Hl.
Benedikt
Die Regel des hl. Benedikt (Regua Benedicti)
Es hebt an der Prolog der Mönchsregel.
[1]
Lausche, mein Sohn, den Lehren des Meisters, neige das
Ohr deines Herzens[2]
, nimm willig hin die Mahnung deines liebreichen Vaters
und erfüll' sie im Werke, damit du in der Mühsal des
Gehorsams heimkehrest zu dem, den du in der Trägheit des
Ungehorsams verlassen hattest.
An dich richtet sich also jetzt mein
Wort[3]
, der du dem Eigenwillen entsagst, und die herrlichen
Heldenwaffen[4]
des Gehorsams ergreifst, um für Christus den Herrn, den
wahren König, zu streiten.
Zuerst: beginnst du irgendein gutes
Werk, so erflehe von ihm in inständigem Gebet, er mög'
es vollbringen; sonst könnte er sich ob unserer bösen
Werke einmal betrüben müssen, er, der uns in Huld schon
in die Zahl der Söhne aufgenommen hat. Denn wegen der
uns verliehenen Gaben müssen wir ihm jederzeit so
gehorchen, daß er weder als erzürnter Vater seine Kinder
jemals enterbe, noch als gestrenger Herr ergrimmt ob
unserer Sünden und als nichtswürdige Knechte die der
ewigen Pein überliefere, die ihm zur Herrlichkeit nicht
folgen wollten.
Drum wollen wir uns endlich einmal
erheben; denn die Schrift weckt uns auf mit den Worten:
"Schon ist die Stunde da, vom Schlafe aufzustehen"[5]
. Öffnen wir also unser Auge dem göttlichen Licht und
vernehmen wir mit aufmerksamem Ohr, was Gottes Stimme
täglich uns mahnend zuruft: "Heute, wenn ihr seine
Stimme höret, verhärtet eure Herzen nicht"[6]
, und wiederum: "Wer Ohren hat zu hören, der höre, was
der Geist zu den Gemeinden spricht"[7]
. Und was sagt er? "Kommet Kinder, höret mich, die
Furcht des Herrn will ich euch lehren"[8]
. "Lauft, solang ihr das Licht des Lebens habt, damit
die Finsternisse des Todes euch nicht überraschen"[9]
.
In der Menge des Volkes, dem der Herr
diese Worte zuruft, sucht er nun seinen Arbeiter und
spricht deshalb abermals: "Wer ist der Mann, so Lust am
Leben hat und gerne gute Tage sieht?"[10]
Vernimmst du diese Frage und gibst du zur Antwort: Ich
bin es, so spricht Gott zu dir: "Willst du wahres und
ewiges Leben besitzen, dann bewahr vor Bösem deine Zunge
und deine Lippen vor trugvoller Rede. Kehr dich ab vom
Bösen und tu Gutes, trachte nach Frieden und jag ihm
nach"[11]
. Und habt ihr also gehandelt, dann sind meine Augen
über euch und meine Ohren eurem Flehen nah[12]
. Noch eh' ihr mich anruft, will ich zu euch sprechen:
"Seht, hier bin ich"[13]
. Geliebteste Brüder, was gäbe es Lieblicheres für uns
als diese Stimme, mit der uns der Herr einlädt? Seht, in
seiner väterlichen Liebe zeigt uns der Herr den Weg des
Lebens[14]
.
Umgürten wir daher unsere Lenden mit
Glauben und Eifer in guten Werken und wandeln wir unter
der Leitung des Evangeliums[15]
seine Pfade, damit wir würdig werden, den zu schauen,
"der uns in sein Reich berufen hat"[16]
. Wollen wir in diesem Königszelte wohnen: unmöglich
gelangt man dorthin, außer man eilt auf dem Pfade der
guten Werke. Fragen wir nun den Herrn mit dem Propheten:
"Herr, wer darf wohnen in Deinem Gezelte, wer ruhen auf
Deinem heiligen Berge?"[17]
Vernehmen wir, meine Brüder, nach dieser Frage die
Antwort des Herrn, der uns den Weg zu seinem Gezelte
weist mit den Worten: "Wer makellos wandelt und
Gerechtigkeit übt, wer Wahrheit spricht in seinem
Herzen, wer keinen Trug übt mit der Zunge, wer nicht
Übles tut seinem Nächsten, wer nicht Schmähreden anhört
wider den andern"[18]
. Wer den bösen Feind, naht er mit einer Versuchung,
mitsamt seiner Einflüsterung vom Angesicht seines
Herzens stößt und zunichte macht[19]
, wer dessen Brut, die Gedanken packt und an Christus
zerschmettert[20]
. In der Furcht des Herrn erheben sie sich nicht ob
ihres guten Wandels; was an ihnen Gutes ist, schreiben
sie vielmehr nicht ihrem eigenen Vermögen, sondern dem
Herrn zu und preisen Gott, der in ihnen wirksam ist,
indem sie mit dem Propheten sprechen: "Nicht uns, o
Herr, nicht uns, sondern Deinem Namen gib die Ehre"[21]
. So tat sich ja auch der Apostel Paulus nicht etwas auf
seine Predigt zugut, sondern sagt: "Durch Gottes Gnade
bin ich, was ich bin"[22]
. Und abermals: "Wer sich rühmen will, rühme sich im
Herrn"[23]
. Deshalb sagt auch der Herr im Evangelium: "Wer diese
meine Worte hört und sie befolgt, den vergleiche ich mit
einem weisen Manne, der sein Haus auf Felsen gebaut hat.
Fluten wälzten sich daher, Stürme brausten und tobten
gegen jenes Haus, allein es fiel nicht zusammen, auf
Felsen war es ja gegründet"[24]
. So spricht der Herr und erwartet nun von uns, daß wir
Tag für Tag diesen seinen heiligen Mahnungen mit der Tat
entsprechen. Deshalb gewährt er uns zur Besserung
unserer Fehler noch Gnadenfrist in diesem Leben, wie der
Apostel sagt: "Weißt du nicht, daß Gottes Langmut dich
zur Buße führen will?"[25]
Mit väterlicher Güte spricht ja der Herr: "Nicht den Tod
des Sünders will ich, sondern daß er sich bekehre und
lebe"[26]
.
Brüder, wir haben nun den Herrn darüber
befragt, wer in seinem Zelte wohnen dürfe, und haben
vernommen, was verlangt wird, dort zu wohnen. Ja, dort
werden wir sein, aber nur wenn wir die Pflichten eines
Bewohners erfüllen. Leib und Seele müssen wir deshalb
dienstbereit halten zum heiligen Gehorsam gegen die
Gebote. Soweit aber unsere eigene Kraft nicht ausreicht,
wollen wir zum Herrn flehen, daß er uns den Beistand
seiner Gnade gewähren wolle. Und wenn wir den Peinen der
Hölle entkommen und zum ewigen Leben gelangen wollen,
dann müssen wir jetzt eilen und so wirken, wie es uns
für die Ewigkeit frommt, jetzt, solange es noch Zeit
ist, solang wir im Fleische wandeln, und all das in
diesem Erdenleben noch vollbringen können.
Es ist also unsere Aufgabe, eine Schule
für den Dienst des Herrn[27]
einzurichten. Wir hoffen, dabei nicht Hartes, nicht
Drückendes zu verordnen. Sollte aber doch zur Ausrottung
der Fehler oder Bewahrung der Liebe die Billigkeit es
erheischen, etwas mehr Strenge in Anwendung zu bringen,
dann sollst du nicht gleich voll Schrecken den Weg des
Heiles verlassen, der am Anfang nicht anders als eng
sein kann[28]
. Schreitet man aber im klösterlichen Wandel und im
Glauben[29]
voran und erweitert sich so das Herz[30]
, dann eilt man in unaussprechlicher Süßigkeit der Liebe
den Weg der Gebote Gottes. Dann entziehen wir uns auch
nie mehr seiner Leitung, verharren in seiner Lehre bis
zum Tod im Kloster, haben durch Geduld Anteil am Leiden
Christi und verdienen damit auch, Genossen seiner
Herrschaft zu werden[31]
.
I. KAPITEL. Von den Gattungen der Mönche.
Regel heißt sie deshalb, weil sie den
Wandel derer regeln soll, die sie befolgen.
Es gibt bekanntlich vier Gattungen von
Mönchen[32]
, Die erste ist die der Zönobiten, das heißt jener, die
in einem Kloster unter Regel und Abt Gott dienen[33]
.
Die zweite Gattung ist die der
Anachoreten oder Eremiten, jener nämlich, die diesen
Beruf nicht im Neulingseifer für das klösterliche Leben,
sondern nach langer Bewährung im Kloster erwählt haben.
Sie haben durch die Beihilfe vieler gelernt, gegen den
Teufel zu streiten, treten nun wohlgerüstet aus der
Reihe der Brüder zum Einzelkampfe in die Einöde hinaus
und haben Kraft genug, unter Gottes Schutz, voll
Zuversicht, auch ohne tröstliches Beispiel anderer, mit
eigenem Arm und eigener Faust allein gegen die
Verderbnis von Fleisch und Sinn zu kämpfen[34]
.
Eine dritte ganz schlimme Gattung von
Mönchen ist die der Sarabaiten[35]
. Wie die Erfahrung lehrt, sind sie nicht wie Gold im
Feuerofen durch das Leben nach einer Regel bewährt,
sondern so weich wie Blei, und in ihrer Lebensart immer
noch der Welt ergeben, belügen sie offenkundig Gott mit
ihrer Tonsur. Zu zweien oder dreien, oder auch wohl
allein leben sie hirtenlos dahin in der eigenen Hürde,
nicht in der des Herrn. Ihr Begehren und Behagen gilt
ihnen als Gesetz; denn was sie meinen und was sie
wollen, das nennen sie heilig, was sie nicht mögen, das
halten sie für unerlaubt[36]
.
Die vierte Gattung von Mönchen heißt die
der Gyrovagen. Diese ziehen ihr Leben lang im Lande
umher und bleiben drei oder vier Tage in den einzelnen
Klöstern zu Gast, immer unbeständig[37]
, niemals seßhaft, Sklaven ihrer Launen und der
Gaumenlust, in allweg noch schlimmer als die Sarabaiten.
Allein es ist besser, von dem jämmerlichen Wandel all
dieser zu schweigen als davon zu reden[38]
.
Lassen wir sie also und gehen wir daran[39]
, mit Gottes Hilfe dem starken Geschlechte der Zönobiten
eine feste Ordnung zu geben.
II. KAPITEL. Wie der Abt sein soll.
Ein Abt,[40]
der würdig sein will, einem Kloster vorzustehen, soll
immer des Namens eingedenk sein, den er trägt, und muß
durch sein Verhalten den Titel eines Obern wahrmachen.
Denn der Glaube sieht in ihm den Stellvertreter Christi
im Kloster; redet man ihn doch mit dessen Beinamen an,
da der Apostel sagt: "Ihr habt den Geist der Kindschaft
Gottes empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater"[41]
. Deshalb darf der Abt nichts lehren, anordnen oder
befehlen, was den Vorschriften Gottes zuwider ist[42]
; sein Geheiß und seine Unterweisung sollen vielmehr wie
ein Sauerteig der göttlichen Gerechtigkeit in die Herzen
der Jünger dringen. Der Abt denke immer daran, daß beim
furchtbaren Gerichte Gottes sowohl seine Unterweisung
als auch der Gehorsam seiner Jünger in Untersuchung
gezogen wird. Auch wisse der Abt, daß es dem Hirten als
Schuld angerechnet wird, falls der Hausvater an den
Schafen zu wenig Nutzen finden kann. Ebenso wird aber
auch derselbe Hirt, wenn er einer unruhigen und
widerspenstigen Herde alle Hirtensorge zugewendet und
ihrem verderbten Wandel alle Heilkunst hat angedeihen
lassen, einmal beim Gericht des Herrn schuldlos befunden
und kann dann mit dem Propheten zu Gott sprechen: "Deine
Gerechtigkeit verbarg ich nicht im Herzen, verkündete
Deine Treue und Dein Heil"[43]
; "sie aber hatten nur Verachtung für mich"[44]
. Und dann mögen schließlich die ihm anvertrauten,
unfolgsamen Schafe zur Strafe der Macht des Todes
anheimfallen.
Wer also die Würde des Abtes übernommen
hat, muß seinen Schülern mit doppelter Belehrung
vorangehen, das heißt, mehr noch durch Beispiel als
durch Worte über alles Gute und Heilige sie belehren.
Die verständigeren Jünger unterweise er demnach in den
Geboten des Herrn mit Worten, den weniger Empfänglichen
und Beschränkteren aber veranschauliche er die
Vorschriften Gottes durch sein Beispiel. Was er seine
Jünger meiden lehrt, das lasse er auch in seinem
Verhalten als unstatthaft erkennen, sonst könnte er,
während er anderen predigt, selbst als verworfen
erfunden werden[45]
und könnte Gott dereinst zu ihm, dem Sünder, sprechen:
"Warum zählst du meine Satzungen her und führst meine
Worte in deinem Mund; du selbst hassest ja die Zucht und
wirfst meine Worte hinter dich"[46]
und "der du im Auge deines Bruders den Splitter sähest,
hast in deinem eigenen den Balken übersehen"[47]
.
Er mache im Kloster keinen Unterschied
der Person; den einen liebe er nicht mehr als den
anderen, außer er findet bei einem einen höheren Grad
von Tugend und Gehorsam. Einem Freigeborenen darf kein
Vorrang eingeräumt werden vor dem, der aus unfreiem
Stande ins Kloster kommt[48]
, falls nicht sonst ein vernünftiger Grund vorliegt.
Findet es der Abt aus Gründen der Billigkeit für gut,
dann mag er die Rangordnung eines jeden in dieser Weise
regeln. Liegt ein solcher Grund nicht vor, so bleibe
jeder an dem ihm zukommenden Platze[49]
; denn ob unfrei oder frei, in Christus sind wir alle
eins[50]
und leisten unter einem Herrn den gleichen Kriegsdienst.
"Bei Gott gibt es ja kein Ansehen der Person"[51]
. Nur eines zeichnet uns in seinen Augen aus, wenn wir
nämlich reicher an Verdiensten als andere und demütig
erfunden werden. Darum schenke der Abt allen die gleiche
Liebe, allen lasse er, wie sie es verdienen, die gleiche
Behandlung zuteil werden[52]
.
Bei seiner Leitung soll er sich an die
Art und Weise halten, die ihm der Apostel angibt, wenn
er sagt: "Tadle, mahne, strafe"[53]
. Er muß also je nach Zeit und Umständen bald Strenge,
bald Milde, jetzt den Ernst eines Meisters, dann wieder
die zärtliche Liebe eines Vaters walten lassen.
Diejenigen, die von Ordnung nichts wissen wollen und
unruhige Köpfe sind[54]
, weise er strenge zurecht, die aber willig, sanft und
geduldig sind, ermuntere er zu weiterem Voranschreiten.
Legt einer Nachlässigkeit und Mißachtung an den Tag, den
soll er rügen und strafen, des mahnen wir ihn. Auch darf
er vor den Fehlern der Schuldigen sein Auge nicht
verschließen[55]
, sondern muß sie gleich beim Entstehen, soweit es in
seinen Kräften liegt, mit der Wurzel ausreißen; er soll
dabei an das Schicksal des Hohenpriesters Heli von Silo
denken[56]
. Edlere und einsichtige Jünger weise er bei der ersten
und zweiten Ermahnung mit Worten zurecht, bösartige,
unempfängliche, stolze und widerspenstige Gemüter
bestrafe er aber gleich beim ersten Fehler mit Schlägen
oder sonstigen körperlichen Züchtigungen[57]
, da er sich an das Wort der Schrift erinnern muß: "Ein
Tor läßt sich durch Zureden nicht auf bessere Wege
bringen"[58]
, und an einer anderen Stelle: "Schlage deinen Sohn mit
der Rute, und du bewahrst seine Seele vor dem Tode"[59]
.
Der Abt soll immer bedenken, was er ist
und was sein Name besagt, und wissen, daß, wem mehr
anvertraut ist, auch mehr abgefordert wird[60]
. Er halte sich gegenwärtig, wie schwierig und
dornenvoll die Aufgabe ist, die er übernommen hat,
Seelen zu leiten und dem Charakter vieler gerecht zu
werden, auf den einen mit Güte, auf den anderen mit
Tadel, auf einen dritten durch überzeugende Gründe
einzuwirken. Wie es Veranlagung und Einsicht eines jeden
erfordert, passe er sich allen völlig an, so daß er an
der ihm anvertrauten Herde keinen Verlust zu beklagen
habe, vielmehr am Wachstum der guten Herde sich erfreuen
könne.
Vor allem darf er über der Sorge für
vergängliche, irdische, hinfällige Dinge das Heil der
ihm anvertrauten Seelen nicht vernachlässigen oder
gering anschlagen. Er soll vielmehr immer bedenken, daß
er als Aufgabe übernommen hat, Seelen zu leiten, über
die er auch Rechenschaft ablegen muß. Um nicht etwa den
geringen Bestand des Vermögens zum Vorwand zu nehmen,
erinnere er sich an das Wort der Schrift: "Suchet zuerst
das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, so wird euch
das alles dazu gegeben werden"[61]
, und wiederum: "Keinen Mangel hat zu besorgen, wer Gott
fürchtet"[62]
. Er darf auch nie vergessen, daß, wer die Leitung von
Seelen übernimmt, sich zur Rechenschaft bereit halten
muß. So groß die Zahl der Brüder ist, die er sich
anvertraut weiß, für alle diese Seelen, davon muß er
überzeugt sein, hat er am Tage des Gerichtes vor dem
Herrn Rechenschaft zu geben, dazu noch zweifelsohne auch
für seine eigene Seele. So schwebt er in beständiger
Furcht wegen der Untersuchung, die ihm als Hirten über
die anvertraute Herde bevorsteht, und da er sich vor der
Verantwortung für andere hütet, läßt ihn dies um die
eigene Rechenschaft besorgt sein. Derweil er andere
durch seine Mahnreden zur Besserung führt, reinigt er
sich selbst von Fehlern.
