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Hildegard
von Bingen, eine der bedeutendsten Frauen des
Mittelalters, ist deshalb, weil sie uns in der
sechsten Schau des zweiten Buches ihres großartigen
Werkes "Scivias" (Wisse die Wege) in
mystischer Tiefe die Eucharistielehre der Kirche
dargestellt hat, unter die eucharistischen
Heiligen einzureihen. Sie wurde 1098 geboren. Im
Alter von acht Jahren wurde sie einer Frauenklause
auf dem Disibodenberg zur Erziehung übergeben. |
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Das
Wort Gottes
und die benediktinische Lebensordnung wurden so zum
tragenden Fundament ihres Lebens. Hildegard war mit
reichen Gaben des Herzens und des Verstandes von der göttlichen
Weisheit beschenkt, hatte von Kindheit an (mit 3-4
Jahren) die Fähigkeit, Unsichtbares zu schauen.
Sie
erhielt in einer Vision von Gott den Auftrag
(im Jahre 1141), das Geschaute niederzuschreiben und es
den Menschen mitzuteilen. Nach anfänglichem Sträuben
gegen den Auftrag Gottes überwand sie schließlich ihre
Furcht und begann mit der Niederschrift ihres
Erstlingswerkes "Scivias" ("Wisse die
Wege"). Einen Wendepunkt im Leben der bis dahin
unbekannten Ordensfrau brachte die Synode zu Trier
1147/48, welcher Papst Eugen III. vorstand. Abt Kuno von
Disibodenberg liess dem Papst durch Erzbischof Heinrich
von Mainz über Hildegard berichten. Dieser entsandte
unter dem Vorsitz von Bischof Albero von Verdun eine
Kommission in das Kloster Hildegards, um die Echtheit
ihrer Sehergabe zu prüfen.
Die
Kommission
kehrte, tief beeindruckt von Hildegards Persönlichkeit,
mit positivem Ergebnis zurück und überreichte dem
Papst einen Teil der Schrift "Scivias". Dieser
las öffentlich daraus vor und bestätigte unter dem
Beifall aller Anwesenden Hildegards Charisma.
Die
heilige Hildegard schrieb über ihre Sehergabe
im Alter von 77 Jahren an den Mönch Wigbert (Guibert)
von Gembloux: "Die Worte, die ich spreche, habe ich
nicht von mir noch von einem anderen Menschen, sondern
ich sage sie aus der Schau, die ich von oben empfange.
Ich sehe die Schau einzig in meiner Seele, mit offenen
leiblichen Augen, so dass ich niemals die
Bewusstlosigkeit einer Ekstase erleide, sondern wachend
schaue ich dies, bei Tag und Nacht.” Was hat nun die
heilige Hildegard über die Heilige Eucharistie
geschaut!
Sie
schaut in der sechsten Schau
des zweiten Buches von "Scivias" wie in den
vorausgehenden Schauungen - die Kirche als Braut
Christi, die als unsagbar kostbare
"Hochzeitsgabe" Leib und Blut Christi im
heiligsten Altarssakrament empfängt...
...Als
nun ein Priester,
mit den heiligen Gewändern bekleidet, zur Feier der göttlichen
Geheimnisse an den Altar trat, kam plötzlich heller
Lichtglanz vom Himmel. Engel stiegen herab, und das
Licht umflutete den Altar. Das blieb so, bis sich nach
Vollendung des heiligen Opfers der Priester entfernte.
Nachdem das Evangelium des Friedens verlesen und die
Opfergabe für die Konsekration auf dem Altar
bereitgelegt war, sang der Priester den Lobpreis des
allmächtigen Gottes: “Sanctus, sanctus, sanctus,
Dominus Deus Sabaoth!” und begann das unaussprechliche
Geheimnis. In diesem Augenblick öffnete sich der
Himmel. Ein feuriges Blitzen von unbeschreiblich lichter
Klarheit fiel auf die Opfergaben nieder und durchströmte
sie ganz mit seiner Herrlichkeit, wie die Sonne den
Gegenstand, den sie bestrahlt, mit ihrem Lichte
durchdringt. Und der blitzende Schein trug die Opfergabe
in unsichtbare Höhen bis in das Innerste des Himmels
empor und liess sie wieder auf den Altar hernieder, ähnlich
wie ein Mensch beim Atmen die Luft einzieht und sie
wieder aushaucht. Obgleich nun die Opfergaben für das
Auge der Menschen noch das Aussehen von Brot und Wein
hatten, waren sie doch in wahres Fleisch und wahres Blut
umgewandelt...
Aber
als der Priester das Lied von dem unschuldigen Lamme “Agnus
Dei, qui tollis peccata mundi” sang und sich zum
Empfang der heiligen Kommunion anschickte, zog sich das
feurige Blitzen zurück. Der Himmel schloss sich, doch hörte
ich aus seinem Innern eine Stimme: “Esset und
trinket den Leib und das Blut meines Sohnes, auf
dass die Sünde Evas getilgt werde und ihr in euer
rechtmäßiges Erbe eingeht!” Als sich nach Vollendung
des heiligen Geheimnisses der Priester vom Altar
entfernte, zog sich auch der helle Lichtglanz, der den
Altar bis dahin umstrahlt hatte, wieder nach oben in die
Verborgenheit des Himmels zurück..."
Ausführlich
spricht die heilige Hildegard über die heilige
Kommunion. Über
die Art und Weise, wie sie empfangen werden soll, und über
ihre Wirkungen: Zunächst verlangt sie entsprechende
Vorbereitung auf den Empfang der heiligen Kommunion: Wie
der Leib des Herrn im reinsten Schoss der Jungfrau
entstand, so darf er auch, weil eben überaus rein, von
den Gläubigen nur mit reinem und einfältigem Herzen
empfangen werden. Wer zum Empfang der heiligen Kommunion
hinzutreten will, muss sich hüten, in einem Gottes unwürdigen
Zustand zu erscheinen; darum muss er zuerst eine
gewissenhafte Selbstprüfung (Hl. Beichte) anstellen:
Nach
dem Maß der Herzensreinheit,
des Glaubens und Verlangens des Kommunikanten richten
sich die Gnadengaben beim Empfang der heiligen
Kommunion. Die Wirkungen der heiligen Kommunion im
richtig disponierten Empfänger sind gross und
zahlreich. Die heiligste Dreifaltigkeit selber kommt;
darum hört die heilige Hildegard, wie Gott spricht:
"Anderswo gebe ich meinen Auserwählten, die Mich
suchen, Meine Gnaden nach den verschiedenen Gaben des
Heiligen Geistes. In diesem Sakrament aber zeige Ich
Mich ihnen ganz; denn Mein Sohn ist in Mir und Ich in
Ihm, und der Heilige Geist ist in Uns und Wir sind in
Ihm und sind eins in der Gottheit!" Solch
gnadenreiche Einwohnung des dreifaltigen Gottes reinigt
die Kommunikanten von ihren Gebrechen und stärkt sie
gegen den bösen Feind. Aus diesem Sakrament erwächst
den Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe
neue Anregung. Keine Gnaden empfängt, ja neue Schuld
lädt auf sich, wer dieses heiligste Sakrament in
schwerer Sündenschuld empfängt. Ein solcher
"schickt den Herrn,... in den Sumpf seines
Elends." Hildegard hat diesen Glauben an das
heiligste Sakrament hochgehalten bis an ihr Lebensende.
Sie starb nach dem Empfang der heiligen Wegzehrung am
17. Sept. 1179.
Heilige Hildegard von Bingen
Kirchenlehrerin
Scivias
Wisse die Wege
Eine Schau von Gott und Mensch in Schöpfung und
Zeit
(Pattloch-Verlag)
11. Vision des 3. Teils
Das Ende der Zeiten
Der
Antichrist
Inhalt
14.
|
Der
Antichrist zerreißt die Gläubigen unter
furchtbarem Terror und flößt den Menschen
den üblen Geruch seiner Grausamkeit und den
Wahnsinn seiner Bissigkeit ein |
15. |
Der Sohn
des Verderbens wird versuchen, diejenigen
mit grausamsten Verfolgungen niederzubeugen,
welche er mit Schmeichelei nicht kann |
16. |
Die
Kirche wird am Weltende mit dem edelsten
Blut getränkt werden, bis zu den beiden
Zeugen der Wahrheit |
17. |
Nachdem sechs Zeitalter vergangen sind, befinden
wir uns im siebten |
20. |
Worte des Geistes an die Kirche über die Endzeit |
25. |
Vom Antichrist und seiner Mutter |
26. |
Von der Mutter in den magischen Künsten
unterwiesen, führt er mit Gottes Zulassung seinen
Willen an den verschiedenen Geschöpfen aus |
27. |
Von seiner Macht und den verschiedenen Wundern,
die er zu vollbringen scheint |
28. |
Worte des Moses über die Schau Gottes |
29. |
Einige vom Teufel Betrogene lassen täuschenderweise Wunderzeichen an Geschöpfen sehen,
aber sie können sie nicht in eine andere Art
verwandeln |
30. |
Auf wie verschiedene Art der Antichrist die
Seinen täuscht und warum ihm das gestattet wird |
31. |
Vom Scheintod des Antichrist und dem Buch der
Verwünschung; wer ihm widerspricht, wird getötet |
32. |
Worte des Johannes |
33. |
Warum Henoch und Elias bis zu dieser Zeit
zurückbehalten werden |
34. |
Ihre Worte an die Kinder Gottes |
35. |
Von ihren wahrhaftigen Zeichen, durch die der
Betrug des Antichrist verworfen wird |
36. |
Nach dem von Gott zugelassenen Tod erhalten sie
den Lohn ihrer Mühen |
37. |
Alle Glieder der Kirche werden durch den
anmaßenden Übermut des Antichrist in Schrecken
versetzt, der glaubt, er könne das Innerste des
Himmels durchdringen |
38. |
Die Macht Gottes vernichtet in sichtbarer Stärke
gleichermaßen den Sohn des Verderbens wie den Teufel
durch ewige Verdammung |
39. |
Höllischer Gestank und Dunst wird den Ort seiner
Überheblichkeit erfüllen, damit die Getäuschten
zurückweichen |
40. |
Nach der Niederstreckung des Sohnes des
Verderbens wird die Braut Christi vom Glanz
wunderbarer Schönheit strahlen, während die Irrenden
zum Weg der Wahrheit zurückkehren |
41. |
Den Tag des Gerichtes kann niemand als Gott
kennen |
42. |
Ein Beispiel von Samson |
Der
Antichrist
14.
