Die innere Burg
JHS
Wenige Dinge, die mir der Gehorsam
geboten hat, sind mir so schwer
gefallen wie jetzt die Aufgabe, über
das Gebet zu schreiben. Einmal, weil
ich nicht den Eindruck habe, daß der
Herr mir dazu Geist oder Lust
verleiht; und zum anderen, weil ich
schon seit drei Monaten ein solches
Dröhnen und eine solche Schwäche im
Kopfe fühle, daß ich selbst die
unumgänglichen Schreibarbeiten nur
mühsam erledigen kann. |
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Doch da ich weiß, daß die Kraft des
Gehorsams Dinge zu bewältigen pflegt,
die unüberwindlich erscheinen, so
entschließt sich der Wille, es gern
und mit herzlichem Eifer zu tun, auch
wenn es der Natur hart anzukommen
scheint. Denn der Herr hat mir nicht
soviel Tugend verliehen, daß der Kampf
mit der ständigen Krankheit und
Beanspruchungen vieler Art
ausgefochten werden könnte ohne
heftigen Widerspruch der eigenen
Natur. Möge Er es tun, der andere,
schwierigere Dinge vollbracht hat, um
mir seine Gnade zu erweisen, und auf
dessen Erbarmen ich vertraue.
Ich glaube zwar, daß ich nicht viel
mehr zu sagen weiß, als ich bei
anderen Gelegenheiten, da man mir zu
schreiben befahl, schon gesagt habe.
Ich fürchte vielmehr, daß es fast das
gleiche sein wird; denn es geht mir
genau wie den Vögeln, die man das
Sprechen lehrt: sie können nichts
anderes sagen, als was man ihnen
beigebracht hat oder was sie gehört
haben, und wiederholen es
ein ums andere Mal. Will der Herr, daß
ich etwas Neues sage, so wird Seine
Majestät es mir geben, oder wird er
sich damit begnügen, mir das ins
Gedächtnis zu rufen, was ich früher
gesagt habe. Ich wäre auch damit
zufrieden; denn ich habe ein so
schlechtes Gedächtnis, daß es mich
freuen würde, einiges wieder zu
finden, von dem man behauptet hat, es
sei gut ausgedrückt gewesen – für den
Fall, daß es verloren gegangen sein
sollte. Wenn der Herr mir auch dies
nicht gewähren sollte, so wird es mir
dennoch ein Gewinn sein, um des
Gehorsams willen mich abzumühen und
meine Kopfschmerzen zu mehren, selbst
wenn meine Worte zu gar nichts nütze
wären. Und so beginne ich denn heute,
am Tag der Allerheiligsten
Dreifaltigkeit des Jahres 1577, hier
im Kloster des heiligen Joseph vom
Karmel in Toledo, wo ich derzeit
weile, diese Pflicht zu erfüllen, mich
in allem, was ich sage, dem Urteil
derer unterwerfend, die mir zu
schreiben befohlen haben, welches
Personen von hohem Wissen sind. Sollte
ich etwas sagen, was nicht dem Glauben
der heiligen römisch–katholischen
Kirche entspricht, so geschieht es aus
Unwissenheit und nicht aus böser
Absicht. Dessen kann man so gewiß
sein, wie es sicher ist, daß ich durch
Gottes Güte ihr immer ergeben bin und
es sein werde und es stets gewesen
bin. Ihm sei Ruhm und Ehre in
Ewigkeit, Amen.
Der mir zu schreiben befohlen hat,
sagte mir, daß die Nonnen in diesen
Klöstern Unserer Lieben Frau vom
Karmel jemanden brauchten, der ihnen
einige Zweifel wegen des Gebets
zerstreue. Da er den Eindruck habe,
daß Frauen die Sprache von
ihresgleichen am besten verstehen,
wären meine Worte – bei der Liebe, die
sie für mich hegten – ihnen wohl am
dienlichsten. Er sei daher der
Meinung, daß es nicht belanglos wäre,
wenn es mir gelänge, dazu etwas zu
sagen. Mit dem, was ich im folgenden
schreiben werde, wende ich mich also
an sie. Und da der Gedanke, es könne
für andere Personen von irgendwelcher
Bedeutung sein, töricht erscheint, so
wird mir unser Herr Gnade genug
erweisen, wenn meine Worte einer
dieser Nonnen dazu dienen, Ihn ein
wenig mehr zu loben. Seine Majestät
weiß wohl, daß ich nach nichts anderem
strebe, und meine Schwestern werden
ohne Zweifel erkennen, daß es nicht
mein Werk ist, wenn etwas davon
treffend ausgedrückt sein sollte, es
sei denn, sie hätten so wenig
Einsicht, wie ich Talent für
dergleichen Dinge besitze, falls der
Herr es mir nicht schenkt in seiner
Barmherzigkeit. |
DIE ERSTE WOHNUNG
ERSTES KAPITEL
Wie ich heute unseren Herrn anflehte, er möge
durch mich reden – weil ich nichts zu sagen
fand und nicht wußte, wie ich mit der
Erfüllung dieser Aufgabe beginnen sollte –, da
bot sich mir dar, was ich nunmehr sagen und
als Fundament gebrauchen möchte: nämlich
unsere Seele als eine Burg zu betrachten, die
ganz aus einem Diamant oder einem sehr klaren
Kristall besteht und in der es viele Gemächer
gibt, gleichwie im Himmel viele Wohnungen
sind. Denn wenn wir es recht betrachten,
Schwestern, so ist die Seele des Gerechten
nichts anderes als ein Paradies, in dem der
Herr, wie er selbst sagt, seine Lust hat. Nun,
was meint ihr, wie wohl die Wohnstatt sein
mag, in der ein solch mächtiger, weiser und
reiner König, der so reich an Gütern jeglicher
Art ist, sich ergötzt? Ich finde nichts, mit
dem sich die große Schönheit einer Seele, ihre
Weite und ihre hohe Befähigung vergleichen
ließe. Und wahrlich, unsere Einsicht und unser
Verstand – so scharfsinnig sie sein mögen –
reichen schwerlich aus, sie zu begreifen,
genauso wenig wie sie Gott sich auszudenken
vermögen; denn er selbst sagt, daß er uns
schuf nach seinem Bilde. Ist dies wirklich so
– und es ist so –, dann brauchen wir uns nicht
abzumühen in dem Verlangen, die
Schönheit dieser Burg zu erfassen. Obgleich
zwischen ihr und Gott der Unterschied besteht,
der den Schöpfer trennt vom Geschöpf – da sie
ja etwas Erschaffenes ist –, so genügt doch
das Wort Seiner Majestät, daß sie nach seinem
Bilde geschaffen ist, um die große Würde und
Schönheit der Seele uns als kaum fassbar
erscheinen zu lassen.
Nicht wenig Elend und Verwirrung kommen daher,
daß wir durch eigene Schuld uns selber nicht
verstehen und nicht wissen, wer wir sind.
Erschiene es nicht als eine schreckliche
Unwissenheit, meine Töchter, wenn jemand keine
Antwort wüßte auf die Frage, wer er ist, wer
seine Eltern sind und aus welchem Lande er
stammt? Wäre dies ein Zeichen viehischen
Unverstands, so herrschte in uns ein noch
unvergleichlich schlimmerer Stumpfsinn, wenn
wir uns nicht darum kümmerten, zu erfahren,
was wir sind, sondern uns mit diesen Leibern
zufriedengäben und folglich nur so obenhin,
vom Hörensagen, weil der Glaube es uns lehrt,
davon wüßten, daß wir eine Seele haben. Aber
welche Güter diese Seele in sich bergen mag,
wer in ihr wohnt und welch großen Wert sie
hat, das bedenken wir selten, und darum ist
man so wenig darauf bedacht, ihre Schönheit
mit aller Sorgfalt zu bewahren. All unsere
Achtsamkeit gilt der rohen Einfassung, der
Ringmauer dieser Burg, das heißt: den Körpern.
Denken wir uns also, daß diese Burg – wie ich
schon gesagt habe – viele Wohnungen hat, von
denen einige oben gelegen sind, andere unten
und wieder andere seitwärts, und daß sie ganz
innen, in der Mitte all dieser Wohnungen, die
allerwichtigste birgt: jene, wo die tief
geheimnisvollen Dinge zwischen Gott und der
Seele vor sich gehen. Es ist nötig, daß ihr
auf dieses Gleichnis achtet. So Gott will,
kann ich euch damit etwas von den Gnaden
verständlich machen, die Gott nach seinem
Belieben den Seelen verleiht, und von den
Unterschieden, die zwischen ihnen bestehen
(soweit dies nach meinem Verständnis möglich
ist; denn alle zu verstehen, vermag niemand,
so mannigfaltig sind sie; und schon gar nicht
jemand, der so armselig ist wie ich). Denn
wenn der Herr euch solche Gnaden erweisen
sollte, wird es für euch ein großer Trost
sein, zu wissen, daß dies möglich ist; und für
die, denen dies nicht widerfährt, wird es ein
Grund sein, seine große Güte zu loben. Es
schadet uns ja nicht, darüber nachzusinnen,
was im Himmel ist und was die Seligen
genießen, vielmehr freut es uns und spornt uns
an, dasselbe zu erlangen, was sie genießen –
und genausowenig wird es uns schaden, wenn wir
sehen, daß schon hier in der Verbannung dieser
Welt ein solch großer Gott sich mit Würmern
abgeben kann, die voll üblen Geruches sind,
und daß eine so vollkommene Güte, ein solch
unermeßliches Erbarmen uns liebt.
Wem die Erkenntnis der Möglichkeit, daß Gott
diese Gnade hier in der Verbannung uns
erweist, schaden sollte, dem müßte es – davon
bin ich fest überzeugt – sehr an Demut und
Nächstenliebe fehlen. Denn wie sollten wir uns
sonst nicht darüber freuen, daß Gott diese
Gnaden einem unserer Brüder erweist (was ihn
ja nicht hindert, sie auch uns zu erzeigen)
und daß Seine Majestät ihre Größe offenbart,
an wem sie nun will? Manchmal wird der Herr es
ja allein zu dem einen Zwecke tun, seine Größe
sichtbar zu machen (wie er es sagte, als er
dem Blinden das Augenlicht schenkte und die
Apostel Ihn fragten, ob dieser wegen seiner
eigenen Sünden oder wegen der Sünden seiner
Eltern erblindet sei). Er tut es also nicht,
weil diejenigen, denen er solche Gnaden
erweist, heiliger wären als die anderen, denen
er sie nicht erweist, sondern darum, daß man
seine Größe erkenne (wie wir es am heiligen
Paulus und an der Magdalena sehen) und daß wir
ihn preisen in seinen Geschöpfen.
Man könnte nun sagen, diese Dinge erschienen
unmöglich, und es sei gut, den Schwachen kein
Ärgernis zu geben. Doch es ist weniger
verloren, wenn diese Zaghaften nicht glauben,
als wenn diejenigen um den Gewinn gebracht
werden, denen Gott solche Gnaden erweist und
die sich darüber freuen und dadurch ermuntert
werden, ihn mehr zu lieben, der soviel
Barmherzigkeit erzeigt, obgleich seine Macht
und Herrlichkeit so groß sind. Das sage ich
mit um so größerer Gewißheit, als ich weiß,
daß bei denen, mit welchen ich rede, diese
Gefahr nicht besteht; denn sie wissen und
glauben, daß Gott noch größere Zeichen der
Liebe vollbringt. Auch weiß ich, daß niemand,
der hieran nicht glaubt, es aus eigenem
Erleben erfährt; denn Gott liebt es sehr, daß
man seinen Werken keine Schranke setzt. Und
darum, Schwestern, möget ihr, die der Herr
nicht auf diesem Wege führt, nie in solchen
Unglauben verfallen.
Doch kehren wir zu unserer schönen,
beglückenden Burg zurück, und schauen wir, wie
wir hineingelangen können. Es scheint, als
sagte ich einen Unsinn; denn wenn diese Burg
die Seele ist, so ist doch klar, daß man nicht
hineingehen muß, da man ja selbst die Burg
ist. Genauso närrisch erschiene es, wenn man
jemandem sagte, er möge in ein Zimmer gehen,
in dem er sich bereits befindet. Doch ihr müßt
verstehen, daß zwischen Darinnensein und
Darinnensein ein großer Unterschied besteht.
Es gibt viele Seelen, die sich im Wehrgang der
Burg aufhalten – also dort, wo die Wachen
stehen – und denen nichts daran gelegen ist,
ihre inneren Anlagen zu betreten. Sie wissen
nicht, was an diesem wundervollen Ort zu
finden ist, noch wer darin weilt, ja nicht
einmal, was für Gemächer die Burg umschließt.
In manchen Andachtsbüchern habt ihr gewiß
schon den Rat vernommen, die Seele möge in
sich gehen. Damit ist genau dasselbe gemeint.
Ein großer Gelehrter sagte mir unlängst, die
Seelen ohne Gebet glichen einem gelähmten,
bewegungsunfähigen Körper, der zwar Hände und
Füße besitze, ihnen aber nicht gebieten könne.
Und wahrlich, so ist es. Es gibt Seelen, die
so krank sind, die sich so daran gewöhnt
haben, in äußeren Dingen befangen zu sein, daß
es völlig undenkbar erscheint, sie könnten
jemals in sich gehen. Denn es ist ihnen schon
so zur Gewohnheit geworden, ständig mit dem
Gewürm und Viehzeug umzugehen, das rings um
die Burg sich regt, daß sie schon fast ebenso
tierisch geworden sind, obwohl sie von Natur
aus so reich begabt und fähig sind, mit keinem
Geringeren als Gott selber zu reden. Bemühen
sich diese Seelen nicht, ihr Elend zu
begreifen und ihm abzuhelfen, so müssen sie
zur Salzsäule erstarren, weil sie den Blick
nicht zurück auf sich selber richten (wie es –
umgekehrt – dem Weibe des Lot geschah, weil es
zurückschaute).
Nach meiner Erfahrung sind das Gebet und die
Andacht das Tor, durch das man die Burg
betreten kann. Damit meine ich das mündliche
Gebet nicht minder als das Gebet im Geiste;
denn um Gebet zu sein, bedarf beides der
Ehrfurcht und Andacht. Ein Gebet, bei dem man
nicht darauf achtet, mit wem man redet und was
man erbittet, wer der Bittsteller ist und wer
der Angeflehte, das nenne ich kein das nenne
ich kein Gebet, mag man dabei auch noch so
viel die Lippen bewegen. Wird manchmal, auch
wenn man nicht mit dieser Aufmerksamkeit dabei
ist, dennoch ein Gebet daraus, so nur deshalb,
weil man bei anderen Gelegenheiten die nötige
Andacht aufgebracht hat. Doch wenn jemand
gewohnt ist, mit der Majestät Gottes so zu
reden, als spreche er mit seinem Sklaven, ohne
darauf zu schauen, ob er unrecht rede, sondern
einfach so daherschwatzt, was ihm in den Mund
kommt und was er von früher auswendig weiß, so
halte ich das für kein Gebet, und Gott
verhüte, daß irgendein Christ es dafür halte.
Ich hoffe auf Seine Majestät, Schwestern, daß
dies unter euch nicht geschehe; denn ihr seid
es ja gewohnt, euch mit innerlichen Dingen zu
befassen. Das ist ein recht gutes Mittel, um
nicht in solchen Schwachsinn zu verfallen.
Doch wir wollen nicht mit diesen lahmen Seelen
reden, die sich in argem Elend und großer
Gefahr befinden, wenn nicht der Herr selber
kommt und ihnen (wie jenem Manne, der dreißig
Jahre neben dem Teich gelegen war) gebietet,
sich zu erheben, sondern wollen zu den anderen
Seelen sprechen, die schließlich in die Burg
eingehen. Obwohl sie tief in der Welt stecken,
haben sie doch ein gutes Verlangen, und
zuweilen – wenn auch selten – empfehlen sie
sich dem Schutze unseres Herrn und denken
darüber nach, wer sie sind, sei es auch nicht
sehr gründlich. Auch beten sie jeden Monat
irgendwann einmal, von tausend Geschäften
erfüllt, mit denen ihre Gedanken fast immer
umgehen. Sie sind so daran gefesselt – denn
»wo ihr Schatz ist, dahin geht ihr Herz« –,
daß sie sich zuweilen vornehmen, sich davon
frei zu machen. Von großer Bedeutung ist es
da, wenn sie sich selbst erkennen und sehen,
daß sie nicht auf dem rechten Wege sind, der
zur Burgpforte hineinführt. Endlich treten sie
in die ersten der unteren Gemächer ein; doch
mit ihnen dringt so viel Gewürm ein, daß sie
weder die Schönheit der Burg zu sehen vermögen
noch zur Ruhe kommen können. Schwer genug ist
es ihnen gefallen, überhaupt hereinzukommen.
Diese Schilderung wird euch unangebracht
erscheinen, meine Töchter, da ihr durch Gottes
Güte nicht zu diesen Menschen gehört. Ihr müßt
Geduld haben, denn ich weiß nicht, in welcher
Weise ich euch sonst verständlich machen
könnte, wie ich gewisse innere Dinge des
Gebets verstehe. Der Herr gebe, daß es mir
gelingt, etwas zu sagen. Was ich euch gern
erklären würde, ist nämlich recht schwierig zu
verstehen, wenn man es nicht selbst erfahren
hat. Habt ihr es erlebt, so werdet ihr
erkennen, daß es unumgänglich ist, an das zu
rühren, wovon wir – so der Herr will –
verschont bleiben mögen, um seiner
Barmherzigkeit willen.
ZWEITES KAPITEL
Bevor ich fortfahre, möchte ich euch bitten,
euch auszudenken, welchen Anblick diese schöne
und strahlende Burg bieten mag, diese
orientalische Perle, dieser Baum des Lebens,
der inmitten der lebendigen Wasser des Lebens,
also in Gott, gepflanzt ist –, wenn die Seele
in eine Todsünde fällt. Es gibt keine
unheimlichere Finsternis, und es gibt nichts,
was so dunkel, so schwarz wäre, daß sie
daneben nicht noch viel finsterer erschiene.
Begehrt nicht mehr zu wissen, als daß es so
ist, als wäre die Sonne, die ihr so viel Glanz
und Schönheit verlieh, die Sonne, die doch
noch immer in der Mitte der Seele ist, nicht
mehr vorhanden; als könne die Seele nicht mehr
teilhaben an ihm, sie, die doch genauso dazu
befähigt ist, sich Seiner Majestät zu
erfreuen, wie der Kristall die Sonne in sich
aufleuchten zu lassen vermag. Da hilft ihr
nichts, und deshalb bleiben alle guten Werke,
die sie vollbringt, solange sie in Todsünde
lebt, unfruchtbar und dienen nicht dazu, daß
sie die Seligkeit erlangt. Weil diese Taten
nicht aus dem Urgrund stammen, welcher Gott
ist, der unsere Tugend zur Tugend macht,
sondern in der Trennung von ihm entstanden
sind, können sie seinen Augen nicht gefällig
sein. Wer eine Todsünde begeht, hat ja auch
nicht die Absicht, ihn zu erfreuen, sondern
dem Satan ein Vergnügen zu machen. Da dieser
die Finsternis selber ist, so ist auch die
arme Seele zur gleichen Finsternis geworden.
Ich weiß von einer Person, der unser Herr
zeigen wollte, was aus einer Seele wird, die
sich tödlich versündigt. Diese Person
behauptet, ihrer Meinung nach könne einer, der
dies wirklich begriffen hat, überhaupt nicht
mehr sündigen. Lieber würde er alle
erdenklichen Leiden auf sich nehmen, um so den
Gelegenheiten zur Sünde zu entrinnen. Der Herr
flößte dieser Seele zugleich den brennenden
Wunsch ein, alle Menschen möchten dies
begreifen. Und so möge er auch euch, Töchter,
das Verlangen eingeben, viel zu Gott zu beten
für jene, die in diesem Zustand leben und
gleich ihren Werken zu völliger Finsternis
geworden sind.
Wie die Bächlein, die einer sehr klaren Quelle
entspringen, rein und lauter sind, so ist es
auch die Seele, die in der Gnade lebt. Daß
ihre Werke den Augen Gottes und der Menschen
wohlgefällig sind, hat seine Ursache nur
darin, daß sie jener Quelle des Lebens
entspringen, in welcher die Seele wurzelt,
eingepflanzt wie ein Baum, der nicht die
Frische und Fruchtbarkeit besäße, wenn sie ihm
nicht von dorther zuflössen. Dies erhält ihn
und macht, daß er nicht verdorrt und gute
Frucht bringt. Entfernt sich eine Seele aus
eigener Schuld von dieser Quelle und senkt
sich in eine andere mit pechschwarzem Wasser
von widerlichem Geruche ein, so ist auch
alles, was aus ihr hervorgeht, nichts als
Schmutz und Unheil.
Hier ist zu bedenken, daß die Quelle, daß jene
strahlende Sonne, die sich in der Mitte der
Seele befindet, ihren Glanz und ihre Schönheit
nicht verliert. Sie bleibt beständig darin,
und nichts kann sie ihrer Schönheit berauben.
Breitet man aber über einen Kristall, der in
der Sonne hegt, ein tiefschwarzes Tuch, so
wird freilich, auch wenn die Sonne auf ihn
scheint, ihr Leuchten in dem Kristall keine
Wirkung hervorbringen.
O Seelen, die ihr losgekauft seid mit dem
Blute Jesu Christi! Erkennet euch und habt
Erbarmen mit euch selbst! Wie ist es möglich,
daß ihr dies versteht und euch nicht bemüht,
dieses Pech von dem Kristall zu entfernen? Nie
wieder werdet ihr euch an diesem Licht
erfreuen, wenn so euer Leben endet. O Jesus,
welchen Anblick bietet eine Seele, die von ihm
geschieden ist? In welch erbärmlichen Zustand
geraten die Gemächer der Burg! Wie verwirrt
irren die Sinne umher, die darin wohnen! Und
die Seelenkräfte, die zu Burgvögten,
Verwaltern und Mundschenken bestellt sind –
mit welcher Blindheit treiben sie ihr
schlimmes Regiment! Welche Frucht kann auch
ein Baum bringen, der in einen Grund gepflanzt
wurde, welcher des Teufels ist?
Ich hörte einmal einen geistlichen Mann sagen,
daß es ihn nicht vor dem schaudere, was einer,
der in Todsünde lebt, tue, sondern vor dem,
was er nicht tue. Gott bewahre uns durch sein
Erbarmen vor einem solch schrecklichen Übel.
Nichts in diesem Leben verdient es, ein Übel
geheißen zu werden, außer diesem Unheil; denn
es zieht ewige Übel nach sich, die kein Ende
haben. Das ist es, Töchter, was wir auf
unserem Wege zu fürchten haben. Wir müssen
Gott in unseren Gebeten anflehen, daß er uns
davor behüte; denn wenn er nicht die Stadt
bewacht, so ist unser Tun umsonst, da wir die
Vergeblichkeit selber sind. Jener Mann sagte
mir, er verdanke der Gnade, die Gott ihm
erwiesen habe, zweierlei. Erstens: eine
ungeheure Furcht, ihn zu beleidigen; und
deshalb flehe er, weil er ein solch
entsetzliches Unheil vor Augen habe, den Herrn
ständig darum an, ihn nicht fallen zu lassen.
Und zweitens: einen Spiegel für die Demut;
denn er sehe jetzt, daß eine Wohltat, die wir
vollbringen, ihren Ursprung nicht in uns
selber hat, sondern in der Quelle, in welche
der Baum unserer Seele gepflanzt ist; in der
Sonne, die unseren Werken ihre Wärme spendet.
Er sagt, dies sei ihm so klar geworden, daß er
stets, wenn er irgend etwas Gutes tue oder bei
einem anderen gewahre, nach der Herkunft des
Guten suche und dann erkenne, wie wir ohne
diese Hilfe nichts vermöchten. Dies bewog ihn,
Gott zu loben, so daß er meist gar nicht daran
dachte, was er selber vielleicht Gutes getan
hatte.
Die Zeit, Schwestern, die ihr mit dem Lesen
dieser Worte zubringt und die ich aufwende, um
sie zu schreiben, wäre nicht verloren, wenn
sie uns diese zwei Dinge einbrächte. Den
Weisen und Gelehrten sind sie wohl vertraut;
doch unser weibliches Ungeschick bedarf
dringend aller erdenklichen Hilfe. Darum will
der Herr vielleicht, daß uns derartige
Vergleiche zur Kenntnis gelangen. Möge es
seiner Güte gefallen, uns dazu seine Gnade zu
schenken.
Diese inneren Dinge sind so dunkel und
schwierig zu verstehen, daß jemand, der so
wenig weiß wie ich, zwangsläufig viele
überflüssige und sogar unsinnige Dinge sagt,
um das eine oder andere treffend auszudrücken.
Wer es liest, bedarf derselben Geduld, die ich
aufbringe, um etwas zu schreiben, was ich
nicht weiß; denn manchmal greife ich nach dem
Papier, als wäre ich ein Ding ohne Verstand,
und weiß nicht, was sagen und wie anfangen.
Dabei verstehe ich wohl, wie wichtig es für
euch ist, daß ich euch, so gut ich kann,
einige innere Erfahrungen erkläre. Wir hören
immer, wie gut das Gebet sei; und unsere Regel
schreibt uns vor, ihm bestimmte Stunden zu
widmen. Doch man erklärt uns nichts, was wir
uns nicht selbst erklären können. Und von dem,
was der Herr in einer Seele bewirkt – dem
Übernatürlichen, das in ihr geschieht –, wird
uns wenig gesagt. Würde dies in vielfältiger
Weise uns dargelegt und erläutert, so schenkte
man uns damit den großen Trost, dieses
himmlische Kunstwerk in unserem Inneren
betrachten zu können, das von den Sterblichen
so wenig verstanden wird, obgleich so viele
darin umhergehen. In anderen Schriften, die
ich verfaßt habe, hat der Herr zwar einiges
verständlich gemacht, doch ich erkenne, daß
ich damals verschiedenes – vor allem von den
schwierigsten Dingen – nicht so gut verstanden
habe wie später. Mühsam ist nun bloß, daß ich,
ehe wir zu diesen gelangen, wohl viele sattsam
bekannte Dinge sagen werde, da es meinem
unbeholfenen Geist nicht anders möglich ist.
Kehren wir nun also wieder zu unserer Burg mit
jenen vielen Wohnungen zurück. Ihr dürft euch
nicht vorstellen, daß diese Wohnungen wie
aufgereiht eine hinter der anderen liegen.
Richtet vielmehr eure Augen auf die Mitte, die
das Gemach und der Palast ist, wo der König
weilt, und stellt die Burg euch vor wie eine
Zwergpalme, bei der viele Hüllen das köstliche
Herzblatt umschließen. So liegen dort rings um
diesen Raum viele andere Gemächer, und ebenso
darüber. Denn die Dinge der Seele muß man sich
immer in Fülle und Weite und Größe denken.
Damit erhöht man sie keineswegs, sie, die viel
mehr vermag, als wir uns vorstellen können,
und die überall durchdrungen ist von der
Sonne, die in diesem Palaste strahlt.
Sehr wichtig für jede Seele, die sich – viel
oder wenig – dem Gebet widmet, ist es, daß man
sie nicht in einen Winkel pfercht oder
einengt. Man lasse sie durch all diese
Wohnungen wandeln, aufwärts und abwärts und
nach den Seiten hin; denn Gott hat ihr eine so
große Würde verliehen. Auch dränge man sie
nicht dazu, lange Zeit in einem einzigen
Gemach zu bleiben, nicht einmal in dem der
Selbsterkenntnis, so wichtig diese –
wohlgemerkt – selbst für diejenigen ist, die
der Herr in die gleiche Wohnung eingelassen
hat, in welcher er selber weilt; denn so hoch
die Seele auch stehen mag – nie wird etwas
anderes die Selbsterkenntnis ersetzen können,
ob man dies will oder nicht. Die Demut wirkt
nämlich wie die Biene, die im Stock den Honig
bereitet. Ohne sie geht alles verloren.
Bedenkt aber, daß die Biene es nicht versäumt,
hinauszufliegen, um den Nektar der Blüten zu
sammeln. Genauso muß es die Seele mit der
Selbsterkenntnis halten. Glaubt es mir und
fliegt zuweilen aus, um die Größe und Majestät
eures Gottes zu betrachten. Da wird die Seele
ihre Niedrigkeit eher entdecken als in sich
selber, und sie wird weniger belästigt sein
von dem Gewürm, das in die ersten Gemächer –
eben die Selbsterkenntnis – mit eindringt.
Obwohl es, wie gesagt, ein großes Erbarmen
Gottes bedeutet, wenn man sich darin übt, so
kommt es doch auf das rechte Maß an. »Nicht
zuviel und nicht zuwenig« – wie man zu sagen
pflegt. Und man glaube mir, daß wir mit der
Kraft Gottes eine sehr viel höhere Tugend
erwirken, als wenn wir zäh an unserer Erde
kleben.
Ich weiß nicht, ob ich es recht verständlich
gemacht habe; denn es ist eine so wichtige
Sache, dieses Erkennen unseres eigenen Ichs,
daß ich wünschte, ihr möchtet niemals darin
ermatten, so hoch ihr auch in den Himmeln
emporgestiegen sein möget. Solange wir uns auf
dieser Erde befinden, gibt es nichts, was für
uns wichtiger wäre als die Demut. Und darum
sage ich nochmals, daß es sehr gut und ganz
vortrefflich ist, wenn man danach strebt,
zuerst in jenes Gemach zu gelangen, wo es um
diese Tugend geht, ehe man zu den anderen
fliegt. Denn dies ist der Weg. Und wozu
sollten wir, solange wir auf sicherem und
ebenem Gelände gehen können, uns Flügel zum
Fliegen wünschen, anstatt zu sehen, wie wir
auf diesem Wege weiterkommen? Doch nach meiner
Ansicht werden wir mit unserer
Selbsterkenntnis nie zu Ende kommen, wenn wir
nicht danach trachten, Gott zu erkennen. Im
Anblick seiner Größe entdecken wir unsere
Niedrigkeit, und angesichts seiner Reinheit
sehen wir unseren Schmutz. Die Betrachtung
seiner Demut läßt uns erfahren, wie weit wir
davon entfernt sind, demütig zu sein. Das
bringt uns zweierlei Gewinn. Der erste: daß
etwas Weißes neben dem Schwarzen
offensichtlich sehr viel weißer erscheint, und
ebenso umgekehrt das Schwarze neben dem
Weißen. Der zweite: daß unser Verstand und
Wille sich veredeln und ertüchtigen zu allem
Guten, wenn wir, statt mit uns selbst, mit
Gott verkehren. Steigen wir nie aus dem
Schlamm unserer eigenen Erbärmlichkeit heraus,
so bedeutet das ein schweres Hindernis. Von
den Menschen, die in Todsünde leben, sagten
wir, wie schwarz und übel riechend die
Gewässer um sie sind. Und auch bei denen, die
immer im Elend unserer Erde stecken bleiben
(welche freilich ganz und gar nicht so sind
wie die vorigen – Gott bewahre uns davor, daß
wir dies mit dem Vergleich sagen!), wird die
Strömung nie aus dem Schlamm der Ängste
herauskommen, aus der Verzagtheit und
Feigheit, die furchtsam fragt, ob man auf mich
schaut oder nicht auf mich schaut; ob mir,
wenn ich diesem Weg folge, etwa ein Unheil
zustößt; ob ich es wagen kann, jenes Werk zu
beginnen; ob es Hochmut ist; ob es recht ist,
daß eine solch elende Person sich mit einer
solch hohen Sache wie dem Gebet befaßt; ob man
mich für etwas Besseres hält, wenn ich nicht
den allgemeinen Weg gehe. Denn Übertreibungen
sind nicht gut, auch nicht in der Tugend. Da
ich so sündhaft bin, werde ich sonst nur um so
tiefer stürzen und den Guten dadurch schaden.
So eine wie ich verdient ja nichts Besonderes.
Oh, Gott bewahre, meine Töchter! Wie viele
Seelen hat der Satan durch solche
Mattherzigkeit um reichen Gewinn gebracht! All
diese Bedenken erscheinen ihnen als Demut, und
vieles andere mehr, was ich noch nennen
könnte. Die Ursache davon ist, daß wir uns
selbst nicht ganz verstehen. Der Satan
verdreht unsere Selbsterkenntnis, und wenn wir
nie aus uns selbst herausgehen, so wundert es
mich nicht, daß solche und ähnliche Ängste in
uns auftauchen können. Darum, Töchter, sage
ich: Laßt uns die Augen auf Christum richten,
unser Heil, wo wir die wahre Demut erfassen,
und laßt uns auf seine Heiligen schauen. Dann
wird sich, wie ich gesagt habe, unser Verstand
veredeln und unsere Selbsterkenntnis davor
bewahrt werden, zur Kriecherei und Feigheit zu
entarten. Obwohl dies die erste Wohnung ist,
birgt sie doch großen Reichtum und ist von
hohem Wert. Gelingt es der Seele, hier dem
Gewürm zu entrinnen, so wird sie gewiß noch
weiter vorankommen. Aber schrecklich sind die
Tücken und Ränke, die der Satan ersinnt, damit
die Seelen sich nicht selbst erkennen und ihre
Wege nicht verstehen.
Aus eigener Erfahrung könnte ich von dieser
ersten Wohnung eine recht gute Beschreibung
geben. Deshalb sage ich, man möge sich bei
dieser Bezeichnung nicht einige wenige Zimmer
vorstellen, sondern eine Unzahl von Gemächern.
Auf vielerlei Weisen kommen Seelen hier
herein, und alle in guter Absicht. Doch da der
Satan immer seinen bösen Zweck verfolgt, gibt
es dort wohl in jedem Raum viele Legionen von
Dämonen, die dafür kämpfen, daß die Seelen
nicht zu den nächsten Räumen vordringen
können. Weil die arme Seele ahnungslos ist,
stellt er uns mit tausenderlei Gaukeleien
seine Fallen. Weniger wirksam sind seine
Finten bei denen, die dem Orte näher sind, wo
der König weilt. Doch hier, wo die Seelen noch
von der Welt durchtränkt sind, wo sie noch in
irdischen Vergnügungen befangen sind und
verwirrt werden von weltlichen Ehren und
Ansprüchen, hier haben die Vasallen der Seele
– die Sinne und Geisteskräfte, die Gott ihr
von Natur aus gegeben hat – noch nicht die
nötige Kraft. Und darum werden diese Seelen
leicht besiegt, auch wenn sie die Sehnsucht
fühlen, Gott nicht zu beleidigen, und obwohl
sie gute Werke vollbringen. Wer in dieser Lage
ist, der muß, sooft er kann, Seine Majestät um
Hilfe angehen, die gebenedeite Mutter als
Vermittlerin nehmen und seine Heiligen bitten,
daß diese für ihn streiten, weil den eigenen
Dienern noch die Kraft mangelt, sich zu
wehren. Wahrlich, immer und überall sind wir
darauf angewiesen, daß wir diese Kraft von
Gott erhalten. Seine Majestät möge sie uns
schenken aus seiner Barmherzigkeit, Amen.
Wie erbärmlich ist das Leben, in dem wir uns
regen. Da ich schon bei anderer Gelegenheit
viel davon gesprochen habe, wie sehr es uns
schadet, meine Töchter, wenn wir die Bedeutung
der Demut und der Selbsterkenntnis nicht recht
erfassen, so will ich es hier damit bewenden
lassen, obgleich diese Einsicht für uns das
Dringlichste ist. Der Herr gebe, daß ich etwas
gesagt habe, was euch von Nutzen ist.
Ihr werdet gewahren, daß in diese erste
Wohnung noch beinahe nichts von jenem Lichte
dringt, das von dem Palast ausgeht, wo der
König weilt. Sie ist zwar nicht so finster und
schwarz wie der Zustand einer Seele, die in
Sünde lebt, doch ist es auch hier irgendwie
düster, so daß derjenige, der darin ist, das
Licht nicht sehen kann. Aber nicht das Gemach
ist daran schuld – ich weiß nicht, wie ich es
verständlich machen soll –, sondern daß so
viele böse Wesen, Nattern und Ottern und
anderes giftige Getier, mit der Seele herein
gelangt sind und ihr nun das Licht verdecken.
Es ist, wie wenn jemand irgendwo hineinkommt,
wo viel Licht hereinfällt, doch seine Augen
sind mit Lehm verschmiert, so daß er sie kaum
öffnen kann. Der Raum ist hell, aber die Seele
genießt es nicht, weil dieses wilde Getier sie
daran hindert. Es zwingt sie, die Augen zu
schließen, damit sie nichts sieht außer diesen
scheußlichen Wesen. So muß es wohl meines
Erachtens einer Seele gehen, die zwar nicht
böse lebt, aber doch so tief in den Dingen der
Welt steckt, sich so voll gesogen hat mit
Besitz oder Ehre oder Geschäften, daß sie,
obwohl sie wirklich den Wunsch hat, sich zu
sehen und ihrer eigenen Schönheit sich zu
erfreuen, der Umgarnung durch so viel
Hinderliches anscheinend nicht entschlüpfen
kann. Um in die zweite Wohnung gelangen zu
können, ist es sehr wichtig, daß man sich –
soweit es der Stand erlaubt, dem man angehört
– bemüht, sich aller unnötigen Dinge und
Geschäfte zu entledigen. Dies ist so dringend
erforderlich, daß ich es für unmöglich halte,
es könne einer je bis zur Hauptwohnung kommen,
wenn er nicht damit den Anfang macht. Er wird
sogar in der Wohnung, wo er sich befindet, in
großer Gefahr schweben, obwohl er ja bereits
in die Burg hereingekommen ist; denn unter so
viel giftigem Gewürm ist es undenkbar, daß er
nicht den einen oder anderen Biß erhält.
Wie wäre es aber erst, Töchter, wenn Menschen,
die schon frei sind von solchen Hemmnissen,
wie wir es sind – wenn wir, nachdem wir schon
sehr viel tiefer, zu anderen geheimen
Wohnungen der Burg vorgedrungen sind, aus
eigener Schuld umkehren würden und wieder
hinausgingen in jenen Tumult und Wirrwarr? Es
gibt sicher viele, denen Gott Gnaden erwiesen
hat und die durch eigene Schuld sich erneut in
dieses Elend stürzen. Wir hier sind äußerlich
frei – gebe Gott, daß wir es auch innerlich
sind. Möge er uns frei machen.
Hütet euch, meine Töchter, vor fremden Sorgen.
Erkennt, daß es wenige Wohnungen in dieser
Burg gibt, wo die Dämonen den Kampf aufgeben.
Es ist wahr: in einigen sind die Wächter (das
sind die Seelenkräfte, wie ich – glaube ich –
bereits gesagt habe) stark genug zum Streit.
Doch es ist dringend nötig, daß wir stets auf
der Hut sind vor den Tücken des Satans und uns
nicht überlisten lassen, wenn er als Engel des
Lichts sich uns zeigt; denn es gibt vielerlei
Dinge, mit denen er uns schaden kann. Schritt
um Schritt schleicht er sich herein, und wir
erkennen das Unheil erst, wenn es bereits
geschehen ist.
Ich sagte schon ein andermal, daß er wie eine
lautlose Feile ist. Wir müssen ihn deshalb
gleich zu Beginn erkennen. Ich will ein
Beispiel nennen, um euch dies verständlicher
zu machen. Einer Schwester flößt er ein
heftiges Verlangen nach Buße ein, so daß sie
meint, sie finde keine Ruhe, wenn sie sich
nicht foltere und martere. Dieser Anfang ist
gut. Wenn aber die Priorin geboten hat, ohne
ihre Erlaubnis keine Bußübungen zu machen, und
der Satan in dieser Schwester nun die Meinung
weckt, einer so guten Sache zuliebe dürfe man
wohl schon etwas wagen, und wenn sie es
heimlich so treibt, daß sie ihre Gesundheit
ruiniert und gegen die Ordensregel verstößt,
dann seht ihr ja, wo dieser gute Anfang sein
Ende nimmt. Einer anderen gibt der Satan ein
großes, eifriges Begehren nach Vollkommenheit
ein. Dieser Eifer ist sehr gut, doch es könnte
so weit kommen, daß ihr jeder kleine Fehler an
ihren Schwestern als furchtbares Unheil
erscheint; daß sie darüber wacht, ob sie
solche Fehlerchen begehen, und dann zur
Priorin rennt. Es könnte sogar vorkommen, daß
sie vor lauter Eifer um die wahre Frömmigkeit
ihre eigenen Fehler übersieht. Und da die
anderen ihr nicht ins Herz blicken können,
sondern nur sehen, wie sie aufpaßt, so könnte
es sein, daß sie darüber ungehalten werden.
Was der Satan hier anstrebt, ist nicht wenig:
nämlich das Mitleid und die gegenseitige
Nächstenliebe abzukühlen. Gelänge es ihm, so
wäre das ein großer Schade. Laßt uns
verstehen, meine Töchter, daß die wahre
Vollkommenheit die Liebe zu Gott und dem
Nächsten ist und daß wir desto vollkommener
werden, je vollkommener wir diese zwei Gebote
halten. Unsere ganze Ordensregel und ihre
Satzungen dienen nur als ein Mittel, damit wir
diesen beiden Forderungen immer mehr und immer
besser entsprechen. Lassen wir darum alles
fürwitzige Eifern, das uns großen Schaden
antun kann. Ein jeder schaue auf sich selber.
Weil ich an anderer Stelle euch hierüber genug
gesagt habe, will ich nicht länger davon
reden.
Diese gegenseitige Liebe ist so wichtig, daß
ich wollte, ihr würdet sie niemals vergessen;
denn wenn wir herumgehen und auf nichtige
Kleinigkeiten blicken, die wir an anderen
auszusetzen haben und die manchmal gar keine
Mängel sind, sondern die wir vielleicht nur
wegen unseres beschränkten Wissens als
anstößig betrachten, so kann unsere Seele den
Frieden verlieren und sogar die der anderen
beunruhigen. Schaut, ob solche Vollkommenheit
uns nicht zu teuer käme! Der Satan könnte mit
derlei Versuchungen auch der Priorin zusetzen
– was noch gefährlicher wäre. Da bedarf es
vieler Klugheit. Geht es um Dinge, die gegen
die Regel und die Satzung sind, so darf man
nicht alles ungerügt lassen, sondern muß sie
darauf hinweisen, und wenn sie sich nicht
bessert, es dem Vorgesetzten melden. Dies
gebietet das Mitleid. Das gleiche gilt im
Verhältnis zu den Schwestern, wenn es sich um
eine schwerwiegende Sache handelt. Alles
geschehen zu lassen aus der Furcht, es könnte
eine Versuchung für uns sein, das wäre
ebenfalls eine Versuchung. Doch sollte man
sehr darauf bedacht sein, nicht untereinander
davon zu reden; denn daraus könnte der Satan
großen Gewinn schlagen und die Gewohnheit der
üblen Nachrede entstehen. Wie gesagt: Man
sollte sich damit nur an denjenigen wenden,
der Abhilfe schaffen kann. Hier sind wir, Gott
sei Dank, dieser Gefahr nicht so sehr
ausgesetzt, da wir beständiges Stillschweigen
üben; doch es ist gut, wenn wir auf der Hut
sind.
DIE ZWEITE WOHNUNG
ERSTES KAPITEL
Laßt uns nun davon reden, welche Seelen es
sind, die in die zweite Wohnung eintreten, und
was sie darin tun. Ich will mich dabei kurz
fassen, denn anderswo habe ich dies recht
ausführlich dargelegt. Ich werde nicht
umhinkönnen, vieles davon zu wiederholen, weil
ich mich nicht mehr genau erinnere, was ich
damals gesagt habe. Sollte ich es in wenig
veränderter Form wieder aufwärmen, so weiß ich
jedenfalls, daß ihr euch nicht darüber ärgert.
Wir werden ja auch nie der Bücher müde, die
davon handeln, obgleich es so viele gibt.
Es geht hier um diejenigen, die schon begonnen
haben, das Gebet zu üben, und die begriffen
haben, wie wichtig es für sie ist, nicht in
der ersten Wohnung zu verweilen. Sie haben
jedoch noch nicht die Entschlußkraft, daß sie
darauf verzichten könnten, sich öfters darin
aufzuhalten. Sie geben die Gelegenheiten zum
Bösen noch nicht auf. Das ist recht
gefährlich. Doch es ist eine große
Barmherzigkeit von Gott, daß sie zuweilen den
Schlangen und anderen giftigen Wesen zu
entfliehen suchen und einsehen, wie gut es
ist, sich von ihnen zu entfernen.
Diese Seelen haben in mancher Hinsicht sehr
viel mehr Leiden zu erdulden als die vorher
genannten, obwohl sie nicht in solch großer
Gefahr schweben; denn es hat den Anschein, als
kennten sie die Gefährdungen schon, und es
besteht große Hoffnung, daß sie tiefer
vordringen können. Ich sage, sie haben mehr
Leiden zu erdulden, weil die Erstgenannten
jenen Stummen gleichen, die auch nicht hören
können und darum leichter die Qual ertragen,
nicht reden zu können. Das fällt denen viel
schwerer, die wohl hören, aber nicht sprechen
können. Trotzdem wünscht man sich in dieser
Lage nicht das Schicksal der anderen, die auch
nicht hören; denn schließlich ist es etwas
Großes, das zu verstehen, was man uns sagt. So
vernehmen die Seelen, von denen wir hier
reden, die Rufe, welche der Herr an sie
richtet. Da sie tiefer eingedrungen und dem
Ort, wo Seine Majestät weilt, näher gekommen
sind, haben sie in Ihm, in seiner
Barmherzigkeit und Güte, einen sehr guten
Nachbarn, auch wenn sie noch immer an unserem
Getändel und unseren Geschäften hängen und
sich nicht frei gemacht haben von den
Vergnügungen und trügerischen Geschäften der
Welt, auch wenn sie noch immer in Sünden
fallen und sich wieder daraus erheben. Die
Tiere, die wild durcheinander wimmeln, sind so
giftig, und so gefährlich ist ihre Nähe, daß
es ein Wunder ist, wenn sie einen nicht
straucheln lassen und zu Fall bringen. Doch
dem Herrn liegt so viel daran, daß wir ihn
lieben und uns bemühen, zu ihm zu kommen, daß
er nicht aufhört, uns wieder und wieder zu
rufen, damit wir zu ihm finden. Und diese
Stimme ist so lieblich, daß die arme Seele
vergeht, wenn sie dann nicht tut, was die
Stimme ihr befiehlt. Und darum ist dies – wie
gesagt – schmerzlicher, als wenn man sie nicht
hört.
Ich sage nicht, daß diese Stimme und diese
Rufe den anderen gleichen, von denen ich
später reden werde. Die hier dringen zu uns
aus Worten, die wir von guten Menschen hören,
oder aus Gebeten, aus der Lektüre guter Bücher
sowie aus vielen anderen Dingen, von denen ihr
gehört habt, daß Gott durch sie die Menschen
ruft: seien es Krankheiten, Mühsale oder
irgendeine Wahrheit, die er uns in den
Augenblicken lehrt, wo wir im Gebet sind. Möge
dies noch so schwach sein – Gott schätzt es
hoch. Achtet auch ihr, meine Schwestern, diese
erste Gnade nicht gering, und verzagt nicht,
wenn ihr dem Herrn nicht antworten könnt.
Seine Majestät ist geduldig genug, um viele
Tage und Jahre zu warten, besonders wenn er
Beharrlichkeit und guten Willen sieht. Diese
Ausdauer ist hier das Wichtigste, denn mit ihr
werden wir nie leer ausgehen, sondern reichen
Gewinn erlangen. Doch die Schlacht, welche die
Dämonen uns hier mit tausenderlei Waffen
liefern, ist entsetzlich und schmerzlicher für
die Seele als alles zuvor; denn damals war sie
stumm und taub – zumindest hörte sie sehr
wenig – und leistete weniger Widerstand, wie
einer, der die Hoffnung auf den Sieg zum Teil
schon verloren hat. Hier dagegen ist die
Vernunft lebendiger, die Geisteskräfte sind
wendiger, und die Hiebe sausen so heftig
hernieder, die Geschütze donnern so mächtig,
daß die Seele es nicht mehr überhören kann.
Hier lassen die Dämonen alle
Schlangengestalten der weltlichen Dinge einem
vor Augen führen; alle Befriedigungen, welche
die Erde gewährt, lassen sie hier als etwas
beinahe Ewiges erscheinen : das Ansehen, das
man auf ihr genießt, die Freunde und
Verwandten, die Gesundheit – vor allem dann,
wenn man gerade Buße tut (denn immer fühlt die
Seele, die hier eintritt, am Anfang das
Verlangen, sich einer Buße zu unterwerfen).
Solche und tausend andere Anfechtungen
begegnen der Seele hier.
O Jesus, welchen Tumult erregen da die
Dämonen, und welche Qual befällt die arme
Seele, die nicht weiß, ob sie weitergehen oder
in die erste Wohnung zurückweichen soll. Die
Vernunft freilich deckt ihr die Täuschung auf
und gibt ihr den Gedanken ein, daß all dies
belanglos ist, verglichen mit dem, wonach sie
strebt. Der Glaube lehrt sie, was ihre Pflicht
ist. Das Gedächtnis macht ihr klar, wie all
diese Dinge enden, indem es ihr den Tod
solcher Menschen vor Augen führt, welche die
geschauten Dinge im Überfluß genossen hatten;
indem es ihr zeigt, wie manche jählings vor
ihren Augen hingerafft worden waren und
schleunigst von allen vergessen wurden; wie
Leute, die sie in großem Reichtum gesehen
hatte, unter den Boden kamen, wo jeder über
sie hinwegging; wie auch sie selber schon oft
über die Gräber derjenigen hinweggegangen war,
in deren Leibern nun die Würmer wimmeln.
Solche und viele andere Bilder kann die
Erinnerung ihr in den Sinn rufen. Der Wille
neigt sich in Liebe dahin, wo er so unzählige
Taten und Zeichen der Liebe gesehen hat, und
möchte sie mit etwas vergelten. Ganz klar und
deutlich zeigt sich ihr jedoch vor allem, wie
dieser wahre Liebhaber sie nie verläßt, sie
treu begleitet, ihr Leben und Wesen schenkt.
Dann eilt der Verstand herbei, um ihr zu
erklären, daß sie niemals einen besseren
Freund gewinnen könne, möge sie noch so viele
Jahre leben; daß die ganze Welt voller
Falschheit sei und die Freuden, welche der
Satan ihr darbiete, aus Mühsal, Sorgen und
Widersprüchen bestünden. Und er sagt ihr, daß
sie gewißlich außerhalb dieser Burg weder
Sicherheit noch Friede finden würde; sie solle
nicht länger in fremde Häuser laufen, denn das
ihre sei voller Güter, die sie genießen könne,
wenn sie nur wolle. Wen gibt es denn, der
alles, was er braucht, gleichsam im eigenen
Hause findet und der vor allem einen solchen
Gastgeber hat, welcher ihn zum Herrn über alle
Güter macht, unter der einen Bedingung, daß er
nicht wie der verlorene Sohn umherstreunen und
vom Fraß der Schweine essen will?
