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Denkbare Ursachen sind:
Der moderne Europäer, ob gläubig oder nicht, macht seine Bereitschaft,
etwas außerhalb des üblicherweise sinnlich Erfahrbaren für wahr zu
halten, von schwer erfüllbaren Bedingungen abhängig.
Die Ereignisse müssen möglichst gegenwärtig stattfinden. Sie sollten
auch bereits die Hürde einer interessierten Öffentlichkeit genommen
haben, also durch wohlwollende Schlagzeilen eines Massenmediums
geadelt worden sein.
Idealerweise hat bereits eine gewisse Prüfung auf Authentizität
stattgefunden. Sendungen wie "Galieleo Mystery" bedienen zur Zeit
dahingehende Bedürfnisse.
Überlieferte Wunder mit christlichem Hintergrund, die, anders als
Guadelupe, nicht gegenständlich in die Gegenwart fortwirken, haben es
da besonders schwer, freilich zu Unrecht;
Achtbare Disziplinen wie die Geschichts- und Rechtswissenschaften
akzeptieren seit jeher Personenaussagen als Beweis für
Geschehensabläufe, wenn es weder Gegenbeweisen noch
Glaubwürdigkeitsdefizite gibt.
So gesehen ist etwa das leere Grab Jesu, worauf auch Papst Benedikt
XVI. Ostern 2009 hinwies, geschichtliche Realität, nicht etwa Mythos.
In einer Berichterstattung wären also etwa Faktizität leugnende Worte
wie "soll" oder "angeblich" nicht korrekt.
Gleiches gilt für die Erscheinungen des verklärten Jesus. Es gab zu
viele unverdächtige Zeugen, und es gibt bis heute keine Anhaltspunkte
für Wahrnehmunsstörungen, die einer Prüfung auf medizinische oder
statistische Wahrscheinlichkeit standhielten. Die oft bemühten
Halluziationen sind nicht ansteckend, um ein Beispiel zu nennen.
Die Glaubwürdigkeitsanforderungen steigen verständlicherweise, sobald
das Bezeugte anerkannten naturwissenschaftlichen Gesetzen
wiederspricht.
Der "Glaube" nimmt hier gegenüber dem Wissen überdurchschnittlich an
Bedeutung für Überzeugungsbildung zu, je mehr Zeit seit dem Ereignis
verstrichen ist.
Wir sind eben nicht in der Situation der Jünger.
Doch sind "Leichtgläubige" auch hier nicht ganz allein gelassen. Denn
nun kommen diejenigen Wunder ins Spiel, die um mit Badde zu sprechen,
in die Gegenwart "fortdauern".
Sie sind aktuell gegenständlich erfassbar, jeder Mensch kann sie in
Augenschein nehmen und die wissenschaftlichen Expertisen studieren.
Dazu gehören etwa "Guadelupe" und das Hostienwunder in
Lanciano.
Doch der moderne europäische Mensch - spätestens hier versteht
man Baddes Kummer - zweifelt noch unbelehrbarer als seinerzeit der
ungläubige Thomas und verschließt sich der Information.
Er möchte das zugängliche Beweismaterial nicht einmal prüfen. Warum
nicht?
Die Ungeheuerlichkeit der offenbarten Botschaft kann innere
Widerstände erzeugen: Wer nicht an das von Jesus Christus Offenbarte
glauben möchte, wird konsequenterweise bestätigende Wunder leugnen
müssen.
Wer glaubt, aber Furcht hat, seine Sinne dem ungewohnt Mystischen
auszusetzen, wird sich ähnlich verhalten.
Wer hingegen Agnostiker ist und sich jedenfalls darin sicher ist,
Übersinnliches prinzipiell zu verneinen, macht es sich in
scheinrationalen Erklärungen des Wunderlichen bequem.
Er muss sich allerdings vorhalten lassen, zu Widerlegungen Zuflucht zu
nehmen, die ihrerseits Unvereinbarkeiten mit Naturgesetzen und
statistischen Erfahrungssätzen implizieren.