Der Antichrist zerreißt die Gläubigen unter
furchtbarem Terror und flößt den Menschen den üblen
Geruch seiner Grausamkeit und den Wahnsinn seiner
Bissigkeit ein.
Deshalb erscheint
auch an derselben Stelle des weiblichen
Erkennungsmerkmals ein unförmiges pechschwarzes
Haupt. Denn der wahnsinnige Sohn des Verderbens
wird mit den Künsten der ersten Verführung in
riesigen Schlechtigkeiten und pechschwarzen
Bosheiten auftreten, mit feurigen Augen,
eselsgleichen Ohren und mit Nase und Rachen wie ein
Löwe sie hat, wenn er den Menschen die
unsinnigen Taten der bösen Leidenschaft (nequissimi
ignis) und schändliche Äußerungen des Widerspruchs,
der Gottesleugnung verursacht, einflößt. So gießt er
ihren Sinnen den übelsten Geruch ein und zerfleischt
in grausamster Raubgier die Institutionen der
Kirche, indem er nämlich mit weit
aufgerissenem Maul knirscht und schreckenerregend
die furchtbaren eisenartigen Zähne wetzt. Er
flößt nämlich auf schlimmste Weise seinen
Gesinnungsgenossen mit gefräßigem Schlund seine
starken Laster und seine wahnsinnige Bissigkeit ein.
15.
Der Sohn des Verderbens wird versuchen, diejenigen
mit grausamsten Verfolgungen niederzubeugen, welche
er mit Schmeichelei nicht kann
Und
von diesem Haupt bis zu ihren Knien ist diese
Gestalt weiß und rot und wie von vielen Schlägen
hart mitgenommen.
Denn von der so schlimmen Täuschung, mit der dieser
Sohn des Verderbens die Menschen zuerst
schmeichlerisch und sanft zu verführen sucht, bis zu
der Zeit, da er versuchen wird, sie jetzt grausamer
zu verdemütigen und zu erniedrigen (inflectere et
incurvare), wird die Kirche in ihren Kindern das
Weiß des wahren Glaubens (bewahren), doch in ihm die
Bedrängnis gefühllosen Blutvergießens und größte
Drangsale in mannigfachen Leiden erdulden.
16.
Die Kirche wird am Weltende mit dem edelsten Blut
getränkt werden, bis zu den beiden Zeugen der
Wahrheit
Von
den Knien jedoch bis zu den beiden Querstreifen, die
oben an den Knöchel rühren und weiß erscheinen,
sieht sie blutig aus.
Denn während sie schon bis zu den beiden Zeugen der
Wahrheit, welche die Kirche kraftvoll bewahren
werden, indem sie gegen Ende der Welt das Weiß der
Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit zeigen,
gleichsam die Erschütterung ihrer Vergewaltigung
erduldete, wird sie ruchlose Verfolgungen und
grausamstes Blutvergießen unter denen, die jenen
Verderber verachten, erleiden. Was besagt das? Wenn
der Sohn des Verderbens, in seiner widersprüchlichen
Lehre trügerisch bestärkt, Selbstvertrauen und Kraft
gewonnen hat, dann wird auch die Kirche auf ihrem
schnellen Lauf mit dem edelsten Blut getränkt. Dann
wird sie dadurch nun auch selbst vollständig zu
einer himmlischen Wohnstatt auferbaut. Ihr nämlich,
o Straßen Jerusalems, werdet dann durch das Blut der
Heiligen im edelsten Gold aufleuchten; denn der
Teufel wird zugrundegehen (exstinguetur), weil er
die Glieder des himmlischen Königs verfolgt hat. So
wird er selbst von seinem großen Terror zunichte
gemacht.
17.
Nachdem sechs Zeitalter vergangen sind, befinden wir
uns im siebten
Doch ihr, o Menschen,
die ihr in ihnen (den Straßen) wohnen möchtet,
flieht ihn (den Teufel) und betet Gott an, der euch
geschaffen hat. In sechs Tagen hat Gott nämlich
seine Werke vollendet und am siebten ruhte er von
seinem Werk. Was besagt das?
Die sechs Tage sind
die Zeitalter, sechs an der Zahl. Im sechsten jedoch
sind neue Wundertaten für die Welt zutagegetreten,
wie auch Gott am sechsten Tag seine Werke vollendet
hat. Jetzt aber steht die Welt im siebten Zeitalter
vor dem Jüngsten Tag, gleichsam am siebten Tag.
Wieso? Die Propheten haben ihre Worte erfüllt und
auch mein Sohn hat meinen Willen in der Welt
vollbracht. Das Evangelium ist auf der ganzen Welt
offen verkündet worden; es hatte aber auch bis zur
Fülle der Zeiten und über die Jahre der Zeitenfülle
hinaus (per tempus temporum pleni numeri et plus
temporum annorum eiusdem pleni numeri) Bestand,
wenngleich unter verschiedenartigen menschlichen
Verhältnissen (morum), doch von mir festbegründet.
18.
Warum Gott neue Geheimnisse und viel Mystisches, das
bisher verborgen war, nur durch einen Unberedten und
Ungelehrten verkündet
Doch jetzt wankt der
katholische Glaube unter den Völkern und das
Evangelium steht bei diesen Menschen auf schwachem
Fuß (Claudicat). Auch die dicken Bände, welche die
erfahrenen Lehrer mit großem Eifer herausgegeben
hatten (enucleaverant), lösen sich in schmählichen
Überdruss auf und die Lebensspeise der göttlichen
Schriften ist schon lau geworden. Deshalb spreche
ich jetzt durch einen unberedten Menschen über die
Heilige Schrift; er ist nicht von einem irdischen
Lehrer belehrt, sondern ich, der ich bin, verkünde
durch ihn neue Geheimnisse und viel Mystisches, das
bisher in den Büchern verborgen war. So verfährt ein
Mensch, der sich zuerst Lehm sammelt und dann daraus
irgendwelche Formen nach seinem Wunsch heraushebt.
19.
Eine Ermahnung Gottes an die Lehrer, diese Rede
nicht zu verachten, sondern sie wie ein siegreiches
Banner gegen den Sohn der Bosheit zu erheben
O ihr erfolgreichen
und gewinnenden Lehrer (fructuosi doctores boni
lucri), kauft eure Seelen zurück und ruft diese
Worte laut aus und misstraut ihnen nicht! Denn wenn
ihr sie verschmäht, verachtet ihr nicht sie, sondern
mich, der ich wahrhaftig bin. Ihr sollt nämlich mein
Volk unter meinem Gesetz erziehen und bis zur
vorherbestimmten Zeit seiner Heilung für es Sorge
tragen, wenn alle Sorge und Mühsal (omnis cura
omnium laborum) vergeht. Von dieser Zeit an habt ihr
jedoch festgelegte, vorherbestimmte Zeitabschnitte,
die auf jene Zeit hinauslaufen, in welcher der Sohn
des Verderbens auftreten wird. Gewinnt also Kraft
und seid stark, meine Auserwählten, und hütet euch
sehr, in die Schlinge des Todes zu fallen. Erhebt
vielmehr das Banner dieser Worte und schart euch
gegen den Sohn der Bosheit zusammen. Folgt nämlich
inmitten des Irrtums jener Wege, die dem Sohn des
Verderbens, welchen ihr den Antichrist nennt,
voranlaufen und folgen, der Spur dessen, der euch
den Weg der Wahrheit lehrte, als er im Fleisch auf
Erden in großer Demut und nicht mit Stolz erschien.
Hört also und versteht!
20.
Worte des Geistes an die Kirche der Endzeit
Der Geist spricht
nämlich zur Kirche über die Zeit des letzten
Irrtums. Denn der Tod rennt gegen die Kirche zu
derselben Stunde an, da am Ende der Zeiten der
verfluchte Lästerer (maledictus maledictionis)
kommt; er ist der Fluch der Flüche, wie mein
Sohn im Evangelium über die Stadt des schlimmsten
Irrtums bezeugt und spricht.
21.
Das Evangelium darüber
„Und
du Kapharnaum, wirst du dich etwa bis in den Himmel
erheben? Bis zur Unterwelt wirst du hinabfahren"
(Mt. 11,23). Das ist so: O du Höhle der Bosheit, du
bist eine verborgene Grube (fossa absconsionis) und
hast Flügel heuchlerischer Verstellung (simulationis
hypocritarum); wie könntest du auf der Höhe der
Mauer stehen, da dein Auge auf die Schlechtigkeiten
der Laster blickt, die das brennende Licht im Kot
verstecken und sagen: „Wer gleicht dem
heuchlerischen Mörder“, den die Törichten Herrscher
nennen? Wirst du etwa den Himmel mit Wundern und
Zeichen (in miracu-lis signorum) erringen, wenn du
deinen Finger in die Unterwelt tauchst? Wieso? Deine
Werke erreichen den Grund der Hölle; dort wirst du,
von ihrer Gefräßigkeit verschlungen, liegen, so dass
auch diese Unterwelt jenen Gestank ausspeit, in dem
die Welt die Bitterkeit des Todes am Verderber der
Verworfenen (in perditore perditionum) sehen wird.
22.
Nach der Erschütterung des Erdkreises werden die
vier Elemente gereinigt und die Zahl der Kinder der
Kirche voll gemacht, damit es dem Haupt nicht an
Gliedern fehle
Doch ein Haupt darf
nicht ohne Leib und die übrigen Glieder sein. Das
Haupt der Kirche ist der Sohn Gottes, der Leib und
die übrigen Glieder, welche dazu gehören (sequuntur),
ist die Kirche mit ihren Kindern. Die Kirche ist
aber in ihren Gliedern und ihren Kindern noch nicht
vollendet, sondern am Jüngsten Tag, wenn die Zahl
der Erwählten voll gemacht wird, ist dann auch die
Kirche vollständig. Am Jüngsten Tag jedoch kommt es
dann auch zur Erschütterung des Erdkreises, wenn
ich, Gott, die vier Elemente reinige, mit dem, was
am menschlichen Fleisch sterblich ist. Dann wird
auch am Ende der Welt die Freude der Kirche an der
Nachkommenschaft vollkommen sein.