Das sind Vernunftgründe, mit denen man die
Dämonen überwinden kann. Doch – o Herr und
mein Gott! – die Gewöhnung an die eitlen Dinge
und die Erfahrung, daß alle Welt sich mit
ihnen abgibt, verderben alles. Unser Glaube
ist so tot, daß wir mehr nach dem begehren,
was wir sehen, als nach dem, was er uns
verheißt; wo wir doch in Wahrheit nichts als
schlimmes Unheil an denen sehen, die diesen
sichtbaren Dingen nachgehen. Daran sind die
giftigen Wesen schuld, mit denen wir uns
einlassen. Wird jemand von einer Viper
gebissen, so vergiftet dieser Biß den ganzen
Leib, und er schwillt an. Genauso ist es hier,
weil wir uns nicht genügend vorsehen. Zur
Heilung bedarf es natürlich vieler Kuren, und
Gott erweist uns eine große Gnade, wenn wir
nicht daran zugrunde gehen.
Wahrlich, die Seele erlebt hier viele Leiden,
vor allem wenn der Satan merkt, daß sie durch
ihre Veranlagung und ihre Sitten die Eignung
besitzt, weit voranzukommen. Da wird er die
ganze Hölle versammeln, um sie wieder aus der
Burg zu vertreiben.
Oh, mein Herr! Hier ist eure Hilfe nötig; denn
ohne sie können wir nichts tun. Laßt es nicht
zu, um eurer Barmherzigkeit willen, daß die
Seele der Täuschung erliegt und das Begonnene
aufgibt. Erleuchte sie, damit sie erkennt, daß
hierin ihr ganzes Heil liegt, und sich von den
bösen Gefährten trennt; damit ihr klar wird,
was für eine große, hochwichtige Sache es ist,
mit Menschen umzugehen, die nach demselben
Ziele streben, und wie sehr es darauf ankommt,
sich nicht nur an die zu halten, die im
gleichen Räume sind, wo sie sich selber
befindet, sondern auch an jene, von denen sie
weiß, daß sie schon weiter zur Mitte
vorgedrungen sind. Dies wird ihr eine große
Hilfe sein, und der Umgang mit ihnen kann dazu
führen, daß diese sie zu sich ziehen. Immer
sei die Seele darauf bedacht, sich nicht
übermannen zu lassen; denn wenn der Satan
sieht, daß sie fest entschlossen ist, lieber
das Leben und die Ruhe und alles, was er ihr
bieten mag, zu verlieren, als in die erste
Wohnung zurückzukehren, so wird er sehr bald
von ihr ablassen. Sie sei mannhaft und gehöre
nicht zu denen, die sich bäuchlings zum
Trinken hinwarfen, als man in die Schlacht zog
(ich weiß nicht mehr, gegen wen). Entschlossen
möge sie den Kampf wider alle Dämonen wagen,
in der Überzeugung, daß es keine besseren
Waffen gibt als die des Kreuzes. Ich habe es
zwar schon des öfteren gesagt, doch will ich
es hier, um seiner Wichtigkeit willen, noch
einmal wiederholen: Man glaube ja nicht, daß
es zu Beginn dieses Unternehmens irgendwelche
Annehmlichkeiten gebe. Dies wäre ein
schlechtes Fundament für ein solch herrliches,
großes Bauwerk. Baut man aber auf Sand, so
wird alles einstürzen. Nie wird man das
Unbehagen und die Versuchungen loswerden. Denn
hier sind noch nicht die Wohnungen, wo es
Manna regnet. Die liegen weiter innen. Dort
schmeckt alles so, wie die Seele es sich
wünscht, weil sie nichts anderes will, als was
Gott will. Es ist schon recht seltsam: Noch
stecken wir in tausend Schwierigkeiten und
Unvollkommenheiten, und die Tugenden haben
noch nicht einmal das Laufen gelernt, weil sie
ja eben erst sich angeschickt haben, das Licht
der Welt zu erblicken (Gott gebe, daß sie sich
dazu angeschickt haben!) – schämen wir uns da
nicht, vom Gebet Genuß zu erwarten und uns
über Dürre zu beklagen? Niemals komme euch so
ein Gedanke, Schwestern. Klammert euch an das
Kreuz, das euer Bräutigam auf sich nahm, und
erkennet, daß dies euer Auftrag ist. Wer mehr
zu erleiden vermag, der leide mehr für ihn,
und er wird umso mehr die Befreiung erfahren.
Das übrige betrachtet als etwas Beiläufiges,
und sollte es der Herr euch schenken, so dankt
ihm dafür von Herzen.
Ihr meint vielleicht, ihr wäret wohl bereit
und entschlossen, die äußeren Leiden auf euch
zu nehmen, wenn nur der Herr euch innerlich
beschenkt. Seine Majestät weiß besser, was gut
für uns ist. Wir haben keinen Grund, ihm
Ratschläge zu geben, was er uns schenken soll;
denn er kann mit Recht uns sagen, daß wir
nicht wissen, was wir bitten, Wer sich dem
Gebet zu widmen beginnt – vergeßt das nie,
denn es ist sehr wichtig –, der muß allein
danach streben, sich mit allem Fleiß und
Eifer, mit aller Entschlossenheit, deren er
fähig ist, sich darauf einzustellen, daß sein
eigener Wille mit dem Willen Gottes
übereinstimme. Und nehmt es als ganz gewiß,
daß hierin – wie ich euch später noch sagen
werde – alle höhere Vollkommenheit besteht,
die man auf dem geistlichen Weg erlangen kann.
Wer das am vollkommensten vermag, der wird am
meisten des Herrn teilhaftig werden und ist am
weitesten auf diesem Wege fortgeschritten.
Denket nicht, daß es hier außerdem
seltsamgeheimnisvolle Rätselreden oder
unerhörte und unbegreifliche Dinge gibt; denn
in dem Gesagten besteht unser ganzes Heil.
Wenn wir am Anfang irren und wünschen, daß der
Herr nach unserem Willen verfährt und uns
führt, so wie wir uns das vorstellen – welche
Festigkeit kann da dieses Bauwerk besitzen?
Bemühen wir uns, das zu tun, was an uns liegt,
und hüten wir uns vor diesem giftigen Gewürm;
denn oft will der Herr, daß böse Gedanken uns
verfolgen und quälen, die wir nicht
abschütteln können, so daß Dürre über uns
kommt. Zuweilen läßt er es sogar zu, daß das
böse Getier uns beißt, damit wir uns später
besser in acht zu nehmen wissen, und um zu
erproben, ob es uns sehr bedrückt, wenn wir
ihn beleidigt haben.
Darum laßt den Mut nicht sinken, wenn ihr
einmal fallen solltet, und hört nicht auf,
vorwärts zu streben; denn auch diesen Sturz
wird Gott zum Guten wenden, wie es der
Theriakverkäufer tut, der zuerst Gift trinkt,
um zu beweisen, daß die Arznei heilkräftig
ist. Würden wir nirgends sonst wo unser Elend
und den großen Schaden erkennen, den uns das
Umherstreunen einbringt, als in dieser
Schlacht, die wir durchzufechten haben, um uns
wieder zu sammeln, so wäre dies schon genug.
Kann es etwas Schlimmeres geben, als daß wir
uns in unserem eigenen Haus nicht
zurechtfinden? Wie können wir hoffen, in
anderen Häusern Ruhe zu finden, wenn wir sie
im eigenen nicht zu finden vermögen? Selbst so
große, so echte Freunde und Verwandte wie
unsere Seelenkräfte, mit denen wir immer, ob
wir es wollen oder nicht, zusammenleben
müssen, scheinen mit uns im Streit zu liegen,
als wären sie verärgert durch die Feindschaft,
mit der unsere Laster sie befehdet haben.
»Friede, Friede!« – mit diesem Wort, meine
Schwestern, ermahnte der Herr so oft seine
Jünger. Denn glaubt mir: wenn wir ihn im
eigenen Haus nicht haben und nicht dafür
sorgen, daß er darin herrscht, so werden wir
ihn auch in den fremden Häusern nicht finden.
Macht endlich Schluß mit diesem Streit! Um des
Blutes willen, das er für uns vergossen hat,
bitte ich diejenigen, die noch nicht damit
begonnen haben, in sich zu gehen; und die
anderen, die schon angefangen haben, flehe ich
an, es damit nicht bewenden zu lassen und
nicht zurückzuweichen. Sie sollen bedenken,
daß der Rückfall schlimmer ist als der Fall.
Meinen sie schon ihre Niederlage zu sehen,
dann sollten sie auf Gottes Barmherzigkeit
vertrauen, nicht auf sich selbst. Und sie
werden sehen, wie Seine Majestät sie von
Wohnung zu Wohnung führt und in das Land
bringt, wo die wilden Tiere sie weder anrühren
noch müdehetzen können. Die Seele macht sie
vielmehr alle sich untertänig und spottet
ihrer, und sie genießt mehr Güter, als sie
wünschen könnte, und zwar noch in diesem
Leben, das sage ich euch.
Schon am Anfang habe ich gesagt, daß ich
bereits anderswo für euch beschrieben habe,
wie ihr euch in diesen Verwirrungen, die hier
der Satan stiftet, verhalten sollt. Nicht
gewaltsam müßt ihr vorgehen, wenn ihr euch zu
sammeln beginnt, sondern mit Sanftheit, damit
ihr es mit größerer Beständigkeit tun könnt.
Ich will hier nichts weiter dazu sagen, als
daß es meines Erachtens sehr vorteilhaft ist,
sich mit erfahrenen Personen zu besprechen;
denn manchmal werdet ihr vielleicht meinen,
daß Dinge, die notwendigerweise getan werden
müssen, einen schrecklichen Schaden anrichten.
Der Herr wird alles zu unserem Nutzen lenken,
auch wenn wir niemanden finden, der uns
belehren könnte – es sei denn, wir geben es
auf; denn gegen dieses Unheil gibt es kein
Mittel (außer dem einen, daß man von vorne
beginnt), und die Seele erleidet von Tag zu
Tag einen immer ärgeren Verlust, und Gott
gebe, daß sie es merkt.
Es könnte nun eine von euch auf den Gedanken
kommen, wenn es etwas so Schlimmes ist, wieder
umzukehren, dann wäre es besser, niemals zu
beginnen und außerhalb der Burg zu bleiben.
Ich sagte euch schon am Anfang – und der Herr
selber sagt es –, daß der, welcher sich in
Gefahr begibt, darin umkommt und daß das Tor,
durch welches man in diese Burg eintritt, das
Gebet ist. Der Gedanke, wir würden in den
Himmel kommen, ohne in uns zu gehen, ohne uns
selber zu erkennen, unser Elend zu bedenken,
unsere Schuld vor Gott, und ohne ihn vielmals
um Erbarmen zu bitten, ist also töricht und
widersinnig. Der Herr selber sagt: »Niemand
kommt zum Vater denn durch mich« (so heißt es,
glaube ich; doch ich weiß es nicht genau). Und
ferner: »Wer mich sieht, der sieht meinen
Vater.« Wenn wir ihn also nie anschauen, wenn
wir nie den Tod betrachten, den er für uns
erlitten hat, nie bedenken, was wir ihm
schulden, so weiß ich nicht, auf welche Weise
wir ihn erkennen und in seinem Dienste Werke
vollbringen könnten. Denn bringt
der Glaube keine Werke hervor und kommt zu
diesen nicht der Wert der Verdienste Jesu
Christi, unseres Herrn, hinzu – welchen Wert
könnten sie haben und wer erweckte unsere
Liebe zu diesem Herrn? Möge es Seiner Majestät
gefallen, uns die Einsicht zu geben, wieviel
wir ihn gekostet haben, und uns erkennen zu
lassen, daß der Diener nicht mehr ist als der
Herr; daß wir Werke schaffen müssen, um uns
seiner Herrlichkeit zu erfreuen, und daß es
deshalb nötig ist zu beten, damit wir nicht
immer in Versuchung sind.
DIE DRITTE WOHNUNG
ERSTES KAPITEL
Was sollen wir denen, die durch Gottes
Erbarmen diese Kämpfe siegreich bestanden
haben und beharrlich bis in die dritte Wohnung
vorgedrungen sind, anderes sagen als: »Selig
der Mann, der den Herrn fürchtet?« Es ist
keine geringe Gunst, daß der Herr mich jetzt
verstehen läßt, was der spanische Wortlaut
dieses Verses hier besagen will; denn für
gewöhnlich fällt es mir nicht leicht, den
rechten Sinn eines solchen Textes zu
begreifen. Wahrlich, mit Recht nennen wir
diesen Mann selig. Kehrt er nämlich nicht um,
so geht er – soweit wir es verstehen – auf
sicherem Wege seiner Erlösung entgegen. Hier
werdet ihr erkennen, Schwestern, wie wichtig
es ist, daß die Seele in den vorhergehenden
Kämpfen den Sieg erringt; denn ich halte es
für gewiß, daß der Herr dann niemals säumen
wird, ihr die Sicherheit des Gewissens zu
gewähren, und das ist keine geringe Gabe. Ich
sage »Sicherheit« und habe mich damit schlecht
ausgedrückt; denn die gibt es nicht in diesem
Leben. Wenn ich davon rede, so müßt ihr
verstehen, daß ich es immer unter dem
Vorbehalt meine: falls die Seele nicht
aufhört, dem eingeschlagenen Weg zu folgen.
Ein schlimmes, schmerzliches Unheil ist es,
daß wir uns in diesem Leben stets so verhalten
müssen wie Menschen, vor deren Tor die Feinde
liegen, so daß sie weder schlafen noch essen
können, ohne Waffen bei sich zu haben, und
immer in der Angst leben, die Gegner könnten
irgendwo in die Festung einbrechen. O mein
Herr und mein Heil! Warum willst Du, daß man
ein solch erbarmungswürdiges Leben begehrt?
Denn es ist unmöglich, darauf zu verzichten
und Dich zu bitten, daß Du uns ihm entreißest,
wenn einen nicht die Hoffnung erfüllt, es für
Dich zu verlieren, es wahrhaftig in Deinem
Dienste hinzugeben, und wenn einem die
Erkenntnis mangelt, daß dies Dein Wille ist.
Wenn dies Dein Wille ist, mein Gott, dann
wollen wir mit Dir sterben, wie der heilige
Thomas sagte; denn ohne Dich zu leben, in der
Furcht, Dich vielleicht für immer zu
verlieren, das bedeutet dasselbe wie oftmals
zu sterben. Darum sage ich, Töchter, daß die
Seligkeit, um die wir bitten müssen, jenes
Glück ist, schon jetzt in Sicherheit bei den
Seligen zu sein. Solange wir diese Angst im
Herzen haben – welche Freude könnte da der
empfinden, dessen ganze Freude es ist, Gott zu
erfreuen? Und bedenkt, daß manche Heilige, die
in schwere Sünde fielen, dieselbe und eine
noch viel größere Angst erfuhren. Und wir sind
nicht sicher, daß Gott uns die Hand reichen
wird, damit wir dem Bösen entkommen und Buße
tun wie sie, durch seinen besonderen Beistand.
Wahrlich, meine Töchter, ich schreibe dies
hier mit so viel Angst, daß ich nicht weiß,
wie ich es schreibe, noch wie ich überhaupt
leben kann, wenn mir dies zu Bewußtsein kommt,
und das geschieht sehr oft. Bittet, meine
Töchter, daß Seine Majestät immer in mir lebe;
denn tut der Herr das nicht – welche
Sicherheit kann es dann für ein so übel
vergeudetes Leben wie das meine geben? Laßt
euch durch diese Erkenntnis nicht so
bedrücken, wie ich es manchmal an euch
beobachtet habe, wenn ich dies zu euch sagte.
Es schmerzt euch, weil es euer Wunsch ist, ich
wäre recht fromm gewesen. Und ihr habt recht
damit; auch ich wollte dies gern. Doch was
soll ich tun, nachdem ich es allein durch
meine eigene Schuld vertan habe! Denn ich
werde mich nicht über Gott beklagen, daß er
mir nicht so viel Hilfe geboten hat, wie ich
gebraucht hätte, damit eure Wünsche sich
erfüllten. Ich kann das nicht ohne Tränen und
ohne große Verwirrung sagen, weil ich sehe,
daß ich hier etwas für Menschen schreibe, die
mich belehren könnten. Eine harte
Gehorsamspflicht ist es mir gewesen! Der Herr
gebe – denn es geschieht um seinetwillen –,
daß es euch irgend etwas nützt. Bittet ihn,
daß er dieser elenden, anmaßenden Person
verzeihe. Doch Seine Majestät weiß wohl, daß
ich mich nur seines Erbarmens rühmen kann und
daß ich nicht aufhören kann, die zu sein, die
ich gewesen bin. Es gibt für mich keine andere
Rettung, als mich an ihn zu wenden und auf die
Verdienste seines Sohnes und dessen
jungfräulicher Mutter zu vertrauen, deren
Kleid ich unverdienterweise trage. Lobet ihn,
meine Töchter, die ihr ebenfalls dieses Kleid
traget; denn ihr seid wahrhaftig die Töchter
dieser Herrin und müßt euch, da ihr eine solch
gute Mutter habt, nicht schämen, weil ich
verderbt bin. Folget ihrem Beispiel und
bedenkt, wie erhaben die Größe dieser Herrin
sein muß und wie groß das Glück, unter ihrer
Schutzherrschaft zu stehen; denn meine Sünden
und die Art meines Wesens haben nicht
ausgereicht, diesem heiligen Orden auch nur
das Geringste von seinem Glanz zu nehmen.
Doch ich gebe euch den Rat, euch nicht
deswegen in Sicherheit zu wiegen, weil ihr zu
diesen Töchtern gehört und eine solche Mutter
habt. David war sehr heilig, und ihr wißt ja,
was Salomon gewesen. Haltet euch nichts zugut
auf die Abgeschlossenheit, in der ihr lebt,
noch auf eure Bußübungen. Auch sollt ihr euch
nicht in Sicherheit wähnen, weil ihr immer von
Gott redet, euch ständig im Gebet übt, so fern
von den weltlichen Dingen lebt und sie – wie
ihr meint – verschmäht. Das ist alles gut,
doch es genügt nicht – wie ich schon sagte –,
um uns von der Angst zu befreien; und darum
ruft euch oft diesen Vers in die Erinnerung:
»Beatus vir, qui timet Dominum.«
Ich weiß nicht mehr, was ich sagte; denn ich
bin weit abgeschweift, und wenn ich an mich
selbst denke, so zerbrechen mir die Flügel,
die ich brauchte, um etwas Gutes zu sagen.
Deshalb will ich jetzt damit aufhören und
zurückkehren zu dem, was ich euch über jene
Seelen zu sagen begonnen hatte, die in die
dritte Wohnung gelangt sind und denen der Herr
keine geringe, nein, eine sehr große Gnade
erwiesen hat, als er sie die ersten
Schwierigkeiten überwinden ließ. Ich glaube,
solche Seelen gibt es – dank der Güte Gottes –
viele auf der Welt. Ihr ernster Wunsch ist es,
Seine Majestät nicht zu beleidigen; selbst vor
den läßlichen Sünden nehmen sie sich in acht
und lieben die Buße, die Stunden der inneren
Sammlung; sie machen einen guten Gebrauch von
ihrer Zeit, üben sich in Werken der
Nächstenliebe, sind sehr zuchtvoll in ihrem
Reden, ihrer Kleidung und der Art, in der sie
ihr Haus verwalten, falls sie eines haben.
Wahrlich, ein Stand, den man sich wünschen
muß. Und es scheint keinen Grund zu geben,
warum solchen Seelen der Eintritt in die
letzte der Wohnungen verwehrt werden sollte.
Auch wird der Herr es ihnen nicht verweigern,
wenn es ihr Wunsch ist, hineinzugelangen; denn
sie sind wohl vorbereitet, die volle Gnade von
ihm zu empfangen.
O Jesus! Und wer würde sagen, daß er ein so
großes Gut nicht wollte, vor allem wenn er
schon das größte Leid erlebt hat? Nicht ein
einziger. Wir alle sagen, daß wir es wollen,
doch da noch mehr erforderlich ist, damit der
Herr die Seele ganz in Besitz nimmt, genügt es
nicht, daß wir es sagen – genauso wenig wie es
bei dem Jüngling genügte, dem der Herr sagte,
was er tun müsse, wenn er vollkommen sein
wolle. Seitdem ich von dieser dritten Wohnung
zu reden begonnen habe, ist mir dessen Gestalt
vor Augen; denn wir sind tatsächlich in genau
der gleichen Lage. Für gewöhnlich haben die
großen Dürrezeiten, die wir in unserem Gebet
erleben, hier ihre Ursache, wenngleich es
freilich noch andere Gründe dafür gibt.
Verschiedene innere Leiden, von denen viele
gute Seelen unerträglich gepeinigt werden und
an denen sie nicht die geringste Schuld haben
(aus welchen der Herr sie aber stets mit
großem Gewinn hervorgehen läßt), will ich
einmal beiseite lassen; ebenso die Qualen
solcher Menschen, die von der Melancholie und
anderen Krankheiten heimgesucht werden. Die
Gerichte Gottes müssen wir überhaupt außerhalb
unserer Erörterung lassen. Die häufigste
Ursache der Dürre ist jedoch meines Erachtens
das, was ich gesagt habe. Da diese Seelen von
sich selbst wissen, daß sie um nichts in der
Welt eine Sünde begehen würden, daß viele von
ihnen nicht einmal ein läßliches Vergehen mit
Bewußtsein sich zuschulden kommen lassen und
daß sie ihr Leben und ihren Besitz gut
anwenden, können sie es nicht mit Geduld
ertragen, daß ihnen die Tür zu dem Raum
verschlossen ist, wo unser König weilt, für
dessen Vasallen sie sich halten, und das sind
sie ja tatsächlich. Ein irdischer König mag
viele Diener haben, und doch dürfen nicht alle
in seine Kammer eintreten. Geht hinein, meine
Töchter, geht hinein in das Innere. Kommt über
eure kleinen, dürftigen Werke hinaus; denn um
Christen zu sein, müßt ihr das alles tun und
noch viel mehr. Und es sei euch genug, daß ihr
Vasallen Gottes seid. Begehrt nicht so viel,
daß ihr am Ende leer ausgeht. Schaut die
Heiligen an, die in die Kammer dieses Königs
gelangt sind, und ihr werdet den Unterschied
erkennen, der zwischen ihnen und uns besteht.
Fordert nicht, was ihr nicht verdient habt;
und es sollte uns nicht in den Sinn kommen, so
viel wir auch dienen mögen, daß wir dessen
jemals würdig sein könnten – wir, die wir Gott
beleidigt haben.
O Demut, Demut! Ich weiß nicht, welche
Versuchung ich in dieser Hinsicht fühle; denn
ich werde die Vermutung nicht los, daß es
demjenigen, der diese Dürrezeiten so
bejammert, ein wenig an dieser Eigenschaft
mangelt.
Die großen inneren Leiden, von denen ich
gesprochen habe, lasse ich – wie gesagt –
beiseite; denn sie sind keineswegs nur ein
Mangel an Andacht. Prüfen wir uns selbst,
meine Schwestern, oder es prüfe uns der Herr,
der dies kann, auch wenn wir es oft nicht
einsehen wollen. Kommen wir also zu den
Seelen, die so rechtschaffen sind, und schauen
wir, was sie Gott zuliebe tun. Da werden wir
erkennen, daß wir kein Recht haben, uns über
Seine Majestät zu beklagen. Denn wenn wir dem
Herrn den Rücken kehren und traurig fortgehen,
wie der Jüngling im Evangelium, sobald er uns
sagt, was wir tun müssen, um vollkommen zu
sein – was erwartet ihr dann vom Herrn, der
den Preis nach dem Maß der Liebe zuteilen
wird, die wir für ihn hegen? Und diese Liebe,
Töchter, darf nicht das Werk unserer
Einbildung sein, sondern sie muß durch Taten
erwiesen werden. Denkt aber nicht, daß der
Herr unserer Werke bedarf; er braucht die
Entschlossenheit unseres Willens.
Uns, die wir ein geistliches Gewand tragen,
das wir aus freien Stücken gewählt haben; die
wir alle weltlichen Dinge und unsere Habe ihm
zuliebe verlassen haben (seien es auch nur die
Netze des heiligen Petrus gewesen; denn viel
glaubt der zu geben, welcher gibt, was er hat)
– uns mag es so vorkommen, als sei alles schon
getan. Es ist eine recht gute Vorbereitung,
wenn man standhaft darauf beharrt und sich
nicht zurückwendet zu dem Gewürm in den ersten
Gemächern, auch nicht mit begehrlichen
Gedanken; denn wer sich aller irdischen Dinge
entledigt hat und in völligem Verzicht
beharrt, wird gewißlich das erreichen, wonach
er strebt. Doch nur unter der Bedingung –
merkt genau, was ich euch rate –, daß man sich
als nutzlosen Knecht betrachtet (wie es der
heilige Paulus oder Christus selber gesagt
hat) und daß man nicht glaubt, man habe damit
unseren Herrn verpflichtet, einem solche
Gnaden zu erweisen, sondern vielmehr der
Überzeugung ist, daß man als einer, der mehr
empfangen hat, ihm um so größeren Dank
schuldet.
Was können wir für einen so großmütigen Gott
denn tun, der für uns gestorben ist, der uns
erschaffen hat und uns das Wesen gibt? Müssen
wir uns nicht glücklich schätzen, wenn wir –
ohne dafür neue Gnaden und Geschenke zu
verlangen – etwas von der Schuld abtragen, die
wir ihm gegenüber haben, durch das, was er
getan hat in unserem Dienst? (Widerstrebend
habe ich dieses Wort gebraucht, doch es ist
so: sein ganzes Erdenleben ist nichts anderes
als ein Dienen gewesen.)
Achtet genau, meine Töchter, auf verschiedene
Dinge, die hier angedeutet sind, wenn auch
verworren; denn ich weiß es nicht besser zu
erklären. Der Herr wird es euch zu verstehen
geben, damit die Dürre euch den Gewinn der
Demut bringt und nicht Unruhe euch überkommt,
wie es der Satan will. Und glaubt es: wo wahre
Demut herrscht, da wird Gott, auch wenn er
niemals besondere Gaben gewährt, einen Frieden
und Einklang stiften, in dem ihr fröhlicher
leben möget als andere, denen Geschenke zuteil
werden; denn oft gibt sie die göttliche
Majestät, wie ihr gelesen habt, den
Schwächsten, von denen ich freilich glaube,
daß sie diese Gnaden nicht für die Stärke
jener, die in der Dürre leben, zum Tausch
geben würden. Wir lieben die Freuden mehr als
das Kreuz. Prüfe Du uns, Herr, der Du die
Wahrheit weißt, damit wir uns selbst erkennen.
ZWEITES KAPITEL
Ich habe manche, ja ich kann wohl sagen,
ziemlich viele Menschen gekannt, die in diesen
Stand gelangten und viele Jahre in dieser
Rechtschaffenheit und Harmonie lebten, mit
Leib und Seele, soweit dies zu erkennen war,
und die hernach, wie sie anscheinend bereits
Herr über die Welt geworden waren – oder sich
doch zumindest gründlich deren Täuschung
entzogen hatten –, durch Seine Majestät in
nicht sehr großen Dingen geprüft wurden und
deshalb in solche Unruhe stürzten, sich so
bedrückt in ihrem Herzen fühlten, daß ich
ihnen völlig hilflos und recht ängstlich
gegenüberstand. Ihnen Ratschläge zu geben, hat
keinen Wert; denn da sie schon so lange mit
der Tugend zu tun haben, meinen sie, andere
belehren zu können, und glauben, mehr als
berechtigt zu sein, sich über jene Dinge zu
härmen. Ich habe jedenfalls kein Mittel
gefunden und finde auch jetzt keines, mit dem
solche Menschen zu trösten wären, außer dem
einen, daß man ihnen zeigt, wie viel Mitgefühl
man für ihren Kummer hat. Man muß wirklich
zusehen, wie sie unter ihrem Elend leiden, und
kann ihnen doch nicht widersprechen, weil sie
sich alle einig sind in dem Gedanken, daß sie
dies für Gott erdulden. Darum kommen sie auch
nicht zu der Einsicht, daß ihre eigene
Unvollkommenheit daran schuld ist. Damit
erliegen diese Menschen, die so weit
fortgeschritten sind, einer weiteren
Täuschung. Daß sie darunter leiden, braucht
einen nicht zu verwundern, obwohl – nach
meiner Ansicht – die Traurigkeit wegen solcher
Dinge rasch vorbeigehen muß. Denn oft will
Gott, daß seine Erwählten ihre eigene
Armseligkeit fühlen, und entzieht ihnen darum
ein wenig seine Gunst; mehr braucht es für
gewöhnlich nicht, damit wir sehr rasch zur
Selbsterkenntnis finden. Und dann versteht man
diese Art von Prüfung; denn man erkennt klar
und deutlich seinen Fehler, so daß es einen
manchmal mehr bekümmert, sehen zu müssen, daß
einem – ohne daß man dagegen aufkommen könnte
– irdische und nicht sehr wichtige Dinge
genauso zu Herzen gehen wie dieses Leid. Das
halte ich für eine große Barmherzigkeit
Gottes, und obwohl ein Fehler die Ursache ist,
bedeutet es einen großen Gewinn für unsere
Demut.
Bei den Personen, von denen ich zuerst
gesprochen habe, ist dies aber nicht der Fall.
In ihrem Herzen wird die eigene Unruhe von
ihnen gebilligt, und sie hätten darum auch
gern, daß andere sie gutheißen. Ich will
einige Beispiele nennen, damit wir uns selber
erkennen und uns prüfen, bevor der Herr uns
prüft; denn es würde sehr viel für uns
bedeuten, wenn wir darauf vorbereitet wären
und uns zuvor selbst erkannt hätten.
Ein reicher Mensch, der weder Kinder noch
sonst jemanden hat, dem zuliebe er seinen
Besitz erhalten wollte, verliert etwas von
dieser Habe, aber nicht so viel, daß der Rest,
der ihm verbleibt, nicht dazu ausreichen
würde, ihm das Nötigste für seine Person und
für sein Haus zu bieten; er hat vielmehr noch
immer mehr als genug. Wäre dieser Mensch nun
so aufgeregt und ruhelos, als habe er kein
Stückchen Brot mehr zu essen – wie sollte
unser Herr da von ihm fordern, daß er um
seinetwillen alles verlasse? Der Betreffende
wendet ein, es tue ihm nur leid, weil er es
für die Armen bewahren wolle. Ich glaube, Gott
ist mehr daran gelegen, daß ich in das
einwillige, was Seine Majestät tut, und daß
ich trotz meiner eigenen Absichten meine
Seelenruhe bewahre. Gelingt einem das nicht,
weil der Herr einem noch nicht so nahe
gekommen, dann ist das verzeihlich; aber man
sollte dann auch einsehen, daß einem diese
Freiheit des Geistes noch fehlt. Dadurch macht
man sich bereit, daß der Herr sie einem gibt;
denn man wird ihn darum bitten.
Ein anderer Mann hat reichlich zu essen, ja im
Überfluß. Da bietet sich ihm die Gelegenheit,
noch mehr Besitz zu erwerben. Nimmt er, was
man ihm gibt – schön und gut; doch wenn er
sich darum abmüht und, nachdem er es bekommen
hat, mehr und immer mehr haben will, aus welch
guter Absicht auch immer (denn die hat er
sicher, da es sich ja, wie gesagt, um lauter
tugendhafte, dem Gebet ergebene Personen
handelt), so mag man dessen sicher sein, daß
er niemals zu den Wohnungen emporsteigen wird,
die dem König am nächsten sind.
Das gleiche geschieht, wenn diese Menschen
eine Geringachtung erfahren oder wenn man ihre
Ehre ein wenig schmälert. Gott erweist ihnen
zwar die Gnade, daß sie es oft mit Geduld
ertragen können (denn er hilft sehr gern der
Tugend vor der Umwelt auf, damit nicht die
Tugend selbst mit denen zu leiden habe, die
sie zu verkörpern scheinen; vielleicht auch
deshalb, weil diese Menschen ihm gedient
haben, denn der Herr, unser Heil, ist sehr
gut), aber dennoch erfüllt sie eine solche
Unruhe, die sie völlig aus der Fassung bringt
und der sie sich nicht so rasch entwinden
können. Ach Gott, sind dies nicht dieselben
Menschen, die schon seit so langer Zeit in der
Betrachtung leben, wieviel der Herr gelitten
hat, wie gut das Leiden ist, und die sich
selber sogar danach sehnen? Sie hätten gern,
daß alle ein solch maßvolles, ordentliches
Leben führen wie sie, und Gott gebe, daß sie
nicht denken, die Pein, die sie erleiden,
rühre von fremder Schuld her, und daß sie es
sich in ihren Gedanken nicht noch als
Verdienst anrechnen.
Ihr werdet nun meinen, ich wiche von meinem
Vorsatz ab und redete nicht mehr zu euch, weil
diese Dinge ja bei uns nicht zu finden sind;
weil wir weder einen Besitz haben noch ihn
begehren, noch uns darum bemühen, und weil
auch niemand uns beleidigt. Darum sind diese
Gleichnisse auch nicht wörtlich zu nehmen. Es
sind daraus viele andere Dinge, die geschehen
können, zu entnehmen; Dinge, die wir lieber
nicht näher bezeichnen wollen. Dazu besteht
auch kein Grund. Mit Hilfe dieser Gleichnisse
werdet ihr erkennen, ob auch keine Faser mehr
von dem an euch ist, was ihr verlassen habt;
denn es zeigen sich kleine Dinge – wenn auch
nicht von genau derselben Art –, die euch sehr
gut erproben und erkennen lassen, ob ihr
Herrinnen eurer Leidenschaften seid. Und
glaubt mir, daß es nicht darauf ankommt, ob
man ein geistliches Gewand trägt oder nicht,
sondern darauf, daß man danach trachtet, die
Tugenden tätig zu üben und unseren Willen dem
Willen Gottes in allem anheimzugeben; daß
nichts anderes die Ordnung unseres Lebens sei,
als was Seine Majestät verfügt, und daß wir
nicht wünschen, daß unser Wille, sondern daß
sein Wille geschehe. Sind wir aber noch nicht
so weit gelangt, dann heißt es, wie gesagt,
Demut wahren; Demut, die eine Salbe für unsere
Wunden ist; denn wenn sie in Wahrheit
vorhanden ist, so wird – mag es auch eine
Weile anstehen – der göttliche Wundarzt
kommen, um uns zu heilen.
Die Bußübungen, die diese Seelen machen, sind
so maßvoll wie ihr ganzes Leben, das ihnen
lieb und wert ist, weil sie unserem Herrn
damit dienen wollen – was alles nicht schlecht
ist. Deshalb sind sie auch mit großer Klugheit
darauf bedacht, bei diesen Übungen ihrer
Gesundheit nicht zu schaden. Fürchtet nicht,
daß sie sich dabei umbringen könnten. Ihre
Vernunft ist klar in sich gefestigt. Noch ist
die Liebe nicht da, die einen der Vernunft
entreißt. Doch ich wollte, wir hätten sie,
damit wir uns nicht begnügen, auf diese Weise
Gott zu dienen: immer langsam, Schrittchen um
Schrittchen; denn so nimmt der Weg für uns nie
ein Ende. Und da wir immer weiterzugehen
meinen und dabei müde werden – denn glaubt
mir, es ist ein anstrengender Weg –, so ist es
ein großes Glück, wenn wir unterwegs nicht
zugrunde gehen. Meint ihr, Töchter, wenn wir
den Weg von einem Land in ein anderes in acht
Tagen zurücklegen könnten, daß es dann gut
wäre, wenn wir uns dazu ein Jahr lang in
Schenken, im Schnee und Regen und auf
schlechten Straßen herumtreiben würden? Wäre
es nicht besser, es auf einmal hinter sich zu
bringen? Denn all diese Unannehmlichkeiten
erwarten uns sonst, und wir sind von Schlangen
bedroht. Oh, wie genau könnte ich euch das
beschreiben! Und Gott gebe, daß ich selbst
darüber hinaus bin; denn recht oft will mir
das Gegenteil scheinen.
Weil wir uns so bedachtsam und wohlüberlegt
bewegen und uns vor allem fürchten, darum
setzt uns alles zu, kränkt uns und tut uns
weh, und darum wagen wir nicht, vorwärts zu
schreiten, und tun so, als ob wir zu diesen
Wohnungen gelangen könnten, während andere den
Weg für uns gehen. Das ist unmöglich. Laßt uns
alle Kraft zusammennehmen, meine Schwestern,
aus Liebe zum Herrn. Übergeben wir unsere
Vernunft und unsere Ängste seinen Händen und
vergessen wir die natürliche Schwäche, die uns
viel zu schaffen machen kann. Die Sorge für
unseren Leib sollen die Vorgesetzten tragen.
Komme, was da mag – wir wollen nur unserem
Herrn entgegeneilen, um ihn zu schauen. Denn
obwohl die Bequemlichkeit, die ihr habt,
gering ist – falls sie überhaupt vorhanden ist
–, könnte euch doch die Sorge um eure
Gesundheit betrügen, und zwar um so ärger,
weil diese dadurch nicht besser wird. Das habe
ich erfahren, und überdies weiß ich, daß es
nicht auf den Körper ankommt – das ist das
wenigste –, sondern darauf, daß wir den Weg
beschreiten in großer Demut. Habt ihr das
verstanden, wird euch auch klar sein, warum
ich glaube, daß hier das Übel derer zu suchen
ist, die nicht weiterkommen. Es muß uns
vorkommen, als hätten wir erst wenige Schritte
getan. Das sollen wir glauben. Und es möge uns
scheinen, als eilten unsere Schwestern uns mit
geschwinden Schritten voraus. Auch sollen wir
es nicht nur wünschen, sondern dafür sorgen,
daß man uns als die Armseligste von allen
ansieht.
Halten wir es so, dann ist dieser Zustand
vortrefflich; andernfalls werden wir jedoch
unser ganzes Leben lang darin stecken bleiben,
unter tausend Kümmernissen und
Erbärmlichkeiten. Denn weil wir uns selbst
noch nicht aufgegeben haben, ist der Weg sehr
mühsam und beschwerlich. Hart lastet auf uns
die Erde unseres Elends, von der jene nicht
mehr bedrückt werden, die zu den höheren
Gemächern emporsteigen. Dort versäumt es der
Herr nicht, gerecht, ja barmherzig zu
belohnen; denn er gibt immer sehr viel mehr,
als wir verdient haben, und schenkt uns
Freuden, die viel größer sind als jene, die
uns die Annehmlichkeiten und Zerstreuungen des
Lebens gewähren können. Ich denke aber nicht,
daß er uns viele Wonnen zuteil werden läßt,
außer das eine oder andere Mal, um die Seelen
einzuladen. Da läßt er sie schauen, was in den
übrigen Wohnungen geschieht, auf daß sie sich
rüsten, um dort hineinzugelangen.
Ihr werdet wohl meinen, daß Freuden und Wonnen
ein und dasselbe seien, und werdet fragen,
warum ich die beiden Begriffe unterscheide.
Nach meiner Ansicht gibt es da einen sehr
großen Unterschied. Ich kann mich auch
täuschen. Was ich darunter verstehe, werde ich
bei der vierten Wohnung sagen, welche die
nächste ist. Da die Wonnen, die der Herr dort
schenkt, ein wenig erklärt werden müssen, ist
es dort mehr am Platz. Erscheint es auch
unnütz, so kann es doch von einigem Vorteil
sein, wenn ihr erkennt, was das eine und was
das andere ist, und danach euch bemühen könnt,
dem Besseren nachzugehen. Und es ist ein
großer Trost für die Seelen, daß Gott solches
tut, und zugleich eine Verwirrung für jene,
die meinen, daß sie alles haben. Sind sie
demütig, so muß es sie zum Dank bewegen.
Mangelt es ihnen daran irgendwie, so wird es
ihnen innerlich einen sinnlosen Verdruß
bereiten. Denn die Vervollkommnung besteht
nicht in den Wonnen, sondern darin, daß man
mehr liebt – dem entspricht auch der Lohn –
und daß man gerechter und wahrhaftiger
handelt.
Ihr werdet euch fragen, wozu es dann gut sei,
von diesen inneren Gnaden zu reden und sie zu
erklären, wenn dies wahr ist (und es ist
wahr). Ich weiß es nicht. Man frage den, der
mir befohlen hat, dies zu schreiben; denn es
ist nicht mein Amt, mit den Ordensvorstehern
zu disputieren, sondern zu gehorchen, und
anders wäre es auch nicht gut. Was ich euch in
Wahrheit sagen kann, ist dies: Als ich jene
inneren Gnaden noch nicht empfangen hatte,
wußte ich weder aus Erfahrung davon, noch
dachte ich überhaupt daran, es je im Leben
erfahren zu können (und mit Recht, es wäre mir
ja schon eine große Befriedigung gewesen, zu
wissen oder zu vermuten, daß ich Gott in
irgend etwas gefallen könnte). Als ich damals
in den Büchern von diesen Gnaden und
Tröstungen las, die der Herr den Seelen, die
ihm dienen, zuteil werden läßt, freute es mich
ungemein, und es war mir ein Anlaß, daß meine
Seele Gott überschwänglich lobte. Wenn meine,
die doch so verderbt war, dies tat, so werden
ihn die guten und demütigen Seelen noch viel
mehr preisen. Und schon um einer einzigen
willen, die ihn lobt, ist es meines Erachtens
sehr gut, daß man es ausspricht und daß wir
die Freuden und die Wonnen erkennen, die uns
durch unsere eigene Schuld verloren gehen; um
so mehr, als diese Erquickungen, wenn sie von
Gott kommen, Liebe und Stärke mit sich
bringen, die uns das Gehen erleichtern und uns
wachsen lassen in unseren guten Werken und
Tugenden. Denkt nicht, daß es wenig darauf
ankommt, ob wir etwas dazu tun. Wenn der
Mangel nicht an uns liegt – der Herr ist
gerecht, und Seine Majestät wird euch auf
anderen Wegen das zukommen lassen, was er euch
auf diesem nimmt, ganz nach seinem Wissen;
denn seine Geheimnisse sind unerforschlich.
Ohne Zweifel wird er uns zumindest immer das
schenken, was uns am meisten frommt.
Meines Erachtens wäre es sehr nützlich für
uns, die wir durch Gottes Güte in diesem
Stande sind (denn, wie gesagt, der Herr
erweist den Seelen damit nicht wenig Erbarmen,
daß sie nun nahe davor sind, weiter
emporsteigen zu können), wenn wir die schnelle
Bereitwilligkeit des Gehorsams recht
erlernten. Und auch für Menschen, die nicht
dem geistlichen Stande angehören, wäre es sehr
wichtig, jemanden zu haben, bei dem man sich
Weisung holen kann (wie es viele Personen
tun), um in nichts nach dem eigenen Willen zu
handeln; denn darin liegt die Ursache unseres
Schadens. Dazu sollte man nicht einen anderen
Menschen von gleicher Gemütsart suchen; also
keinen, der mit der gleichen tastenden
Zaghaftigkeit sich bewegt, sondern man sollte
sich jemanden verschaffen, der sich von nichts
Irdischem mehr blenden und täuschen läßt. Denn
der Umgang mit einem Menschen, der die Welt
schon kennt, trägt viel dazu bei, daß wir uns
selber erkennen. Und wenn wir sehen, daß
manche Dinge, die uns unmöglich erscheinen,
anderen sehr wohl möglich sind; wenn wir
gewahren, wie leicht und gelassen diese es
vollbringen, so ermuntert uns das sehr, und es
ist, als ob wir, wenn wir sie fliegen sehen,
selber zu fliegen wagten, genau wie
Vogelkinder, die das Fliegen lernen. Können
sie sich auch nicht gleich in die Weite
schwingen, so ahmen sie doch ganz allmählich
ihre Eltern nach. Das ist eine große Hilfe;
ich habe es selbst erfahren. Richtig ist es
auch, wenn solche Menschen, trotz all ihrer
Entschlossenheit, den Herrn nicht zu
beleidigen, sich nicht in Gelegenheiten
begeben, wo sie das tun könnten. Sie sind noch
nicht weit entfernt von den ersten Wohnungen,
und so könnte es leicht geschehen, daß sie
dorthin Zurückgehen, weil ihre Stärke noch
nicht auf so festem Boden gegründet ist wie
die Kraft derer, die schon im Leiden erfahren
sind, die Stürme der Welt kennen und wissen,
wie wenig diese zu fürchten und wie wenig
deren Freuden zu begehren sind. Und es wäre
möglich, daß sie durch eine harte Verfolgung
zurückgetrieben werden. Denn der Satan
versteht es wohl, dergleichen anzustiften, um
uns zu schaden, so daß wir im guten Eifer,
andere von ihren Sünden zu befreien, selber
den Dingen nicht zu widerstehen vermöchten,
die uns dabei begegnen könnten.
Schauen wir auf unsere eigenen Fehler und
lassen wir die fremden; denn es geschieht oft,
daß solche Menschen, die so ordentlich leben,
vor allem und jedem erschrecken. Dabei könnte
es vielleicht sein, daß wir von demjenigen,
über den wir bestürzt sind, im Wesentlichsten
wohl etwas zu lernen vermöchten und daß wir
ihm nur in der äußeren Haltung und im Benehmen
überlegen sind. Das ist aber nicht das
Wichtigste, obwohl es etwas Gutes ist. Es gibt
auch keinen Grund, warum wir wünschen sollten,
alle möchten unseren Weg gehen, oder weshalb
einer, der selber vielleicht keine Ahnung hat,
was für eine Sache das ist, sich nun
anschicken sollte, den Weg des Geistes zu
lehren. Aus dem von Gott uns eingegebenen
Verlangen nach dem Heil der Seelen können wir,
meine Schwestern, viele Irrtümer begehen. Es
ist darum besser, wenn wir uns an das halten,
was unsere Regel sagt: »Immer in Schweigen und
Hoffnung leben zu wollen.« Denn der Herr
selber wird für seine Seelen besorgt sein.
Wenn wir nicht nachlassen, Gott anzuflehen, so
erweisen wir ihnen damit durch seine Gunst
einen großen Dienst. Er sei gepriesen in
Ewigkeit.
DIE VIERTE WOHNUNG
ERSTES KAPITEL
Ehe ich nun von der vierten Wohnung zu reden
beginne, muß ich das tun, was ich schon früher
tat: mich dem Heiligen Geiste anvertrauen und
ihn anflehen, er möge von nun an durch mich
reden, so daß ich von den nächsten Räumen
etwas zu sagen vermag, was ihr verstehen
könnt; denn hier fangen die übernatürlichen
Dinge an, und es ist höchst schwierig, sie
begreiflich zu machen, falls nicht Seine
Majestät es tut, wie schon einmal, vor
ungefähr vierzehn Jahren, bei einem anderen
Buch, in dem niedergeschrieben wurde, was ich
bis dahin erfahren hatte. Obwohl es mir
scheint, als ob die Gnaden, die der Herr
manchen Seelen erweist, mir heute ein wenig
klarer wären, ist es doch noch etwas anderes,
dies auch ausdrücken zu können. Seine Majestät
tue es, wenn es irgendeinen Wert haben soll;
und wenn nicht, dann eben nicht.
Da diese Wohnung dem Orte näher ist, wo der
König weilt, ist ihre Schönheit groß, und es
gibt dort so feine Dinge zu sehen und zu
verstehen, daß der Verstand sich nicht
auszudenken vermag, wie man mit Worten es so
ausdrücken könnte, daß es für die, welche
keine Erfahrung haben, wenigstens nicht völlig
dunkel bleibt; denn wer es selbst erlebt hat,
wird es recht gut verstehen, vor allem wenn er
über eine große Erfahrung verfügt. Es mag nun
so scheinen, als müsse man, um in diese
Wohnung zu gelangen, vorher lange Zeit in
anderen gelebt haben. Obwohl es das übliche
ist, daß man zunächst in den Räumen gewesen
sein muß, von denen wir eben gesprochen haben,
so ist dies doch keine starre Regel, wie ihr
wohl schon des öfteren gehört habt; denn der
Herr gibt seine Güter, wann er will und wie er
will und wem er will. Das bedeutet für
niemanden eine Kränkung.
Nur selten dringen in diese Wohnung die
giftigen Wesen ein, und wenn sie
hereingelangen, so richten sie doch keinen
Schaden an, sondern bringen eher Gewinn. Und
ich halte es für viel besser, wenn sie
hereinkommen, um uns zu befehden, solange wir
auf dieser Stufe des Gebets sind; denn wenn es
keine Anfechtung gäbe, so könnte uns der Satan
trotz den von Gott geschenkten Wonnen betrügen
und uns sehr viel mehr Schaden zufügen. Die
Seele hätte nicht soviel Gewinn, weil dann
zumindest all das ihr vorenthalten bliebe, was
ihr Gelegenheit bieten sollte, sich Verdienste
zu erwerben. Sie würde so in einer ständigen
Versenkung belassen, die ich, wenn sie in
einem fortdauert, für nicht ganz geheuer
halte; denn es scheint mir unmöglich, daß der
Geist des Herrn anhaltend hier bei uns in der
Verbannung weilt.
Doch ich möchte nun über das reden, von dem
ich euch sagte, daß ich es hier erklären
würde: nämlich den Unterschied, der zwischen
den Freuden im Gebet und den Wonnen besteht.
Freuden oder Befriedigungen kann man nach
meiner Meinung jene glücklichen Empfindungen
nennen, die wir durch unsere Meditation und
durch die Bitten, die wir an unseren Herrn
richten, erlangen. Sie entstammen also unserer
Natur, wenn auch letztlich Gott dazu beiträgt
(denn man sollte bei allem, was ich sage, im
Auge behalten, daß wir ohne ihn nichts
vermögen). Doch sie sind die Frucht, die
unmittelbar aus dem tugendhaften Werk
erwächst, das wir vollbringen; und es scheint,
daß wir sie durch unsere Mühe selber erworben
haben. Mit Recht empfinden wir ja ein
freudiges Gefühl der Befriedigung, weil wir
uns solchen Dingen gewidmet haben. Doch wenn
wir es uns überlegen – dieselbe Freude und
Befriedigung werden wir auch über allerlei
andere Dinge empfinden, die uns auf Erden
begegnen: etwa über ein großes Vermögen, das
jemand sich über Nacht beschafft; beim
überraschenden Anblick eines Menschen, den wir
sehr lieben; beim erfolgreichen Abschluß eines
wichtigen Geschäftes, eines bedeutsamen
Werkes, das allgemeine Anerkennung findet;
oder wenn man unverhofft den totgesagten
Ehemann, Bruder oder Sohn gesund und munter
daherkommen sieht. Ich habe gesehen, wie
Menschen vor lauter Freude Tränen vergossen;
und auch mir selbst ist es gelegentlich so
gegangen. Und ich meine, daß die
Befriedigungen, welche uns durch die
göttlichen Dinge zuteil werden, ebenso
natürlich sind wie jene, nur sind sie von
edlerer Abkunft (was keineswegs heißt, daß die
anderen schlecht wären). Kurz und gut: die
Befriedigungen oder Freuden im Gebet beginnen
in unserer eigenen Natur und enden in Gott;
die Wonnen dagegen beginnen in Gott, und die
Natur empfindet sie und genießt sie genauso
sehr wie die Freuden, ja noch viel mehr. O
Jesus, wie sehr wünschte ich, dies erklären zu
können; denn ich glaube hier einen deutlichen
Unterschied zu erkennen, aber mein Wissen
reicht nicht aus, ihn verständlich zu machen.
