn in Seine Reinheit kleiden, damit er weniger unwürdig sei, die hl. Geheimnisse auszuspenden. Wörtlich berichtet nun der Pater: “Ich hatte gerade den Chorrock angezogen, knüpfte das Band vorne zusammen und begann die Paramente noch etwas zurechtzuzupfen, da war plötzlich die liebe Muttergottes vor mir und half mit ihren eigenen Händen mit. Sie tat, wie etwa eine Mutter ihrem Sohn tut, der sich fertig angekleidet hat, und dem sie liebevoll vor ihm stehend, noch die eine oder andere Kleinigkeit zurechtzupft. Alles war die Sache eines Augenblicks.”

Wahrhaft, Maria ist uns viel näher, als wir denken; sie ist auch viel menschlicher, als wir glauben. In echt mütterlicher Art ist ihr Auge stets auch auf uns gerichtet, mehr als irgendeine andere Mutter weiß sie um jedes Weh und um alles, was an uns “nicht ganz in Ordnung” ist. Sie trägt all unsere großen Leiden und unsere kleinen Wehwehs mit. Sie, die zartfühlendste aller Mütter, möchte so gerne an uns alles in Ordnung bringen helfen, was Gottes hl. Auge stören muß, vor allem die Unordnung der Sünde, auch der kleinsten Sünde.

Pater Reus liebte Maria, die Mutter Jesu,
besonders aber verehrte er Mariens unbeflecktes Herz.

Dieses ist ja das Zeichen ihrer höchsten Reinheit und Auserwählung. Schon in Rio Grande hat er bald nach 1900 das Gelübde gemacht, die Verehrung des unbefleckten Herzens Mariä zu fördern. Er selbst hat jeden Monat wenigstens einmal die hl. Messe vom Herzen Mariens oder die von der Unbefleckten Empfängnis gefeiert. Die Weihe der Welt an dieses Herz, die Papst Pius XII. im Oktober 1942 vollzog, hat den Eifer des Paters bestätigt und noch vermehrt. Die makellose Unversehrtheit des Herzens der Gottesmutter entspringt wirklich nicht “dem verstiegenen Urteil der Kirche”, sondern der hl. Liebe Gottes, die dieses reinste, sündenlose Gefäß bereitet hat zur Aufnahme des göttlichen Sohnes.

Wiederholt erhielt der Diener Gottes eine beglückende Bestätigung dafür, wie die Aufopferung der hl. Messe zu Ehren des unbefleckten Herzens Mariä dem ganzen Himmel eine Freude ist. So sah er am 24. Aug. 1946 beim hl. Meßopfer die Gottesmutter, wie Strahlen aus ihrem Herzen, dann aus ihren gütigen Händen auf ihn herniederfielen.

“Ein wunderschöner Anblick”,
so schreibt er, “war die Konsekration. Ich sah, wie Maria mit einem unbeschreiblich freundlichen, liebevollen Wohlgefallen auf das Jesuskindchen schaute, das für mich sichtbar in der hl. Hostie war, und das sich zu ihrer und zur Ehre der heiligsten Dreifaltigkeit aufopferte. Etwas später sah ich sie in ähnlicher Freude... Dank der lieben Mutter, die mir die Gnade verschaffte und mir zeigte, wie wohlgefällig ihr die hl. Messe zu ihrer Ehre war.”

Als er am 20. Mai 1946 wiederum die hl. Messe zu Ehren ihres makellosen Herzens feierte, erlebte er folgendes: “Schon zu Beginn sah ich die liebe Muttergottes mit ihrem sichtbaren Herzen. Sie stand inmitten eines großen Glanzes. Von ihrem unbefleckten Herzen gingen Strahlen nach allen Seiten aus und trafen auch die vielen hl. Engel ringsum. Die Worte des Eingangsgebetes (“Laßt uns hintreten zum Thron der Gnaden”) fanden in dieser

Flut von Licht und Gnade
ihren Ausdruck. Das unbefleckte Herz Mariens soll die Wirkungen der Güte, Liebe und des Erbarmens der gesamten Schöpfung mitteilen. Davon wird wohl der Priester sein geschütteltes und gerütteltes Maß erhalten; er ist ja das Werkzeug, dessen sie sich vor allem bedient, um die Seelen zu retten und sie zum Urquell der Gnaden, zum heiligsten Herzen Jesu zu führen. Am Schluß der hl. Messe gab die liebe Mutter mit mir den Segen.”

Beim hl. Opfer am 25. Nov. 1946 wiederum zu Ehren der Unbefleckten hatte der Begnadete folgende Vision: Der göttliche Heiland mit Seinem heiligsten Herzen thronte inmitten einer Sonne, die Er aber Seiner reinsten Mutter mitteilte. Das soll wohl die Wirkung der hl. Messe zu Ehren der lieben Muttergottes bedeuten. - Jesus verherrlicht nämlich durch Sein Opfer den Heiligen, zu dessen Ehre es vor dem himmlischen Hof und zum Nutzen der Kirche dargebracht wird. Am folgenden Tag sah er am Schluß der Muttergottes-Messe, wie aus der Sonnenglut des Heilandes diese Feuerglut auf Seine Mutter überging und von ihr dann auf ihn selber, so daß er von dieser Liebessonne durchstrahlt war.

“Diese Vision”, so schreibt er, “soll bedeuten, daß die Verehrung der Unbefleckten Empfängnis ein vom Herrn gewolltes Mittel ist, um die göttliche Liebesglut in uns in ungeahnter Stärke zu vermehren.”

Mag auch das große Marienfest der sündelos Empfangenen am 8. Dezember in unseren Landen* seines festlichen Charakters entkleidet worden sein, es bleibt doch der große, feierliche Titel dieses Tages: Hochfest der ohne Sünde empfangenen Jungfrau und Muttergott es”. Und es bleibt Mariens einmaliger Ruhm, durch Gottes Erwählung von jeglicher Erbschuld verschont geblieben zu sein, so daß Satan nicht die geringste Macht über sie erhielt. Sie ist darum auch die von Gott berufene Schlangenzertreterin; sie die Siegerin über alle offene und geheime Dämonie. Satan haßt nichts furchtbarer als die unbefleckt empfangene Gottesmutter. Darum seine immerwährenden Angriffe auf die Marienverehrung. *[früher Feiertag]

Begreiflich, daß Pater Reus eine tiefe Verehrung zum makellos empfangenen Herzen Mariens besaß. Häufiger aber wird in seinen Aufzeichnungen die Verehrung des Mutterherzens Mariens erwähnt. Groß ist seine Liebe zur

Mutter Gottes und Mutter der Menschen.

Als er am Fest Mariä Verkündigung 1947 bald nach Beginn der hl. Messe die allerseligste Jungfrau inmitten der allerheiligsten Dreifaltigkeit in strahlender Schönheit schaute, schrieb er hernach in sein Tagebuch: “Damit soll wohl angedeutet werden, zu welch hoher Würde sie durch das Geheimnis des heutigen Festes der Verkündigung erhoben wurde.”

Daß Maria auch seine Mutter sei, das wurde dem Diener Gottes am Fest Mariä Geburt 1946 sehr eindrucksvoll bedeutet: “In der Ekstase sah ich Maria als Kind, umgeben von einem engeren Kranz von Engeln vor dem Thron der allerheiligsten Dreifaltigkeit; ringsherum war ein weiterer Kreis von Himmelsfürsten. Ich vernahm die Worte: Eure Mutter! Dann sah ich, wie der himmlische Vater auf dieses hl. Kind deutete mit den Worten:

Deine Mutter!

Desgleichen deutete Jesus auf Maria mit den Worten: Deine Mutter! Auch der Hl. Geist sagte mir: Deine Mutter! Ebenfalls nach der hl. Wandlung riefen die Engel: Deine Mutter! Als ich am Schluß der hl. Messe die Worte sprach: Ave Maria, trat Ekstase ein. Ich sah, wie das Kind Maria seine eigene Lilie mir darreichte, die ich mit beiden Händen annahm und an mich zog. - “O liebste Mutter, wie soll ich dir deine Liebe vergelten!”

Brüder! Schwestern! Welch unsagbarer Trost: Maria unser aller Mutter!

Dadurch, daß sie die Mutter des Sohnes Gottes geworden, ist sie geistig die Mutter aller Menschen geworden. Am Kreuz hat der Heiland diese Wahrheit wie in einem feierlichen Testament bestätigt. Sterbend sprach er: “Sieh da, deine Mutter! - Sieh da, deinen Sohn!” Johannes, der getreue Jünger, durfte stellvertretend für alle Menschen stehen. Müßten wir nicht auf die Knie fallen und freudig bekennen: Herr und Gott, wir danken Dir, daß Du Deine Mutter auch uns zur Mutter gegeben, zur Mutter des Heiles, für Zeit und Ewigkeit!

Begreiflich, daß unser Pater manchmal erschüttert war, wie die Menschen diese gute himmlische Mutter verleugnen, wie sie oft wenig Dank und Liebe für sie übrig haben. Er selber weinte am 4. Febr. 1940 anläßlich einer Betrachtung “bittere Tränen über alles Leid, das er durch seine Untreue und Lieblosigkeit ihrem liebenden Mutterherzen zugefügt hatte.” Da geschah nach seinem Bericht folgendes:

“Auf einmal erschien sie hoch über mir
und streckte mir beide Arme entgegen,

offenbar als Zeichen ihrer Liebe. Damit nicht genug, kam sie immer tiefer zu mir herab bis in meine unmittelbare Nähe und reichte mir die linke Hand zum Kuß. Es ist ein offenbares Zeichen ihrer Liebe, auch das einzige, das sie einem Priester geben konnte, zartfühlend wie sie ist.”