23.
Der Weltlauf ist jetzt beim siebten Abschnitt und
nach der Drangsal werden die versiegelten
Geheimnisse der Bücher offen und gelassen, wie in
diesem Buch, ausgesprochen; und es gibt keine
weitere Zählung mehr. Das Übrige darf der Mensch
nicht wissen
Wie nämlich schon
gesagt wurde, vollendete Gott in sechs Tagen seine
Werke. Die fünf Tage sind die fünf Zeitabschnitte.
Im sechsten wurden auf Erden neue Wundertaten
offenkundig, wie auch am sechsten Tag der erste
Mensch gebildet wurde. Doch jetzt ist der sechste
Abschnitt beendet; mit dem siebten Abschnitt ist nun
der Weltenlauf gleichsam am siebten Tag angelangt.
Denn die Mühe, welche sich früher die
unerschrockenen (fortissimi) Lehrer um die
unerschöpflichen, unzugänglichen und versiegelten
(Geheimnisse) der heiligen Schriften machten, ist
nun offenkundig und soll jetzt öffentlich in
gelassener Rede — wie die Worte dieses Buches —
gleichsam am siebten Tag der Ruhe zutage treten.
Sechs Tage sind nämlich zum Wirken da, der siebte
gehört der Ruhe. Ein anderes Zeitmaß gibt es nicht.
Was darüber hinausgeht, o Mensch darf man nicht
wissen, sondern es ist im Geheimnis des Vaters
beschlossen. Ihr aber, o Menschen, habt von dieser
Zeit diesen Abschnitt für euern Lauf (zur
Verfügung), bevor jener Menschenmörder kommt, der
den katholischen Glauben zu vernichten begehrt. Über
die folgenden Geschehnisse ist euch nicht gestattet,
Zeit oder Augenblick zu wissen, wie ihr auch nicht
wissen könnt, was nach den sieben Tagen der Woche
geschieht (sit); der Vater allein vielmehr weiß es,
der es auch in seiner Macht festgesetzt hat. Über
die Tage der Woche oder über die Zeitabschnitte der
Welt, darfst du, o Mensch, nichts weiter wissen.
24.
Warum Gott wollte, dass sein Sohn am Ende der Zeiten
Mensch werde
Doch nach den fünf
Zeitaltern verkündete ich der Welt himmlische
Wundertaten, wie auch in fünf Tagen die andere
Kreatur vor dem Menschen geschaffen worden war,
welche dem Menschen Untertan ist. So hatte es auch
eine große Zahl Heiden und Juden gegeben und
verschieden Spaltungen durch mannigfache Übel waren
sowohl unter dem heidnischen, als auch dem jüdischen
Volk aufgekommen (efferbuerant). Das Gesetz und die
Prophetie hatten sich schon abgemüht und alle Völker
waren sowohl im Guten als auch im Bösen erprobt
worden, bevor mein Eingeborener aus der Jungfrau
Fleisch annehmen sollte. Denn ich wollte ihn nicht
senden, bevor all dies vorangegangen war, damit alle
Gerechtigkeit an ihm erprobt werde und alle
Ungerechtigkeit an ihm Ärgernis nehme.
Wäre mein Sohn aber
früher gekommen, wäre das gleichsam unklug
geschehen, wie auch jener Mensch unverständig
handelt, der seine Früchte einsammeln will, bevor
sie reif sind. Oder wenn seine Fleischwerdung bis
zum Ende der Welt selbst aufgeschoben worden wäre,
würde er unvermutet kommen, wie ein Vogelfänger, der
die Vögel listig fängt, da sie nicht wissen, wie sie
ins Netz geraten sind. Doch mein Sohn kommt zu jener
Zeit, da sich der Tag nach der neunten Stunde
gleichsam dem Abend zuneigt, nämlich wenn die größte
Kraft des Tages geschwunden ist und es kalt zu
werden beginnt. So war auch mein Sohn nach fünf
Zeitaltern in der Welt gegenwärtig, als die Welt
schon zum Untergang eilte. Was folgt daraus? Er kam
und erschloss das Innerste (medullam) des Gesetzes,
als er das Wasser des Gesetzes in den Wein des
Evangeliums verwandelte und auch starke Ströme der
Tugendkräfte entstehen ließ. Er vollbrachte das
durch ein so zeitgerechtes Kommen, dass die Tugenden
der Kirche (ecclesia-sticae), welche der Heilige
Geist entflammte, durch feste Wurzeln in den
Menschen erstarkten und die Jungfräulichkeit, welche
er in seiner Person brachte, überall die schönsten
Blumen aufkeimen lassen konnte.
25.
Vom Antichrist und seiner Mutter
Doch der wahnsinnige
Mörder, nämlich der Sohn des Verderbens, wird in
kürzester Zeit kommen, wie der Tag schon scheidet,
wenn die Sonne am Abend untergeht, d. h. wenn die
letzte Zeit schon schwindet (cadit) und die Welt
ihren Lauf aufgibt. O meine Getreuen, hört dieses
Zeugnis und versteht es ergeben als Warnung (ad
cautelam vestram), damit euch nicht der ohne euer
Wissen plötzlich über euch kommende Schrecken dieses
Verderbers ins Unglück des Unglaubens und der
Verwerfung stürze. Bewaffnet euch daher und bereitet
euch, auf diese Weise gewarnt, mit zuverlässigen
Verschanzungen für den so heftigen Kampf. Wenn
nämlich diese Zeit gekommen ist, da jener schlimme
Betrüger schrecklich in Erscheinung treten soll, ist
die Mutter, welche diesen Verführer in die Welt
setzen soll (eiciet), von ihrer Kindheit an und im
Mädchenalter durch teuflische Künste voller Laster
in einer abgelegenen Wüste unter ganz gottlosen
Menschen erzogen worden. Ihre Eltern wissen nichts
von ihrem dortigen Aufenthalt und die, mit denen sie
zusammenlebt, kennen sie nicht; denn der Teufel
überredet sie, dorthin zu gehen und bereitet sie
dort durch Täuschung nach seinem Wunsch vor, als ob
er ein heiliger Engel wäre. Und sie trennt sich
deshalb von den Menschen, um sich umso leichter
verbergen zu können. Daher vereinigt sie sich auch
mit einigen, wenn auch wenigen Männern heimlich in
der schlimmsten Preisgabe der Unzucht und entehrt
sich mit ihnen in so großem Eifer für die
Unsittlichkeit, wie der heilige Engel sie die
Leidenschaft ihre Schlechtigkeit vollbringen lässt.
Und so empfängt sie in der brennendsten Glut ihrer
Unzucht den Sohn des Verderbens und weiß nicht, von
welchem Samen dieser Männer sie ihn empfangen hat.
Doch Luzifer, nämlich
die alte Schlange, von dieser Schändlichkeit
entzückt, weht nach meinem gerechten Urteil dieses
Gerinnsel mit seinen Ränken an und besitzt es mit
allen seinen Kräften gänzlich im Schoß seiner
Mutter. So geht dieser Verderber aus dem Leib seiner
Mutter voll teuflischen Geistes hervor. Dann meidet
sie die gewohnte Unzucht und sagt dem törichten und
unwissenden Volk offen, dass sie keinen Mann habe
und den Vater ihres, Kindes nicht kenne. Die
Unzucht, die sie beging, nennt sie heilig und daher
hält sie das Volk für heilig und nennt sie so. So
wird der Sohn des Verderbens bis zum kräftigeren
Alter erzogen und entzieht sich immer dem ihm
bekannten Volk.
26.
Von der Mutter in den magischen Künsten unterwiesen,
führt er mit Gottes Zulassung seinen Willen an den
verschiedenen Geschöpfen aus
Seine Mutter aber
zeigt ihn mittlerweile mittels einiger magischer
Künste sowohl dem Volk, das Gott verehrt, als dem,
das ihn nicht ehrt. So bewirkt sie, dass er von
ihnen gesehen und geliebt wird. Wenn er zum
Vollalter gelangt ist, wird er öffentlich eine
verderbliche (contrariam) Lehre vertreten (docebit)
und so mir und meinen Erwählten entgegentreten; er
wird so große Kraft gewinnen, dass er versucht, sich
in seiner gewaltigen Macht über die Wolken zu
erheben. Denn ich erlaube ihm nach meinem gerechten
Urteil, seinen Willen an verschiedenen Geschöpfen
auszuführen. Denn wie der Teufel am Anfang sprach:
,Ich werde dem Höchsten gleich sein' und fiel, so
lasse ich auch zu, dass dieser Teufel in der Endzeit
stürzt, wenn er in diesem seinem Sohn sagt: ,Ich bin
der Erlöser der Welt.' Und damit die Gläubigen in
der ganzen Welt erkennen, dass Luzifer ein Lügner
war, als er am Anfang der Tage Gott gleichen wollte,
so soll auch jeder Gläubige sehen, dass dieser Sohn
der Bosheit ein Lügner ist, wenn er sich vor dem
Jüngsten Tag dem Sohn Gottes ebenbürtig macht.
27.
Von seiner Macht und den verschiedenen Wundern, die
er zu vollbringen scheint
Er ist nämlich ein
ganz schlimmes wildes Tier und tötet die Menschen,
die ihn ablehnen. Er gesellt sich Königen, Führern,
Fürsten und Reichen zu, unterdrückt die Demut und
richtet den Stolz auf. Den Erdkreis unterwirft er
sich mit teuflischer List. Denn seine Macht dringt
bis zur Behausung (labrum) des Windes vor, so dass
er die Luft in Bewegung zu setzen, Feuer aus dem
Himmel zu bringen und Blitz, Donner und Hagel zu
verursachen scheint. Er scheint auch die Berge
umzustürzen, die Wasser auszutrocknen, den Wäldern
ihr Grün zu nehmen und ihnen ihren Saft wieder
zurückzugeben. Solche Täuschungen zeigt er an
verschiedenen Geschöpfen, d.h. bezüglich ihrer
Feuchtigkeit, Grünkraft und Dürre. Er lässt aber
auch nicht davon ab, an Menschen seine Betrügerei zu
wirken. Auf welche Weise? Offenbar verursacht er bei
den Gesunden Krankheit und bei den Kranken
Gesundheit, scheint Dämonen auszutreiben und
zuweilen Tote zu erwecken. Wie? Wenn nämlich
manchmal jemand verschieden ist (vita evanuerit),
dessen Seele in der Gewalt des Teufels ist, übt er
zuweilen — mit meiner Zulassung — an dem Leichnam
seinen Mutwillen (illusiones) aus und bringt seine
Leiche in Bewegung, als ob sie lebe; allerdings wird
ihm das nur ganz kurze Zeit und nicht über eine
längere Zeitspanne zu tun gestattet, damit nicht
durch diese Anmaßung die Ehre Gottes ins Lächerliche
gezogen werde. Einige, die das sehen, vertrauen ihm.