Möge der Herr es tun.
Jetzt erinnere ich mich eines Verses, den wir
in der Prim zum Schluß des letzten Psalmes
sagen. Dieser endet mit den Worten: »Cum
dilatasti cor meum.« Wer viel Erfahrung
besitzt, dem genügt dies, um den Unterschied
zu sehen, der zwischen den beiden
Empfindungsarten besteht. Wer keine Erfahrung
hat, der benötigt dazu einiges mehr. Die
Freuden, von denen wir gesprochen haben,
erweitern nicht das Herz; meistens scheinen
sie es eher ein wenig zusammenzupressen, trotz
aller Befriedigung, die man über das
empfindet, was man Gott zuliebe getan hat. Es
kommen einem dabei einige Tränen der
Betrübnis, die anscheinend irgendwie von der
Leidenschaft ausgelöst werden. Ich weiß wenig
von diesen Leidenschaften der Seele (sonst
würde ich es vielleicht verstehen) und von
dem, was aus der Sinnlichkeit und aus unserer
Natur kommt; denn ich bin sehr unwissend. Ich
könnte mich verständlich machen, wenn ich mein
eigenes Erleben begriffe. Wissen und
Kenntnisse sind wichtig in jeder Hinsicht. Was
ich aus eigener Erfahrung von diesem Zustand,
das heißt: von den Geschenken und
Befriedigungen in der Meditation weiß, ist nur
das eine, daß ich, wenn ich bei der
Betrachtung der Passion zu weinen begann,
nicht aufhören konnte, bis mir der Kopf
zersprang; weinte ich wegen meiner Sünden, so
war es dasselbe. So reiche Gnaden hat mir
unser Herr erwiesen, daß ich jetzt nicht
untersuchen möchte, welche davon nun die beste
sei, die eine oder die andere; ich wollte nur
gern den Unterschied, der zwischen beiden
besteht, zum Ausdruck bringen. Die Tränen und
das Sehnen werden hierbei manchmal von der
Natur unterstützt, je nach der Stimmung, in
der wir uns befinden. Aber schließlich finden
sie, wie gesagt, trotzdem ihr Ziel in Gott.
Und man muß es als etwas Hohes schätzen, falls
auch die Demut vorhanden ist, die einsieht,
daß man deshalb nicht besser ist; denn es ist
nicht zu erkennen, ob alles Wirkungen der
Liebe sind, und wenn ja, ob sie von Gott
eingegeben ist. Meist sind es die Seelen in
der vorigen Wohnung, die eine solche Art der
Andacht haben; denn sie sind fast ständig mit
der Bemühung um Verständnis beschäftigt, sie
überlegen, meditieren; und sie tun recht
daran, weil ihnen nicht mehr gegeben ist.
Freilich wäre es gut für sie, wenn sie sich
auch eine Weile damit befassen würden, Taten
zu vollbringen, Gott zu loben und sich seiner
Güte zu freuen; wenn sie froh darüber wären,
daß er ist, wer er ist, und seine Ehre und
seinen Ruhm wünschten. Nach bestem Können
sollte man dies tun, denn es ermuntert den
Willen sehr. Und man hüte sich ja davor, wenn
der Herr einem dieses andere aufgibt, es zu
versäumen, um nur ungestört die gewohnte
Meditation beenden zu können.
Weil ich hierüber anderswo des langen und
breiten gesprochen habe, will ich dazu nichts
weiter sagen. Ich möchte auch nur darauf
hinweisen, daß es, wenn man auf diesem Wege
gut vorankommen und zu den ersehnten Wohnungen
emporsteigen will, nicht darauf ankommt, viel
zu denken, sondern viel zu lieben. Darum tut
das, was am meisten Liebe in euch erweckt.
Vielleicht wissen wir aber gar nicht, was
Lieben ist. Das würde mich nicht sehr wundern;
denn es besteht nicht in dem größeren Genuß,
sondern in der größeren Entschlossenheit, Gott
in allem erfreuen zu wollen, sich mit allen
Kräften darum zu bemühen, daß wir ihn nicht
beleidigen, und ihn zu bitten, daß die Ehre
und der Ruhm seines Sohnes sowie das Wachstum
der katholischen Kirche stets Vorrang vor
allem anderen habe. Das sind die Zeichen der
Liebe. Aber glaubt nicht, ihr dürftet nun an
überhaupt nichts anderes mehr denken, und es
sei alles verloren, wenn ihr euch ein wenig
zerstreut.
Ich habe mich manchmal sehr verängstigt in
diesem Tumult des Denkens umherbewegt, und es
ist wohl kaum mehr als vier Jahre her, daß ich
durch Erfahrung zu der Erkenntnis kam, daß das
Denken oder die Einbildungskraft – um es
verständlicher zu sagen – nicht der Verstand
ist. Ich fragte einen Gelehrten, und der
bestätigte es mir, was mich nicht wenig
befriedigte. Denn da der Verstand eine der
Seelenkräfte ist, kam es mich hart an, daß er
zuweilen so unbeholfen, so wenig flügge war,
während das Denken für gewöhnlich so schnell
umherfliegt, daß nur Gott es aufzuhalten
vermag, wenn er uns so fesselt, daß wir
irgendwie von diesem Leibe losgelöst zu sein
scheinen. Es kam mir vor, als sähe ich die
Kräfte der Seele Gott hingegeben und bei ihm
versammelt, während gleichzeitig das aufgeregt
umherflatternde Denken mich völlig wirr
machte.
O Herr, halte uns zugute, was wir aus
Unwissenheit auf diesem Wege alles
durchmachen! Das schlimme daran ist, daß wir,
weil wir meinen, wir müßten nur an Dich denken
und brauchten nichts zu wissen, nicht einmal
die zu fragen verstehen, die das Wissen haben;
und daß wir überhaupt nicht begreifen, daß man
fragen muß. So erleben wir schreckliche
Leiden, weil wir uns selbst nicht verstehen,
und halten das, was nicht schlecht, sondern
gut ist, für eine große Schuld. Daher stammen
die Kümmernisse, unter denen viele Menschen
leiden, die sich dem Gebet widmen. Hier ist
der Grund jener Klagen über innere Beschwerden
(zumindest eines großen Teils von ihnen), die
man von Leuten ohne erlerntes Wissen hört. Und
daher kommen die Schwermutsanwandlungen, der
Schwund der Gesundheit. Dies kann manchmal so
weit führen, daß man alles aufgibt, nur weil
man nicht bedenkt, daß es im Innern eine
eigene Welt gibt. Genausowenig wie wir die
Bewegung des Himmels aufzuhalten vermögen, der
schnell mit seiner ganzen Geschwindigkeit
dahinzieht, können wir unser Denken aufhalten.
Wir bringen es mit den Kräften der Seele
durcheinander und meinen, wir seien verloren
und die Zeit vergeudet, die wir vor Gott
zubringen. Dabei ist die Seele vielleicht ganz
bei ihm versammelt, in der Wohnung, welche
dicht in seiner Nähe ist, während das Denken
sich im Vorgelände der Burg umhertreibt unter
tausend wilden, giftigen Tieren leidet und
durch dieses Leiden sich Verdienste erwirbt.
Deshalb sollten wir uns dadurch nicht aus der
Fassung bringen lassen und sollten unser
Vorhaben nicht aufgeben, denn das bezweckt der
Satan damit. Meist kommen alle Unruhen und
Schwierigkeiten daher, daß wir uns selbst
nicht erkennen.
Während ich dies schreibe, denke ich über das
nach, was in meinem Kopf vor sich geht: jenes
Dröhnen, von dem ich eingangs gesprochen habe
und das es mir beinahe unmöglich gemacht hat,
meinem Auftrag mit dieser Niederschrift
nachzukommen. Es klingt genauso, als wären
darin viele wasserreiche Flüsse und als
stürzten diese Wasser alle in die Tiefe. Es
ist wie das Durcheinanderzwitschern vieler
kleiner Vögel, und zwar nicht in den Ohren,
sondern im oberen Teil des Kopfes, wo – wie es
heißt – der höhere Teil der Seele ist. Ich
habe darüber recht lange nachgedacht, weil es
mir schien, daß die große Bewegung des Geistes
schnell nach oben drang. Gott gebe, daß ich
mich daran erinnere, die Ursache hierfür zu
nennen, wenn wir von den nächsten Wohnungen
sprechen; denn hier fügt es sich nicht gut. Es
wäre nicht verwunderlich, wenn der Herr mir
dieses Kopfleiden gegeben hätte, damit ich
dies besser verstehe; denn trotz des Getöses,
das damit verbunden ist, hindert es mich weder
beim Gebet noch bei der jetzigen Darlegung;
die Seele ist vielmehr sehr gesammelt in ihrer
Ruhe, ihrer Liebe, ihrem Wollen und voll
klarer Erkenntnis.
Wenn also im oberen Teil des Kopfes der höhere
Teil der Seele ist – wie kann es da sein, daß
jenes Rauschen sie nicht stört? Das weiß ich
nicht; aber ich weiß, daß es wahr ist, was ich
sage. Es tut weh, wenn ich nicht im Gebet der
Entrückung bin; denn solange dieses anhält,
fühlt man kein Übel. Doch es wäre sehr
schlimm, wenn ich wegen dieser
Beschwerlichkeit alles aufgeben würde. Auch
wäre es nicht gut, wenn wir uns durch die
Gedanken verwirren ließen. Wir sollten uns
nichts daraus machen; denn wenn der Satan sie
uns eingibt, so wird er schon einmal damit
aufhören; wenn sie aber – wie es in
Wirklichkeit der Fall ist – von dem Elend
herkommen, das uns von Adams Sünde her
anhaftet, wie so vieles andere, dann laßt uns
Geduld haben und es erleiden aus Liebe zu
Gott.
Wir sind ja auch dem Zwang unterworfen, essen
und trinken zu müssen, ohne uns ihm entziehen
zu können, und das ist eine schlimme Plage.
Erkennen wir also unser Elend und sehnen wir
uns dorthin, wo niemand uns verächtlich macht.
Manchmal kommt mir das Wort in den Sinn, das
ich einmal gehört habe – ein Wort, das die
Braut im Hohenliede sagt. Und wirklich, ich
finde im ganzen Leben nichts, worauf es sich
mit mehr Recht anwenden ließe; denn alle
Erniedrigungen und Leiden, die einem im Leben
widerfahren mögen, scheinen mir nicht an die
Qual dieser inneren Kämpfe heranzureichen.
Jede Unruhe und jeden Streit kann man – wie
gesagt – erdulden, wenn wir dort, wo wir
wohnen, Ruhe finden. Doch wenn wir ausruhen
wollen von den tausend Drangsalen, die es in
der Welt gibt, wenn der Herr uns die Rast
bereiten will und etwas, das in uns selber
ist, uns diese verwehrt, so muß das für uns
sehr schmerzlich und beinahe unerträglich
sein. Darum, Herr, führe Du uns dahin, wo
diese Erbärmlichkeiten, die manchmal der Seele
zu spotten scheinen, uns nicht mehr verhöhnen
können. Schon in diesem Leben befreit uns der
Herr davon, sobald wir in die letzte Wohnung
gelangt sind. Davon werde ich noch reden, wenn
es Gott gefällt.
Nicht alle werden von diesen Nöten so sehr
heimgesucht und so gepeinigt, wie es mir
während vieler Jahre geschah, weil ich so
verderbt war, daß es schien, als wollte ich
mich an mir selber rächen. Doch weil es für
mich so peinigend war, denke ich, daß es
vielleicht auch euch so gehen könnte. Und
darum sage ich euch nur immer und immer
wieder, um es euch vielleicht doch einmal
verständlich zu machen, daß dies etwas
Unumgängliches ist, was euch nicht beunruhigen
und bekümmern sollte. Lassen wir also diese
Klappermühle ruhig weiterrattern, und mahlen
wir unbeirrt unser Mehl, indem wir die
Tätigkeit unseres Willens und unseres
Verstandes nicht aufgeben.
Je nach dem Gesundheitszustand und der
Witterung macht sich dieses Hindernis mehr
oder weniger bemerkbar. Die arme Seele erdulde
es, auch wenn sie daran unschuldig sein mag.
Wir machen uns in anderen Dingen schuldig, und
deshalb ist es recht und billig, daß wir uns
in Geduld fassen. Und weil das, was wir an
Ratschlägen aus Büchern entnehmen – nämlich
daß wir uns nicht um diese Gedanken kümmern
sollen –, für uns, die wir wenig wissen, nicht
genügt, so scheint mir die Zeit, die ich daran
rücke, um es euch etwas näher zu erklären und
euch deswegen zu trösten, nicht vergeudet zu
sein. Doch solange der Herr uns nicht
erleuchten will, nützt es wenig. Aber es ist
nötig, und der Herr wünscht es, daß wir etwas
unternehmen, um uns selber zu erkennen, damit
wir nicht der Seele die Schuld an Dingen
zuschreiben, die das Werk unserer schwachen
Einbildungskraft, unserer Natur und des Satans
sind.
ZWEITES KAPITEL
Mein Gott, auf was habe ich mich da
eingelassen! Ich habe bereits vergessen, wovon
ich sprach; denn die Geschäfte und mein
Gesundheitszustand zwingen mich, damit
aufzuhören, wenn ich gerade im besten Zuge
bin. Und weil ich ein schwaches Gedächtnis
habe, wird alles verworren herauskommen. Da
ich es nicht noch einmal durchlesen kann, ist
vielleicht sogar das Ganze ein wildes
Durcheinander. Aber es ist darin zumindest das
ausgedrückt, was ich empfinde.
Ich glaube, ich sprach von den geistlichen
Tröstungen. Da sie zuweilen eingehüllt in
unsere Leidenschaften erscheinen, sind sie
manchmal von heftigem Schluchzen begleitet; ja
ich habe sogar von einigen Personen gehört,
daß sich ihnen dabei die Brust zusammenpreßt
und daß es selbst zu unwillkürlichen äußeren
Bewegungen kommen kann, die so heftig sind,
daß ihnen das Blut aus der Nase rinnt und
ähnliche unangenehme Dinge sich einstellen.
Davon kann ich nichts berichten, da ich es
nicht erlebt habe. Doch es muß uns letztlich
ein Trost sein; denn – wie gesagt – es endet
alles in dem Wunsch, Gott zu gefallen und sich
Seiner Majestät zu erfreuen.
Was ich die Wonnen Gottes nenne (anderswo habe
ich es Gebet der Ruhe geheißen), ist von ganz
anderer Art. Ihr, die es durch Gottes Erbarmen
erfahren habt, werdet es verstehen. Stellen
wir uns, um es besser zu erfassen, zwei
Brunnenbecken vor, die sich mit Wasser füllen.
Ich finde nämlich nichts, was zur Erklärung
mancher geistigen Dinge geeigneter wäre als
eben das Wasser, und zwar deshalb, weil ich
wenig weiß und der Verstand mir nicht
weiterhilft, und auch weil ich dieses Element
so liebe, daß ich es mit mehr Aufmerksamkeit
betrachtet habe als andere Dinge; denn in
allen, die ein so großer, so weiser Gott
erschaffen hat, dürfte es wohl viele
Geheimnisse geben, aus denen wir Nutzen ziehen
können. Und das tun auch die Menschen, die es
verstehen; obgleich ich glaube, daß es in
jedem winzigen Ding, das Gott erschaffen hat –
und sei es eine winzige Ameise –, mehr gibt,
als wir begreifen können.
Diese zwei Brunnenbecken nun füllen sich auf
verschiedene Weise. Bei dem einen kommt das
Wasser von weither durch viele Röhren, mittels
kunstvoller Vorrichtungen; das andere aber ist
unmittelbar dort erbaut, wo das Wasser
entspringt, und es füllt sich völlig lautlos.
Ist die Quelle reichhaltig, wie die, von der
wir reden, so fließt, wenn das Becken gefüllt
ist, ein starker Bach daraus hervor. Man
braucht da keine Kunst, und der Zufluß
versiegt nicht, sondern immer quillt Wasser
daraus hervor. Das durch Röhren
herbeigeleitete Wasser gleicht meines
Erachtens den Befriedigungen, von denen ich
gesagt habe, daß wir sie durch die Meditation
erlangen; denn wir leiten sie mittels der
Gedanken herbei, indem wir uns in der
Beschauung der erschaffenen Dinge bedienen und
dabei den Verstand ermüden. Und wenn es
endlich dank unseren Anstrengungen kommt, so
stürzt es in tosendem Schwall herein, falls es
– wie gesagt – die Seele so füllen soll, daß
es ihr Nutzen bringt.
Dem anderen Brunnen strömt das Wasser
unmittelbar vom Quellort zu – nämlich von Gott
–, und sowie Seine Majestät nach eigenem
Gefallen eine übernatürliche Gnade erweisen
will, quillt es friedvoll und mit größter Ruhe
und Sanftheit aus dem tiefsten Inneren unseres
eigenen Wesens empor – ich weiß weder wo noch
wie. Auch fühlt man jene Freude und Wonne
nicht wie die irdischen Glücksgefühle im
Herzen (ich meine, nicht gleich zu Beginn;
denn später erfüllen sie alles). Dieses Wasser
läuft über und durchströmt alle Wohnungen und
Seelenkräfte, bis es zum Körper gelangt. Darum
sagte ich, daß es in Gott beginnt und in uns
endet; denn wirklich, der ganze äußere Mensch
genießt dieses Wohlgefühl und diese Sanftheit,
wie derjenige wissen wird, der es erfahren
hat.
Als ich eben dieses schrieb, habe ich daran
gedacht, daß es in dem Vers, den ich vorher
anführte, heißt: »Dilatasti cor meum«, was
besagen will, daß das Herz sich weitete. Doch,
wie gesagt, ich habe den Eindruck, daß es
etwas ist, das nicht im Herzen entspringt,
sondern anderswo, noch weiter innen, wie aus
einer Tiefe. Ich nehme an, daß es im Zentrum
der Seele sein muß (wie ich später erkannt
habe und wovon ich am Schluß noch reden
werde). Denn wahrlich, ich sehe Geheimnisse in
uns selbst, die mich oft erschreckt haben. Und
wieviel mehr wird es geben! Oh, mein Herr und
mein Gott, wie groß ist Deine Herrlichkeit!
Und wir laufen hier herum wie dumme
Hirtenstoffel. Wir meinen, wir erfassen etwas
von Dir, und dabei ist es gewiß so viel wie
nichts; denn in uns selber sind große
Geheimnisse, die wir nicht verstehen. Ich
sage: »So viel wie nichts«, im Vergleich zu
der unendlichen Vielfalt, die in Dir ist;
nicht weil ich glaubte, die Herrlichkeit, wie
sie noch in Deinen Werken für uns sichtbar
ist, sei nicht sehr groß und erhaben.
Doch zurück zu dem Vers. Was mir darin für
unseren Fall eine Hilfe zu bieten scheint, ist
der Ausdruck jener Erweiterung. Es scheint
also, daß das himmlische Wasser jener Quelle,
von der ich sprach, wenn es der Tiefe unseres
Wesens entquillt, sich ausbreitet, unser
ganzes Inneres ausweitet und vielerlei Güter
hervorbringt, die sich nicht nennen lassen.
Nicht einmal die Seele kann verstehen, was es
ist, das ihr da geschenkt wird. Sie gewahrt
einen Duft – so wollen wir einmal sagen –, als
befinde sich in jenem inneren Abgrund ein
Glutbecken, auf das man wohlriechende
Räucherstoffe streute. Man sieht nicht die
Glut, und man weiß auch nicht, wo sie ist;
doch die Wärme und der duftende Rauch
durchziehen die ganze Seele, und oftmals ist –
wie ich schon gesagt habe – auch der Körper
davon nicht ausgeschlossen. Versteht mich
recht: man fühlt dabei keine Wärme und riecht
auch keinen Duft; denn es ist etwas
Köstlicheres als diese Dinge. Ich wollte es
euch damit nur verständlich machen. Wer es
noch nicht erlebt hat, der soll wissen, daß es
sich wirklich und wahrhaftig so ereignet. Man
versteht es klarer, die Seele erfaßt es
deutlicher, als ich es jetzt ausgesprochen
habe. Denn es gehört nicht mehr zu dem, was
man sich einbilden kann. Wir mögen uns noch so
sehr anstrengen, so können wir es doch nicht
erlangen. Und an eben dieser Tatsache ist zu
sehen, daß es nicht von unserem Metalle ist,
sondern aus jenem allerreinsten Gold der
göttlichen Weisheit. Hier sind die Kräfte der
Seele – wie mir scheint – nicht vereint.
Hingerissen und gleichsam erschrocken schauen
sie, was das ist.
Es könnte sein, daß ich bei der Darstellung
dieser innerlichen Dinge etwas in Widerspruch
mit dem gerate, was ich anderswo gesagt habe.
Das wäre kein Wunder; denn in beinahe fünfzehn
Jahren, die vergangen sind, seitdem ich
darüber schrieb, hat der Herr mich vielleicht
diese Dinge etwas klarer sehen lassen, als ich
sie damals zu erkennen vermochte. Und heute
wie damals kann ich in allem irren, aber nicht
lügen; denn ich würde – durch Gottes
Barmherzigkeit – lieber tausendmal sterben.
Ich sage es, wie ich es verstehe.
Der Wille – so scheint mir – muß wohl in
gewisser Weise mit Gottes Willen vereint sein.
Doch an den Wirkungen und Werken, welche die
Folge davon sind, erkennt man diese Wahrheiten
des Gebets. Es gibt keinen besseren Prüfstein.
Sehr groß ist die Gnade unseres Herrn, wenn
derjenige, welcher sie empfängt, sie auch
erkennt, und ein Zeichen großer Gunst ist es,
wenn die Seele nicht wieder zurückgeht. Ihr,
meine Töchter, werdet nun danach streben,
diese Art des Gebets zu erlangen. Und ihr tut
recht daran; denn – wie gesagt – die Seele
kann nie die Gnaden ganz ermessen, die der
Herr ihr da erweist, und vermag nicht die
Liebe zu begreifen, mit der er sie zu sich
zieht. Wahrlich, es muß unser Wunsch sein, zu
erfahren, wie wir diese Gnade erlangen. Ich
werde euch sagen, was ich davon begriffen
habe.
Reden wir nicht von dem Fall, wo es dem Herrn
gefällt, sie zu erteilen, weil es ihm gefällt
und aus keinem anderen Grund. Er weiß,
weshalb. Wir haben uns nicht dareinzumischen.
Nachdem wir getan haben, was die Seelen in der
vorigen Wohnung tun, heißt die Losung: Demut,
Demut. Durch sie läßt sich der Herr alles
abringen, was wir von ihm wollen. Wenn ihr
diese Tugend habt, so erkennt ihr dies zuerst
daran, daß ihr nicht denkt, ihr hättet diese
Gnaden und Wonnen des Herrn verdient, und auch
nicht meint, ihr könntet sie je in eurem Leben
verdienen. Ihr werdet mich fragen: »Ja, wie
soll man sie dann erlangen, wenn man sie nicht
erstrebt?« Darauf antworte ich, daß es kein
besseres Verhalten gibt als das, welches ich
euch nannte: nämlich nicht danach zu trachten.
Und zwar aus folgenden Gründen: 1. Weil das
erste, was dazu nötig ist, darin besteht, Gott
ohne Eigennutz zu heben. 2. Weil es nicht
gerade ein Zeichen von Demut ist, zu denken,
wir könnten durch unsere erbärmlichen Dienste
etwas so Großes erwerben. 3. Weil die richtige
Vorbereitung dafür die Sehnsucht nach dem
Leiden ist, also das Verlangen, dem Beispiel
des Herrn zu folgen, und nicht der Wunsch, daß
wir, die wir ihn doch beleidigt haben, Wonnen
erfahren mögen. 4. Weil Seine Majestät sich
zwar verpflichtet hat, uns die ewige Seligkeit
zu schenken, falls wir seine Gebote halten,
aber nicht dazu verpflichtet ist, uns solche
Wonnen zu gewähren. Denn wir brauchen sie
nicht zu unserer Erlösung; und er weiß besser,
was für uns gut ist und wer ihn wirklich hebt.
Das ist gewißlich so, das weiß ich. Und ich
kenne Menschen, die den Weg der Liebe gehen,
wie sie sollen, allein um ihrem gekreuzigten
Christus zu dienen, und die nicht nur keine
Wonnen erbitten oder sie ersehnen, sondern ihn
wirklich und wahrhaftig anflehen, sie ihnen in
diesem Leben nicht zu geben. 5. Weil wir uns
vergeblich abmühen, da man dieses Wasser nicht
durch Röhren herbeileiten kann, wie das
vorige, und es darum wenig nützt, daß wir uns
müderackern, wenn die Quelle es nicht von
selber gibt. Damit will ich sagen: Wir mögen
uns noch so sehr der Meditation hingeben, bis
zur Erschöpfung darum ringen und noch so viele
Tränen vergießen, so fließt dieses Wasser doch
nicht hervor. Es wird nur dem geschenkt, dem
Gott es geben will, und oft gerade dann, wenn
die Seele am wenigsten daran denkt.
Wir sind sein, Schwestern; er mache mit uns,
was er will. Er führe uns, wohin es ihm
beliebt. Und ich glaube fest, daß dem, welcher
sich wirklich demütigt und sich von allen
Wünschen losmacht (ich sage »wirklich«, denn
nicht nur in Gedanken soll es geschehen,
sondern wir müssen uns völlig frei gemacht
haben) –, daß dem der Herr diese Gnade und
viele andere, die wir nicht einmal zu ersehnen
wissen, nicht vorenthalten wird. Er sei gelobt
und gepriesen in Ewigkeit, Amen.
DRITTES KAPITEL
Die Wirkungen dieses Gebets sind mannigfach.
Einige davon will ich nennen. Zuvor möchte ich
jedoch von einer anderen Art des Gebetes
reden, welche dieser fast immer vorausgeht.
Weil ich anderswo schon darüber gesprochen
habe, will ich mich kurz fassen. Es ist dies
eine innere Sammlung, die mir ebenfalls
übernatürlich zu sein scheint, denn sie beruht
nicht darauf, daß man sich im Dunkel aufhält
oder die Augen schließt, oder auf sonst irgend
etwas Äußerlichem. Ohne daß man es will,
geschieht es da, daß einem die Augen zugehen
und man die Einsamkeit ersehnt; und ohne
künstliche Bemühungen scheint das Gehäuse für
das vorhin besprochene Gebet errichtet zu
werden. Die Sinne und äußeren Dinge scheinen
mehr und mehr an Recht zu verlieren, da die
Seele ihr verlorenes Privileg in wachsendem
Maß zurückgewinnt.
Es heißt, daß die Seele in sich gehe; und bei
anderen Gelegenheiten sagt man, daß sie sich
über sich selbst erhebe. Mit dieser
Ausdrucksweise könnte ich nichts erklären;
denn ich beherrsche sie nicht gut. So wie ich
es ausdrücke, werdet ihr es, glaube ich, wohl
verstehen. Vielleicht dient es auch nur mir
selber. Stellt euch also vor, die Sinne und
Seelenkräfte, die – wie gesagt – die Bewohner
dieser Burg sind (dieses Beispiel habe ich
gewählt, um überhaupt etwas sagen zu können) –
diese Bewohner wären hinausgegangen und
trieben sich tagelang, jahrelang mit Fremden
herum, mit den Feinden dieser Burg. Nachdem
sie einmal draußen sind, gewahren sie endlich
ihre Verlorenheit und nähern sich wieder der
Burg. Sie gehen zwar nicht wieder hinein –
denn die Gewohnheit des Umherstreunens läßt
sich schwer überwinden, doch sind sie keine
Verräter mehr und streifen rings um den Wall
herum. Und wie der große König, der in dieser
Burg wohnt, ihren guten Willen sieht, will er
sie in seiner großen Barmherzigkeit wieder zu
sich holen. Wie ein guter Hirte mit einem
sanften Pfeifen lockt, so sanft, daß sie es
beinahe selber nicht gewahren, läßt er sie
seine Stimme hören, damit sie nicht länger
verloren umherirren, sondern zu seiner Wohnung
zurückkehren. Und eine solche Macht hat das
Pfeifen des Hirten, daß sie die Dinge draußen,
welche sie entfremdet hatten, liegen und
stehen lassen und sich in die Burg begeben.
Mir scheint, daß ich es nie so verständlich
gemacht habe wie jetzt. Es ist eine große
Hilfe, wenn Gott einem diese Gnade erweist,
damit man ihn im Inneren suche (wo er besser
zu finden ist als in den Geschöpfen und wo die
Begegnung uns mehr Nutzen bringt – wie der
heilige Augustinus sagt, der ihn fand, nachdem
er ihn vielerorts gesucht hatte). Aber denkt
nicht, es könne durch den Verstand erworben
werden, indem man sich bemüht, sich Gott im
eigenen Inneren zu denken, oder man schaffe es
mit der Einbildungskraft, indem man sich
ausmalt, wie er in uns ist. Das ist recht und
gut und eine hilfreiche Form der Meditation;
denn sie ist auf Wahrheit begründet, auf der
Wahrheit, daß Gott in uns selber ist. Doch das
ist es nicht, was ich hier meine. Denn in
dieser Weise zu meditieren, das kann jeder –
Gottes Beistand immer vorausgesetzt. Aber was
ich meine, vollzieht sich auf andere Weise.
Denn manchmal befindet sich dieses
Schloßgesinde, bevor es noch an Gott zu denken
begonnen hat, bereits in der Burg; und ich
weiß weder wo noch wie es das Pfeifen seines
Hirten hörte, das nicht mit den Ohren zu
vernehmen ist. Denn es ist nicht zu hören,
aber man hat das deutliche Gefühl, als werde
man sanft in das Innere zurückgezogen. Wer es
erlebt, wird es gewahren. Ich kann es nicht
besser erklären. Ich glaube gelesen zu haben,
daß es wie bei einem Igel oder bei einer
Schildkröte ist, wenn sie sich einziehen. Wer
das geschrieben hat, der hat es wohl gut
verstanden. Doch während diese Tiere sich in
sich zurückziehen, wann sie wollen, haben wir
es nicht in der Hand, den Zustand, von dem wir
reden, nach Belieben herbeizuführen. Er tritt
nur ein, wenn Gott uns diese Gnade erweisen
will. Und ich habe den Eindruck, als ließe
Seine Majestät, wenn Er es tut, es solche
Menschen erfahren, die sich schon angeschickt
haben, den Dingen der Welt den Abschied zu
geben. Ich sage damit nicht, daß diejenigen,
die in einem Stande leben, der dies nicht
zuläßt, die Trennung vom Irdischen tatsächlich
vollzogen haben müßten. Ihre Sehnsucht danach
ist es, was den Herrn veranlaßt, sie eigens zu
rufen, damit sie auf die inneren Dinge achten.
Und darum glaube ich, daß Seine Majestät, wenn
wir Ihn nur tun lassen, demjenigen, den Er
einmal zum Höheren gelockt hat, nicht nur dies
zum Geschenk machen wird.
Es lobe Ihn von Herzen, wer dies in sich
erfährt; denn er hat allen Grund, die Gnade zu
erkennen. Und der Dank, den wir dafür
entrichten, wird uns zur Vorbereitung für
andere, noch größere Gunstbeweise. Die
Voraussetzung dafür ist – so rät man uns in
manchen Büchern –, daß wir nicht mit den
Gedanken hin und her schweifen, sondern
aufmerksam auf das schauen, was der Herr in
der Seele wirkt. Doch wenn Seine Majestät noch
nicht begonnen hat, uns an sich zu ziehen, so
weiß ich – obwohl verschiedene geistliche
Personen hierüber schon reichlich debattiert
haben – nicht recht, wie wir dem Denken
Einhalt gebieten könnten, ohne daß dies uns
mehr schadete als nützte. Und ich bekenne
meine geringe Demut, indem ich erkläre, daß
sie noch nie ein Argument vorgebracht haben,
das mich hätte überzeugen können. Einer führte
ein gewisses Buch des heiligen Bruders Pedro
de Alcäntara an (den ich so nenne, weil ich
glaube, daß er wirklich ein Heiliger ist). Ihm
würde ich mich beugen, denn er wußte es. Wir
lasen daraufhin das Buch, und es ist darin
dasselbe gesagt, was ich behaupte, wenn auch
nicht mit den gleichen Worten. Aber es ist
daraus zu ersehen, daß die Liebe zuvor erwacht
sein muß. Es mag sein, daß ich mich täusche.
Doch für mich sind folgende Gründe bestimmend:
Erstens: In diesem Werk des Geistes tut der am
meisten, der am wenigsten zu tun denkt und tun
will. Was wir zu tun haben, ist, daß wir
bitten, so wie arme Bedürftige einem großen
und reichen Herrscher ihre Bitten vorbringen,
und daß wir dann zu Boden blicken und in Demut
warten. Wenn wir meinen, die geheimen Wege
Gottes ließen uns erkennen, daß er uns hört,
dann ist es gut, wenn wir schweigen; denn er
hat uns gestattet, in seiner Nähe zu sein. Und
es wäre nicht schlecht, wenn wir danach
trachteten, nicht mit dem Verstand zu arbeiten
– falls uns dies möglich ist, meine ich. Doch
solange wir noch nicht wissen, ob dieser König
uns gehört hat oder ob er uns sieht, sollten
wir uns nicht so anstellen, als hätten wir
keine Vernunft. Solch ein Bemühen treibt die
Seele in schlimme Torheit und läßt sie noch
mehr verdorren. Vielleicht wird die Phantasie
durch die gewaltsame Anstrengung, mit der man
sich dazu gezwungen hat, nichts zu denken,
sogar noch unruhiger. Der Herr will aber, daß
wir ihn bitten und uns seine Gegenwart bewußt
machen; denn er weiß, was uns zukommt. Bei
Dingen, vor denen Seine Majestät anscheinend
eine Grenze gezogen hat und die er sich selber
vorbehalten will, kann ich mich nicht zu
menschlichen Anstrengungen überreden. Vieles
hat er uns überlassen, was wir mit seiner
Hilfe und nach dem Maß unserer armseligen
Kräfte tun können, so die Bußübungen, die
guten Werke und das Gebet.
Der zweite Grund: Diese innerlichen Wirkungen
sind alle sanft und ruhig; und etwas
Peinvolles zu tun, schadet eher, als daß es
nützt. Peinvoll nenne ich es, wenn wir uns
selber irgendwie Gewalt antun wollen. Dies ist
genauso eine Pein, wie wenn wir den Atem
anhalten würden. Wir sollen vielmehr die Seele
den Händen Gottes überlassen – mag er mit ihr
machen, was er will –, so sorglos und
unbekümmert um ihren Vorteil, wie wir nur
immer sein können, und völlig ergeben in den
Willen Gottes.
Der dritte Grund ist, daß gerade die Sorge,
die man darauf verwendet, nichts zu denken,
vielleicht den Verstand dazu anregt, viel zu
denken.
Der vierte: Für Gott ist es das Wichtigste und
Erfreulichste, daß wir uns seiner Ehre und
Herrlichkeit erinnern und uns selber, unseren
Vorteil, was wir geschenkt bekommen und an
Wonnen erfahren mögen, vergessen. Denn wie
kann der sich selber vergessen haben, der vor
lauter Sorge sich nicht zu rühren wagt und
seinem Verstand und seinen Wünschen es nicht
erlaubt, daß sie sich regen und nach der
höheren Ehre Gottes sich sehnen oder sich an
seiner sichtbaren Glorie freuen? Wenn Seine
Majestät will, daß der Verstand von seinem Tun
abläßt, so beansprucht er ihn auf andere Weise
und schenkt der Erkenntnis eine Erleuchtung,
die so erhaben ist über das, was wir von uns
aus zu erreichen vermögen, daß der Verstand
hingerissen verharrt. Und da erfährt er, ohne
zu wissen wie, eine Unterweisung, die sehr
viel besser ist als alles, was er mit seinem
Eifer, der ihn nur immer tiefer in die
Verlorenheit stürzt, je erlangen könnte. Denn
Gott hat uns die Seelenkräfte gegeben, daß wir
mit ihnen arbeiten und eine jede ihren Lohn
erlangt. Es gibt keinen Grund, weshalb wir sie
mit einem lähmenden Bann belegen sollten. Wir
wollen sie vielmehr ihres Amtes walten lassen,
bis ihnen der Herr eine höhere Aufgabe
zuweist. Nach meiner Erfahrung ist es für die
Seele, welche der Herr in diese Wohnung
eingelassen hat, am besten, wenn sie – wie
gesagt – versucht, ohne jede Gewalt und ohne
Lärm das Hin- und Herschweifen des Verstandes
zu zügeln, ohne das Denken und den Verstand
deshalb außer Kraft setzen zu wollen. Der
Verstand sollte sich vielmehr darauf besinnen,
daß er vor Gott steht, und sich das Wesen
dieses Gottes vergegenwärtigen. Wird er von
dem, was er in sich spürt, ganz gefangen –
schön und gut. Aber er trachte nicht danach,
zu verstehen, was dies ist, denn dem Willen
wurde dies geschenkt. Ihn lasse er genießen,
ohne etwas anderes dazu beizutragen als ein
paar Worte der Liebe; denn auch wenn wir nicht
danach streben, hierbei nichts zu denken, ist
man doch oft frei von Gedanken, freilich nur
sehr kurze Zeit. Aber – wie ich anderswo schon
sagte – die Ursache, weshalb der Verstand bei
dieser Gebetsweise (ich meine diejenige, mit
der ich die Beschreibung dieser Wohnung
begonnen habe und der ich dann das Gebet der
inneren Sammlung habe folgen lassen, das ich
eigentlich zuerst hätte nennen müssen, da es
weit geringer ist als das Gebet der Wonnen von
Gott und nur den Anfang des Weges zu dem
letzteren bildet; im Gebet der inneren
Sammlung darf man nämlich die Meditation nicht
aufgeben und sollte den Verstand weiterhin
sich mit diesem Quellborn, der nicht durch
Röhren gespeist wird, beschäftigen lassen) –
die Ursache also, weshalb der Verstand sich
hier bescheidet oder zur Bescheidenheit
genötigt wird, liegt in der Einsicht, daß er
nicht verstehen kann, was er verstehen möchte.
Und darum bewegt er sich wie närrisch hin und
her, ohne irgendwo zu verweilen. Der Wille hat
zu einer solch tiefen Ruhe in Gott gefunden,
daß ihn das Umherschwirren der Gedanken sehr
verdrießt. Er darf sich jedoch nicht um sie
kümmern, da er sonst viel von dem verlieren
würde, was er genießt. Er sollte vielmehr die
Gedanken und sich selber den Armen der Liebe
anvertrauen; denn Seine Majestät wird den
Willen lehren, was er in dieser Lage zu tun
hat. Dies besteht fast nur darin, daß er
entdeckt, wie unwürdig er eines solchen
Glückes ist, und daß er dankt für das, was er
empfangen hat.
Um vom Gebet der inneren Sammlung reden zu
können, habe ich bisher darauf verzichtet, von
den Wirkungen und Zeichen zu sprechen, die
Gott unser Herr in der höheren Gebetsart
dieser Wohnung uns schenkt. Deutlich gewahrt
man dabei ein Anschwellen oder Ausweiten in
der Seele, als ob ein Wasser, das einer Quelle
entspringt, nicht ablaufen könnte, und als ob
die Brunneneinfassung, die aus einem
nachgiebigen Stoff gemacht ist, umso größer
würde, je reichlicher das Wasser hervorquillt.
Genauso scheint es der Seele in diesem Gebet
zu ergehen, wobei der Herr noch viele andere
Wunder in ihr bewirkt, um sie dazu fähig zu
machen, daß sie alles in sich zu fassen
vermag. Diese innere Geschmeidigkeit und
Erweiterung zeigt sich auch darin, daß
derjenige, dem sie widerfährt, fortan in den
Dingen des Gottesdienstes nicht mehr so
ängstlich ist wie zuvor, sondern sich sehr
viel freier bewegt und sich nicht aus Angst
vor der Hölle quält. Obwohl er nun noch mehr
darum besorgt ist, Gott nicht zu beleidigen
(eine Sorge, die hier das Knechtische
verliert), vertraut er jetzt mit großer
Zuversicht darauf, daß er sich seines Herrn
erfreuen werde. Wer für gewöhnlich fürchtete,
er könnte durch Bußübungen seine Gesundheit
verlieren, dem scheint es nun, als könne er in
Gott alles vollbringen, und fühlt mehr
Verlangen nach ihnen als je zuvor. Die Furcht,
die er sonst vor Leiden und Mühsal hatte, ist
nun gemildert, denn der Glaube ist lebendiger.
Und die Seele weiß, daß der Herr, wenn sie das
Beschwerliche um seinetwillen trägt, ihr die
Gnade erweisen wird, daß sie es mit Geduld zu
erleiden vermag. Ja, manchmal wird sie sich
sogar Leiden wünschen; denn es drängt sie nun
auch ein starker Wille, etwas für Gott zu tun.
Je mehr sie dessen Größe erkennt, für um so
erbärmlicher hält sie sich. Da sie schon die
Wonnen Gottes gekostet hat, erkennt sie, daß
die Freuden der Welt nur Kehricht sind. Mehr
und mehr entzieht sie sich diesen und erlangt
eine immer stärkere Herrschaft über sich
selbst, die sie dazu befähigt. Kurzum, in
allen Tugenden ist sie gestärkt und wird
weiterhin wachsen, falls sie nicht wieder
rückwärts geht und Gott beleidigt; denn dann
ginge alles verloren, so hoch die Seele auch
zum Gipfel emporgeklommen sein mag. Man
verstehe dies aber nicht so, als ob all diese
Wirkungen schon eintreten würden, wenn Gott
diese Gnade einmal oder zweimal einer Seele
erwiesen hat, wenn man sie also nicht
beständig empfängt; denn in dieser
Beständigkeit liegt all unser Heil.
Mit Nachdruck rate ich demjenigen, der sich
auf dieser Stufe befindet, das eine: Er möge
sich sehr davor hüten, sich irgendwelchen
Gelegenheiten auszusetzen, wo er Gott
beleidigen könnte; denn hier ist die Seele
noch nicht erwachsen, sondern wie ein Kind,
das eben zu saugen begonnen hat. Entfernt es
sich von den Brüsten seiner Mutter – was hat
es anderes zu erwarten als den Tod? Ich
fürchte sehr, daß es dem, der sich vom Gebet
abwendet, nachdem Gott ihm diese Gnade
erwiesen hat, ebenso ergeht, es sei denn, ein
ganz besonderer Anlaß habe ihn dazu gezwungen
und er kehre schnell wieder zu ihm zurück.
Sonst gerät man vom Schlechten ins Schlimmere.
Ich weiß, daß man sich hiervor sehr zu
fürchten hat, und habe aus eigener Anschauung
erfahren, wovon ich rede; denn ich kenne
verschiedene Menschen, die mein größtes
Mitleid erregt haben, weil sie sich von dem
entfernten, der sich ihnen mit so viel Liebe
zum Freunde geben und dies mit Werken beweisen
wollte. Ich warne so nachdrücklich davor, sich
den Gelegenheiten zum Bösen auszusetzen, weil
der Satan für eine dieser Seelen sehr viel
mehr Fallgruben gräbt als für viele andere,
denen der Herr nicht diese Gnaden erweist;
denn sie können den Bösen erheblich stören,
indem sie andere nach sich ziehen und
vielleicht der Kirche Gottes einen großen
Dienst leisten. Schon allein die Tatsache, daß
er sieht, wie Seine Majestät ihnen besondere
Liebe erzeigt, ist ihm Anlaß genug, daß er
darauf brennt, sie zu verderben. Darum stehen
sie in harter Anfechtung und stürzen sehr viel
tiefer als andere, wenn sie fallen. Ihr,
Schwestern, seid frei von diesen Gefahren –
soweit wir dies beurteilen können. Von Hochmut
und Dünkel befreie euch Gott. Und sollte der
Satan die göttlichen Gnaden euch fälschlich
vorspiegeln, so ist das daran zu erkennen, daß
nicht die Wirkungen eintreten, die ich genannt
habe, sondern das Gegenteil.
Auf eine andere Gefahr möchte ich noch euer
Augenmerk lenken – auch wenn ich euch anderswo
schon darauf hingewiesen habe –, eine Gefahr,
in die ich Menschen geraten sah, die dem Gebet
ergeben waren, vor allem Frauen. Denn da wir
schwächer sind, widerfährt uns das Unheil
leichter, von dem ich reden möchte. Manche
befinden sich nämlich wegen häufiger
Bußübungen, Gebete und Nachtwachen und auch
schon von Natur aus in einem Zustand
körperlicher Schwäche. Haben sie nun ein
innerliches Geschenk erhalten, so können sie
ihrer Natur nicht länger widerstehen, und da
sie im Inneren eine gewisse Befriedigung
empfinden und zugleich äußerlich einen
Zusammenbruch erleiden, sich schlaff und matt
fühlen, so meinen sie (weil es einen Schlaf
gibt, den man den geistigen Schlaf nennt und
der ein wenig mehr ist als der Zustand, von
dem wir vorhin sprachen), daß das eine gleich
dem anderen sei, lassen die Besinnung fahren
und versinken in ein ohnmächtiges, dumpfes
Staunen. Und je mehr sie ihr Bewußtsein
aufgeben, desto mehr geraten sie außer sich,
weil ihr Körper immer kraftloser wird, und das
erscheint ihnen in ihrem Hirn als Verzückung.
Ich nenne es Verdummung; denn man verliert
damit nur seine Zeit und vergeudet seine
Gesundheit (einer Person widerfuhr es, daß sie
acht Stunden in diesem Zustand war!), man ist
weder bei Sinnen, noch fühlt man etwas
Göttliches. Durch Schlafen, Essen und
Einschränkung der Bußübungen befreite man die
genannte Person von solchen Anwandlungen, weil
jemand da war, der sie durchschaut hatte.
Ihren Beichtvater und andere Leute hatte sie
getäuscht, ebenso sich selber; denn sie hatte
diese Irreführung nicht absichtlich begangen.
Ich glaube fest, daß der Satan sich dabei
einige Mühe gegeben hatte, um etwas zu
profitieren, und er war ja auch bereits im
Begriff, nicht wenig Gewinn daraus zu
schlagen.
Es gilt zu begreifen, daß die Seele, wenn sie
ein Erlebnis hat, das wahrhaft von Gott kommt,
keine Schwächung erleidet, auch wenn innerlich
und äußerlich ein Zusammenbruch der Kräfte
erfolgt, und daß sie von starken Gefühlen
bewegt wird, weil sie sich Gott so nahe sieht.
Auch dauert solch ein Erlebnis nicht lange,
sondern ganz kurze Zeit. Selbst wenn man
wiederholt in Versenkung gerät, so kommt es
bei dieser Gebetsart – wenn es nicht, wie
gesagt, bloße Schwäche ist – doch nicht so
weit, daß der Körper zu Boden stürzte oder daß
äußerlich irgend etwas zu fühlen wäre.
Darum sei man auf der Hut, und wenn jemand
etwas derartiges an sich verspürt, so sage er
es der Oberin und lenke sich ab, so gut er
kann. Auch sollte man diese Menschen
veranlassen, sich nicht stundenlang dem Gebet
zu widmen, sondern nur ganz kurz, und sollte
dafür sorgen, daß sie genügend schlafen und
essen, bis sie wieder ordentlich zu Kräften
kommen. Ist die betreffende Person aber von so
schwacher Natur, daß auch dies nicht hilft, so
glaubt mir, daß Gott sie zu nichts anderem als
zu einem tätigen Leben bestimmt hat; denn auch
solche braucht man in den Klöstern. Man
beauftrage sie mit verschiedenen Ämtern und
verliere dabei nie aus den Augen, daß sie
nicht viel allein sein sollte, da sie sonst
vollends die Gesundheit verlieren würde. Das
wird für sie eine bittere Entsagung und
Kasteiung bedeuten. An der Art, wie sie diesen
Verzicht leistet, wird der Herr die Liebe
erproben, die sie für ihn hegt. Und es mag ihm
gefallen, ihr nach einiger Zeit die Kraft
zurückzugeben. Tut er dies nicht, so werden
das mündliche Gebet und der Gehorsam ihr
Gewinn bringen, und sie wird sich so dieselben
Verdienste erwerben wie auf andere Weise,
vielleicht noch mehr.
Möglicherweise gibt es auch unter euch manche,
wie ich einige gekannt habe, die einen so
schwachen Kopf und eine so kränkliche
Phantasie besitzen, daß sie alles zu sehen
glauben, was sie denken. Das ist recht
gefährlich. Da ich davon vielleicht später
noch reden werde, sei dies genug für den
Augenblick. Ich habe mich in dieser Wohnung
lange aufgehalten, weil hierher – nach meinem
Eindruck – die meisten Seelen gelangen, und
weil der Satan hier, wo das Natürliche und das
Übernatürliche dicht beieinander sind, mehr
Schaden stiften kann als in den nächsten, noch
nicht geschilderten Wohnungen, wo Gott ihm
nicht soviel Spielraum läßt. Der Herr sei
gelobt in Ewigkeit, Amen.
DIE FÜNFTE WOHNUNG
ERSTES KAPITEL
O Schwestern! Wie könnte ich euch den Reichtum
und die Schätze und Wonnen sagen, die es in
der fünften Wohnung gibt? Ich glaube, es wäre
besser, von allem weiteren gar nichts zu sagen
denn es ist unmöglich, es auszudrücken, und
der Verstand kann es nicht begreifen, und kein
Vergleich reicht aus es zu erklären, weil die
Dinge der Erde dafür viel zu niedrig sind.
Sende mir Licht vom Himmel, mein Herr, damit
ich etwas davon diesen Deinen Dienerinnen
mitteile kann, da es Dir ja gefällt, daß
einige von ihnen tagtäglich diese Wonnen
erfahren. Gib, daß sie keinem Trug zum Opfer
fallen, wenn der Satan sich in einen Engel des
Lichts verwandelt; denn all ihr Wünschen gilt
dem einen Ziel Dich zu erfreuen.