Am 1. Okt. 1941 hatte Pater Reus folgendes beglückende Erlebnis: “Als ich beim Salve Regina zu den Worten gekommen war: ‘Nach diesem Elend zeige uns Jesus', konnte ich nicht mehr weiter. Ich sah die Muttergottes, wie sie mir mit beiden Händen das Jesuskind zeigte. Ringsum hl. Engel, der Hofstaat der Königin und ihres königlichen Kindes. So hat sie also nicht gewartet, bis ich einst vor ihr erscheinen werde, um mir ihr göttliches Kind zu zeigen, sondern wollte mir diese Freude jetzt schon gewähren. Womit ich diese Huld verdient haben soll, ist mir ein Rätsel. Jedenfalls bin ich ihr von Herzen dankbar. Ich muß dies zeichnen und schreiben, auch um der lieben Mutter willen, damit man erkennt, wie gut sie gegen die Sünder ist.” - Ja, so fügen wir jetzt nach seinem Tod hinzu, damit viele, viele, die dies einmal lesen, erkennen, wie gut Maria zu allen, allen ist, wenn sie nur vertrauensvoll zu ihr kommen.

Ohne diese gütige Mutter kann man sich Pater Reus gar nicht denken. Mit zum Schönsten, was er rückblickend auf sein langes Leben und auf 50 Jahre Priestertum niedergeschrieben hat, gehört folgendes Bekenntnis über

          Maria, die Mittlerin aller Gnaden

‘Die liebe Muttergottes ist es, die mir alles gegeben hat.

Ich komme mir vor wie eines der Heiligtümer der allerseligsten Jungfrau, dessen Wände mit Votivtafeln bedeckt sind, auf denen man immer nur liest: Maria hat geholfen... Wenn ich trotz meiner Unwürdigkeit die Ehre des Priestertums erhielt, so verdanke ich es der Mutter, die ihr göttliches Kind mir in die Arme gelegt. Wenn ich das Kleid der Gesellschaft Jesu trage, so verdanke ich es Maria. Sie hat geholfen. Bei jedem guten Gedanken, bei jedem Willensentschluß, bei jedem Akt der Liebe war und ist sie es, die dies ermöglichte: Maria hat geholfen. Man lese von innen und man lese von außen, an Leib und Seele, überall steht: Maria hat geholfen... Diese Inschrift wird bleiben durch die ganze Ewigkeit zu ihrer Ehre und zur Freude des heiligsten Herzens Jesu, zu dem mich Maria geführt hat. Sie hat geholfen. Unzählige Mal am Tag schwebt mir ihr heiliger Name auf den Lippen. Möge sie mich heilig machen” (Gekürzt nach dem Eintrag vom 31. Mai 1943).

Diese seine feste Überzeugung gründete sich auf so manche persönliche Erfahrungen,die er gemacht hatte. Bei der oben erwähnten Hilfe der Gottesmutter beim Ankleiden in der Sakristei hatte er den Heiland gebeten, “und es kam Maria und gewährte die Gnade, indem sie selbst Hand anlegte”. Auch die von ihm geleitete Schwester Antonia Cony hatte den Heiland um eine besondere Gnade für eine Mitschwester und Oberin gebeten, und es war ihr dann nicht der Heiland, sondern die Gottesmutter am 29. Okt. 1935 erschienen und hatte ihr erklärt: “Sage jener Schwester, daß ihre Wünsche von Gott erfüllt werden und sage ihr auch, daß ich die Mittlerin aller Gnaden bin.” Dies teilte der Pater in einem Brief auch dem päpstlichen Nuntius und dann dem Bischof von Santa Maria mit.

Immer wieder wurde unserem Pater Mariens Stellung im Heilsplan Gottes als Mittlerin aller Gnaden veranschaulicht. So schreibt er zum Beispiel von seiner Vision am 15. Aug. 1943: “Ich sah (bei der hl. Messe) die allerheiligste Dreifaltigkeit; vor ihr die liebe Muttergottes, die das Kindchen auf ihren Händen trug und der hochheiligsten Majestät Gottes aufopferte. Durch ihre Fürbitte und ihre Würde als wahre Mutter des eingeborenen Sohnes Gottes hilft sie, daß wir des ganzen Segens des hl. Meßopfers teilhaft werden. Der Lieblingstochter des himmlischen Vaters und der Mutter Seines vielgeliebten Sohnes wird nichts abgeschlagen, was sie nach dem Willen Gottes erbittet.” Am 22. Jan. 1946 hatte er
         folgende wunderbare Schauung:

“Vor der hl. Wandlung sah ich die liebe Mutter mit ihrem unbefleckten Herzen vor dem Thron der allerheiligsten Dreifaltigkeit. Der himmlische Vater zeigte auf sie, ebenso der liebe Heiland. Der Hl. Geist tat das gleiche, indem Er Seine Strahlen auf sie und nur auf sie fallen ließ. Von ihrem hl. Herzen fielen Strahlen auf mich. Damit ist offenkundig angedeutet, daß die allerheiligsten drei göttlichen Personen die Verehrung des unbefleckten Herzens Mariä verlangen, und daß aus diesem Herzen die Gnaden fließen, zunächst auf den Priester und dann auf alle, für die der Priester am Altar steht. Das wären die Wünsche, die in Fatima ihren Ausdruck erhielten.”

Schon Bernardin von Siena (^ 20.5.1444) hat diese Wahrheit in die kurzen Sätze gefaßt: “Alle Gnaden, die man auf dieser Welt erlangt, haben folgende dreifache Abstufung: von Gott zu Christus, von Christus zur seligsten Jungfrau und von der reinsten Jungfrau auf uns!”

Maria ist die Schatzkammer Gottes

Sie ist die Schatzmeisterin Seiner Gnaden, ihre freigebige Spenderin. Wie Christus schon im Mutterschoß Sich ihrer Hilfe bediente, um Sein messianisches Werk mit der Heiligung des Johannes zu beginnen, und wie Er als Kind Sich durch die Hände der Mutter im Tempel aufopfern ließ, so hat Er auch Seine ganze Erlösertätigkeit in der Weise fortgesetzt, daß Er Seine Mutter daran teilnehmen ließ und, gleichsam in ihrem Herzen wohnend und von ihren Händen getragen, tätig war (Scheeben, Die bräutliche Gottesmutter).

Maria ist die Vermittlerin aller Gnaden; das bestätigt das Leben der Heiligen, das glaubt das katholische Volk, das verkündet der Stellvertreter Christi. Papst Pius X. begründet diese Tatsache: “Infolge der Teilnahme Mariens an den Leiden und Bedrängnissen des Sohnes ist der hehren Jungfrau das Vorrecht geworden, daß sie bei ihrem eingeborenen Sohne die mächtige Mittlerin und Versöhnerin der ganzen Welt ist. Weil Maria alle an Heiligkeit und inniger Vereinigung mit Christus übertriff und von Ihm selbst in den ganzen Vollzug Seines Erlösungswerkes hineingenommen wurde, in der Absicht, daß sie an uns vermittle, was Er Selbst von Rechts wegen verdient hat, so ist und bleibt sie die vornehmste Mitwirkerin bei der Gnadenverteilung. Er sitzt zur Rechten der Majestät Gottes im Himmel. Maria aber steht als Königin zu Seiner Rechten als die bewährte Schützerin und zuverlässige Helferin aller Gefährdeten” (hl. Pius X., Ad diem illum laetissimum).

In überzeugender Weise hat Pater Reus, der hochbegnadete, aber allzeit demütige Priester dies erfahren dürfen: Der tiefste Gnadenquell ist und bleibt das göttliche Erlöserherz; der Kanal aber, in dem uns die Gnaden zufließen, ist Maria. Immer steht sie dort, wo der Herr, ihr vielgeliebter Sohn, helfen und heilen will. Es kommt nur auf unser Vertrauen an. Wir müssen nicht nur trauen, nein vertrauen! Darin liegt etwas Totales. Ohne Vertrauen gelingt das Leben nicht.

 

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Das Vertrauen ist eine Großmacht

Erst recht, wenn wir unser Vertrauen mit dem der himmlischen Mutter verbinden. Ihr Vertrauen stellt das Höchstmaß aller irdischen Macht dar. Gehen wir zur Mutter und mit der Mutter zu ihrem göttlichen Sohne! “Es ist noch nie gehört worden, daß jemand, der zu ihr seine Zuflucht nahm, von ihr verlassen worden sei.” Das ist das Zeugnis von fast zwei Jahrtausenden und das ist das Zeugnis aller Heiligen im Himmel. Das bekundet immer und immer wieder unser lieber Pater Reus. Er hat ihr den Platz zuerkannt, der ihr als Mutter des Sohnes Gottes und als Mutter aller Menschen zukommt. 

Seine Freunde: die übrigen Heiligen

Man spürt, daß dieser Priester ein lebendiges Verhältnis zu allen Heiligen hatte, daß er wirklich einzudringen verstand in das Geheimnis ihrer Gottverbundenheit. Er hätte es wohl nie begriffen und auch nicht verwinden können, daß man heute vielfach die Heiligen aus unseren Gotteshäusern entfernt, sie, die Leuchten und Vorbilder, die Christus am hellsten wiederstrahlen. Der Mann mit dem scharfen Verstand war ebenso der Mann mit dem tiefen Gemüt. Deshalb konnte er alle Heiligen, auch die “kleinen” so gut verstehen und hochschätzen. Er hat ihr Leben in ihren Biographien studiert, aber seine Hochschätzung für sie entsprang nicht nur eigenem Studium, sondern war vom Hl. Geist durchstrahlt. Ja, im Hl. Geist war er den Heiligen verbunden. In Seiner Führung durfte er die Nähe so mancher Heiliger mystisch erfahren, durfte trauten Umgang mit den Himmelsbewohnern haben.