Manche aber möchten bei ihrem früheren Glauben
bleiben und ihn dennoch gnädig stimmen. Da er sie
wenigstens doch nicht grausamer verletzten will,
schickt er ihnen irgendwelche Krankheiten. Suchen
sie jedoch ein Heilmittel bei den Ärzten und können
nicht geheilt werden, laufen sie zu ihm zurück und
versuchen, ob er sie zu kurieren vermag. Wenn er sie
aber dann aufsucht, nimmt er ihnen die Krankheit
weg, die er ihnen auferlegt hat; daher lieben sie
ihn sehr und glauben an ihn. Und so werden viele
getäuscht, wenn diese die Augen des inneren Menschen
umnebeln, mit denen sie auf mich schauen sollten. In
dieser Erprobung ihres Geistes wollen sie in einer
gewissen Neugier wissen, was sie mit den äußeren
Augen sehen und mit Händen greifen; das Unsichtbare,
welches in mir vorhanden und im wahren Glauben zu
ergreifen ist, verachten sie. Denn sterbliche Augen
können mich nicht erblicken, sondern ich zeige meine
Wunder im Schattenbild, wem ich will. Mich selbst
aber wird keiner schauen, solange er im sterblichen
Leib lebt, nur im Schatten meiner Geheimnisse, wie
ich zu meinem Diener Moses sagte und geschrieben
steht.
28.
Worte des Moses über die Schau Gottes
„Kein
Mensch wird mich sehen und kann am Leben bleiben"
(Ex. 33,20). Das ist so: Wer sterblich ist, wird den
irdischen Blick seiner Vergänglichkeit nicht auf die
Herrlichkeit meiner Gottheit richten, um das
sterbliche Leben in unvergänglicher Asche besitzen
zu können, während er sich im Wandel der
vergänglichen Zeit befindet, d. h. ein Leben
verlässt und zu einem andern übergeht. Denn alles
Lebendige ist durch mich dauerhaft, weil ich lebe;
und in mir gibt es keine Veränderung. Wie nämlich
eine Mücke nicht am Leben bleiben kann, wenn sie
sich in eine Feuerflamme stürzt, so könnte auch kein
sterblicher Mensch bestehen, wenn er das Aufleuchten
meiner Gottheit sähe. Ich aber zeige mich den
sterblichen Menschen, solange sie von der Last ihrer
Sterblichkeit beschwert sind, so in einem
Schattenbild, wie ein Maler den Menschen das
Unsichtbare durch seine gemalten Bilder
verdeutlicht. Doch wenn du, o Mensch, mich liebst,
umarme ich dich und erwärme dich mit der Glut des
Heiligen Geistes. Wenn du mich nämlich in deiner
guten Absicht anblickst und mich durch deinen
Glauben erkennst, dann bin ich mit dir. Doch die
mich verachten, wenden sich zum Teufel hin, weil sie
mich nicht kennen wollen. Daher verwerfe auch ich
sie.
29.
Einige vom Teufel Betrogene lassen täuschenderweise
Wunderzeichen an Geschöpfen sehen, aber sie können
sie nicht in eine andere Art verwandeln
Diese aber verspottet
und täuscht der Teufel, wie immer es ihm beliebt, so
dass sie für wahr halten, was er ihnen zeigt. Und
diese List seiner Täuschung flößt der Teufel jenen
ein, die auf ihn vertrauen, so dass auch sie die
Menschen in dieser Kunst täuschenderweise
Wunderzeichen an Geschöpfen nach ihrem Wunsch sehen
lassen. Aber dennoch können weder die Elemente noch
die anderen von Gott geschaffenen Kreaturen in eine
andere Art verwandelt werden; sie täuschen nur durch
ihre Betrügereien denen, welche an sie glauben,
unheimliche nebelhafte Erscheinungen an ihnen vor.
Denn auch Adam verlor, als er nach mehr verlangte
als er haben sollte, die Paradiesesherrlichkeit. So
verlieren auch diese Auge und Ohr des inneren
Menschen, weil sie Gott verlassen und den Teufel
verehren.
30.
Auf wie verschiedene Art der Antichrist die Seinen
täuscht und warum ihm das gestattet wird
Auf diese Weise
bewerkstelligt der Sohn des Verderbens seine
täuschenden Künste an den Elementen und lässt an
ihnen — je nach dem Wunsch der Menschen, die er
täuscht — Schönheit, Anmut und Reiz sehen. Diese
Gewalt ist ihm aber deshalb zugestanden, damit die
Gläubigen im rechten Glauben erkennen, dass der
Teufel keine Macht über das Gute hat, sondern nur
über die Übel des ewigen Todes. Denn was immer
dieser Sohn der Bosheit tut, wirkt er mit Gewalt,
Stolz und Grausamkeit; er besitzt keine
Barmherzigkeit, Demut und Unterscheidung, sondern
drängt die Menschen mit einem Befehl und großer
Verblüffung dazu, ihm zu folgen. Er gewinnt eine
große Schar (plurimos populos) für sich, indem er
ihnen sagt, sie dürften frei ihren Willen erfüllen
und brauchten sich nicht zu vielem Wachen und Fasten
verpflichten. Er verheißt ihnen, dass sie nur ihren
Gott, der er zu sein vorgibt, zu lieben brauchten,
um, von der Hölle befreit, zum Leben zu gelangen.
Daher sagen die derart Getäuschten: ,O weh, diese
Unglücklichen, welche vor diesen Zeiten lebten, ihr
Leben mit grausamen Quälereien erschwerten und ach,
die Güte unseres Gottes nicht kannten.' Jener zeigt
ihnen nämlich Schätze und Reichtum und erlaubt
ihnen, nach ihren Wünschen zu schwelgen. Mit
trügerischen Zeichen bekräftigt er seine Lehre, so
dass sie glauben, es nicht nötig zu haben, ihren
Leib irgendwie in Zucht zu nehmen und zu bändigen.
Er befiehlt ihnen jedoch, die Beschneidung und das
Judentum nach den Gebräuchen der Juden zu beobachten
und erleichtert ihnen die schwereren
Gesetzesvorschriften, welche das Evangelium — mit
würdiger Buße verbunden — in Gnade wandelt, nach
ihrem Willen. Und er spricht: ,Wer sich zu mir
bekehrt, dessen Sünden werden getilgt und er wird
mit mir in Ewigkeit leben.' Er verwirft auch die
Taufe und das Evangelium meines Sohnes und spottet
über alle Gebote, die der Kirche übergeben sind. Und
wiederum sagt der Teufel spöttisch zu denen, die ihm
dienen: ,Seht nur, wer und wie verrückt der gewesen
ist, welcher dem einfachen Volk mit seiner
Betrügerei das zur Beobachtung aufgestellt hat!'
31.
Vom Scheintod des Antichrist und dem Buch der
Verwünschung; wer ihm widerspricht, wird getötet
,Ich aber will für
euch und zu euerm Ruhm sterben und vom Tod
auferstehen und so werde ich mein Volk von der Hölle
befreien, so dass ihr von nun an glorreich in meinem
Reich lebt; dieser Betrüger gab vor, das schon
früher getan zu haben.' Und darauf befiehlt er
seinen Anhängern (dilectis), ihn mit einem Schwert
zu erschlagen und ihn bis zum Tag seiner
Auferstehung in reines Leinen zu hüllen. Und sie
werden so getäuscht, dass sie glauben, ihn zu töten
und auf diese Weise seine Befehle auszuführen;
später ersteht er scheinbar und führt eine Schrift
vor, die gleichsam zum Heil der Seelen eine
schreckliche Verwünschung enthält. Er übergibt sie
den Menschen als Zeichen und lässt sich von ihnen
anbeten. Wenn das aber ein Gläubiger aus Liebe zu
meinem Namen verweigert, wird er von ihm durch
grausame Pein und Foltern vernichtet. Daher sind
alle, die das sahen oder hörten, von Staunen und
Zweifel betroffen, wie auch mein geliebter Johannes
zeigt und spricht.
32.
Worte des Johannes
„Und
ich sah eins von seinen Häuptern tödlich getroffen
und seine Todeswunde wurde geheilt. Und voll
Bewunderung folgte die ganze Welt dem Tier" (Apk.
13,3). Das ist so: Ich, der Liebhaber der
Geheimnisse Gottes, sah, wie der Betrüger und
Verfluchte mit ganz großen und unzähligen Bosheiten
die Unschuld (sanctimoniam) der Heiligen umzingelt
und sie mit vielfachen Lasten heimsucht. Er wird
durch die Listen seiner Betrügereien vortäuschen,
sein Blut bei seiner Hinmordung zu vergießen und so
zu sterben. Nicht körperlich findet er den Tod,
sondern er wird gleichsam als täuschendes
Schattenbild erschlagen und für sterbend erachet.
Daher gibt er auch — als sei er mit seinen
täuschenden Wunden tot — vor, wie aus einem
Todesschlaf zum Leben erwacht zu sein. Und so werden
alle Menschen auf der ganzen Erde, starr vor Staunen
und Schrecken über ihn, in Furcht vor diesem
Verfluchten geraten, wie auch das Volk über die
Größe und Stärke Goliaths entsetzt war, als es ihn
bewaffnet zum Kampf sich gegenüberstehen sah. Wie du
siehst, scheinen auch so die Säulen meiner
Auserwählten, sowohl vor diesen Foltern als auch vor
den widersprüchlichen, auffallenden und
schrecklichen Zeichen, welcher dieser Sohn des
Verderbens von sich gibt, von großem Staunen und
Zittern erfasst zu sein und stöhnen vor Jammer und
Not auf.