Obwohl ich von »einigen« gesprochen habe, gibt
es unter uns doch wenige, die nicht in diese
Wohnung gelangen, von der ich jetzt reden
möchte. Die einen dringen jedoch tiefer ein,
die anderen weniger tief. Darum sage ich, daß
die meisten hineingelangen. Manches, was in
diesen Gemächern zu finden ist und wovon nun
die Rede sein soll, erfahren freilich wohl nur
wenige. Doch wenn man auch nur bis zur Türe
gelangt, so ist dies schon ein Beweis von
Gottes großem Erbarmen; denn viele sind
berufen und wenige auserwählt. Obwohl wir
alle, die wir dieses heilige Gewand vom Karmel
tragen, zum Gebet und zur Kontemplation
berufen sind – denn dies war unser Anfang, von
jenem Stamme kommen wir, als Nachfahren jener
Heiligen Väter vom Berge Karmel, die in solch
großer Einsamkeit und solcher Verachtung der
Welt diesen Schatz suchten, diese kostbare
Perle, von der wir sprechen –, sind es doch
unter uns nur wenige, die sich dafür
bereitmachen, auf das der Herr sie uns schauen
lasse. Im Äußeren halten wir uns wohl an das,
was zur Erlangung der Tugenden gefordert wird;
doch um bis dorthin zu kommen, benötigen wir
sehr, sehr viel. Wir dürfen uns dabei keine
Lässigkeit erlauben. Deshalb, meine
Schwestern, hört! Da wir in gewisser Weise den
Himmel auf Erden genießen können, so laßt uns
den Herrn darum bitten, daß er uns gnädig
beistehe, damit wir es nicht durch eigene
Schuld versäumen. Er möge uns den Weg weisen
und unserer Seele Kräfte verleihen, so daß sie
graben kann, bis sie diesen verborgenen Schatz
findet, der wirklich und wahrhaftig in uns
selber liegt. Dies möchte ich euch gern
verständlich machen, falls es dem Herrn
gefällt, mir die Fähigkeit zu schenken.
Ich habe von Kräften für die Seele gesprochen;
denn ihr sollt verstehen, daß derjenige, dem
Gott unser Herr keine körperlichen Kräfte
schenkt, ihrer auch nicht bedarf. Er verwehrt
es keinem, seine Reichtümer zu erwerben. Wenn
jeder gibt, was er hat, so ist der Herr
zufrieden. Gepriesen sei ein so großer Gott.
Doch schaut, meine Töchter – für das, wovon
wir reden, verlangt er, daß ihr nichts für
euch zurückbehaltet. Sei es nun viel oder
wenig – er will alles für sich. Und je nach
dem Maße dessen, was ihr selber gegeben habt,
werden euch größere oder kleinere Gnaden
zuteil werden. Hieran läßt sich am genauesten
prüfen, ob unser Gebet bis zur Vereinigung
gelangt oder nicht. Ihr dürft nicht meinen,
daß es sich dabei um etwas Traumhaftes
handelt, wie auf der vorigen Stufe. Ich sage
»Traumhaftes«, weil die Seele dort wie
eingedämmert wirkt, so daß sie weder recht zu
schlafen scheint noch sich wach fühlt. Hier
dagegen ist sie völlig in tiefen Schlaf
versunken, der sie den Dingen der Welt und
sich selber gänzlich entrückt. Denn in der
kurzen Zeit, die es dauert, ist sie wirklich
wie ohne Besinnung, so daß sie nicht zu denken
vermag, selbst wenn sie wollte. Hier bedarf es
keiner künstlichen Bemühungen, um dem Denken
Einhalt zu gebieten. Die Seele vermag nicht
einmal zu verstehen, wie die Liebe, falls sie
eine fühlt, entstanden ist, wem sie gilt oder
nach was sie sich sehnt. Kurzum, es ist, als
wäre sie gänzlich gestorben und aus der Welt
geschieden, um noch mehr in Gott zu leben. Und
deshalb ist es ein lieblicher Tod, gleichsam
ein Entrissenwerden aus allem Tun, das die
Seele ausüben mag, solange sie im Körper
weilt; ein Hinscheiden, das voller Wonne ist,
weil die Seele, obgleich sie in Wirklichkeit
noch im Körper ist, ihn zu verlassen scheint,
um besser in Gott zu sein, und zwar so, daß
ich jetzt noch nicht weiß, ob dem Leib dabei
noch genug Leben zum Atmen bleibt. (Eben habe
ich darüber nachgedacht, und es scheint mir,
als atme er dabei nicht; tut er es doch, so
merkt die Seele es jedenfalls nicht.) Ihr
ganzer Verstand möchte sich dafür einsetzen,
etwas von dem zu verstehen, was sie empfindet.
Und da seine Kräfte dazu nicht ausreichen,
überkommt ihn erschrockenes Staunen, so daß
er, wenn er sich nicht gänzlich verliert, doch
»weder Hand noch Fuß bewegt« (wie wir
hierzulande sagen, wenn jemand so ohnmächtig
ist, daß wir meinen, er wäre tot). O
Geheimnisse Gottes! Ich wollte nicht müde
werden, mich darum zu bemühen, sie
verständlich zu machen, wenn ich dächte, ich
könnte je dieses Ziel erreichen. Und darum
werde ich tausend Ungereimtheiten sagen, um
vielleicht einmal das Richtige zu treffen,
damit wir den Herrn von Herzen loben.
Ich sagte, daß es kein Traumzustand ist. In
der vorigen Wohnung wird sich nämlich die
Seele, solange sie noch keine große Erfahrung
hat, nicht darüber klar, was das nun
eigentlich war, ob sie sich das nur
eingebildet oder ob sie geschlafen hatte; ob
es von Gott ihr eingegeben worden war oder ob
der Satan sich in einen Engel des Lichts
verwandelt hatte. Von tausend Zweifeln und
argwöhnischen Gedanken wird sie bedrängt. Und
das ist gut so, denn – wie gesagt – sogar
unsere eigene Natur kann uns in jenem Stadium
zuweilen täuschen. Obwohl das giftige Getier
dort kaum mehr eindringen kann, so schlüpfen
doch einige Eidechslein mit herein, die
überall hineinwitschen, weil sie so schlank,
flink und wendig sind. Richten sie auch keinen
Schaden an (vor allem wenn man sich nicht viel
um sie kümmert; denn es sind so kleine
Gedankenregungen, die der Phantasie und den
anderen genannten Ursachen entstammen), so
werden sie einem doch oft lästig. Hier aber,
in der fünften Wohnung, können die Eidechslein
nicht hereinhuschen, trotz all ihrer
Wendigkeit. Denn es gibt keine Phantasie,
keine Erinnerung und keinen Verstand, der hier
dem Heil im Wege sein könnte. Ja, ich wage zu
behaupten: Wenn es wirklich eine Vereinigung
mit Gott ist, so kann nicht einmal der Satan
sich einschleichen und irgendeinen Schaden
stiften. Seine Majestät ist da dem innersten
Wesen der Seele so nahe und so mit ihr
verbunden, daß der Böse sich nicht heranwagen
wird. Er wird dieses Geheimnis wohl nicht
einmal verstehen. Das liegt auf der Hand; denn
es heißt ja, daß er unser Denken nicht
verstehen kann. Etwas so Geheimes, das Gott
nicht einmal unserem Verstand anvertraut, wird
er dann noch weniger begreifen. Oh, welch ein
Glück, sich dort aufzuhalten, wo dieser
Verfluchte uns nicht schadet!
Der Seele wird also ein solch reicher Gewinn
zuteil, weil Gott in ihr wirkt, ohne daß
irgend jemand – nicht einmal wir selber – dies
hinderte. Was wird er uns nicht schenken, er,
der so ein Freund des Gebens ist und alles zu
geben vermag, was er will?
Vielleicht habe ich euch nun verwirrt, indem
ich sagte, »wenn es eine Vereinigung mit Gott
ist«, was bedeutet, daß es auch noch eine
andere gibt. Und ob es sie gibt! Auch der
Satan kann einen entrücken, freilich zu
nichtigen Dingen, wenn man diese heftig Hebt.
Doch er tut es nicht auf dieselbe Weise wie
Gott, nicht mit der Wonne und Befriedigung für
die Seele, nicht mit diesem Frieden und dieser
Freude. Die Vereinigung mit Gott übersteigt
alle Lust der Erde, all ihre Wonnen und
Freuden. Und man braucht nicht danach zu
schauen, wo diese Freuden und wo die irdischen
ihren Ursprung haben; die Art, wie man sie
fühlt, ist völlig verschieden. Das habt ihr
wohl selber schon erfahren. Ich sagte einmal,
daß es so ist, als fühlte man es bald außen
auf der Haut, bald bis ins Mark. Das ist ein
treffender Vergleich. Ich weiß nicht, wie ich
es besser sagen könnte.
Es scheint mir aber, als hätte ich euch damit
noch nicht beruhigt. Ihr meint, ihr könntet
euch täuschen, weil solch innerliche
Erscheinungen schwer zu prüfen sind. Und
obwohl das Gesagte für den, der es selber
erlebt hat, ausreicht, weil der Unterschied
zwischen beiden Erscheinungen groß ist, will
ich euch doch noch ein deutliches Merkmal
nennen, das euch vor Täuschung bewahrt, so daß
ihr nicht zu zweifeln braucht, ob euer
Erlebnis von Gott gekommen ist. Seine Majestät
hat mich heute an dieses Kennzeichen erinnert,
das mir zuverlässig zu sein scheint. – Immer,
wenn es um schwierige Dinge geht, gebrauche
ich die Wendung »mir scheint«, obwohl ich den
Eindruck habe, daß ich es weiß und die
Wahrheit sage; denn falls ich im Irrtum sein
sollte, bin ich jederzeit bereit, das zu
glauben, was diejenigen sagen, die eine hohe
Gelehrsamkeit besitzen. Auch wenn sie diese
Dinge nicht selbst erlebt haben, so verfügen
große Gelehrte doch über etwas Besonderes. Da
Gott sie als Licht seiner Kirche aufgestellt
hat, schenkt er ihnen, wenn es um eine
Wahrheit geht, die Einsicht, auf daß diese
Wahrheit anerkannt werde. Und wenn sie sich
nicht Zerstreuungen überlassen, sondern Diener
Gottes sind, so werden sie nie erschrecken vor
der Größe seiner Taten; denn sie wissen wohl,
daß er noch viel, viel mehr vermag. Und obwohl
manche Erscheinung nicht so recht geklärt ist,
werden sie doch in der Schrift allerlei
finden, aus dem sie ersehen, daß derlei Dinge
möglich sind.
Das habe ich sehr oft erlebt. Jedoch habe ich
auch mit ängstlichen Halbgelehrten meine
Erfahrungen gemacht, die mir sehr teuer zu
stehen kamen. Ich glaube jedenfalls, daß der
sich die Tür zum Empfang solcher Gnaden
verschließt, der nicht daran glaubt, daß Gott
noch viel mehr vermag, und daran zweifelt, daß
er es für gut gehalten hat und für gut hält,
sie zuweilen seinen Geschöpfen mitzuteilen.
Darum verfallet nie in diese Haltung,
Schwestern. Glaubet aber, daß der Herr noch
viel, viel mehr vermag, und richtet euer
Augenmerk nicht darauf, ob diejenigen, denen
er diese Gnaden erweist, nun böse oder gut
sind. Denn – wie gesagt – Seine Majestät weiß
es. Und wir brauchen uns da nicht
einzumischen, sondern sollen dem Herrn
einfältigen Herzens und in Demut dienen und
ihn preisen um seiner Werke und seiner Wunder
willen.
Sprechen wir jedoch wieder von dem Zeichen,
von dem ich euch sagte, daß es die Wahrheit
verbürge. Ihr seht, wie Gott diese Seele
völlig dumm gemacht hat, um ihr die wahre
Weisheit besser einzuprägen. Sie sieht nichts,
sie hört nichts und versteht nichts, solange
dieser Zustand anhält, der immer nur von
kurzer Dauer ist (und ihr noch viel kürzer
erscheint, als er wohl in Wirklichkeit ist).
Dabei verbindet sich Gott selber mit dem
Inneren dieser Seele, so daß sie, wenn sie
wieder zu sich kommt, keinesfalls daran
zweifeln kann, daß sie in Gott war und Gott in
ihr.
Mit solcher Gewißheit verbleibt ihr diese
Wahrheit, daß sie, selbst wenn Jahre
vergingen, ohne daß Gott ihr nochmals solch
eine Gnade erwiese, sie dies nicht vergessen
und nicht daran zweifeln könnte, daß er es
war. Die Wirkungen, die dieses Erleben bei ihr
hinterläßt, wollen wir jetzt noch nicht
betrachten. Davon will ich später sprechen,
denn es ist sehr wichtig.
Ihr werdet mich jedoch fragen: »Wie hat es die
Seele denn gesehen oder wie hat sie es
verstanden, wenn sie dabei doch weder sieht
noch etwas versteht?« Ich behaupte nicht, daß
sie es im betreffenden Augenblick sieht,
sondern daß sie es hinterher klar erkennt; und
zwar nicht, weil sie es als Vision erschaut,
sondern als eine Gewißheit empfängt, die in
der Seele verbleibt als eine Sicherheit, die
nur Gott ihr eingeben kann. Ich weiß von einer
Person, die niemals etwas davon gehört hatte,
daß Gott in allen Dingen ist als gegenwärtige
Macht und Wesenheit, und die durch eine
derartige Gunst, welche Gott ihr erwies, zu
diesem Glauben gelangte. Darum hatte sie die
Wahrheit so sicher inne, daß sie, als sie
einen der genannten Halbgelehrten fragte, wie
Gott in ihr sein könne (er wußte es sowenig
wie sie, ehe Gott es ihr zu verstehen gab),
und dieser ihr antwortete, daß er es nur als
Gnade sei, ihm keinen Glauben schenkte und
andere danach fragte, die ihr dann die
Wahrheit sagten, was ihr ein großer Trost war.
Ihr dürft euch nicht täuschen und meinen, daß
diese Gewißheit einem in körperlicher Form
zuteil werde, so wie der Leib unseres Herrn
Jesu Christi uns im Allerheiligsten Sakrament
gegeben wird, obgleich wir ihn nicht sehen.
Denn hier schenkt er sich uns nicht auf diese
Weise, sondern allein in seiner Göttlichkeit.
Wie erfassen wir dann das, was wir nicht
sehen, mit solcher Sicherheit? Das weiß ich
nicht. Es ist sein Werk. Doch ich weiß, daß
ich die Wahrheit sage. Und wenn jemand danach
nicht diese Sicherheit hat, so würde ich
sagen, daß es keine Vereinigung der ganzen
Seele mit Gott gewesen ist, sondern nur die
einer einzelnen Seelenkraft, also eine der
vielen anderen Arten von Gnaden, die Gott der
Seele erweist. Bei all dem müssen wir darauf
verzichten, erkennen zu wollen, wie eines aus
dem andern sich ergab. Denn unser Verstand
reicht nicht aus, dies zu erfassen. Wozu
wollen wir uns vergeblich anstrengen? Es
genügt, wenn wir sehen, daß es der Allmächtige
ist, der dies tut. Und da keineswegs wir
diejenigen sind, die es bewirken – so eifrig
wir uns auch bemühen, es zu erlangen –,
sondern Gott es ist, der es vollbringt, so
sollten wir auch nicht diejenigen sein wollen,
die es verstehen.
Jetzt, wo ich sage, daß nicht wir es sind, die
es vollbringen, erinnere ich mich daran, daß
ihr schon die Worte gehört habt, welche die
Braut im Hohenlied sagt: »Der König führte
mich in den Weinkeller« (oder »brachte mich
hinein«, wie es, glaube ich, heißt). Es wird
also nicht gesagt, daß sie von sich aus
hineingegangen sei. Und es heißt auch, daß sie
überall nach ihrem Geliebten gesucht habe.
Hier nun ist – so verstehe ich es – der
Weinkeller, in den der Herr uns bringen will,
wann er will und wie er will. Doch durch
eigene Anstrengungen können wir nicht
hineinkommen. Seine Majestät muß uns
hineinbringen. Er muß in die Mitte unserer
Seele eindringen. Und um seine Wunder uns
besser zeigen zu können, will er, daß wir nur
mit dem Willen beteiligt sind, der sich ihm
völlig ergeben hat, und daß wir ihm nicht die
Tür der Seelenkräfte und Sinne öffnen, die
alle schlafen. Ganz von sich aus will er in
die Mitte der Seele eintreten, so wie er zu
seinen Jüngern hereintrat, als er sagte: »Pax
vobis«, nachdem er das Grab verlassen hatte,
ohne den Stein zu heben. Später werdet ihr
sehen, wie sehr Seine Majestät es wünscht, daß
die Seele sich seiner in ihrem eigenen Inneren
erfreut – in der letzten Wohnung noch sehr
viel mehr als hier.
O Töchter, wieviel werden wir schauen, wenn
wir nichts anderes schauen wollen als unsere
Niedrigkeit und unser Elend und allein
erkennen wollen, daß wir nicht würdig sind,
Dienerinnen
eines so großen Herrn zu sein, und nicht
fähig, seine Wunder zu fassen! Er sei gelobt
in Ewigkeit, Amen.
ZWEITES KAPITEL
Es wird euch so vorkommen, als sei schon alles
gesagt, was in dieser Wohnung zu schauen ist.
Doch es fehlt noch viel; denn – wie gesagt –
der eine sieht viel, der andere weniger. Im
Blick auf die Vereinigung glaube ich nicht
mehr sagen zu können. Aber wenn die Seele, der
Gott diese Gnaden erweist, sich bereit macht,
so gibt es viele Dinge, die der Herr in ihr
bewirkt und wovon es noch zu reden gilt.
Einige davon will ich nennen und auch den
Zustand beschreiben, in dem die Seele sich
danach befindet. Um es verständlicher zu
machen, will ich dazu ein passendes Gleichnis
benutzen, mit dem auch verdeutlicht werden
soll, wieviel wir schon dadurch, daß wir uns
bereit machen, dazu beitragen können, daß
Seine Majestät uns diese Gnade erweist, auch
wenn wir bei dem Werk, das der Herr in uns
vollbringt, nichts weiter tun können.
Ihr werdet wohl schon von den göttlichen
Wundern gehört haben, die sich bei der
Seidenzucht offenbaren. Nur Er konnte so etwas
erfinden. In einem Samenkorn, das wie ein
kleines Pfefferkörnchen aussieht (ich habe es
nie gesehen, sondern nur davon gehört; sollte
also etwas verdreht sein, so ist es nicht
meine Schuld) – in diesem Samenkorn also
beginnt, sobald es warm wird und die
Maulbeerbäume die ersten Blätter treiben, sich
Leben zu regen. Ehe die Speise, von der es
sich nährt, nicht da ist, ist es tot. Man
zieht das winzige Wesen mit den Blättern des
Maulbeerbaumes auf. Wenn es dann groß geworden
ist, legt man ihm Zweiglein hin, und daran
spinnt es, aus sich selber heraus, mit dem
Mäulchen die Seide und macht eine dichte
Hülle, worin es sich selber einschließt. Die
Raupe, die nun groß und häßlich ist, stirbt,
und aus der gleichen Hülle schlüpft ein
kleiner weißer, wunderhübscher Schmetterling
hervor. Wenn man das aber nicht sehen könnte,
sondern nur als Kunde aus fernen Zeiten hörte
– wer könnte es glauben, und durch welche
Überlegungen könnten wir darauf kommen, daß
ein so unvernünftiges Wesen wie eine Raupe
oder eine Biene so emsig zu unserem Vorteil
arbeitet, mit solchem Eifer, daß das arme
Räuplein dafür das eigene Leben aufs Spiel
setzt? Das ist genug, Schwestern, um eine
Weile darüber nachzusinnen. Auch wenn ich
nicht mehr darüber sage, könnt ihr an diesem
Beispiel die Wunderkraft und Weisheit unseres
Gottes betrachten. Wie wäre es erst, wenn wir
die Beschaffenheit aller Dinge wüßten? Es ist
sehr nützlich, diese Wunderwerke zu bedenken
und uns darüber zu freuen, daß wir Bräute
eines so weisen und mächtigen Königs sind.
Kehren wir jedoch zu dem vorhin Gesagten
zurück. Diese Raupe nimmt Leben an, sobald sie
in der Wärme des Heiligen Geistes sich der
Hilfe zu bedienen anfängt, die Gott uns allen
gemeinhin gibt; sobald sie beginnt, die Mittel
zu gebrauchen, die er in seiner Kirche
hinterlassen hat. (Regelmäßig zu beichten oder
gute Bücher zu lesen und Predigten zu hören –
das sind Heilmittel für eine Seele, die in
Sorglosigkeit und Sünde erstorben ist, umringt
von den Gelegenheiten zum Bösen.) Benutzt sie
diese Mittel, so beginnt sie zu leben und
nährt sich von diesen und den guten
Meditationen, bis sie herangewachsen ist. Nur
darauf kommt es mir an. Das andere ist
unwichtig.
Ist diese Raupe nun ausgewachsen, so fängt sie
an, die Seide zu spinnen und das Haus zu
verfertigen, in dem sie sterben soll. Dieses
Haus will ich hier als Christus verstanden
wissen. Ich meine, irgendwo gelesen oder
gehört zu haben, daß unser Leben in Christus
oder in Gott – beide sind eines – verborgen
sei, oder daß unser Leben Christus ist. Heiße
es nun so oder anders – darauf kommt es in
diesem Zusammenhang nicht an.
Denn ihr seht hier, Töchter, was wir mit
Gottes Gunst zu tun vermögen: daß Seine
Majestät selbst unsere Wohnung sei – wie in
diesem Gebet der Vereinigung –, die wir doch
selber herstellen. Es scheint, als wollte ich
sagen, wir könnten von Gott etwas nehmen und
etwas in ihn hineintun, weil ich sage, daß er
die Wohnung ist und daß wir sie erbauen
können, um uns hineinzusetzen. Als ob wir von
Gott etwas nehmen oder ihm etwas hinzufügen
könnten! Wir können nur von uns selber etwas
nehmen und dazutun, wie es diese Räuplein
machen. Denn wir werden mit dem, was wir tun
können, noch nicht ganz fertig sein, da
vereint Gott dieses armselige Machwerk – das
nichts ist – mit seiner Größe und verleiht ihm
einen so großen Wert, daß der Herr selbst der
Lohn dieser Arbeit ist. Und wie er es gewesen
ist, der die meisten Kosten auf sich genommen
hat, so will er auch unsere dürftigen Werke
vereinen mit dem großen Leiden, das Seine
Majestät ertragen hat, auf daß alles eins
werde.
Also auf, meine Töchter, schnell an die
Arbeit, daß wir diese Hülle weben und uns
dabei unserer Eigenliebe und unseres Willens
entledigen, uns von der Bindung an
irgendwelche irdischen Dinge lösen, indem wir
Buße tun, beten, uns abtöten, Gehorsam üben
und alle anderen Pflichten, die ihr kennt.
Wirken wir denn so gut wir können und wie es
uns als unsere Aufgabe gelehrt worden ist! Sie
sterbe, sie sterbe, diese Raupe, so wie sie
stirbt, wenn sie das beendet hat, wozu sie
aufgezogen worden ist. Und ihr werdet
gewahren, daß wir Gott schauen und uns von
seiner Größe so umschlossen sehen, wie es das
Räuplein in seiner Hülle ist. Beachtet, daß
ich sage: »Gott schauen«; denn ich habe ja
gesagt, daß Gott bei dieser Art der
Vereinigung sich so zu fühlen gibt.
Sehen wir also zu, was aus dieser Raupe wird
(deswegen habe ich nämlich alles übrige
gesagt). Wenn sie in diesem Gebet ist – völlig
gestorben für die Welt –, so schlüpft ein
weißer kleiner Schmetterling hervor. O
Herrlichkeit Gottes! Und wie geht eine Seele
daraus hervor, wenn sie hier eine kleine Weile
– die meinem Eindruck nach niemals auch nur
eine halbe Stunde dauert – versenkt ist in
Gottes Größe und ihm so nahe ist! Ich sage
euch in Wahrheit, daß die Seele sich, selber
nicht mehr kennt; denn schaut, derselbe
Unterschied, der zwischen einer häßlichen
Raupe und einem weißen Schmetterling besteht,
ist auch hier vorhanden. Die Seele weiß nicht,
wodurch sie so viel Glück verdienen konnte
(wodurch es ihr zufallen konnte, wollte ich
sagen; denn sie weiß wohl, daß sie es nicht
verdient). Sie sieht sich von einem solchen
Verlangen erfüllt, den Herrn zu loben, daß sie
am liebsten vergehen und tausendmal für ihn
sterben möchte. Dann überkommt sie eine
unwiderstehliche Sehnsucht, schwere Leiden auf
sich zu nehmen, ein brennendes Verlangen nach
Buße, Einsamkeit, und der Wunsch steigt in ihr
auf, daß alle Gott erkennen möchten. Daraus
aber erwächst ihr großer Kummer, wenn sie
sieht, daß er beleidigt wird. In der nächsten
Wohnung wird davon noch mehr die Rede sein;
denn obwohl das, was hier in dieser Wohnung zu
finden ist, beinahe dasselbe ist wie dort, so
ist doch die Stärke der Wirkungen sehr
verschieden. Wie gesagt: Nachdem Gott zu ihr
gekommen ist, wird die Seele, wenn sie sich
hier darum bemüht, weiter voranzukommen, noch
große Dinge schauen.
Oh, das ruhlose Umherflattern dieses kleinen
Schmetterlings zu sehen, der doch niemals in
seinem Leben eine größere Ruhe, einen tieferen
Frieden gefunden hat, ist ein Anblick, der zum
Lobe Gottes zwingt. Der Falter weiß nämlich
nicht, wo er sich niederlassen und ausruhen
soll; denn nachdem er einmal solch einen
Ruheort hatte, befriedigt ihn nichts, was er
auf Erden sieht, vor allem wenn Gott ihm oft
von diesem Wein zu kosten gibt. Fast mit jedem
Mal wird ihm daraus neuer Gewinn zuteil. Nun
betrachtet er das, was er als Raupe getan hat
– Stückchen um Stückchen die Hülle zu weben –,
als nichts. Flügel sind ihm gewachsen – wie
könnte er sich jetzt, wo er fliegen kann,
damit zufrieden geben, langsam Schritt vor
Schritt zu gehen? Verglichen mit ihrem
Verlangen, ist der Seele nun alles, was sie
für Gott tun kann, zu gering. Sie empfindet
keine besondere Bewunderung mehr für das, was
die Heiligen durchgestanden haben, da sie nun
aus Erfahrung weiß, wie der Herr hilft und
eine Seele verwandelt, so daß sie innerlich
und äußerlich nicht mehr sich selber gleicht.
Denn die Schwäche, die sie früher bei den
Bußübungen an sich wahrzunehmen glaubte,
findet sie nun in Stärke verwandelt. Die
Bindung an Verwandte, Freunde oder Besitz (die
sie einstens weder durch Taten noch durch
Entschlüsse oder durch das Verlangen, sich
davon frei zu machen, abschütteln konnte, weil
sie sich danach nur noch mehr verhaftet
fühlte) hat sich so verändert, daß ihr die
Verpflichtungen, denen sie, wenn sie nicht
gegen Gottes Gebot verstoßen will, nachkommen
muß, eine Last sind. Alles ermüdet sie, denn
sie hat erfahren, daß die Geschöpfe ihr nicht
die wahre Ruhe geben können.
Es scheint, als ob ich weitschweifig würde,
und doch könnte ich noch viel mehr sagen. Wem
diese Gnade von Gott zuteil geworden ist, der
wird sehen, daß ich nur unzureichend davon
gesprochen habe. Es ist also nicht
verwunderlich, daß dieser kleine Schmetterling
erneut einen Ruheort sucht, sobald er sich als
Fremdling unter den irdischen Dingen wieder
findet. Doch wohin soll der Arme? Dahin
zurückkehren, woher er gekommen ist – das kann
er nicht; denn – wie gesagt – es liegt nicht
in unserer Hand, so viel wir auch tun mögen,
ehe es Gott nicht gefällt, uns von neuem diese
Gnade zu erweisen. O Herr, und wie viel neue
Leiden beginnen für diese Seele! Wer hätte das
gedacht, nach einer so hohen Gnade? Auf die
eine oder andere Weise müssen wir eben das
Kreuz tragen, solange wir leben. Und sollte
jemand behaupten, er fühle sich, seitdem er
auf diese Stufe gekommen sei, immer in Ruhe
und Annehmlichkeit – von dem würde ich sagen,
daß er niemals so weit gekommen ist; daß er
aber vielleicht, falls er bis in die vorige
Wohnung gelangt ist, irgendeine Wonne erlebt
hat, begünstigt durch natürliche Schwäche und
möglicherweise sogar vom Satan, welcher der
Seele Frieden einflößt, um sie danach desto
heftiger zu bekriegen.
Ich will nicht sagen, daß diejenigen, welche
in diese Wohnung kommen, keinen Frieden haben;
denn sie haben ihn wirklich und in reichem
Maße, da gerade diese Leiden, so schlimm sie
sein mögen, doch von so hohem Wert und so
guten Ursprungs sind, daß aus ihnen selber der
Friede und die Freude kommen. Eben aus der
Unzufriedenheit, welche die Seelen angesichts
der irdischen Dinge empfinden, erwächst ein
Verlangen, der Welt zu entrinnen, eine so
schmerzliche Sehnsucht, die allenfalls nur der
eine Gedanke lindern kann: Gott will es, daß
wir in dieser Verbannung leben. Und nicht
einmal dieser Trost genügt; denn noch ist die
Seele, trotz allem, was sie gewonnen hat,
nicht so in Gottes Willen ergeben, wie dies
später zu sehen ist, obgleich sie unablässig
danach strebt, sich ihm anzugleichen. Doch
dies geschieht unter großem Schmerz und vielen
Tränen. Sie kann nicht anders, weil ihr nicht
mehr gegeben ist. Bei jedem Gebet ist dies ihr
Kummer. Vielleicht kommt es auch von der
großen Pein, die es ihr bereitet, wenn sie
sieht, daß Gott beleidigt und wenig geachtet
wird in dieser Welt, und wenn sie an die
vielen Seelen denkt, die verlorengehen, seien
es nun Ketzer oder Mauren. Doch am meisten ist
es ihr leid um die Seelen der Christen; denn
obwohl sie die Größe von Gottes Erbarmen sieht
und obwohl sie weiß, daß jene Seelen – so übel
sie auch dahinleben – sich bessern und retten
können, fürchtet sie doch, daß viele verdammt
werden.
O Herrlichkeit Gottes! Noch vor wenigen
Jahren, ja vielleicht noch vor wenigen Tagen
dachte diese Seele an nichts anderes als an
sich selbst. Wer hat sie in solch schmerzliche
Sorgen gestürzt? Denn so schmerzlich, wie
diese Seele das jetzt empfindet, könnten wir
es nicht fühlen, selbst wenn wir uns viele
Jahre der Meditation hierüber widmen würden.
Gott steh mir bei! Wenn ich viele Tage und
Jahre mich darum bemühe, mich darin übe, es zu
erfassen, welch großes Übel es bedeutet, wenn
man Gott beleidigt; und wenn ich bedenke, daß
die, welche verdammt werden, seine Kinder und
meine Brüder sind; wenn ich mir vor Augen
halte, von welchen Gefahren umringt wir leben
und wie gut es für uns ist, aus diesem
erbärmlichen Leben zu scheiden – dies alles
wäre also nicht genug? Nein, Töchter. Der
Schmerz, den man hier in dieser Wohnung
empfindet, ist anders als der, den wir früher,
durch Gottes Hilfe, wenn wir viel darüber
nachsannen, vielleicht empfinden konnten. Es
drang nicht bis ins innerste Eingeweide wie
hier, wo es die Seele zu zerstückeln und zu
zermalmen scheint, ohne daß sie etwas
dazugetan hat, ja manchmal, ohne daß sie es
will. Was ist das nur? Woher kommt das? Ich
will es euch sagen.
Habt ihr nicht gehört, daß Gott die Braut in
den Weinkeller führte, wo die Liebe über ihr
war als sein Panier? (Ich habe es hier schon
ein andermal gesagt, wenn auch nicht in diesem
Zusammenhang.) Daher kommt es nämlich. Weil
jene Seele sich schon seinen Händen überläßt
und die große Liebe sie dazu drängt, sich so
weit hinzugeben, daß sie nichts anderes weiß
und wünscht, als daß Gott mit ihr mache, was
er will. Denn Gott wird – meines Erachtens –
diese Gnade niemals einer Seele erweisen, die
er nicht schon sehr als sein Eigentum
betrachtet. Er will, daß sie, ohne zu wissen,
wie ihr geschieht, geprägt von seinem Siegel
daraus hervorgehe. Denn wahrlich, die Seele
vollbringt dort nicht mehr als das Wachs, wenn
jemand ihm das Siegel aufdrückt. Das Wachs
drückt es sich nicht selber auf, es ist nur
bereit, die Prägung zu empfangen, das heißt:
weich; und um dieser Bereitschaft willen macht
es sich auch nicht noch weicher, sondern ist
ruhig und läßt es geschehen! O Güte Gottes,
daß alles zu Deinen Lasten gehen muß! Du
willst nur unseren Willen und wünschst nichts
weiter, als daß das Wachs gefügig sei.
Ihr seht also, Schwestern, was unser Gott hier
tut, damit die Seele sich bereits als sein
Eigentum erkennt. Er gibt von dem, was er hat;
von dem, was sein Sohn in diesem Leben hatte.
Er kann uns keine größere Gnade erweisen. Wer
hätte wohl sehnlicher gewünscht, dieses Leben
zu verlassen? Deshalb sagte Seine Majestät
beim Abendmahl: »Mich hat herzlich
verlangt...«
»Aber wie, Herr! Schreckt Dich denn nicht der
qualvolle, furchtbare Tod, den Du erleiden
sollst?«
»Nein. Denn meine Liebe zu den Seelen und
meine Sehnsucht nach ihrer Erlösung ist
unvergleichlich viel stärker als diese
Schmerzen. Und die entsetzlichen Qualen, die
ich litt und leide, seitdem ich auf der Welt
bin, sind schlimm genug, um die kommenden
Leiden daneben für nichts zu achten.«
Oft habe ich so darüber nachgedacht. Und ich
kenne die Qual, die eine Seele, welche mir
vertraut ist, aussteht und ausgestanden hat,
weil sie sieht, wie unser Herr beleidigt wird.
Diese Marter ist so unerträglich, daß man viel
lieber sterben möchte, als dies weiterhin
erdulden. Und empfindet schon eine Seele mit
einer Liebe, die im Vergleich zur Liebe
Christi so kümmerlich ist, daß man sagen kann,
sie sei daneben fast überhaupt nicht
vorhanden, diese Marter als so unerträglich –
was empfand dann erst unser Herr Jesus
Christus, und was für ein Leben hatte er
durchzustehen, er, dem alle Dinge gegenwärtig
waren und der ständig die schweren
Beleidigungen erblickte, die man seinem Vater
zufügte? Ich glaube fest, daß diese Schmerzen
sehr viel größer waren als die –, welche er in
seiner heiligsten Passion erduldete. Denn da
gewahrte er schon das Ende dieser Qualen. Dies
und die Genugtuung, uns durch seinen Tod
erlöst zu sehen, sowie die Freude, seine Liebe
zum Vater dadurch zu erzeigen, daß er so viel
litt um seinetwillen, linderten ihm wohl die
Schmerzen. So geht es ja hier auch denen, die
mit der Kraft der Liebe schwere Bußdienste auf
sich nehmen: sie fühlen es beinahe nicht,
wollen eher mehr und immer mehr ertragen, und
alles wird ihnen leicht. Was mußte es da für
Seine Majestät bedeuten, solch eine
Gelegenheit vor sich zu haben, wo er seinem
Vater zeigen konnte, wie getreu er die Pflicht
des Gehorsams und der Nächstenliebe erfüllte?
O selige Lust, zu leiden, indem man Gottes
Willen tut! Doch immer mit ansehen zu müssen,
wie Seine Majestät ständig beleidigt wird und
wie so viele Seelen der Hölle entgegengehen,
das halte ich für etwas so Bitteres und
Schmerzliches, daß nach meiner Meinung ein Tag
solcher Qual ausgereicht hätte, seinem Leben
vielmals ein Ende zu bereiten, nicht nur
einmal, wäre er nicht mehr als ein Mensch
gewesen.
DRITTES KAPITEL
Kehren wir denn zu unserem kleinen Falter
zurück und betrachten wir einige der Gaben,
die Gott in diesem Stadium gewährt. Immer –
das versteht sich – muß die Seele bestrebt
sein, voranzukommen im Dienst unseres Herrn
und in der Selbsterkenntnis; denn wenn sie
nichts weiter tut, als diese Gnade anzunehmen,
wenn sie sich ihrer Sache so sicher glaubt,
daß sie sorglos wird in ihrem Lebenswandel und
abkommt vom Weg zum Himmel – das heißt: von
den Geboten –, so wird es ihr ergehen wie dem
Falter, der aus einer Raupe hervorgegangen ist
und seinen Samen weitergibt, damit andere
daraus entstehen, während er selber stirbt für
immer. Ich sage, daß er seinen Samen
weitergibt, weil es nach meiner Meinung Gottes
Wille ist, daß eine so große Gnade nicht
vergebens erteilt wurde, sondern anderen zum
Nutzen gereicht, wenn schon die Seele sie
nicht für sich selber nutzt. Bleibt sie dem
Verlangen, vorwärts zu kommen, treu und hegt
sie die genannten Tugenden, so nützt sie
immer, solange sie im Guten verharrt, auch
anderen Seelen und erwärmt sie durch ihre
Wärme; und selbst wenn diese einem schon
verloren gegangen ist, so fühlt man doch noch
den Wunsch, andere möchten davon einen Nutzen
haben, und mit Freuden tut man die Gnaden
kund, die Gott dem erweist, der ihn hebt und
ihm dient.
Ich habe eine Person gekannt, die es an sich
erfuhr, daß sie, obwohl sie selber tief in der
Verlorenheit war, doch Freude daran fand, daß
andere die Gnaden, die Gott ihr erwiesen
hatte, sich zunutze machten. Und mit Freude
zeigte sie denen, die ihn nicht wußten, den
Weg des Gebets und war damit von großem,
großem Nutzen. Später erleuchtete sie der Herr
von neuem. Sie hatte damals freilich noch
nicht die Wirkungen an sich erfahren, von
denen wir vorhin gesprochen haben. Doch wie
viele wird es geben, die der Herr zu seinen
Jüngern beruft, gleich dem Judas, denen er
sich mitteilt, die er zu Königen machen will,
gleich dem Saul, und die danach durch ihre
eigene Schuld verloren gehen! Daraus ersehen
wir, Schwestern, daß der einzig sichere Weg,
uns mehr und mehr Verdienste zu erwerben und
nicht verloren zu gehen wie jene, darin
besteht, daß wir am Gehorsam festhalten und
von Gottes Gesetz nicht abweichen. Das sage
ich denen, die solche Gnaden erfahren, und
ebenso allen anderen.
Es scheint mir, daß nach allem, was ich gesagt
habe, diese Wohnung für euch noch immer etwas
dunkel bleibt. Da es so viel Gewinn bringt,
wenn man dorthin gelangt, wäre es nicht gut,
wenn ich den Eindruck erweckte, als bestünde
für die, denen der Herr nicht solch
übernatürliche Dinge zuteil werden läßt, keine
Hoffnung; denn die wahre Vereinigung kann man
– mit Gottes Gunst – sehr wohl erlangen, wenn
wir mit Eifer danach streben, auf unseren
eigenen Willen verzichten und uns nur an das
halten, was Gottes Wille ist. Oh, wie viele
gibt es unter uns – ich habe es wohl schon
einmal ausgesprochen –, die dies sagen und
meinen, sie wollten nichts anderes und wären
bereit, für diese Wahrheit zu sterben. Denn
ich sage euch und werde es euch noch oft
sagen: Wäre dies so, dann hättet ihr diese
Gnade des Herrn bereits erlangt, und es würde
euch nicht bekümmern, ob ihr jene andere
herrliche Vereinigung erfahret oder nicht;
denn das Wertvollste an jener ist, daß sie
eben aus der Verbindung erwächst, von der ich
gerade spreche, und daß man jene nicht
erreichen kann, wenn diese Vereinigung (die
darin besteht, daß unser Wollen sich dem
Willen Gottes ergibt) noch nicht fest und
sicher ist. Oh, wie begehrenswert ist diese
Vereinigung! Glücklich die Seele, die sie
erlangt hat; denn sie wird schon in diesem
Leben voll Ruhe sein und im anderen auch. Kein
irdisches Ereignis wird sie bedrücken, es sei
denn, sie sähe sich in der Gefahr, Gott zu
verlieren, oder sie erblickte, wie er
beleidigt wird. Weder Krankheit noch Tod
bekümmern sie, außer wenn ein Mensch
dahingeht, der in der Kirche Gottes eine Lücke
hinterläßt. Denn diese Seele sieht wohl, daß
Er besser weiß, was Er tut, als sie weiß, was
sie sich wünscht.
Ihr werdet sicher merken, daß dabei
verschiedenerlei schmerzliche Empfindungen
auftauchen. Die einen entspringen – genau wie
die Freuden – jählings unserer Natur, die
anderen erwachsen aus der mitleidenden Liebe
zu den Nächsten – wie sie unser Herr empfand,
als er den Lazarus erweckte. Doch diese
Kümmernisse rauben uns nicht die Einigkeit mit
dem Willen Gottes und verwirren die Seele auch
nicht mit einer unruhigen, leidenschaftlichen
Erregung, die lange anhält. Sie gehen schnell
vorüber, denn sie dringen allem Anschein nach
– wie ich dies schon von manchen Wonnen beim
Gebet sagte – nicht bis in die Tiefe der
Seele, sondern nur bis zu den Sinnen und
Seelenkräften. Sie erscheinen nur in den
Wohnungen, die wir bereits durchschritten
haben, nicht aber in der, von welcher zuletzt
die Rede sein muß. Hierfür ist nämlich das
nötig, was von der Aufhebung der Seelenkräfte
gesagt worden ist, obgleich der Herr die Macht
hat, die Seelen auf vielerlei Wegen zu
bereichern und in diese Wohnungen zu führen,
nicht nur auf dem Abkürzungspfad, von dem wir
sprachen.
Beachtet aber wohl, Töchter, daß die Raupe
notwendigerweise sterben muß. Und das wird
euch hier härter ankommen; denn dort fällt das
Sterben viel leichter, weil die Seele sich
bereits in einem völlig neuen Leben sieht.
Hier jedoch ist es nötig, daß wir, solange wir
noch mitten in diesem Leben sind, sie in uns
töten. Ich gestehe euch, daß dies sehr viel
beschwerlicher ist, doch ist es der Mühe wert,
und der Lohn wird darum um so größer sein,
wenn ihr siegreich daraus hervorgeht. Daß es
aber möglich ist, daran ist nicht zu zweifeln,
falls die Vereinigung mit dem Willen Gottes
wirklich echt ist. Diese Einigkeit habe ich
mein Leben lang ersehnt, und um sie bitte ich
ständig unseren Herrn. Sie ist die klarste und
sicherste.
Aber ach, wie wenige von uns werden sie
erlangen, obwohl man meint, es sei alles
getan, wenn man sich davor hütet, Gott zu
beleidigen, und sich einem kirchlichen Leben
weiht! Oh, es ist einiges Gewürm geblieben,
das man erst bemerkt, wenn es – gleich jenem
Wurm, der den Efeu des Jonas zernagte – die
Tugenden angefressen hat durch Eigenliebe,
Eigendünkel, Richten über die Nächsten (sei es
auch nur in Kleinigkeiten), durch Mangel an
Liebe zum anderen, den wir nicht so gern haben
wie uns selbst. Wenn wir auch mühsam und
schleppend der Pflicht nachkommen, nicht zu
sündigen, so gelangen wir damit noch lange
nicht so weit, daß wir völlig mit dem Willen
Gottes vereint sein können.
Doch was, meine Töchter, wird wohl sein Wille
sein? Daß wir vollkommen seien, um eins zu
sein mit ihm und dem Vater – wie Seine
Majestät es erbeten hat. Schaut, wieviel uns
noch fehlt, um dahin zu gelangen. Ich sage
euch, daß ich dies in tiefer Betrübnis
schreibe, weil ich mich so weit davon entfernt
sehe, und zwar nur durch meine eigene Schuld.
Denn der Herr muß uns dazu keine großen
Geschenke gewähren; es genügt, was er uns
geschenkt hat, als er uns seinen Sohn gab,
damit er uns den Weg weise. Denket nicht, es
käme darauf an, daß ich, wenn mein Vater oder
mein Bruder stirbt, so sehr mit Gottes Willen
übereinstimme, daß ich dabei keinen Schmerz
empfinde, und wenn Not und Krankheit über mich
kommen, ich sie mit Freude erdulde. Gelingt
uns das, so ist es gut, und zuweilen beruht es
auf Klugheit; denn wir können nichts weiter
tun und machen so aus der Not eine Tugend. Wie
viele Beispiele solcher Haltung bieten uns die
Philosophen; und erwiesen sie es nicht in
genau dem gleichen Fall, so doch bei anderen
Anlässen, die viel Weisheit erfordern. Hier
aber verlangt der Herr nur zwei Dinge von uns:
Liebe zu Seiner Majestät und zum Nächsten.
Darum haben wir zu ringen. Bewahren wir sie
ohne Fehl, so tun wir seinen Willen und sind
dadurch eins mit ihm. Doch wie weit sind wir –
wie gesagt – davon entfernt, dieses zweifache
Gebot so zu halten, wie wir es einem solch
großen Gotte schuldig sind! Möge es Seiner
Majestät gefallen, uns die Gnade zu verleihen,
daß wir es verdienen, auf diese Stufe zu
gelangen. Wir haben es in der Hand, wenn wir
wollen.
Das sicherste Merkmal dafür, daß wir diese
zwei Gebote halten, ist meines Erachtens die
treue Wahrung der Liebe zum Nächsten. Denn ob
wir Gott lieben, kann man nicht wissen (obwohl
es deutliche Anzeichen gibt, die es erkennen
lassen); aber ob wir unseren Nächsten lieben,
das merkt man. Und ihr dürft mir glauben: Je
mehr ihr hierin Fortschritte macht, um so
tiefer ist eure Liebe zu Gott; denn Seine
Majestät liebt uns so sehr, daß er als Lohn
für die Liebe, die wir dem Nächsten
entgegenbringen, unsere Liebe zu Seiner
Majestät tausendfältig wachsen läßt. Daran
kann ich nicht zweifeln.
Es ist sehr wichtig, mit großer Aufmerksamkeit
darauf zu achten, wie wir uns in dieser
Hinsicht verhalten. Wenn wir es hierin zur
Vollkommenheit bringen, so ist alles gewonnen.
Ich glaube nämlich, daß unsere Liebe zum
Nächsten, weil wir von Natur aus böse sind,
sich nie zur Vollkommenheit entwickeln kann,
wenn sie nicht aus der Wurzel unserer Liebe zu
Gott erwächst. Da dies für uns so bedeutsam
ist, so wollen wir danach trachten, daß wir
uns selbst in den kleinsten Dingen verstehen
und uns nichts aus den großartigen Taten
machen, wie sie beim Gebet uns reichlich
vorschweben, Taten, die wir für unsere
Nächsten oder zum Heil einer einzigen Seele
künftig zu vollbringen wähnen. Denn folgen
darauf nicht die entsprechenden Werke, so
besteht auch kein Anlaß zu glauben, daß wir
sie verwirklichen. Dasselbe rate ich euch im
Blick auf die Demut und alle anderen Tugenden.
Groß ist die List und Tücke des Satans, der
tausendmal die Hölle in Bewegung setzt, um uns
glauben zu machen, wir hätten eine Tugend, die
wir in Wirklichkeit nicht besitzen. Und er tut
es mit gutem Grund; denn er richtet damit viel
Schaden an, weil diese eingebildeten Tugenden
– ihrer Herkunft entsprechend – stets von
Ehrsucht begleitet sind, während die anderen,
die Gott schenkt, frei sind von Dünkel und
Hochmut.
Manchmal muß ich lächeln, wenn ich Seelen
sehe, die beim Gebet den Wunsch in sich zu
fühlen glauben, Gott zuliebe Erniedrigungen
und öffentliche Anfeindungen zu erleiden, und
die danach einen kleinen Fehler, den sie
begangen haben oder den man ihnen nur anhängt,
am liebsten verdecken würden, wenn sie es
könnten. Gott bewahre uns! Wer das nicht
ertragen kann, der hüte sich davor, den
Entschlüssen, die er bei sich gefaßt zu haben
scheint, irgendein Gewicht beizumessen; denn
in Wirklichkeit waren dies keine Entschlüsse
des Willens – handelt es sich tatsächlich um
solche, so ist es etwas anderes –, sondern
eine Ausgeburt der Einbildung. In der
Phantasie vollführt nämlich der Satan seine
Gaukeleien und trügerischen Kniffe, und uns
Frauen oder dem unwissenden Volk kann er da
allerlei vormachen, weil wir die Seelenkräfte
und die Einbildungskraft nicht recht zu
unterscheiden wissen und uns in tausenderlei
anderen inneren Erscheinungen nicht auskennen.
Oh, Schwestern, klar und deutlich ist es zu
sehen, in wem von euch die Nächstenliebe in
Wahrheit lebt und wo sie noch nicht so
vollkommen ist! Wenn ihr verstündet, wie
wichtig diese Tugend ist, so würdet ihr nichts
anderem mehr nacheifern.
Wenn ich Seelen erblicke, die sich emsig
bemühen, das Gebet zu erfassen, und mit
niedergeschlagenen Augen und fest
verschlossenem Gesicht darin verharren (so daß
es scheint, als wagten sie nicht, sich zu
rühren oder ihre Gedanken in Bewegung geraten
zu lassen, damit ihnen ja kein bißchen Wonne
und Andacht entgehe), so zeigt mir das, wie
wenig sie von dem Weg wissen, auf dem man zur
Vereinigung gelangt. Sie glauben, hierin
bestehe die ganze Arbeit, die von ihnen
erwartet wird. Nein, Schwestern, nein! Werke
will der Herr! Und wenn du eine Kranke siehst,
der du eine Linderung verschaffen kannst,
sollst du dir nichts daraus machen, daß es
dich deine Andacht kostet, sondern dich ihrer
erbarmen. Hat sie einen Schmerz, so fühle du
ihn, und wenn nötig, so verzichte auf die
Speise, damit sie essen kann – nicht so sehr
um ihretwillen, als weil du weißt, daß dies
dein Herr von dir verlangt. Dies ist die wahre
Vereinigung mit seinem Willen. Und wenn du
hörst, daß jemand sehr gelobt wird, so freue
dich darüber viel mehr, als wenn man dich
lobte. Das ist wahrlich nicht schwer; denn wer
Demut besitzt, dem wird es eher peinlich sein,
wenn man ihm ein Lob spendet. Aber diese
Freude über die Anerkennung, welche die
Tugenden der Schwestern finden, ist etwas
Großes, und ebenso die Fähigkeit, einen
Fehler, den wir an irgend jemand gewahren, wie
eine eigene Schwäche zu empfinden und ihn zu
bedecken.