Am häufigsten ist in seinen Aufzeichnungen
nach der Mutter Gottes der hl. Josef erwähnt.

Ihn hat er mit kindlicher Dankbarkeit geradezu “Vater” genannt und auch täglich voll Vertrauen angerufen; ebenso seinen hl. Ordensvater, Sankt Ignatius. Am Josefsfest, am 19. März 1946, bekannte er: “Meine Verehrung für den hl. Nährvater Jesu ist keine geringe. Oft und oft spreche ich seinen hl. Namen bei meinen unablässigen Stoßgebeten: ‘Jesus, Maria, Josef'. Jeden Abend rufe ich ihn, wie ich es schon im Vaterhaus gelernt habe. Jeden Mittwoch opfere ich die hl. Kommunion zu seiner Ehre auf. Entschieden trat ich dafür ein, daß sein Schutzfest feierlich begangen wurde. In dem von mir verfaßten Gebetbuch nahm ich mehrere Gebete zu seiner Ehre auf.”

An diesem Sankt-Josefsfest 1946 durfte Pater Reus eine besonders eindrucksvolle Gnade erleben: “Schon im ersten Teil der hl. Messe sah ich”, so berichtet er, “den hl. Josef. Ich kniete vor ihm; er umarmte mich und gab mir eine Lilie, und zwar seine eigene. Neben uns, beiden stand die seligste Jungfrau; auf der anderen Seite der hl. Vater Ignatius, hinter uns die drei Jugendheiligen Aloisius, Johannes Berchmans und Stanislaus Kostka, alle mit Lilien in den Händen; ringsum viele hl. Engel, alle trugen Lilien.” - Gerade die hl. Mitbrüder der vom hl. Ignatius gegründeten Gesellschaft Jesu durfte Pater Reus wiederholt in seinen Visionen schauen. Mehrmals legte ihm der Ordensvater seine Hände aufs Haupt. Den großen Ostasien-Missionar, Franz Xaver S. J., schaute er verschiedene Male “inmitten großen Glanzes”, ebenso die unermüdlichen Apostel des Herzens Jesu: Pater Claudius de la Colombière und Pater Hoyos, sowie die Botin Seiner göttlichen Liebe, Margareta Maria Alacoque.

Auch die Verehrung seines großen hl. Namenspatrons blieb für Pater Johannes Baptista Reus nicht ohne besondere Wirkung. Am 24. Juni 1944 wehrte er sich zwar aus Furcht vor Täuschung vor einer auftretenden Vision, aber dann machte ihn die Ekstase dagegen machtlos. Er mußte gestehen: “Ich sah den hl. Johannes den Täufer, wie er auf eine von zwei hl. Engeln gehaltene Hostie hinwies: ‘Seht, das Lamm Gottes’ - und das im Angesicht der allerheiligsten Dreifaltigkeit und einer Engelschar.”

Wiederholt wurde ihm vom Heiland gesagt, wie sehr die Namenspatrone und all die lieben Heiligen sich um unser Heil und unsere Vollkommenheit mühen und wie sie beharrlich für uns bitten.

Neben anderen Heiligen schien vor allem Theresia von Avila die Aufgabe zu haben, den Diener Gottes in den Zweifeln seines mystischen Weges zu beruhigen und zu führen. Gerade sie rief er darum in seinen vielfachen Ängsten gerne um ihre Fürbitte an. Wiederholt bat er sie, ihm die Gnade zu erlangen, daß Jesus in ihm vollende, was Er in ihm begonnen.

Auch die kleine hl. Theresia vom Kinde Jesu, seine Zeitgenossin, verehrte er mit großem Vertrauen. Er hatte sogar zu ihrer Ehre ein Büchlein geschrieben, das aber nicht gedruckt wurde. Wohl wunderte er sich über die Art der Vision, die er an ihrem Fest, am 3. Okt. 1939, hatte. Er hatte sich nämlich den Grundsatz seines Ordensvaters zu eigen gemacht, daß die Jesuiten ihre eigenen Heiligen an erster Stelle verehren sollen.

Er mußte aber berichten: “Bei der hl. Kommunion sah ich die allerheiligste Dreifaltigkeit und in ihrer Mitte die hl. Theresia vom Kinde Jesu. Da mir dies im Augenblick ungewöhnlich oder besser, unpassend schien, so wehrte ich mich dagegen. Gleich darauf kam die allerseligste Jungfrau an ihre Stelle. - Der liebe Heiland wollte mir dadurch zu erkennen geben, wie hoch Theresia im Himmel stehe. Ebenso wollte mich die liebe Muttergottes belehren, indem sie ihr sozusagen für heute ihren Platz angeboten hat.”

In der Selbstbiographie des Paters lesen wir auch folgendes über die 1916 im Ruf der Heiligkeit verstorbenen italienischen Sr. Benigna Consolata: Von ihr verlangte der Heiland, sie solle ihm Seelen retten helfen. “Aber wie soll ich denn dies machen?” fragte sie verlegen. Kurz und bündig lautete die Antwort: “Opfer bringen!” Dies kurze Wort prägte sich meiner Seele ein und brachte mich zu mancherlei Opfern und Abtötungen, die ich sonst wohl unbeachtet gelassen hätte. “Für Deine Seelen”, so lautete dann meine Losung! - “Was könnten wir alle von den Heiligen lernen! Sie sind uns Leuchten, aber auch kraftvolle Fürbitter beim Herrn.”

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Hohe Verehrung für die hl. Engel

Weit öfter noch als von den Heiligen und Seligen ist in den Aufzeichnungen von Pater Reus von den hl. Engeln die Rede, von diesen Ersterschaffenen, diesen gewaltigen Geistwesen, die immerdar das Antlitz Gottes schauen, allzeit gegenwärtig, in flügelschnellem Gehorsam Gottes Willen in der Schöpfung zu erfüllen und besonders den Menschen in treuester Bruderliebe wider alle Gefahren des Leibes und der Seele zur Seite zu stehen.

Nur ein paar wenige Berichte seien hier angeführt: Am Schutzengelfest (2. Okt. 1944) schrieb Pater Reus: “Als ich die letzten Gebete (nach der hl. Messe) auf der Altarstufe verrichtete, sah ich die allerheiligste Dreifaltigkeit und vor dem lieben Heiland meinen hl. Schutzengel, der mich offenbar dem heiligsten Herzen Jesu empfahl, da er mit seiner Hand auf mich hindeutete. Neben ihm stand der hl. Josef, auf der anderen Seite die liebe Muttergottes. - Jeden Tag vor der hl. Messe bitte ich meinen Schutzengel, er möge mich mit seiner Glutliebe durchglühen, damit wir zusammen den Heiland lieben.” Wohl keine Bitte hilft der Engel Gottes lieber erfüllen, aber auch keine ist wichtiger und entscheidender für unser Leben. Nur im Herzen Jesu kann unsere wahre Heimat sein.

Am 24. März 1947 schaute der Pater “in Gegenwart der allerheiligsten Dreifaltigkeit und vieler heiliger Engel, den hl. Erzengel Gabriel; in seinen Armen trug er das Jesuskind, dessen Ankunft er ja verkünden durfte. Es war die größte und wichtigste Botschaft, die Gott je in die Schöpfung sandte, die Botschaft von der Menschwerdung Gottes. An seiner Seite stand die glückliche Mutter Maria; das “fiat mihi - mir geschehe nach Deinen Worten” auf ihren Lippen. Der Pater selber dankt dem hl. Erzengel aus tiefer Seele für seine Freudenbotschaft und dafür, daß er ihm vom göttlichen Kinde Gnaden vermittle.

Vom hl. Erzengel Raphael berichtet der Pater am 24. Okt. 1945: “Gleich von Beginn der Messe an sah ich den hl. Erzengel über mir schweben. So blieb es bis zur hl. Kommunion. Nach dem Genuß des hl. Blutes sah ich, wie der hl. Erzengel eine Lilie in der Hand hielt und zwar, wie ich erkannte, meine Lilie. Der Himmelsbote wies dadurch auf die hl. Kommunion hin als ein Mittel, um die Lilie (die Reinheit) zu bewahren. Wie tröstlich ist es für den Priester, dessen Lilie gesichert ist, wenn er würdig das hl. Meßopfer darbringt.”

Wiederholt durfte Pater Reus auch den Engelsfürsten Sankt Michael schauen. Als er am 23.Febr. 1946 die Jahresgedächtnismesse für seinen verstorbenen Vater zelebrierte, sah er, wie schon oft, während des ganzen hl. Opfers den hl. Erzengel Michael. Er schreibt: “Dieser Führer der Seelen stellte der göttlichen Majestät die Seele (meines Vaters) inmitten des Lichtes dar. Es waren viele hl. Engel ringsum, die beim Sanctus zugleich mit dem hl. Michael, ihrem Fürsten, mit lauter Stimme den Lobgesang beteten, zu dem auch der Priester berufen ist. Deshalb ist es seines Amtes, auch die Reinheit der Engel in sich zu verwirklichen und die allerheiligste Dreifaltigkeit zu ehren und zu preisen.” - Anbetung ist höchster und wichtigster Dienst für Engel und Menschen. “O Gott, gib uns die Gnade, daß Deine hl. Engel die Liebe zur Anbetung uns ins Herz senken, damit unser Herz immer in Deinem ruhen möge!”