III. KAPITEL. Von der Beiziehung der
Brüder zur Beratung.
[63]
So oft im Kloster wichtige Angelegenheiten zu verhandeln
sind, rufe der Abt die ganze Brüderschar zusammen und
lege die Sache selber vor. Hat er den Rat der Brüder
vernommen, dann überlege er bei sich und handle dann,
wie er es für ersprießlicher hält. Daß alle zur Beratung
beigezogen werden, haben wir deshalb bestimmt, weil der
Herr oft einem jüngeren eingibt, was das Beste ist. Die
Brüder sollen aber in aller Bescheidenheit und Demut
ihre Meinung äußern und sich nicht herausnehmen,
hartnäckig ihre Ansicht zu verteidigen. Die Entscheidung
hänge vielmehr vom Abte ab, so daß sich alle gehorsam
dem fügen, was er für zuträglicher hält. Wie es jedoch
dem Schüler zukommt, dem Meister zu gehorchen, so ist es
auch geziemend, daß dieser alles nach Klugheit und
Billigkeit anordne.
Alle sollen demnach durchweg der Regel
als Meisterin folgen; keiner darf vermessen von ihr
abgehen. Niemand folge im Kloster dem Begehren des
eigenen Herzens, noch erdreiste sich einer, mit seinem
Abt in kecker Weise oder gar außerhalb des Klosters zu
streiten. Wäre einer so anmaßend, dann verfalle er der
in der Regel festgesetzten Strafe. Der Abt handle jedoch
überall mit Gottesfurcht und nach der Richtschnur der
Regel; er vergesse nicht, daß er ohne allen Zweifel über
alle seine Entscheidungen vor Gott, dem gerechtesten
Richter, Rechenschaft ablegen muß. Handelt es sich um
minder wichtige Angelegenheiten des Klosters, so ziehe
er nur die Ältesten zu Rat, wie geschrieben steht: "Tu
alles mit Rat, dann wirst du nachher nichts zu bereuen
haben"[64]
.
IV. KAPITEL. Von den Werkzeugen der guten
Werke.
[65]
Vor allem Gott den Herrn lieben aus ganzem Herzen, aus
ganzer Seele, mit aller Kraft[66]
.
Dann den Nächsten wie sich selbst[67]
.
Ferner nicht töten.
Nicht ehebrechen.
Nicht stehlen.
Nicht begehren.
Kein falsches Zeugnis geben[68]
.
Alle Menschen ehren[69]
.
Und was man selbst nicht leiden möchte,
auch keinem andern tun[70]
.
Sich selbst verleugnen, um Christus
nachzufolgen[71]
.
Den Leib züchtigen.
Sinnliche Ergötzungen nicht suchen.
Das Fasten lieben.
Arme erquicken.
Nackte bekleiden.
Kranke besuchen[72]
.
Tote begraben.
Bedrängten zu Hilfe kommen.
Trauernde trösten.
Dem Treiben der Welt sich entfremden[73]
.
Der Liebe zu Christus nichts vorziehen[74]
.
Zorn nicht zur Tat werden lassen.
Rachegelüste nicht dauern lassen.
Kein Falsch im Herzen tragen[75]
.
Nicht heuchlerischen Frieden bieten.
Von der Liebe nicht lassen.
Nicht schwören, um nicht etwa falsch zu
schwören.
Mit Herz und Mund die Wahrheit sagen.
Nicht Böses mit Bösem vergelten[76]
.
Kein Unrecht tun, selber in Ruhe solches
tragen[77]
.
Die Feinde lieben[78]
.
Die uns schmähen, nicht wieder schmähen,
sondern segnen[79]
.
Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit
willen[80]
.
Nicht stolz sein[81]
.
Nicht trunksüchtig,
Nicht eßsüchtig,
Nicht schlafsüchtig sein.
Nicht träge sein.
Kein Murrer,
Kein Verleumder sein.
Seine Hoffnung auf Gott setzen1[82]
.
Das Gute, das man an sich gewahrt, Gott
zuschreiben, nicht sich selber.
Das Böse aber stets als sein eigenes
Werk erkennen und bekennen[83]
.
Vor dem Tage des Gerichtes bangen.
Vor der Hölle zittern.
Nach dem ewigen Leben von Herzen mit
heiliger Begierde verlangen.
Den drohenden Tod täglich vor Augen
haben[84]
.
Seinen Lebenswandel stündlich
überwachen.
Daß allerorten Gottes Auge auf uns
schaut, untrüglich glauben.
Böse Gedanken, sobald sie im Herzen
aufsteigen, an Christus zerschellen und sie dem
geistlichen Vater offenbaren[85]
.
Seinen Mund vor böser und verkehrter
Rede bewahren.
Nicht gerne viel reden.
Hohles Gerede oder Possen sich nicht
gestatten.
Vieles oder zu lautes Lachen nicht
lieben.
Fromme Lesung gern anhören.
Dem Gebet häufig obliegen.
Seine früheren Sünden unter Tränen und
Seufzen täglich vor Gott im Gebete bekennen.
Diese Sünden fortan meiden.
Den Begierden des Fleisches nicht zu
Willen sein[86]
.
Den Eigenwillen hassen.
Den Anordnungen des Abtes in allen
Stücken gehorsam sich fügen, auch wenn er selbst, was
ferne sei, anders handeln sollte, im Gedanken an das
Gebot des Herrn: "Was sie sagen, das tut, was sie aber
tun, das tuet nicht!"[87]
Sich nicht wollen als Heiligen feiern
lassen, bevor man es ist; sondern es zuerst werden, um
dann mit Recht als solcher zu gelten[88]
.
Gottes Gebote tagtäglich im Werke
erfüllen.
Die Keuschheit lieben.
Niemand hassen.
Keine Eifersucht hegen.
Sich von Scheelsucht nicht beherrschen
lassen.
Streitereien nicht lieben.
Selbsterhebung fliehen und die Älteren
ehren.
Die Jüngeren lieben.
In der Liebe zu Christus für die Feinde
beten[89]
.
Nach einem Zwiste, noch ehe die Sonne
scheidet, Versöhnung suchen[90]
.
Endlich an der Barmherzigkeit Gottes
niemals verzweifeln.
Siehe, das sind die Werkzeuge der
geistlichen Kunst. Handhaben wir sie Tag und Nacht, ohne
zu ermüden, und weisen wir sie dann am Tage des
Gerichtes wieder vor, dann wird uns jener Lohn vom Herrn
ausbezahlt[91]
, den er selbst verheißen hat: "Kein Auge hat es
gesehen, kein Ohr gehört, was Gott denen bereitet hat,
die ihn lieben"[92]
. Die Werkstätte aber, wo wir das alles mit emsigem
Fleiße wirken sollen, ist das Kloster in seiner
Abgeschiedenheit, und beständiges Ausharren im
Klosterverband.
V. KAPITEL. Vom Gehorsam.
Der vorzüglichste Grad der Demut ist
Gehorsam ohne Zögern. Er ist denen eigen, die nichts
Lieberes als Christus kennen: wegen des heiligen
Dienstes, den sie gelobt haben, oder wegen der Furcht
vor der Hölle und wegen der Herrlichkeit des ewigen
Lebens gibt es kein Säumen für sie[93]
, sobald vom Obern ein Befehl ergangen ist, gleichwie
als befähle Gott selbst. Von ihnen sagt der Herr: "Er
gehorcht mir aufs Wort"[94]
. Desgleichen sagt er zu den Lehrern: "Wer euch hört,
der hört mich"[95]
. Solche lassen demnach sogleich das Ihrige im Stich,
geben den eigenen Willen preis, ziehen alsbald ihre Hand
zurück von ihrer Beschäftigung, lassen unvollendet
liegen, was sie taten, und folgen so schnellbereiten
Fußes willig dem Worte des Obern mit der Tat. Und wie in
einem Augenblick, in der Schnelligkeit der Gottesfurcht,
spielt sich sowohl der ergangene Befehl des Meisters wie
auch die vollbrachte Tat des Schülers rasch miteinander
ab. Ganz von Sehnsucht beherrscht, zum ewigen Leben zu
gelangen, betreten sie voll Mut den schmalen Pfad, von
dem der Herr sagt: "Eng ist der Weg, der zum Leben
führt"[96]
. So leben sie nicht nach ihrem Gutdünken und folgen
nicht ihren Wünschen und Launen, sondern richten sich
nach fremdem Urteil und Befehl, verharren im Kloster und
verlangen darnach, unter einem Abte zu stehen[97]
. Ohne Zweifel befolgen solche den Ausspruch des Herrn:
"Ich bin nicht gekommen, meinen Willen zu tun, sondern
den Willen dessen, der mich gesandt hat"[98]
.
Nun aber ist dieser Gehorsam nur dann
Gott wohlgefällig und den Menschen angenehm, wenn der
Befehl nicht lässig, nicht lahm, nicht lau, nicht mit
Murren oder offener Widerrede vollzogen wird. Denn wer
den Obern gehorcht, gehorcht Gott; er sagte ja: "Wer
euch hört, der hört mich"[99]
. Und frohen Herzens sollen die Jünger gehorchen, weil
"Gott einen freudigen Geber liebt"[100]
. Denn, wenn sich der Jünger nur mißmutig zum Gehorsam
versteht und, ich will nicht sagen mit dem Munde, nein
auch nur im Herzen murrt, findet er, mag er den Befehl
auch erfüllen, damit doch kein Gefallen bei Gott, der
auf sein murrendes Herz schaut; und für solcher Art
Handeln empfängt er keinen Lohn, verfällt vielmehr der
Strafe der Murrer, wenn er nicht dafür genugtut und sich
bessert.
VI. KAPITEL. Von der Tugend des
Schweigens.
Befolgen wir das Wort des Propheten: "Ich
hab' es gesagt, behüten will ich meine Wege, auf daß ich
nicht fehle mit meiner Zunge; eine Wache habe ich
gestellt an meinen Mund; stumm ward ich, verdemütigte
mich und schwieg vom Guten"[101]
. Damit gibt uns der Prophet die Lehre: wenn man der
Schweigsamkeit zulieb bisweilen selbst von guter Rede
lassen soll, wieviel mehr ist es dann Pflicht, böse
Reden zu meiden, wegen der Strafe, die der Sünde folgt.
Wären die Reden auch noch so gut, fromm und erbaulich,
selbst vollkommenen Schülern soll daher wegen der hohen
Bedeutung des Schweigens nur selten Erlaubnis gegeben
werden, zu sprechen; denn es steht geschrieben: "Beim
vielen Reden entgehst du der Sünde nicht"[102]
, und anderswo: "Tod und Leben sind in der Gewalt der
Zunge"[103]
. Reden und Lehren kommt ja dem Meister zu, Schweigen
und Hören ziemt dem Jünger.
Hat also jemand beim Obern etwas zu
erfragen, so tue er es in aller Bescheidenheit und
ehrfürchtiger Unterwürfigkeit. Aber leichtfertiges oder
müßiges und zum Lachen reizendes Geschwätz[104]
verbannen und verdammen wir für immer und überall und
erlauben nicht, daß ein Jünger seinen Mund zu derlei
Reden öffne.
VII. KAPITEL. Von der Demut.
[105]
Brüder, die Heilige Schrift ruft uns zu: "Jeder, der
sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst
erniedrigt, wird erhöht werden"[106]
. Mit diesen Worten belehrt sie uns, daß jede
Selbsterhöhung Stolz ist. Davor hütet sich der Prophet,
wie er bekennt und sagt: "Herr, mein Herz ist nicht
vermessen, nicht stolz erhoben trag ich meinen Blick,
ich ergehe mich nicht in Dingen, die zu hoch sind und zu
wunderbar für mich. Aber wie? Wenn ich nicht bescheiden
dachte, wenn sich stolz meine Seele erhob — wie einem
Kinde, wenn es von der Mutterbrust entwöhnt wird, also
vergiltst Du dann meiner Seele"[107]
.
Brüder, wollen wir daher den Gipfel der
vollkommenen Demut erreichen und zu jener Erhöhung im
Himmel rasch gelangen, zu der die Erniedrigung in diesem
Leben emporführt, so müssen wir durch unsern
aufwärtsstrebenden Wandel jene Leiter errichten, die
Jakob im Traum erschien[108]
, woran, wie ihm gezeigt wurde, Engel auf- und
niederstiegen. Nicht anders ohne Zweifel können wir
dieses Auf- und Niedersteigen deuten, als daß man durch
Selbsterhebung abwärts sinkt und durch Demut aufwärts
steigt. Die aufgerichtete Leiter selbst ist aber unser
Leben auf Erden, dem Gott die Richtung zum Himmel gibt,
wenn das Herz demütig ist. In den beiden Seiten dieser
Leiter sehen wir unsern Leib und unsere Seele; in diese
Seiten hat der Gnadenruf Gottes verschiedene Sprossen
der Demut und des geistlichen Lebens eingefügt, die man
hinaufsteigen soll.
Die erste Stufe der Demut ist nun, die
Gottesfurcht stets vor Augen haben und sich vor allem
hüten, sie je zu vergessen, vielmehr jederzeit all
dessen eingedenk bleiben, was Gott befohlen hat. Darum
soll sich der Mensch im Geiste stets gegenwärtig halten,
wie das Feuer der Hölle die Gottesverächter wegen ihrer
Sünden brennt, aber auch ewiges Leben den
Gottesfürchtigen bereitet ist. So wird er allezeit
Sünden und Fehler meiden, Fehler in Gedanken, mit der
Zunge, mit Händen und Füßen oder Fehler des
Eigenwillens, meiden wird er auch Fleischesbegierden. Er
denke daran, daß Gott immerdar vom Himmel auf ihn
herniederschaut, daß sein Tun und Lassen allerorten klar
vor Gottes Auge steht und von den Engeln zu jeder Zeit
ihm gemeldet wird. Darauf macht uns der Prophet
aufmerksam, wenn er uns belehrt, daß Gott immer bei
unsern Gedanken zugegen ist, indem er sagt: "Gott
durchforscht Herz und Nieren"[109]
. Und wiederum: "Der Herr kennt die Gedanken der
Menschen"[110]
, und anderswo: "Von ferne durchschaust Du meine
Gedanken[111]
, und: "Das Sinnen des Menschen ist Dir bekannt"[112]
. Um sorgsam zu wachen über seine verkehrten Gedanken,
spreche ein braver Bruder immer zu sich: "Dann wandle
ich makellos vor Dir, wenn ich mich vor meiner Bosheit
in acht nehme"[113]
.
Dem Eigenwillen aber zu folgen, ist uns
verwehrt, da uns die Schrift sagt: "Wende dich ab von
dem Begehren deines Herzens"[114]
. Auch flehen wir zu Gott im Gebete, daß sein Wille an
uns geschehen möge[115]
. Mit Recht werden wir also davor gewarnt, unserm
Eigenwillen zu folgen, Denn so entgehen wir dem, was die
Schrift sagt: "Es gibt Wege, die den Menschen recht
erscheinen, deren Ende aber bis zur Tiefe der Hölle
hinabführt"[116]
. Dann hält uns auch das Urteil in Angst und Furcht, das
über die Nachlässigen gefällt ist: "Sie sind verderbt
und zum Abscheu geworden in ihren Gelüsten[117]
. Was aber die Begierden des Fleisches anlangt, sollen
wir Gott immer gegenwärtig wissen; betet doch der
Prophet zum Herrn: "Vor Dir ist all das Verlangen meines
Herzens"[118]
.
Man muß sich also deshalb vor der bösen
Begierde hüten; denn der Tod lauert vor der Pforte der
Lust. Daher befiehlt uns die Schrift und sagt: "Deinen
Gelüsten gehe nicht nach"[119]
. Wenn demnach die Augen des Herrn auf Gute und Böse
gerichtet sind[120]
und "der Herr immerdar vom Himmel auf die Menschenkinder
niederschaut, um zu sehen, ob einer weise sei und Gott
suche"[121]
, und wenn die Engel, die uns an die Seite gegeben sind,
täglich bei Tag und Nacht dem Herrn unser Tun und Lassen
melden, dann sollen wir uns, meine Brüder, jederzeit
davor in acht nehmen, daß Gott nicht, wie der Prophet im
Psalme sagt, zu irgendeiner Stunde sehen müsse, wie wir
dem Bösen zuneigen und zu unnützen Knechten geworden
sind; sonst könnte er, während er unser in diesem Leben
schont, da er barmherzig ist und auf unsere Besserung
wartet, später zu uns einmal sagen müssen: "Das hast du
getan, und ich habe dazu geschwiegen"[122]
.
Die zweite Stufe der Demut ist, den
eigenen Willen nicht lieben und sich in der Befriedigung
seiner Wünsche nicht gefallen, vielmehr jenes Wort des
Herrn zur Richtschnur nehmen: "Ich bin nicht gekommen,
meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der
mich gesandt hat"[123]
. Es steht ferner geschrieben: "Ungebundenheit zieht
Strafe nach sich, die Bande des Zwanges bringen den
Siegeskranz"[124]
.
Die dritte Stufe der Demut ist, aus
Liebe zu Gott in vollkommenem Gehorsam sich dem Obern
unterwerfen und so den Herrn nachahmen, von dem der
Apostel sagt: "Er ward gehorsam bis in den Tod"[125]
.