33.
Warum Henoch und Elias bis zu dieser Zeit
zurückbehalten werden
Doch meine beiden
Zeugen, die ich im Geheimnis meines Willens bis zu
dieser Zeit aufbewahrt habe, nämlich Henoch und
Elias, werde ich aussenden, damit sie ihn bekämpfen
und die Irrenden zum Weg der Wahrheit zurückführen.
Sie werden meinen Gläubigen die stärksten und
kräftigsten Tugenden vor Augen führen. Denn weil die
Worte ihres Zeugnisses in beider Mund ganz
übereinstimmen, werden sie den Hörern den Glauben
bringen. Deswegen sind diese beiden Zeugen der
Wahrheit nämlich solange bei mir zurückbehalten
worden, damit sogleich bei ihrem Auftreten ihr Wort
in den Herzen meiner Erwählten verstanden und
bekräftigt werde und der Spross meiner Kirche von da
an in großer Demut Bestand habe. Und sie werden zu
den Kindern Gottes, deren Namen im Buch des Lebens
stehen, sprechen.
34.
Ihre Worte an die Kinder Gottes
,O ihr Redlichen, zum
herrlichen Lob der beglückenden Gnaden des (ewigen)
Lebens erwählt, hört und versteht, was wir euch
zuverlässig berichten: Dieser Verfluchte ist vom
Teufel entsandt, um die Seelen, welche sich seinen
Vorschriften unterwerfen, in Irrtum zu führen. Wir
lebten nämlich von dieser Welt zurückgezogen, in den
Geheimnissen Gottes zurückbehalten, die den Menschen
verborgen sind. Der Sorge und Angst der Menschen
waren wir entzogen. Dazu aber sind wir aufbewahrt
und zu euch gesandt worden, um den Irrtümern dieses
Verderbers zu widersprechen. Seht also, ob wir euch
nicht an Wuchs und Alter ähneln.'
35.
Von ihren wahrhaftigen Zeichen, durch die der Betrug
des Antichrist verworfen wird
Und alle, die den
wahren Gott erkennen und bekennen wollen, folgen
diesen beiden Greisen und wahren Zeugen, die das
Banner der göttlichen Gerechtigkeit tragen, und
geben den ungerechten Irrtum auf. Denn sie werden
unter lautem Lobpreis vor Gott und den Menschen
aufleuchten, Ortschaften, Straßen und Städte, sowie
die anderen Orte, wo immer der Sohn des Verderbens
seine verderbliche Lehre ausgestreut hat, durcheilen
und dort viele Zeichen im heiligen Geist wirken. So
wird das ganze Volk, welches sie sieht, zu größter
Bewunderung geführt. Diese großen Wunderzeichen, die
auf festem Felsen gründen, werden ihnen aber
deswegen geschenkt werden, dass die verderblichen
und falschen Zeichen herabgesetzt werden. Denn wie
ein Blitz zündet und verbrennt, so handelt auch der
Sohn des Verderbens. Mit seiner schlimmen Bosheit
und Schlechtigkeit verbrennt er die Leute durch
magische Künste wie ein feuriger Blitz. Doch Henoch
und Elias werfen mit der rechten Lehre seine ganze
Kohorte gleichsam mit einem Donnerschlag
eingeschüchtert zu Boden und festigen so die
Gläubigen.
36.
Nach dem von Gott zugelassenem Tod erhalten sie den
Lohn ihrer Mühen
Sind sie jedoch mit
der Zulassung meines Willens schließlich von ihm
getötet worden, erhalten sie den Lohn für ihre Mühen
im Himmel. Dann fallen zwar die Blüten ihrer Lehre
ab, weil ihre Stimme in der Welt bereits verstummt
ist, aber in den Erwählten tritt die gute Frucht
zutage. Diese verachten die Phrasen (verba) und die
Wut der teuflischen List und sind wohlgefestigt in
der Hoffnung auf das himmlische Erbe, wie auch
Salomon auf den guten und redlichen Menschen
verweist und spricht: Das Haus des Gerechten ist am
dauerhaftesten und im Gewinn des Gottlosen liegt
Beunruhigung (Spr. 15,6). Das ist so: Das sichere
Haus (acutum tabernaculum), in dem es keinen Schmerz
(contritio) und kein Unglück gibt, ist der besondere
Spiegel des göttlichen Auges im redlichen Menschen.
In ihm sieht dieses Auge die Kraft seiner
Wundertaten gleichsam im Herannahen eines tödlichen
Schwertes.
Doch in den Taten,
die wie wachsende Früchte aus einem hochmütigen
Herzen hervorgehen, das in seinen Eigenwilligkeiten
Ruinen errichtet, wird eine gewisse Traurigkeit
stecken, weil dieses stolze Herz nicht auf die
Hoffnung vertraut, welche in himmlischer Sättigung
erblüht.
37.
Alle Glieder der Kirche werden durch den anmaßenden
Übermut des Antichrist in Schrecken versetzt, der
glaubt, er könne das Innerste des Himmels
durchdringen
Dass du aber siehst,
wie sich dieses unförmige Haupt mit so großem
Getöse von seiner Stelle löst, dass die ganze
erwähnte Frauengestalt in allen ihren Gliedern davon
erzittert, bedeutet: Wenn der Sohn des
Verderbens, der das Haupt der Bosheit ist, sich in
heftigem arrogantem Hochmut aus der ihm anhaftenden
Bosheit wie aus einem kleinen Irrtum erhebt, reißt
er einen größeren Wahn an sich; er möchte sich
nämlich über alle erhöhen, d.h., wenn seine
Täuschungen ans Ende gelangt sind, wird die ganze
Kirche in all ihren größeren und kleineren Kindern
in großen Schrecken versetzt und erwartet seine
wahnsinnige Anmaßung. Und es befindet sich eine
Unmenge Kot um das Haupt; es erhebt sich daraus wie
über einen Berg und versucht zur Himmelshöhe
aufzusteigen. Denn die so großen Listen der
teuflischen Nachstellung, welche viel Unreinheit
verursachen, stehen diesem Sohn der Bosheit bei,
verleihen ihm die Flügel des Stolzes und erheben ihn
zu solcher Anmaßung, dass er sogar glaubt, das
Innerste des Himmels durchdringen zu können. Auf
welche Weise? Wenn er nämlich den Willen des Teufels
vollkommen erfüllt hat, so dass er nach dem
gerechten Urteil Gottes keine Erlaubnis mehr zu
seiner so großen Macht an Bosheit und Grausamkeit
erhält, sammelt er seine ganze Horde und sagt denen,
die an ihn glauben, er wolle in den Himmel auffahren
(ire). Doch wie der Teufel nicht wusste, dass der
Gottessohn zur Erlösung der Seelen geboren werde, so
ist auch diesem großen Übeltäter (pessimus) nicht
bekannt, dass der kräftige Schlag der Hand Gottes
über ihn kommt, wenn er sich in das todbringende
Übel aller Übel einhüllt.
38.
Die Macht Gottes vernichtet in sichtbarer Stärke
gleichermaßen den Sohn des Verderbens wie den Teufel
durch ewige Verdammnis
Und
da ertönt plötzlich etwas wie ein Donnerschlag und
trifft das Haupt mit solcher Wucht, dass es von
diesem Berg herabstürzt und seinen Geist im Tod
aushaucht.
Denn die sich offenbarende Macht Gottes streckt den
Sohn des Verderbens mit solcher Kraft seines Eifers
nieder, dass er vom Hochmut, mit dem er sich gegen
Gott erhoben hatte, durch den großen Fall seiner
Anmaßung kopfüber herabstürzt und so im Tod ewiger
Verdammnis seinen Lebensodem vollständig von sich
gibt (evomit). Denn wie die Versuchungen meines
Sohnes beendet wurden, als er bei der Versuchung dem
Teufel befahl: ,Weiche Satan' und jener erschreckt
floh, so werden auch diese Verfolgungen, die der
Sohn der Bosheit über die Kirche bringt, in diesem
meinem Eifer ihr Ende finden.
39.
Höllischer Gestank und Dunst wird den Ort seiner
Überheblichkeit erfüllen, damit die Getäuschten
zurückweichen
Daher ergreift auch sogleich ein so
übelriechender Dunst den ganzen Berg, und das Haupt
wird darin von so großem Schmutz bedeckt, dass das
dabeistehende Volk in größten Schrecken versetzt
wird. Denn der so unreine und höllische Gestank
wird den Ort seiner Überheblichkeit ganz erfüllen,
an dem jener schlimme Verleumder einen solchen
Schmutz ausspie (efferve-bat), dass man sich nach
gerechtem Urteil Gottes von da an weder an seinen
Beginn noch an sein Ende erinnern kann. Jene Scharen
sehen nämlich seine Leiche stumm auf die Erde
hingestreckt und von großer Fäulnis erfüllt; sie
erkennen, dass sie getäuscht sind und der Dunst
bleibt noch etwas länger um diesen Berg herum.
Denn jener Gestank, der den teuflischen Hochmut
umgibt (circumamplectens), erweist ihn als unrein,
damit die von ihm verführten Menschen, welche den
Gestank und jenen Schmutz wahrnehmen, ihren Irrtum
meiden und zur Wahrheit zurückkehren. Denn
als das anwesende Volk das sieht,
wird es von großer Angst erfüllt; als sie das
nämlich erblicken, überfällt sie größtes Entsetzen,
so dass sie heulend und weinend in Klagen ausbrechen
und bekennen, sie hätten sich schwer getäuscht.
40.
Nach der Niederstreckung des Sohnes des Verderbens
wird die Braut Christi vom Glanz wunderbarer
Schönheit strahlen, während die Irrenden zum Weg der
Wahrheit zurückkehren
Und
plötzlich erscheinen die Füße der erwähnten
weiblichen Gestalt glänzendweiß und leuchten heller
auf als der Glanz der Sonne.
Das
heißt: Die Stärke des Fundaments und die Stütze der
Braut meines Sohnes wird den großen Glanz des
Glaubens zeigen und jene Schönheit, die alle Anmut
irdischer Herrlichkeit übertrifft, aufweisen, wenn
der Sohn des Verderbens — wie schon gesagt wurde —
niedergestreckt ist und viele der Verirrten zur
Wahrheit zurückkehren.