Mögen uns die hl. Engel, diese machtvollen und kraftvollen Ebenbilder Gottes, stets Führer und Wegweiser auf unserem Lebensweg sein; zugleich aber auch Schützer und Helfer wider alle dämonischen Mächte! Je stärker die Dämonen in der Jetztzeit am Werk sind, um so mehr möge Gott die Macht Seiner Engel kundtun und und diese handgreiflich erfahren lassen! Als Geistwesen werden sie uns immer verborgen bleiben. Wir können uns die Engel nur in einer für uns verständlichen und daher gültigen Gestalt, der des Idealmenschen, des verklärten, jugendlichen Menschen vorstellen. Einmal aber werden wir sie beglückt schauen von Angesicht zu Angesicht.

Laß uns, o Herr, aus der Wirrnis unserer Zeit durch Deine hl. Engel heimfinden in die Herrlichkeit und Harmonie Deines Reiches für alle Ewigkeit! -

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DER OPFERWEG DER LIEBE GEHT ZU ENDE

Der ewigen Heimat zu

Pater Reus näherte sich dem 80. Lebensjahr. Am 1. Jan. 1947 wandte er sich in seinem Tagebuch an den Heiland mit den Worten: “Herr, Dank für die Gnade, daß Du mich bis zu diesem Alter hast gelangen lassen! Dank auch für alles Leiden und alle Unannehmlichkeiten, die mit diesem Alter verbunden sind!”

Mit körperlichen Schwächen und Gebrechen hatte Pater Reus schon seit Jahren zu tun gehabt. Der Weg der Liebe ist ein Weg des Leidens. Schon im Juli 1912 hatte der Arzt den Anfang von Wassersucht festgestellt; 1920 machten ihm gleichzeitig drei Krankheiten zu schaffen: Wassersucht, Zuckerkrankheit und Eiweißgehalt (Nieren). Immer wieder plagte ihn zu allem ein starkes Kopfweh. Im Jahr 1921 hatte er an einen Freund im Bamberger Domkapitel geschrieben: “Im Dienst des göttlichen Herzens sollen alle meine Kräfte sich verzehren.” Das ist in den letzten Jahren seines Lebens volle Wirklichkeit geworden. Neben dem ständigen Kopfweh machten sich lästige, anhaltende Hautausschläge bemerkbar. Da er sehr für Erkältung anfällig war, verschlimmerte sich seine Bronchitis. Die damit verbundenen Asthmaanfälle wurden häufiger. Dazu quälten ihn bisweilen unvorstellbare gotteslästerliche Bilder und Phantasien, wie er sie je kaum gehabt. Eine besonders schwere Prüfung! Einmal stieg ihm sogar nach seinem kurzen Bericht ein direkter Überdruß an den Visionen auf und damit verbunden der geheime Wunsch, ein für allemal diese Sache los zu werden. “Ich aber”, so schreibt er in seinem Tagebuch, “willigte natürlich nicht in diese schreckliche Undankbarkeit gegenüber dem heiligsten Herzen Jesu ein. Immer wieder stärkte mich in diesen harten Prüfungen das Wort Gottes: ‘Hoffe auf Ihn und Er wird sorgen!'”

Mit großer Ergebung und Bereitwilligkeit opferte er all diese Bedrängnisse, Schmerzen und Prüfungen zur Sühne für die dem Herzen Jesu zugefügten Beleidigungen auf. Immer wieder bot er sein Leben an, um die schrecklichen Beleidigungen zu sühnen, die Tag für Tag dem Heiland angetan werden.

Nach und nach zwang ihn seine Schwäche, bald diese, bald jene seelsorgerliche Tätigkeit aufzugeben; so den liebgewonnen en sonntäglichen Beichtstuhl in der Pfarrkirche, die Vorlesungen über Aszetik, die Leitung der Priesterweihe, das Amt des außerordentlichen Beichtvaters bei den Franziskanerinnen. Sein demütiges, kurzes Geständnis: “Es geht nicht mehr!” besagt alles. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er im neuerrichteten Christkönigskolleg am Rand der Stadt São Leopoldo von 1942 - 47. Am 28. März 1944 erlitt Pater Reus einen

       totalen körperlichen Zusammenbruch,
so daß er mit der hl. Ölung versehen wurde. Wegen der Gefahr des Erbrechens konnte er die hl. Wegzehrung nicht empfangen. Da begann er am 29.März “eine Novene zum heiligsten Herzen Jesu und zur Sr. Antonia” (^ 3. Mai 1939). Diese Schwester hatte er jahrelang als Seelenführer geleitet und zu ihren Lebzeiten häufig für sie gebetet, “weil Jesus durch sie viele Seelen retten wollte”. Er erklärte zu Beginn der Novene: “Wenn ich innerhalb von fünf Tagen, also am 3. April, wieder meine an diesem Tag fällige Liturgiestunde halten kann, so will ich dies den Verdiensten und der Heiligkeit der Sr. Antonia zuschreiben.” - Statt besser, wurde es aber an den zwei folgenden Tagen schlimmer. Man hielt es für unmöglich, daß er innerhalb so kurzer Zeit die nötige Kraft dazu werde aufbringen können. Pater Reus aber hatte ein großes Vertrauen; er verwies immer wieder auf die Hilfe des Himmels und wirklich am 3. April las er morgens die hl. Messe (wobei er wiederum das Jesuskind sah) und hielt am Nachmittag seine Liturgiestunde. Mit offensichtlicher Freude stellte der Pater fest: “Die liebe Schwester hat also geholfen.”

Im Jahr 1946 aber traten ernstliche Herzbeschwerden ein, die ihn von da an nicht mehr losließen. Herzbeschwerden sind schwer und verursachen immer wieder Angstzustände. Sie wirken sehr oft drückend und lähmend auf Leib und Seele. Alle Herzkranken werden dies bestätigen können. Pater Reus wollte den Rest seiner Kräfte bis zur Erschöpfung im Dienst der Liebe opfern.

Als Spiritual des Hauses stand er darum seinen Mitbrüdern bis in die letzten Wochen vor seinem Tod zur Verfügung. Solange es irgendwie möglich war, schleppte er sich mühsam an den Betstuhl, um Beichten zu hören. Immer noch arbeitete er für den liturgischen Kalender (Direktorium) seiner Ordensprovinz und bereitete schon die kommenden Jahre vor. Die liebste und wichtigste Beschäftigung aber blieb für ihn immer die bewußte, ausdrückliche Liebe zu Gott und seine Sorge für die Seelen.

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Seine Liebe ringt um die Seelen

Im Juli 1945 schrieb er in sein Tagebuch: “In letzter Zeit bitte ich den lieben Heiland um viele Seelen. Ich opfere Ihm alles auf, meine Beschwerden und Leiden, alles für Seelen. Ich bitte Ihn immer um tausend Seelen, weil er nämlich einer Heiligen sagte: Ein Gerechter könne für tausend Seelen Gerechtigkeit erlangen. Oft bei Tag und bei Nacht sehe ich viele tausend Seelen in die Hölle fallen und ihre hl. Schutzengel mit leeren Händen in den Himmel zurückkehren, weil sie ihre Schützlinge nicht zu retten vermochten; und ich höre sozusagen die Verzweiflungsschreie (der Verdammten). Ich füge aber immer meiner Bitte (um tausend Seelen) bei: wenn ich ohne Vermessenheit diese Bitte stellen darf. - Die einzige Möglichkeit, etwas zu erhalten, ist die unendliche Freigebigkeit, Barmherzigkeit und Güte Gottes, die Güte des heiligsten Herzens Jesu. Einen anderen Weg gibt es nicht.”

Um der unsterblichen Seelen willen dankt er immer wieder für all seine Leiden und bittet den Heiland “mit den zärtlichsten Ausdrücken, er möge das Kopfweh, das körperliche Elend und die Schlaflosigkeit gnädig annehmen in Vereinigung mit Seinem Leiden und Seinem hl. Blut für die Rettung der Seelen, die nach Tausenden und Tausenden zugrunde gehen. - Der Heiland gab mir zu verstehen, Er werde meine Bitte um Seelen erhören - über alle meine Erwartungen. Dank Seinem heiligsten Herzen!”

Nur durch Leid und Liebe werden Seelen gerettet. Alles seelenrettende Apostolat ist Kreuz, wächst und blüht im Kreuz. Der Herr will opferbereite Apostel, keine bequemen. Kreuz und Dornenkrone gehören seit Christi Zeiten zu jedem Priester, zu jedem Apostel. “Weniger, aber dafür heilige Priester” - so sagte im Februar 1971 ein deutscher Bischof. Wahrhaft, ein ernstzunehmendes Wort!