Die vierte Stufe der Demut ist, in
diesem Gehorsam bei herben und widrigen Dingen, ja sogar
bei angetaner Unbill mit Stillschweigen und
Selbstbeherrschung die Geduld bewahren, ausharren, nicht
ermatten oder sich entziehen, sagt doch die Schrift:
"Wer ausharrt bis ans Ende, wird gerettet werden"[126]
, und wiederum: "Laß stark sein dein Herz und harre auf
den Herrn"[127]
. Um uns zu belehren, daß der Gläubige dem Herrn zulieb
alles, selbst Widriges ertragen muß, sagt die Schrift im
Namen der Dulder: "Um Deinetwillen werden wir
hingemordet den ganzen Tag, werden geachtet wie
Schlachtschafe"[128]
. Und felsenfest in der Hoffnung auf göttliche
Vergeltung fügen sie freudig hinzu: "Allein in all dem
obsiegen wir um dessentwillen, der uns geliebt hat"[129]
. Auch sagt die Schrift an einer anderen Stelle: "Du
hast uns, o Gott, geprüft, im Feuer geläutert, gleichwie
man Silber im Feuer läutert, Du hast uns in die Schlinge
geraten lassen, hast Drangsal auf unsere Schulter
gelegt". Und um zu zeigen, daß wir unter einem
Vorgesetzen stehen müssen, fährt sie fort: "Menschen
hast Du über unser Haupt gesetzt"[130]
. Aber auch in Widerwärtigkeiten und Unbilden erfüllen
sie durch Geduld das Gebot des Herrn[131]
: auf eine Wange geschlagen, bieten sie auch die andere
dar, des Rockes beraubt, geben sie auch den Mantel dazu,
zu einer Meile genötigt, gehen sie gleich zwei, ertragen
mit dem Apostel Paulus[132]
falsche Brüder und segnen, die sie schmähen.
Die fünfte Stufe der Demut ist, alle
schlimmen Gedanken, die im Herzen aufsteigen, und das im
Verborgenen begangene Böse in demütigem Bekenntnis
seinem Abte bekennen[133]
. Dazu mahnt uns die Schrift mit den Worten: "Offenbare
dem Herrn deinen Weg und vertrau auf ihn"[134]
. Und wiederum: "Bekennet dem Herrn, denn er ist gut,
ewig währet seine Barmherzigkeit"[135]
. Und ebenso sagt der Prophet: "Mein Vergehen habe ich
Dir kund getan und meine Ungerechtigkeit nicht
verborgen; ich spreche: als mein Ankläger will ich mein
Unrecht dem Herrn bekennen; Du aber verzeihst den Frevel
meines Herzens"[136]
.
Die sechste Stufe der Demut erreicht der
Mönch, wenn er sich mit dem Allerniedrigsten und
Geringsten zufrieden gibt und bei allem, was man ihm
aufträgt, in sich einen schlechten und untauglichen
Arbeiter sieht, indem er zu sich selber mit dem
Propheten sagt: "Zunichte geworden bin ich, und es war
mir verborgen; wie ein Lasttier ward ich vor Deinem
Angesicht, und doch bin ich immer bei Dir"[137]
.
Die siebte Stufe der Demut ist, sich
nicht bloß mit Worten als den letzten und geringsten
bezeichnen, sondern auch im tiefsten Herzensgrund
hiervon überzeugt sein und in Demut mit dem Propheten
sprechen: "Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, der
Leute Spott und die Verachtung des Volkes"[138]
. "Erhoben hab ich mich, ward aber gedemütigt und bin
zuschanden geworden"[139]
. Und abermals: "Gut war's mir, daß Du mich demütigtest,
damit ich Deine Gebote lerne"[140]
.
Die achte Stufe der Demut erreicht der
Mönch, wenn er nur tut, wozu ihn die gemeinsame
Klosterregel und das Beispiel der älteren Brüder
anhalten.
Die neunte Stufe der Demut ersteigt der
Mönch, wenn er seine Zunge beim Reden bezähmt, im
Schweigen verharrt und nicht redet, bis man eine Frage
stellt[141]
; versichert uns doch die Schrift: "Beim vielen Reden
entgeht man der Sünde nicht"[142]
, und: "Ein geschwätziger Mensch hat keinen Bestand auf
Erden"[143]
.
Die zehnte Stufe der Demut ist, nicht
schnell und gern zum Lachen bereit sein, weil
geschrieben steht: "Der Tor bricht in schallendes
Gelächter aus"[144]
.
Die elfte Stufe der Demut erreicht der
Mönch, wenn er beim Reden ruhig und ohne zu lachen,
bescheiden und ernst, nur wenig und wohlbedacht spricht
und mit der Stimme nicht lärmt, wie es heißt: "Der Weise
gibt sich an gemessener Rede zu erkennen"[145]
.
Die zwölfte Stufe der Demut ersteigt der
Mönch, wenn er nicht bloß im Herzen demütig ist, sondern
auch in seiner Körperhaltung vor aller Augen Demut
bekundet; wenn er also beim Gotteslob, im Oratorium, im
Kloster, im Garten, auf der Straße, auf dem Felde, oder
mag er sonst irgendwo sitzen, gehen oder stehen,
jederzeit das Haupt geneigt[146]
hält und mit niedergeschlagenem Blicke sich immer wegen
seiner Sünden voll Schuld weiß und im Geiste schon vor
dem schrecklichen Gerichte Gottes sieht. Er bete immer
in seinem Herzen, wie jener Zöllner im Evangelium mit
niedergeschlagenen Augen gesprochen hat: "Herr, ich
Sünder bin nicht würdig, meine Augen zum Himmel zu
erheben"[147]
. Und wiederum sagt er mit dem Propheten: "Gebeugt bin
ich und gedemütigt für und für"[148]
.
Hat also der Mönch alle diese Stufen der
Demut erstiegen, dann wird er bald zu jener Gottesliebe
gelangen, die in ihrer Vollkommenheit die Furcht
vertreibt[149]
. In der Kraft dieser Liebe wird er dann alles, was er
früher nur unter dem Drucke der Furcht einhielt, von
jetzt an mühelos, aus Gewohnheit beobachten, als wäre es
ihm zur zweiten Natur geworden, nicht mehr aus Furcht
vor der Hölle, sondern aus Liebe zu Christus, aus guter
Angewöhnung und aus Freude an der Tugend[150]
. Das wird der Herr in seiner Huld an seinem Diener
durch den Heiligen Geist offenbaren, wenn er sich
gereinigt hat von Fehlern und Sünden.
VIII. KAPITEL. Vom Chorgebet zur
Nachtzeit.
[151]
Zur Winterszeit, das heißt vom ersten November bis
Ostern, soll man zur achten Stunde der Nacht
entsprechend der üblichen Berechnung[152]
aufstehen, so daß man also noch ein wenig über
Mitternacht hinaus der Ruhe pflegen und sich dann in
Wohlbefinden erheben kann. Was nach den Metten noch an
Zeit übrig ist, sollen die Brüder auf das Studium des
Psalteriums und der Lesungen verwenden, soweit sie
dessen bedürfen[153]
. Von Ostern bis zum ersten November, wie schon gesagt,
setze man die Zeit so an, daß auf die Metten eine kurze
Pause folge, während der sich die Brüder leiblicher
Bedürfnisse wegen entfernen können. Dann sollen sich
alsbald die Laudes anschließen, die bei Tagesanbruch
abgehalten werden müssen.
IX. KAPITEL. Wieviele Psalmen beim
Nachtgottesdienst zu beten sind.
Während der oben bezeichneten Winterszeit
werde zunächst dreimal der Vers gebetet: "Herr, öffne
meine Lippen, und mein Mund wird Dein Lob verkünden"[154]
. Darauf folge der dritte Psalm mit "Ehre sei dem
Vater", hernach der 94. Psalm entweder mit Antiphon[155]
oder wenigstens einfach gesungen[156]
. Daran schließe sich der ambrosianische Hymnus[157]
, dann kommen sechs Psalmen mit Antiphonen. Sind diese
samt dem Versikel gebetet, so gebe der Abt den Segen;
dann nehmen alle auf den Bänken Platz und hierauf tragen
Brüder einander ablösend aus dem Buche, das auf dem
Pulte liegt, drei Lesungen[158]
vor; zwischen diesen werden noch drei Responsorien
gebetet, die zwei ersten Responsorien ohne "Ehre sei dem
Vater", nach der dritten Lesung soll aber der Vorsänger
das "Ehre sei dem Vater" hinzufügen; sobald er damit
beginnt, erheben sich sogleich alle von ihren Sitzen in
tiefer Ehrfurcht vor der heiligen Dreifaltigkeit. Zu den
Lesungen in den Metten verwende man die gottbeglaubigten
Bücher des Alten und Neuen Testamentes, sowie deren
Auslegungen, die von den angesehenen[159]
und rechtgläubigen katholischen Vätern stammen. Nach den
drei Lesungen und Responsorien kommen weitere sechs
Psalmen mit Alleluja[160]
. Hernach werde ein Abschnitt aus dem Apostel auswendig
vorgetragen; dann folgen die Versikel und die
Litaneigebete, das heißt Kyrie eleison[161]
. Damit schließen die Metten.
X. KAPITEL. Wie der Nachtgottesdienst zur
Sommerszeit zu halten ist.
Von Ostern bis zum ersten November
behalte man die gleiche schon angegebene Zahl der
Psalmen bei; dagegen fallen wegen der kürzeren Dauer der
Nächte die Lesungen aus dem Buche weg; statt dieser drei
Lesungen werde ein Abschnitt aus dem Alten Testament
auswendig vorgetragen, worauf ein kurzes Responsorium
folge. Mit allem übrigen werde es gehalten, wie oben
bestimmt wurde; es dürfen also bei den Metten nie
weniger als zwölf Psalmen gebetet werden, der dritte und
94. Psalm nicht gerechnet.
XL KAPITEL. Wie die Metten an Sonntagen
gehalten werden.
Am Sonntag stehe man zu den Metten früher
auf. Diese Metten werden folgendermaßen gehalten: zuerst
bete man, wie wir im Vorhergehenden bestimmt haben,
sechs Psalmen mit einem Versikel, dann setzen sich alle
in geordneter Reihe nebeneinander auf die Bänke, und es
werden, wie oben gesagt, aus dem Buche vier Lesungen mit
ihren Responsorien vorgetragen. Erst beim vierten
Responsorium stimme der Vorsänger das "Ehre sei dem
Vater" an. Sobald er damit beginnt, erheben sich alle
voll Ehrfurcht. Auf diese Lesungen folgen der Reihe nach
sechs andere Psalmen auch mit Antiphonen wie die
früheren Psalmen, hierauf ein Versikel. Darnach kommen
wieder vier andere Lesungen mit ihren Responsorien in
der oben angegebenen Art und Weise. Nach diesen bete man
drei Lobgesänge aus dem Prophetenbuch[162]
, wie sie der Abt bestimmt. Diese Lobgesänge werden mit
Alleluja gesungen. Nach dem Versikel und dem Segen des
Abtes folgen weitere vier Lesungen aus dem Neuen
Testament in besagter Weise. Nach dem vierten
Responsorium stimme der Abt den Hymnus "Gott wir loben
Dich"[163]
an. Nach diesem Hymnus lese der Abt den Abschnitt aus
dem Evangelienbuch vor; während dessen sollen alle in
tiefer Ehrfurcht stehen. Am Schluß antworten alle Amen;
dann beginne der Abt sofort den Hymnus "Dir gebührt
Lob". Hierauf gibt er den Segen[164]
und dann fangen die Laudes an. Diese Ordnung für die
Metten werde immer zur Sommers- und Winterszeit in
gleicher Weise am Sonntag eingehalten, außer die Brüder
stünden einmal — was nicht vorkommen soll — zu spät auf,
und man müßte dann die Lesungen und Responsorien etwas
abkürzen. Das suche man aber auf alle Weise zu
vermeiden. Käme es doch vor, so leiste, wer es durch
seine Nachlässigkeit verschuldet hat, im Gotteshause
dafür gebührend Genugtuung.
XII. KAPITEL. Wie die feierlichen Laudes
gehalten werden.
Am Sonntag werde zu den Laudes zuerst der
66. Psalm einfach, ohne Antiphon, gebetet, hierauf der
50. Psalm mit Alleluja[165]
, dann der 117. und 62., der Lobgesang des Benedicite[166]
und die Laudatepsalmen[167]
, dann folge auswendig ein Abschnitt aus der Apokalypse,
das Responsorium, der Hymnus, Versikel, der Lobgesang
aus dem Evangelium[168]
und zum Schluß die Litaneigebete.
XIII. KAPITEL. Wie die Laudes an
gewöhnlichen Tagen gehalten werden.
An gewöhnlichen Tagen werden die Laudes
also gehalten: man bete den 66. Psalm ohne Antiphon,
etwas langsam, wie am Sonntag, damit alle beim 50. Psalm
zugegen sein können, der mit einer Antiphon verbunden
wird. Dann folgen wie üblich zwei andere Psalmen, und
zwar am Montag der fünfte und 35., am Dienstag der 42.
und 56., am Mittwoch der 63. und 64., am Donnerstag der
87. und 89., am Freitag der 75. und 91" am Samstag der
142. und der Lobgesang aus dem Deuteronomium, der durch
das "Ehre sei dem Vater" in zwei Teile zerlegt wird; an
den übrigen Tagen werde aber jeweils der Lobgesang[169]
aus den Propheten gebetet, wie es in der römischen
Kirche Brauch ist. Daran schließen sich die
Laudatepsalmen, ein Abschnitt aus den Apostelbriefen
auswendig, das Responsorium, der Hymnus, der Versikel,
der Lobgesang aus dem Evangelium und zum Schluß die
Litaneigebete.
Auf alle Fälle dürfen Laudes und Vesper
nie vorübergehen, ohne daß der Obere am Schluß allen
vernehmbar das Vaterunser ganz vorbete wegen der Dornen
der Ärgernisse, die leicht entstehen, damit sich die
Brüder, verpflichtet durch ihr Gebetsversprechen[170]
"Vergib uns, wie auch wir vergeben", von derlei Fehlern
reinigen. Bei den anderen Gebetsstunden soll aber nur
der Schluß des Vaterunsers laut vorgebetet werden, so
daß dann alle antworten "Sondern erlöse uns vom Übel".
XIV. KAPITEL. Wie an den Festtagen der
Heiligen die Metten gehalten werden.
An den Festen der Heiligen und überhaupt
an allen Feiertagen halte man es so, wie wir für den
Sonntag bestimmt haben, nur nehme man solche Psalmen,
Antiphonen und Lektionen, die für das betreffende Fest
passen. Doch werde die oben beschriebene Ordnung
beibehalten.
XV. KAPITEL. Wann das Alleluja zu beten
ist.
[171]
Vom heiligen Osterfest bis Pfingsten werde das Alleluja
ohne Unterbrechung zu den Psalmen und Re-sponsorien
gebetet; von Pfingsten bis zum Beginn der Fastenzeit[172]
beim Nachtgottesdienst nur zu den sechs letzten Psalmen
der Nokturnen. An allen Sonntagen außerhalb der
Fastenzeit jedoch werden die Lobgesänge, die Laudes, die
Prim, die Terz, die Sext und die Non mit Alleluja
gesungen, die Vesper dagegen mit Antiphonen. Zu den
Responsorien wird das Alleluja nur von Ostern bis
Pfingsten gebetet.
XVI. KAPITEL. Wie das Chorgebet während
des Tages zu halten ist.
Wie der Prophet sagt: "Siebenmal des
Tages sing ich Dein Lob"[173]
. Diese geheiligte Siebenzahl erreichen wir, wenn wir in
der Morgenfrühe, zur Zeit der Prim, der Terz, der Sext,
der Non, der Vesper und der Komplet die Pflichten
unseres Dienstes erfüllen. Denn von diesen Tagesstunden
sagt der Prophet: "Siebenmal bei Tage sing ich Dein
Lob". Von den Metten zur Nachtzeit sagt derselbe
Prophet: "Um Mitternacht erhob ich mich, um Dich zu
preisen"[174]
. Zu diesen Zeiten also wollen wir unserem Schöpfer
lobsingen ob seiner gerechten Satzungen[175]
, das heißt bei den Laudes, bei der Prim, Terz, Sext,
Non, Vesper und Komplet; und auch bei Nacht wollen wir
aufstehen, ihn zu lobpreisen.
XVII. KAPITEL. Wieviele Psalmen bei
diesen Tagzeiten zu beten sind.
Wir haben bisher die Psalmenordnung für
die Nokturnen und die Laudes festgelegt; nun wollen wir
uns mit den anderen Gebetsstunden befassen. Zur Prim
werden drei Psalmen gebetet, jeder einzeln mit dem "Ehre
sei dem Vater", vorher der Hymnus der betreffenden Höre
nach dem Vers "Gott merk' auf meine Hilfe", ehe die
Psalmen begonnen werden. Auf die drei Psalmen folgen
eine Lesung[176]
, der Versikel, Kyrie eleison und die Litaneigebete[177]
. Die Terz, Sext und Non werden in der gleichen Weise
abgehalten, also zuerst der Vers, dann die Hymnen dieser
Hören, drei Psalmen, die Lesung mit dem Versikel, Kyrie
eleison und die Litaneigebete. Ist die Klostergemeinde
zahlreicher, so werden Antiphonen eingeschaltet, ist sie
kleiner, dann bete man die Psalmen ohne Antiphonen.
Die Vesper bestehe aus vier Psalmen mit
Antiphonen. Auf die Psalmen folge eine Lesung, dann ein
Responsorium, der Hymnus, der Versikel, der Lobgesang
aus dem Evangelium, die Litanei und als Schlußgebet das
Vaterunser[178]
. Die Komplet setzt sich aus drei Psalmen zusammen, die
einfach, ohne Antiphon zu beten sind; nach diesen kommt
der Hymnus dieser Höre, eine Lesung, Versikel, Kyrie
eleison, und zum Schluß das Segensgebet.
XVIII. KAPITEL. In welcher Reihenfolge
diese Psalmen zu beten sind.
Zuerst werde der Vers gebetet: "Gott
merk' auf meine Hilfe, Herr eile mir zu helfen"[179]
und "Ehre sei dem Vater", dann folge der Hymnus einer
jeden Höre. Hierauf kommen am Sonntag zur Prim vier
Abschnitte des 118, Psalmes, bei den anderen Hören, also
bei der Terz, Sext und Non, nehme man je drei Abschnitte
desselben 118. Psalmes.