Hierüber habe ich an anderer Stelle viel
gesagt, weil ich sehe, Schwestern, daß wir
verloren sind, wenn wir hierin versagen. Möge
es dem Herrn gefallen, daß dies nie geschehe.
Sind wir aber zu dieser Haltung der
Nächstenliebe fähig, so läßt euch der Herr
gewiß – das sage ich euch – die Vereinigung
zuteil werden, von der wir gesprochen haben.
Wenn ihr jedoch in dieser Hinsicht noch Mängel
an euch seht, glaubt es mir, dann seid ihr,
auch wenn ihr Andacht empfindet und darin
Annehmlichkeiten fühlt (so daß ihr meint, ihr
hättet es erreicht) oder gar eine kleine
Aufhebung im Gebet der Ruhe erlebt (so daß
manche glauben, es sei geschafft) – glaubt
mir, dann seid ihr noch nicht zu dieser
Vereinigung gelangt, und bittet unseren Herrn,
daß er euch die Vollkommenheit dieser Liebe
zum Nächsten schenken möge. Und laßt Seine
Majestät machen; denn er wird euch mehr
schenken, als ihr euch wünschen könnt, wenn
ihr euch mit allen Kräften hierum bemüht und
euren Willen zwingt, völlig zum Willen eurer
Schwestern zu werden, auch wenn ihr dabei
etwas von eurem Recht verliert und euer
eigenes Wohl dem der anderen zuliebe vergeßt.
Und trachtet danach – auch wenn eure Natur dem
noch so heftig widerstrebt –, dem Nächsten die
Mühsal abzunehmen und sie euch selber
aufzuladen, sooft sich eine Gelegenheit dazu
bietet. Denkt nicht, daß ihr es umsonst
bekommt und es euch fertig in den Schoß fällt.
Schaut, was unseren Bräutigam die Liebe zu uns
gekostet hat. Um uns vom Tode zu befreien,
starb er den qualvollen Tod am Kreuz.
VIERTES KAPITEL
Ich glaube, ihr werdet begierig sein, zu
sehen, was aus dem kleinen Falter wird und wo
er sich niederläßt; denn wir haben ja erkannt,
daß er weder in geistlichen Wonnen noch in
irdischen Freuden ausruht. Höher hinauf führt
sein Flug, und ich kann euch diese Begierde
nicht befriedigen, bevor wir nicht zur letzten
Wohnung gelangen. Wolle Gott, daß ich mich
daran erinnere und Gelegenheit finde, davon zu
schreiben. Denn es sind schon fast fünf Monate
vergangen, seitdem ich hiermit begonnen habe,
und mein Kopf ist nicht in dem Zustand, daß
ich es nochmals durchlesen könnte, so daß wohl
alles recht verworren ist und das eine oder
andere vielleicht doppelt gesagt wurde. Da es
für meine Schwestern ist, macht es wenig aus.
Ich will euch noch eingehender erklären, was
nach meiner Ansicht dieses Gebet der
Vereinigung ist. Meiner Geistesart
entsprechend werde ich mich dazu eines
Gleichnisses bedienen. Später werden wir mehr
von diesem kleinen Falter reden, der nicht
rastet (obwohl er unablässig wirkt für die
Frucht, indem er sich selbst und anderen
Seelen Gutes tut), weil er nicht zu seiner
wahren Ruhe findet.
Ihr habt sicherlich schon oft gehört, daß Gott
sich mit den Seelen geistlich verlobt.
Gepriesen sei sein Erbarmen, das sich so tief
erniedrigen will. Und mag dieser Vergleich
auch plump sein – ich finde keinen anderen,
der das, was ich ausdrücken möchte,
verständlicher machen könnte als das Sakrament
der Ehe. Ist auch die Art der Verbindung
anders (da es bei dem, wovon wir reden, nichts
gibt, was nicht geistig wäre; das Körperliche
ist sehr fern, und die geistigen Freuden, die
der Herr gibt, sind tausend Meilen von den
Wonnen entfernt, welche diejenigen wohl haben,
die sich verloben), so ist es doch ganz
gegenseitige Liebe, und ihre Wirkungen sind
überaus rein und so zart und fein, daß es mit
Worten nicht zu sagen ist. Doch der Herr
vermag es, sie recht deutlich fühlen zu
lassen.
Es scheint mir, daß die Vereinigung, die in
dieser Wohnung sich vollzieht, noch nicht zur
geistlichen Verlobung wird. Es geht hier
vielmehr, wie bei irdischen Verhältnissen,
wenn zwei heiraten sollen, zunächst darum, ob
sie zueinander passen und daß beide die
Verlobung wollen. Sie besuchen sich, um immer
größeres Gefallen aneinander zu finden. So ist
es auch hier – vorausgesetzt, daß die
Übereinstimmung bereits zustande gekommen ist
und die Seele sich sehr genau darüber im
klaren befindet, welches Glück dies für sie
bedeutet, sowie, daß sie entschlossen ist, in
allem den Willen ihres Bräutigams zu tun, auf
jede nur erdenkliche Weise, die ihm Freude
macht. Die göttliche Majestät, die es wohl
erkennt, wenn dies der Entschluß der Seele
ist, begegnet ihr in derselben Weise. Und
darum wünscht der Herr in seiner
Barmherzigkeit, daß die Seele ihn noch mehr
erkenne, daß sie – wie man so sagt – Auge in
Auge einander begegnen, und vereint sich mit
ihr. Wir können sagen, daß dies so ist, weil
es nur sehr kurze Zeit währt. Hier gibt es
kein anderes Geben und Nehmen als dies, daß
die Seele auf eine geheimnisvolle Weise sieht,
wer dieser Bräutigam ist, den sie nehmen soll.
Denn mit ihren Sinnen und Geisteskräften
könnte sie in tausend Jahren nicht begreifen,
was sie hier in kürzester Zeit erfaßt. Das
Wesen dieses Bräutigams aber macht es, daß
allein dieser Anblick sie dessen würdiger
werden läßt, daß sie sich gleichsam die Hände
reichen. Denn die Seele wird so von Liebe
erfaßt, daß sie von sich aus tut, was sie
kann, damit diese göttliche Verlobung nicht
entzweigehe. Doch wenn die Seele achtlos wird
und ihre Zuneigung auf etwas anderes richtet,
so geht ihr alles verloren. Und die Schwere
dieses Verlustes ist so gewaltig wie es die
Größe der Gnaden, ist, die Er erweist und die
weit über unser Lob erhaben sind.
Darum, ihr christlichen Seelen, die der Herr
bis hierher geführt hat, bitte ich euch um
seinetwillen, daß ihr nicht müde werdet in
eurer Wachsamkeit, sondern euch fernhaltet von
den Gelegenheiten zur Sünde; denn selbst in
diesem Stande ist die Seele noch nicht so
erstarkt, daß sie sich ihnen aussetzen könnte,
wie sie es vermag, nachdem das Verlöbnis
geschlossen ist. Dies geschieht in der
Wohnung, von der wir anschließend reden. Denn
die Verbindung bestand bisher sozusagen in
nichts als einem Blick, und der Satan wird
ständig darauf aus sein, die Seele anzufallen
und die Verlobung zu hintertreiben. Später
aber, wenn er sieht, wie die Seele dem
Bräutigam ganz ergeben ist, wagt er nicht mehr
so viel, da er sie fürchtet und aus Erfahrung
weiß, daß er, wenn er sich darauf einließe,
mit einer schweren Niederlage abziehen müßte,
während sie mit Gewinn bestünde.
Ich sage euch, Töchter, daß ich manche gekannt
habe, die sehr hoch standen, die bis zu dieser
Stufe gelangt waren und die der Satan mit
seiner großen List und Tücke wieder für sich
zu gewinnen verstand. Er bietet dazu wohl die
ganze Hölle auf, da ihm sonst – wie ich schon
oft gesagt habe – nicht nur eine Seele,
sondern eine ganze Menge verloren geht. Er hat
darin bereits Erfahrung. Bedenken wir, wie
viele Seelen Gott mit Hilfe einer einzigen zu
sich zieht, so müssen wir ihn rühmen und
preisen ob der Tausende, welche durch die
Märtyrer oder durch eine Jungfrau wie Sankt
Ursula bekehrt worden sind, und ob all der
anderen, die der Teufel durch den heiligen
Dominikus, den heiligen Franziskus und andere
Ordensstifter verloren hat und noch jetzt
durch den Pater Ignatius, den Gründer der
Gesellschaft Jesu, verliert! Sie alle haben
offensichtlich – wie wir es ja auch lesen –
ähnliche Gnaden von Gott empfangen. Was heißt
das anderes, als daß sie sich darum bemühten,
nicht durch eigene Schuld solch eine göttliche
Verlobung zu verspielen? Oh, meine Töchter!
Dieser Herr ist heute wie eh und je bereit,
uns Gnaden zu erweisen, ja in gewissem Sinn
ist er heute mehr darauf angewiesen, daß wir
diese empfangen wollen, weil es – im Vergleich
zu früher – nur noch wenige gibt, die sich um
seine Ehre kümmern. Wir haben eine große Liebe
zu uns selber und wachen mit scharfsinniger
Klugheit darüber, daß wir nichts von unserem
Recht einbüßen. Oh, was für ein schwerer
Selbstbetrug! Der Herr erleuchte uns mit
seiner Barmherzigkeit, daß wir nicht in solche
Finsternis fallen.
Bei zwei Punkten werdet ihr mir vielleicht
Fragen stellen oder Zweifel hegen. Erstens:
Wie kann die Seele sich selbst betrügen, wenn
sie so mit Gottes Willen übereinstimmt (wie
gesagt worden ist), daß sie in nichts ihrer
eigenen Neigung folgen will? Zweitens: Auf
welchen Wegen kann dem Teufel ein so
gefährlicher Einbruch gelingen, daß eure Seele
noch da verloren geht, wo sie so abgesondert
ist von der Welt und so nahe den Sakramenten,
Ja, wir können sagen, in Gesellschaft von
Engeln weilt? Denn durch die Güte des Herrn
bringt keine der Seelen ein anderes Verlangen
mit, als ihm in allen Stücken zu dienen und
ihm zu gefallen. Daß jene, die mitten in den
irdischen Gelegenheiten zur Sünde stehen, dem
Satan zum Opfer fallen, ist ja nicht
verwunderlich. Ich sage euch: Eure Fragen sind
berechtigt; denn Gott hat uns viel
Barmherzigkeit erwiesen. Doch wenn ich – wie
gesagt – sehe, daß Judas zur Gemeinschaft der
Jünger gehörte und ständig mit Gott selber
umging und seine Worte hörte, so erkenne ich,
daß dies keine Sicherheit bedeutet.
Auf die erste Frage antworte ich: Würde sich
diese Seele stets fest an Gottes Willen
halten, so könnte sie auch nicht verloren
gehen, das ist klar. Doch der Satan schleicht
sich arglistig an sie heran, verleitet sie
unterm Deckmantel der Rechtschaffenheit dazu,
in Kleinigkeiten davon ein bißchen abzuweichen
und sich in Dinge einzulassen, die er ihr als
harmlos vorstellt, umnebelt ihr allmählich den
Verstand, lullt ihren Willen ein und läßt die
Eigenliebe in ihr aufkeimen, bis sie mehr und
mehr sich von Gottes Willen entfernt und sich
dem seinen nähert. Damit ist auch bereits die
Antwort auf die zweite Frage gegeben; denn es
gibt keine noch so dichte Klausur, in die er
nicht einzudringen vermöchte, und keine noch
so abgelegene Wüste, wo er nicht hinkäme. Und
überdies möchte ich euch sagen : Vielleicht
erlaubt ihm das der Herr, um zu sehen, wie
sich die Seele verhält, welche er zum Licht
für andere machen will; denn wenn sie in
Verderbnis gerät, so ist es besser, dies
geschieht am Anfang, als dann, wenn sie vielen
zum Unheil wird.
Was mir am meisten Sicherheit zu bieten
scheint (außer der ständigen Bitte an Gott im
Gebet, er möge uns an seiner Hand halten, und
der stets gegenwärtigen Vorstellung, wie wir,
wenn er uns losließe, in den Abgrund stürzten
– was auch wirklich geschähe –, sowie dem
immer wachen Mißtrauen gegen uns selber; denn
alles andere wäre Torheit), das ist die
Bemühung, uns mit besonderer Vorsicht und
Besonnenheit zu bewegen, stets darauf achtend,
wie wir den Weg der Tugend gehen: ob wir ein
Stückchen vorankommen oder Rückschritte machen
(vor allem in der Liebe, die wir füreinander
empfinden). Wir müssen darüber wachen, daß es
unser Wunsch ist, für die Geringste gehalten
zu werden; auch dürfen wir unser Verhalten bei
alltäglichen Dingen nicht aus den Augen
lassen. Schauen wir darauf und bitten wir den
Herrn, daß er uns erleuchte, so werden wir
sehen, was uns Gewinn bringt und was Verlust.
Ihr dürft nicht denken, Gott würde eine Seele,
die er bis hierher geführt hat, so schnell von
seiner Hand lassen, daß es dem Satan keine
große Mühe kostet. Es ist Seiner Majestät so
leid um jede, die Er verliert, daß Er ihr
vorher tausendfach die verschiedensten
Warnungen innerlich zukommen läßt, damit ihr
das Unheil nicht verborgen bleiben kann.
Zum Schluß sei darum gesagt: Laßt uns immer
danach streben, daß wir vorankommen. Geschieht
das nicht, so muß uns große Furcht erfüllen;
denn sicher will uns dann der Satan irgendwie
übertölpeln. Nachdem wir so weit gekommen
sind, ist es unmöglich, daß wir in unserem
Wachstum stehen bleiben; denn die Liebe ist
nie müßig. Es wäre also ein recht schlimmes
Zeichen. Eine Seele, die danach getrachtet
hat, die Braut von keinem Geringeren als Gott
selber zu werden, die schon mit ihm Umgang
hatte und bis zu jener Höhe emporgestiegen
ist, von der wir sprachen, darf sich nicht
hinlegen und schlafen. Und damit ihr seht,
Töchter, was er mit denen tut, die ihm schon
verlobt sind, wollen wir beginnen, von der
sechsten Wohnung zu reden. Ihr werdet dabei
erkennen, wie wenig all das Dienen und Leiden
und Wirken ist, dem wir uns hingeben können,
um uns auf solch große Gnaden vorzubereiten.
Vielleicht hat Gott es angeordnet, daß mir
befohlen wurde, dies zu schreiben, damit wir,
die Augen auf den Preis gerichtet und die
Unermeßlichkeit seines Erbarmens schauend (daß
er sich mit Gewürm verbinden und ihm sich
offenbaren will!), unsere kleinen irdischen
Freuden vergessen und, zu seiner Größe
emporblickend, ihm entgegeneilen, entflammt
von seiner Liebe.
Möge es ihm gefallen, daß es mir gelingt,
solch schwierige Dinge ein wenig zu erklären.
Denn wenn Seine Majestät und der Heilige Geist
nicht die Feder führen, so ist es unmöglich,
das weiß ich gewiß. Sollte es aber nicht zu
eurem Nutzen sein, so flehe ich den Herrn an,
daß es mir verwehrt sei, irgend etwas zu
sagen; denn er weiß es, daß ich dabei keinen
anderen Wunsch hege – soweit ich mich selber
kenne –, als daß sein Name gelobt werde und
daß wir uns Mühe geben, einem solchen Herrn zu
dienen, der schon hier auf der Erde uns so
reich belohnt, daß wir daraus erahnen können,
was er uns im Himmel schenken wird, fern von
den Drohungen, Leiden und Gefahren, die es
hier auf diesem Meer der Stürme gibt. Wären
wir nicht von der Gefahr bedroht, ihn zu
verlieren und ihn zu beleidigen, so wäre es
nur schön, wenn wir weiterleben würden bis zum
Ende der Welt, um für einen so großen Gott und
Herrn und Bräutigam zu arbeiten. Möge es
Seiner Majestät gefallen, daß wir es
verdienen, ihm einen Dienst erweisen zu
können, ohne die vielen Mängel, die uns immer
anhaften, selbst bei den guten Werken. Amen.
DIE SECHSTE WOHNUNG
ERSTES KAPITEL
Beginnen wir denn mit Hilfe des Heiligen
Geistes von der sechsten Wohnung zu sprechen,
wo die Seele schon verwundet ist von der Liebe
des Bräutigams, wo sie noch mehr nach
Einsamkeit strebt und – je nach ihrem Stande –
sich möglichst all dessen zu entledigen sucht,
was ihr diese Einsamkeit stören könnte. Der
Anblick, den sie erhalten hat, ist der Seele
so eingemeißelt, daß es ihr ganzes Begehren
ist, ihn erneut genießen zu können.
Ich habe schon gesagt, daß man in diesem Gebet
nichts derart sieht, daß man es ein Sehen der
Augen oder der Phantasie nennen könnte.
»Anblick« sage ich im Sinn des Vergleiches,
den ich gebraucht habe. Die Seele ist bereits
fest entschlossen, keinen anderen Gemahl zu
nehmen. Doch der Bräutigam achtet nicht auf
ihr brennendes Verlangen, schon jetzt die
Hochzeit zu halten; denn er will, daß sie es
noch mehr ersehne und daß es sie etwas koste,
weil es das höchste aller Güter ist. Und
obwohl alles, was sie dafür auf sich nehmen
muß, gering ist im Vergleich zu einem solch
herrlichen, unermeßlichen Gewinn, sage ich
euch, Töchter, daß sie es nicht aushalten
könnte, wenn sie nicht schon ein Pfand und
einen Beweis dafür hätte. Oh, mein Gott,
wieviel innere und äußere Mühsal muß sie
erleiden, bevor sie in die siebte Wohnung
eintritt!
Wahrlich, manchmal, wenn ich darüber
nachdenke, fürchte ich, daß unsere schwache
Natur, wenn man dies vorher wüßte, wohl kaum
je sich zu dem Entschluß aufraffen würde,
alles auf sich zu nehmen und willig zu
erdulden, trotz noch so herrlicher Güter, die
einem dafür in Aussicht gestellt werden – es
sei denn, die Seele wäre schon in die siebte
Wohnung gelangt. Denn dort ist man der Angst
enthoben, daß die Seele nicht bereit sein
könnte, sich rückhaltlos hinzuwerfen und es
Gott zuliebe zu erleiden. Der Grund dafür ist,
daß sie fast immer in der unmittelbaren Nähe
Seiner Majestät weilt. Daher stammt ihre
Kraft.
Ich glaube, es wird jedoch gut sein, wenn ich
euch einige der Leiden nenne, von denen ich
weiß, daß sie einem hier mit Sicherheit
begegnen. Vielleicht werden nicht alle Seelen
diesen Weg geführt; obwohl ich es sehr
bezweifle, daß Seelen, die zuweilen so
wirklich und wahrhaftig himmlische Dinge
genießen, frei von jeglichem irdischen Leiden
leben.
Obgleich es nicht meine Absicht war, hierüber
zu reden, habe ich doch gedacht, daß es für
eine Seele, die davon bedrückt wird, ein
großer Trost sein müßte, wenn sie erfährt, was
in denen vorgeht, welchen Gott ähnliche Gnaden
erweist; denn es kommt einem da wirklich so
vor, als wäre alles verloren. Ich werde diese
Leiden aber nicht in der Reihenfolge anführen,
wie sie einem begegnen, sondern wie sie mir
gerade ins Gedächtnis kommen, und möchte mit
den kleinsten beginnen. Zu diesen gehört ein
Tratsch unter den Leuten, mit denen man zu tun
hat, und auch unter solchen, die einem völlig
fern stehen und von denen man nie vermutet
hätte, sie könnten sich überhaupt an uns
erinnern. Da heißt es dann: »Sie macht sich
zur Heiligen; sie gibt sich überspannt, um die
Leute zu täuschen und die anderen
schlechtzumachen, die bessere Christen sind
als sie, ohne solch ein feierliches Gehabe zur
Schau zu stellen.« Dabei tut die Seele, von
der die Rede ist, wohlgemerkt, nichts anderes,
als daß sie sich darum bemüht, ihren Stand
gewissenhaft zu wahren. Die einst ihre Freunde
waren, trennen sich von ihr; und eben diese
sind es, die ihr am ärgsten zusetzen. Von
ihnen schmerzt es am meisten. Sie sagen:
»Diese Seele ist verloren, sie ist
offensichtlich irregeleitet; diese Dinge
stammen vom Satan; es ergeht ihr bestimmt wie
der und jener Seele, die zugrunde gegangen
ist; sie ist daran schuld, daß die Tugend
abnimmt, denn sie täuscht die Beichtväter.«
Und dann gehen sie zu diesen, erzählen ihnen
das gleiche und verweisen dabei auf Beispiele,
wie es einigen ergangen sei, die auf diese
Weise in ihr Verderben gelaufen seien. So wird
tausenderlei Hohn und Tratsch verbreitet.
Ich weiß von einer Person, die ernstlich
fürchtete, sie könnte niemanden finden, der –
nach den Gerüchten, die umliefen – noch bereit
wäre, ihr die Beichte abzunehmen. Soviel wird
da geredet, daß es keinen Sinn hat, sich
weiter damit aufzuhalten. Und das Schlimme
daran ist, daß diese Gerüchte nicht kommen und
rasch wieder verschwinden, sondern sich das
ganze Leben lang halten. Und eine warnt die
andere, man möge sich davor hüten, mit
derartigen Personen umzugehen.
Ihr werdet mir antworten, daß es auch solche
gibt, die Gutes reden. O Töchter, wie wenige
sind es, die daran glauben als an etwas Gutes,
verglichen mit denen, die es schmähen! Und
außerdem sind solche gutgemeinten Äußerungen
eine weitere Pein, die noch schlimmer ist als
die üble Nachrede; denn da die Seele klar
erkennt, daß es ihr von Gott geschenkt ist,
wenn etwas Gutes an ihr ist, und daß es
keinesfalls von woanders kommen kann, weil sie
sich kurz zuvor noch ganz verderbt in schweren
Sünden befand. Darum ist ihr solch ein Lob
eine unerträgliche Qual, zumindest am Anfang;
später mindert sie sich aus verschiedenen
Gründen. Erstens: Weil die Erfahrung ihr
deutlich zu erkennen gibt, daß eine gute
Nachrede so schnell entsteht wie eine üble,
macht sie sich aus der einen nicht mehr als
aus der anderen. Zweitens: Weil der Herr sie
noch klarer gewahren läßt, daß nichts, was an
ihr gut ist, ihr Eigentum darstellt, sondern
ein Geschenk ist von Gott, vergißt sie, daß
sie selber irgendwie daran beteiligt ist, und
lobt Gott von neuem, als sähe sie das Gute an
einer fremden Person. Drittens: Weil sie
erlebt hat, daß der Anblick der Gnaden, welche
Gott ihr erweist, einigen Menschen zum Nutzen
geworden ist, denkt sie, Seine Majestät habe
dieses Mittel – daß man sie für gut hält, wo
sie es doch nicht ist – dazu gewählt, daß es
anderen zum Heil gereiche. Viertens: Weil sie
die Ehre Gottes mehr im Auge hat als den
eigenen Ruhm, wird sie frei von der
Anfechtung, die anfänglich mit der Furcht sie
überkam, diese Lobsprüche würden sie ins
Verderben stürzen, wie sie es bei einigen
anderen gesehen hat. Und darum macht es ihr
auch wenig aus, wenn man ihr die Ehre versagt,
falls dafür ihre Person dann als Anlaß dient,
daß Gott gepriesen wird, sei es auch nur ein
einziges Mal. Möge daraus werden, was da will.
Diese und andere Überlegungen lindern die
große Pein, welche solche Lobesworte über die
eigene Person der Seele bereiten. Sie wird
allerdings fast nie ganz frei von solch
schmerzlichen Empfindungen, es sei denn, daß
sie überhaupt nicht beachtet wird. Aber in der
Öffentlichkeit so ohne jede Berechtigung als
gut zu gelten, bedrückt einen unvergleichlich
mehr als alles Gerede. Wenn die Seele jedoch
einmal so weit gekommen ist, daß sie solchen
Lobsprüchen keine große Bedeutung mehr
beimißt, so wird ihr das Geläster noch viel
weniger gewichtig erscheinen, eher vergnügt es
sie und klingt ihr wie eine sanfte Musik in
den Ohren. Das ist eine wichtige Wahrheit. Es
stärkt die Seele mehr, als daß es sie
schwächt; denn die Erfahrung hat sie bereits
gelehrt, welch großen Gewinn sie auf diesem
Wege erhält, und sie ist nicht der Meinung,
daß ihre Verfolger Gott beleidigen, sondern
glaubt vielmehr, daß Seine Majestät ihnen die
Erlaubnis zu ihrem Tun gegeben hat, damit sie
dadurch einen großen Gewinn erlange. Und da
sie dies mit aller Deutlichkeit fühlt, hegt
sie für ihre Verleumder eine besonders innige
Liebe; denn es scheint ihr, diese Menschen
seien ihr die besseren Freunde und brächten
ihr mehr Gewinn als die anderen, die gut von
ihr reden.
Auch legt der Herr einem oft schwere
Krankheiten auf. Das ist ein viel größeres
Leiden, vor allem wenn starke Schmerzen damit
verbunden sind. Sind sie heftig, so ist dies
meines Erachtens das Schlimmste, was einen auf
Erden treffen kann (äußerlich, meine ich), so
viel einem hier auch zustoßen mag – falls die
Schmerzen wirklich entsetzlich sind. Denn das
Innere und Äußere wird dadurch zerrüttet, und
die Seele wird davon so bedrückt, daß sie
nicht mehr aus noch ein weiß und viel lieber
jede Art von Martyrium, die schnell zum Tode
führt, auf sich nehmen würde als diese
Schmerzen. Der äußerste Grad an Heftigkeit
hält zwar nicht lange an (denn Gott legt uns
schließlich nicht mehr auf, als wir ertragen
können, und Seine Majestät schenkt uns zuerst
die Geduld dazu), doch andere schwere Qualen
und Krankheiten vielerlei Art begleiten uns
oft Tag für Tag.
Ich kenne eine Person, die seit der Zeit, wo
der Herr ihr die Gnade, von der wir gesprochen
haben, zu erweisen begann – was vor vierzig
Jahren geschah –, wirklich nicht mehr sagen
kann, daß sie auch nur einen Tag ohne
Schmerzen oder sonstige Leiden verlebt habe.
Ich meine Mängel der körperlichen Gesundheit,
ohne auf andere schwere Bedrängnisse
anzuspielen. Es trifft freilich zu, daß diese
Seele sehr verderbt gewesen war; und im
Vergleich zur Hölle, die sie verdient hätte,
erscheint ihr das alles unbedeutend. Andere,
die unseren Herrn nicht so beleidigt haben,
wird er einen anderen Weg führen. Ich würde
jedoch immer den des Leidens wählen, schon um
es unserem Herrn Jesus Christus nachzutun,
wäre auch sonst kein besonderer Gewinn damit
verbunden, der doch immer reichlich auf ihm zu
finden ist.
Oh, wenn wir von den innerlichen Leiden reden,
müssen – falls es gelingt, sie auszudrücken –
die anderen unwesentlich erscheinen. Ihre
Erscheinungsweisen zu erklären ist unmöglich.
Beginnen wir mit der Qual, die es einer Seele
bereitet, wenn sie auf einen Beichtvater
stößt, der so zaghaft vorsichtig und so wenig
erfahren ist, daß ihm überhaupt nichts als
gewiß und sicher erscheint. Er fürchtet alles,
setzt in alles seinen Zweifel, sobald er Dinge
gewahrt, die nicht alltäglich sind; vor allem
wenn er an der Seele, der sie widerfahren,
irgendeine Unvollkommenheit entdeckt (denn
solche Menschen meinen, es müßten Engel sein,
denen Gott diese Gnaden erweist, und es könne
einem so etwas unmöglich begegnen, solange man
in diesem Leibe sei). Dann wird alles als Werk
des Teufels oder der Melancholie verdammt. Und
von der letzteren ist die Welt so voll, daß
ich mich nicht darüber verwundere. So häufig
tritt sie jetzt in Erscheinung und der Teufel
bewirkt durch sie so viele Übel, daß es sehr
wohl berechtigt ist, wenn die Beichtväter sie
fürchten und sehr genau auf sie achten. Doch
die arme Seele, die von derselben Furcht
erfüllt ist und zum Beichtvater wie zu einem
Richter geht, wird durch seine Verdammung in
eine solch große Qual und Verwirrung gestürzt,
daß nur der, welcher es selbst erlebt hat,
verstehen wird, wie schrecklich sie leidet.
Eine andere schwere Bedrängnis, von der diese
Seelen gequält werden, vor allem wenn sie böse
waren, ist nämlich der Gedanke, Gott könnte es
wegen ihrer Sünden zulassen, daß sie getäuscht
werden. Obwohl sie, solange Seine Majestät
ihnen die Gnade erweist, ihrer Sache sicher
sind und nicht glauben können, es sei ein
anderer Geist am Werk als der Geist Gottes, so
befällt sie doch später – weil die
Gnadenerscheinung nicht lange währt, die
Erinnerung an ihre Sünden sie aber nie verläßt
und sie ständig Fehler an sich selber gewahren
(denn an solchen mangelt es nie) – diese
bohrende Qual. Ermutigt der Beichtvater die
Seele, so legt sich ihre Angst, wenn sie auch
bald von neuem erwacht. Doch wenn seine Hilfe
darin besteht, daß er ihr noch mehr Furcht
einflößt, so ist es unerträglich, vor allem
wenn sie danach Zeiten der Dürre erlebt, so
daß es nicht den Anschein hat, als habe sie
sich irgendwann einmal an Gott erinnert oder
als werde sie dies jemals tun, und daß es ihr
vorkommt, als spreche man von einer Person,
deren Namen sie von ferne einmal gehört habe,
wenn sie vernimmt, daß von Seiner Majestät die
Rede ist.
Das alles bedeutet nichts, falls nicht die
weitere Qual hinzukommt, daß sie meint, sie
könne sich den Beichtvätern nicht mitteilen
und habe sie getäuscht. Mag sie noch so viel
darüber nachdenken und feststellen, daß sie
sogar jede erste Regung einer sündigen
Anwandlung ihnen sagt, so hilft ihr das
dennoch nicht, weil ihr Verstand so verdunkelt
ist, daß er die Wahrheit nicht zu sehen
vermag, sondern glaubt, was die Einbildung der
Seele vorgaukelt. Denn nun hat diese die
Herrschaft erlangt mit den Wahnbildern, die
der Teufel der Seele vor Augen führen will.
Ihm hat unser Herr wohl die Erlaubnis gegeben,
die Seele zu prüfen, und ihm sogar gestattet,
ihr den Gedanken einzuflößen, daß Gott sie
verworfen habe. So vielerlei Anfechtungen sind
es, die sie im Inneren mit solch
unerträglicher Qual bedrängen, daß ich nicht
weiß, mit wem sonst ich sie vergleichen könnte
als mit denen, die in der Hölle schmachten.
Denn keinerlei Tröstung wird in diesem
rasenden Sturm gewährt. Will sie sich beim
Beichtvater Trost holen, so scheint es, als
seien die Teufel diesem zu Hilfe geeilt, damit
er sie noch mehr martere. Einer Seele, die
sich in diesem Sturm befand, gab ein
Beichtvater, nachdem es vorüber war, einmal
den Rat, sie möge es ihm mitteilen, wenn sie
in diesen Zustand gerate (denn es erschien ihm
bedrohlich, weil so viele Dinge gleichzeitig
auf die Seele einstürmten). Doch es wurde nur
schlimmer, so daß er schließlich zu der
Einsicht kam, daß er nichts dagegen vermochte.
Wollte die betroffene Person ein in ihrer
Muttersprache geschriebenes Buch zur Hand
nehmen, so geschah es ihr nämlich, daß sie –
obwohl sie gut lesen konnte – nicht mehr davon
verstand, als wenn sie die Buchstaben nie
gelernt hätte; denn ihr Verstand hatte das
Fassungsvermögen verloren.
Es bleibt einem in diesem Sturm nichts weiter
übrig, als auf das Erbarmen Gottes zu warten,
welches unversehens durch ein einziges Wort
oder durch irgend etwas anderes alle
Bedrängnis so rasch zerstreut, daß es scheint,
als sei die Seele nie umwölkt gewesen. Von
Sonne ist sie dann durchflutet und erfüllt von
strahlenderem, reicherem Tröste denn je zuvor.
Und wie jemand, der siegreich aus einer
gefahrvollen Schlacht hervorgegangen ist, lobt
sie unseren Herrn; denn er ist es, der den
Sieg errungen hat. Und die Seele weiß sehr
genau, daß sie nicht gekämpft hat, weil sie
alle Waffen, mit denen sie sich hätte
verteidigen können, in den Händen ihres
Gegners zu sehen glaubte. Darum erkennt sie
klar ihre Armseligkeit und begreift, wie
erbärmlich wenig wir von uns aus tun könnten,
wenn der Herr uns im Stich ließe.
Um das zu verstehen, braucht sie – wie es
scheint – keine Betrachtung mehr; denn die
Erfahrung ihrer eigenen völligen Ohnmacht, die
sie dabei machte, hat ihr unsere Nichtigkeit
und Armseligkeit offenbart. Die Gnade – die
dennoch sie nicht verlassen haben konnte, da
sie trotz all diesem Sturm Gott nicht
beleidigte noch um alles in der Welt beleidigt
hätte – war so verborgen, daß sie meinte, sie
könne nicht einmal einen winzigen Funken in
sich gewahren, der ihr verriete, daß sie Gott
liebe oder daß sie ihn überhaupt je geliebt
habe. Hatte sie etwas Gutes getan oder hatte
Gott ihr irgendeine Gnade erwiesen, so
erschien ihr dies alles als Traumgebilde oder
Vorspiegelung ihrer Phantasie. Von ihren
Sünden dagegen wußte sie sicher, daß sie
wirklich von ihr begangen worden waren.
O Jesus, welchen Anblick bietet eine Seele,
die solch eine Verlassenheit erlebt! Und wie
wenig nützt ihr – wie gesagt – aller irdische
Trost! Darum, Schwestern, denkt nicht, wenn
ihr euch einmal in dieser Lage befindet, die
Reichen und all jene, die in Freiheit leben,
hätten in solchen Fällen mehr Hilfsmittel zur
Hand. Nein, gewiß nicht. Mir kommt dies vor,
als böte man den Verdammten alle Genüsse der
Erde dar, die ihnen doch keine Linderung
verschaffen können, sondern eher ihre Qualen
steigern. Dort wie hier muß die Hilfe von oben
kommen, und irdische Dinge nützen uns nichts.
Dieser große Gott will, daß wir ihn als den
König erkennen und unser Elend begreifen. Das
ist von großer Bedeutung für alles Weitere.
Was aber soll die arme Seele tun, wenn sie Tag
für Tag sich in diesem Zustand befindet? Betet
sie, so ist es, als bete sie nicht – das
heißt: sie fühlt keinen Trost –; denn sie
findet im Inneren
kein Gehör. Sie versteht ja nicht einmal
selber, was sie da betet, obwohl sie mit dem
Munde betet, da es für das innerliche Gebet
nun keineswegs die rechte Zeit ist. Ihre
Seelenkräfte sind dazu nicht bereit. Die
Einsamkeit kann ihr vielmehr äußerst schädlich
werden. Es quält sie freilich andererseits
auch, wenn sie nicht allein ist und man mit
ihr redet. Deshalb geht sie, trotz aller
Anstrengung, mit so verschlossener und
verdrossener Miene umher, daß es einem anderen
gleich in die Augen springt. Wie könnte sie
sagen, was sie hat? Es ist unsagbar, denn es
sind Bedrängnisse und Schmerzen im Geist, für
die es keine Namen gibt. Das beste Mittel
(nicht um davon befreit zu werden – denn so
eines habe ich nicht gefunden –, sondern um es
ertragen zu können) ist, sich guten
praktischen Werken zu widmen und auf das
Erbarmen Gottes zu warten, das keinem versagt
bleibt, der auf ihn harrt. Er sei gepriesen in
Ewigkeit, Amen.
Andere, äußere Leiden, die von den bösen
Geistern verursacht werden, sind wohl nicht so
häufig. Es ist daher nicht nötig, von ihnen zu
reden. Sie sind auch meist nicht so peinigend;
denn so sehr sie einem auch zusetzen, bringen
sie es meines Erachtens doch nicht zuwege, daß
sie die Seelenkräfte so sehr ihrer Fähigkeiten
berauben oder die Seele so sehr verwirren, daß
nicht am Ende doch noch genug Vernunft für den
Gedanken da ist, daß ihre Macht nur so weit
reicht, wie der Herr es zuläßt. Und solange
diese Einsicht noch nicht verloren ist, ist
alles unerheblich im Vergleich zu dem, was wir
vorher nannten.
Von anderen inneren Leiden werden wir bei
unserem Gang durch diese Wohnung sprechen,
wenn wir von den Unterschieden im Gebet und
bei den Gnaden des Herrn reden. Obwohl einige
dieser Leiden noch härter und schmerzhafter
sind als die vorigen – wie an ihrer Wirkung
auf den Körper zu sehen ist –, verdienen sie
dennoch nicht die Bezeichnung »Leiden«, und es
ist ein Unrecht, wenn wir sie so nennen, da es
große Gnaden des Herrn sind und die Seele
mitten in der Heimsuchung begreift, daß sie
dies sind und daß sie ein Geschenk darstellen,
das weit, weit über das hinausgeht, was sie
verdienen würde. Hier kommt schon die große
Pein, die dem Eintritt in die siebente Wohnung
vorausgeht und sich zusammen mit vielen
anderen Leiden zeigt, von welchen ich nur
einige nennen will; denn alle anzuführen oder
gar ihre Eigenart zu beschreiben, wäre
unmöglich. Sie sind von anderer, höherer
Abkunft als die bisher genannten, und wenn ich
schon von diesen, die doch von niedererem
Stamme sind, nicht mehr erklären konnte als
das, was ich gesagt habe, so werde ich es bei
den anderen noch weniger können. Der Herr
schenke mir zu allem seine Gunst, um der
Verdienste seines Sohnes willen. Amen.
ZWEITES KAPITEL
Es scheint, als hätten wir den kleinen Falter
weit hinter uns gelassen; doch es scheint nur
so. Denn diese Leiden sind es, was ihn noch
höher emporfliegen läßt. Reden wir denn davon,
wie der Bräutigam sich zu der Seele verhält
und wie er, bevor er sich ihr ganz zu eigen
gibt, eine große Sehnsucht danach in ihr
erweckt, auf so zarte Weise, daß die Seele es
selber nicht versteht und ich nicht glaube, es
so ausdrücken zu können, daß es jemand
begreift, der es nicht erlebt hat. Denn es
sind so zarte, feine Antriebe, die vom
tiefsten Inneren der Seele ausgehen, daß ich
keinen passenden Vergleich dafür nennen kann.
Es ist ganz anders als alles, was wir hier
anstreben können, ja auch ganz anders als die
Wonnen, von denen wir sprachen. Denn oftmals,
wenn der Betreffende sich dessen gar nicht
versieht und sich überhaupt nicht an Gott
erinnert, erweckt ihn Seine Majestät wie durch
den rasch vorüberhuschenden Lichtschweif eines
Meteors oder einen Donnerschlag, obwohl kein
Schall zu hören ist. Doch die Seele erfaßt
genau, daß Gott sie gerufen hat, und so
unzweifelhaft ist dieses Erkennen, daß sie
zuweilen – vor allem am Anfang – davor
erschauert und sogar jammert, ohne daß ihr
etwas weh täte. Sie fühlt sich verwundet auf
höchst wohltuende Weise, doch sie errät nicht,
wie und durch was sie verwundet worden ist.
Doch sie erkennt genau, daß dies etwas sehr
Kostbares ist, und niemals wollte sie von
jener Wunde geheilt sein. Mit Worten der Liebe
klagt sie, sogar hörbar – denn sie kann nicht
anders –, ihrem Bräutigam, weil sie weiß, daß
er da ist, doch sich nicht so offenbaren will,
daß sie sich an ihm erfreuen könnte. Das ist
für sie eine heftige, aber dennoch angenehme
und süße Qual. Und selbst wenn sie davon
befreit sein wollte, könnte sie ihr nicht
entrinnen. Doch niemals wollte sie dies. Es
befriedigt sie noch viel mehr als die
wonnevolle, schmerzlose Versunkenheit im Gebet
der Ruhe.
Ich zerbreche mir den Kopf, Schwestern, um
euch diese Wirkung der Liebe verständlich zu
machen, und weiß nicht wie; denn es scheint
sich zu widersprechen, wenn der Geliebte klar
zu erkennen gibt, daß er bei der Seele ist,
und doch zugleich sie anscheinend mit einem
solch deutlichen, unverkennbaren Zeichen
herbeiruft, sich ihr mit einem so
durchdringenden Pfeifen kundgibt, daß sie es
nicht überhören kann. Spricht der Bräutigam,
der in der siebten Wohnung weilt, auf diese
Weise – die keine geformte Rede ist –, so
scheint es nämlich, als wagte alles Volk, das
in den anderen Wohnungen ist, sich nicht zu
rühren – weder die Sinne noch die Phantasie
oder die Seelenkräfte. Oh, mein mächtiger
Gott, wie groß sind Deine Geheimnisse und wie
verschieden sind die Dinge des Geistes von
allem, was auf Erden zu sehen und zu begreifen
ist; denn mit nichts ist diese Gnade zu
erklären, die doch so gering ist im Vergleich
zu den großen Taten des Erbarmens, die Du in
den Seelen bewirkst!
So gewaltig ist diese Wirkung, die er in der
Seele hervorruft, daß diese sich vor Sehnsucht
verzehrt und nicht weiß, um was sie bitten
soll, weil es ihr klar erscheint, daß ihr Gott
bei ihr ist. Ihr werdet mich fragen: »Ja, wenn
sie dies merkt, was ersehnt sie dann und was
bereitet ihr Pein? Was könnte sie sich
Besseres wünschen?« Ich weiß es nicht. Ich
weiß nur, daß diese Pein ihr tief ins Herz zu
dringen scheint, so daß sie, wenn der, welcher
sie verwundet hat, den Pfeil herauszieht,
wirklich meint, er ziehe ihr Inneres mit
heraus. So stark ist der Liebesschmerz, den
sie empfindet.
Eben habe ich darüber nachgedacht, ob nicht
vielleicht von diesem Feuer des glühenden
Kohlenbeckens, das mein Gott ist, ein Funke
heraussprang und in die Seele fiel, so daß sie
jenes flammende Feuer in sich fühlte. Und da
es nicht genug war, um sie zu verbrennen, und
zugleich solche Wonne weckte, empfand sie jene
Pein. Aus der Berührung mit jenem Feuer
entsteht diese Wirkung. Das scheint mir der
beste Vergleich zu sein, mit dem ich es
auszudrücken vermag. Denn dieser lustvolle
Schmerz – der kein Schmerz ist – dauert nicht
in einem fort. Hält er auch zuweilen geraume
Zeit an, so geht er doch sonst schnell vorbei,
je nachdem, wie der Herr ihn mitteilen will.
Es ist nämlich nichts, was auf irgendeinem
menschlichen Weg sich beschaffen ließe. Aber
selbst wo dieser Schmerz manchmal eine Weile
anhält, verschwindet er bald und taucht bald
wieder auf. Er ist also nie beständig
vorhanden, und darum verzehrt er auch die
Seele nicht bis auf den Grund. Kaum entzündet
sie sich, so erstirbt der Funke, und die Seele
sehnt sich danach, von neuem jenen
Liebesschmerz, den er ihr verursacht, zu
erleiden.
Hier braucht man sich nicht zu überlegen, ob
es etwas sein könnte, das unserer eigenen
Natur entstammt oder von der Melancholie
hervorgerufen worden ist; ob es ein
teuflischer Betrug oder die Vorspiegelung
einer Laune ist. Denn es ist gut zu erkennen,
daß die Bewegung von dort ausgeht, wo der Herr
weilt, der unwandelbar ist. Und die Wirkungen
sind nicht dieselben wie bei anderen Zuständen
der Andacht, wo die tiefe Versunkenheit in der
Wonne uns Zweifel erwecken kann. Hier schauen
alle Sinne und Seelenkräfte, fern jeder
Versunkenheit, was das sein kann, ohne – wie
mir scheint – jene lustvolle Pein im
geringsten zu stören und ohne sie steigern
oder aufheben zu können. Wem unser Herr diese
Gnade erweist, der wird es verstehen, wenn er
dies liest. Und er danke Gott von ganzem
Herzen dafür, daß er sich nicht darum Ängsten
muß, ob es ein Trug ist. Er fürchte sich aber
sehr davor, angesichts einer so großen Gnade
undankbar zu sein, und strebe mit aller Kraft
danach, Ihm zu dienen und sein ganzes Leben zu
bessern, und er wird sehen, wohin er gelangt
und wie er mehr und immer mehr empfängt. Eine
Person, die diese Gnade erfuhr, verbrachte
einige Jahre in diesem Zustand, doch war sie
damit so sehr zufrieden, daß sie sich reich
belohnt gefühlt hätte, auch wenn sie viele
Jahre lang dem Herrn unter großen Leiden
gedient hätte. Er sei gepriesen in alle
Ewigkeit, Amen.
Vielleicht grübelt ihr nun darüber nach,
inwiefern hier mehr Sicherheit herrsche als
anderswo. Dafür sprechen meines Erachtens die
folgenden Gründe. Erstens: Daß der Satan wohl
nie einen solch lustvollen Schmerz wie diesen
verursacht. Er kann zwar eine scheinbar
geistige Annehmlichkeit und Lust verleihen,
doch sie mit Pein zu verbinden, mit einer
solch großen Pein, und der Seele dabei Ruhe
und Wohlgefallen zu schenken – das ist nicht
in seiner Macht. Denn seine Gewalt beschränkt
sich auf das Äußere, und die Pein, die er
verursacht, ist meines Erachtens niemals
angenehm und friedvoll, sondern unruhig und
voller Streit. – Als zweiter Grund spricht für
diese Sicherheit, daß dieser wohltuende Sturm
aus einem Bereich kommt, über den der Satan
keine Herrschaft hat. Als dritter: Der große,
vielfältige Nutzen, den dieses Erlebnis der
Seele bringt. Dazu gehören für gewöhnlich auch
der Entschluß, für Gott zu leiden, sowie der
Wunsch, schwere Mühsal auf sich zu nehmen, und
der sehr viel strengere Vorsatz, sich
fernzuhalten von den Freuden und Vergnügungen
der Welt.
Daß es sich hierbei um keine Einbildung
handelt, ist völlig klar; denn selbst wenn man
jene Empfindung ein andermal bewußt wieder in
sich hervorrufen wollte, so gelänge einem dies
nicht. Es ist etwas so Offenkundiges, daß man
es sich in keiner Weise vorspiegeln kann; das
heißt: man kann nicht meinen, es sei
vorhanden, wenn es nicht da ist, noch seine
Wirklichkeit bezweifeln, wenn man es erfährt.
Bleibt es aber doch irgendwie zweifelhaft –
ich meine: zweifelt man, ob man es erlebt hat
oder nicht –, so möge man sich darüber im
klaren sein, daß es nicht die wahren
Triebkräfte sind; denn diese sind so deutlich
wahrzunehmen, wie wenn das Ohr eine mächtige
Stimme vernimmt. Die Befürchtung, daß es eine
Ausgeburt der Melancholie sei, ist völlig
abwegig, weil die Melancholie nur in der
Phantasie ihre Bilder erzeugt, während die
Erscheinung, von der wir reden, dem Inneren
der Seele entstammt. Ich mag mich täuschen,
doch solange ich keine anderen Argumente von
jemandem vernommen habe, der darin Erfahrung
hat, werde ich stets bei dieser Meinung
bleiben. Ich weiß auch von einer Person, die
sich vor derartigen Täuschungen sehr fürchtet,
aber bei diesem Gebet eine solche Angst nie
empfinden konnte.
Unser Herr pflegt auch noch auf manche andere
Weise die Seele zu wecken. Unversehens,
während sie mit dem Munde betet, ohne auf
etwas Innerliches zu achten, ist es ihr, als
flamme eine Wonne auf, als überwalle sie
jählings ein starker Geruch, der durch alle
Sinne sich ihr mitteilt (ich sage nicht, es
sei ein Geruch, sondern gebrauche dies nur als
Vergleich). Mit solchen und ähnlichen
Erscheinungen will der Herr die Seele nur
fühlen lassen, daß der Bräutigam zugegen ist.
Er erregt in ihr eine so süße Sehnsucht, sich
an seiner Seele zu erfreuen, daß sie bereit
wird, große Taten für unseren Herrn zu
vollbringen und ihn zu preisen. Der Ursprung
dieser Gnade ist derselbe, dem die vorher
genannte entstammt; doch hier ist nichts, was
Schmerz bereitete, und selbst das Verlangen,
sich am Herrn zu erfreuen, ist frei von Pein.
Diese Sehnsucht ist es, was die Seele am
häufigsten fühlt. Auch hier gibt es meines
Erachtens nichts zu fürchten (aus
verschiedenen Gründen, die ich schon genannt
habe), vielmehr gilt es, darauf bedacht zu
sein, diese Gnade in Dankbarkeit zu empfangen.
DRITTES KAPITEL
Gott kennt noch eine weitere Art, die Seelen
zu wecken. Obwohl diese in gewisser Weise als
eine größere Gnade denn die vorher genannten
erscheint, kann sie doch gefährlicher sein,
und deshalb will ich mich etwas länger dabei
aufhalten. Es handelt sich um gewisse Anreden,
welche die Seelen auf vielerlei Art vernehmen.