41.
Der Tag des Gerichts kann niemand als Gott kennen
Doch nach dem Fall
des Gottlosen soll der sterbliche Mensch nicht zu
erfahren suchen, wann bei der Auflösung der Welt der
Jüngste Tag eintrifft, denn er kann ihn nicht
kennen. Der Vater hat ihn nämlich in seinem
verborgenen Geheimnis aufbewahrt. Bereitet euch also
zum Gericht, o Menschen! Wie aber schon erwähnt
wurde, wird der Sohn des Verderbens mit seinem
Vater, dem Teufel, und mit all seinen Künsten in der
Endzeit von meinem Sohn, dem stärksten Kämpfer,
überwunden werden, wie auch die so starken Feinde
des Samson, der sein Vorbild war, verworfen wurden,
wie geschrieben steht.
42.
Ein Beispiel von Samson
„Durch
die starke Erschütterung der Säulen stürzte das Haus
über allen Fürsten und den übrigen Leuten, die sich
darin aufhielten, zusammen und er brachte sterbend
viel mehr Menschen um, als er in seinem Leben
getötet hatte" (Ri. 16,30). Das ist so:
Dem Sohn Gottes, d.h.
dem so starken Samson, verband sich zuerst die
Synagoge. Ihr teilte er in seiner wunderbaren Lehre
die Geheimnisse (occulta) mit, welche im Alten
Testament verborgen waren, und erschloss ihr gütig
die Süße dieses Gesetzes, welche stärker als ein
Löwe war. Sie aber täuschte ihn und bewirkte, dass
seine Geheimnisse verspottet wurden; sie wollte
nicht auf seine Lehre blicken, sondern verachtete
sie in großem, hochmütigem Stolz (fastu superbiae).
Daher verkündete er erzürnt (commotus), dass das
Reich Gottes von ihr genommen und einem anderen Volk
verliehen werde. Also zog er unter vielen
Wunderzeichen mit einer sehr großen Schar nach
Jerusalem hinauf und wurde durch den Unglauben
derer, die ihre Kleider auf dem Weg ausbreiteten,
getötet. Dort schenkte er ihnen durch die Wunder,
durch die er von seiner Braut verraten worden war,
was er verheißen hatte. Und mit demselben Zorneifer
verließ er diese seine Braut, als er vorher
verkündete, dass ihr Haus öde zurückgelassen werde.
Doch der Vater jener Braut, nämlich die teuflische
Täuschung, verband sie mit einem anderen Mann, d.h.
mit dem Unglauben. Da sandte der Sohn Gottes kluge
Wölfe, nämlich die Apostel aus. Sie verbrannten mit
dem Feuer des Heiligen Geistes die Saaten ihrer
Feinde, d.h. sie vertauschten die
Gesetzesvorschriften mit geistiger Einsicht. So
wurde die Synagoge mit ihrem Vater verbrannt,
nämlich der schlimme Unglaube der Synagoge
vernichtet. Darauf tötete er unter großen Zeichen
und erstaunlichen Wundertaten die Ungläubigen, so
dass alle vor lauter Betroffenheit erzitterten, als
sie sagten, sie fürchteten, dass die Römer kommen
und ihr Land und Volk vertilgen (tollere) würden.
Deshalb sammelten sie ihre Horde, um ihn zu
verderben, doch er verbarg sich auf einem Berg im
Gebet; damals bat er darum, dass jener Kelch an ihm
vorübergehen möge, wenn es möglich wäre.
Doch Judas Iskarioth
verriet ihn und lieferte ihn den Händen seiner
Feinde aus. Er aber verheimlichte die Stärke seiner
Kraft, die er im Haar, d. h. in seinem Vater besaß.
Das wusste das Volk nicht, nur im Glauben ist es
erfassbar, wie man die Haare am Kopf sieht. Als er
später leiden wollte, zeigt er die Kraft seiner
Stärke; er ergreift nämlich den Kinnbacken eines
Esels, als er zu den Töchtern Jerusalems sagt, sie
sollten nicht über ihn, sondern über sich selbst
weinen. So setzte er ihnen zu (illas occidens),
indem er ihnen nämlich den Schrecken der künftigen
Übel voraussagte.
Und als er so
erschöpft am Kreuz Durst empfand, ging vom
Heidenvolk ein Quell des Glaubens aus. Er schämte
sich nicht, davon zu trinken und sagte auch, dass es
so vollbracht sei. Daher stieg er auch, als er
aushauchte, in die Hölle, d.h. zur Buhlerin hinab,
als seine Feinde ihn belagerten, da sie Wächter an
sein Grab stellten. Doch er erstand vom Tod und
gelangte mit den zwei Torflügeln — mit seinen
besonderen Erwählten und mit dem ganzen Volk, die er
aus der Hölle befreite — ins himmlische Reich. Aber
es fragte ihn die allerschönste Braut — nämlich die
Kirche, die so mit ihm vereint war — begierig (diligentissime),
wie sie seine Kraft erkennen könnte. Er aber
enthüllte ihr seine Kräfte nicht sofort auf einmal (repente),
sondern nach und nach, wie es ihm angemessen schien
(cum discretione). Wieso? Sobald die Gläubigen den
katholischen Glauben empfangen hatten, glaubten
manche von ihnen, dass sie, wie unter dem alten
Gesetz, so auch im neuen bis zur Vervollkommnung
wandeln müssten. Das war die Fessel aus frischen
Sehnen, welche jedoch noch nicht ganz ausgetrocknet
waren. Daher sprach die Kirche zu der noch
unerfahrenen großen Menge: ,Das ist die Kraft meines
Bräutigams.' Und das Volk, welches das hörte, wollte
Gott in plötzlicher Begeisterung, als es diese Worte
vernahm, nur verehren, aber nicht nach der Weisung
(in significatione) des Heiligen Geistes wandeln.
Doch so erkannte man seine Stärke nicht. Darauf
erhob sich in edler Art die Jungfräulichkeit wie
neue Stricke, die noch nie gebraucht wurden, da ja
auch die Jungfräulichkeit bisher nicht als rühmlich
galt. Diese Fessel berührte den Sohn Gottes zwar
stark, zeigte ihn aber dennoch nicht vollständig.
Die Kirche aber richtete sich empor und sprach: ,O
meine Freunde, das sind die stärksten Kräfte meines
Bräutigams!' Und mit großem Geschrei stürzte sich
eine Menge Volk plötzlich über ihn und rief: ,Wir
haben ihn in seiner größten Kraft überlistet!' Doch
auch so wurden seine Kräfte nicht sichtbar. Später
wurde die Kirche durch die sieben Gaben des Heiligen
Geistes — wie durch seine sieben Locken —
unerschütterlich. Diese wurden mit einem starken
Pflock als Stütze der apostolischen Verkünder
eingeschlagen. Als daher auf diese Weise das Netz
des Glaubens geknüpft war, rief die Kirche: ,O wie
stark ist mein Bräutigam mit seinen sieben Locken!'
Und alles Volk, das sie hörte, fiel über ihn her und
glaubte, er habe keine größeren Kräfte. Doch auch
diesmal verkannte man seine Kraft.
Von da an vergoss die
Kirche viele Tränen, weil sie die Stärke der
heiligen Dreifaltigkeit nicht kannte. Sie erklärte,
dass sie zwar die Menschheit des Gottessohnes
gesehen, doch seine Gottheit noch nicht vollständig
begriffen habe. Davon bewegt, offenbarte er durch
seinen geliebten Johannes zur Ehre des Vaters und in
der Glut des Heiligen Geistes die Geheimnisse der
heiligen Dreifaltigkeit, soweit es dem Menschen
gestattet ist, sie zu kennen. Und so bettet (reclinans)
er sein Haupt in den Schoß seiner Braut und ruht
darin bis zu den großen Spaltungen, die durch den
Sohn des Verderbens stattfinden werden. Dort nimmt
man ihm (abscidetur) durch das Abscheren seiner
Locken seine Kraft, da die Menschen jener Zeit mehr
danach trachten, dem Sohn des Verderbens als ihm zu
folgen und sagen: ,Was bedeutet das, o Gott, dass
wir so große und viele Wunder sehen?' Und so wird
seine Kraft geschwächt, als der wahre Glaube von der
Blindheit des Unglaubens verdunkelt zu werden
schien. Doch seine Kräfte werden wieder erwachen,
wenn Henoch und Elias erscheinen. Deswegen schlägt
er den Stolz und die Anmaßung tapfer nieder und
vernichtet den Sohn des Verderbens mit allen
teuflischen Listen und den übrigen Vergehen. Er wird
die teuflischen Laster noch viel härter zerschlagen,
sobald die Kirche unter dem christlichen Namen von
der gegenwärtigen vergänglichen Welt in die Ewigkeit
übergeht, als er es vorher tat, da der göttliche
Kult noch zeitweise in der Welt Ansehen genoss (vigeret).
Was bedeutet das? Wenn die Welt bereits zu Ende
geht, werden auch die teuflischen Verfolgungen und
das so starke Wirken der Tugendkräfte in den
Menschen zeitweise aufhören.
Wer aber scharfe
Ohren zum inneren Verständnis besitzt, lechze in
leidenschaftlicher Liebe zu meinem Abbild nach
diesen Worten und schreibe sie ins Gewissen seiner
Seele ein.
12. Vision des 3. Teils
(1-16)
Der Tag der Großen Offenbarung
Danach
schaute ich: Und plötzlich wurden alle Elemente und
Geschöpfe von einem schrecklichen Beben erschüttert,
Feuer, Luft und Wasser brachen hervor und brachten die
Erde in Aufruhr. Es dröhnte von Blitzen und
Donnerschlägen. Berge und Wälder fielen, so daß alles
Sterbliche das Leben aushauchte. Und alle Elemente
wurden gereinigt, so daß auf diese Weise alles
Schmutzige an ihnen verschwand und nicht mehr
auftauchte. Und ich hörte eine Stimme mit lautem Ruf
über den ganzen Erdkreis erschallen; sie rief: "O ihr
Menschenkinder, die ihr in der Erde ruht, erhebt euch
alle!"