Am Montag bete man zur Prim drei
Psalmen, nämlich den ersten, dritten und sechsten, und
nehme dann in der gleichen Weise an den anderen Tagen
bis zum Sonntag zur Prim jedesmal drei Psalmen der Reihe
nach bis zum 19. Psalm; doch zerlege man den 9. und 17.
Psalm in zwei Teile. So kommt es, daß man bei den Metten
am Sonntag immer mit dem 20. Psalm beginnt.
Zur Terz, Sext und Non nehme man am
Montag die neun noch übrigen Abschnitte des 118. Psalmes,
je drei in jeder Höre. Ist so der 118. Psalm auf die
beiden Tage, Sonntag und Montag, verteilt, dann werden
am Dienstag zur Terz, Sext und Non je drei Psalmen vom
119. bis zum 127., mithin neun Psalmen, gebetet. Diese
Psalmen wiederhole man in gleicher Weise jedesmal bei
diesen Hören bis zum Sonntag; doch bleibe die Ordnung
der Hymnen, Lesungen und Versikel für alle Tage die
gleiche. So fängt man am Sonntag immer mit dem 118.
Psalm an.
In der Vesper werden täglich vier
Psalmen gesungen, angefangen vom 109. bis zum 147. Dabei
werden die Psalmen ausgenommen, die schon für einzelne
Gebetszeiten eigens bestimmt sind, nämlich Psalm 117 bis
127, ferner Psalm 133 und 142; alle anderen werden in
der Vesper gebetet. Da hierbei drei Psalmen fehlen, so
werden von den obengenannten jene geteilt, die zu lang
sind, also Psalm 138, 143 und 144. Der 116. Psalm werde
seiner Kürze halber mit dem 115. zusammengenommen. Damit
sind die Psalmen der Vesper bestimmt. Für das übrige,
Lesung, Responsorium, Hymnus[180]
, Versikel und Lobgesang gilt das gleiche, wie wir es
oben bestimmt haben. Zur Komplet werden jeden Tag
dieselben Psalmen gebetet, nämlich Psalm 4, 90 und 133.
Damit ist die Ordnung der Psalmen für
die Gebetszeiten untertags gegeben; alle noch übrigen
Psalmen sollen gleichmäßig auf die sieben Metten
verteilt werden. Doch zerlege man dabei die
umfangreicheren Psalmen in zwei Teile und bestimme
jedesmal zwölf Psalmen für eine Nacht. Vor allem möchten
wir betonen, falls diese Verteilung der Psalmen dem
einen oder anderen nicht gefällt, mag er sie nach seiner
besseren Einsicht ändern, wenn er nur dabei in erster
Linie darauf sieht, daß allwöchentlich das ganze
Psalterium mit seinen hundertfünfzig Psalmen abgebetet
werde[181]
und daß man am Sonntag jedesmal bei den Metten von vorn
anfange; denn allzu geringen Eifer zeigen die Mönche in
ihrem Gebetsdienst, wenn sie im Lauf einer Woche nicht
den ganzen Psalter mit den üblichen Lobgesängen beten,
während wir doch lesen[182]
, daß unsere heiligen Väter in ihrem Eifer an einem Tage
das vollbracht haben, was wir in unserer Lauheit doch
wenigstens im Lauf einer Woche leisten sollen.
XIX. KAPITEL. Vom rechten Geiste beim
Psallieren.
[183]
Wir glauben, daß Gott überall zugegen ist und daß "die
Augen des Herrn an jedem Ort auf Gute und Böse
herabschauen"[184]
. Dieser Glaube soll jedoch ganz besonders dann ohne
alles Schwanken in uns lebendig sein, wenn wir beim
göttlichen Dienst erscheinen. Wir müssen deshalb immer
dessen eingedenk sein, was der Prophet sagt: "Dienet dem
Herrn in Furcht"[185]
, und: "Psallieret weise"[186]
, und: "Im Angesichte der Engel will ich Dir lobsingen"[187]
. Erwägen wir darum, wie man sich vor dem Angesichte
Gottes und seiner Engel verhalten muß, und stehen wir so
beim Psalmengebet, daß unser Geist im Einklang sei mit
unserer Stimme[188]
.
XX. KAPITEL. Von der Ehrfurcht beim
Gebet.
Haben wir mit Hochgestellten etwas zu
besprechen, so wagen wir das nur in Demut und Ehrfurcht.
Wieviel mehr müssen wir zu Gott, dem Herrn des Weltalls,
mit größter Demut und reinster Hingebung flehen! Und wir
sollen wissen, nicht die vielen Worte, sondern
Lauterkeit des Herzens und tränenvolle Zerknirschung[189]
sichern unserm Gebete die Erhörung zu. Darum sei das
Gebet kurz und rein[190]
, wenn es nicht unter fühlbarem Antrieb der göttlichen
Gnade verlängert wird. Das gemeinsame Gebet am Schlusse[191]
soll jedoch ganz kurz sein; alle sollen sich miteinander
auf das Zeichen des Obern erheben.
XXI. KAPITEL.Von den Dekanen des
Klosters.
[192]
Ist die Zahl der Brüder größer, dann sollen aus ihrer
Mitte einige von gutem Ruf und heiligem Wandel gewählt
und zu Dekanen bestellt werden. Diese sollen dann nach
den Geboten Gottes und den Anweisungen ihres Abtes in
allem für ihre Dekanien Sorge tragen. Zu diesem Amte
berufe der Abt nur solche, denen er mit ruhigem
Vertrauen einen Teil seiner Bürde übertragen kann, und
es darf bei dieser Wahl nicht die Reihenfolge
entscheiden, sondern nur Verdienst des Lebens und
Weisheit der Lehre. Ließe sich einer dieser Dekane
irgendwie von Stolz betören, und gäbe er so Anlaß zu
Tadel, so werde er einmal, ein zweites und drittes Mal
zurechtgewiesen; bessert er sich nicht, so setze man ihn
ab, und ein anderer, würdiger trete an seine Stelle. Die
gleiche Bestimmung gilt auch für den Prior.
XXII. KAPITEL. Wie die Mönche schlafen
sollen.
Ein jeder schlafe in einem eigenen Bette.
Das Bettgerät[193]
erhalten die Mönche nach der Anordnung ihres Abtes, so
wie es für sie im Kloster paßt. Wenn es möglich ist,
sollen alle in einem Räume[194]
schlafen; läßt aber die große Zahl der Brüder das nicht
zu, so schlafen je zehn oder zwanzig mit den Ältesten[195]
, die sie sorgsam überwachen sollen. In derselben Zeile
brenne bis zum Morgen beständig ein Licht. Die Brüder
sollen angekleidet schlafen, um die Lenden aber nur
einen schmalen Gürtel oder einen Strick tragen, also
ihre Messer während des Schlafes nicht an der Seite
haben, damit sich ja keiner im Schlafe während der
Nachtruhe damit verwunde; so sind die Mönche auch stets
bereit, können sich auf das gegebene Zeichen
unverzüglich erheben und sollen sich beeilen, einander
zum Chorgebet zuvorzukommen, doch mit allem Ernst und
aller Bescheidenheit. Die jüngeren Brüder dürfen die
Betten nicht nebeneinander haben, sondern zwischen denen
der älteren. Wenn sie sich zum Gottesdienst erheben,
sollen sie einander bescheiden ermuntern, damit die
Schläfrigen keine Entschuldigung haben.
XXIII. KAPITEL. Von der Ausschließung bei
Verfehlungen.
Wenn ein Bruder widerspenstig oder
ungehorsam oder stolz ist, wenn er murrt[196]
oder in einem Punkte der heiligen Regel und den
Anordnungen seiner Obern zuwiderhandelt, und wenn es
erwiesen ist, daß er sich aus Verachtung so benimmt,
soll er nach dem Gebot unseres Herrn einmal und noch ein
zweites Mal von seinem Obern im geheimen ermahnt werden.
Bessert er sich nicht, so werde er öffentlich vor allen
getadelt. Tritt auch jetzt keine Besserung ein, so
verfalle er der Ausschließung[197]
, wenn er die Bedeutung dieser Strafe versteht. Macht
aber das auf ihn keinen Eindruck, dann werde körperliche
Züchtigung[198]
bei ihm angewendet.
XXIV. KAPITEL. Von den verschiedenen
Arten der Ausschließung.
Nach dem Maß der Schuld muß sich auch das
Maß der Ausschließung und der Züchtigung bestimmen, und
es ist Sache des Abtes, dieses Maß der Verschuldung zu
beurteilen. Bei leichteren Vergehen werde jedoch ein
Bruder von der Teilnahme am Tisch ausgeschlossen. Für
den vom Tisch Ausgeschlossenen gilt folgendes: er darf
im Chor keinen Psalm und keine Antiphon anstimmen und
keine Lesung vortragen, bis er Genugtuung geleistet hat.
Sein Essen erhalte er allein nach der Mahlzeit der
Brüder; wenn also die Brüder z. B. zur sechsten Stunde
essen, dann er zur neunten, wenn jene zur neunten, er am
Abend, und das solange, bis er nach entsprechender Buße
Verzeihung erlangt.
XXV. KAPITEL. Von schweren Verfehlungen.
Macht sich ein Bruder eines schwereren
Vergehens schuldig, so werde er zugleich von Tisch und
Chor ausgeschlossen. Kein Bruder darf irgendwie mit ihm
verkehren oder mit ihm reden. Allein sei er bei der ihm
aufgetragenen Arbeit, verharre in Bußtrauer und denke
immer an jenen furchtbaren Ausspruch des Apostels, "ein
solcher Mensch sei dem Verderben des Fleisches
übergeben, damit der Geist gerettet werde für den Tag
des Herrn"[199]
. Das Essen bekomme er gesondert in dem Maß und zu der
Zeit, wie er es nach dem Urteil des Abtes verdient. Auch
darf ihm keiner beim Vorübergehen den Segensgruß[200]
bieten noch darf die Speise gesegnet werden, die man ihm
reicht.
XXVI. KAPITEL. Von denen, die ohne
Auftrag mit Ausgeschlossenen Verkehren.
[201]
Wenn sich ein Bruder vermißt, ohne Geheiß des Abtes mit
einem Ausgeschlossenen irgendwie zu verkehren, mit ihm
zu reden oder ihm etwas mitteilen zu lassen, so treffe
ihn die gleiche Strafe der Ausschließung.
XXVII. KAPITEL. Wie der Abt für die
Ausgeschlossenen besorgt sein soll.
Die größte Sorgfalt wende der Abt den
fehlenden Brüdern zu; denn "nicht Gesunde bedürfen des
Arztes, sondern Kranke"[202]
. Deshalb soll er ganz so verfahren wie ein kluger Arzt,
er soll Sympäkten[203]
zu dem Bruder schicken, das heißt ältere, verständige
Brüder, die wie im Vertrauen den hin- und
herschwankenden Mitbruder beruhigen, zu demütiger
Genugtuung bewegen und trösten sollen, "damit er nicht
in übermäßige Traurigkeit versinke"; es soll vielmehr,
wie der Apostel sagt, "die Liebe gegen ihn erstarken"[204]
, und alle sollen für ihn beten.
Der Abt muß seine ganze Sorge darauf
richten und mit aller Klugheit und Umsicht dem Ziele
zustreben, daß er keines der ihm anvertrauten Schafe
verliere. Er soll nämlich wissen, daß er die Sorge für
kranke Seelen übernommen hat, nicht eine Zwingherrschaft
über Gesunde. Er sei in Angst vor der Drohung, die Gott
dem Propheten in den Mund legt: "Was euch fett erschien,
habt ihr für euch genommen, was aber schwach war, habt
ihr weggeworfen"[205]
. Und er ahme das rührende Beispiel des guten Hirten[206]
nach, der die neunundneunzig Schafe auf dem Gebirge
zurückließ und sich aufmachte, das eine Schäflein zu
suchen, das in die Irre gegangen war; solches Mitleid
hatte er mit dessen Schwäche, daß er es huldvoll auf
seine Schultern nahm und so zur Herde zurücktrug.
XXVIII. KAPITEL. Von denen, die trotz
öfterer Bestrafung sich nicht bessern wollen.
Wenn ein Bruder wegen irgendeines Fehlers
wiederholt zurechtgewiesen wurde, aber sogar trotz der
Ausschließung sich nicht bessert, so werde eine
schärfere Strafe gegen ihn in Anwendung gebracht, das
heißt, man schreite zu körperlicher Züchtigung. Wenn er
sich auch jetzt noch nicht bessert, oder etwa, was nie
geschehen möge, im Hochmut seine Handlungsweise sogar
noch rechtfertigen wollte, so verfahre der Abt wie ein
verständiger Arzt: wenn er lindernde Mittel angewendet
hat, die Salben der Ermahnung, die Arznei der göttlichen
Schriften, zuletzt das Brenneisen[207]
der Ausschließung oder körperlicher Züchtigung, und muß
er dann sehen, wie alle seine Bemühungen fruchtlos
bleiben, so greife er zu einem noch wirksameren Mittel,
er bete für ihn und lasse alle Brüder für ihn beten, auf
daß der Herr, der alles vermag, dem kranken Bruder die
Gesundheit schenke. Bewirkt auch dieses Mittel nicht
seine Heilung, dann erst gebrauche der Abt das Messer
zum Lostrennen nach dem Worte des Apostels: "Schaffet
den Bösen fort aus eurer Mitte"[208]
, und an einer andern Stelle: "Will der Untreue gehen,
so gehe er"[209]
, damit nicht das eine räudige Schaf die ganze Herde
anstecke.
XXIX. KAPITEL. Ob Brüder wieder
aufgenommen werden dürfen, die das Kloster verlassen.
Verläßt ein Bruder aus eigener Schuld das
Kloster, und will er dann wieder zurückkehren, so muß er
zuerst vollkommene Besserung in jener Sache versprechen,
derentwegen er fortgegangen ist. Dann nehme man ihn an
den letzten Platz auf, damit dadurch seine Demut erprobt
werde. Tritt er nochmals aus, so werde er bis zu drei
Malen in derselben Weise wieder aufgenommen; aber dann
muß er wissen, daß von da an für ihn jede Möglichkeit
einer Rückkehr ausgeschlossen ist.
XXX. KAPITEL. Von der Bestrafung jüngerer
Knaben.
Jede Alters- und Bildungsstufe erheischt
besondere Behandlung. Lassen sich demnach Knaben[210]
, jüngere Brüder oder solche etwas zuschulden kommen,
denen das Verständnis dafür abgeht, welch große Strafe
die Ausschließung ist, so züchtige man sie mit strengem
Fasten oder bestrafe sie mit empfindlichen Streichen,
damit sie so gebessert werden.
XXXI. KAPITEL.Welche Eigenschaften der
Cellerar des Klosters haben soll.
[211]
Zum Cellerar des Klosters soll einer aus der Gemeinde
bestellt werden, der weise, reif an Charakter, nüchtern,
mäßig im Essen, nicht stolz, nicht ungestüm, nicht
verletzend, nicht saumselig, nicht verschwenderisch ist,
vielmehr Gott fürchtet und für die ganze Gemeinde wie
ein Vater sorgt. Er trage für alles Sorge, tue nichts
ohne Geheiß des Abtes. Er halte sich genau an das, was
ihm aufgetragen ist. Er betrübe die Brüder nicht. Stellt
etwa ein Bruder an ihn eine unvernünftige Forderung, so
kränke er ihn nicht durch Geringschätzung, sondern weise
mit Gründen bescheiden die unpassende Bitte zurück[212]
. Er habe auf seine Seele acht, stets eingedenk des
Apostelwortes: "Wer seinen Dienst gut versieht, erringt
sich eine ehrenvolle Stufe"[213]
. Der Kranken, Kinder, Gäste und Armen nehme er sich mit
aller Sorgfalt an, fest überzeugt, daß er wegen dieser
aller am Tage des Gerichtes wird Rechenschaft ablegen
müssen. Alle Gerätschaften und das ganze Besitztum des
Klosters seien ihm so heilig wie Gefäße des Altares[214]
. Nichts erscheine ihm unwichtig. Er hüte sich vor Geiz,
sei aber auch kein Verschwender und kein Vergeuder des
Klostergutes, sondern halte in allem das rechte Maß ein
und handle so, wie es ihm der Abt befiehlt.
Vor allem soll er Demut besitzen, und
kann er einem nichts anderes geben, so schenke er doch
eine freundliche Antwort; es steht ja geschrieben: "Ein
gutes Wort ist besser als die beste Gabe"[215]
. Seine Sorge erstrecke sich auf alles, was ihm der Abt
aufträgt; er mische sich aber nicht in Dinge, die ihm
der Abt nicht unterstellt. Er gewähre den Brüdern das
festgesetzte Maß der Nahrung ohne hochfahrendes Wesen[216]
und ohne Zögern, damit sie kein Ärgernis daran nehmen,
er denke an die Strafe, die nach göttlichem Ausspruch
verdient, wer eines der Kleinen ärgert[217]
. Ist die Klostergemeinde zahlreich, so sollen ihm
Gehilfen gegeben werden, die ihn unterstützen, damit
auch er das übertragene Amt mit Gleichmut verwalten
kann. Zu bestimmten Stunden werde verabreicht, was zu
geben, und erbeten, was zu erbitten ist, auf daß niemand
im Hause Gottes in Unruhe oder Traurigkeit versetzt
werde.
XXXII. KAPITEL. Von den Gerätschaften und
sonstigen Gegenständen des Klosters.