Der gläubige Zweifler kann sich nicht auf der begründeten Skepsis der
Kirche gegenüber Privatoffenbarungen ausruhen, wenn es um die äußeren
Umstände des Wunders geht.
Frei steht es zwar jedem, an den Inhalt des Offenbarten zu glauben
(KKK 1993, 5. 64.). Ist aber das äußere Geschehen, also das
eigentliche Wunder, als solches bewiesen, ja wirkt es sogar fort wie
der Fotoabdruck auf dem Mantel von Juan Diego aus dem Jahre 1531 oder
das seit dem 8. Jahrhundert nicht verweste Fleisch der Lanciano-Hostie,
obliegt dem Zweifler die Darlegungslast für eine naturgesetzkonforme
Erklärung - nicht umgekehrt.
Die Naturgesetze sind Schöpfung und geben uns ein existentiell
wichtiges Ordnungsgefühl.
Sie banden aber weder Gottes Sohn damals, und sie binden, wie es
Kardinal Ratzinger 2000 im Interview mit Peter Seewald mit einem
Schuss seines feinen Humors ausdrückte ("Gott und die Welt",
Neuausgabe 200r, S. 67), Gott auch heute nicht.
Ob man hier dramatisch von einem "Durchbrechen" der Naturgesetze
sprechen sollte oder diese, systemimmanenter, als von vornherein nur
als mit einer Art "Wunder-Vorbehalt" gültig betrachte (vgl. Ratzinger
a.a.O.), ist wieder jedem selbst überlassen.
Die Offenkundigkeit naturgesetzlich nicht erklärbarer Geschehen im
Verlauf der Jahrhunderte muss Folgen für das Auftreten der Kirche in
der modernen Gesellschaft haben. Dabei geht es natürlich nicht um
Entschlüsselungsversuche oder gar Modifikationen der kanonisierten
Offenbarung. Es geht schlicht um mehr Ernst und gegebenenfalls
Ehrfurcht gegenüber einer für jeden Menschen sinnlich erfahrbaren
Realität, die den aktuellen wissenschaftlichen Gesetzmässigkeiten
trotzt.
Denn auch nicht-innovatives Geoffenbartes verdient Aufmerksamkeit.
Es geht um mehr Bereitschaft, das Wunder als wichtige, vermittelnde
Komponente in der Dichtomie "Glaube und Vernunft" zu sehen, nicht
mehr, aber auch nicht weniger.
Kirchliche Würdenträger dürfen diese Ereignisse folglich ohne Scham
erklären, sie sollen sie sogar offensiv und möglichst mit Hinweisen
auf zitierfähige Untersuchungsberichte gerüstet, referieren.
Als Bestandteil konkreter Aufklärung könnten Beziehungen zu Medien wie
"Pro 7" mit seiner Galileo-Mysteriy-Sendung genutzt werden, statt der
gewohnten Verschwörungs-Esoterik und Zauberkünstlerei auch christliche
Wunder zur Aufbereitung anzuempfehlen. Hier mag evtl. Paul
Badde doch einmal sein Glück versuchen.
Ferner könnte die Deutsche Forschungsgemeinschaft
in einer Aufsehen erregenden Aktion als renommierteste Wahrerin
naturwissenschaftlicher Gütesiegel auf fortdauernde Wunder wie
Guadelupe "angesetzt" werden.
Für Jesu Offenbarung spielten Wunder als begleitendes "Medium" eine
zentrale Rolle, nämlich als Hilfe für Schwachgläubige und Chance für
Nichtgläubige; (bei Johannes heißt es verständnisvoll: "Wenn ihr nicht
Zeichen und Wunder seht, glaubt ihr nicht" (4, 48), nicht aber für
sich prinzipiell verschließende Herzen ("Wenn sie auf Mose und die
Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen,
wenn einer von den Toten aufersteht" ( 16, 31).
Versuchen lässt sich der Herr nicht.
Dr. Dieter Floren
DER FELS 7/2009 223
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