Manche solcher Anreden scheinen von außen zu
kommen, andere aus dem tiefsten Inneren der
Seele, wieder andere aus deren oberer Zone,
und manche widerfahren einem so äußerlich, daß
man es mit den Ohren hört, weil sie als klare
und deutliche Stimme wirken. Manchmal, ja oft
kann es eine Täuschung sein, besonders bei
Leuten mit kranker Phantasie oder bei
Melancholikern (ich meine: bei solchen, die an
besonders starker Schwermut leiden). Bei
Menschen, die zu diesen beiden Gruppen
gehören, darf man es meiner Meinung nach nicht
ernst nehmen, auch wenn sie sagen, daß sie es
sehen und hören und verstehen. Man sollte sie
aber nicht dadurch beunruhigen, daß man sagt,
es sei der Satan; sondern sie anhören, wie man
Kranke anhört. Und die Äbtissin oder der
Beichtvater, an die sie sich wenden, sollten
ihnen sagen, daß sie dem keine Beachtung
schenken müßten, daß sie dies nicht brauchten,
um Gott dienen .zu können, und daß der Satan
schon viele damit betrogen habe, obgleich dies
bei ihnen vielleicht nicht der Fall sei (um
sie nicht noch bekümmerter zu machen, als sie
es bei ihrer Gemütsart ohnehin schon sind;
denn sagte man ihnen, daß dies von der
Melancholie kommt, so würden sie in einem fort
beschwören, daß sie es sehen und hören, weil
es ihnen eben so vorkommt).
Es ist freilich unumgänglich, die Sache
insofern zu beachten, als man der betreffenden
Person das stumme Gebet untersagt und mit
allen Kräften darauf hinwirkt, daß sie sich
nichts daraus macht; denn der Satan pflegt
kranke Seelen dieser Art zu seinem Vorteil zu
gebrauchen – wenn nicht zu ihrem eigenen
Schaden, so doch zu dem von anderen. Und bei
den Kranken wie bei den Gesunden muß man
angesichts solcher Dinge stets auf der Hut
sein, bis man erkennt, wes Geistes diese
Stimme ist. Und ich meine, daß es zunächst
immer das Beste ist, nichts darauf zu geben;
denn wenn es von Gott kommt, trägt dies um so
mehr dazu bei, daß man vorwärts gelangt, und
es nimmt eher zu, wenn es auf die Probe
gestellt worden ist. Dies ist gewiß; aber man
darf die Seele dabei nicht zu sehr bedrängen
und sie nicht beunruhigen, denn sie kann
wirklich nicht anders.
Kehren wir jedoch zu dem zurück, was ich von
den Anreden an die Seele gesagt habe: Von
welcher der genannten Arten sie auch sein
mögen – sie können immer sowohl von Gott
kommen wie auch vom Satan und von der eigenen
Einbildung. Ich werde, falls es mir – mit der
Gunst des Herrn – gelingt, die Zeichen nennen,
woran man die Unterschiede erkennt, und sagen,
in welchem Fall diese Anreden gefährlich sind.
Denn unter den Menschen, die sich dem Gebet
widmen, gibt es viele Seelen, die solche
Stimmen vernehmen, und ich möchte nicht,
Schwestern, daß ihr denkt, ihr tätet unrecht,
wenn ihr ihnen keinen Glauben schenkt; ihr
sollt aber auch nicht meinen, es sei böse,
wenn ihr ihnen glaubt, falls sie nur euch
selber erfreuen oder euch hinweisen auf
Mängel, die euch anhaften, mögen sie nun
kommen, von wem sie wollen, und sei es auch
eine Täuschung – das wäre nicht so schlimm.
Vor einem jedoch möchte ich euch warnen: auch
wenn es von Gott kommt, solltet ihr nicht
meinen, ihr wäret deshalb besser als die
anderen; denn er hat viel zu den Pharisäern
geredet, und alles Heil liegt darin, wie man
diese Worte nützt. Und einem Wort, das nicht
völlig mit der Heiligen Schrift übereinstimmt,
solltet ihr nicht mehr Beachtung schenken, als
wenn ihr es vom Satan selber hörtet. Mag es
auch eurer kranken Phantasie entstammen, so
müßt ihr es doch als eine Versuchung in
Glaubensdingen ansehen und derlei Anreden
widerstehen, damit ihr sie loswerdet. Und sie
werden sicher von euch ablassen, weil sie
wenig Kraft in sich haben.
Ungeachtet, ob sie – wie ich zu Beginn sagte –
aus dem Inneren, aus der oberen Zone der Seele
oder von außen kommen, können diese Anreden
also alle von Gott sein. Die sichersten
Kennzeichen, die man erhalten kann, sind
meiner Meinung nach die folgenden.
Das erste und verläßlichste Merkmal ist die
Macht, mit der sie auftreten, eine Macht,
welche zugleich redet und wirkt. Ich will mich
deutlicher ausdrücken. Eine Seele befindet
sich in all der Drangsal und inneren
Ruhelosigkeit, von der ich gesprochen habe,
inmitten der Dunkelheit des Verstandes und in
der Dürre; da genügt ein Wort, das nichts
weiter besagt als: »Sei unbekümmert«, und sie
ist gestillt und ledig aller Pein; ein großes
Licht erfüllt sie, und hinweg ist all jene
Qual, von der sie meinte, daß die ganze Welt
und alle Weisen, wenn sie zusammenkämen, um
die Seele mit Vernunftgründen auszurüsten,
nichts dagegen ausrichten könnten, so sehr die
Gelehrten sich auch darum bemühen würden, sie
dieser Trübsal zu entreißen. Ein andermal ist
die Seele bekümmert und voller Angst, weil der
Beichtvater und andere ihr gesagt haben, der
Geist des Satans sei in ihr. Und ein einziges
Wort, das sie vernimmt: »Ich bin’s, sei ohne
Furcht«, befreit sie von allem und erfüllt sie
mit innigstem Trost, so daß sie meint, es
könnte keinem gelingen, sie an diesem Glauben
irrezumachen. Wieder ein andermal ist die
Seele wegen mancher schwierigen Geschäfte von
schweren Sorgen gequält; denn sie weiß nicht,
wie das noch enden soll. Da hört sie, daß sie
ruhig sein möge, alles werde ein gutes Ende
nehmen; Sicherheit durchdringt sie, und aller
Gram ist gewichen. Und so geschieht es in
vielen anderen Fällen.
Das zweite Kennzeichen ist eine große Ruhe,
welche die Seele überkommt, eine andächtige
und friedvolle Sammlung und die Bereitschaft
zum Lobe Gottes. O Herr, wenn ein Wort, das Du
durch einen Deiner Pagen zu uns gelangen läßt
(denn angeblich spricht ja – wenigstens bei
diesen Worten, in dieser Wohnung – nicht der
Herr selber, sondern irgendein Engel), wenn
ein Seele, die in Liebe mit Dir verbunden ist,
so wie Du mit ihr?
Das dritte Zeichen ist, daß diese Worte sehr
lange nicht aus dem Gedächtnis schwinden und
manche überhaupt nie, im Gegensatz zu dem, was
wir hier vernehmen, ich meine: was wir von den
Menschen hören. Mag es auch bedeutend und
gelehrt sein, so bleibt es doch unserem
Gedächtnis nicht so eingemeißelt; und bezieht
es sich auf künftige Dinge, so glauben wir
auch nicht so fest daran wie an diese Worte;
denn sie hinterlassen eine überaus starke
Gewißheit. Obwohl einen manchmal, wenn es sich
um Dinge handelt, die nach unserer Meinung
ziemlich unmöglich sind, Zweifel anwandeln, ob
das sein kann oder nicht, und der Verstand
etwas ins Wanken gerät, herrscht doch in der
Seele selber eine Sicherheit, die nicht
umzuwerfen ist, auch wenn es ihr selber
vorkommt, als widerspreche alles den Worten,
die sie vernommen hat. Und mögen auch Jahre
darüber vergehen, so kann ihr dies nicht die
Überzeugung rauben, daß Gott andere Wege
sucht, welche die Menschen nicht begreifen,
und daß es am Ende doch sich erfüllen muß –
und so geschieht es auch. Freilich bleibt ihr
– wie ich schon sagte – nicht erspart,
darunter zu leiden, wenn sie vieles gewahrt,
was dem widerspricht; denn da es schon lange
her ist, daß sie die Stimme gehört hat, und
die Vorgänge ebenso wie die im Gedächtnis
hinterlassene Gewißheit, daß es Gott gewesen,
schon weit zurückliegen, können derlei Zweifel
aufkommen, so daß sie denkt, ob es nicht
vielleicht doch der Satan war oder aus ihrer
Einbildung kam. Aber keines dieser Bedenken
kann sich bei ihr halten; sie ist vielmehr
bereit, für die Wahrheit jener Worte zu
sterben. All diese Hirngespinste gibt einem
wohl der Satan ein, um die Seele zu quälen und
sie feige zu machen. Vor allem wenn die
Erfüllung der Worte, die man vernommen,
reichen Gewinn für die Seelen bringen wird,
zur hohen Ehre Gottes gereicht und einen
Dienst für Ihn bedeutet, der mit großen
Schwierigkeiten verbunden ist – was wird der
Böse da nicht alles versuchen? Durch derlei
Anwandlungen wird der Glaube also zumindest
geschwächt; denn es ist ein schwerer Schade,
wenn man nicht glaubt, daß Gott mächtig genug
ist, Dinge zu vollbringen, die unser Verstand
nicht begreifen kann.
Trotz all dieser Anfechtungen, und selbst wenn
jemand da ist, der zu der betreffenden Person
sagt, dies alles sei Unsinn (ich meine die
Beichtväter, mit denen man über diese Dinge
spricht), ja selbst wenn noch so viele üble
Ereignisse eintreten, die zu beweisen
scheinen, daß die Worte nicht in Erfüllung
gehen können, so bleibt dennoch – ich weiß
nicht wo – ein Funke lebendig, der ihr sagt,
es werde doch geschehen. Mögen auch alle
anderen Hoffnungen erstorben sein – selbst
wenn sie es wollte, könnte sie es nicht
verhindern, daß dieser Funke von Gewißheit am
Leben bleibt. Schließlich aber erfüllt sich
also das Wort des Herrn, und die Seele ist
danach so befriedigt und fröhlich, daß sie
nichts anderes tun möchte, als immerdar Seine
Majestät zu preisen, nicht so sehr seiner Tat
wegen – auch wenn ihr daran viel gelegen ist
–, sondern vor allem, weil sie sieht, daß sich
erfüllt hat, was ihr gesagt worden ist.
Ich weiß nicht, weshalb es der Seele derart
wichtig ist, diese Worte möchten sich als wahr
herausstellen. Es wäre ihr weniger
schmerzlich, wenn man sie selbst der Lüge
bezichtigte. Und wie könnte sie etwas anderes
sagen, als was ihr gesagt worden ist!
Unzählige Male dachte eine gewisse Person in
dieser Lage an Jonas, den Propheten, und wie
er fürchtete, Ninive könnte nicht zugrunde
gehen. Da es der Geist Gottes ist, der hier
spricht, so ist es nur recht und billig, daß
man ihm die Treue hält und sehnlich wünscht,
er möge nicht als Lügner erscheinen; denn er
ist die höchste Wahrheit. Und so ist die
Freude groß, wenn die Seele sieht, daß nach
tausend Umwegen und unter den größten
Schwierigkeiten dennoch sein Wort in Erfüllung
gegangen ist. Mögen für sie selber auch große
Leiden daraus erwachsen, so will sie doch
lieber noch mehr erdulden, als daß nicht
Wahrheit wird, was der Herr – so glaubt sie
fest – zu ihr gesagt hat. Vielleicht haben
nicht alle diese Schwäche falls es eine
Schwäche ist. Ich jedenfalls kann es nicht als
etwas Böses verurteilen.
Entstammen jene Stimmen aber der Einbildung,
so ist keines dieser Zeichen zu gewahren,
weder Gewissheit noch Friede oder innere
Freude. Allerdings kann es vorkommen – und ich
weiß sogar von einigen Personen, denen es
widerfahren ist –, daß manche, während sie
tief im Gebet der Ruhe und im geistlichen
Schlaf versunken sind, körperlich und in ihrem
Verstand so geschwächt sind, daß sie aus
diesem oder einem anderen, mir unbekannten
Grund sich bei dieser großen Sammlung dermaßen
außer sich befinden, daß sie sich nicht mehr
in der Erdenwelt fühlen. Alle Sinne sind da so
eingelullt, daß es diesen Menschen wie einem
Schlafenden – und vielleicht sind sie auch
tatsächlich eingedämmert – traumhaft vorkommt,
als spräche man zu ihnen; und obwohl sie etwas
sehen und meinen, es komme von Gott, so
bleiben doch am Ende die Wirkungen aus, wie
bei einem Traum. Und ebenso kann es sein, daß
sie, wenn sie Gott herzlich um etwas bitten,
das zu hören meinen, was sie sich wünschen –
auch das kommt zuweilen vor. Doch wer es oft
erfahren hat, wie Gott zu der Seele redet, der
kann meines Erachtens dabei nicht durch die
Einbildung getäuscht werden.
Vor dem Satan dagegen muß man mehr auf der Hut
sein. Doch wenn die genannten Zeichen zu
erkennen sind, so kann man recht sicher sein,
daß das Vernommene von Gott kommt. Trotzdem
sollte man, falls es sich auf etwas
Schwerwiegendes bezieht und einen Auftrag
darstellt, den man von sich aus zu
verwirklichen hat, oder wenn es eine Sache
angeht, die von entscheidender Bedeutung für
die Geschäfte dritter Personen ist, niemals
etwas unternehmen oder sich auch nur seine
Gedanken darüber machen, ohne die Meinung
eines gelehrten und klugen Beichtvaters, der
ein Diener Gottes ist, dazu eingeholt zu
haben; selbst wenn man mehr und mehr erkennt
und es einem ganz klar erscheint, daß es von
Gott kommt. Denn so will es Seine Majestät,
und wir dürfen nicht versäumen, seinem Befehl
zu gehorchen. Er hat uns geboten, den
Beichtvater als seinen Stellvertreter
anzuhören, und darum ist auch nicht daran zu
zweifeln, daß es Gottes Worte sind, die wir
durch diesen vernehmen. Diese Worte aber
tragen dazu bei, daß wir Mut schöpfen, wenn es
sich um eine schwierige Aufgabe handelt, und
unser Herr wird den Beichtvater bestimmen und
ihm den Glauben eingeben, daß die Erscheinung,
die uns begegnete, von Seinem Geiste ist,
falls er dies will. Wenn nicht, so sind wir
aller weiteren Verpflichtung ledig. Sollte
jemand anders handeln und hierbei seinem
eigenen Gutdünken folgen, so halte ich dies
für sehr gefährlich. Und darum, Schwestern,
ermahne ich euch im Namen unseres Herrn,
niemals dergleichen zu tun.
Noch eine andere Weise gibt es, in welcher der
Herr zu der Seele redet und von der ich
glaube, daß sie ganz gewiß von Gott stammt. Es
ist eine Schau des Verstandes, die ich im
folgenden beschreiben werde. Sie ereignet sich
so tief im Inneren der Seele, und so klar
meint man jene Worte mit den Ohren der Seele
vom Herrn selber zu hören, so im geheimen, daß
eben die Art, wie man die Worte vernimmt,
zusammen mit den Vorgängen, die durch diese
Vision selber ausgelöst werden, einem die
Gewißheit verleiht, daß hieran der Satan nicht
beteiligt ist. Dieses Erlebnis hinterlässt
starke Wirkungen, die für eine solche
Überzeugung sprechen; zumindest hat man die
Sicherheit, daß es nicht aus der Einbildung
stammt. Und die Seele kann diese Gewißheit
immer haben, wenn sie auf die folgenden
Beweisgründe achtet. – Erstens: Die Worte
müssen sich durch eine besondere Klarheit
auszeichnen; denn sie sind so deutlich zu
vernehmen, daß die Seele sich an jede einzelne
Silbe erinnert, die sie vernommen hat. Ebenso
bleibt es ihr im Gedächtnis, ob es in diesem
oder jenem Stil gesagt worden ist, obgleich
der Sinn ein und derselbe sein mag. Bei den
Vorspiegelungen der Einbildung wird die
Sprache nicht so klar und die Worte werden
nicht so unverwechselbar sein, alles wird
vielmehr halb wie geträumt erscheinen. –
Zweitens: Redet Gott zu der Seele, so
geschieht es oft, daß sie die Worte hört, ohne
daß sie an derlei gedacht hat; ich meine: es
kommt überraschend, ja manchmal, während man
sich im Gespräch mit anderen befindet.
Freilich beziehen sich die Worte häufig auf
etwas, das einem geschwind durch den Kopf geht
oder das man früher gedacht hatte. Aber oft
geht es um etwas, von dem man keine Ahnung
hatte und von dem man nicht einmal dachte, daß
dies überhaupt möglich wäre. Darum kann es
wohl nicht die Einbildung hervorgerufen haben,
als eine Selbsttäuschung der Seele, die sich
damit etwas vorspiegeln würde, was sie nie
ersehnt oder gewollt hat und was ihr nie in
den Kopf gekommen ist. – Drittens: In dem
einen Fall verhält sich der Angeredete wie
jemand, der hört. Ist es aber ein Werk der
Einbildung, so verhält sich der Betreffende
wie jemand, der nach und nach das ersinnt, was
er selber gesagt bekommen will. – Viertens:
Die Worte Gottes sind ganz anders als alles,
was wir zu hören gewohnt sind, und ein
einziges von ihnen enthält vieles, was unser
Verstand nicht so schnell zusammenbrächte. –
Fünftens: Mit den Worten, die Gott zur Seele
sagt, wird einem oft – ich kann nicht sagen,
auf welche Weise – viel mehr zu verstehen
gegeben, als die Worte selber sagen. Von
dieser Art des Verstehens, die etwas sehr
Feines ist und einen zum Lobe Gottes drängt,
werde ich an anderer Stelle noch mehr reden;
denn schon viele Menschen sind wegen dieser
Wahrnehmungsweise und ihrer Besonderheit in
große Zweifel geraten, vor allem eine Person,
der es selber widerfahren ist. Und es wird
noch mehrere geben, die sich darüber nicht
recht klar geworden sind. Ich weiß, daß die
genannte Person diese Erscheinung mit großer
Aufmerksamkeit beobachtete (denn der Herr
verlieh ihr sehr oft diese Gnade) und daß ihr
Hauptzweifel anfänglich in dem Verdacht
bestand, ob sie sich nicht selber etwas
vormache. Steckt der Satan dahinter, so merkt
man es nämlich schneller, obwohl er so viele
Finten weiß, daß er es durchaus versteht, den
Geist des Lichtes nachzuäffen. Meines
Erachtens kann er das aber nur, indem er sich
sehr klar in Worten ausdrückt, so daß man
genausowenig daran zweifeln kann, daß man sie
vernommen hat, wie wenn sie vom Geist der
Wahrheit kommen. Doch es wird dem Satan
unmöglich sein, die Wirkungen, von denen wir
sprachen, nachzuahmen: diesen Frieden in der
Seele zu hinterlassen, dieses Licht. Eher läßt
er Unruhe und lärmende Verwirrung zurück. Aber
er kann nur geringen oder gar keinen Schaden
anrichten, falls die Seele demütig ist und
tut, was ich gesagt habe: nämlich nicht
eigenmächtig irgend etwas beginnt, was die
Worte, die sie vernahm, ihr aufgetragen haben.
Sind es Gunstbeweise und Geschenke des Herrn,
so achte die Seele sorgsam darauf, daß sie
sich deswegen nicht für besser hält. Ist sie
nicht um so verwirrter und beschämter, je
größer das Gnadenwort ist, das ihr zuteil
wurde, so glaube sie ja nicht, daß es vom
Geiste Gottes kam. Denn es ist ganz gewiß, daß
die Seele, wenn wirklich Gott zu ihr spricht,
sich selber für um so geringer und
erbärmlicher hält, je größer die Gnade ist,
die er ihr erweist; und um so mehr ist sie
sich ihrer Sünden bewußt, um so weniger denkt
sie an ihr Verdienst. Ihr Wille und ihr
Bewußtsein aber sind immer mehr von dem Wunsch
erfüllt, daß Gott allein geehrt werde. Sie
denkt nicht an den eigenen Nutzen, ist
ängstlicher darauf bedacht, in keinem Fall von
seinem Willen abzuweichen, und weiß sicherer
denn je, daß sie niemals diese Gnaden verdient
hat, sondern die Hölle. Wenn diese Wirkungen
durch all die Dinge und Gnaden, die der Seele
im Gebet begegnen, hervorgerufen werden, so
sollte sie deshalb nicht in Schrecken und
Mutlosigkeit fallen, sondern auf das Erbarmen
des Herrn vertrauen, der treu ist und es nicht
zulassen wird, daß der Satan sie betrüge,
obgleich es immer gut ist, in Furcht zu
wandeln.
Es mag sein, daß diejenigen, die der Herr
nicht auf diesem Wege führt, nun meinen, die
Seelen könnten die an sie gerichteten Worte
überhören und sie hätten – falls die Worte in
ihrem Inneren ertönen – die Möglichkeit, sich
so abzulenken, daß sie dieselben nicht
aufnehmen und so diesen Gefahren entgehen.
Darauf antworte ich: Das ist unmöglich. Ich
spreche nicht von denen, die an Einbildungen
leiden; denn sie können sich helfen, indem sie
sich bemühen, nicht mit solcher Begierde etwas
zu ersehnen und ihren Phantasien keine
Bedeutung beizumessen. Bei den anderen Worten
aber, die man im Inneren vernimmt, gibt es
kein Ausweichen; denn derselbe Geist, der da
redet, bewirkt mit solcher Macht ein
Innehalten aller übrigen Gedanken und eine
Aufmerksamkeit für die Worte, daß es mir
gleichsam vorkommt – und ich glaube, es ist
wirklich so –, als könne eher einer, der aus
vollem Halse ruft, von einem anderen, der sehr
gut hört, nicht vernommen werden, weil der
Angerufene es möglicherweise nicht beachtet
und seine Gedanken auf etwas anderes richtet.
Doch in dem Fall, von dem wir reden, ist das
ausgeschlossen: Es gibt da keine Ohren, die
man sich zuhalten könnte, und man hat
keinerlei Macht, an irgend etwas anderes zu
denken als eben an das, was einem gesagt wird;
denn der, welcher auf die Bitte von Josua (er
war es, glaube ich) den Lauf der Sonne
aufzuhalten vermochte, kann die Seelenkräfte
und alles, was in uns ist, zum Einhalten
bringen, und die Seele sieht dabei sehr genau,
daß ein anderer Herr, der größer ist als sie,
diese Burg regiert. Dies erregt in ihr tiefe
Andacht und Demut. Es gibt also kein Mittel
zur Ausflucht. Möge die göttliche Majestät uns
die Gnade schenken, daß wir darauf achten, wie
wir Ihn erfreuen können, und uns selber
vergessen. Amen. Er gewähre mir auch, daß ich
verständlich machen kann, was ich hier
darlegen wollte, und daß es für diejenigen,
die in diese Lage kommen, einen Hinweis
bedeutet, der ihnen etwas nützt.
VIERTES KAPITEL
Bei diesen Leiden und Schwierigkeiten, wie ich
sie hier erwähnte, und all den übrigen – was
für eine Ruhe kann es da für den armen,
kleinen Falter geben? Alles trägt dazu bei,
daß die Seele sich noch mehr danach sehnt,
sich des Bräutigams zu erfreuen. Und die
göttliche Majestät, die unsere Schwachheit
kennt, macht sie auf diese Weise und mit noch
anderen Mitteln dazu bereit, daß sie den Mut
faßt, sich mit einem so großen Herrn zu
vereinen und ihn zum Bräutigam zu nehmen.
Ihr werdet darüber lachen, daß ich dies sage,
und es wird euch unsinnig erscheinen; denn
jede von euch wird meinen, daß es dazu keines
Mutes bedarf und daß es kein noch so niederes
Weib gibt, das nicht kühn genug wäre, sich mit
dem König zu verloben. Sicher ist es so bei
dem irdischen König, das glaube ich auch. Aber
bei dem Himmelskönig, das sage ich euch, ist
dazu mehr Mut erforderlich, als ihr meint;
denn unsere Natur ist für ein so großes
Unterfangen viel zu furchtsam und niedrig, und
ich bin fest davon überzeugt, daß wir – obwohl
ihr genau erkennt, wieviel Gutes diese
Verbindung uns bringt – doch nicht dazu
imstande wären, wenn nicht Gott uns diesen Mut
schenkte. Und da werdet ihr sehen, was Seine
Majestät tut, um diese Verlobung zustande zu
bringen. Soweit ich es verstehe, geschieht
dies wohl dann, wenn er der Seele Verzückungen
schenkt, wodurch er sie ihren Sinnen entreißt.
Sähe sie sich nämlich mit ihren Sinnen so nahe
dieser großen Majestät, so könnte sie wohl
kaum am Leben bleiben. Ich meine wirkliche
Verzückungen, keine Weiberschwächen, wie sie
bei uns vorkommen und die wir in Bausch und
Bogen für Verzückungen und Ekstasen halten. Es
gibt ja, wie ich wohl schon gesagt habe,
Menschen von so schwacher Konstitution, daß
sie bei einem Gebet der Ruhe sterben.
Hier will ich nun einige Arten der Verzückung
darstellen, die ich durch den Umgang mit so
vielen Menschen, die dem geistlichen Leben
sich widmeten, erfahren habe; doch weiß ich
nicht, ob es mir so gelingen wird wie an
anderer Stelle, wo ich hierüber und von
einigen anderen Dingen, die dazugehören,
geschrieben habe. Aus mancherlei Gründen
scheint es mir nicht unnötig, noch einmal
davon zu reden, schon deshalb, weil hier die
Wohnungen alle im Zusammenhang dargestellt
werden.
Es gibt eine Art der Verzückung, wo es
scheint, als lasse Seine Majestät, während die
Seele sich angerührt fühlt von einem Worte
Gottes (dessen sie sich erinnert oder das sie
hört, sei es auch nicht im Gebet), den
erwähnten Funken aus dem Inneren der Seele zur
Flamme wachsen, getrieben vom Erbarmen, weil
er sie so lange leiden sah aus Sehnsucht nach
ihm. Vom Feuer völlig verzehrt, ersteht sie
neu, wie ein Vogel Phönix, befreit von ihren
Sünden, die ihr – wie man in frommer Demut
glauben darf – vergeben worden sind. Und mit
der so Geläuterten vereinigt er sich, ohne daß
es, selbst hier, irgend jemand gewahrte außer
den beiden. Nicht einmal die Seele selber
erfaßt es so, daß sie es danach sagen könnte,
obwohl sie nicht ohne inneres Bewußtsein ist;
denn es ist nicht so, wie wenn jemand eine
Ohnmacht oder einen Paroxysmus erleidet, wo
man weder innerlich noch äußerlich irgendetwas
gewahrt. Nach meiner Erfahrung ist die Seele
in diesem Zustand wacher und aufgeschlossener
denn je für die Dinge Gottes, und nie zuvor
war sie so erfüllt von dem mächtigen Licht und
der tiefen Erkenntnis Seiner Majestät.
Das mag unmöglich erscheinen, weil die
Seelenkräfte oder Fähigkeiten so hingerissen
sind, daß man sagen kann, sie seien tot, genau
wie die Sinne. Wie soll man da verstehen, daß
die Seele dieses Geheimnis erfaßt? Ich weiß es
nicht, und vielleicht ist das keinem Geschöpf
bekannt, sondern nur dem Schöpfer selber, wie
vieles andere auch, was auf dieser Stufe, ich
meine: in diesen beiden Wohnungen geschieht;
denn die sechste und die letzte könnte man gut
als eine nehmen, da es zwischen ihnen keine
verschlossene Türe gibt. Weil es jedoch in der
letzten Wohnung Dinge gibt, die sich denen
nicht offenbart haben, die noch nicht bis
dorthin gelangt sind, schien es mir besser,
sie getrennt darzustellen.
Hält es der Herr für gut, der Seele, während
sie in diesem Zustand der Entrücktheit ist,
einige Geheimnisse zu offenbaren, etwa gewisse
himmlische Dinge und bildhafte Visionen, so
kann sie dies nachher berichten, und es bleibt
so tief ihrem Gedächtnis eingeprägt, daß sie
es nie wieder vergißt. Sind es aber
Verstandesgesichte – intellektuelle Visionen
–, so kann sie dies nicht schildern; denn es
gibt in solchen Augenblicken wohl mancherlei
derart erhabene Visionen, die nicht dazu
bestimmt sind, von denen, die auf der Erde
leben, so erfaßt zu werden, daß man es mit
Worten wiedergeben könnte. Von den
Verstandesgesichten jedoch, welche die Seele
empfängt, solange sie im Besitz ihrer Sinne
ist, sind viele mitteilbar. Vielleicht
verstehen manche von euch nicht, was eine
Vision ist, und vor allem nicht, was die
Verstandesgesichte sind. Ich werde es zu
gegebener Zeit erklären; denn es ist mir
aufgetragen von dem, der das Recht dazu hat;
und obgleich es vermessen erscheinen mag,
gereicht es doch vielleicht einigen Seelen zum
Nutzen.
Ihr werdet mir sagen: »Wenn man sich danach an
diese so erhabenen Gnaden nicht erinnert, die
der Herr in jenem Zustand der Seele erweist –
was für einen Nutzen können sie ihr da
bringen?« O Töchter! Er ist so groß, daß er
gar nicht hoch genug gerühmt werden kann. Läßt
es sich auch nicht mit Worten sagen, so
bleiben diese Gnaden doch dem tiefsten Inneren
der Seele sorgsam eingeschrieben und geraten
nie in Vergessenheit. Aber wenn sie keine
bildhafte Erscheinung haben und auch von den
Seelenkräften nicht wahrgenommen werden – wie
kann man sich da an sie erinnern? Auch ich
verstehe das nicht; aber ich verstehe, daß
einige Einsichten in die Wahrheit der Größe
Gottes so fest in der Seele haften, daß diese,
auch wenn sie nicht den Glauben besäße, der
ihr sagt, wer er ist, und der sie lehrt, daß
sie verpflichtet ist, an ihn zu glauben als an
Gott, ihn doch als solchen anbeten würde von
jenem Zeitpunkt an, wie Jakob es tat, als er
die Leiter erblickte. Sicher hat er dabei noch
andere Geheimnisse erfahren, die er nicht in
Worte fassen konnte; denn wenn er nur eine
Leiter gesehen hätte, an der Engel auf und
nieder gingen, und ihm kein stärkeres Licht im
Inneren entzündet worden wäre, hätte er solch
große Mysterien nicht verstanden.
Ich weiß nicht, ob ich mit dem, was ich sage,
das Richtige treffe; denn ich habe es zwar
gehört, weiß aber nicht, ob ich mich genau
erinnere. Auch Moses war nicht imstande, alles
zu sagen, was er im Dornbusch gesehen hatte,
sondern nur das, von dem Gott wollte, daß er
es sagte. Aber hätte Gott nicht tatsächlich
seiner Seele Geheimnisse offenbart, so gewiß,
daß er sah und glaubte, daß es Gott war, dann
hätte er nicht so viele und große Mühen auf
sich genommen. Er muß in den Dornen jenes
Brombeerstrauches so große Dinge wahrgenommen
haben, daß ihm daraus der Mut erwuchs, das zu
tun, was er für das Volk Israel vollbrachte.
Wir sollten also, Schwestern, bei den
verborgenen Dingen Gottes nicht nach Gründen
suchen, um sie zu verstehen. Da wir glauben,
daß er mächtig ist, so ist es ja klar, daß ein
Wurm, dessen Kraft so bescheiden ist wie die
unsrige,
seine Größe nicht erfassen kann. Loben wir ihn
also von Herzen dafür, daß er die Güte hat,
uns einiges davon begreifen zu lassen.
Ich wollte, ich könnte einen treffenden
Vergleich anführen, um euch damit vielleicht
etwas von dem verständlich zu machen, was ich
nun sagen möchte; doch ich glaube, daß es
keinen gibt, der passend wäre. Aber gebrauchen
wir einmal den folgenden. Ihr tretet in das
Gemach eines Königs oder eines großen Herrn
ein – »Camarin« heißt man es, glaube ich –, wo
zahllose Arten von Gläsern, feiner Keramik und
viele andere Dinge so aufgestellt sind, daß
man fast alle beim Eintreten erblickt. Einmal
führte man mich in ein solches Zimmer im Hause
der Herzogin Alba (wo ich auf der Durchreise,
unterm Zwang des Gehorsams, weil jene Dame
hartnäckig meine Vorgesetzten darum gebeten
hatte, Aufenthalt machte). Ich war verblüfft,
als ich hineinkam, und überlegte mir, wozu ein
solches Kunterbunt von Dingen gut sein könnte.
Und ich sah, daß man angesichts einer solchen
Vielfalt von Dingen Gott loben darf, und es
freut mich jetzt, daß ich dies hier verwenden
kann. Ich war zwar eine ganze Weile dort, doch
gab es so viel zu schauen, daß ich danach
alles vergaß und mir von all jenen
Gegenständen nicht mehr im Gedächtnis blieb,
als wenn ich sie nie gesehen hätte, so daß ich
nicht einmal sagen kann, welche Form und
Gestalt sie hatten. So ist es auch hier, wenn
die Seele so mit Gott eins geworden ist,
während sie in diesem herrscherlichen
Himmelsgemach weilt, das wir wohl im Inneren
unserer Seele haben; denn es ist ja klar: da
Gott in ihr ist, hat er eine dieser Wohnungen
inne. Und obwohl der Herr nicht immer, solange
die Seele so in der Ekstase ist, die Absicht
hat, daß sie diese Geheimnisse sieht, weil sie
so vertieft ist in die Lust an ihm, daß sie
volle Genüge hat an einem solch großen Gut, so
gefällt es ihm doch manchmal, daß sie aus der
Versunkenheit erwacht und plötzlich sieht, was
in jenem Gemache ist. Und darum kann sie, wenn
sie wieder zu sich gekommen ist, die
Herrlichkeiten sich vorstellen, die sie sah;
doch kann sie nichts davon mit Worten
wiedergeben, und ihre Natur ist auch nicht
fähig, mehr von dem Übernatürlichen zu
schauen, als Gott sie sehen lassen wollte.
Also gebe ich zu, daß es ein Sehen war, daß es
eine bildhafte Vision ist! Das möchte ich
hiermit nicht sagen; denn davon ist jetzt
nicht die Rede, sondern von der
intellektuellen Vision. Da ich ungebildet bin,
verstehe ich es in meiner Unwissenheit nicht,
mich auszudrücken. Soweit nämlich das, was ich
bisher von diesem Gebet gesagt habe, gut ist,
bin nicht ich es – das begreife ich klar –,
der es gesagt hat. Wenn die Seele, der solches
widerfährt, manchmal diese Geheimnisse in den
Verzückungen nicht erfaßt, so meine ich, daß
es keine Verzückungen sind, sondern irgendeine
natürliche Schwäche; denn bei Menschen von
schwacher Konstitution – zu denen wir Frauen
gehören – kann es vorkommen, daß eine geistige
Kraft die Natur überwältigt und sie so in
Versunkenheit bleiben, wie ich es, glaube ich,
beim Gebet der Ruhe dargelegt habe. Solche
Anwandlungen haben nichts mit Verzückung oder
Entrückung zu tun; denn ist es wirklich eine
solche, glaubt mir, so raubt sich Gott die
ganze Seele und zeigt ihr, die nunmehr sein
Eigentum und bereits seine Braut geworden ist,
ein Stücklein des Königreichs, das sie
gewonnen hat durch diese Verbindung. Mag
dieses Stück auch noch so klein sein – alles,
was dieser große Gott in sich schließt, birgt
eine Fülle. Und er will, daß niemand dabei
stört, weder die Fähigkeiten noch die Sinne.
Darum befiehlt er, geschwind die Türen all
dieser Wohnungen zu schließen, und nur der
Raum wo er weilt, bleibt offen, damit wir
eintreten können. Gepriesen sei so viel
Barmherzigkeit, und mit Recht werden die
verdammt sein, die sie verschmähen und diesen
Herrn verlieren.
O meine Schwestern! Was wir aufgegeben haben,
ist nichts, alles ist nichts, was wir auch tun
oder tun könnten für einen Gott, der sich so
einem Wurme mitteilen möchte! Und da wir
Hoffnung haben, noch in diesem Leben dieses
Gut zu genießen – was tun wir? Womit halten
wir uns noch auf? Was kann uns dazu nötigen,
auch nur einen Augenblick noch zu warten,
bevor wir diesen Herrn suchen, wie die Braut
des Hohenliedes ihn suchte auf Straßen und
Plätzen?
Oh, Tand und Gaukelwerk ist alles, was die
Welt uns bietet, wenn es uns nicht dahin
bringt, uns nicht dazu verhilft, selbst wenn
ihre Genüsse, ihre Reichtümer und alle
erdenklichen Wonnen, die sie uns verschaffen
mag, ewig währten! Denn alles ist Ekel und
Unrat, verglichen mit diesen Schätzen, deren
Genuß ohne Ende sein wird; und selbst diese
sind nichts neben dem, was es bedeutet, daß
wir den Herrn all dieser Schätze, des Himmels
und der Erde zu eigen haben.
O menschliche Blindheit! Wann endlich, wann
wird dieser Erdenstaub von unseren Augen
gewischt? Obwohl es den Anschein hat, als ob
wir nicht in der Gefahr stünden, daß er uns
völlig blind macht, sehe ich doch einige
Splitterchen und Sandkörnlein, die uns großen
Schaden antun können, wenn wir zulassen, daß
sie sich vermehren. Nutzen wir vielmehr,
Schwestern, um der Liebe Gottes willen, diese
Mängel zur Erkenntnis unseres Elends, damit
sie unseren Blick schärfen und uns so zum Heil
werden, wie es der Schlamm für den Blinden
wurde, den unser Bräutigam heilte. Wenn wir
uns so unvollkommen sehen, wollen wir noch
dringlicher ihn bitten, daß er etwas Gutes aus
unserer Erbärmlichkeit mache, damit wir Seine
Majestät in allem erfreuen.
Ich bin weit abgeschweift, ohne es zu merken.
Verzeiht mir, Schwestern, und glaubt, daß ich,
sobald ich zu diesen Herrlichkeiten Gottes
gelange – ich meine: sobald ich darauf zu
sprechen komme –, nicht umhin kann, es bitter
zu beklagen, daß ich sehe, wieviel wir durch
eigene Schuld verlieren. Denn obwohl es wahr
ist, daß dies Dinge sind, die der Herr gibt,
wem er will, so würde er doch, wenn wir Seine
Majestät liebten, wie er uns liebt, sie jedem
geben. Er sehnt sich nach nichts anderem, als
daß er jemanden hat, dem er es geben kann;
denn seine Reichtümer werden dadurch nicht
geringer.
Doch kehren wir zu dem zurück, was ich gesagt
habe: Der Bräutigam befiehlt, die Türen der
Wohnungen zu schließen, auch die Tore der Burg
und ihrer Ringmauern; denn in seinem Wunsch,
die Seele mit sich zu reißen, entzieht er ihr
so den Atem, daß sie – auch wenn zuweilen die
anderen Sinne noch ein wenig länger tätig sind
– völlig außerstande ist zu reden. Ein
andermal freilich wird alles zugleich und in
einem Nu entrückt, und die Hände erkalten, ja
der ganze Leib, und zwar so, daß man meint, er
berge keine Seele mehr, und man zuweilen
überhaupt nicht mehr merkt, ob er atmet.
Dieser Zustand hält nur eine kurze Weile an
(ich meine: ohne Unterbrechung); denn sobald
diese große Entrücktheit ein wenig nachläßt,
scheint es, als komme der Körper wieder etwas
zu sich, als hole er Luft, um erneut zu
sterben und der Seele ein größeres Leben zu
gewähren. So hält bei alledem diese große
Ekstase nicht lange an.
Aber es kommt vor, daß der Wille, obwohl die
Verzückung nachläßt, so versunken bleibt und
der Verstand so außer sich verharrt, einen
ganzen Tag, ja mehrere Tage lang, daß es
scheint, als seien sie unfähig, etwas anderes
wahrzunehmen, als was den Willen zur Liebe
erweckt; denn dafür ist er hellwach, während
er zugleich schläft und nicht bereit ist,
irgendein Geschöpf ins Auge zu fassen oder
sich mit ihm einzulassen.
Oh wenn die Seele wieder völlig zu sich kommt,
wie verwirrt ist sie da und wie übermächtig
das Verlangen, sich Gott zu widmen, für ihn zu
wirken, auf welche Weise auch immer er sich
ihrer bedienen will! Wenn schon die früheren
Gebete solche Wirkungen hinterließen, wie wir
beschrieben – was wird da erst die Folge einer
so großen Gnade sein, wie wir sie hier
erfahren?
Tausend Leben wollte die Seele haben, um sie
alle Gott hinzugeben, und sie wünschte, alle
Dinge, die es auf Erden gibt, wären Zungen,
die ihn lobten in ihrem Namen. Die Sehnsucht,
Buße zu tun, ist übermächtig, und indem sie
diese vollzieht, tut die Seele nichts Großes;
denn erfüllt von der Kraft der Liebe, leidet
sie wenig, soviel sie auch vollbringt, und sie
erkennt klar, daß die Märtyrer in den Qualen,
die sie erlitten, nichts Besonderes taten, da
es leicht fällt, wenn einem diese Hilfe des
Herrn zuteil wird. Und darum beklagen sich
diese Seelen bei Seiner Majestät, wenn sich
ihnen keine Gelegenheit zum Leiden bietet.
Wird ihnen diese Gnade insgeheim erwiesen, so
schätzen sie das als ein großes Geschenk; denn
ereignet es sich vor anderen, ist die Scham
und Verwirrung, welche die Seele danach fühlt,
so groß, daß sie dem seligen Genuß, in den sie
versunken war, irgendwie entzogen wird durch
den Kummer und die Sorge, die ihr erwachsen,
wenn sie überlegt, was die anderen, die es
gesehen haben, davon denken mögen. Denn solche
Seelen kennen die Bosheit der Welt und wissen,
daß man es vielleicht nicht als das auslegt,
was es ist, sondern daß man das, wofür man den
Herrn rühmen müßte, vielleicht zum Anlaß
nimmt, um zu hecheln und zu verurteilen. In
gewisser Weise erscheinen mir dieser Kummer
und diese Scham als ein Mangel an Demut; doch
die Seele kann nicht anders. Denn wenn die
betreffende Person sich Schmach und
Beschimpfung wünscht – was kann es ihr da
anhaben? Jemand, der in dieser Betrübnis war,
vernahm von unserem Herrn die Worte: »Sei
unbekümmert; denn entweder müssen sie mich
loben oder über dich lästern, und in beiden
Fällen ist es dein Gewinn.« Später erfuhr ich,
daß die betreffende Person durch diese Worte
sehr erquickt und getröstet wurde. Für den
Fall, daß eine von euch sich in derselben
Bedrängnis sieht, habe ich sie hier für euch
wiedergegeben. Anscheinend ist es der Wunsch
unseres Herrn, alle möchten erkennen, daß jene
Seele schon ihm gehört und daß niemand an sie
rühren soll. Wohl kann man ihrem Leib, ihrer
Ehre, ihrem Hab und Gut Schaden antun, weil
all dies zum Ruhm Seiner Majestät gereichen
wird. Doch der Seele darf nichts geschehen;
denn solange sie sich nicht frevelhaft und
vermessen von ihrem Bräutigam trennt, wird er
sie verteidigen wider die ganze Welt, ja gegen
die ganze Hölle.
Ich weiß nicht, ob ich damit ein bißchen
verständlich gemacht habe, was eine Verzückung
ist; denn – wie gesagt – es ist unmöglich,
dies vollkommen faßbar darzustellen. Ich
glaube nicht, daß es irgendwie abträglich ist,
davon zu reden, so daß man erkennt, wie sehr
die echten Verzückungen sich von den
vorgeblichen unterscheiden. Ich spreche nicht
von »vorgeblichen«, weil die davon
heimgesuchte Person betrügen will, sondern
weil sie selbst die Betrogene ist; und weil
die Zeichen und Wirkungen nicht mit einer
solch großen Gnade übereinstimmen, gerät sie
so sehr in Schmach und Schande, daß man
danach, nicht ohne Grund, auch solchen, denen
Gott diese Gnade wirklich erweist, mit
Unglauben begegnet. Er sei gelobt und
gepriesen in Ewigkeit. Amen, Amen.
FÜNFTES KAPITEL
Eine weitere Art der Verzückung gibt es – ich
nenne sie Geistesflug –, die man im Inneren
völlig anders empfindet, obwohl ihr Wesen ein
und dasselbe ist wie bei allen übrigen.
Urplötzlich fühlt man nämlich zuweilen eine so
rasche Regung der Seele, daß es scheint, als
werde der Geist mit einer Schnelligkeit
hingerissen, die einem heftige Furcht einjagt,
besonders am Anfang. Darum sagte ich euch, daß
derjenige, dem Gott diese Gnade erweist,
großen Mut braucht, außerdem Glaube, Vertrauen
und die hingebungsvolle Bereitschaft, unseren
Herrn mit der Seele machen zu lassen was er
will. Meint ihr, man erschrecke nicht, wenn
man hellwach bei Sinnen ist und merkt, wie
einem die Seele (und bei manchen – wie wir
gelesen haben – zugleich, der Körper)
fortgerissen wird, ohne daß man weiß, wohin
und von wem und auf welche Weise sie entführt
wird? Denn zu Beginn dieser jähen Bewegung ist
man sich nicht so gewiss, daß es Gott ist.
Aber gibt es denn kein Mittel, um dem
widerstehen zu können? Nein, keineswegs.
Widerstrebt man, so wird es eher noch
schlimmer – das weiß ich von einer gewissen
Person denn es scheint, als wolle Gott der
Seele, nachdem sie sich so oft und mit solcher
Ernsthaftigkeit in seine Hände gelegt und so
mit ganzem Willen ihm alles dargeboten hat, zu
verstehen geben, daß sie keinen Anteil mehr an
sich selber habe, und sie wird mit spürbar
heftigerer Bewegung hingerissen. Und die
betreffende Person nahm sich vor, nichts
weiter zu tun, als was ein Strohhalm tut, wenn
der Bernstein ihn zu sich emporzieht (falls
ihr das schon beobachtet habt), und sich den
Händen dessen zu überlassen, der so mächtig
ist, daß sie erkennt: das beste ist es, aus
der Notwendigkeit eine Tugend zu machen. Und
weil ich vom Strohhalm gesprochen habe – es
ist gewißlich so, daß ebenso leicht, wie ein
kräftiger Bursche einen Strohhalm fortraffen
kann, dieser gewaltige Riese den Geist
hinwegrafft.
Wir sprachen von einem Brunnenbecken (ich
glaube, in der vierten Wohnung, falls die
Erinnerung mich nicht täuscht), das so sanft
und gelinde – ich meine: ohne irgendeine
Bewegung – sich füllt. Hier nun scheint es
nicht anders, als habe dieser große Gott, der
die Quellen der Gewässer in Händen hat und das
Meer nicht über seine Grenzen fluten läßt, die
Quellen, aus denen dieser Brunnen gespeist
wird, aller Fesseln entledigt, und mit einer
großen Wucht schießt eine so gewaltige Woge
empor, daß das Schifflein unserer Seele in die
Höhe getragen wird. Und genauso wie ein
Steuermann und alle, die ein Schiff lenken,
nicht die Macht haben, ihr Fahrzeug dort zu
halten, wo sie wollen, wenn die Wogen wütend
anstürmen, genauso wenig, ja noch viel weniger
kann das Innere der Seele dort verharren, wo
es will, oder ihre Sinne und Kräfte dazu
zwingen, etwas anderes zu tun, als was ihnen
befohlen ist. Äußerlicher Widerstand ist hier
ohnehin sinnlos.
Wirklich, Schwestern, allein indem ich davon
schreibe, erschaudere ich davor, wie sich hier
die gewaltige Macht dieses großen Königs und
Herrschers zeigt. Wie wird es erst dem
ergehen, der es erlebt? Ich glaube, daß die
Menschen, die in tiefer Verderbnis auf dieser
Erde wandeln, wenn nicht aus Liebe, so doch
aus Furcht es nicht mehr wagen würden, Seine
Majestät zu beleidigen, wenn er sich ihnen so
offenbarte wie diesen Seelen. Oh, welch hohe
Verpflichtung haben darum diejenigen, welche
auf so erhabenem Wege die Warnung erhielten,
mit allen Kräften danach zu streben, daß wir
diesen Herrn nicht erzürnen! Um seinetwillen,
Schwestern, flehe ich euch, denen Seine
Majestät diese oder ähnliche Gnaden vielleicht
schon erwiesen hat, darum an, nicht so achtlos
zu sein, daß ihr euch damit begnügt, sie zu
empfangen. Bedenkt, daß viel bezahlen muß, wer
viel schuldet.
Dazu bedarf es auch eines großen Mutes; denn
es ist eine Aufgabe, vor der man verzagen
möchte, und wenn unser Herr einem nicht die
nötige Kühnheit gäbe, würde man stets in Angst
und Kummer leben. Wenn nämlich die Seele
sieht, was Seine Majestät mit ihr tut, und
dagegen an sich selber gewahrt, wie wenig sie
leistet im Vergleich zu dem, wozu sie
verpflichtet ist, und daß das bißchen, was sie
tut, voller Fehler, Gebrechen und Schwachheit
ist, so meint sie, um nicht immer an die
Unvollkommenheit ihrer guten Werke erinnert zu
werden (falls sie solche vollbringt), sei es
das beste, wenn sie dieselben zu vergessen
sucht, sich ihre Sünden ins Gedächtnis ruft
und sich der Barmherzigkeit Gottes anheimgibt,
da sie ja nichts hat, mit dem sie bezahlen
könnte. Und sie bittet: Möge sein Mitleid und
Erbarmen, das er immer den Sündern bewies, für
alles aufkommen.
Vielleicht wird er da der Seele dasselbe zur
Antwort geben, was er einer gewissen Person
erwiderte, die tieftraurig vor einem Kruzifix
stand, in dem Gedanken, daß sie noch nie etwas
besessen habe, was sie Gott hätte geben oder
auf das sie um seinetwillen hätte verzichten
können. Tröstend sprach der Gekreuzigte selber
zu ihr, er schenke ihr alle Schmerzen und
Leiden, die er in seiner Passion erlitten
damit sie ihr eigen seien und sie dieselben
seinem Vater darbringe. So getröstet fühlte
sich dadurch jene Seele und so reich – wie ich
von ihr erfahren habe –, daß sie es nicht
vergessen kann, sondern vielmehr jedesmal,
wenn sie sich so elend fühlt, in der
Erinnerung daran Aufmunterung und Tröstung
findet. Einige Beispiele dieser Art könnte ich
hier erzählen; denn da ich so vielen heiligen
und dem Gebet ergebenen Menschen begegnet bin,
sind mir nicht wenige bekannt; damit ihr
jedoch nicht denkt, es handle sich um mich,
unterlasse ich es. Das hier geschilderte
Erlebnis scheint mir von großem Nutzen zu
sein, weil es euch erfahren läßt, wie es
unseren Herrn freut, wenn wir uns selbst
erkennen und uns darum bemühen, immer aufs
neue unsere Armut, unser Elend zu sehen und zu
begreifen, daß wir nichts besitzen, was wir
nicht empfangen haben. Darum, meine
Schwestern, bedarf es des Mutes, hier und bei
vielem anderen, was einer Seele widerfährt,
die der Herr schon bis zu dieser Stufe geführt
hat. Ganz besonders viel Mut braucht man aber
– wie ich glaube – für das eben Geschilderte,
falls es der Seele nicht an Demut fehlt. Möge
der Herr sie uns verleihen.