Immer neue Opfer warten auf ihn

Ein großes, schweres Leid wurde für unseren Pater das radikale Nachlassen seiner Sehkraft. Seine Umgebung befürchtete ein totales Erblinden. Auch er rechnete mit dieser Möglichkeit, suchte aber gerade in dieser Lage seine vollkommene Ergebung zu bewahren. Er schreibt: “Ich war gern bereit, auch dieses Kreuz zu den anderen hinzu noch auf mich zu nehmen, wenn es dem heiligsten Herzen so gefiele. - Sei gegrüßt kostbares Kreuz! - Freilich entgingen mir auch die schweren Opfer nicht, die ich dabei zu bringen hätte: Vollständige Abhängigkeit von der Opferwilligkeit der Mitbrüder, die mir in meiner Armseligkeit Beistand leisten müßten, vielleicht vollständige Entbehrung der hl. Messe, wenn es mir nicht gelänge, alle Gebete mit der gehörigen Sicherheit auswendig zu lernen, vollständiger Verzicht auf die Instandhaltung meines Liturgiebuches; alles nehme ich gerne aus der Hand des lieben Heilandes und Seiner hl. Mutter. Nur Sein heiliger Wille geschehe!” Gott aber war in diesem Fall mit der Bereitschaft zum Opfer zufrieden und ersparte seinem Diener das, was manche befürchteten - seine Erblindung. Dafür aber blieb ihm die Taubheit des Alters nicht erspart. Man mußte sehr laut sprechen, wenn der Pater einen noch verstehen sollte. Trotz allem schrieb er noch im Januar 1947 dem Geistlichen Rat Michael Schmitt in seiner Heimat Pottenstein: “Abgesehen von Alterserscheinungen geht es mir gut. Jedenfalls bin ich
         sehr glücklich mit dem Los,
das mir durch das heiligste Herz Jesu bereitet wurde.” Die Liebe zum Erlöserherzen lag wie ein verklärender Schimmer über seinem erlöschenden Leben; sie war die verzehrende Glut, sie war das Geheimnis der Kraft in den schweren Monaten seiner Krankheit.

In der Karwoche 1947
ließ wiederum eine große Herzschwäche den nahen Tod des Kranken befürchten. Am Karfreitag empfing Pater Reus die hl. Sterbesakramente. Die ganze Ordensgemeinde war dabei anwesend. Der Pater bat mit deutlicher Stimme und mit Zeichen aufrichtiger Demut um Verzeihung für all seine Fehler und Schwächen. Der Herr aber bot ihm noch mehr als drei Monate lang die Gelegenheit zur leidenden Liebe. Sie ist ja die größte im Leben. Der Kranke erlitt neben den brennenden Schmerzen der Wundmale häufig sehr schwere Asthma-Anfälle. Einmal meinte er einem Besucher gegenüber: “Wenn es in der Hölle auch nur Asthma gäbe, so wäre dies allein schon eine furchtbare Qual.” Er aber litt alles mit bewundernswerter Ruhe, Gelassenheit und innerer Heiterkeit. Nie hörte man eine Klage von ihm und niemals sah man auch nur das geringste Zeichen von Ungeduld an ihm. Alle Besucher waren davon tief ergriffen. So erklärt zum Beispiel ein damaliger Seminarist: “Soeben komme ich vom Zimmer des Pater Reus. Der Anblick dieses lieben Greises, der im Bett hustet, lächelt und von nichts anderem redet, als von Gott, von Unserer Lieben Frau und von hl. Dingen, ist wirklich überirdisch. Wenn ich mit ihm gesprochen habe, fühle ich mich jedesmal in weit besserer Verfassung, um in der Tugend vorwärts zu kommen. Als ich ihn fragte, wie es ihm gehe, erwiderte er:

“Immer näher zum Himmel!”

Bei diesen Worten lag ein Lächeln der Freude auf seinen Lippen, wie immer, wenn er vom Himmel sprach.

Sein damaliger Oberer, Pater Georg Steiger S. J. machte folgende bemerkenswerte Feststellung: “Mit dem Fortschreiten seiner Krankheit verlor Pater Reus jene Härte in seinem Äußeren, die vorher nicht wenige von ihm fern hielt - es war nicht mehr der gestrenge Pater Reus von früher. Jetzt leuchtete aus allem die Güte, die Freundlichkeit, die Dankbarkeit. Sie zeigten mir den Pater in einem anderen Licht. “Alle spürten die Ausstrahlung tiefer innerer Freude aus seinem Innern.”

Der Verfall seiner körperlichen Kräfte und Organe aber nahm seinen naturgemäßen, langsamen Verlauf. Am 10. Juni 1947 machte er die letzte Eintragung in sein Tagebuch: Neben den Hinweis auf die drei Ekstasen, die er bei jeder hl. Messe erleben durfte - und zwar bei der hl. Wandlung, vor und nach der hl. Kommunion schrieb er die Worte:

“Letzte hl. Messe!”

So war es auch. Sein Mitbruder Pater Baumann schreibt: “In seiner immerfort gelebten ‘Messe' als ‘Ganzopfer der Liebe' war von da an auch der Verzicht auf jene schönste Stunde des Tages inbegriffen, die er selbst einmal als ‘seinen Himmel auf Erden' bezeichnet hatte. Er, der nur einen Wunsch kannte, den Willen des Vaters bis zum letzten Atemzug zu erfüllen, brachte auch dieses schwerste Opfer mit vollem Bewußtsein.” Wohl ließ in den letzten Wochen das Asthma nach, aber es trat der Altersbrand an Händen und Füßen auf. Dieser war nicht weniger schmerzhaft. Als er sich nach einer überstandenen Krisis am Nachmittag des 11. Juli wieder schlechter fühlte, bat er einen Pater um die hl. Absolution. Darnach sagte er kurz: “Die Hauptsache ist geschehen!”

'Wenige Minuten nach jener Bemerkung sah man Pater Reus sich im Bett aufsetzen und sich in Ekstase mit ausgebreiteten Armen seitwärts wenden. Man rief den Pater Rektor. Als dieser ins Zimmer trat, sagte Pater Reus:

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“Die Mutter ist da”

“Gewiß, die Mutter wird Sie holen kommen”, antwortete Pater Rektor und begann mit den Anwesenden die Sterbegebete. Mitten während dieser Gebete sagte Pater Reus: “Jetzt ist die ganze Hl. Familie da.” War es zu verwundern, daß jene heiligsten Personen, die er seit vielen Jahren fast ununterbrochen in Liebe angerufen hatte, seinen nahen Heimgang auf diese Weise ankündigen wollten. Er, der nur einen Wunsch kannte, den Willen des himmlischen Vaters bis zum letzten Atemzug zu erfüllen, opferte sein Sterben mit vollem Bewußtsein mit Christus. Jeder Atemzug war ein Beten.

Gegen alle Erwartung aber ging es dann wieder besser, doch der Kranke lehnte nach dem 11. Juli jede Medizin ab, trank nur noch Wasser und nahm ganz wenig Nahrung. Er beichtete und kommunizierte jeden Morgen noch mit voller Klarheit. In den allerletzten Tagen fiel ihm das Sprechen so schwer, daß man ihn kaum mehr verstand. Am Sonntag, 20. Juli, ging es ihm ziemlich gut. Er aß mehr und sprach ein wenig. Am folgenden Tag, dem 21. Juli 1947, fühlte er sich wieder unwohler und wollte nichts zu Mittag essen. Um 2 Uhr nachmittags fand ihn der Krankenbruder sehr schwach. Als er ihm um 4 Uhr Milch bringen wollte, merkte er, daß der Kranke nicht mehr sprechen konnte. Er fühlte ihm den Puls und rief sofort den Pater Rektor, der im Zimmer nebenan wohnte. Es war nur ein ganz kurzer Augenblick, bis dieser, vom Bruder begleitet, kam. Doch in jenem Augenblick hatte der Sterbende ohne jeden Todeskampf bereits vollendet.

Gott hatte das große Amen gesprochen.

In jenem Augenblick war eine lebenslange Hinopferung in liebender Vereinigung mit Christus durch die letzte Hinopferung des Lebens vollendet und gekrönt worden. Der Ewige Hohepriester hatte diese Seele, die nur der Liebe gelebt, für immer an Sein göttliches Herz genommen. Die Endstunde des Lebens unseres Dieners Gottes ist zur Anfangsstunde seiner himmlischen Herrlichkeit geworden. So hatte es ihm der unendlich treue Gott seit Jahren immer wieder verheißen: daß er nämlich niemals von Ihm getrennt sein werde und nach seinem Sterben ohne Verzug in die himmlische Herrlichkeit werde eingehen können. Daraufhin scheint auch die allerletztes am 29. Mai 1947, von ihm aufgezeichnete Vision hinzuweisen: “Als ich an den Altar ging, war dieser in eine hohe Flamme in dreieckiger Form eingehüllt, in die ich hineintrat.”

Somit ist es wahr geworden, was der Pater in übergroßer Freude seines Herzens über die restlose Hingabe an Gott in seinen allerersten Gelübden schon am 1. Nov. 1895 niedergeschrieben hatte: “Nur ein Tag bleibt noch übrig, der mich glücklicher machen kann, als der heutige: mein Todestag!”

Damals hatte er noch hinzugefügt: “Obschon ich sehr nach Dir verlange, o mein liebster Jesus, will ich doch leben, um das Reich Deines heiligsten Herzens in den Herzen derer zu verbreiten, die Du mit Deinem kostbaren Blute erlöst hast.”

Dieser so heißersehnte Tag seines Heimgangs, der Geburtstag für den Himmel, kam für Pater Reus nach über 79 Lebensjahren, nach 54 Priesterjahren, nach 53 Ordensjahren: am 21. Juli 1947.

