In
der Nachfolge
Christi, dem
weltberühmten Trost- und Betrachtungsbuch, beschreibt
der Mystiker Thomas von Kempen
(1380-1471) das «Folge
mir nach“. Im 12. Kapitel zeigt er dem heutigen reizüberfluteten
Menschen einen
königlichen Weg, in 7 Schritten zur inneren Ruhe und
Umkehr zu finden.
1
Ein hartes Wort, aber ein Segenswort
Hart
erscheint
vielen das Wort
(
Joh 6,61): «Verleugne dich selbst, trag dein Kreuz und
folge Jesus
nach‘
(Mt 16,24). Aber weit härter wird
sich jenes
letzte Wort anhören: «Weichet von mir, ihr
Verfluchten, in das ewige Feuer“
(Mt 25,41)! Wer nämlich
jetzt das Wort vom Kreuz willig anhört und
befolgt,
braucht nicht zu fürchten, dass er einmal das
Wort
von der ewigen Verdammnis zu hören bekommt.
Dieses Zeichen des Kreuzes wird am Himmel sein,
wenn der Herr zum Gericht kommt. Dann werden
alle Diener des Kreuzes, die sich dem Gekreuzigten
im Leben gleichförmig gemacht haben, mit grosser
Zuversicht vor Christus, dem Richter, erscheinen. Was fürchtest
du also, das Kreuz auf dich zu nehmen, durch das man in
den Himmel eingeht? Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist
Leben, im Kreuze Schutz vor den Feinden, Mitteilung
himmlischen Trostes, Stärke des Geistes, seelische
Kraft, Freude des Geistes, im Kreuze liegt der Inbegriff
der Tugend, die vollendete Heiligkeit. Es gibt kein Heil
der Seele und keine Hoffnung ewigen Lebens ausser im
Kreuze. Trag also dein Kreuz, folge Jesus, und du wirst
ins ewige Leben eingehen! Er ging dir mit dem Kreuze
voran und starb für dich am Kreuze, damit auch du dein
Kreuz
tragest und am Kreuze zu sterben verlangest. Denn
,,wenn du mit ihm gestorben bist, wirst du auch mit ihm
leben“ (Röm 6,8), und wenn du teil hattest an der
Pein, wirst du auch teilhaben an seiner Herrlichkeit.
2
Der einzige sichere Weg zum Leben und Frieden.
Siehe,
alles gründet im Kreuze, und am Sterben ist alles
gelegen. Es gibt keinen anderen Weg zum Leben und zum
wahren inneren Frieden als den Weg des heiligen Kreuzes
und der täglichen Selbstüberwindung. Wo du auch gehst,
und was immer du suchst, du wirst weder oben einen Weg
finden, der vollkommener wäre, noch unten einen Weg,
der sicherer wäre als der Weg des heiligen Kreuzes. |
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Ordne und regele alles, wie du es gern hast und wie du
es für gut findest, du wirst sehen, dass du immer etwas
leiden musst, ob es dir recht ist oder nicht. Immer
wirst du das Kreuz finden. Denn entweder hast du körperlich
zu leiden, oder du fühlst dich seelisch bedrängt.
Einmal fühlst du dich von Gott verlassen, ein andermal
vom Nächsten geplagt, und —was noch mehr bedeutet—
oft bist du dir selber zur Last. Trotzdem gibt es kein
Heilmittel und keinen Trostgedanken, der dich davon
befreien oder dir die Last erleichtern könnte. Du musst
es schon tragen, solange Gott will. Gott will nämlich,
dass du lernst, Trübsal ohne Trost zu ertragen. Du
sollst dich ihm ganz unterwerfen und durch das Leid in
der Demut wachsen. Niemand geht so tief empfindend in
das Leiden
Christi ein als der,
dem ein ähnliches Leid beschieden ist.
3
Ein Leid, dem du nicht entrinnen kannst.
Das
Kreuz steht also immer bereit. Es erwartet dich überall.
Du kannst ihm nicht entfliehen, wohin immer du gehst. Wo
du auch bist, du bringst dich immer selbst mit und wirst
dich selbst finden. Wende dich nach oben, wende dich
nach unten, wende dich nach aussen, wende dich nach
innen, in allem findest du das Kreuz. Und überall musst
du die Geduld bewahren, wenn du inneren Frieden haben
und dir die ewige Krone verdienen möchtest. Trägst du
das Kreuz gern, dann trägt es dich und wird dich zum
ersehnten Ziel führen, dorthin, wo das Leiden ein Ende
hat. Das ist freilich hienieden nicht der Fall. Trägst
du das Kreuz ungern, so belastest du dich noch mehr, und
aushalten musst du trotzdem. Wirfst du ein Kreuz ab,
wird dir ohne Zweifel ein anderes begegnen, das
vielleicht noch schwerer zu tragen ist. Glaubst du, du könntest
ihm entgehen? Noch kein Sterblicher hat es
fertig gebracht. Welcher Heilige hat in dieser Welt ohne
Kreuz und Leid gelebt? Nicht einmal Jesus Christus,
unser Herr, war zeitlebens auch nur eine Stunde ohne
Schmerz und Leid. «Christus», sagt die Schrift, «musste
leiden, von den Toten auferstehen und so in
seine Herrlichkeit eingehen» (Lk 24,26 46). Wie kannst
du einen anderen Weg suchen als diesen Königsweg des
heiligen Kreuzes? Das ganze Leben Christi war Kreuz und
Martyrium, und du suchst Ruhe für dich und Freude? Du
irrst, ja du irrst, wenn du etwas anderes suchst als
Leid und Trübsal; denn dieses ganze sterbliche Leben
ist voll des Elends und ringsum mit Kreuzen bezeichnet.