Doch kehren wir zurück zu diesem jähen
Hingerissensein des Geistes. Es scheint dabei
wirklich so, als verlasse er den Leib, wobei
es andererseits keinen Zweifel gibt, daß die
betreffende Person nicht tot ist; zumindest
einige Augenblicke lang aber kann sie selber
nicht sagen, ob sie im Körper ist oder nicht.
Es scheint ihr, als sei sie mit ihrem ganzen
Wesen in einer fremden Region gewesen, die
ganz anders ist als die, in der wir leben.
Dort zeigt sich ihr ein anderes Licht, das so
verschieden von dem hiesigen ist, daß es ihr
unmöglich wäre, auch wenn sie sich ihr ganzes
Leben lang darum bemühte, es sich mit all den
anderen Dingen auszudenken. In einem
Augenblick wird ihr da eine solche Unzahl von
Dingen gezeigt, daß sie in vielen Jahren der
Mühe mit ihrer Phantasie und ihrem Denken
nicht ein Tausendstel davon zusammenbrächte.
Dies ist keine Vision des Verstandes, sondern
eine bildhafte Schau die man mit den Augen der
Seele viel besser aufnehmen kann, als wir hier
mit denen des Körpers sehen; und ohne Worte
werden ihr da mancherlei Dinge klar. Sieht sie
etwa irgendwelche Heilige, so erkennt sie
diese, als sei sie ihnen schon oft begegnet.
Bei anderen Gelegenheiten erscheinen ihr neben
dem, was sie mit den Augen der Seele gewahrt,
in einer Verstandesschau noch andere Dinge,
vor allem Scharen von Engeln mit ihrem Herrn.
Und ohne daß sie irgend etwas mit den Augen
des Leibes oder der Seele sieht, gewahrt sie –
in einer wunderbaren Einsicht, die ich nicht
ausdrücken kann – das Gesagte und viele andere
Dinge mehr, die nicht in Worte zu fassen sind.
Wer das schon erlebt hat und befähigter ist
als ich, kann sie vielleicht verständlich
machen, was mir freilich schwierig erscheint.
Ob dies alles geschieht, während die Seele im
Körper oder außerhalb des Leibes ist, kann ich
nicht sagen; zumindest möchte ich nicht
beschwören, daß sie sich dabei im Körper
befinde, und genauso wenig, daß der Körper
dabei ohne Seele sei.
Oft habe ich gedacht, ob es nicht so ist wie
bei der Sonne. Sie steht am Himmel, ihre
Strahlen aber haben eine solche Kraft, daß sie
schnell herab zur Erde dringen, ohne daß die
Sonne sich von ihrem Platze rührt. Die Seele
und der Geist sind ein und dasselbe, genau wie
die Sonne und ihre Strahlen. Kann da nicht,
während sie an ihrem Platz verweilt, mit der
Kraft der Wärme, die sie von der wahren Sonne
der Gerechtigkeit empfängt, irgendein höherer
Teil über sich selbst hinausdringen? Aber ich
weiß nicht, was ich sage. Wahr ist auf jeden
Fall, daß so geschwind, wie eine Kugel die
Büchse verläßt, wenn man Feuer gibt, im Innern
der Seele etwas auffliegt – ich kann es nicht
anders nennen; denn obwohl es ganz lautlos
geschieht, läßt es doch so deutlich eine
Bewegung entstehen, daß es keineswegs eine
Einbildung sein kann. Und wenn sie ganz außer
sich ist – soweit sie das zu begreifen vermag
–, zeigen sich ihr große Dinge. Fühlt sie sich
wieder in sich selber, dann empfindet sie sich
so bereichert und schätzt alle Dinge der Erde
so gering im Vergleich zu dem, was sie
geschaut hat, das Sie ihr als Unrat
erscheinen. Von da an lebt sie auf dieser Erde
in großer Qual, und nichts von dem, was sie
einst für gut und schön hielt, besitzt in
ihren Augen jetzt noch einen Wert. Es scheint,
als habe der Herr ihr etwas von dem Lande
zeigen wollen, in das sie gelangen soll, so
wie die Kundschafter des Volkes Israel, die
ins Land der Verheißung vorausgeschickt worden
waren, Zeichen mitbrachten dem Volk, damit es
die Mühsale dieses Leidensweges erdulde in dem
Wissen, wo es zur Ruhe finden wird.
Auch wenn ihr vielleicht meint, daß etwas, das
so rasch vorübergeht, von keinem großen Nutzen
sei, ist doch der Wert, den es in der Seele
hinterläßt, so groß, daß er nur von dem zu
erfassen ist, der es erlebt hat. Daraus ist
klar zu ersehen, daß es kein Werk des Satans
ist. Weder die eigene Einbildung noch der
Teufel könnten einem Dinge vor Augen führen,
die eine solche Wirkung, solchen Frieden,
solche Ruhe und so viel Gewinn in der Seele
hinterlassen, vor allem aber drei Dinge in
reichem Maße: Erkenntnis der Größe Gottes
(denn je mehr wir davon sehen, um so mehr
begreifen wir sie); Selbsterkenntnis und Demut
(durch den Eindruck, wie ein Wesen, das so
niedrig ist im Vergleich zum Schöpfer so
vieler Herrlichkeiten, es gewagt hat, ihn zu
beleidigen, und noch immer wagt, zu ihm
aufzublicken); und als dritte Frucht: eine
Geringachtung aller Dinge dieser Erde, außer
denen, die sie im Dienst für einen so großen
Gott gebrauchen kann.
Dies sind die Kleinode, die der Bräutigam
seiner Braut zu schenken beginnt, und sie sind
von so hohem Wert, daß die Braut sie mit
Sorgfalt bewahrt. Diese Gesichte bleiben
nämlich dem Gedächtnis so eingemeißelt, daß es
mir unmöglich scheint, sie könnten jemals der
Erinnerung verlorengehen, bis zu jener Zeit,
wo die Seele sich auf ewig daran erfreut.
Geschähe es dennoch, so wäre es für sie ein
schrecklicher Schade. Doch der Bräutigam, der
ihr diese Geschenke macht, ist mächtig genug,
ihr auch die Gnade zu verleihen, daß sie
dieselben nicht verliert.
Was aber den Mut angeht, dessen es hier bedarf
– glaubt ihr, daß der so leicht zu haben sei?
Denn es scheint wirklich so, als trennte sich
die Seele vom Leib; man merkt, daß einem die
Sinne schwinden, und versteht nicht, wozu. Da
ist es nötig, daß er diesen Mut uns verleiht,
er, der auch alles übrige uns schenkt. Ihr
werdet sagen: Diese Angst wird reichlich
belohnt. Dasselbe sage auch ich. Ewig sei er
gerühmt, der so viel zu geben vermag. Möge
Seine Majestät uns die Gnade verleihen, daß
wir würdig sind, ihm zu dienen. Amen.
SECHSTES KAPITEL
Diese Gnaden hinterlassen in der Seele ein so
großes Verlangen, sich dessen, der dies alles
für sie tut, ganz zu erfreuen, daß sie in
heftiger und doch lustvoller Qual lebt. Eine
unbändige Sehnsucht nach dem Tode erfüllt sie,
und deshalb fleht sie, meist unter Tränen,
Gott darum an, sie wegzunehmen aus dieser
Verbannung. Alles ödet sie an, was sie hier
erblickt. Ist sie allein, fühlt sie eine
gewisse Erleichterung, aber dann stellt sich
aufs neue dieser Schmerz ein, von dem sie
niemals frei ist. Kurz gesagt: der kleine
Falter kann keinen Platz finden, wo er dauernd
ruhen könnte. Da die Seele von einer so
innigen Liebe getrieben ist, drängt vielmehr
alles, was dieses Feuer noch mehr entfacht,
sie zum Weiterfliegen. Und deshalb folgt in
dieser Wohnung eine Verzückung der anderen,
wovor es kein Ausweichen gibt, selbst in der
Öffentlichkeit nicht. Verfolgungen und böse
Nachrede lassen nicht auf sich warten. Die
Seele will zwar furchtlos bleiben, aber man
erlaubt es ihr nicht. Viele Leute flößen ihr
da Ängste ein, vor allem die Beichtväter. Und
obwohl sie einerseits, vor allem wenn sie mit
Gott allein ist, in ihrem Inneren eine große
Sicherheit zu fühlen glaubt, ist sie
andererseits doch sehr gequält, weil sie
fürchtet, der Satan könnte sie vielleicht
derart täuschen, daß sie damit den kränkt, den
sie so innig liebt. Das Gerede kümmert sie
wenig, es sei denn, daß der Beichtvater selber
ihr so zusetzt, als ob sie etwas daran ändern
könnte.
In diesem Fall bittet sie nur alle anderen,
für sie zu beten und fleht Seine Majestät an,
sie einen anderen Weg führen; denn dazu rät
man ihr, weil dieser Weg sehr gefährlich ist.
Aber nachdem sie auf ihm so viel für ihr Heil
gefunden hat, daß sie von der Ansicht nicht
abzubringen ist, dies sei, auch nach allem,
was sie gelesen, gehört und durch die Gebote
Gottes erfahren habe, der Weg, der zum Himmel
führt, bringt sie es nicht über sich, selbst
wenn sie es wollte, einen anderen Wunsch zu
fühlen, als seinen Händen sich zu überlassen.
Aber daß sie den Wunsch nach einem anderen Weg
sich nicht zu eigen machen kann, schmerzt sie
ebenfalls, weil es ihr scheint, als werde sie
damit dem Beichtvater gegenüber ungehorsam. Im
Gehorsam und in der Sorge, unseren Herrn nicht
zu kränken, scheint ihr aber das einzige
Heilmittel zu bestehen, das sie vor Trug und
Täuschung schützen kann. Deshalb würde sie
wissentlich niemals auch nur eine läßliche
Sünde begehen und ließe sich – davon ist sie
überzeugt – lieber in Stücke hauen. Aber es
bekümmert sie sehr, wenn sie sieht, daß sie es
nicht vermeiden kann, vielfach zu sündigen,
ohne daß sie es merkt.
Gott gibt diesen Seelen ein so übermächtiges
Verlangen ein, ihm durch nichts zu mißfallen –
auch nicht durch eine noch so geringe
Kleinigkeit – und sich niemals unvollkommen zu
erweisen, wenn sie dies irgend vermögen. Und
schon deshalb, geschehe es auch aus keinem
anderen Grund, möchte sie den Leuten
entfliehen und beneidet sehr die Einsiedler,
die in den Wüsten lebten oder noch heute dort
leben. Aber auf der anderen Seite möchte sie
am liebsten mitten in die Welt gehen, um zu
sehen, ob sie nicht etwas dazu beitragen kann,
daß auch nur eine Seele Gott inniger lobe.
Handelt es sich um eine Frau, so ist sie
traurig über die Fesseln, die ihre Natur ihr
auferlegt und die ihr nicht erlauben, dies zu
tun, und heftig beneidet sie diejenigen, die
die Freiheit haben, es laut hinauszurufen und
aller Welt zu verkünden, wer dieser große Gott
der Heerscharen ist.
Oh, armer kleiner Falter, festgehalten von so
viel Fesseln, die dich nicht fliegen lassen,
wohin du willst! Hab Mitleid mit ihm, mein
Gott. Gebrauche Deine Macht, damit er ein
wenig seiner Sehnsucht folgen kann, zu Deiner
Ehre und Deinem Ruhm. Denk nicht daran, wie
wenig er dies verdient und von welch niederer
Natur er ist. Du hast die Gewalt, Herr, das
große Meer und die Fluten des Jordans
zurückweichen zu lassen, so daß die Kinder
Israels hindurchziehen können. Hab kein
Mitleid mit der Seele; denn mit Hilfe Deiner
Stärke kann sie viel Mühsal bestehen. Sie ist
bereit dazu und will es erleiden. Strecke
Deinen mächtigen Arm aus, Herr, laß sie ihr
Leben nicht mit so niederen Dingen zubringen.
Deine Größe erweise sich an einem so niederen
weiblichen Wesen, damit die Welt, wenn sie
erkennt, daß dies etwas ist, was ein Weib
nicht aus sich selber hat, Dich loben möge.
Das wünscht sich Deine Magd, koste es, was es
wolle. Und tausend Leben wollte sie hingeben,
wenn sie so viele hätte, damit eine einzige
Seele Dich auch nur ein bißchen inniger lobe.
Und sie täte es in der Überzeugung, ihre Zeit
gut angewandt zu haben. Dabei ist sie sich
freilich klar bewußt, daß sie nicht würdig
ist, für Dich auch nur eine ganz kleine Mühsal
zu erdulden, geschweige denn zu sterben.
Ich weiß nicht, Schwestern, warum ich das
gesagt habe und wozu; denn ich verstehe mich
selber nicht recht. Wir müssen erkennen: dies
sind die Wirkungen der Erhebungen oder
Ekstasen. Es ist nämlich keine Sehnsucht, die
vorbeigeht, sondern eine, die ständig anhält,
und wenn sich irgendeine Gelegenheit bietet,
wo sie sich erweisen kann, so zeigt es sich,
daß es keine Einbildung war. Warum sage ich
»ständig«? Manchmal fühlt sich die Seele
verzagt, und zwar bei den geringsten Dingen;
sie ist verängstigt und hat so wenig Mut, daß
es ihr unmöglich scheint, sich zu irgend etwas
aufzuschwingen. Meiner Ansicht nach überläßt
der Herr sie da ihrer eigenen Natur, zu ihrem
noch viel größeren Nutzen und Heil; denn da
sieht sie, daß der Mut, den sie vielleicht
einmal für irgend etwas aufgebracht hat, ihr
von Seiner Majestät eingegeben wurde. Sie
erkennt dies in einer Klarheit, die sie selber
vernichtet und sie noch deutlicher das
Erbarmen Gottes erfahren läßt und seine Größe,
die er an einem so niederen Wesen erweisen
wollte. Meist herrscht jedoch in der Seele die
Sehnsucht, von der ich vorhin gesprochen habe.
Eines müßt ihr euch merken, Schwestern: diese
heftigen Regungen der Sehnsucht, unseren Herrn
zu sehen, bedrängen einen manchmal so sehr,
daß man sie nicht noch unterstützen darf. Ihr
müßt euch da vielmehr ablenken, wenn ihr es
könnt. Bei anderen Aufwallungen des
Verlangens, von denen ich noch reden werde,
ist das völlig ausgeschlossen, wie ihr sehen
werdet. Bei den ersteren ist es jedoch
manchmal durchaus möglich; denn da ist die
Vernunft stark genug, um sich in den Willen
Gottes zu fügen und das zu sagen, was der
heilige Martin sprach. Auch kann man den
Gegenstand der Betrachtung wechseln, wenn die
Sehnsucht allzu bedrängend wird; denn weil
dies anscheinend ein Verlangen ist, das sich
allein bei Menschen regt, die schon weit
fortgeschritten sind, könnte es ja sein, daß
der Satan den Antrieb dazu gibt, damit wir
meinen, wir seien der Vollkommenheit schon so
nahe. Es ist immer gut, in Furcht zu wandeln.
Ich für mein Teil glaube jedoch, daß der Böse
nicht die Ruhe und den Frieden stiften kann,
welche diese Pein der Seele einflößt, sondern
daß er dabei eine Leidenschaft erregt, wie wir
sie empfinden, wenn wir irdischer Dinge wegen
Kummer leiden. Wer aber nicht in beidem
erfahren ist, der wird es nicht begreifen, und
da er denkt, es sei etwas Großes, wird er mit
allen Kräften nachhelfen und dadurch seiner
Gesundheit großen Schaden zufügen; denn diese
Pein hält ständig an oder ist jedenfalls die
meiste Zeit zu spüren.
Auch müßt ihr bedenken, daß eine schwache
körperliche Verfassung oftmals die Ursache
derartigen Kummers ist, vor allem bei manchen
zarten Personen, die wegen jeder Kleinigkeit
weinen. Solchen Menschen wird der Satan
tausendmal den Gedanken einflößen, sie weinten
aus Liebe zu Gott, auch wo dies gar nicht der
Fall ist. Ja, es kann sogar vorkommen, wenn
die Tränen in Strömen fließen und man bei
jedem Wörtchen, das man über Gott hört oder
denkt, ihnen nicht widerstehen kann, daß
irgendeine Stimmung das Herz überkommt, die
mehr als die Liebe zu Gott daran beteiligt
ist, daß man in ein Weinen ausbricht das nicht
mehr aufzuhören scheint. Und da die
betreffenden Menschen schon erfahren haben,
daß Tränen etwas Gutes sind, wehren sie sich
nicht dagegen, wünschen sich gar nichts
anderes und fördern sie, so gut sie können.
Der Satan verfolgt dabei die Absicht, sie auf
diese Weise zu schwächen, so daß sie nachher
nicht einmal fähig sind, zu beten oder die
Regel einzuhalten.
Ich glaube euch vor mir zu sehen, wie ihr
fragt, was ihr nun eigentlich tun sollt, wenn
ich überall eine Gefahr wittere und selbst bei
einem so guten Zeichen wie den Tränen die
Möglichkeit einer Täuschung argwöhne; und ich
meine zu hören, wie ihr sagt, ich selber sei
die Getäuschte. Das kann wohl sein, aber
glaubt mir: ich würde das nicht sagen, wenn
ich es nicht schon an manchen Personen
beobachtet hätte, freilich nicht an mir; denn
ich bin keineswegs zart, sondern habe vielmehr
ein so zähes Herz, daß es mich manchmal
bekümmert. Aber mag das Herz auch noch so hart
sein – es träufelt wie aus einem
Destillierkolben, wenn das innerliche Feuer
groß ist. Und ihr werdet es deutlich merken,
daß die Tränen, wenn sie in dieser Weise
kommen, eher stärken und beruhigen als
aufwühlen und daß sie selten schaden. Falls es
aber eine Täuschung ist, so hat doch bloß der
Leib den Schaden zu tragen und nicht die
Seele, wenn nur die nötige Demut da ist. Fehlt
aber diese, so hat man guten Grund, um die
Seele zu bangen.
Wir dürfen nicht meinen, wir hätten es
geschafft, wenn wir viel weinen. Nein, laßt
uns tatkräftig Hand ans Werk legen und die
Tugenden erringen – denn darauf kommt es an –,
und die Tränen mögen fließen, wenn Gott sie
schickt, ohne daß wir uns darum bemühen.
Solche Tränen werden diese ausgetrocknete Erde
netzen und viel dazu beitragen, daß sie Frucht
bringt. Je weniger wir uns darum kümmern,
desto besser; denn es ist Wasser, das vom
Himmel fällt. Das andere, nach dem wir mühsam
graben, um es dann heraufzuholen, ist damit
nicht zu vergleichen; denn oftmals graben wir
bis zur völligen Erschöpfung und finden nicht
einmal eine Pfütze, geschweige denn eine
Quelle. Deshalb, Schwestern, halte ich es für
besser, daß wir uns vor den Herrn begeben und
seine Barmherzigkeit und Größe betrachten und
unsere eigene Niedrigkeit. Er gebe uns, was er
will, sei es Wasser oder Dürre. Er weiß
besser, was gut für uns ist. Denken wir so,
dann werden wir sorglos unseren Weg gehen, und
der Satan hat weniger Gelegenheit, uns durch
Blendwerk in eine Falle zu locken.
Neben diesen Qualen, die zugleich Wonnen sind,
schenkt unser Herr der Seele zuweilen auch ein
Frohlocken und ein Gebet, die so ungewöhnlich
sind, daß sie es nicht zu fassen vermag. Ich
erwähne dies hier, damit ihr wißt, daß
dergleichen geschehen kann, und ihr Gott von
Herzen rühmt, wenn er euch diese Gnade
erweisen sollte. Es ist nach meiner Meinung
eine große Vereinigung der Seelenkräfte, nur
läßt unser Herr ihnen dabei genauso wie den
Sinnen die Freiheit, diese Wonne zu genießen,
ohne daß sie begreifen, was sie eigentlich
genießen und wie sie es genießen. Das klingt
wie ein wirres, unverständliches Gerede, und
doch ist es so und nicht anders. Es ist eine
solch überschwängliche Lust der Seele, daß sie
es nicht allein genießen, sondern allen sagen
möchte, damit sie gemeinsam mit ihr unseren
Herrn preisen; denn dazu drängt ihr ganzes
Gefühl. Oh, was für Feste würde sie feiern,
wenn sie könnte, und es allem Volk verkünden,
damit jedermann ihre Wonne verstünde. Es ist,
als habe sie sich selber gefunden und als
wollte sie, wie der Vater des verlorenen
Sohnes, alle Welt einladen und große
Freudenfeste bereiten, weil sie ihre Seele an
einem Orte sieht, von dem sie mit Gewißheit
glaubt, daß sie hier in Sicherheit ist,
wenigstens in diesem Augenblick. Und ich
glaube, sie hat recht damit; denn so viel
Wonne im tiefsten Inneren der Seele, bei
solchem Frieden und wo all ihre Freude sie
drängt zum Lobe Gottes – das kann unmöglich
der Satan eingeben.
Steigt die Freude mit so stürmischer Gewalt
empor, dann fällt das Schweigen recht schwer,
und sie zu verheimlichen, ist keine geringe
Qual. So hat es wohl der heilige Franziskus
empfunden, als die Räuber ihm begegneten und
er laut rufend übers Feld ging und ihnen
sagte, er sei der Herold des großen Königs;
ebenso andere Heilige, die in die Einöde
gehen, um gleich Franziskus diesen Lobpreis
Gottes laut und offen ausrufen zu können. Ich
kannte selber einen solchen Heiligen namens
Bruder Pedro de Alcäntara (nach seiner
Lebensweise halte ich ihn wirklich für einen
Heiligen). Er tat dasselbe, und die Leute, die
ihn gelegentlich hörten, hielten ihn für
verrückt. Oh, welch gute Verrücktheit,
Schwestern. Würde Gott sie doch uns allen
schenken!
Und wieviel Gnade hat er euch damit erwiesen,
daß ihr an einem Orte lebt, wo man, auch wenn
der Herr euch dies zuteil werden läßt und ihr
es zu erkennen gebt, euch eher dabei helfen
wird, als daß man euch zum Gegenstand von
üblem Gerede macht, wie es euch erginge, wenn
ihr im weltlichen Leben stündet. Dieses
öffentliche Verkündigen ist man so wenig
gewohnt, und es geschieht so selten, daß es
gar nicht verwunderlich ist, wenn darüber
gelästert wird.
Oh, unselige Zeiten und erbärmliches Leben,
das wir jetzt führen. Glücklich jene, denen
das gute Los zugefallen ist, davon befreit zu
sein! Manchmal ist es mir eine besondere
Freude, wenn ich die Schwestern beisammen sehe
und gewahre, wie sie von einem so großen
inneren Glück erfüllt sind, daß sie
miteinander wetteifern, von Herzen unseren
Herrn dafür zu preisen, daß sie im Kloster
leben. Denn man sieht es klar und deutlich,
daß diese Lobpreisungen tief aus der Seele
kommen. Ich wünschte mir, Schwestern, daß ihr
dies oftmals tut und daß eine, die den Anfang
macht, die anderen dazu erweckt. Wozu könntet
ihr eure Zunge auch besser gebrauchen, wenn
ihr beisammen seid, als zum Lobe Gottes, dem
wir so viel zu danken haben?
Möge es Seiner Majestät gefallen, daß er uns
oft dieses Gebet schenkt; denn es ist so
sicher und bringt so viel Gewinn. Wir von uns
aus können es nicht erlangen, weil es etwas
ganz Übernatürliches ist. Und es kommt vor,
daß es einen vollen Tag anhält und die Seele
umhergeht wie jemand, der viel getrunken hat,
aber doch nicht so viel, daß er von Sinnen
ist, oder wie ein Melancholiker, der zwar den
Verstand nicht völlig verloren hat, aber stets
an einer Sache haftet, die sich in seiner
Vorstellung festgesetzt hat und von der ihn
auch niemand abbringen kann. Das sind echt
grobe Vergleiche für etwas so Kostbares, doch
mein Geist ist nicht fähig, andere zu finden.
Es ist nämlich wirklich so, daß die Seele über
dieser Freude sich selber und alle Dinge
derart vergißt, daß sie gar nichts anderes
mehr bemerkt und nichts anderes auszudrücken
vermag, als was ihrer Freude entquillt, als
den Lobpreis Gottes. Laßt uns alle dieser
Seele dabei helfen, meine Töchter. Warum
wollen wir vernünftiger sein? Was kann uns
größere Freude schenken? Und alle Geschöpfe
mögen mit uns einstimmen zur Ehre des Herrn
und für alle Ewigkeit. Amen, Amen, Amen.
SIEBTES KAPITEL
Vielleicht meint ihr, Schwestern – vor allem
diejenigen unter euch, die nicht diese Gnaden
erlangt haben –, daß die Seelen, denen sich
der Herr auf so besondere Weise mitteilt,
schon so sicher seien, immer sich seiner zu
erfreuen, daß sie nichts mehr zu fürchten
hätten und ihre Sünden nicht mehr beweinen
müßten. Das wäre ein schlimmer Irrtum; denn
die Sünden schmerzen nur um so mehr, je mehr
uns von Gott geschenkt wird. Wer wirklich ein
solches Geschenk von Gott empfangen hat, wird
mir das bestätigen. Und ich bin überzeugt, daß
der Schmerz nicht aufhören wird, bis wir dort
sind, wo uns nichts mehr ein Leid zufügen
kann.
Es stimmt, daß die Pein manchmal quälender ist
als sonst und auch von anderer Art; denn die
Seele denkt da nicht mehr an die Qual, die ihr
die Sünden bereiten, sondern daran, wie
undankbar sie gegen den war, dem sie so viel
schuldet und der wohl würdig ist, daß man ihm
dient. Durch die Herrlichkeiten, die er der
Seele mitteilt, erkennt sie nämlich viel
klarer die Größe Gottes. Es erschreckt sie,
wie sie so vermessen sein konnte; sie beweint
ihre geringe Ehrfurcht, und so irrwitzig
erscheint ihr die eigene Torheit, daß sie es
nie genug beklagen kann, wenn sie daran denkt,
daß sie eine solch erhabene Majestät so
niedriger Dinge wegen je verließ. Damit sind
ihre Gedanken viel mehr beschäftigt als mit
den Gnaden, die sie empfängt, auch wenn diese
so groß sind wie die, von denen noch die Rede
sein wird. Es scheint, als würden sie jeweils
von einem gewaltigen Strom herangeschwemmt und
wieder fortgerissen. Die Sünden aber sind wie
der Schlamm auf dem Grund einer Lache; denn
immer wieder werden sie von der Erinnerung
aufgewühlt. Und das ist eine schreckliche
Qual.
Ich weiß von einer Person, die nicht nur
sterben wollte, um Gott zu schauen, sondern
sich auch nach ihrem Ende sehnte, um nicht
ständig von dem Gedanken gequält zu werden,
wie undankbar sie gegen den gewesen war, dem
sie immer so viel verdankte und noch verdanken
sollte. Darum glaubte sie auch, die
Schlechtigkeit keines anderen Menschen könnte
der ihrigen gleichkommen; denn sie sah ein,
daß es wohl niemanden geben könne, den Gott
mit solcher Langmut ertragen und dem er
zugleich so viele Gnaden erwiesen hat. Was
aber die Angst vor der Hölle angeht – solche
Seelen fühlen sie überhaupt nicht; nur
manchmal bedrängt sie heftig die Furcht, sie
könnten Gott verlieren, aber das geschieht
recht selten. Sie befürchten einzig und
allein, Gott könnte sie von seiner Hand
lassen, so daß sie ihn beleidigen könnten und
sich wieder in jenem elenden Zustande sähen
wie einst. Um die eigene Pein oder Seligkeit
kümmern sie sich nicht; und wenn sie den
Wunsch haben, nicht lange im Fegefeuer zu
bleiben, so mehr aus der Sorge, nicht so lange
von Gott getrennt zu sein, als aus Furcht vor
den Qualen, die sie dort zu erdulden haben.
Ich hielte es für gefährlich, wenn eine Seele
– sei sie auch noch so sehr von Gott begnadet
worden – es vergäße, daß sie sich einmal in
einem elenden Zustand befand; denn so qualvoll
solch eine Erinnerung ist, so nützlich ist sie
in vieler Hinsicht. Vielleicht meine ich das,
weil ich selbst so verderbt gewesen bin, und
deshalb habe ich es auch immer im Gedächtnis.
Diejenigen, die gut gewesen sind, werden es
wohl nicht empfinden, obgleich es immer Brüche
gibt, solange wir in unserem sterblichen Leibe
leben. Bei dieser Pein bringt der Gedanke, daß
unser Herr die Sünden schon vergeben und
vergessen hat, keine Erleichterung, eher
steigert es die Pein, wenn man so viel Güte
erfährt und sieht, daß all die Gnaden jemandem
zuteil werden, der nichts als die Hölle
verdiente. Ich glaube, daß dies für den
heiligen Petrus und die Magdalena ein großes
Martyrium war; denn da ihre Liebe so hoch
entflammt war, da sie so viele Gnaden
empfangen und die Größe und Majestät Gottes
erkannt hatten, mußte die Erinnerung an ihre
Sünden sie wohl bitter schmerzen und die
schärfste Reue in ihnen wecken.
Ihr meint vielleicht auch, daß jemand, der
sich solch hoher Dinge erfreut, nicht mehr
über die Geheimnisse der allerheiligsten
Menschlichkeit unseres Herrn Jesus Christus
meditieren wird, weil einer solchen Seele sich
alles in Liebe verwandelt hat. Das ist eine
Frage, über die ich anderswo ausführlich
geschrieben habe, und obgleich man mir damals
widersprochen und gesagt hat, ich verstünde es
nicht (denn das seien Wege, auf denen Gott
unser Herr die Seelen führe, und sobald man
die Anfänge hinter sich habe, sei es besser,
sich mit göttlichen Dingen zu befassen und das
Körperliche zu fliehen), wird man mich nicht
zu dem Bekenntnis bringen, dies sei ein guter
Weg. Es mag schon sein, daß ich mich täusche
und daß wir alle ein und dasselbe meinen; doch
ich habe gesehen, daß der Satan mich eben
damit betrügen wollte, und dies hat mich so
abgeschreckt, daß ich – auch wenn ich es schon
oft gesagt habe – es euch hier noch einmal
sagen möchte, dabei doch ja recht wachsam zu
sein. Und schaut, ich wage zu sagen, daß ihr
niemand glauben sollt, der euch darüber etwas
anderes sagt. Ich werde mich auch darum
bemühen, mich noch deutlicher auszudrücken,
als ich es früher tat; denn vielleicht hätte
derjenige, den ich vorhin meinte, das Richtige
gesagt, wenn er es ausführlicher erklärt
hätte; aber so in Bausch und Bogen gesprochen,
zu uns, die wir nicht so klar verstehen, kann
es viel Unheil anrichten.
Manche Seelen meinen wohl auch, sie könnten
nicht mehr an die Passion denken. Noch weniger
werden sie also an die heiligste Jungfrau oder
das Leben der Heiligen denken können –
Erinnerungen, die uns so viel nützen, uns so
ermutigen. Ich kann mir nicht vorstellen, an
was sie überhaupt denken; denn von allem
Körperlichen getrennt sein bedeutet für
engelhafte Geister, immer in Liebe entflammt
zu sein; doch wir, die wir in einem
sterblichen Leibe leben sind darauf
angewiesen, von jenen zu reden, an jene zu
denken und uns in das Geleite derer zu
begeben, die in eben diesem leiblichen Dasein
so große Taten für Gott vollbrachten. Noch
weniger begreife ich, wie man sich absichtlich
von dem entfernen kann, der unser ganzes Heil
und unsere Rettung ist – von der heiligsten
Menschlichkeit unseres Herrn Jesus Christus,
Ich kann nicht glauben, daß sie das tun,
sondern meine, daß sie sich selber nicht
verstehen; und so schaden sie sich und
anderen. Zumindest versichere ich ihnen, daß
sie nicht in diese beiden letzten Wohnungen
gelangen. Wenn sie nämlich den Führer
verlieren, den guten Jesus, so werden sie den
Weg nicht finden, und es wäre schon reichlich
viel, wenn sie sich in den anderen Wohnungen
sicher fühlen könnten. Denn der Herr selber
sagt, er sei der Weg. Und er fährt fort: »Ich
bin das Licht; niemand kommt zum Vater denn
durch mich, und wer mich sieht, der sieht
meinen Vater.« Man wird mir entgegnen, diese
Worte seien anders zu verstehen. Ich erkenne
keinen anderen Sinn. Mit diesem Sinn aber, den
meine Seele stets als die Wahrheit empfindet,
bin ich sehr gut gefahren.
Es gibt manche Seelen (und ziemlich viele
haben mit mir darüber gesprochen), welchen der
Herr die vollkommene Beschauung schenkt und
die deshalb am liebsten immer in diesem
Zustand verharren würden. Und das ist
unmöglich. Aber wenn sie diese Gnade des Herrn
erfahren haben, können sie danach nicht mehr
so wie früher an die Passion und an das Leben
Christi denken. Ich weiß nicht, was die
Ursache ist; doch es geschieht recht häufig,
daß der Verstand hernach weniger zur
Meditation befähigt ist. Ich glaube, das kommt
wohl daher, daß bei der Meditation alles ein
Suchen nach Gott ist und daß die Seele, wenn
sie einmal Gott gefunden hat und daran gewöhnt
ist, ihn immer aufs neue mit Hilfe des Willens
zu suchen, nun sich nicht mehr mit dem
Verstand ermüden möchte. Und es scheint mir
auch, als wolle der Wille, diese großmütige
Seelenkraft, da er schon entflammt ist, jene
andere Fähigkeit nicht in Anspruch nehmen,
wenn es nicht unumgänglich ist. Damit handelt
er nicht böse; doch er kann nicht auf das
Denken verzichten, vor allem nicht, bevor er
in diese letzten Wohnungen gelangt; er wird
sonst nur Zeit verlieren, denn oft bedarf es
der Hilfe des Verstandes, damit der Wille
entflammt wird.
Achtet auf diesen Punkt, Schwestern, denn er
ist wichtig und ich will ihn deshalb noch
genauer erklären. Die Seele ist voll der
Sehnsucht, sich ganz der Liebe hinzugeben, und
möchte nichts anderes mehr gewahren. Doch das
ist unmöglich, auch wenn sie dies will; denn
der Wille ist zwar nicht tot, aber das Feuer,
das ihn entbrennen läßt, ist immer am
Erlöschen, und es braucht einen, der
hineinbläst, damit es Hitze aussprüht. Wäre es
gut, wenn die Seele in dieser Dürre verharrte
und wie unser Vater Elia darauf warten würde,
daß Feuer vom Himmel fällt und dieses Opfer in
Brand setzt, welches sie mit dem eigenen Wesen
Gott darbringen will? Nein, gewiß nicht. Wir
dürfen nicht auf Wunder warten. Der Herr wird
sie der Seele schenken, wenn es ihm beliebt,
wie schon gesagt worden ist und noch gesagt
werden muß. Nach dem Willen des Herrn sollen
wir uns vielmehr als verderbt ansehen, als
unwürdig einer solchen Gnade, so daß wir alle
Hilfsmittel benützen, über die wir selber
verfügen. Und es ist meine Überzeugung, daß
wir, solange wir nicht gestorben sind, darauf
nicht verzichten können, so hoch wir auch im
Gebet emporgestiegen sein mögen.
Freilich, diejenigen, die der Herr schon in
die siebte Wohnung geführt hat, bedürfen
dieser Mühe nur noch in seltenen Fällen oder
fast nie. Weshalb sie das entbehren können,
werde ich zu gegebener Zeit sagen, falls ich
daran denke; aber dort sind sie fast
ununterbrochen in wunderbarer Weise bei
Christus unserem Herrn, der, göttlich und
menschlich zugleich, sie immerfort geleitet.
Wenn also das Feuer, von dem wir sprachen, im
Willen nicht entzündet ist und man die
Gegenwart Gottes nicht fühlt, so ist es nötig,
daß wir sie suchen. Seine Majestät will, daß
wir es machen wie die Braut im Hohenlied und
daß wir – wie der heilige Augustin es sagte,
ich glaube, in seinen Meditationen oder
Bekenntnissen – die Geschöpfe fragen, wer sie
erschaffen hat. Wir sollten nicht wie Toren
die Zeit verlieren, indem wir darauf warten,
daß uns nochmals gegeben wird, was uns schon
einmal geschenkt wurde; denn anfänglich kann
es sein, daß ein Jahr oder gar viele Jahre
vergehen, ohne daß uns der Herr das wieder
gewährt. Seine Majestät weiß warum. Wir
sollten nicht danach verlangen, den Grund zu
wissen. Wozu auch? Wir wissen ja durch die
Gebote und Sprüche den Weg, wie wir Gott
erfreuen können. Auf ihm wollen wir eifrig
weitergehen, indem wir seines Lebens und
seines Todes gedenken und uns erinnern,
wieviel wir ihm verdanken. Das übrige mag
kommen, wann der Herr will.
Doch es wird einem entgegnet, man dürfe sich
nicht mit diesen Dingen aufhalten. Und nach
dem früher Gesagten ist ein solcher Einwand in
gewisser Weise sogar berechtigt. Ihr wißt ja,
daß es nicht dasselbe ist, ob man mit dem
Verstand sich etwas erdenkt oder ob die
Erinnerung dem Verstand Wahrheiten
vergegenwärtigt. Ihr sagt vielleicht, ihr
verstündet mich nicht, und es kann wirklich
sein, daß ich selber es nicht genügend
verstehe, um es ausdrücken zu können; doch ich
werde es in Worte fassen, so gut ich kann.
»Meditation« nenne ich ein langes Nachsinnen
mit dem Verstand, das folgendermaßen vor sich
geht: Wir beginnen an die Gnade zu denken, die
uns Gott erwies, indem er uns seinen einzigen
Sohn gab, und bleiben dabei nicht stehen,
sondern gehen weiter zu den Geheimnissen
seines ganzen glorreichen Lebens; oder wir
beginnen beim Gebet am Ölberg, und der
Verstand hält nicht eher inne, bis er ans
Kreuz gelangt ist; oder wir erwählen einen
Ausschnitt der Leidensgeschichte, etwa die
Gefangennahme, und dringen in dieses Geheimnis
ein, indem wir genau die einzelnen
Erscheinungen betrachten, die es da zu
bedenken und nachzuempfinden gibt, so den
Verrat des Judas, die Flucht der Jünger und
alles andere. Das ist ein bewundernswertes,
sehr verdienstvolles Gebet.
Dieses Gebet meine ich, wenn ich sage, daß
diejenigen, die Gott zu übernatürlichen Dingen
und zur vollkommenen Beschauung geführt hat,
wohl recht haben, wenn sie sagen, sie könnten
es nicht mehr so ausüben wie früher. Warum –
das weiß ich nicht. Jedenfalls sind sie
meistens dazu nicht imstande. Doch sie haben
nicht recht, wenn sie sagen, daß sie sich mit
diesen Geheimnissen absichtlich nicht befassen
und nicht oft daran denken. Das ist unrecht,
besonders dann, wenn die katholische Kirche
diese Geheimnisse feiert. Auch ist es
unmöglich, daß die Seele, die so viel von Gott
empfangen hat, solch kostbare Liebesbeweise
aus der Erinnerung verliert; denn es sind
lebendige Funken, die sie noch mehr entflammen
lassen in der Liebe, die sie für unseren Herrn
empfindet. Nur versteht die Seele sich selber
nicht, weil sie diese Geheimnisse in
vollkommenerer Weise versteht. Der Verstand
stellt sich nämlich diese Geheimnisse vor, und
sie prägen sich derart der Erinnerung ein, daß
es genügt, wenn die Seele nur den Herrn
schaut, wie er niedergeworfen, mit jenem
schrecklichen Schweiß bedeckt, am Ölberg
kniet, um sie nicht nur eine Stunde, sondern
viele Tage lang mit einem einfachen Blick
erkennen zu lassen, wer er ist und wie
undankbar wir gegenüber einem solch großen
Leiden gewesen sind. Dann eilt der Wille
herbei – auch wenn man keine Rührung dabei
empfindet –, voller Verlangen, für solch eine
große Gnade mit irgendeinem Dienst zu danken,
und voll Sehnsucht, etwas für den zu erleiden,
der soviel litt. Mit solchen und ähnlichen
Wünschen beschäftigt der Wille das Gedächtnis
und den Verstand. Und ich glaube, daß dies der
Grund ist, weshalb die Seele nicht mehr über
die Passion nachsinnen kann; und so kommt sie
zu der Meinung, daß sie überhaupt nicht mehr
daran denken könne.
Denkt sie wirklich nicht daran, so ist es gut,
wenn sie sich darum bemüht; denn ich weiß, daß
auch das erhabenste Gebet sie daran nicht
hindert. Und ich halte es für schlecht, wenn
sie sich darin nicht häufig übt. Enthebt der
Herr sie dieser Andacht, nun gut; denn selbst
wenn die Seele dem widerstreben würde, müßte
sie doch das aufgeben, mit dem sie beschäftigt
ist. Ein solches Verhalten ist nach meiner
Meinung kein Hindernis, sondern eine große
Hilfe bei allem Guten. Ein Hindernis wäre es
nur wenn die Seele sich mit Nachdenken
abquälen würde, wie ich zu Beginn gesagt habe,
und ich glaube, daß dies einem, der schon
weiter gelangt ist, gar nicht möglich sein
wird. Es mag schon sein, daß es dennoch
geschieht; denn auf vielen Wegen führt Gott
die Seelen. Doch man sollte diejenigen nicht
verdammen, die den Weg des Nachsinnens nicht
gehen können, noch sollte man von ihnen
denken, sie seien unfähig zum Erleben solch
großer Güter, wie die Geheimnisse unseres
guten Jesus sie bergen. Keiner wird mich davon
überzeugen können – möge er im geistlichen
Leben noch so erfahren sein –, daß man auf
gutem Wege ist, wenn man diese Güter nicht
achtet.
Manchen Seelen, die eben erst zum Gebet der
Ruhe gelangen und sich der Tröstungen und
Wonnen zu erfreuen beginnen, die der Herr dort
schenkt, scheint es, als sei es etwas sehr
Großes, dort in ewigem Genusse zu verweilen.
Sie mögen mir glauben und sich nicht zu sehr
damit durchtränken – wie ich schon anderswo
gesagt habe –; denn das Leben ist lang, und
viele Mühsale gibt es in ihm, und wir müssen
auf Christus, unser Vorbild, schauen, wie er
sie ertrug, müssen auf seine Apostel und
Heiligen sehen, um die Leiden in
Vollkommenheit zu erdulden. An Jesus haben wir
einen sehr guten Gefährten. Nie sollten wir
uns von ihm und seiner heiligsten Mutter
trennen. Und es freut ihn sehr, wenn wir seine
Schmerzen nachfühlen, obwohl uns das zuweilen
um unsere eigene Freude und Wonne bringt.
Überdies, Töchter, wird das Geschenk solcher
Wonnen im Gebet uns ja nicht als etwas so
Alltägliches gewährt, daß uns keine Zeit für
anderes mehr bliebe. Sollte jemand sagen, er
erfahre es so anhaltend, daß er das, wovon wir
sprachen, niemals tun könne, so würde mir dies
verdächtig erscheinen. Ihr solltet dem auch
nicht trauen. Sorgt dafür, daß ihr diesem
Selbstbetrug entgeht, und strengt alle Kräfte
an, um euch aus solcher Versunkenheit zu
befreien. Reichen die Kräfte dazu nicht aus,
so sagt es der Priorin, damit sie euch ein Amt
gibt, das euch so sehr in Anspruch nimmt, daß
diese Gefahr sich verflüchtigt, die zumindest
für Kopf und Verstand sehr bedrohlich ist,
falls dieser Zustand lange dauert.
Ich glaube, damit ist hinreichend verständlich
gemacht, weshalb keiner – so vergeistigt er
auch sein mag – die körperlichen Dinge so sehr
meiden sollte, daß ihm selbst die
allerheiligste Menschlichkeit noch als
schädlich erscheint. Man führt als Begründung
an, daß der Herr zu seinen Jüngern sagte, es
sei gut für sie, daß er fortgehe. Diese
Auslegung kann ich nicht hinnehmen.
Bekanntlich hat er das nicht zu seiner
heiligsten Mutter gesagt; denn sie war fest im
Glauben, sie wußte, daß er Gott und Mensch
war. Und obgleich sie ihn noch mehr liebte als
die Jünger, war ihre Liebe doch so vollkommen,
daß seine Gegenwart ihr eher hilfreich war.
Die Jünger waren damals wohl nicht so fest im
Glauben, wie sie es später waren und wie wir
es jetzt mit gutem Grund sein sollten. Ich
sage euch, Töchter, daß ich das für einen
gefährlichen Weg halte. Der Satan könnte uns
auf diese Weise noch die Verehrung des
allerheiligsten Sakraments verderben.
Die Täuschung, in der ich mich – nach meiner
Meinung – selbst befand, ging nicht so weit,
sondern bewirkte nur, daß ich nicht mehr mit
der gleichen Freude an unseren Herrn Jesus
Christus dachte, vielmehr der Versunkenheit
mich hingab, um auf das Geschenk jener Wonnen
zu warten. Und ich sah klar, daß ich nicht auf
dem rechten Wege war; denn da ich diese Gnade
nicht immer erfahren konnte, gingen die
Gedanken hin und her, und die Seele flatterte
im Kreis herum wie ein Vogel, der nicht weiß,
wo er sich niederlassen soll. Viel Zeit verlor
ich so, ohne daß ich an Tugend gewonnen hätte
oder im Gebet weitergekommen wäre. Ich begriff
die Ursache nicht und hätte sie wohl auch nie
begriffen, wenn nicht ein Diener Gottes, mit
dem ich über meine Gebetsweise sprach, mich
darauf hingewiesen hätte. Ich selber meinte
nämlich, was ich tat, sei recht und gut.
Daraufhin erkannte ich jedoch klar, wie sehr
ich abgeirrt war, und es tut mir ewig leid,
daß ich jemals glauben konnte, ich würde etwas
gewinnen durch einen solch großen Verlust.
Selbst wenn dies möglich wäre, wollte ich
nichts gewinnen, was ich nicht durch den
erlange, dem wir alle Güter verdanken. Er sei
gelobt in Ewigkeit. Amen.
ACHTES KAPITEL
Damit ihr noch klarer seht, Schwestern, daß es
wirklich so ist, wie ich euch gesagt habe, und
daß eine Seele um so beständiger von dem guten
Jesus begleitet wird, je weiter sie vorwärts
geht, wird es gut sein, davon zu reden, daß
wir – wenn Seine Majestät es so will – gar
nicht anders können, als immer mit ihm zu
gehen. Das ist deutlich an den Formen zu
erkennen, in welchen Seine Majestät sich uns
mitteilt und die Liebe zeigt, die er für uns
empfindet, durch mancherlei Erscheinungen und
solch erstaunliche Visionen. Damit es euch
nicht erschreckt, wenn der Herr euch eine
dieser Gnaden erweist, möchte ich euch – falls
es dem Herrn beliebt, daß mir dies gelingt –
in Kürze etwas davon sagen, auf daß wir ihn
von Herzen loben, auch wenn er uns dies nicht
selbst erfahren läßt, allein schon deshalb,
weil er, der doch so erhaben und gewaltig ist,
sich auf solche Weise mit einem Geschöpf
verbinden will.
Es kann geschehen, daß die Seele, während sie
mit keinem Gedanken daran denkt, ihr könnte
eine solche Gnade widerfahren, ja sogar wenn
sie niemals der Meinung war, eine solche zu
verdienen, plötzlich Jesus Christus unseren
Herrn an ihrer Seite fühlt, obgleich sie ihn
nicht sieht, weder mit den Augen des Leibes
noch mit denen der Seele. Diese Gnade nennt
man intellektuelle Vision, ich weiß nicht
warum. Ich habe es erlebt, wie jene Person,
der Gott diese Gnade erwies – neben anderen,
von denen ich noch reden werde –, anfänglich
ganz zermürbt wurde; denn es war ihr
unbegreiflich, was das sein mochte, da sie
nichts sah. Und doch erkannte sie so gewiß,
daß es Jesus Christus unser Herr war, der sich
ihr auf solche Weise zeigte, daß sie es nicht
begreifen konnte – ich meine: daß jene Vision
da war. Freilich war sie noch ängstlich, ob es
von Gott kam oder nicht, obwohl es große
Wirkungen mit sich brachte, an denen dies zu
erkennen war. Noch nie hatte sie etwas gehört
von einer intellektuellen Vision, und niemals
hatte sie gedacht, daß es etwas Derartiges
geben könnte. Aber sie erkannte sehr klar, daß
es derselbe Herr war, der so oft auf die
vorher genannte Weise mit ihr gesprochen
hatte; denn bis zu der Zeit, wo er ihr diese
Gnade erwies, von der ich hier spreche, hatte
sie niemals gewußt, wer mit ihr sprach,
obgleich sie die Worte verstand.