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Seine letzte Ruhestätte in São Leopoldo

Ein Strom von Menschen zieht an sein Grab

Auf dem Friedhof in der Nähe des Christkönigs-Kollegs von São Leopoldo wurden die sterblichen Überreste des großen Gottliebenden beigesetzt. Dort hatten bereits 100 Jesuiten vor ihm ihre letzte Ruhestätte gefunden. Die Vorgesetzten von Pater Reus, die um sein außergewöhnliches Innenleben wußten, hatten für ihn ausnahmsweise ein gemauertes Grab herrichten lassen. Nach außen hin freilich sollte es sich in nichts von den Gräbern des Jesuitenfriedhofs unterscheiden. Die Beerdigung, vorgenommen vom Obern des Kollegs, war eine Stunde ernster Besinnung.

Eine geheimnisvolle Macht zog gar bald die Menschen zu diesem Grab. Immer mehr wurden die Besucher. Am vierten Jahrestag des Todes von Pater Reus waren es nicht weniger als 2.000. Immer mehr erfuhr man jetzt von den außergewöhnlichen Gnaden, die der Erwählte vom Herrn empfangen hatte. Immer mehr wurde der Schleier gelüftet, der das große Geheimnis seiner Vertrautheit mit dem Heiland verhüllt hatte. Der eigentliche Grund aber für die wachsende Zahl von Besuchern war die Überzeugung des Volkes: Hier liegt einer, der Macht hat bei Gott, ein gütiger Fürsprecher, ein treuer Helfer für alle Anliegen des Leibes und der Seele.

Es wurden immer neue, auffallende, ja wirklich “wunderbare” Gebetserhörungen auf seine Fürbitte hin gemeldet. Sie verbreiteten seinen Ruf und das Vertrauen zu ihm allmählich in der ganzen Welt. Pater Baumann schreibt: “In den ersten zehn Jahren seit dem Tod von Pater Reus wurden mehr als 20.000 durch seine Fürsprache erlangte ‘Gnaden` veröffentlicht.” - Und jetzt, im Jahr 1971 sind es bereits über 100.000 bezeugte Gebetserhörungen*.

Dies sind aber bei weitem nicht alle Gebetserhörungen, die ihm zugeschrieben werden; denn viele davon, zumal die Gnaden der Bekehrung und des geistigen Fortschrittes der Seelen bleiben nach Pater Baumann das stille Geheimnis der Betenden.

* Was heißt das: 100.000 Gebetserhörungen? Man denke: 1 Bücherregal 1 Meter breit, 4 Meter hoch mit je 10 großen Leitz-Ordern, jeder prall gefüllt mit 1.000 Briefen! So einen Aktenschrank könnte man auch ein Himmelszeichen für unsere Zeit nennen. Lauter Zeugnisse, daß es ein Fortleben nach dem Tode gibt, daß die Heiligen leben ‘ daß Gott lebt! Aber wer blind ist, dem nützen keine Gotteszeichen, wenn sie auch ein Berg von Dokumenten wären, der bis zum Mond reichen würde... So viele gibt es, die an ein übernatürliches Wirken nicht mehr glauben. “Glaubhaft” ist für sie nur das, was sie verstandesmäßig erfassen können, was für sie einsichtsvoll ist. Ein Mysterium (Geheimnis) gibt es nicht.

Der Herr aber will den demütigen Glauben. Das “Nicht-sehen” und doch glauben hat Er mit dem “Selig” umkleidet.

Ungezählte fragen nach Bildern und Reliquien vom Diener Gottes, die heute bereits in vielen Hunderttausenden von Exemplaren verbreitet sind, an erster Stelle in Brasilien, aber auch in Deutschland, ja selbst in den Ländern englischer, französischer und spanischer Zunge.

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Der kirchliche Prozeß

über den Ruf der Heiligkeit und der Wunder von Pater Reus wurde bereits 6 Jahre nach seinem Tod, am 25. Juni 1953, in Porto Alegre begonnen. Diesem schlossen sich zwei kleinere Prozesse in Bamberg an. Prälat Theodor Geiger (^ 1960), der ehemalige Subregens des Seminaristen Baptist Reus, schrieb, daß er am 18. April 1956 trotz seiner 93 Jahre ein dreistündiges Verhör lebend überstanden habe. - Am 15. Mai 1957 wurde durch den kirchlichen Gerichtshof das Grab des Dieners Gottes geöffnet. Am 25. Mai wurden seine Gebeine in einem neuen Sarg wieder an derselben Stelle wie vorher beigesetzt.

Heute steht bereits unweit des Grabes ein herrliches, dem Herzen Jesu geweihtes, 3.000 Menschen fassendes Gotteshaus, in dem einmal mit kirchlicher Erlaubnis die Gebeine des Dieners Gottes beigesetzt werden sollen. Es wurde ausschließlich von Spenden zu Ehren von Pater Reus erbaut und ausgestattet. Der Zustrom der Gläubigen zum Grab von Pater Reus hält unvermindert an.

Der gewaltige Strom von betenden und vertrauenden Menschen hat nur noch ein Gegenstück, und zwar in der Verehrung des Paters Rupert Mayer - München.

Dieser heiligmäßige Jesuitenpater, der aus Stuttgart stammte, war ein aufrechter Kämpfer gegen den christusfeindlichen Nationalsozialismus und erduldete dafür viele Schmach und Verfolgung. Sein Leben war opferbereites Bekennertum und zugleich restloses Sichverzehren im Dienst aller Bedrängten. Pater Rupert Mayer starb am 1. Nov. 1945 - 71-jährig - während seiner hl. Messe in der Sankt-MichaelsKirche. In der Unterkirche des “Bürgersaales” in München fand er seine letzte Ruhestätte. Auch für ihn wurde wenige Jahre nach seinem Tod der Seligsprechungsprozeß eingeleitet. Sein Grab wird täglich von ungezählten vertrauenden Menschen besucht. Die Zahl der durch ihn bewirkten Gebetserhörungen wächst von Monat zu Monat. [Inzwischen seliggesprochen.]

Während das Grab dieses Großstadtapostels in Bayerns Hauptstadt in einer der belebtesten Straßen nahe dem Hauptbahnhof liegt, ist das Grab von Pater Reus für die Besucher nur nach langwierigen Wegen und Reisen zu erreichen. Es lag bisher ganz abseits jeglichen größeren Verkehrs. Erst durch die neuerrichtete große Autostraße, die von Porto Alegre über SãoLeopoldo nach dem Norden Brasiliens führt, ist die Zufahrt leichter möglich. So kommen gerade an Sonntagnachmittagen aus Porto Alegre und den der Straße anliegenden Ortschaften immer zahlreichere Besucher ans Grab des Gottseligen. Es ist zu diesem Zweck bereits ein großer Parkplatz angelegt worden. Pater Reus wird für alle, die tatsächlich oder auch nur geistig an sein Grab kommen, ein großer Fürbitter sein.

Wie aber das Tiefste und Schönste seines Erdenlebens, nämlich das Geheimnis seines inneren Lebens nie vollständig in Worten ausgedrückt werden kann, ebenso wenig vermag man sein Fortwirken im Reich der Seelen von der Ewigkeit her in die rechten Worte zu fassen. Hat doch gerade dieser große Liebling Gottes schon zu Lebzeiten wunderbare Verheißungen aus dem Mund des göttlichen Heilandes empfangen dürfen: “Ich werde deine Bitte um Seelen erhören - über all deine Erwartungen.”

Dicke Bände
würden sich füllen, wollte man all die Gebetserhörungen aufzeichnen, die auf die Fürbitte des “guten” Pater Reus bereits gewirkt worden sind: Heilungen von allen möglichen schweren und langwierigen Krankheiten und Leiden, Heilungen von Trunksucht und anderen Lastern; auffallende Hilfe bei schwerer Geburt, Hilfe in Wirtschafts-und Wohnungsanliegen, in Berufs- und Familiennöten, ganz besonders aber in seelischer Bedrängnis. Nur ein Fall vom 17. Mai 1970 sei hier erwähnt: “Dem guten Pater Reus danke ich aufrichtig für eine mir sehr wichtige Gebetserhörung: Zwei mir sehr liebe Menschen haben nach langer Zeit (50 Jahre und 4 Jahre) wieder zur hl. Eucharistie zurückgefunden. Ewig Dank dafür!” M. D.

Im Sankt-“Ignatius-Kalender” der Jesuiten werden viele dieser Anliegen jährlich veröffentlicht. Wöchentlich werden an die 200 hl. Messen am Grab des Pater Reus für “seine Seligsprechung” zum Dank für eine Erhörung bestellt.

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Brennende Anliegen der Zeit

Das Grab des großen Beters, Büßers und Mystikers Johannes Baptist Reus ist ein geistiger Mittelpunkt geworden, gleich einem Magnetfeld voll Strahlkraft. Hunderttausende, ja Millionen zog es in den kaum 25 Jahren, seitdem er tot ist, an diese gesegnete Stätte. “Kein Mensch ist lebendiger als ein toter Heiliger” (Sheehan).

Brüder, Schwestern! Am Schluß der Lektüre dieses Buches wollen auch wir uns im Geist an diesem Grab niederknien und dem göttlichen Herzen Jesu zusammen mit dem Diener Gottes unsere Anliegen vortragen! Packen wir nur aus mit all unseren persönlichen Sorgen, die uns bedrängen, mit den Sorgen um die Gesundheit, um den Beruf, um das Fortkommen, besonders aber unsere seelischen Nöte; packen wir aus mit all unseren Familiensorgen, die immer drückender werden! Vergessen wir nicht die großen Anliegen von Kirche und Volk in unserer religiös und sittlich so schwer angeschlagenen Zeit. Der Sturm tobt. Satans heißer Atem bläst gewaltig in das Zeit- und Weltgeschehen.