Lind je weiter einer im Leben des Geistes
voranschreitet, um so schwerer sind oft die Kreuze, die
ihm begegnen, weil die Pein seiner Verbannung mit seiner
Liebe wächst.
4
Die
Quelle der Annahme
des
Leidens und vieler Gnaden.
Gleichwohl
lebt der so vielfach geprüfte Mensch nicht ohne den
erleichternden Trost. Er sieht, dass ihm das ruhig
getragene Kreuz einen sehr reichen Gewinn einbringt.
Indem er sich ihm willig unterwirft, wandelt sich die
ganze Last der Trübsal in die Zuversicht, dass ihm der
göttliche Trost geschenkt werde. Je mehr der Leib durch
die Heimsuchung geschwächt wird, um so mehr wird der
Geist von innen durch die Gnade gestärkt. Ja, manchmal
zieht er aus den Leiden und Kreuzen eine solche Kraft,
dass er, um dem gekreuzigten Christus in der Liebe
gleichförmig zu werden, nicht mehr ohne Schmerz und Trübsal
sein möchte. Er ist nämlich überzeugt, dass GOTT
ihn um so lieber hat, je mehr und je Schwereres er für
IHN ertragen konnte. Doch ist das nicht die Kraft des
Menschen, sondern die Gnade Christi, die in einem
gebrechlichen Geschöpf solche Leistungen
zustande bringt. Wovor er von Natur aus zurückschreckt
und was er flieht, an das macht er sich in der Glut des
Geistes heran und umfängt
es mit Liebe. Es liegt dem Menschen nicht, ein Kreuz
zutragen, das Kreuz zu lieben, den Leib zu züchtigen
und in «Dienstbarkeit zu bringen»
(1 Kor 9,27), die
Ehre zu fliehen und Beleidigungen gern hinzunehmen, sich
selbst zu verachten und zu wünschen, dass man verachtet
werde, alles Widrige mit seinen nachteiligen Folgen zu
erdulden und in dieser Welt kein Verlangen nach Glück
und Wohlergehen zu tragen. Wenn du auf dich selbst zählst,
wirst du nichts von alledem zustande bringen. Vertraust
du aber auf Gott,
dann wird die Kraft des Himmels dir zuströmen, und du
wirst Herr werden über die Welt und den Leib. Ja selbst
den teuflischen Feind wirst du nicht zu fürchten haben,
wenn du die Waffenrüstung des Glaubens trägst und mit
dem Kreuze Christi bezeichnet bist.
5
Der Aufruf zum tapferen Dulden.
Rüste
dich, das Kreuz deines Herrn, der sich aus Liebe zu dir
hat kreuzigen lassen, «wie ein guter und getreuer
Knecht» Christi
(Mt
25,23) mannhaft zu tragen. Bereite dich, in diesem
elenden Leben viel Leid und vielerlei Drangsal zu
ertragen. Denn das wird dein Los sein, wo du auch
weilst, und das wirst du finden, wo du dich auch
verbirgst. Es muss so sein, und es gibt kein Mittel. der
Drangsal des Elends und dem Schmerz zu entrinnen, als
sich zu gedulden. Trinke den Kelch des Herrn mit
Freuden, wenn du sein Freund sein und mit ihm
Gemeinschaft haben willst! Die Tröstungen überlass
GOTT. ER mag es mit ihnen halten, wie es ihm gefällt.
Du aber bereite dich, Trübsale zu erdulden und diese
als ganz erquickende Tröstungen anzusehen. Denn die
Leiden dieser Zeit reichen nicht aus, die künftige
Herrlichkeit mit ihnen zu verdienen, (Röm 8,18) auch
dann nicht, wenn du allein das ganze Leid auf dich
nehmen könntest.
6
Dein Paradies auf Erden.
Hast
du es einmal so weit gebracht, dass du die Trübsal um
Christi willen als eine willkommene, schmackhafte Gabe
empfindest, dann sei überzeugt, dass es gut um dich
steht, dann hast du den Himmel auf Erden gefunden.
Solange dir aber das Leiden schwer fällt und du ihm zu
entfliehen suchst, solange steht es schlecht um dich.