Über alles, was das Kloster an
Gerätschaften, Kleidungsstücken und sonstigen Dingen zu
eigen hat, setze der Abt Brüder, auf deren Lebensführung
er sich verlassen kann. Er weise ihnen, wie er es für
gut findet, alles im einzelnen an, was sie zu überwachen
und wieder einzufordern haben. Der Abt führe ein
Verzeichnis von all diesem, damit er jederzeit wisse,
was er weggibt und was er zurückbekommt, wenn die Brüder
einer nach dem andern jene Gegenstände zugewiesen
erhalten[218]
. Behandelt aber einer die Sachen des Klosters
unreinlich oder nachlässig, so werde er getadelt;
bessert er sich nicht, dann treffe ihn die von der Regel
bestimmte Strafe.
XXXIII. KAPITEL. Ob die Mönche etwas als
Eigentum besitzen dürfen.
Vor allem muß dieses Übel mit der Wurzel
aus dem Kloster ausgerottet werden. Keiner darf sich
erlauben, ohne Gutheißung des Abtes etwas zu verschenken
oder anzunehmen oder etwas zu eigen zu haben, durchaus
nichts, kein Buch, keine Schreibtafel, keinen Griffel,
überhaupt gar nichts; denn die Mönche können nicht
einmal über ihren eigenen Leib[219]
und ihren Willen frei verfügen; dagegen sollen sie
alles, was sie brauchen, vom Vater des Klosters
erwarten, nur soll es nicht erlaubt sein, etwas zu
besitzen, was der Abt nicht gegeben oder zugestanden
hat. Allen sei alles gemeinsam, wie geschrieben steht[220]
, und keiner nenne etwas sein eigen oder beanspruche
etwas. Stellt es sich heraus, daß einer an diesem sehr
schlimmen Laster seine Freude hätte, so soll er einmal
und noch ein zweites Mal gemahnt werden; bessert er sich
nicht, dann werde er gestraft[221]
.
XXXIV. KAPITEL. Ob alle in gleicher Weise
das Notwendige bekommen sollen.
Man soll es halten, wie geschrieben
steht: "Einem jeden wurde zugeteilt nach Bedarf"[222]
. Damit wollen wir aber nicht sagen, es dürfe ein
Ansehen der Person gelten — das sei ferne —, vielmehr
achte man auf die schwachen Kräfte der einzelnen. Wer
weniger braucht, danke Gott und betrübe sich nicht, wem
aber mehr von-nöten ist, der verdemütige sich[223]
wegen seiner Schwäche und überhebe sich nicht wegen der
liebevollen Rücksicht. So bleiben dann alle Glieder im
Frieden. Vor allem darf nie das Laster des Murrens bei
irgendeinem Anlaß in irgendeinem Wort oder Zeichen zum
Vorschein kommen. Wird einer auf diesem Fehler ertappt,
so verhänge man eine schärfere Strafe über ihn.
XXXV. KAPITEL. Vom Wochendienst in der
Küche.
[224]
Die Brüder sollen sich gegenseitig bedienen, so daß
keiner vom Küchendienst entschuldigt sei, außer er wäre
krank oder durch ein wichtiges Geschäft in Anspruch
genommen; denn auf diese Weise steigert sich Verdienst
und Liebe. Den Schwachen gebe man aber Gehilfen, damit
sie ihren Dienst ohne Traurigkeit versehen können.
Überhaupt soll man allen Hilfe gewähren je nach der
Größe der Klostergemeinde und nach der örtlichen Lage.
Ist die Gemeinde zahlreich, dann bleibe der Cellerar vom
Küchendienst ausgenommen, ebenso, wie schon gesagt, wenn
einem wichtigere Geschäfte obliegen. Alle übrigen sollen
einander in Liebe bedienen. Wer den Wochendienst
beendet, nehme am Samstag die Reinigung vor; er wasche
die Tücher, womit sich die Brüder Hände und Füße
abtrocknen. Die Füße soll allen Brüdern waschen, wer mit
dem Dienst beginnt, wie auch, wer ihn beschließt. Das
Geräte, das zu seinem Dienste gehört, gebe er gereinigt
und unbeschädigt dem Cellerar zurück. Dieser weise es
dann dem Bruder an, der mit dem Dienst beginnt; so kann
er immer wissen, was er hergibt und was er
zurückerhält.
Die den Wochendienst versehenden Brüder
erhalten eine Stunde vor dem Essen über das festgesetzte
Maß hinaus noch etwas zu trinken und zu essen[225]
, damit sie zur Stunde der Mahlzeit ohne Murren[226]
und ohne große Anstrengung ihre Brüder bedienen können;
an den Festtagen müssen sie jedoch bis nach der Messe[227]
warten. Die Brüder, die mit dem Wochendienst beginnen
und die ihn beschließen, sollen sich am Sonntag gleich
nach Schluß der Laudes vor allen auf die Kniee
niederwerfen und um das Gebet bitten. Wessen Dienst zu
Ende geht, der bete den Versikel "Gepriesen bist Du,
Herr Gott, daß Du mir geholfen und mich getröstet hast"[228]
. Ist dieser Vers dreimal wiederholt, und hat er den
Segen bekommen, dann beginne der Bruder, der den
Wochendienst antritt, und bete: "Gott merkt auf meine
Hilfe, Herr eile mir zu helfen"[229]
. Auch dieser Vers werde dreimal von allen
nachgesprochen; worauf jener den Segen erhält und dann
seinen Dienst antritt.
XXXVI. KAPITEL. Von den kranken Brüdern.
Die Sorge für die Kranken gehe vor allem
und über alles. Man soll ihnen demnach so dienen wie
Christus, dem man ja wirklich in ihnen dient; denn er
hat gesagt: "Ich war krank und ihr habt mich besucht"[230]
, und: "Was ihr einem dieser Geringsten getan, habt ihr
mir getan"[231]
. Doch mögen auch die Kranken bedenken, daß man ihnen
Gott zuliebe dient, und deshalb die pflegenden Brüder
nicht durch übergroße Ansprüche betrüben. Allein auch
dann müßte man sie geduldig ertragen, da sich an solchen
mehr Verdienst erwerben läßt. Es sei also eine
Hauptsorge für den Abt, daß sie in keinem einzigen
Punkte vernachlässigt werden. Diesen kranken Brüdern
werde eine eigene Zelle zur Verfügung gestellt und ein
gottesfürchtiger, eifriger, treubesorgter Wärter. Den
Gebrauch von Bädern biete man den Kranken an, so oft es
zuträglich ist; den Gesunden aber und vor allem den
Jüngeren werde er nicht so leicht gestattet. Auch der
Genuß von Fleischspeisen werde den ganz schwachen
Kranken zur Stärkung erlaubt; wenn sie dann wieder mehr
zu Kräften gekommen sind, sollen sich alle in gewohnter
Weise[232]
des Fleisches enthalten. Herzenssache soll es dem Abte
sein, dafür zu sorgen, daß die Kranken von den
Celleraren und Wärtern nicht vernachlässigt werden. Er
trägt eben die Verantwortung für alles, was sich seine
Jünger zuschulden kommen lassen.
XXXVII. KAPITEL. Von den Greisen und
Kindern.
Obwohl die menschliche Natur schon von
selbst zum Mitleid neigt mit den beiden Altersstufen der
Greise und Kinder, soll doch auch die Regel mit ihrer
verpflichtenden Kraft für sie eintreten. Man trage stets
ihrer Schwächlichkeit Rechnung. Was die Nahrung anlangt,
soll für sie die Regel nicht in ihrer ganzen Strenge
bindend sein, vielmehr lasse man liebevolle Rücksicht
gegen sie walten und gebe ihnen schon vor den
festgesetzten Stunden zu essen.
XXXVIII. KAPITEL. Vom Wochendienste des
Vorlesers.
Bei den Mahlzeiten der Brüder darf nie
die Lesung[233]
fehlen. Doch soll nicht der nächste beste das Buch zur
Hand nehmen und daraus vorlesen, sondern für die ganze
Woche ein Leser bestimmt werden, der am Sonntag damit
anfange. Dieser soll nach der Messe und Kommunion alle
um ihr Gebet bitten, auf daß Gott den Geist des Hochmuts[234]
von ihm fernhalte. Er bete im Oratorium den Vers: "Herr,
öffne meine Lippen, und mein Mund wird Dein Lob
verkünden"[235]
, und alle beten ihn dreimal nach. Hierauf erhalte er
den Segen und beginne dann mit dem Vorlesen. Und tiefste
Stille[236]
soll herrschen, so daß kein Geflüster und keine Stimme
vernommen wird außer allein die des Vorlesers. Was die
Brüder aber beim Essen und Trinken bedürfen, mögen sie
sich gegenseitig so darreichen, daß keiner um etwas zu
bitten braucht. Fehlt aber doch etwas, so erbitte man es
lieber durch irgendein vernehmbares Zeichen[237]
als mit Worten. Auch erlaube sich keiner bei Tisch über
die Lesung oder sonst etwas eine Frage zu stellen, damit
kein Anlaß gegeben werde, es sei denn, daß der Obere
vielleicht zur Erbauung eine kurze Bemerkung machen
wollte. Der Bruder, der in der Woche lesen muß, bekomme
aber vor dem Lesen etwas gemischten Wein[238]
wegen der heiligen Kommunion[239]
, und damit ihm nicht etwa das Fasten zu beschwerlich
falle. Nachher esse er dann zusammen mit den Küchen- und
Tischdienern jener Woche. Übrigens sollen die Brüder
nicht der Reihe nach vorlesen und singen, sondern nur,
wer die Zuhörer erbaut.
XXXIX. KAPITEL. Vom Maße der Speisen.
Wir glauben, daß zur täglichen
Hauptmahlzeit, sei sie zur sechsten oder neunten Stunde,
für jeden Tisch zwei gekochte Speisen ausreichen und so
die schwächliche Gesundheit mancher genügend
berücksichtigt sei; denn vermag einer etwa von der einen
nicht zu essen, dann kann er sich an der andern
sättigen. Zwei gekochte Speisen sollen also für alle
Brüder genügen, und wenn noch Obst oder junges Gemüse zu
haben ist, so werde ein drittes Gericht dazu gegeben.
Ein gut gewogenes Pfund[240]
Brot soll für den Tag ausreichen, ob man nur einmal ißt
oder zu Mittag und zu Abend. Ißt man auch zu Abend, so
behalte der Cellerar den dritten Teil dieses Pfundes
zurück, um es beim Abendtisch zu geben. War die Arbeit
etwa anstrengender gewesen, so bleibt es dem freien
Ermessen des Abtes anheimgestellt, mehr zu gewähren,
wenn dies zuträglich ist. Doch muß vor allem Unmäßigkeit
vermieden werden, und nie darf sich ein Mönch
übersättigen. Nichts paßt ja so wenig schon für jeden
Christen wie Völlerei nach dem Ausspruch unseres Herrn:
"Sehet zu, daß eure Herzen sich nicht mit Völlerei
beschweren"[241]
. Knaben in zartem Alter werde nicht das gleiche Maß
gereicht wie den Erwachsenen, sondern ein geringeres.
Überall sehe man auf Sparsamkeit. Vom Genuß des
Fleisches vierfüßiger Tiere[242]
müssen sich alle vollständig enthalten, mit Ausnahme der
ganz schwachen Kranken.
XL. KAPITEL. Vom Maße des Getränkes.
"Jeder hat eine besondere Gabe von Gott,
der eine so, der andere so"[243]
. Deshalb bestimmen wir mit einer gewissen Ängstlichkeit
das Maß der Nahrung für andere. Indem wir nun die
Bedürfnisse der Schwachen in Rechnung ziehen, glauben
wir, daß für jeden täglich eine Hemina[244]
Wein ausreicht. Wem aber Gott die Kraft verleiht, sich
des Weines ganz zu enthalten, der wisse, daß er
besonderen Lohn empfangen wird.
Sollten Ortsverhältnisse, Arbeit oder
Sommerhitze mehr erheischen, so sei es dem freien
Ermessen des Oberen überlassen, doch muß er immer darauf
achten, daß sich nie volle Sättigung oder gar
Trunkenheit einstellt. Wir lesen[245]
zwar, Wein zu trinken passe für Mönche überhaupt nicht;
allein, da man in unserer Zeit die Mönche nicht zu
dieser Überzeugung bringen kann, wollen wir uns
wenigstens damit zufrieden geben, daß wir nie bis zur
Sättigung trinken, sondern etwas weniger. Denn "der Wein
verleitet sogar die Weisen zum Abfall"[246]
. Wenn aber die örtliche Lage es mit sich bringt, daß
das oben angegebene Maß nicht beschafft werden kann,
sondern nur ein viel geringeres oder ganz und gar
nichts, dann soll, wer da wohnt, Gott preisen und nicht
murren. Das schärfen wir vor allem ein, daß keiner
murre.
XLI. KAPITEL. Zu welchen Stunden man die
Mahlzeit einnehmen soll.
[247]
Vom heiligen Osterfest bis Pfingsten sollen die Brüder
um die sechste Stunde und am Abend essen. Von Pfingsten
an sollen die Mönche den ganzen Sommer hindurch, wenn
sie keine Feldarbeit haben und die Hitze nicht drückend
ist, am Mittwoch und Freitag[248]
bis zur neunten Stunde[249]
fasten, an den übrigen Tagen das Mittagessen zur
sechsten Stunde nehmen. Wenn es Feldarbeiten gibt oder
die Sommerhitze übergroß ist, esse man an allen Tagen
zur sechsten Stunde, und der Abt soll hierfür Sorge
tragen. Er muß überhaupt alles in der Weise maßvoll
anordnen und bestimmen, daß die Seelen gerettet werden
und die Brüder ihre Pflichten ohne Grund zu Klagen
erfüllen. Vom 14. September bis zum Anfang der
Fastenzeit essen die Brüder immer zur neunten Stunde, in
der Fastenzeit bis Ostern gegen abend[250]
. Doch werde die Vesper so zeitig gehalten, daß die
Brüder bei Tisch keines Lampenlichtes bedürfen, daß sich
vielmehr alles noch bei Tageslicht vollbringen lasse.
Die Stunde für die Mahlzeit werde also immer, sei es,
daß man zweimal oder nur einmal ißt, so angesetzt, daß
alles noch am Tage geschehen kann.
XLII. KAPITEL. Daß nach der Komplet
niemand mehr sprechen darf.
Allezeit müssen sich die Mönche des
Schweigens befleißen, ganz besonders aber während der
Stunden der Nacht. Deshalb sollen sie jederzeit, mag ein
Fasttag sein oder mögen sie auch zu Mittag essen, und
zwar, wenn es die Tage des Mittagessens sind,
unmittelbar nach dem Abendtisch, sich alle
zusammensetzen, und einer soll aus den Collationes[251]
oder den Lebensbeschreibungen der Väter oder sonst aus
einem erbaulichen Buche vorlesen, nicht aber aus dem
Heptateuch[252]
oder den Büchern der Könige; denn für schwache Gemüter
wäre es nicht zuträglich, zu dieser Stunde jene Teile
der Schrift zu hören, man lese sie vielmehr zu anderer
Tageszeit. Ist aber Fasttag, so sollen sie nach der
Vesper und einer kurzen Pause alsbald, wie schon gesagt,
mit der Lesung aus den Collationes beginnen. Es sollen
vier oder fünf Blätter[253]
gelesen werden, oder soviel eben die Zeit erlaubt.
Während so vorgelesen wird, kommen alle herbei, wenn
etwa einer im Gehorsam mit einem anderen Auftrag
beschäftigt gewesen war. Sind alle beisammen, so beten
sie die Komplet. Nach dieser ist es keinem mehr erlaubt,
noch etwas zu reden. Fände sich einer, der diese Regel
des Stillschweigens übertritt, so werde er strenge
bestraft, außer wenn dies der Gäste wegen geschehen muß,
oder wenn einem der Abt etwa einen Auftrag erteilt hat;
aber auch dann geschehe es mit gemessenem Ernst und
bescheidener Zurückhaltung.
XLIII. KAPITEL. Von denen, die zum
Gotteslob oder zu Tisch zu spät kommen.
[254]
Sobald man zur Stunde des göttlichen Dienstes das
Zeichen vernommen hat, muß man alles aus der Hand legen
und in größter Eile herbeikommen, jedoch mit Ernst, um
nicht zur Leichtfertigkeit Anlaß zu geben. Dem
gemeinsamen Gotteslob darf demnach nichts vorgezogen
werden[255]
.
Kommt ein Bruder beim Nachtgottesdienst
nach dem Gloria des 94. Psalmes, den man daher — so
wünschen wir es — ganz gedehnt und langsam singen soll,
so darf er nicht seinen gewöhnlichen Platz im Chor
einnehmen, sondern stelle sich an den letzten Platz
unter alle hin oder an den besonderen Platz, den der Abt
für solche Nachlässige bestimmt hat, damit er selbst und
alle andern sie sehen können; dort bleibe er, bis er am
Schlüsse des Chorgebetes öffentlich Buße getan hat. Aus
dem Grunde finden wir es gut, solche am letzten oder an
einem abgesonderten Platze stehen zu lassen, daß sie von
allen gesehen und schon durch diese Beschämung gebessert
werden. Blieben sie nämlich außerhalb des Gotteshauses,
dann könnte vielleicht der eine oder andere sich wieder
zurückziehen und schlafen oder sonst draußen sich
niedersetzen und mit Geschwätz seine Zeit vertreiben;
dadurch wird dem Bösen Anlaß gegeben. Daher sollen sie
hineingehen, damit sie nicht das Ganze versäumen und
sich künftighin bessern. Wer bei den Hören untertags
nach dem Vers und dem Gloria des ersten Psalmes, der auf
den Vers folgt, noch nicht zum Chorgebet erschienen ist,
soll nach obiger Bestimmung am letzten Platze stehen und
darf, bevor er nicht Genugtuung geleistet hat, sich
nicht erlauben, dem Chore der psallierenden Briftier
sich anzuschließen, es sei denn, der Abt lasse die
Schuld nach und gebe die Erlaubnis dazu, doch nur unter
der Voraussetzung, daß der Schuldige für seinen Fehler
Buße tue[256]
.