Müßten wir an dieser geheiligten Stätte zusammen mit dem edlen Priester Pater Reus den Herrn nicht inbrünstig um die Erhaltung unseres heiligen katholischen Glaubens und für jeden von uns
        um mehr demütigen Glauben bitten!

Stehen wir nicht alle in einem wahren Trommelfeuer von äußeren Beeinflussungen? Der Wissensstolz triumphiert. Die Verwirrung der Geister hat wie eine Epidemie um sich gegriffen. “Es gibt Priester und Theologen”, so schreibt Pater Werenfried, “die, durch Glaubenszweifel oder Unglauben verblendet, nicht mehr sehen, was der Herr von Seiner Braut, der Kirche, verlangt.” Es werden fast alle Glaubenswahrheiten unserer hl. Religion angezweifelt, ja sogar geleugnet. Durch einen unerhörten Mißbrauch werden die Irrtümer von Presse, Rundfunk und Fernsehen weltweit verbreitet. Die im Evangelium niedergelegten und von der Kirche gelehrten übernatürlichen Wahrheiten werden entmythologisiert, das heißt, man läßt nur noch das gelten, was man mit dem Verstand rein natürlich erklären kann. Mit 'dem ungläubigen Thomas sagen so viele: “Wenn ich nicht an Seinen Händen das Mal der Nägel sehe, nicht meinen Finger an die Stelle der Nägel und meine Hand in Seine Seite lege, glaube ich nicht.” Einen “Net glaum wöllerer = einen nicht glauben Wollenden” nennt Therese Neumann den Thomas.

Heute gibt es so viele. Dazu die Unrast, die Hetze des heutigen Lebens, sie lassen den Menschen kaum mehr Zeit zur Besinnung auf das eine Notwendige, das Ewige. Und was tut der Herr? Statt unseren Unglauben und unseren törichten Stolz zu strafen, geht Er uns nach, wie einst Seinem ungläubigen Jünger Thomas, indem Er einen aus unserer Mitte ruft und ihn mit seinen Händen die Wunden greifen läßt, so wie einst Thomas, ja, ihm die großen Gottesgeheimnisse in einmaliger Weise enthüllt und sichtbar werden läßt - einen Priester, der immer den schlichten Weg des Glaubens an Jesu Wort und Lehre gehen wollte und stets allen Privatoffenbarungen und Visionen abgeneigt war.

 Ja, dich, guter Pater Reus,
ließ der Herr die Wahrheiten der Obernatur in überwältigender Weise erleben. 35 Jahre durftest du täglich, besonders bei der Feier des hl. Meßopfers, das Geheimnis der Menschwerdung des Herrn schauen, Seinen Opfertod am Kreuz und das Ausströmen Seines Blutsegens über die ganze Erde, über das ganze Fegfeuer hin, durftest schauen den Glanz des himmlischen Hofstaates. Du durftest erleben die Wonne der liebenden Hingabe an Jesus, den göttlichen Bruder, sowie die Lebens- und Liebesgemeinschaft der hochheiligen Dreifaltigkeit. Dem Auftrag Jesu folgend, hast du alles niedergeschrieben, ja sogar in Bildern festgehalten, damit wir in alledem eine beglückende Bestätigung für unseren Glauben haben sollten. - “Glauben, auch wenn wir nicht sehen!” - Gerade die Bitte um einen demütigen Glauben, das ist die erste brennende Bitte an deinem Grab; vor allem
      um einen unbeirrbaren Glauben an die hl. Eucharistie,
an die lebendige, wirkliche Gegenwart des Sohnes Gottes im weißen Brot, einen, Glauben, wie ihn die ersten Christen besaßen. Dazu eine tiefe, heilige Ehrfurcht vor dem in der Gestalt des Brotes gegenwärtigen Herrn und Gott. Wie hast du, lieber Pater Reus, den Tag ersehnt, an dem du zum ersten Mal die hl. Wandlungsworte sprechen und den Leib des Herrn in deinen geweihten Händen halten durftest. Ehrfurcht und Liebe durchschauerten dein ganzes Wesen. Mit dir wollen wir vom Heiland diese große Gnade tiefer Ehrfurcht erbitten. Sie ist weithin verloren gegangen durch die neue Kommunionpraxis. Wir müßten auch hinsichtlich der kleinsten Splitter der hl. Hostie allerhöchste Ehrfurcht haben! Denn wie jedes Goldstäubchen Gold bleibt, so bleibt das winzigste Teilchen einer konsekrierten, hl. Hostie noch die Gestalt, darin Jesus Christus wahrhaft wirklich und lebendig gegenwärtig ist.

Dazu ein weiteres brennendes Anliegen:

die Sorge um den Beruf des Priesters

Guter Pater Reus, die Hauptaufgabe deines langen Lebens war ja diese: mitzuwirken an der Heranbildung von Priestern und Ordensleuten im Kleinen und Großen Seminar von São Leopoldo. Mit dem hl. Pfarrer von Ars hast du klar erkannt: Der Priesterberuf erwächst aus dem göttlichen Herzen Jesu. Priester müssen zuerst erbetet und eropfert werden. Nicht das ist die größte Not der Kirche, daß es überall in der Welt zu wenig Priester gibt, sondern vielmehr, daß der Sinn des geistlichen Berufes, der Sinn des Ordensberufes überhaupt in Frage gestellt wird. Man will nicht mehr glauben, daß der Priester ein zweiter Christus ist. Der Heiland aber ist nicht müde geworden, dir auf jede erdenkliche Weise zu zeigen, wie sehr Er Seine Priester liebt. Wie oft hast du nach dem Stufengebet der hl. Messe beim Hinansteigen zum Altar erleben dürfen, wie Er vor dem Tabernakel mit weitgeöffneten Armen auf dich wartete und dich nach dem Altarkuß liebend umarmte und an Sein Herz zog. Und immer wieder gab Dir der Heiland zu verstehen, wie er alle Priester in Sein liebendes Herz schließt, freilich auch gerade von ihnen eine glühende, alles übersteigende Gegenliebe erwartet. Mit Schmerz hast Du wiederholt aus Seinem Mund die Klage vernommen: “Wie wenige unter den frommen und eifrigen Priestern, ja selbst unter Meinen ergebensten Freunden wissen, daß Ich da bin im Grunde ihrer Seele und voll Verlangen, sie eins zu machen mit Mir. O wenn sie sich den sinnenfälligen Dingen mehr entziehen wollten, um ganz hinab zu steigen in das Innerste ihrer Seele bis auf den Grund, wo Ich bin! - Möchten sie doch mit vollem Vertrauen zu Meiner guten Mutter gehen, die auch die ihrige ist und die sie so sehr liebt und die sich darin gefällt, Mich für sie zu bitten.”

Etwas ungemein Tröstliches

Lieber Pater Reus! Sollte nicht gerade Dein Leben allen Priestern sagen, daß sie nie verzagen dürfen, wenn ihnen Enttäuschungen, Verkennungen und Mißerfolg in reichem Maß zuteil werden. Auch Dir blieben größere, äußere Erfolge in deinem Wirken fast durchwegs versagt. Es war Dir nicht gegeben, leutselig und anziehend zu sein. Man hat Dir darum auch zu Lebzeiten nicht viel Sympathien entgegengebracht; Du aber hast klar erkannt: Das ist der königliche Weg des Kreuzes. Demütig und tapfer bist Du ihn gegangen, allzeit bestrebt, Deinem Meister ähnlich zu werden. Du lehrst uns: Der Schwerpunkt eines jeden Priester- und Ordenslebens muß in einem intensiven Innenleben liegen, im apostolischen Beten und in stiller, unverdrossener Berufsarbeit: Bet und arbeit! Wir haben keinen Grund zu verzagen, wenn unsere besten Bemühungen nicht “ankommen”. Mißerfolg bei heilig ernstem Bemühen ist immer ein Vorzeichen großer Gnade.

Ja, nicht einmal unsere Schwächen und Sünden sind ein Grund zum Verzweifeln; bei Dir, lieber Pater, wurde offenbar: Heiligkeit blüht bisweilen sogar neben offenkundigen Fehlern. Trotz all Deiner Fehler, die Du immer wieder beklagst, hat Dich der Herr mit Gnaden geradezu überhäuft. Du hast die Worte des hl. Paulus ernst genommen: “Die Liebe glaubt alles, die Liebe hofft alles” - auch bei Fehlern und Schwachheiten, gerade dann erhofft sie alles von der Gnade Gottes. Die vertrauende Liebe legt die ganze menschliche Armseligkeit in das göttliche Herz Jesu.

Die Liebe glaubt alles, die Liebe hofft alles, die Liebe duldet alles.

Diese alles duldende Liebe, ein besonderes Geschenk des heiligsten Herzens, wollen wir mit Dir mit großem Vertrauen von Jesus erbitten. Du hast diese opferbereite, sühnende, apostolische Liebe zu den Seelen besessen. Sie tut uns Christen allen not.

Es sind ja ungezählte Millionen, die sich um ihr ewiges Ziel nicht mehr kümmern. Sie gehen den Weg des Verderbens. Wehe, wenn sich niemand findet, der für sie betet, opfert und sühnt. Du hast es jahrzehntelang getan. Dein Leben lehrt uns, daß Buße und persönliches Opfer bei Gott Großes vermögen. Wohl sind gerade diese Worte für die Wohlstandschristen unserer Tage Fremdwörter geworden. Gebet und Buße aber sind die entscheidendsten Faktoren für die Rettung der Seelen. So lehrt es uns der Herr. So kündet es uns die Liebe Frau in Fatima und an vielen anderen Erscheinungsorten. So sagt es uns Dein Leben. DieLiebe erduldet alles, dieLiebe überwindet alles. Sie nimmt die täglichen Opfer und Kreuze tapfer auf sich. Sie ringt und betet, duldet und leidet, nur um Seelen zu retten, die in höchster Gefahr sind, ewig verloren zu gehen.