Die Flucht vor der Trübsal wird dir überall hin
folgen. Bist du bereit zum Leiden und Sterben,
wie es deine Aufgabe ist, wird es schnell besser mit
dir, und du wirst Frieden finden. Wärest du auch mit
Paulus in den dritten Himmel entrückt (2 Kor 12,2), so
würdest du deshalb nicht vor jedem Leid bewahrt
bleiben. «ICH», spricht Jesus, «werde ihm zeigen, wieviel er um meines Namens willen leiden muss“
(Apg
9,16). Das Leid bleibt also dein Anteil, wenn du Jesus
lieben und ihm allezeit dienen willst. Dass du doch würdig
wärst, für den Namen Jesu etwas zu leiden! Welche Ehre
brächte es dir! Welche Freude allen Heiligen Gottes!
Und welche Erbauung dem Nächsten! Denn alle empfehlen
die Geduld, aber nur wenige wollen sie üben. Es ist
nicht mehr als recht, dass du gern etwas für Christus
leidest, da viele weit schwereres Leid für die Weit auf
sich nehmen.
7
Die Mahnung: Stirb dir selbst.
Sei
fest überzeugt: du musst deinen Lebensweg als ein
Sterbender gehen. Je mehr einer sich selbst stirbt,
desto mehr beginnt er für GOTT zu leben. Niemand ist
befähigt, himmlische Dinge zu fassen, der sich nicht
demütig entschließt, für Christus ein Kreuz zu
tragen. Nichts ist Gott wohlgefälliger, nichts dir
heilsamer in dieser Welt, als willig für Christus zu
leiden. Wenn du die Wahl hättest, solltest du eher
wünschen, Widriges für Christus zu leiden, als mit
vielen Tröstungen erquickt zu werden. So wärest du
Christus ähnlicher und allen Heiligen gleichförmiger.
Unser Verdienst und der Fortschritt in unserem Stande
bestehen nicht in lauter Annehmlichkeiten und
Tröstungen, sondern in vielem Uingemach und Leid, das
wir tragen. Gäbe es für die Menschen einen besseren
und vorteilhafteren Weg zum Heile als Leiden zu tragen,
Christus hätte ihn sicher durch Wort und Beispiel
gezeigt. Denn sowohl seine Jünger, die ihm folgten, als
alle jene, die ihm folgen wollen, mahnt ER laut und
verständlich: "Wer mir nachfolgen will, verleugne
sich selbst, trage sein Kreuz, und dann folge er
mir" (Mt 16.24. Lk 9.23). Nachdem wir also alles
überdacht und erwogen haben, ist dies der Worte letzter
Sinn, "dass wir durch viele Trübsale eingehen
müssen in das Gottesreich" (Apg 14,22).
Schau
auf das Vorbild der hl. Väter!
1.
Das Leben der heiligen Väter war: Dienen und Dulden
Kämpfen und Kasteien. Fasten und Beten. Schau
auf die lebendigen Vorbilder der heiligen Väter, in
denen wahre Vollendung und Religiosität aufstrahlt, und
du wirst sehen, wie geringfügig, ja wie nichts sagend
ist, was wir tun. Ach, was ist es doch mit unserem
Leben, wenn wir es mit dem ihrigen vergleichen! Die Heiligen
und Freunde Christi dienten dem Herrn in Hunger und
Durst, in Kälte und Blöße, in Mühe und Erschöpfung,
in Wachen und Fasten, in Gebet und heiliger Betrachtung,
in vielerlei Verfolgung und Schmach. Wie viele und
schwere Trübsale haben sie erduldet: die Apostel, die
Märtyrer, die Bekenner und Jungfrauen und die übrigen
alle, die entschlossen waren, Christi Fussstapfen zu
folgen...
2
Auf ihre Demut, Liebe und Geduld.
Allen
Reichtümern, Würden, Ehren, Freunden und Verwandten
entsagend, begehrten sie von der Welt nichts zu
besitzen; kaum nahmen sie das Lebensnotwendige zu sich.
Dem Leibe zu dienen empfanden sie selbst im Notfalle als
schmerzlich. Sie waren also arm an irdischen Dingen,
aber überaus reich an Gnade und Tugenden. Äußerlich
darbten sie, innerlich kosteten sie die von Gott
kommende Erquickung der tröstenden Gnade. Der Welt
waren sie fremd, Gott aber standen sie nahe wie
vertraute Freunde. Sich selbst kamen sie wie nichts vor,
und der Welt erschienen sie verächtlich, in den Augen
GOTTES aber waren sie wertvolle, liebe Menschen.
Gegründet in wahrer Demut, lebten sie in schlichtem
Gehorsam. Ihr Wandel trug das Gepräge der Liebe und
Geduld; darum erstarkten sie täglich im Geiste und
empfingen grosse Gnaden von GOTT. Allen Ordensleuten als
Beispiel gegeben, sollen sie uns mehr zum Fortschritt im
Guten anspornen als jene, die zu den Lauen zählen und
uns verleiten, im Eifer zu erlahmen. Z/Ewig
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