Wer aber bei Tisch nicht vor dem Vers da
ist, so daß alle miteinander den Vers sprechen und beten
und sich gleichzeitig zu Tische setzen, wer also aus
Nachlässigkeit und eigener Schuld nicht rechtzeitig
kommt, soll deshalb einmal und ein zweites Mal getadelt
werden; bessert er sich dann nicht, so werde er nicht
zum gemeinschaftlichen Tische zugelassen, sondern esse
allein, abgesondert von allen[257]
und auch ohne seinen Anteil an Wein, bis er Buße getan
und sich gebessert hat. Eine ähnliche Strafe treffe den,
der beim Vers nach dem Essen nicht zugegen ist. Auch
erlaube sich keiner, vor oder nach der festgesetzten
Stunde etwas zu essen oder zu trinken. Wer etwas
zurückweist, was ihm der Obere anbietet, auch der soll
zu der Stunde, da er das gleiche, was er früher
ausgeschlagen hat, oder etwas anderes haben möchte,
durchaus nichts erhalten, bis er sich gehörig gebessert
hat.
XLIV. KAPITEL. Wie die Ausgeschlossenen
Genugtuung leisten sollen.
Wer wegen eines schweren Vergehens von
Chor und Tisch ausgeschlossen ist, soll sich während der
Zeit, da das Chorgebet gehalten wird, vor der Türe des
Oratoriums auf den Boden niederwerfen, schweigend liegen
bleiben und mit dem Angesicht den Boden berühren, zu den
Füßen aller, die aus dem Gotteshause kommen. Und er soll
das solange tun, bis der Abt die Buße für genügend hält[258]
. Ruft ihn dann der Abt herbei, so werfe er sich vor ihm
und hierauf vor allen nieder, damit sie für ihn beten.
Wenn dann der Abt den Auftrag erteilt, soll er in den
Chor und an den vom Abte bestimmten Platz wieder
aufgenommen werden; doch darf er es nicht wagen, im
Oratorium einen Psalm oder eine Lesung oder sonst etwas
vorzutragen, es sei denn, der Abt befehle auch das. Bei
allen Gebetszeiten muß er sich am Schlüsse des
Gotteslobes an seinem Platze zur Erde niederwerfen; so
leiste er Genugtuung, bis ihm der Abt wieder gebietet,
von dieser Buße nunmehr abzulassen. Wer aber wegen
geringer Verschuldung nur von Tisch ausgeschlossen ist,
leiste im Gotteshause Genugtuung[259]
, solang es der Abt befiehlt. Er tue das, bis er den
Segen gibt und spricht: "Es genügt".
XLV. KAPITEL. Von denen, die im Chore
Fehler machen.
Wer beim Beten eines Psalmes, eines
Responsoriums, einer Antiphon oder bei einer Lesung
Fehler macht und sich nicht durch Buße dort vor allen
dafür verdemütigt, den treffe schwerere Strafe, weil er
nicht durch Verdemütigung wieder gutmachen wollte, was
er durch Nachlässigkeit verschuldet hat. Knaben aber
werden für derlei Fehler mit Schlägen gezüchtigt.
XLVI. KAPITEL. Von denen, die sich in
irgendwelchen anderen Dingen vergehen.
Wenn sich einer bei irgendeiner Arbeit,
in der Küche, in der Speisekammer, beim Tischdienst, in
der Bäckerei, im Garten, bei einem Handwerk oder sonst
irgendwo etwas zuschulden kommen läßt, etwas zerbricht
oder verliert oder sonst an irgendeinem Orte sich
irgendwie verfehlt, dann aber nicht sogleich kommt, vor
dem Abt und der Gemeinde aus freien Stücken Buße tut und
seinen Fehler eingesteht, so treffe ihn eine schärfere
Strafe, wenn jener Fehler durch einen anderen bekannt
geworden ist. Handelt es sich aber um eine in der Seele
verborgene Sünde, so offenbare man sie nur dem Abt oder
den Seelenführern, die es verstehen sollen[260]
, eigene und fremde Wunden zu heilen, ohne sie
aufzudecken und ans Licht zu bringen.
XLVII. KAPITEL. Vom Zeichen zum
Gottesdienst.
[261]
Für das Zeichen zum Gottesdienst zu sorgen, soll bei
Tag, und Nacht Aufgabe des Abtes sein. Er gebe dieses
Zeichen entweder selbst oder betraue mit der Sorge
hierfür einen so zuverlässigen Bruder, daß alles zu den
festgesetzten Stunden vollzogen wird. Psalmen aber und
Antiphonen stimmen nach dem Abte jene der Reihe nach an,
die den Auftrag erhalten. Zu singen oder vorzulesen
nehme sich keiner heraus, außer wer imstande ist, diese
Aufgabe so zu erfüllen, daß die Zuhörer erbaut werden.
Das soll mit Demut, Würde und Furcht geschehen und von
dem, dem der Abt es befiehlt.
XLVIII. KAPITEL. Von der täglichen
Handarbeit.
Müßiggang ist ein Feind der Seele[262]
. Deshalb müssen sich die Brüder zu bestimmten Zeiten
mit Handarbeit und wieder zu bestimmten Stunden mit
heiliger Lesung beschäftigen[263]
. Wir glauben daher für beides die Zeit durch folgende
Bestimmung zu regeln: von Ostern bis zum 14. September
verrichten die Brüder von der Frühe nach Schluß der Prim
bis nahe an die vierte Stunde die notwendigen Arbeiten.
Von der vierten bis ungefähr zur sechsten Stunde
beschäftigen sie sich mit Lesung. Wenn sie nach der
sechsten Stunde sich vom Tisch erheben, sollen sie in
tiefem Schweigen auf ihren Betten ausruhen, oder, wer es
etwa vorzieht zu lesen, lese so für sich allein, daß er
einen andern nicht stört. Die Non werde etwas früher
gehalten um die Mitte der achten Stunde, und dann
verrichten sie bis zur Vesper wieder die notwendige
Arbeit. Wenn es aber die örtliche Lage oder Armut
verlangte, daß die Brüder selbst die Feldfrüchte
einernteten, sollen sie darüber nicht ungehalten sein.
Dann sind sie ja in Wahrheit Mönche, wenn sie, gleich
unseren Vätern und den Aposteln, von der Arbeit ihrer
Hände leben[264]
. Doch soll der Schwachen wegen alles mit Maß
geschehen.
Vom 14. September bis zum Anfang der
Fastenzeit sollen sie bis zum Ende der zweiten Stunde
der Lesung obliegen. Zur zweiten Stunde bete man die
Terz, dann seien alle bis zur neunten Stunde[265]
wieder bei der ihnen zugewiesenen Arbeit. Auf das erste
Zeichen zur Non verlasse jeder seine Arbeit und halte
sich bereit, bis das zweite Zeichen gegeben wird. Nach
dem Essen beschäftigen sie sich mit ihren Lesungen oder
mit Psalmenstudium.
Während der Tage der Fasten aber ist von
der Frühe bis zum Ende der dritten Stunde Zeit für
Lesung; dann verrichten sie bis zum Ende der zehnten
Stunde die ihnen aufgetragene Arbeit. Für diese Tage der
Fastenzeit erhalte jeder ein Buch aus der Bibliothek,
das er von Anfang an ganz lesen soll. Diese Bücher
müssen am Anfang der Fasten ausgeteilt werden. Es sollen
aber vor allem einer oder zwei ältere Brüder den Auftrag
erhalten, zu den Stunden, wenn die Brüder der Lesung
obliegen, durch das Kloster zu gehen und nachzusehen, ob
sich nicht ein träger Bruder finde, der anstatt eifrig
zu lesen, müßig ist oder schwätzt und so nicht bloß
selber keinen Nutzen davon hat, sondern sogar noch
andere stört. Fände sich ein solcher, was ferne sei, so
werde er einmal und noch ein zweites Mal
zurechtgewiesen; bessert er sich nicht, dann verhänge
man über ihn die von der Regel vorgesehene Strafe und
zwar so, daß die anderen Furcht bekommen. Kein Bruder
darf zu ungehöriger Zeit mit einem anderen verkehren.
Auch am Sonntag[266]
sollen sich alle mit Lesung beschäftigen mit Ausnahme
derer, die mit den verschiedenen Ämtern betraut sind.
Wäre aber einer so nachlässig und träge, daß er
betrachten oder lesen nicht mag oder nicht kann, so gebe
man ihm eine andere Beschäftigung, damit er nicht müßig
bleibe. Kranken oder an harte Arbeit nicht gewöhnten
Brüdern weise man solche Arbeit oder solche
Beschäftigung an, daß sie nicht untätig seien und auch
nicht durch die Last der Arbeit niedergedrückt werden
oder schließlich noch das Kloster verlassen. Auf ihre
Schwäche soll der Abt Rücksicht nehmen.
XLIX. KAPITEL. Von der Beobachtung der
vierzigtägigen Fastenzeit.
[267]
Das Leben eines Mönches sollte eigentlich jederzeit den
Stempel der Fastenzeit tragen; allein da nur wenige eine
solche Tugendkraft besitzen, ermahnen wir, in diesen
Tagen der Fasten das Leben in aller Reinheit zu
bewahren, zugleich auch alle Versäumnisse anderer Zeit
in diesen heiligen Tagen zu tilgen. Das geschieht dann
in würdiger Weise, wenn wir uns vor jedem Fehler hüten,
uns des Gebetes mit Tränen, der Lesung, der
Zerknirschung des Herzens und der Abtötung befleißen.
Daher wollen wir während dieser Tage zu unseren
gewöhnlichen, pflichtschuldigen Übungen noch etwas
hinzufügen, besondere Gebete, Abbruch an Speis und
Trank. So möge ein jeder über das ihm vorgezeichnete Maß
freiwillig in der Freude des Heiligen Geistes Gott etwas
darbringen, d. h. seinem Körper etwas entziehen an
Speis, an Trank, an Schlaf, sich einschränken im Reden,
im Scherzen, und voll der Freude geistiger Sehnsucht dem
heiligen Osterfest entgegenharren. Was ein jeder
darbieten will, soll er jedoch seinem Abte mitteilen,
und es geschehe mit seinem Gebet und nach seinem Willen;
denn was man ohne Erlaubnis des geistlichen Vaters[268]
tut, wird als Überhebung und eitle Ruhmsucht, nicht als
Verdienst angerechnet. Alles geschehe demnach mit
Gutheißung des Abtes.
L. KAPITEL. Von den Brüdern, die weit
entfernt vom Gotteshaus arbeiten oder auf Reisen sind.
Brüder, die weit entfernt bei der Arbeit
sind und zur bestimmten Stunde nicht zum Oratorium
kommen können, sollen, wenn dies nach dem Urteile des
Abtes wirklich zutrifft, das Chorgebet am Orte der
Arbeit verrichten und dort in Gottesfurcht die Kniee
beugen. In gleicher Weise soll auch, wer auf Reisen
geschickt ist, die festgesetzten Stunden nicht vorüber
gehen lassen[269]
, sondern, so gut es geht, sie für sich allein abhalten
und nicht versäumen, den schuldigen Dienst zu leisten.
LI. KAPITEL. Von den Brüdern, die sich
nicht sehr weit entfernen.
[270]
Ein Bruder, der mit irgendeinem Auftrag ausgeschickt
wird und voraussichtlich noch am gleichen Tage
heimkehren kann, darf sich nicht erlauben, draußen zu
essen, auch wenn er noch so dringend von jemand, sei es,
wer es wolle, eingeladen würde, außer es hätte ihm der
Abt so befohlen. Wenn er anders handelt, werde er
ausgeschlossen.
LII. KAPITEL. Vom Oratorium des Klosters.
[271]
Das Oratorium sei, was sein Name besagt. Es darf dort
nichts geschehen noch aufbewahrt werden, was sich nicht
paßt. Nach dem Gotteslob sollen sich alle in tiefstem
Schweigen entfernen und Gott Ehrfurcht bezeigen[272]
; denn will vielleicht ein Bruder noch allein für sich
weiter beten, so darf ihn ein anderer nicht durch Mangel
an Rücksicht daran hindern. Will auch sonst einer still
für sich beten, dann trete er ohne weiteres ein und
bete, nicht mit lärmender Stimme, sondern unter Tränen
und mit Innigkeit des Herzens[273]
. Wer also eine solche Absicht nicht hat, dem sei, wie
schon gesagt, nicht gestattet, nach Beendigung des
Chorgebetes im Gotteshause zurückzubleiben, damit
niemand gestört werde.
LIII. KAPITEL. Von der Aufnahme der
Gäste.
[274]
Jeden Gast, der da kommt, nehme man wie Christus auf;
denn er wird sprechen: "Ich war Fremdling, und ihr habt
mich aufgenommen"[275]
. Jedem erweise man die gebührende Ehre, besonders den
Glaubensgenossen und Fremdlingen. Sobald also ein Gast
angemeldet ist, gehe ihm der Obere mit den Brüdern in
dienstbereiter Liebe entgegen. Zuerst sollen sie
miteinander beten und sich dann den Friedenskuß geben.
Wegen der Blendwerke Satans gebe man diesen Friedenskuß
erst nach vorausgeschicktem Gebete. Die Begrüßung
geschehe aber in aller Demut. Vor allen Gästen verneige
man das Haupt, wenn sie kommen und wenn sie gehen, oder
man werfe sich vor ihnen ganz zur Erde nieder und
verehre so Christus in ihnen, der ja auch aufgenommen
wird[276]
.
Nach ihrer Aufnahme führe man die Gäste
zum Gebet; dann setze sich der Obere oder in seinem
Auftrag ein anderer zu ihnen. Man lese dem Gaste zur
Erbauung aus der Heiligen Schrift vor und erweise ihm
hierauf alle Liebe. Der Obere breche des Gastes wegen
das Fasten, außer es wäre gerade ein besonders wichtiger
Fasttag, der notwendig gehalten werden muß; die Brüder
dagegen setzen- das Fasten wie gewohnt weiter fort. Der
Abt reiche den Gästen Wasser zum Waschen der Hände; die
Fußwaschung sollen Abt und Gemeinde[277]
an allen Gästen vornehmen. Ist dies geschehen, so beten
sie den Vers: "O Gott, Deine Barmherzigkeit ist uns
zuteil geworden inmitten Deines Tempels"[278]
. Mit besonderer Sorgfalt nehme man die Armen und
Fremden auf; denn vornehmlich in ihrer Person wird
Christus aufgenommen. Den Reichen erzwingt ja schon das
Machtvolle ihrer Person die gebührende Ehre.
Abt und Gäste sollen eigene Küche haben,
damit die Brüder nicht durch unerwartete Gäste, an denen
es im Kloster nie fehlen darf, gestört werden. Diese
Küche sollen zwei Brüder, die sich gut darauf verstehen,
ein Jahr lang besorgen. Man gebe ihnen nach Bedürfnis
Gehilfen, damit sie ihren Dienst ohne Murren versehen.
Haben sie jedoch weniger Beschäftigung, dann sollen sie
dahin zur Arbeit gehen, wo man sie ihnen anweist. Aber
nicht bloß bei diesen Brüdern, überhaupt bei allen, die
im Kloster ein Amt haben, gelte der Grundsatz, daß, wo
es notwendig ist, für Hilfe gesorgt werde; wenn sie aber
frei sind, sollen sie zu anderer Arbeit bereit sein.
Auch habe für die Gastwohnung ein Bruder zu sorgen,
dessen Seele Gottesfurcht beherrscht. Daselbst sollen
entsprechende Betten bereitstehen. Überhaupt werde das
Haus Gottes von Weisen auch weise verwaltet. Mit den
Gästen darf durchaus niemand verkehren und reden[279]
, außer wer hierzu den Auftrag erhält. Wer ihnen
begegnet oder sie sieht, begrüße sie vielmehr bescheiden
in der angegebenen Weise, bitte um den Segen und gehe
seines Weges mit dem Bemerken, es sei ihm nicht erlaubt,
mit einem Gaste zu reden.
LIV. KAPITEL. Ob ein Mönch Briefe oder
sonst etwas annehmen darf.
Unter keinen Umständen soll es den
Mönchen erlaubt sein, von ihren Eltern oder sonst
jemand, auch nicht voneinander, Briefe, Eulogien[280]
oder irgendwelche Geschenke[281]
zu nehmen oder zu geben ohne Geheiß des Abtes. Selbst
wenn einem etwas von seinen Eltern geschickt würde, soll
er es nicht wagen, es anzunehmen, es wäre denn zuvor dem
Abte angezeigt. Gibt der Abt den Auftrag, es anzunehmen,
so steht es ihm doch noch frei, zu bestimmen, wer es
erhalten soll; der Bruder jedoch, dem es etwa zugedacht
war, soll sich darob nicht betrüben, damit dem Versucher
kein Anlaß gegeben werde. Wer dem zuwider handelt, soll
der in der Regel festgesetzten Strafe verfallen.
LV. KAPITEL. Von der Kleider- und
Schuhkammer der Brüder.
Die Kleider, die den Brüdern gegeben
werden, seien der Lage und dem Klima des Wohnortes
angepaßt; denn in kalten Gegenden braucht man mehr, in
warmen dagegen weniger. Der Abt soll dies also weise in
Rechnung ziehen. Wir sind aber der Ansicht, in einer
Gegend mit mittlerem Klima reiche für jeden Mönch eine
Kukulle[282]
und eine Tunika aus; die Kukulle sei im Winter
dichtwollig, im Sommer dünn oder abgetragen. Dazu komme
das Skapulier[283]
für die Arbeit und als Fußbekleidung Strümpfe und Schuhe[284]
. Über die Farbe und den rauhen Stoff von all dem sollen
sich die Mönche nicht aufhalten; die Kleider seien
vielmehr so, wie man sie in jenem Lande vorfindet oder
wohlfeil beschaffen kann[285]
.