Und
siehe da! Alles menschliche Gebein an jedem Ort der Erde
sammelte sich augenblicklich und bedeckte sich mit
seinem Fleisch; und alle Menschen erstanden mit ihren
unversehrten Gliedern und Leibern, je nach ihrem
Geschlecht. Die Guten leuchteten in Herrlichkeit und die
Bösen erschienen schwarz, so daß man das Werk eines
jeden an ihm wahrnahm. Und einige von ihnen waren mit
dem Glauben besiegelt, manche aber nicht. So trug ein
Teil der Besiegelten einen goldenen Glanz auf ihrem
Antlitz, die andern gleichsam einen Schatten; das war
ihr Kennzeichen.
Doch
plötzlich flammte vom Osten her ein mächtiger Blitz auf.
Und ich erblickte dort auf einer Wolke den Menschensohn
mit demselben Antlitz, das er auf Erden trug, und mit
offenen Wunden. Er kam mit den Chören der Engel und
thronte auf einer Flamme, die glühte, aber nicht
brannte. Unter ihm tobte ein gewaltiger Sturm zur
Reinigung der Welt, und die Besiegelten wurden wie von
einem Wirbelwind ergriffen, der sie ihm entgegen
entrückte, dorthin, wo ich schon früher jenen Glanz
erblickt hatte, der das Geheimnis des himmlischen
Schöpfers versinnbildet. Dort wurden die Guten nämlich
von den Bösen getrennt. Er aber beglückte mit
einladender Stimme – wie das Evangelium deutlich zeigt –
die Gerechten mit dem Himmelreich und die Ungerechten
bestimmte er – wie dort ebenfalls geschrieben steht –
mit schreckenerregenden Worten für die höllischen
Qualen. Es erfolgte dort jedoch keine andere Befragung
oder Antwort bezüglich ihrer Taten, als das Wort des
Evangeliums bekundet, denn das Werk eines jeden, ob es
nun gut oder schlecht gewesen war, trat öffentlich an
ihm zutage. Die Unbesiegelten aber standen weitab in der
nördlichen Gegend unter der Schar der Teufel und
gelangten nicht vor dieses Gericht; sie sahen dennoch
dies alles wie in einem Wirbelsturm. Sie erwarteten den
Ausgang dieses Gerichts und seufzten bitterlich in ihrem
Herzen.
Als so
das Gericht beendet war, hörten Blitzen, Donnern, Winde
und Unwetter auf, und was an den Elementen vergänglich
war, verschwand plötzlich. Eine große Stille entstand.
Dann eilten die Gerechten, die auf einmal noch mehr
leuchteten als die Sonne, mit dem Sohn Gottes und den
seligen Scharen der Engel in großer Freude zum Himmel,
während die Verworfenen mit dem Teufel und seinen Engeln
mit großem Wehgeschrei zum Ort der Hölle fuhren. Und so
empfing der Himmel die Auserwählten und die Hölle
verschlang die Verworfenen. Doch plötzlich entstanden
solche Freude und so laute Lobgesänge im Himmel und so
große Traurigkeit und lautes Heulen in der Unterwelt,
daß es kein menschlicher Begriff mehr auszudrücken
vermag. Und alsbald erstrahlten alle Elemente in größter
Heiterkeit, als wenn ihnen eine schwarze Haut abgezogen
worden wäre. So verbrannte das Feuer nicht mehr, die
Luft war nicht mehr getrübt, das Wasser tobte nicht mehr
und die Erde war nicht mehr vergänglich. Auch die Sonne,
der Mond und die Sterne funkelten am Firmament in hellem
Glanz und großer Schönheit wie kostbarer Schmuck und
blieben unbeweglich auf ihrer Kreisbahn stehen, so daß
sie nicht mehr Tag und Nacht schieden. Auf diese Weise
war es nicht Nacht sondern Tag. Das Ende war da. Und
wiederum hörte ich eine Stimme vom Himmel zu mir
sprechen.
1. Zur Endzeit löst sich
die Welt unter viel Unheil wie ein Mensch in der
Todesstunde auf.
Diese
Geheimnisse zeigen die Endzeit an, in der die
vergänglichen Zeiten mit jenem ewigen Licht vertauscht
werden, das kein Ende nimmt. Die letzten Zeiten werden
nämlich von vielen Gefahren erschwert werden und viele
Anzeichen werden auf den Untergang der Welt hinweisen.
Denn wie du siehst, wird an jenem Jüngsten Tag der ganze
Erdkreis von Schrecknissen erschüttert und von Unwettern
zerrüttet, so daß alles, was auf ihm hinfällig und
sterblich ist, durch dieses Unheil das Ende findet. Denn
da der Weltenlauf bereits vollendet ist, kann er nicht
länger bestehen, sondern wird nach göttlichem Ratschluss
zerstört. Wie nämlich ein Mensch, der seinem Ende
entgegensieht, von vielen Krankheiten heimgesucht und
niedergestreckt wird, so daß er sich in seiner
Todesstunde sogar unter großem Schmerz vollends auflöst,
so werden dem Ende der Welt große Widerwärtigkeiten
voraneilen und sie an ihrem Ende unter verschiedenen
Schrecknissen auflösen. Denn die Elemente werden dann
ihre Schrecken zeigen, weil sie sie weiterhin nicht mehr
ausüben können.
2. Alle Kreaturen geraten
plötzlich in Aufruhr und alles Sterbliche in der Luft,
zu Wasser oder auf der Erde gibt das Leben auf, und was
hässlich an ihnen ist, vergeht.
Allerdings werden bei diesem Ende die Elemente unter
einem plötzlichen und unerwarteten Beben entfesselt,
alle Menschen geraten in Bewegung, Feuer bricht aus, die
Luft löst sich (in ihre Bestandteile) auf, das Wasser
fließt über, die Erde wird erschüttert, Blitze zucken,
Donnerschläge krachen, Berge werden gespalten, Wälder
stürzen und alles Sterbliche in der Luft, zu Wasser oder
auf der Erde gibt das Leben auf. Das Feuer bringt
nämlich die ganze Luft in Bewegung und Wasser erfüllt
die ganze Erde. Und auf diese Weise wird alles gereinigt
und so verschwindet alles Hässliche auf der Welt, als ob
es nie gewesen wäre, wie Salz zerfließt, wenn man es ins
Wasser wirft.
3. Die Körper der Toten
erstehen – wo immer sie sich befinden unversehrten
Leibes, je nach ihrem Geschlecht.
Und
auf den göttlichen Befehl aufzuerstehen, verbinden sich
augenblicklich die Gebeine der Toten – wie dir schon
gezeigt wurde – an ihrem Ort, wo sie sich auch befinden
mögen, und bedecken sich mit ihrem Fleisch, ohne jeden
Aufschub. In größter Schnelligkeit werden sie
wiederhergestellt, ob sie nun von Feuer, Wasser, einem
Vogel oder einem wilden Tier verzehrt worden sind. Die
Erde gibt sie auf diese Weise zurück, wie Salz aus dem
Wasser ausgeschieden wird, denn mein Auge kennt alles
und nichts kann vor mir verborgen werden. So erstehen
alle Menschen mit Seele und Leib, ohne daß eines ihrer
Glieder verkrüppelt oder abgeschnitten wäre,
unversehrten Leibes und je nach ihrem Geschlecht in
einem Augenblick. Die Auserwählten haben den Glanz ihrer
guten Werke und die Verworfenen tragen die Schwärze
ihrer unglückseligen Taten. So werden ihre Werke dort
nicht verheimlicht, sondern sie erscheinen offen an
ihnen.
4. Von den besiegelten und
unbesiegelten Auferstehenden.
Und
einige von ihnen sind mit dem Glauben besiegelt, manche
aber nicht, so daß das Gewissen der einen, die gläubig
sind, durch Werke des Glaubens im Glanz der Weisheit
funkelt, das der andern aber in der Finsternis ihrer
Nachlässigkeit erscheint. Dadurch unterscheidet man sie
öffentlich, denn jene haben den Glauben in Werken
vollendet, diese jedoch haben ihn in sich ausgelöscht.
Etliche aber tragen dieses Zeichen des Glaubens nicht,
denn diese wollten weder unter dem alten Gesetz noch in
der neuen Gnade die Erkenntnis des lebendigen und wahren
Gottes besitzen.
5. Der Sohn, dem der Vater
die Gewalt gegeben hat, Gericht zu halten, wird in
menschlicher Gestalt zu Gericht kommen.
Und
dann wird der Sohn Gottes in der Helligkeit des ewigen
Lichts, aber dennoch in einer Wolke, durch die den
Verworfenen die himmlische Herrlichkeit verhüllt wird,
in der Gestalt seiner Menschheit und seines Leidens, das
er nach dem Willen des Vaters für das Heil des
Menschengeschlechts erduldete, von der himmlischen
Heerschar umgeben, kommen, um dieses Menschengeschlecht
zu richten. Denn der Vater hat ihm das übergeben, damit
er das Sichtbare auf der Welt beurteile, weil er selbst
sichtbar auf Erden gelebt hatte. So zeigt er es auch im
Evangelium auf und spricht.
6. Das Evangelium darüber.
"Er
gab ihm die Vollmacht, Gericht zu halten, weil er der
Menschensohn ist." (Joh 5,27)
Das
ist so: Der Vater legt Zeugnis ab von seinem Sohn. Was
bedeutet das? Der Vater übergab dem Sohn die Vollmacht.
Denn dieser bleibt immer in seiner Gottheit beim Vater,
empfängt aber von der Mutter die Menschheit gemäß seines
Menschseins. Der Vater verlieh ihm auch, daß die ganze
Schöpfung ihn als Sohn Gottes erfährt, wie auch die
ganze Schöpfung in der Erschaffung ihrer Gestalt als
Gottes Geschöpf besteht. Und deshalb werden alle Werke
vom Sohn beurteilt, wie beachtlich oder geringfügig sie
auch sein mögen; und wie sie einzustufen sind, so stuft
er sie ein, um gerecht zu beurteilen, was auf der Welt
sichtbar war, weil er selbst auf Erden ein Mensch zum
Anfassen und Sehen gewesen ist. Er erscheint nämlich in
der richterlichen Gewalt furchtbar für dir Ungerechten,
aber für die Gerechten gewinnend, und richtet sie so,
daß auch die Elemente seine Reinigung zu spüren
bekommen.