Lieber Pater Reus! Hilf uns diese tiefe, weite wahrhaft apostolische Liebe vom Herrn erbitten! Fruchtbarkeit im Reich Gottes wird nur um den Preis eines blutenden Herzens gewährt. “Die Kirche lebt nicht von der Wissenschaft ihrer Gelehrten, sondern von der Opferhingabe ihrer Heiligen” (Bischof Rudolf Graber in der Sylvesterpredigt 1970). - “Die Zukunft der Kirche wird von denen kommen, die tiefer wurzeln und nicht nur andere kritisieren, sich selbst aber für unfehlbar halten. Sie wird auch diesmal von den Heiligen geprägt durch tägliche Passion. Wie blind sind wir doch alle, die wir nicht mit dem Herzen sehen” (Prof. Dr. Josef Ratzinger). “Kirche und Welt von heute brauchen vor allem die Heiligen” (Papst Paul VI.).

Das Beten und Leiden, das ganze Lebensopfer von Pater Reus galt vor allem dem großen, weiten Land Brasilien. Dieses Land, ja
ganz Lateinamerika ist Missionsland
geworden. Streckenweise kommen, wie man erst neulich lesen konnte, auf 100.000 Seelen nur fünf Priester. Ein geradezu erdrückendes Anliegen für die Hirten der Kirche. Papst Pius XII. hat gestanden, daß ihm die Sorge um die religiöse, sittliche und soziale Lage in Südamerika schlaflose Nächte bereitete. Nicht anders Papst Paul VI. Die dortige, unvorstellbare religiöse wie soziale Not schreit in manchen Orten zum Himmel. Wohl bedeutet die Aktion “Adveniat” eine spürbare Hilfe. Sie ist aber nur ein Tropfen auf einen heißen Stein. Es müssen viele Kräfte zusammenwirken, wirtschaftliche und vor allem religiöse Kräfte.

47 Jahre hast Du, lieber Pater Reus, in Brasilien gewirkt, hast für dieses Land gebetet, geopfert, gelitten und Gott hat Dein Wirken gesegnet - mehr als wir ahnen können. Ist es nicht auch Deinem Beten und Opfern zu verdanken, daß unlängst ein 63-jähriger Missionar aus diesem Land an Pater Werenfried schreiben konnte:

“Die verwöhnten, über alles urteilenden und überentwickelten Superchristen in Europa können kaum verstehen, daß ein unterentwickelter, ungelehrter und unwissender südamerikanischer Indianer trotzdem ein guter Christ sein kann und sehr oft ein guter Christ ist. Die Liebe zu Gott hängt ja nicht von Vielwisserei, sondern vom Streben des Herzens ab. Wer liebt, wird von der Liebe selbst belehrt. In dieser Schule sind viele meiner unwissenden Indianer weiter fortgeschritten als mancher Theologe. Die Reinheit des Herzens, der gute Wille und die Demut sind die Merkmale der Auserwählung. Ihnen schenkt Gott seine Gnade*.”

* Die Missionare Lateinamerikas sind fast alle sehr arm und bedürftig. Sie sind darum sehr dankbar für Meßstipendien.

Mit Dir aber, lieber Pater Reus, wollen wir als größte und wichtigste aller Bitten diese zum Himmel empor senden:

Ewiger, gütiger Gott, gib uns die wahre Christenliebe, eine Liebe, die alles glaubt, alles hofft, alles duldet in Deiner Kraft und Gnade! Gewähre uns die Gnade, daß jedes Gebet, das wir sprechen, daß jedes Wort der Hl. Schrift, das wir überdenken, daß jedes Leid, das wir in Liebe tragen, vor allem aber, daß jede hl. Kommunion uns zu einer tief innerlicher Begegnung der Liebe mit Dir werde! - “Es bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe; das Größte aber ist die Liebe” (1 Kor 13,13). Sie währt in alle Ewigkeit.

Ein herzliches Vergelt's Gott!

Am Schluß allen, die zum Werden dieses Buches mitgeholfen haben, allen die mir schreiben, korrigieren, beten und opfern halfen, ein priesterliches “Gott vergelt's”! Auch allen Lesern und Verbreitern unserer Schriften! Ich segne Sie alle in tiefer Dankbarkeit als Werkzeuge, das heißt als Zeugen Seines Werkes, Seiner Gnade. Möge unsere mit dem Segen des Hochwürdigsten Herrn Bischofs Rudolf Graber, Regensburg, begonnene Aktion

“Stille Hilfe durch das Buch”
weitergehen, auch wenn mich der himmlische Vater inzwischen zu sich abberufen sollte. Viele Kranke, Leidende, Einsame und Verlassene warten auf Trost und Ermutigung, warten auf eine wirkliche geistige Hilfe durch das gute Buch. Es ist eine Zeit großer geistiger Verdunkelung, wo die Not der Seelen ihr “Warum” tausendfach zum Himmel schreit, wo der Kinderglaube vielfach erstickt und der gute Wille zertreten wird. Die Gnade wirkt am meisten im Verborgenen, in der schweigenden Liebe. Darum diese überaus wichtige zeitgemäße Aktion: Stille Hilfe durch das Buch! Diese Aktion, wie überhaupt unser ganzes Schriftenapostolat, wird seit dem 18. Febr. 1971 in einzigartiger Weise vom Segen überstrahlt; denn seit diesem Tag hat das Grignionhaus in Altötting in seiner Hauskapelle die “Ewige Anbetung”. Der Segen dieser Anbetung von früh bis abends ist sehr groß und ergießt sich auch über alle Leser und Verbreiter unserer Bücher, über das ganze Schriftenapostolat. Viele Tausende treuer Apostelseelen mögen diese Aktion fördern zur Ehre Gottes und zum Heil der Seelen! Für mich aber erbitte ich ein stilles Gott vergelt's und eine hl. Messe, die mir und allen Priestern in der Ewigkeit zugute kommen möge. Für die lebenden und verstorbenen Priester sollte viel mehr gebetet und geopfert werden!

Ihr in Christus allzeit verbundener dankbarer A. M. Weigl, Pfr. i. R.

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Gebet - Novene

 zum Diener Gottes P. Johannes Baptist Reus (Nur für Privatgebrauch)

Gott, der Du in Deiner unendlichen Güte und Barmherzigkeit Deinem demütigen Diener Johannes ein so glühendes Verlangen nach Heiligkeit eingeflößt und ihn mit so vielen und außerordentlichen Gnaden überhäuft hast, wir bitten Dich inständig: Schenke uns die Gnade, Deinen treuen Diener nachzuahmen in der vollständigen Hingabe ans heiligste Herz Jesu, in der Liebe zum Kreuz, in der Hochschätzung der hl. Messe, im vertrauten Umgang mit dem eucharistischen Heiland, in der kindlichen Verehrung des Unbefleckten Herzens der Gottesmutter und im eifrigen Wirken für die Priester- und Ordensberufe.

Gott, Du ehrst, die Dich ehren. Sieh, das Leben Deines Dieners Johannes war ganz Deiner Liebe und Ehre geweiht. Erhöre gnädig unsere Bitten, die wir zu Deiner Verherrlichung auf Erden zu Dir emporsenden und gewähre uns auf seine Fürbitte die Gnade, um die wir Dich anflehen. Durch Christus, unsern Herrn.

Amen.


Jesus, Maria, Josef!

Heiligstes Herz Jesu, ich vertraue auf Dich!

Süßes Herz Mariä, sei meine Rettung!

Heiligstes Herz Jesu, zu uns komme Dein Reich!

Maria, ohne Makel der Erbsünde empfangen, bitte für uns,
die wir unsere Zuflucht zu dir nehmen!

Vater unser... Gegrüßet seist du, Maria... Ehre sei...
 


Vielleicht muß einer 100 mal oder 500 mal dieses Gebet sprechen... 100.000 Glückliche ermutigen: Weiterbeten! “Viel vermag das beharrliche Gebet des Gerechten.” P. Reus wird endlich jeden annehmen und seine Not dem Allerbarmer vortragen, und dann wird Hilfe kommen von dem, “der Himmel und Erde erschaffen hat”, und der Schrank mit den 100.000 Dokumenten wird noch höher werden... Sei überzeugt, Pater Reus darf auch in Deinen Anliegen helfen, und zwar so, wie es nach dem Willen und der Weisheit Gottes am besten für Dich ist.

Bitte: Gebetserhörungen und Gnadenerweise, die man auf Fürbitte des P. Reus erlangt hat, berichte man an den Postulator des Seligsprechungsprozesses: Pater Pascual Cebollado S. J. - Rom -  postulatore@sjcuria.org

 

Wichtig: Man vermeide alles, was einer öffentlichen Verehrung ähnlich ist.

 

 

Benützte Literatur

P. Ferdinand Baumann S. J., “Pater Reus S. J., ein Apostel des Herzens Jesu (Kanisiusverlag)

P. Leo Kohler S. J., “Lebensbild des P. J. Baptist Reus S. J. (Selbstverlag der Vizepostulation).

Ida Lüthold-Minder, “Segenspfarrer vom Allgäu (Kanisius-Verlag).
Eine Reihe Aufsätze über die Mystik.

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