Der Abt sorge für das richtige Maß,
damit die Kleider denen, die sie tragen, nicht zu kurz
seien, sondern gut passen. Wer neue Kleider erhält, soll
die alten immer sogleich zurückgeben, damit sie in der
Kleiderkammer für die Armen aufbewahrt werden. Denn für
den Mönch genügt es, zwei Tuniken und zwei Kukullen zu
haben wegen der Nacht und um sie waschen zu können. Was
darüber ist, muß als überflüssig entfernt werden. Auch
die Fußbekleidung und überhaupt alles Alte sollen sie
abgeben, sobald sie Neues bekommen. Brüder, die auf
Reisen geschickt werden, erhalten aus der Kammer
Unterkleider. Nach ihrer Rückkehr geben sie diese
gewaschen wieder ab. Auch sollen die Kukul-len und
Tuniken etwas besser sein, als man sie gewöhnlich trägt;
sie erhalten sie bei ihrer Abreise aus der Kleiderkammer
und geben sie bei ihrer Heimkehr wieder zurück.
Als Lager sollen eine Matte, ein rauhes
Tuch, eine Decke und ein Kopfkissen genügen. Der Abt muß
jedoch öfter nachschauen, ob sich in diesen Betten nicht
etwa Eigentum finde. Und sollte sich bei einem etwas
finden, was ihm der Abt nicht gegeben hat, so werde er
sehr strenge bestraft. Damit dieses Laster des
Privateigentums mit der Wurzel ausgerottet werde, gebe
der Abt alles, was man braucht, Kukulle, Tunika,
Strümpfe, Schuhe, Gürtel, Messer, Griffel, Nadel,
Taschentuch, Schreibtafel, so daß jedem Vorwand eines
Bedürfnisses der Boden entzogen sei. Der Abt beherzige
jedoch immer jenen Ausspruch der Apostelgeschichte: "Es
ward jedem gegeben, wie er es nötig hatte"[286]
. So muß also auch der Abt auf die schwachen Kräfte der
Bedürftigen Rücksicht nehmen, nicht auf das Übelwollen
Scheelsüchtiger. Er halte sich jedoch bei allen seinen
Anordnungen die Vergeltung Gottes vor Augen.
LVI. KAPITEL. Vom Tische des Abtes.
Der Abt esse jederzeit mit den Gästen und
Fremden. So oft aber keine Gäste da sind, steht es ihm
frei, wen er will, von den Brüdern einzuladen. Doch muß
er immer der Ordnung halber einen oder zwei von den
Ältesten bei den Brüdern lassen.
LVII. KAPITEL. Von den Handwerkern im
Kloster.
Sind Brüder im Kloster, die ein Handwerk
verstehen, so sollen sie es in aller Demut betreiben,
falls es der Abt erlaubt. Sollte sich einer von ihnen
wegen seiner Geschicklichkeit überheben, weil er glaubt,
dem Kloster zu nützen[287]
, so nehme man ihn von dieser Beschäftigung weg, und er
darf nicht wieder zu ihr zurückkehren, bevor er nicht
demütig geworden ist und der Abt ihn etwa wieder damit
beauftragt. Ist aber etwas von den Arbeiten der
Handwerker zu verkaufen, dann sollen jene, die den
Verkauf zu vermitteln haben, sich davor in acht nehmen,
irgendeinen Betrug zu begehen. Sie sollen stets an
Ananias und Saphira[288]
denken; sonst könnte, wie diese der leibliche Tod
ereilte, sie und alle, die irgendeinen Betrug mit dem
Klostergute treiben, der Tod an der Seele treffen. Bei
der Festsetzung der Preise darf sich aber nicht
schmutziger Geiz einschleichen, vielmehr soll man immer
ein wenig wohlfeiler geben, als sonst Weltleute es tun
können, "auf daß in allem Gott verherrlicht werde"[289]
.
LVIII. KAPITEL. Vom Verfahren bei der
Aufnahme von Brüdern.
[290]
Kommt jemand, um das Klosterleben zu beginnen[291]
, so werde ihm der Eintritt nicht leicht bewilligt,
vielmehr handle man nach dem Worte des Apostels: "Prüfet
die Geister, ob sie aus Gott sind"[292]
. Wird also der Ankömmling nicht müde, um Einlaß zu
bitten, und zeigt es sich während vier oder fünf Tagen,
daß er unfreundliche Behandlung und die Schwierigkeiten,
die man seinem Eintritt entgegenstellt, geduldig erträgt[293]
und auf seiner Bitte beharrt, so lasse man ihn
eintreten. Zunächst mag er sich einige Tage in der
Wohnung der Gäste aufhalten; dann bleibe er in der
Zelle, in der die Novizen ihre Übungen halten[294]
, essen und schlafen. Und ein älterer Bruder, der es
versteht, Seelen zu gewinnen, werde als Oberer über sie
gesetzt und überwache sie mit aller Sorgfalt. Er prüfe
den Novizen, ob er wahrhaft Gott sucht, ob er Eifer
zeigt für das gemeinsame Gotteslob, für den Gehorsam und
Verdemütigungen. Man zeige ihm, wie rauh und uneben der
Weg ist, auf dem man zu Gott gelangt. Verspricht er in
Beständigkeit auszuharren, so lese man ihm nach Ablauf
von zwei Monaten diese Regel von Anfang bis zu Ende vor
und sage zu ihm: "Siehe das Gesetz, unter dem du kämpfen
willst; kannst du es beobachten, so tritt ein, vermagst
du das nicht, so geh frei von dannen". Bleibt er jetzt
noch standhaft, dann führe man ihn wieder in die
erwähnte Novizenwohnung zurück und prüfe ihn in aller
Geduld weiter. Nach Verlauf von sechs Monaten lese man
ihm die Regel noch einmal vor, damit er wisse, welche
Verpflichtung er mit dem Eintritt übernimmt. Bleibt er
immer noch fest, so werde ihm nach vier Monaten dieselbe
Regel wiederum vorgelesen. Hat er alles in seinem Innern
reiflich überlegt und verspricht er, alles beobachten
und jedem Befehle gehorchen zu wollen, so nehme man ihn
in die Klostergemeinde auf; doch soll er wissen, daß es
ihm auch in kraft des Regelgesetzes ' von diesem Tag an
nicht mehr frei steht, das Kloster zu verlassen noch das
Joch der Regel von seinem Nacken abzuschütteln, das[295]
er in so langer Prüfungszeit von sich abweisen oder auf
sich nehmen konnte.
Bei der Aufnahme gelobe er im Gotteshaus
in Gegenwart aller vor Gott und seinen Heiligen
Beständigkeit, klösterlichen Tugendwandel und Gehorsam[296]
. Deshalb muß er überzeugt sein, wenn er dagegen handeln
sollte, würde er von dem verdammt werden, dessen er
spottet. Über dieses sein Gelöbnis stelle er auf den
Namen der Heiligen, deren Reliquien dort sind, und auf
den Namen des anwesenden Abtes ein Bittgesuch[297]
aus. Dieses Gesuch schreibe er eigenhändig oder, falls
er nicht schreiben kann, bitte er einen anderen darum,
und dann füge der Novize sein Handzeichen hinzu. Hierauf
lege er die Urkunde eigenhändig auf dem Altare nieder.
Alsdann stimme der Novize sogleich selbst den Vers an:
"Nimm mich auf, o Herr, nach Deiner Verheißung und ich
werde leben, und laß meine Hoffnung nicht zuschanden
werden"[298]
. Die ganze Gemeinde wiederhole diesen Vers dreimal und
füge das "Ehre sei dem Vater" hinzu. Darauf werfe sich
der Novize vor jedem einzelnen nieder, auf daß alle für
ihn beten. Von diesem Tag an gilt er nun als Mitglied
der Gemeinde. Was er etwa an Eigentum hat, verteile er
vorher unter die Armen oder vermache es durch eine
rechtskräftige Schenkung dem Kloster, ohne sich etwas
vorzubehalten[299]
; er darf ja nicht vergessen, daß er von jetzt an nicht
einmal mehr über seinen eigenen Leib frei verfügen kann.
Deshalb lege er sogleich im Gotteshaus die Kleider ab,
die er trägt, und werde mit dem Klostergewand bekleidet[300]
. Die Kleider, die er abgelegt hat, sollen in der
Kleiderkammer aufbewahrt werden. Denn wenn er einmal,
was nie geschehen möge, den Einflüsterungen des Teufels
nachgeben und das Kloster verlassen wollte, dann soll er
des Klostergewandes beraubt und so verstoßen werden. Die
Urkunde aber, die der Abt vom Altar an sich genommen
hat, erhalte er nicht mehr zurück; man bewahre sie im
Kloster auf.
LIX. KAPITEL. Von den Söhnen der
Vornehmen und Armen, die Gott dargebracht werden.
[301]
Will etwa ein Vornehmer seinen Sohn Gott im Kloster
darbringen, und ist der Knabe noch minderjährig, so
stellen die Eltern eine Bitturkunde[302]
aus, wie wir schon oben gesagt haben, hüllen die Urkunde
und die Hand des Knaben zugleich mit der Opfergabe in
das Altartuch und bringen ihn so dar. Was ihr Vermögen
betrifft, so müssen sie in der betreffenden Urkunde
eidlich versprechen, weder selbst noch durch
Mittelspersonen noch sonst auf eine Weise ihrem Sohne
jemals etwas zu schenken oder auch nur die Möglichkeit
zu bieten, etwas zu besitzen. Wollen sie darauf nicht
eingehen, sondern dem Kloster als Entschädigung ein
Almosen zukommen lassen, dann sollen sie über diese
Schenkung eine Urkunde ausstellen mit etwaigem
Vorbehalte der Nutznießung. So werde allem vorgebeugt,
damit dem Knaben keinerlei Aussicht bleibe, die ihn
blenden und, was ferne sei, ins Verderben stürzen
könnte, wie wir das schon erlebt haben. In der gleichen
Weise sollen auch die Ärmeren verfahren. Wer gar nichts
besitzt, stelle einfach die Urkunde aus und bringe
seinen Sohn mit der Opfergabe vor Zeugen dar.
LX. KAPITEL. Von den Priestern, die etwa
in das Kloster eintreten wollen.
[303]
Bittet einer aus dem Priesterstand um Aufnahme ins
Kloster, so erfülle man seinen Wunsch nicht allsogleich.
Beharrt er durchaus bei seiner Bitte, dann soll er
wissen, daß ihn die Regel in ihrer ganzen Strenge
verpflichten wird; in keinem Punkte wird ihm
Erleichterung zuteil werden. Es gelte also, was die
Schrift sagt: "Freund, wozu bist du gekommen"[304]
. Doch werde ihm gestattet, in der Reihe gleich nach dem
Abte zu stehen, den Segen zu erteilen, das Meßopfer zu
feiern und das Schlußgebet beim gemeinsamen Gotteslob zu
sprechen, vorausgesetzt, daß der Abt es ihm aufträgt,
andernfalls erlaube er sich nichts. Er darf nicht
vergessen, daß er sich in die Klosterordnung fügen muß,
gebe vielmehr allen ein Beispiel der Demut. Handelt es
sich im Kloster etwa um eine Wahl oder etwas Ähnliches,
so nehme er jenen Platz ein, der seinem Eintritt ins
Kloster entspricht[305]
, nicht jenen, der ihm aus Ehrfurcht vor der
priesterlichen Würde sonst eingeräumt ist. Wenn Kleriker
denselben Wunsch äußern, ins Kloster aufgenommen zu
werden, dann weise man ihnen einen etwas höheren Platz
an, aber nur, wenn sie Beobachtung der Regel und
Beständigkeit geloben.
LXI. KAPITEL. Wie fremde Mönche
aufgenommen werden sollen.
Kommt ein fremder Mönch aus fernen Landen
und will er als Gast im Kloster wohnen[306]
, so nehme man ihn für solange auf, als er wünscht,
vorausgesetzt, daß er zufrieden ist mit den dort
geltenden Gebräuchen und nicht etwa durch unberechtigte
Ansprüche dem Kloster lästig fällt, sondern sich einfach
mit dem begnügt, was er antrifft. Äußert er mit Gründen
und in liebevoller Bescheidenheit einen Tadel, oder
macht er auf etwas aufmerksam, so erwäge der Abt in
Klugheit, ob nicht etwa Gott ihn gerade zu diesem Zwecke
geschickt habe. Will er aber später sich zu beständigem
Bleiben verpflichten, so weise man diesen Wunsch nicht
zurück, zumal da man während der Zeit, da er Gast war,
Gelegenheit hatte, seinen Wandel kennen zu lernen.
Erwies er sich während der Zeit der Gastfreundschaft als
anspruchsvoll und mit Fehlern behaftet, dann muß man ihm
nicht bloß die Aufnahme in den Klosterverband
verweigern, sondern ihm sogar in höflicher Weise
bedeuten, er möge gehen. Sonst könnte sein
bedauernswerter Wandel auch noch andere anstecken.
Verdient er aber durch sein Verhalten nicht, daß man ihn
fortschicke, so warte man nicht erst seine Bitte ab, um
ihn der Gemeinde einzugliedern, sondern rede ihm sogar
zu, daß er bleibe, damit sein Beispiel andern zur Lehre
dienen kann. Wird doch allerorten dem gleichen Herrn
gedient und für denselben König gestritten. Der Abt darf
ihm auch einen etwas höheren Platz anweisen, wenn er ihn
dessen würdig erachtet. Doch nicht bloß einen Mönch,
auch einen Angehörigen des oben erwähnten Priester- und
Klerikerstandes kann der Abt an einen höheren Platz
aufrücken lassen, als es ihm dem Eintritte nach zukäme,
wenn er erkennt, daß ihr Wandel das verdient. Doch hüte
sich der Abt, jemals einen Mönch aus einem andern
bekannten Kloster in seine Gemeinde aufzunehmen ohne
Einwilligung des betreffenden Abtes oder ohne
Empfehlungsschreiben[307]
. Denn es steht geschrieben: "Was du nicht leiden
möchtest, tu auch keinem andern an".
LXII. KAPITEL. Von den Priestern des
Klosters.
[308]
Will sich der Abt einen Priester oder Diakon weihen
lassen, so wähle[309]
er einen aus den Seinigen aus, der würdig ist, des
Priesteramtes zu walten. Der Geweihte hüte sich vor
Stolz und Hoffart. Er dränge sich in keine Angelegenheit
ein, die ihm nicht vom Abt übertragen ist, und wisse,
daß er weit strenger an die klösterliche Zucht gebunden
ist. Auch werde ihm die priesterliche Würde nie Anlaß,
die Regeltreue und die Klosterordnung aus dem Auge zu
lassen, vielmehr soll er Gott immer näher und näher
kommen.
Er nehme stets den Platz ein, an dem er
bei seinem Eintritt ins Kloster stand, außer beim Dienst
am Altare, oder wenn die Wahl der Gemeinde und der Wille
des Abtes ihn seiner Verdienste wegen an einen höheren
Platz stellen will. Doch wisse er, daß er dann die für
die Dekane und Prioren aufgestellte Satzung beobachten
muß. Handelt er dieser zuwider, so sehe man in ihm nicht
mehr den Priester, sondern einen Empörer. Wenn er sich
trotz öfterer Mahnung nicht bessert, nehme man auch den
Bischof zum Zeugen. Zeigt er dann noch keine Besserung
und liegt seine Schuld offen zutage, so werde er aus dem
Kloster verstoßen, allein nur dann, wenn er so
widerspenstig ist, daß er sich der Regel nicht
unterwerfen noch ihr gehorchen will.
LXIII. KAPITEL. Von der Rangordnung in
der Klostergemeinde.
[310]
Die Brüder sollen im Kloster jene Rangordnung einhalten,
wie sie durch die Zeit des Eintrittes oder
verdienstreiches Leben bestimmt oder vom Abte
festgesetzt wird. Der Abt bringe die ihm anvertraute
Herde nicht in Verwirrung und treffe nicht, als besäße
er uneingeschränkte Gewalt, ungerechte Verfügungen. Er
bedenke vielmehr immer, daß er über all sein Anordnen
und Tun Gott wird Rechenschaft ablegen müssen. Nach der
Reihenfolge also, die er festgesetzt hat, oder wie sie
den Brüdern von selbst zukommt, sollen sie zum
Friedenskuß[311]
und zur Kommunion gehen, die Psalmen anstimmen[312]
, im Chore stehen. Gar nirgends darf das Alter die
Rangordnung bestimmen oder einen Vorrang verleihen;
haben doch Samuel[313]
und Daniel[314]
schon in ihrer Jugend über Älteste Gericht gehalten.
Abgesehen davon, daß der Abt, wie oben erwähnt, einem in
weiser Rücksicht einen höheren oder aus bestimmten
Gründen einen niederen Platz anweist, sollen demnach
alle anderen nach ihrer Eintrittszeit aufeinander
folgen: so muß zum Beispiel, wer zur zweiten Tagesstunde
ins Kloster kommt, welches Alter und welche Würde er
auch haben mag, wissen, daß er jünger ist als einer, der
zur ersten Stunde angekommen ist. Den Knaben gegenüber
wahre jeder allezeit die gehörige Ordnung.
Die Jüngeren sollen also die Älteren
ehren, die Älteren die Jüngeren lieben. Keiner darf den
andern mit dem bloßen Namen anreden, sondern die Älteren
sollen den Jüngeren den Namen Brüder, die Jüngeren den
Älteren den Namen Nonnus[315]
geben, was soviel heißt als ehrwürdiger Vater. Der Abt
aber, den man ja im Glauben als Stellvertreter Christi
ansieht, werde Herr und Abt genannt, nicht als dürfte er
sich selbst diesen Namen anmaßen, sondern Christus zu
Ehren und Christus zulieb. Das möge er bedenken und so
wandeln, daß er dieser Ehre würdig sei. Wo immer ein
Bruder dem andern begegnet, bitte der jüngere den
älteren um den Segen. Geht ein älterer vorüber, so
erhebe sich der jüngere und räume ihm den Platz zum
Sitzen ein; der jüngere darf sich nicht eher
niedersetzen, als bis ihn der ältere dazu auffordert,
damit so erfüllt werde, was geschrieben steht: "Kommet
einander mit Ehrerbietung zuvor"[316]
. Knaben und Jünglinge halten im Chor und bei Tisch, wie
es sich gehört, ihre Ordnung ein. Draußen aber, wie
überhaupt an allen Orten, sollen sie unter Aufsicht und
Leitung stehen, bis sie zu den Jahren reiferen
Verständnisses gelangen.