7. Die Besiegelten werden
mühelos und schnell dem gerechten Richter entgegen
entrückt und ihre Werke werden offenbar.
Dann
werden die, welche besiegelt sind, mühelos, ja in großer
Schnelligkeit entrückt; denn weil sie treu an Gott
glaubten, werden auch die Werke des Glaubens offen an
ihnen in Erscheinung treten, und da Gottes Wissen auch
ihre Taten bezüglich Gut und Böse kennt, wie dir schon
gezeigt wurde, werden dort Gute und Böse getrennt, denn
auch ihre Werke sind ungleich. Dort wird nämlich sowohl
an den Bösen als auch an den Guten unfehlbar sichtbar,
in welchem Maß sie Gott in der Kindheit, im Knabenalter,
in der Jugend, im Alter oder am Lebensende gesucht
haben.
8. Alle Blumen werden
prangen: die Patriarchen, Propheten, Apostel, Märtyrer,
Bekenner, Jungfrauen, Mönche und andere Vorangestellte.
Dort
leuchten alle Blumen meines Sohnes, nämlich die
Patriarchen und Propheten, die vor seiner Menschwerdung
gelebt haben, die Apostel, welche mit ihm auf Erden
wandelten, und die Märtyrer, Bekenner, Jungfrauen und
Witwen, die ihn gläubig nachahmten, und jene, die meiner
Kirche sowohl in weltlichen als auch in geistlichen
Belangen vorangestellt wurden, und auch die Einsiedler
und Mönche, die sich in Züchtigung und Abtötung ihres
Fleisches um des Namens meines Sohnes willen verächtlich
machten, weil sie auch in großer Demut und Liebe durch
ihr Gewand zeigten, daß sie die Ordnung der Engel
nachahmen. Sucht man mich aber derart im beschaulichen
Leben, daß man sagt: "Dieses Leben ist rühmlicher als
jenes", so gilt das nichts vor mir; doch der mich
demütig in jenem Wandel sucht, der durch die Eingebung
des Heiligen Geistes geschenkt wurde, dem werde ich im
himmlischen Vaterland die ersten Plätze zuweisen.
9. Wenn der Sohn den
Urteilsspruch verkündet, nachdem die persönliche
Gewissenseröffnung stattgefunden hat, enthalten sich die
Himmel einstweilen schweigend ihrer Lobgesänge.
Danach
enthalten sich die Himmel einstweilen schweigend ihrer
Lobgesänge, wenn der Sohn Gottes den Gerechten und
Ungerechten den Urteilsspruch verkündet und sie mit
größter Ehrfurcht zuhören, wie er sie beurteilt, wenn er
den Gerechten freundlich himmlische Freude gewährt und
die Ungerechten furchterregend in höllische Qualen
schickt. Es erfolgt jedoch dort keine weitere
Entschuldigung oder Befragung bezüglich ihrer Taten: Nur
das Gewissen der guten und bösen Menschen liegt dort
entblößt und offen.
10. Von den zu richtenden
Guten und Bösen.
Die
Gerechten aber, denen die Worte des ganz gerechten
Richters zuteil werden, haben zwar viele Werke der
Gerechtigkeit getan, brachten sie aber, solange sie auf
der Welt lebten, nicht zur vollkommenen Vollendung und
werden jetzt darüber gerichtet. Die Ungerechten jedoch,
welche dort die richterliche Strenge an sich erfahren,
haben zwar böse Taten begangen, handelten aber dennoch
nicht in Unkenntnis über die göttliche Majestät, d. h.
in der Bosheit des schon vorher verdammten Unglaubens.
Und deshalb entkommen sie dort nicht dem Urteilsspruch
des Richters, weil allem das rechte Gewicht beigelegt
werden muß.
11. Von den schon
gerichteten Ungläubigen, die nicht vor Gericht gelangen.
Die
aber nicht mit dem Glauben besiegelt sind, weil sie
nicht an Gott geglaubt haben, stehen in der nördlichen
Gegend, d. h. in der Region der Verdammung, halten sich
inzwischen bei der Schar der Teufel auf und gelangen
nicht vor dieses Gericht. Sie sehen es dennoch
schattenhaft und ersehnen sein Ende mit vielem innerem
Seufzen. Sie haben nämlich auf ihrem Unglauben beharrt
und den wahren Gott nicht erkannt, weil sie weder vor
der Taufe den lebendigen Gott im alten Bund verehrten,
noch unter dem Evangelium das Heilmittel der Taufe
empfingen. Sie verharrten vielmehr unter dem Fluch von
Adams Fall und zogen sich die Qualen der Verdammung zu.
Daher trifft man sie im Unglauben ihrer Vergehen schon
gerichtet an.
12. Nach beendetem Gericht
entsteht größte Ruhe und Stille.
Wenn
so das Gericht beendet ist, hören die Schrecknisse der
Elemente und Blitze, Donnerschläge und Stürme in den
Gewittern auf und alles Hinfällige und Vergängliche
vergeht und erscheint nicht wieder, wie Schnee keinen
Bestand hat, der von der Hitze der Sonne zerschmilzt; so
entstand auf göttliche Anordnung größte Ruhe und Stille.
13. Die Auserwählten empfängt unter lautem Lobgesang die
Herrlichkeit der Ewigkeit, doch die Verworfenen
verschluckt die Unterwelt unter großem Geheul.
Und so
gelangen die Auserwählten im Glanz der Ewigkeit zusammen
mit ihrem Haupt, nämlich meinem Sohn, und mit der
ruhmreichen himmlischen Heerschar in großer Herrlichkeit
zu den himmlischen Freuden und die Verworfenen kommen
mitsamt dem Teufel und seinen Engeln in großer
Beschämung (an den Ort) der ewigen Strafen. Dort werden
sie fortwährend vor Augen haben, daß ihnen der ewige Tod
bereitet ist, weil sie lieber ihren Begierden als meinen
Geboten folgten. Und so nimmt der Himmel die
Auserwählten in die Herrlichkeit der Ewigkeit auf, weil
sie den Beherrscher der Himmel geliebt haben. Und die
Hölle verschlingt die Verworfenen, weil sie den Teufel
nicht fahren ließen. So ertönt in der himmlischen
Herrlichkeit vor lauter Freude ein so lauter Lobgesang
und in der Unterwelt vor lauter Seufzen ein so großes
Wehgeschrei, daß es kein menschlicher Sinn mehr fassen
kann; denn jene gehen zum ewigen Leben ein und diesen
wird der ewige Tod zuteil, wie mein Sohn im Evangelium
sagt und spricht.
14. Das Evangelium
darüber.
"Und
diese werden zur ewigen Pein eingehen, die Gerechten
aber zum ewigen Leben." (Mt 25,46)
Das
ist so: Die den üblen Geruch ihrer Buhlerei mit allem
Schlechten an sich tragen und nicht danach dürsten, in
der höchsten Güte Gerechtigkeit zu schöpfen, werden auf
dem Weg ihres Unglaubens und ihrer Schlechtigkeit in die
Strafen des ewigen Verderbens gestürzt und empfangen
höllische Qualen gemäß ihren Taten. Die Erbauer des
strahlenden himmlischen Jerusalem aber, die gläubig vor
den Pforten der Tochter Sion stehen, werden im Licht des
ewigen Lebens aufleuchten, das die allerreinste Jungfrau
in der Fruchtbarkeit ihrer Jungfräulichkeit den
Gläubigen wunderbar gebracht hat.
15. Wie sich die Elemente,
die Sonne, der Mond und die Sterne nach beendetem
Gericht zum Besseren wandeln und es keine Nacht mehr
geben wird.
Und
wie du siehst, werden die Elemente, nachdem dies alles
geschehen ist, in größter Klarheit und Schönheit
erstrahlen, d. h. alle hinderliche Schwärze und
Schmutzigkeit ist verschwunden. Das Feuer wird dann
nämlich ohne Glut wie Morgenrot schimmern und die Luft
ohne Trübung ganz rein und glänzend sein; das Wasser
wird ohne heftigen Erguss und Überfließen durchsichtig
und ruhig daliegen und die Erde wird ganz unverwüstlich
und ohne Verunstaltung fest und eben erscheinen, wenn
das alles in große Ruhe und Schönheit übergegangen ist.
Doch auch die Sonne, der Mond und die Sterne werden wie
kostbare Edelsteine auf Goldhintergrund sehr klar und
mit großem Glanz am Firmament schimmern und nicht mehr
auf ihrer unruhigen Kreisbahn Tag und Nacht zu trennen
haben. Denn am Weltende sind sie nunmehr unbeweglich, so
daß von jetzt an keine nächtliche Finsternis erscheint,
weil der Tag dann nicht zu Ende geht; so bezeugt und
spricht auch mein geliebter Johannes.
16. Worte des Johannes
darüber.
"Und
es wird keine Nacht mehr geben und sie benötigen kein
Lampen- und Sonnenlicht, weil Gott der Herr ihnen
leuchtet." (Offb 22,5)
Das
ist so: Wer einen Schatz besitzt, verbirgt ihn zuweilen
und bringt ihn zuweilen auch zum Vorschein, wie auch die
Nacht das Licht verdeckt und der Tag die Finsternis
verscheucht und den Menschen Licht bringt. So wird es
beim Übergang der Zeiten (in die Ewigkeit) nicht sein.
Denn dann wird der Schatten der Nacht verscheucht, so
daß von nun an keine nächtliche Finsternis mehr
auftritt, denn auch jene umgewandelte Welt benötigt
nicht mehr jenes Licht, das sich die Menschen anzünden,
um die Schatten der Finsternis zu vertreiben. Es hängt
auch dann nicht vom Sonnenstand ab, der sogleich jene
Zeiten beeinflußt, die dem Schatten gehören. Denn dann
wird der Tag ohne irgendwelche Veränderung bestehen,
weil jetzt auch der Herrscher über alles mit dem Licht
seiner Gottheit, das keine Veränderlichkeit verdunkelt,
die erleuchtet, welche auf Erden durch seine Gnade die
Finsternis vertrieben haben. Wer aber scharfe Ohren zum
inneren Verständnis besitzt, lechze in
leidenschaftlicher Liebe zu meinem Abbild nach diesen
Worten und schreibe sie ins Gewissen seiner Seele ein.
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