LXIV. KAPITEL. Von der Einsetzung des
Abtes.
Bei der Einsetzung des Abtes gelte immer
als Regel, daß der bestellt werde, den entweder die
ganze Gemeinde einmütig in der Furcht Gottes oder ein
von besserem Geist beseelter, wenn auch kleiner Teil[317]
erwählt. Verdienst des Lebens und Lehrweisheit müssen
bei der Wahl entscheiden, selbst wenn der in Aussicht
genommene seinem Range nach der letzte im Kloster wäre.
Sollte, was nie geschehen möge, die ganze Gemeinde
einhelligen Sinnes einen solchen wählen, der mit ihrem
ungeordneten Wandel einverstanden wäre, und hätten der
Bischof[318]
, zu dessen Sprengel der Ort gehört, oder die Äbte oder
Gläubigen der Nachbarschaft irgendwie Kenntnis erhalten
von diesen schlimmen Zuständen, so sollen sie
verhindern, daß ein so böses Einverständnis die Oberhand
behalte, und sollen dem Hause Gottes einen würdigen
Verwalter geben, überzeugt, daß sie dafür einen
herrlichen Lohn erhalten, wenn sie reiner Eifer für
Gottes Ehre leitet, daß es aber auf der andern Seite
Sünde wäre, dies zu unterlassen.
Der erwählte Abt verliere nie aus dem
Auge, welche Last er auf sich genommen, und wem er
Rechenschaft von seiner Verwaltung zu geben hat. Er
wisse, daß seine Aufgabe mehr darin besteht, vorzusehen
als vorzustehen[319]
. Er muß demnach im göttlichen Gesetze bewandert sein,
damit ihm Einsicht und der nötige Vorrat zu Gebote
stehe, Neues und Altes[320]
daraus zu schöpfen. Er sei keusch, nüchtern, mild; stets
triumphiere die Barmherzigkeit über strenges Gericht[321]
, damit er ein Gleiches erlange. Er hasse das Böse,
liebe die Brüder[322]
. Bei Zurechtweisungen gehe er mit Klugheit vor und gehe
nie zuweit[323]
, sonst könnte das Gefäß zerbrechen, wenn er es allzu
sauber vom Roste reinigen will. Er rechne immer mit
seiner eigenen Schwäche und erinnere sich, daß man ein
geknicktes Rohr[324]
nicht vollends brechen darf. Damit wollen
wir jedoch nicht sagen, er dürfe Fehler fortwuchern
lassen, vielmehr soll er sie, wie schon gesagt[325]
wurde, mit Klugheit und Liebe ausrotten in der Weise,
die er für jeden einzelnen zuträglich findet. Er strebe,
mehr geliebt als gefürchtet zu werden[326]
. Er sei nicht ungestüm und ängstlich[327]
, nicht übertrieben und eigensinnig, nicht eifersüchtig
und zu argwöhnisch, sonst käme er nie zur Ruhe. Seine
Anordnungen seien von Umsicht und Besonnenheit
begleitet. Und mag der Auftrag, den er gibt, Geistliches
oder Zeitliches betreffen, immer soll er unterscheiden
und das rechte Maß suchen, eingedenk der weisen
Maßhaltung, die aus den Worten des hl. Jakob spricht:
"Wenn ich meine Herden unterwegs übermüde, erliegen sie
alle an einem Tage"[328]
. Diese und andere Beispiele kluger Mäßigung, dieser
Mutter der Tugenden[329]
, nehme er sich zum Vorbild und ordne alles so weise,
daß es die Starken mit Lust und Liebe erfüllen, die
Schwachen aber nicht davor zurückschrecken. Vor allem
muß er in allen Stücken diese Regel beobachten, auf daß
er nach guter Amtsverwaltung aus dem Munde des Herrn
einmal die gleichen Worte vernehmen kann, wie der gute
Knecht, der seinen Mitknechten den Weizen zur rechten
Zeit zuteilte: "Wahrlich, sage ich euch, über alle seine
Güter wird er ihn setzen"[330]
.
LXV. KAPITEL. Vom Prior des Klosters.
[331]
Nicht selten[332]
ist es schon vorgekommen, daß die Einsetzung eines
Priors in den Klöstern zu schweren Ärgernissen geführt
hat, wenn nämlich der eine oder andere vom bösen Geiste
des Stolzes aufgestachelt, im Wahne, er sei ein zweiter
Abt, sich die Herrschaft anmaßt, so zu Ärgernissen Anlaß
gibt und Zwiespalt in die Gemeinde bringt. Dies kann
ganz besonders dort geschehen, wo von demselben Bischof
oder von denselben Äbten, die den Abt bestellen,
zugleich auch der Prior eingesetzt wird. Wie verkehrt
ein solcher Brauch ist, liegt auf der Hand. Denn gleich
vom ersten Tag an, da der Prior in sein Amt eingesetzt
ist, wird ihm Anlaß zu Stolz gegeben, wenn ihm eine
Stimme im Innern zuflüstert, er stehe nicht unter der
Gewalt seines Abtes: du bist ja von denselben zu deinem
Amte berufen worden wie der Abt. Die Folge davon sind
Neid, Streitigkeiten, üble Nachreden, Eifersüchteleien,
Parteiungen, Unordnung. Denn wenn Abt und Prior einander
entgegen sind, wird dieser Zwist nicht bloß
unausbleiblich ihren eigenen Seelen Gefahr bringen,
sondern auch ihre Untergebenen ins Verderben stürzen,
wenn sie um die Gunst der Parteien buhlen. Die
Verantwortung für eine so schlimme Gefahr tragen in
erster Linie jene, die den Keim zu einer derartigen
Unordnung gelegt haben.
Die Erfahrung hat uns demnach gezeigt,
daß es für die Wahrung des Friedens und der Liebe am
besten ist, wenn der Abt nach freiem Ermessen die Ämter
in seinem Kloster besetzt. Und womöglich sollen, wie wir
schon früher bestimmt haben[333]
, alle Geschäfte des Klosters durch Dekane nach den
Anordnungen des Abtes besorgt werden. So wird der
einzelne nicht in Gefahr kommen, stolz zu werden, wenn
die Aufgabe auf mehrere verteilt ist. Lassen örtliche
Verhältnisse es wünschenswert erscheinen, oder bittet
die Gemeinde mit vernünftigen Gründen und bescheiden
darum, und findet der Abt es so für gut, dann soll er
selbst den zum Prior bestellen, den er nach dem Rate
gottesfürchtiger Brüder sich dazu ausersehen hat. Doch
besorge der Prior in aller Ehrfurcht, was ihm sein Abt
aufträgt; nie darf er etwas gegen den Willen und Auftrag
seines Abtes tun; denn wie er über den anderen höher
steht, so soll er auch mit besonderer Sorgfalt die
Vorschriften der Regel beobachten. Zeigt es sich, daß
der Prior mit Fehlern behaftet wäre und sich von Hochmut
betören ließe, oder brächte er der hl. Regel offen
Mißachtung entgegen, dann soll er bis zu vier Malen
ermahnt werden. Bessert er sich nicht, dann treffe ihn
die in der Regel vorgesehene Strafe. Legt er auch dann
seinen Fehler nicht ab, so werde er vom Amte des
Priorates entfernt und durch einen anderen, würdigen
ersetzt. Ist er auch nachher in der Gemeinde nicht ruhig
und gehorsam, so verstoße man ihn sogar aus dem Kloster.
Doch bedenke der Abt, daß er über alle seine Anordnungen
Gott Rechenschaft ablegen muß, damit nicht die Flamme
des Neides oder der Eifersucht in seiner Seele
entbrenne.
LXVI. KAPITEL. Von den Pförtnern des
Klosters.
[334]
An die Klosterpforte soll ein älterer verständiger
Bruder gestellt werden, der es versteht, Aufträge
anzunehmen und auszurichten und den sein gereiftes Wesen
vor unstetem Umherschweifen bewahrt. Dieser Pförtner muß
seine Zelle neben der Pforte haben, damit, wer kommt,
ihn dort immer antreffe und von ihm Bescheid erhalte.
Sobald jemand anklopft oder sich ein Armer meldet,
antworte er: "Gott sei Dank" oder "segne mich"; und gebe
dann in aller Sanftmut und Gottesfurcht, beseelt vom
Eifer der Liebe, sogleich Auskunft. Bedarf der Pförtner
einer Stütze, so erhalte er einen jüngeren Bruder. Doch
lege man das Kloster womöglich so an, daß alles, was man
braucht, Wasser, Mühle, Garten und auch die
verschiedenen Werkstätten sich innerhalb der
Klostermauern[335]
befinden, damit die Mönche nicht gezwungen sind, draußen
umherzuschweifen, weil das ihren Seelen durchaus nicht
zuträglich ist. Wir wollen aber, daß diese Regel öfter
vor der ganzen Gemeinde gelesen werde, damit sich kein
Bruder mit Unkenntnis entschuldigen könne[336]
.
LXVII. KAPITEL. Von den Brüdern, die auf
eine Reise geschickt werden.
[337]
Brüder, die auf eine Reise geschickt werden, sollen sich
vorher dem Gebete aller Brüder oder des Abtes empfehlen;
auch soll jederzeit beim letzten Gebete des Gotteslobes
aller Abwesenden gedacht werden. Kehren die Brüder von
der Reise heim, so sollen sie sich noch am Tage der
Ankunft bei der jeweils zutreffenden Gebetsstunde am
Schlüsse des Chorgebetes im Gotteshaus auf den Boden
niederwerfen und alle um das Gebet bitten wegen der
Fehler, die sich während der Reise vielleicht durch
Sehen oder Hören von etwas Bösem oder durch unnützes
Reden eingeschlichen haben. Auch darf sich keiner
erlauben, einem andern alles und jedes zu erzählen, was
er außerhalb des Klosters gesehen oder gehört hat, denn
das richtet gewaltiges Unheil an. Wagt es dennoch einer
zu tun, so verfalle er der von der Regel bestimmten
Strafe. Das gleiche gelte von dem, der sich herausnimmt,
die Umfriedung des Klosters[338]
zu überschreiten und irgendwohin zu gehen oder etwas,
sei es auch noch so geringfügig, gegen den Willen des
Abtes zu tun.
LXVIII. KAPITEL. Wenn einem Bruder
Unmögliches aufgetragen werden sollte.
[339]
Wenn einem Bruder etwas sehr Schweres oder gar
Unmögliches aufgetragen wird, nehme er den Auftrag des
Vorgesetzten in aller Sanftmut und in Gehorsam an. Sieht
er, daß die auferlegte Last durchaus das Maß seiner
Kräfte übersteigt, so soll er dem Obern die Gründe
seines Unvermögens in Geduld und schicklicher Weise
darlegen, nicht geleitet vom Geiste des Stolzes, der
Widersetzlichkeit oder des Widerspruchs. Beharrt der
Obere auch nach dieser Aussprache und Vorstellung auf
seiner Entscheidung und seinem Befehl, dann wisse der
Untergebene, daß es für ihn so gut ist, und gehorche aus
Liebe im Vertrauen auf den Beistand Gottes[340]
.
LXIX. KAPITEL. Daß es im Kloster keiner
wagen darf, einen anderen zu verteidigen.
Mit Sorgfalt muß verhütet werden, daß im
Kloster ein Mönch unter irgendeinem Vorwand es wage,
einen anderen zu verteidigen oder gewissermaßen in
Schutz zu nehmen, selbst wenn sie noch so eng durch
Blutsverwandtschaft miteinander verbunden wären. Auf
keine Weise darf sich ein Mönch so etwas erlauben, weil
das schwere Ärgernisse veranlassen kann. Vergeht sich
einer gegen diese Vorschrift, so werde er besonders
streng bestraft[341]
.
LXX. KAPITEL. Daß keiner es wagen darf,
einen anderen leichthin zu schlagen.
Im Kloster muß jede Gelegenheit zur
Anmaßung entfernt werden. Deshalb bestimmen wir, daß
keiner seinen Mitbruder ausschließen oder schlagen darf,
es sei denn, der Abt hatte ihn dazu ermächtigt. Wer sich
dagegen verfehlt, "werde in Gegenwart aller
zurechtgewiesen zum warnenden Beispiel für die anderen"[342]
. Knaben bis zum fünfzehnten Jahr sollen aber von allen
in strenger Zucht gehalten und überwacht werden; doch
geschehe auch das vernünftig und maßvoll. Denn wer sich
gegen das reifere Alter ohne Erlaubnis des Abtes etwas
herausnimmt oder sich gegen die Kinder im Übereifer zum
Zorne hinreißen läßt, verfalle der in der Regel
vorgesehenen Strafe, weil geschrieben steht: "Was du
nicht erleiden möchtest, tu auch keinem andern an".
LXXI. KAPITEL. Daß die Brüder einander
gehorchen sollen.
Das Gut des Gehorsams[343]
soll nicht bloß dem Abte von allen erwiesen werden, auch
gegen einander sollen die Brüder gehorsam sein, in der
festen Überzeugung, daß sie auf diesem Pfade des
Gehorsams zu Gott gelangen werden. An erster Stelle
befolge man immer den Befehl des Abtes oder der von ihm
bestellten Obern, und wir gestatten nicht, daß man
Aufträge einfacher Mönche einem solchen Befehle
gegenüber vorgehen lasse. Im übrigen aber sollen alle
Jüngeren den Älteren mit größter Liebe und
Bereitwilligkeit gehorchen. Wird einer streitsüchtig
erfunden, so werde er bestraft. Wenn aber ein Bruder bei
einem auch noch so geringfügigen Anlaß vom Abt oder
sonst von einem an Alter über ihm Stehenden auf
irgendeine Weise getadelt wird, oder wenn er den
Eindruck hat, ein Älterer sei gegen ihn erregt oder
irgendwie verstimmt, so werfe er sich sogleich vor ihm
auf den Boden nieder und leiste solange Genugtuung, bis
sich jene Erregung beim Segen wieder legt. Wer dies aus
Geringschätzung unterläßt, werde entweder körperlich
gezüchtigt oder, wenn er sich widerspenstig zeigt, aus
dem Kloster gestoßen.
LXXII. KAPITEL. Vom guten Eifer, der die
Mönche beseelen soll.
[344]
Gleichwie es einen schlimmen Eifer voll Bitterkeit gibt,
der von Gott trennt und zur Hölle führt[345]
, so gibt es auch einen guten Eifer, der von der Sünde
trennt, zu Gott und zum ewigen Leben führt. Diesen Eifer
sollen die Mönche mit der feurigsten Liebe betätigen.
Sie sollen also einander in Ehrerbietung zuvorkommen[346]
, die Gebrechen, seien sie körperlich oder geistig,
aneinander mit größter Geduld ertragen[347]
, im Wetteifer einander gehorchen. Keiner erstrebe das,
was er für sich, sondern das, was er mehr für andere
nützlich erachtet. Die brüderliche Liebe sollen sie in
reiner Gesinnung betätigen, Gott aus Liebe fürchten[348]
, ihrem Abt in aufrichtiger und demütiger Liebe zugetan
sein, Christus durchaus nichts vorziehen[349]
, der uns alle zum ewigen Leben führen möge.
LXXIII. KAPITEL. Davon, daß in dieser
Regel nicht alle Vorschriften des vollkommenen Lebens
enthalten sind.
[350]
Wir haben diese Regel niedergeschrieben, damit wir durch
deren Beobachtung in den Klöstern bis zu einem gewissen
Grad ehrbaren Wandel und einen Anfang im klösterlichen
Tugendleben[351]
bekunden. Wer aber zur Vollkommenheit dieses Lebens
rasch emporsteigen will, der halte sich an die Lehren
der hl. Väter; wer diese befolgt, wird die Höhen der
Vollkommenheit erreichen. Denn ist nicht jede Seite,
jeder Ausspruch der gottbeglaubigten Schriften des Alten
und Neuen Testamentes die sicherste Richtschnur für das
menschliche Leben? Oder redet nicht jedes Buch der hl.
katholischen Väter laut davon, wie wir geradeswegs zu
unserem Schöpfer gelangen können? Auch die Collationes
der Väter, ihre Instituta[352]
und Lebensbeschreibungen, ferner die Regel unseres hl.
Vaters Basilius, was sind sie anders als Tugendwerkzeuge
für gute und gehorsame Mönche? Wir Träge, Laue und
Nachlässige müssen aber vor Scham erröten.
Gehörst du zu jenen, die dem himmlischen
Vaterlande zueilen, so befolge diese ganz einfache
Regel, die mit Christi Hilfe für Anfänger geschrieben
ist. Dann wirst du nach und nach unter Gottes Schutz zu
den oben erwähnten Höhen der Weisheit und Tugend
gelangen.
Die hier zugänglichen Texte
dienen einem schnellen Nachschlagen oder einem
gemütlichen Schmökern. Sie können und wollen jedoch in
keiner Weise moderne Textausgaben ersetzen: Wer
wissenschaftlich mit diesen Texten arbeiten will oder
muss, kommt um die Konsultation moderner Übersetzungen
und Editionen nicht herum. Besonders Studierende sollten
sich vor der Versuchung hüten, diese Texte würden sie
vor einem Gang in die Universitätsbibliothek bewahren.
Textquelle Dr. Gregor
Emmenegger
Université Fribourg CH:
http://www.unifr.ch/bkv/ |