Ich weiß, daß sie aus Furcht (weil diese
Vision nicht wie die bildhaften Gesichte
schnell vorübergeht, sondern viele Tage
dauert, manchmal sogar länger als ein Jahr)
ganz verstört zu ihrem Beichtvater ging. Der
fragte sie, wie sie denn wissen könne, daß es
unser Herr sei, wenn sie nichts sehe; sie
solle ihm sagen, was für ein Antlitz er gehabt
habe. Sie sagte ihm, daß sie es nicht wisse;
sie habe kein Antlitz gesehen und könne nicht
mehr sagen, als sie bereits gesagt habe; sie
wisse nur, daß Er es gewesen sei, der mit ihr
gesprochen habe, und daß es keine Einbildung
gewesen sei. Und obgleich sie dabei noch
oftmals große Angst überkam, konnte sie doch
nicht daran zweifeln, vor allem als Er ihr
sagte: »Fürchte dich nicht, ich bin es.« Eine
solche Kraft hatten diese Worte, daß sie es
danach nicht mehr bezweifeln konnte, und sie
fühlte sich sehr gestärkt und fröhlich durch
diese gute Gesellschaft; und sie erkannte
klar, wie sehr ihr dies dabei half, ständig im
Gedanken an Gott zu leben und sich davor zu
hüten, daß sie jemals etwas tat, was ihm
mißfallen könnte; denn es schien ihr, als
schaue er sie immer an. Und jedesmal, wenn sie
mit Seiner Majestät im Gebet oder auch sonst
einmal reden wollte, schien er ihr so nahe zu
sein, daß er sie gewißlich hören mußte; obwohl
sie seine Worte nicht dann verstand, wenn sie
es wollte, sondern unerwartet, wenn es für sie
Notwendig war. Sie fühlte ihn zu ihrer
Rechten, aber nicht den Sinnen, die uns
jemanden gewahren lassen, der neben uns ist;
denn man gewahrt es auf eine andere, feigere
Weise, die man wohl nicht mit Worten
beschreiben kann; aber diese Wahrnehmung ist
genauso sicher, ja man erfaßt sie mit noch
größerer Gewißheit als irgendeine Beobachtung
mit den Sinnen. Diese können wohl getäuscht
werden, hier aber gibt es keinen Trug; denn es
bringt so viel inneren Gewinn, so viel innere
Wirkungen mit sich, wie man sie niemals
erleben könnte, wenn es sich um eine Ausgeburt
der Melancholie handelte; niemals würde der
Satan einem so viel Gutes tun, und die Seele
wäre nicht so von Frieden erfüllt, von solch
beständigem Verlangen, Gott zu erfreuen, und
von solchem Abscheu vor allem, was sie nicht
ihm näher bringt. Später erfaßte sie klar, daß
es nicht der Satan war, da sich der Herr ihr
mehr und mehr zu erkennen gab.
Dennoch weiß ich, daß sie zuweilen sehr
ängstlich war und manchmal aufs höchste
verwirrt und beschämt, weil sie nicht wußte,
wodurch ihr so viel Gutes zuteil geworden war.
Sie und ich waren so sehr eins, daß nichts in
ihrer Seele vorging, was ich nicht von ihr
erfahren hätte, und darum kann ich ein guter
Zeuge sein, und ihr könnt mir glauben, daß
alles Wahrheit ist, was ich hier sage. Es ist
eine Gnade des Herrn, welche die tiefste
Verwirrung, Beschämung und Demut hervorruft.
Käme es vom Satan, so geschähe genau das
Gegenteil; und da es etwas ist, das deutlich
erkennbar von Gott gegeben wurde – denn keine
menschliche Anstrengung würde hinreichen,
solche Gefühle zu erwecken –, kann derjenige,
der das erfährt, unmöglich meinen, dieses Gut
sei ihm eigen; er betrachtet es vielmehr als
eine Gabe aus der Hand Gottes. Und obwohl –
wie mir scheint – manche der früher genannten
Gnaden noch größer sind, bringt diese doch
eine besondere Erkenntnis Gottes mit sich, und
aus dieser ständigen Nähe erwächst eine
überaus zarte Liebe zu Seiner Majestät, eine
noch größere Sehnsucht, sich ganz seinem
Dienst zu widmen, und eine große Reinheit des
Gewissens, weil die Anwesenheit, die sie neben
sich fühlt, sie auf alles achten läßt. Denn
obschon wir ja wissen, daß Gott bei allem
zugegen ist, was wir tun, ist doch unsere
Natur so, daß wir es oft vergessen, daran zu
denken. Das ist in diesem Fall unmöglich, weil
der Herr, der bei der Seele ist, diesen
Gedanken immer wachhält. Auch werden die
früher genannten Gnaden noch sehr viel
häufiger, da die Seele fast immer von einer
unmittelbaren Liebe zu dem erfüllt ist, den
sie sieht oder von dem sie weiß, daß er neben
ihr weilt.
An dem Gewinn der Seele sieht man also, daß es
eine überaus große Gnade ist, die man
hochschätzen muß; und die Seele dankt es dem
Herrn, daß er ihr dies gab, ohne daß sie es
verdienen konnte, und für keinen Schatz, für
keine Lust der Erde würde sie es eintauschen.
Deshalb fühlt sie sich, wenn es dem Herrn
beliebt, sich ihr zu entziehen, tief einsam.
Aber alle erdenklichen Bemühungen, die sie
aufwenden mag, um jene Gesellschaft wieder zu
erlangen,
nützen wenig; denn der Herr schenkt sie, wann
er will, und man kann sie nicht selbst
erwerben. Manchmal erscheint einem in der
gleichen Weise auch ein Heiliger, und auch
dies bringt reichen Gewinn.
Ihr werdet fragen, wie man, wenn man es nicht
sieht, erkennen kann, ob es nun Christus ist
oder ein Heiliger oder die glorreiche Mutter
des Herrn. Das kann die Seele nicht sagen, und
sie kann nicht begreifen, wie sie es erkennt;
aber sie kann versichern, daß sie es weiß mit
der unerschütterlichsten Gewißheit.
Eher faßlich scheint es, daß man den Herrn,
wenn er spricht, erkennt; noch wunderbarer
aber ist es, daß man einen Heiligen erkennen
kann, der nicht spricht, den der Herr vielmehr
als eine Hilfe jener Seele beizugeben scheint.
Noch mehr solcher geistlichen Dinge gibt es,
die man nicht auszusprechen vermag, die aber
erkennen lassen, wie niedrig unsere Natur ist
und wie schwer es ihr fällt, die großen
Herrlichkeiten Gottes zu erfassen, da wir
nicht einmal fähig sind, diese Erscheinungen
zu begreifen. Wem Gott solche Gnaden schenkt,
der empfange sie mit Bewunderung und preise
Seine Majestät; er sage ihm besonderen Dank,
denn da es eine Gnade ist, die nicht allen
widerfährt, muß man sie hochschätzen und
darauf bedacht sein, Gott noch mehr zu dienen,
nachdem er auf so vielerlei Weise einem dazu
hilft. Daher kommt es, daß die Seele, die so
etwas erlebt, sich danach nicht für etwas
Besseres hält, sondern meint, daß unter allen,
die auf der Erde leben, sie es ist, die Gott
am wenigsten dient; denn sie glaubt, daß sie
mehr als sonst jemand dazu verpflichtet sei,
und jeder Fehler, den sie begeht, durchbohrt
ihr das Herz, und das mit vollem Recht.
Diese Wirkungen in der Seele, von denen ich
gesprochen habe, kann jede von euch, die der
Herr auf diesem Wege führt, beobachten, um zu
erkennen, daß es weder Trug noch Einbildung
ist; denn, wie gesagt, ich halte es für
unmöglich, daß es so lange dauern könnte, wenn
es der Satan wäre, und daß es der Seele so
offenkundigen Gewinn brächte, sie mit solchen
Freuden erfüllte. Dies entspricht nicht seiner
Art, und etwas so Böses kann – selbst wenn es
wollte – nicht so viel Gutes schaffen. Sonst
würden sich ein paar Dunstwolken von Dünkel
zeigen, und die Seele würde denken, sie sei
besser als die anderen. Daß die Seele ständig
Gott so nahe ist und ihre Gedanken unentwegt
mit ihm beschäftigt sind, würde den Bösen in
solche Raserei versetzen, daß er, selbst wenn
er diese Täuschung versuchen wollte, sie nicht
oft wiederholen würde; und Gott ist so getreu,
daß er ihm nicht erlauben wird, so mit einer
Seele umzuspringen, die nichts anderes
erstrebt, als Seiner Majestät zu gefallen und
ihr Leben einzusetzen für seine Ehre und
seinen Ruhm; der Herr wird vielmehr dafür
sorgen, daß sie von der Täuschung befreit
wird.
Ich bin und bleibe der festen Überzeugung, daß
Seine Majestät – falls die Seele in der
beschriebenen Weise lebt, welche die
göttlichen Gnaden in ihr bewirkt haben – sie
mit Gewinn aus der Versuchung hervorgehen
läßt, wenn er es gelegentlich zuläßt, daß der
Satan sich an sie heranwagt. Beschämt wird der
Böse das Feld räumen müssen. Darum, Töchter,
erschreckt nicht, wenn eine von euch auf
diesem Weg geführt wird; es ist gut, Furcht zu
haben. Gehen wir mit noch größerer Vorsicht!
Und ihr sollt auch nicht darauf bauen, daß
ihr, weil ihr so begünstigt seid, achtloser
sein dürft; denn es wäre ein Anzeichen, daß es
nicht von Gott kommt, wenn ihr nicht die
Wirkungen an euch wahrnehmt, von denen ich
gesprochen habe. Es ist gut, wenn ihr es
gleich zu Beginn unter dem Siegel des
Beichtgeheimnisses mit einem wahren Gelehrten
besprecht, denn solche Männer müssen uns
erleuchten; oder aber mit einem Menschen, der
im geistlichen Leben besonders erfahren ist,
falls ihr einen solchen finden könnt;
andernfalls lieber mit einem beschlagenen
Gelehrten, wenn möglich aber mit beiden. Und
wenn sie euch sagen sollten, daß es eine
Einbildung ist, so macht euch nichts daraus,
denn die Einbildung kann eurer Seele weder im
Guten noch im Bösen viel anhaben. Bittet dann
Seine Majestät, sie möge nicht zulassen, daß
ihr betrogen werdet. Sollten die befragten
Männer euch sagen, daß es der Satan ist, wird
es schwieriger und quälender. Ein wahrer
Gelehrter wird dies freilich nicht behaupten,
wenn die genannten Wirkungen vorhanden sind.
Sollte er es aber doch sagen, so weiß ich, daß
der Herr selber, der mit euch geht, euch
trösten und Sicherheit schenken wird, und den
Gelehrten wird er erleuchten, damit er euch
das Licht weiterreicht.
Besprecht ihr es mit einem Menschen, der zwar
dem Gebet sich widmet, den aber der Herr nicht
auf diesem Wege geführt hat, so wird er sich
entsetzen und wird es verdammen. Darum rate
ich euch, daß ihr einen hochgebildeten Mann
wählt und – falls ihr ihn findet – einen, der
auch über geistliche Erfahrung verfügt. Die
Priorin soll dazu die Erlaubnis geben; denn
obschon die Seele sicher wandelt, da ihr gutes
Leben sichtbar ist, hat die Priorin doch die
Pflicht, eine solche Besprechung zu gestatten,
damit beide sicherer sind. Nach der
Besprechung mit diesen Personen sollte man
sich beruhigen und es nicht noch anderen
mitteilen; denn manchmal, ohne daß ein Grund
zur Furcht vorhanden wäre, flößt der Satan
einem solche Ängste ein, welche die Seele
zwingen, sich nicht mit einem Mal zu begnügen.
Vor allem wenn der Beichtvater wenig Erfahrung
hat und einen zaghaften Eindruck macht, wenn
er selber die Seele drängt, sich noch anderen
mitzuteilen, wird öffentlich bekannt, was mit
gutem Grund ganz geheim hätte bleiben sollen,
und die Seele wird verfolgt und gepeinigt.
Während sie noch meint, es sei geheim, sieht
sie, daß es stadtbekannt ist. Daraus erwachsen
für sie und – unter den heutigen Umständen –
vielleicht auch für den Orden viele peinliche
Folgen.
Darum ist es nötig, in dieser Hinsicht sehr
vorsichtig zu sein. Den Priorinnen lege ich
dies sehr ans Herz. Sie sollten aber nicht
meinen, daß eine Schwester, die etwas
Derartiges erlebt, besser sei als die anderen.
Der Herr führt eine jede, wie er es für nötig
hält. Falls man diese Hilfe nützt, ist es eine
Vorbereitung, um zu einer willigen Dienerin
Gottes zu werden. Doch zuweilen führt Gott die
Schwächsten auf diesem Weg; und deshalb gibt
es daran nichts zu billigen und nichts zu
verdammen. Auf die Tugenden sollte man
vielmehr schauen und darauf achten, wer mit
der größten Selbstaufopferung, Demut und
Reinheit des Gewissens unserem Herrn dient,
denn sie wird die Heiligste sein. Freilich
kann man das hier auf Erden nur mit geringer
Sicherheit erkennen, ehe der wahre Richter
einem jeden zuteilt, was er verdient. Da
werden wir erschrecken, wenn wir sehen, wie
sehr sich sein Urteil von unserer Ansicht
unterscheidet. Er sei gelobt in Ewigkeit.
Amen.
NEUNTES KAPITEL
Jetzt wollen wir zu den bildhaften Visionen
kommen, von denen man sagt, daß bei ihnen der
Satan sich leichter einmischen könne als bei
den vorigen – und so ist es wohl auch. Stammen
sie aber von unserem Herrn, so scheinen sie
mir in gewisser Weise noch hilfreicher zu sein
als jene, weil sie mehr unserer Natur
entsprechen (abgesehen von den Visionen, die
der Herr in der letzten Wohnung zu erkennen
gibt, denn ihnen kommen keine anderen gleich).
Ist der Herr so gegenwärtig, wie ich es im
letzten Kapitel beschrieben habe, schaut, dann
ist es, als hätten wir in einem goldenen
Kästchen einen kostbaren Stein von höchstem
Wert und gewaltigen Kräften. Wir wissen mit
unanfechtbarer Gewißheit, daß er darin ist.
Obgleich wir ihn nie gesehen haben, helfen uns
die Kräfte des Steines, wenn wir ihn bei uns
tragen. Haben wir ihn auch nie erblickt,
schätzen wir ihn doch, weil wir aus Erfahrung
wissen, daß er uns von verschiedenen
Krankheiten geheilt hat, gegen die er das
rechte Mittel ist. Aber wir wagen nicht, ihn
anzuschauen oder auch nur das Kästchen zu
öffnen, und wir können es auch nicht. Denn wie
es zu öffnen ist, das weiß nur der, dem das
Juwel gehört, und obwohl er uns den Edelstein
geliehen hat, damit wir ihn zu unserem Heil
gebrauchen, hat er den Schlüssel für sich
behalten. Ihm gehört es, und er wird es
öffnen, wenn er den Stein uns zeigen will, und
er wird es auch wegnehmen, wenn es ihm beliebt
– was er tatsächlich tut.
Stellen wir uns nun vor, er wolle das Kästchen
unerwartet öffnen, dem zuliebe, dem er es
geliehen. Natürlich hat dieser danach eine
noch viel größere Freude daran, wenn er sich
an den herrlichen Glanz des Steines erinnert,
und er wird ihn deshalb auch klarer im
Gedächtnis bewahren. Genauso geht es hier,
wenn es unserem Herrn gefällt, die Seele noch
reicher zu beschenken. Er zeigt ihr deutlich
seine heiligste Menschlichkeit, in der Weise,
die ihm beliebt, entweder so, wie er auf der
Erde wandelte, oder in der Gestalt des
Auferstandenen. Und obwohl das so schnell
geschieht, daß wir es mit einem Blitz
vergleichen könnten, bleibt dieses höchst
glorreiche Bild dem Bewußtsein so eingegraben,
daß es mir undenkbar erscheint, es könne
jemals wieder daraus getilgt werden, ehe die
Seele es dort erschaut, wo sie sich für immer
daran erfreuen kann.
Ich spreche zwar von einem Bild, aber ihr müßt
wissen, daß es dem, der es sieht, nicht wie
gemalt erscheint, sondern als wirklich
lebendig, und zuweilen redet es mit der Seele,
ja es zeigt ihr große Geheimnisse. Dauert dies
auch eine gewisse Zeit, so müßt ihr doch
wissen, daß man es nicht länger anschauen
kann, als man in die Sonne zu blicken vermag.
Darum währt dieser Anblick immer nur sehr
kurz, und das nicht, weil sein Glanz wie ein
Blick in die Sonne das innere Auge – mit dem
man das alles sieht – schmerzt. (Wie es ist,
wenn man es mit den äußeren Augen gewahrt,
darüber kann ich nichts sagen, denn die von
mir genannte Person, von der ich insbesondere
reden kann, hatte das nicht erlebt, und man
kann keine zuverlässige Auskunft über etwas
geben, wovon man keine Erfahrung hat.) Der
Glanz ist wie eingegossenes Licht von einer
Sonne, die mit etwas sehr Feinem überdeckt
ist; wie ein Diamant – wenn man den so
verarbeiten könnte –, wie holländisches Leinen
ist die Gewandung, und beinahe jedesmal, wenn
Gott diese Gnade der Seele erweist, wird sie
Zur Verzückung hingerissen, weil ihre
Niedrigkeit einen so erschreckenden Anblick
nicht ertragen kann. Ich sage erschreckend,
obgleich dieser Anblick das Allerschönste ist
und lustvoller, als jemand sich überhaupt
erdenken könnte, auch wenn er tausend Jahre
lebte und all seine Vorstellungskraft bemühte;
denn es übersteigt bei weitem alles, was
unsere Phantasie und unser Verstand zu fassen
vermöchten. Aber die Gegenwart dieser
Erscheinung ist von so erhabener Majestät, daß
es die Seele zutiefst erschreckt.
Darum braucht man hier nicht zu fragen, wie
die Seele wissen könne, wer es ist, ohne daß
es ihr gesagt wurde; denn es ist wohl zu
erkennen, daß dies der Herr des Himmels und
der Erde ist. Bei den irdischen Königen wäre
dies nicht der Fall, denn sie allein würde man
nicht weiter beachten, wenn sie nicht von
ihrem Gefolge begleitet wären und es einem
nicht gesagt würde.
O Herr, wie wenig kennen wir Christen Dich.
Was wird geschehen, wenn Du eines Tages
kommst, uns zu richten? Wenn Dein Anblick
hier, wo Du in solcher Freundschaft kommst, um
mit Deiner Braut zu reden, solchen Schrecken
erregt – o Töchter, wie wird es sein, wenn er
mit strenger Stimme spricht: »Geht, die ihr
verdammt seid von meinem Vater!«
Das sollten wir von dieser Gnade, die Gott der
Seele erweist, im Gedächtnis bewahren. Es wird
uns nicht wenig helfen; denn selbst der
heilige Hieronymus hielt sich dies stets vor
Augen, trotz seiner Heiligkeit. Deshalb macht
es uns nichts aus, wenn wir hier leiden unter
der Strenge der Ordensregel, an die wir uns
halten. Denn wenn es lange dauert, so ist es
doch nur ein Augenblick, verglichen mit jener
Ewigkeit. Ich sage euch wahrhaftig, daß ich,
trotz meiner Erbärmlichkeit, niemals die
Qualen der Hölle gefürchtet habe. Sie wären
nichts, verglichen mit der Vorstellung, daß
die Verdammten diese so schönen, sanften und
gütigen Augen des Herrn von Zorn erfüllt sehen
werden. Ich glaube nicht, daß mein Herz dies
ertrüge. Wieviel mehr muß es dann der
fürchten, dem er sich so herrlich offenbart
hat! Denn das Gefühl ist dabei derart, daß die
Seele außer sich gerät und nichts mehr fühlt.
Das ist wohl die Ursache, weshalb sie
aufgehoben wird; denn der Herr hilft ihrer
Schwachheit, damit sie sich vereine mit seiner
Größe in dieser so erhabenen Verbindung mit
Gott.
Sollte die Seele geruhsam diesen Herrn
anschauen können, so glaube ich nicht, daß es
eine Vision ist, sondern eine lebhafte
Überlegung, die in der Phantasie sich eine
Gestalt erschaffen hat. Verglichen mit jenem
anderen, wird ein solches Bild immer als etwas
Totes erscheinen.
Manche Leute haben eine so kränkliche
Phantasie (und ich weiß, daß es wahr ist, denn
sie haben mit mir darüber gesprochen, nicht
nur drei oder vier, sondern viele), ihr Geist
ist so lebhaft, oder was weiß ich – jedenfalls
versenken sie sich so in ihre Phantasie, daß
sie meinen, alles was sie denken, klar und
deutlich vor sich zu sehen. Hätten sie eine
wirkliche Vision erlebt, würden sie die
Täuschung so klar erkennen, daß ihnen nicht
der geringste Zweifel bliebe; sie selber fügen
nämlich das zusammen, was sie in ihrer
Phantasie sehen, und es bleibt keinerlei
Wirkung zurück, sie bleiben vielmehr kalt,
viel kälter, als wenn sie ein gemaltes
Andachtsbild betrachtet hätten. Es ist so
selbstverständlich, daß man sich nichts daraus
zu machen braucht, und darum vergißt man es
schneller als einen Traum.
Bei den Visionen, von denen wir reden, ist das
nicht so. Wenn die Seele weit davon entfernt
ist, auch nur daran zu denken, sie könne etwas
sehen, stellt es sich jählings, auf einen
Schlag ihr dar und wirft all ihre Fähigkeiten
und Sinne über den Haufen durch entsetzliche
Angst und wilden Tumult, um sie hernach in
jenen seligen Frieden zu versetzen. So wie bei
Paulus, als er zu Boden geworfen wurde Jener
Sturm und Aufruhr am Himmel wütete, so wird
auch hier die innere Welt zerwühlt von
heftiger Bewegung. Und mit einem Male, wie
gesagt, beruhigt sich alles, und die Seele ist
so vertraut mit einigen großen Wahrheiten, daß
sie keinen Lehrer mehr braucht, denn die wahre
Weisheit selber hat die Unwissenheit von ihr
genommen, ohne daß die Seele sich irgendwie
darum bemüht hatte. Auch ist die Seele eine
Zeitlang sich der göttlichen Herkunft dieser
Gnade so gewiß, daß man sie, auch wenn man ihr
gegenüber noch so nachdrücklich das Gegenteil
behaupten würde, nicht mit einer möglichen
Täuschung ängstigen könnte. Später, wenn der
Beichtvater ihr Furcht einflößt, läßt Gott es
zu, daß sie wankend wird und sich fragt, ob
das nicht ihrer Sünden wegen möglich sei. Doch
sie glaubt das nicht, sondern sie empfindet es
– wie ich schon in einem anderen Zusammenhang
gesagt habe – gleichsam als eine Versuchung in
Glaubensdingen. Der Satan kann zwar Unruhe
stiften, aber er kann die Seele nicht wankend
machen in ihrer Standhaftigkeit. Im Gegenteil:
je mehr er sie befehdet, desto stärker wird in
ihr die Gewißheit, daß der Satan nicht so viel
Gutes in ihr zurücklassen könnte, wie sie nun
in sich fühlt; denn er hat keine solche Macht
im Inneren der Seele. Er wird die Vision
nachahmen können, aber nicht mit dieser
Wahrheit, dieser Erhabenheit und diesen
Wirkungen.
Da die Beichtväter dies nicht sehen können und
derjenige, dem Gott diese Gnade erweist, es
vielleicht nicht auszudrücken vermag, sind sie
ängstlich, und das mit gutem Grund. Deshalb
ist es nötig, vorsichtig zu sein und die Zeit
abzuwarten, wo diese Erscheinungen Früchte
tragen, das allmähliche Wachsen der Demut zu
beobachten, welche sie in der Seele
hervorrufen, und deren Beharrlichkeit in der
Tugend zu prüfen. Ist es vom Satan gewesen, so
wird er sich bald verraten, und man wird ihn
bei tausend Lügen ertappen. Wenn der
Beichtvater erfahren ist und diese Dinge
selbst erlebt hat, wird er nicht lange
brauchen, das zu erkennen. Der Bericht des
Beichtenden wird ihn bereits sehen lassen, ob
es eine göttliche Erscheinung, eine Einbildung
oder ein Werk des Satans ist, vor allem wenn
Seine Majestät ihm die Gabe verliehen hat, die
Geister zu erkennen. Hat er diese Fähigkeit
und ist er außerdem gelehrt, so wird er es,
auch wenn er über keine eigene Erfahrung
verfügt, klar unterscheiden können.
Dringend erforderlich ist es, Schwestern, daß
ihr dem Beichtvater gegenüber ganz offenherzig
und ehrlich seid. Ich meine nicht, beim
Bekennen der Sünden – denn das versteht sich
von selbst –, sondern wenn ihr von euren
Erfahrungen im Gebet erzählt. Ist das nicht
der Fall, so kann ich euch nicht versichern,
daß ihr auf gutem Wege seid, noch daß es Gott
ist, der euch belehrt; denn ihm liegt viel
daran, daß man dem, der seine Stelle einnimmt,
mit der gleichen Wahrhaftigkeit und Offenheit
begegnet wie ihm selber. Und dies soll aus dem
Wunsch geschehen, daß er all unsere Gedanken,
besonders aber unsere Taten, so gering sie
auch sein mögen, erfährt.
Haltet ihr es so, dann werdet ihr weder
verwirrt noch unruhig; käme die Erscheinung
auch nicht von Gott, so würde sie euch nicht
schaden, falls ihr Demut und ein gutes
Gewissen habt; denn Seine Majestät kann aus
Bösem Gutes gewinnen, so daß ihr auf dem Weg,
auf dem der Satan euch ins Verderben führen
wollte, noch größeren Gewinn erlangt. Indem
ihr meint, daß der Herr euch so große Gnaden
erweist, werdet ihr euch nämlich bemühen, ihn
noch mehr zu erfreuen und bei jedem Schritt
sich an seine Gestalt zu erinnern. Ein
Gelehrter sagte, der Satan sei ein großer
Maler, und wenn der Böse ihm ein lebendiges
Bild des Herrn vor Augen stelle, so bekümmere
ihn das nicht, es diene ihm vielmehr dazu,
seine Andacht zu beleben und den Satan mit
seinen eigenen Waffen zu bekriegen. Ein Maler
könne sehr böse sein, aber deshalb sei es
einem nicht verwehrt, das Bild zu verehren,
das er malt, wenn es unser ganzes Heil
darstellt. Dieser Gelehrte hielt es für sehr
schlecht, was manche raten, nämlich eine Feige
zu machen, wenn man eine solche Vision habe;
denn wir müßten unseren König verehren, wo
immer wir sein gemaltes Ebenbild erblicken.
Und ich sehe, daß er recht hat; denn auch hier
auf der Erde würde so etwas als Kränkung
empfunden. Wenn jemand, der einen anderen sehr
liebt, davon erführe, daß dieser seinem Abbild
derartige Schmähungen antut, so würde er sich
nicht darüber freuen. Wieviel ehrfürchtiger
müssen wir dann erst einem Kruzifix oder
irgendeinem anderen Bildnis unseres Herrschers
begegnen, wann und wo immer wir es erblicken!
Obwohl ich das an anderer Stelle bereits
geschrieben habe, war es doch mein Wunsch,
dies auch hier anzuführen, da ich erlebt habe,
in welche Bedrängnis jemand kam, dem man
befohlen hatte, dieses Mittel anzuwenden. Ich
weiß nicht wer dies erfunden hat. Aber einer
Seele, der nichts anderes übrigbleibt, als zu
gehorchen, muß es zur Qual werden wenn der
Beichtvater ihr dies anrät; denn sie glaubt,
es wäre ihr Verderben, wenn sie dem Rat nicht
folgt. Mein Rat ist es, falls euch so etwas
aufgetragen wird, dem Beichtvater demütig zu
sagen, was dagegen spricht, und es nicht zu
tun. Mir hat sehr zugesagt, was der Gelehrte,
der in diesem Fall mit mir sprach, an guten
Argumenten dagegen nannte.
Einen großen Gewinn erlangt die Seele durch
diese Gnade des Herrn, wenn sie, sooft sie an
ihn, sein Leben und seine Passion denkt, sich
an sein überaus sanftes und schönes Antlitz
erinnert.
Das ist ihr ein großer Trost; denn auch unter
Menschen freut es uns ja noch mehr, wenn wir
jemanden, der uns viel Gutes tut, von
Angesicht kennen, als wenn wir ihn nie gesehen
haben. Ich sage euch, daß eine solch schöne
Erinnerung einen tiefen Trost und eine starke
Hilfe bedeutet.
Noch viele andere Güter bringt sie mit sich;
doch da ich schon so viel von den Wirkungen
gesprochen habe, die diese Dinge mit sich
bringen, und noch anderes zu sagen ist, will
ich weder euch noch mich damit ermüden,
sondern euch dringend nahelegen, wenn ihr wißt
oder hört, daß Gott diese Gnade manchen Seelen
erweist, ihn niemals darum anzuflehen noch es
euch zu wünschen, daß er euch auf diesem Wege
führt. Auch wenn ihr meint, daß er der
Richtige für euch sei – und man soll ihn
hochachten und ehren –, so gebührt sich
dennoch ein solches Verlangen nicht, und zwar
aus verschiedenen Gründen. – Der erste ist,
daß es ein Mangel an Demut wäre, wenn ihr euch
etwas wünschtet, was ihr niemals verdient
habt, und deshalb glaube ich, daß der nicht
sehr demütig sein kann, der es begehrt.
Genausowenig wie es einem niederen Bauern in
den Sinn kommt, König sein zu wollen – was ihm
unmöglich erscheint, weil er dessen nicht
würdig ist –, fällt es dem Demütigen ein, so
etwas zu ersehnen. Und ich glaube auch daß es
einem niemals auf Wunsch gegeben wird; denn
bevor der Herr diese Gnaden erteilt, schenkt
er eine tiefe Selbsterkenntnis. Wie könnte
eine Seele, in deren Kopf solche Gedanken
gedeihen, wirklich begreifen, welch große
Gnade es ist, daß sie sich nicht in der Hölle
befindet! – Der zweite Grund ist, daß man auf
diese Weise gewiß betrogen würde, oder
jedenfalls liegt diese Gefahr sehr nahe; denn
der Satan braucht nur eine kleine Türe offen
zu sehen, und schon spiegelt er uns
tausenderlei Dinge vor. – Der dritte Grund
ist, daß die Einbildungskraft – also der
Betreffende selber –, wenn ein solches
Verlangen erwacht, sich einredet, sie sehe
das, was sie begehrt, und sie höre es auch –
genauso wie denjenigen, die tagsüber voller
Verlangen ständig an etwas denken, das
Ersehnte zuweilen im Traum erscheint. – Der
vierte Grund ist, daß es eine große
Dreistigkeit wäre, wenn ich den Weg wählen
wollte, ohne zu wissen, welcher der rechte für
mich ist, statt es dem Herrn, der mich kennt,
zu überlassen, daß er mich auf dem geeigneten
Wege führt und so in allem sein Wille
geschehe. – Der fünfte Grund: Glaubt ihr, daß
diejenigen, denen Gott diese Gnaden erweist,
wenig zu erdulden haben? Nein, die größten und
vielfältigsten Leiden haben sie zu ertragen.
Wißt ihr vielleicht, ob ihr fähig seid, dies
zu erleiden? – Der sechste Grund: Es könnte
sein, daß ihr durch eben das, womit ihr zu
gewinnen meint, verliert – wie es dem Saul
widerfuhr, als er König wurde.
Noch andere Gründe könnte ich nennen,
Schwestern. Aber glaubt mir: Das Sicherste
ist, nichts anderes zu wollen, als was Gott
will; denn er kennt uns besser als wir selbst
und liebt uns. Legen wir uns in seine Hände,
damit sein Wille in uns geschehe; und wir
werden nicht irren, wenn wir mit
entschlossenem Willen uns immer hieran halten.
Ihr dürft auch nicht übersehen, daß man durch
das empfangen vieler solcher Gnaden keine
größere Glorie erlangt; es bedeutet vielmehr
die Verpflichtung, mehr zu dienen, eben weil
man mehr empfängt. Die Möglichkeit aber, uns
mehr Verdienste zu erwerben, wird uns vom
Herrn nicht genommen; das liegt in unserer
Hand, und deshalb gibt es viele heilige
Personen, die niemals erfahren haben, was es
heißt, jene Gnaden zu empfangen, und wieder
andere empfangen sie, ohne daß sie heilig
sind. Und denket nicht, daß eine solche Gnade
beständig anhält; auf ein einziges Mal, wo der
Herr sie erweist, kommen unzählige Leiden; und
darum denkt die Seele gar nicht daran, ob sie
es wohl noch einmal empfängt, sondern daran,
wie sie dem Herrn dafür dienen könnte.
Es ist wahr, daß solche Gnaden sehr dazu
beitragen, Tugenden von höherer Vollkommenheit
zu erlangen. Wer sie aber durch eigene Mühe
erlangt, wird sich damit ein viel größeres
Verdienst erwerben. Ich weiß von einer Person,
welcher der Herr einige dieser Gnaden erwiesen
hatte, ja sogar von zwei Personen – eine davon
war ein Mann –, die sich so danach sehnten,
Seiner Majestät auf eigene Kosten zu dienen,
ohne solch große Geschenke, und die so zu
leiden begehrten, daß sie vor dem Herrn
deshalb klagten, weil er ihnen diese Gnaden
erwies. Hätten sie ihnen ausweichen können, so
hätten sie diese Gaben gemieden. Ich rede hier
nicht von den Visionen, die wir vorhin
besprochen haben – denn jene Personen sehen
deren großen Gewinn und hohen Wert –, sondern
meine die Wonnen, die der Herr in der
Betrachtung schenkt.
Freilich ist auch ein solches Verlangen – nach
meiner Ansicht – übernatürlich und nur bei
Seelen möglich, die vor Liebe brennen und den
Herrn sehen lassen wollen, daß sie ihm nicht
um eines Lohnes willen dienen. Und darum, wie
gesagt, denken sie nie daran, sie könnten für
irgend etwas die Glorie empfangen, um sich so
noch mehr zum Dienste anzuspornen; sie wollen
vielmehr nur der Liebe genügen, deren Natur es
ist, ständig auf tausenderlei Weise zu wirken.
Könnten sie es, würden sie nach Möglichkeiten
sinnen, die Seele in Ihm sich verzehren zu
lassen. Wäre es nötig für die höhere Ehre
Gottes, auf immer ausgelöscht zu sein, so
wären sie dazu mit inniger Freude bereit. Er,
der seine Größe erweisen will, indem Er sich
erniedrigt, um sich mit so elenden Geschöpfen
zu verbinden, sei gelobt in Ewigkeit. Amen.
ZEHNTES KAPITEL
In vielfältiger Weise teilt sich der Herr
durch diese Erscheinungen der Seele mit. Ist
sie betrübt, so zeigt er sich ihr anders, als
wenn ihr eine schwere Mühsal bevorsteht, und
wieder anders gibt er sich ihr zu erkennen,
wenn Seine Majestät sich an ihr erfreuen und
sie fröhlich machen will. Es ist nicht nötig,
jede Einzelheit hier zu besprechen; denn meine
Absicht ist nur, euch die Unterschiede
zwischen den einzelnen Arten von Visionen, die
ihr auf diesem Wege erlebt, verständlich zu
machen – soweit ich sie selber verstehe –,
damit ihr, meine Schwestern, deren
Besonderheit erfaßt und die Wirkungen wißt,
die sie hinterlassen. Dadurch wird euch die
Täuschung erspart, jede Einbildung für eine
Vision zu halten; falls es aber wirklich eine
Vision ist, seid ihr darüber im klaren, daß so
etwas durchaus möglich ist, und werdet also
deshalb nicht beunruhigt oder bekümmert. Denn
das würde dem Satan keinen geringen Gewinn
einbringen. Er freut sich immer, wenn er eine
Seele verstört und bekümmert sieht, weil er
weiß, daß dies sie daran hindert, sich ganz
der Liebe zu Gott und seinem Lobpreis
hinzugeben.
Seine Majestät teilt sich aber noch durch
andere Erscheinungen mit, die noch erhabener
und nicht so gefährlich sind, weil der Satan
sie – meiner Überzeugung nach – nicht
vortäuschen kann. Da sie etwas höchst
Geheimnisvolles bleiben, sind sie jedoch auch
weit schwieriger zu beschreiben als die
bildhaften Visionen, die sich eher erklären
lassen. Beliebt es dem Herrn, so geschieht es,
daß die Seele, während sie im Gebet und voll
bei Sinnen ist, jählings von einer Entrückung
erfaßt wird, in welcher der Herr ihr große
Geheimnisse zu verstehen gibt, die sie
anscheinend in Gott selber sieht. Denn dies
sind keine Visionen der allerheiligsten
Menschlichkeit, und wenn ich auch sage, die
Seele sehe, sieht sie doch nichts, weil es
keine Vision ist, sondern eine rein
intellektuelle Schau, wo sich ihr enthüllt,
wie in Gott alle Dinge geschaut werden und wie
er sie alle in sich birgt. Das ist von großem
Nutzen, weil es – obgleich es in einem
Augenblick vorüber ist – der Seele tief
eingemeißelt bleibt und mit schrecklicher
Bestürzung sie klarer denn je erkennen läßt,
wie übel wir tun, wenn wir Gott kränken, da
wir in Gott selber – das heißt: während wir
uns in seinem Inneren befinden – entsetzliche
Frevel begehen. Ich will ein Gleichnis
gebrauchen, vielleicht kann ich mich damit so
ausdrücken, daß ihr es versteht; denn obwohl
dies wirklich so ist und wir schon oft davon
gehört haben, bedenken wir es nicht oder
wollen es nicht begreifen. Wären wir uns
darüber ganz im klaren, so müßte es undenkbar
erscheinen, daß wir uns so dreist gebärden.
Stellen wir uns also vor, Gott sei wie eine
Wohnung oder wie ein sehr großer und schöner
Palast, und dieser Palast umschließe die ganze
Welt. Kann da der Sünder, um seine Übeltaten
zu begehen, sich vielleicht aus diesem Palast
entfernen? Nein, gewiß nicht, sondern drinnen,
mitten in diesem Palast, der Gott selber ist,
geschehen die Greuel, Schamlosigkeiten und
Bosheiten, die wir Sünder begehen. Oh, wie
furchtbar ist das! Und es ist wohl wert, daß
wir es in allem Ernst bedenken. Wie hilfreich
müßte uns, die wir wenig wissen, diese
Überlegung sein. Wir haben diese Wahrheit noch
nicht in ihrer vollen Bedeutung erfaßt, sonst
wäre es unmöglich, daß wir uns eine solch
wahnwitzige Dreistigkeit erlaubten! Und
bedenken wir auch, Schwestern, welch große
Barmherzigkeit und Geduld Gott uns damit
erzeigt, daß er uns nicht augenblicklich
zerschmettert. Laßt uns von Herzen ihm dafür
danken, und schämen wir uns dessen, wie
empfindlich wir selber sind, wenn man uns
etwas antut oder wider uns redet. Denn es ist
die schlimmste Schandtat der Welt, wenn wir
sehen, mit welcher Langmut Gott unser Schöpfer
so viele Bosheiten seiner Geschöpfe in sich
selber duldet, und wir dann irgendein Wort,
das einmal in unserer Abwesenheit und
vielleicht ohne böse Absicht gesagt worden
ist, übel nehmen.
O menschliche Erbärmlichkeit! Wann endlich,
Töchter, werden wir diesem großen Gott ein
wenig nacheifern? Oh, machen wir uns doch
nichts aus dem Gerede. Was macht es uns schon,
Schmähungen zu ertragen! Laßt uns mit
herzlicher Freude alles erdulden und jene
lieben, die uns beleidigen; denn dieser große
Gott hat nicht aufgehört, uns zu lieben,
obwohl wir ihn oft beleidigt haben. Darum
erwartet er mit Fug und Recht, daß ein jeder
dem anderen verzeihe, mag ihm noch so übel
mitgespielt worden sein. Ich sage euch,
Töchter, diese Vision, so schnell sie
vorbeigeht, ist eine große Gnade für die
Seele, der Gott sie schenkt, falls die Seele
sie zu ihrem Heil gebrauchen will und die
Erinnerung daran sich recht oft vor Augen
hält.
Auch geschieht es, daß Gott ebenso jäh und in
einer Weise, die nicht auszusprechen ist, in
sich selber eine Wahrheit zeigt, die alles zu
verdunkeln scheint, was an Wahrheit in den
Geschöpfen ist, und mit höchster Klarheit zu
erkennen gibt, daß nur Er Wahrheit ist, daß Er
nicht lügen kann. Und man begreift genau, was
David in einem Psalm sagt: daß jeder Mensch
lügnerisch ist. Niemals würde man das so
erkennen, wenn man es auch oft gehört hat. Es
ist eine Wahrheit, die unanfechtbar ist. Ich
erinnere mich dabei an Pilatus und denke,
wieviel seine Frage doch ausdrückte, die er an
unseren Herrn in dessen Leidensstunden
richtete – »Was ist Wahrheit?« –, und wie
wenig wir hier erfassen von dieser höchsten
Wahrheit.
Ich wollte euch davon gern mehr zu verstehen
geben, doch es läßt sich nicht in Worte
fassen. Laßt uns daraus die Erkenntnis ziehen,
Schwestern, daß wir, um doch ein wenig mit
unserem Gott und Bräutigam übereinzustimmen,
gut daran tun, uns ständig mit Eifer darum zu
mühen, daß wir in dieser Wahrheit wandeln. Ich
meine damit nicht nur, daß wir keine Lüge
aussprechen – denn in dieser Hinsicht sehe
ich, Gott sei Dank, daß ihr, die ihr hier im
Kloster lebt, sehr darauf achtet, um nichts
auf der Welt so etwas über eure Lippen kommen
zu lassen –, sondern ich will damit sagen, daß
wir uns wahrhaftig geben vor Gott und vor den
Menschen, soweit wir es irgend vermögen. Und
vor allem sollten wir nicht für besser gelten
wollen, als wir sind, und an unseren Werken
Gott den Anteil zuschreiben, der ihm gebührt,
und uns selbst das, was unser ist. Immer
sollten wir danach streben, die Wahrheit zu
erkennen. Dann werden wir diese Welt
geringachten wo alles Lüge und Falschheit ist
und die darum nicht dauern kann.
Ich überlegte mir einmal, aus welchem Grund
wohl unser Herr so sehr die Tugend der Demut
liebte, und da kam – wie es mir schien, nicht
aus der Überlegung, sondern ganz unvermittelt
– die Einsicht: weil Gott die höchste
Wahrheit, die Demut aber nichts anderes ist,
als in der Wahrheit wandeln. Denn es ist
gewißlich wahr, daß wir nichts Gutes von uns
selber haben, sondern nur Armseligkeit und
Nichtigkeit. Und wer dies nicht erkennt, der
wandelt in der Lüge. Je mehr einer das
begreift, desto mehr entspricht er der
höchsten Wahrheit, da er in ihr wandelt. Möge
es Gott gefallen, Schwestern, uns die Gnade zu
erweisen, daß wir dieser Selbsterkenntnis
nicht davonlaufen. Amen.
Solche Offenbarungen schenkt unser Herr der
Seele, weil er ihr als seiner wahren Braut,
die schon entschlossen ist, in allem seinen
Willen zu vollbringen, einen Hinweis geben
will, womit sie das tun kann, und weil es sein
Wunsch ist, ihr etwas von seiner Herrlichkeit
vor Augen zu führen.
Noch von mehr Gnaden dieser Art zu reden, ist
nicht nötig. Von diesen beiden habe ich
deshalb gesprochen, weil ich glaube, wir
könnten daraus reichen Nutzen ziehen. Denn bei
derlei Erscheinungen ist nichts zu fürchten,
sondern nur der Herr dafür zu loben, daß er
sie uns schenkt. Der Satan und die eigene
Einbildung können hier – meiner Ansicht nach –
wenig anrichten, und so bleibt die Seele
danach von tiefer Zufriedenheit erfüllt.
ELFTES KAPITEL
Ob all diese Gnaden, die der Bräutigam der
Seele erwiesen hat ausreichen, um den kleinen
Falter – den ich nicht vergessen habe – so zu
befriedigen, daß er sich da niederläßt, wo er
sterben soll? Nein, gewiß nicht; er fühlt sich
noch viel elender. Obgleich die Seele nun
schon seit vielen Jahren diese Gunstbeweise
erhält, seufzt sie doch immer und geht
verweint umher; denn jede solche Erfahrung
verstärkt ihren Schmerz. Und zwar deshalb,
weil sie mehr und mehr die Herrlichkeiten
Gottes erkennt und sich zugleich so ferne
davon sieht, so geschieden von ihm, an dem sie
sich freuen will. So wird ihre Sehnsucht immer
heftiger; denn auch die Liebe wächst, je mehr
sie entdeckt, wie sehr dieser große Gott und
Herr es verdient, geliebt zu werden. Während
all der Jahre nimmt dieses Verlangen ganz
allmählich zu, bis es zu dieser großen Pein
kommt, von der ich nun rede. Von Jahren habe
ich gesprochen, der Erfahrung jener Person
entsprechend, von der ich schon vorher
gesprochen habe. Doch ich weiß wohl, daß man
Gott keine Frist setzen kann und daß er es
vermag, eine Seele im Nu in jene erhabene
Region zu führen, von der jetzt die Rede sein
soll. Seine Majestät hat die Macht zu allem,
was sie zu tun begehrt, und immer hat er das
Verlangen, viel für uns zu tun.
Das Sehnen, die Tränen, die Seufzer und
heftigen Auftriebe, von denen ich gesprochen
habe, scheinen alle aus unserer Liebe
hervorzugehen, unter großem Schmerz. Doch all
dies ist nur wie ein schwelender Brand, den
man ertragen kann, wenn auch mit Pein, und ist
nichts im Vergleich mit dem Späteren. Wenn die
Seele so entbrannt ist und sich verzehrt,
geschieht es oft, durch einen flüchtigen
Gedanken (Wie lange der Tod wohl noch auf sich
warten läßt? – oder durch irgendein Wort, das
sie daran erinnert), daß von irgendwoher – man
begreift nicht, woher es kommt oder wie – ein
Stoß sie trifft oder etwas wie ein feuriger
Pfeil. Ich sage nicht, daß es ein Pfeil ist;
aber was es auch sein mag – man erkennt klar,
daß es nicht aus unserer Natur kommen kann.
Genauso wenig ist es ein Stoß, auch wenn ich
»Stoß« sage; doch es verwundet scharf, und
zwar nicht dort, wo man gewöhnlich die
Schmerzen fühlt, sondern – so scheint es mir –
zutiefst im Inneren der Seele. Dahinein
schlägt dieser Blitz, der alles, was er
Irdisches an unserer Natur findet, geschwind
durchzuckt und in Staub verwandelt. Solange
dies dauert, ist es nämlich unmöglich, sich an
irgend etwas zu erinnern, das unserem eigenen
Wesen angehört. Denn in einem Augenblick
bindet es die Fähigkeiten derart, daß sie zu
nichts mehr Freiheit haben, außer zu dem, was
diesen Schmerz in ihr steigert.
Ich möchte nicht, daß es aussieht, als
übertriebe ich; denn in Wirklichkeit sehe ich,
daß ich noch zu wenig sage, weil es mit Worten
nicht auszudrücken ist. Es ist eine
Verzückung, welche die Sinne und Fähigkeiten
hinwegrafft von allem, was nicht – wie gesagt
– zum Empfinden dieses Kummers beiträgt. Denn
der Verstand ist hellwach, um zu erkennen, wie
berechtigt es ist, daß jene Seele fühlt, wie
fern sie von Gott ist. Und der Herr hilft
dabei noch nach, indem er der Seele zur
gleichen Zeit eine solch lebendige Erfahrung
seines Wesens vermittelt, daß die Qual sich
dermaßen steigert, bis der Betroffene
schließlich in laute Schreie ausbricht. Auch
wenn es jemand ist, der gewohnt ist, große
Schmerzen mit Geduld zu ertragen, kann er in
diesem Fall nicht anders, weil man diese Qual
– wie gesagt – nicht am Körper empfindet,
sondern im Inneren der Seele. Daraus schloß
jene Person, wieviel heftiger die seelischen
Leiden sind als die körperlichen; und es wurde
ihr deutlich, daß von dieser Art die Qualen
sind, welche die Seelen im Fegfeuer leiden;
denn daß sie keinen Körper mehr haben,
schließt nicht aus, daß sie noch viel mehr
leiden als alle, die hier auf Erden im
leiblichen Dasein leiden.
Ich selbst sah jemanden in einem solchen
Zustand und dachte wirklich, er würde sterben.
Das wäre auch nicht verwunderlich gewesen;
denn in einem solchen Fall ist das Leben
tatsächlich in großer Gefahr. Dauert dieser
Vorgang auch nicht lang, so wird der Körper
dabei doch völlig verrenkt, und der Puls ist
so stockend, als wolle die Seele schon zu
Gott. Das ist nicht zuviel gesagt. Denn dem
Leib geht die natürliche Wärme verloren, und
zugleich verzehrt sich die Seele in der Glut.
Ganz wenig fehlt noch, und Gott hätte ihre
Sehnsucht erfüllt. Dabei empfindet sie jedoch
keinerlei körperlichen Schmerz (obwohl – wie
gesagt – ihr Leib derart verrenkt wird, daß
sie danach zwei oder drei Tage heftige
Schmerzen leidet und nicht einmal genug Kraft
zum Schreiben besitzt. Ja, es scheint mir, als
erlange der Körper danach nie wieder die
vorige Kraft). Diese Unempfindlichkeit kommt
wohl daher, daß der innere Schmerz, den die
Seele fühlt, so viel stärker ist. Sie merkt
deshalb überhaupt nichts von dem, was den
Körper betrifft. Genauso ist es ja auch im
gewöhnlichen Leben: schmerzt es uns irgendwo
sehr heftig, so spüren wir andere Leiden kaum,
und mögen es noch so viele sein (das habe ich
selbst recht deutlich erlebt). In der Lage
aber, von der wir sprechen, fühlt die
betreffende Person nicht den geringsten
körperlichen Schmerz. Ich glaube, sie würde es
nicht einmal merken, wenn man sie in Stücke
risse.
Ihr werdet mir sagen, in diesem Schmerz zeige
sich eine Unvollkommenheit. Denn warum fügt
sich diese Seele nicht dem Willen Gottes, dem
sie sich doch ganz übergeben hat? Bisher war
ihr das möglich gewesen, und in dieser Haltung
lebte sie auch. Jetzt aber ist ihr das
unmöglich, weil die Vernunft nun nicht mehr
Herr über die Seele ist, die an nichts anderes
mehr zu denken vermag als an das, was der
Grund ihres Leidens ist. Nämlich daß sie
getrennt ist von dem, was ihr das Höchste ist.
Wozu sollte sie da noch leben wollen? Sie
fühlt eine seltsame Einsamkeit; denn mit
keinem Geschöpf der Erde verbindet sie eine
Gemeinschaft, die sie befriedigen könnte – und
ich glaube, nicht einmal himmlische Wesen
könnten ihr das bieten, außer demjenigen, den
sie liebt. Alles andere quält sie eher nur
noch mehr. Es ist ihr, als hinge sie im
Leeren, so daß sie auf nichts Irdischem Fuß
fassen kann und auch nicht zum Himmel
aufzusteigen vermag. Durst verzehrt sie, doch
sie kann nicht zum Wasser gelangen. Ein Durst,
der nicht auszuhalten ist, der so brennt, daß
ihn kein Wasser mehr zu löschen vermag. Und
sie will auch gar nicht, daß er gelöscht wird,
es sei denn durch jenes Wasser, von dem unser
Herr zu der Samariterin sprach. Aber dies wird
ihr nicht gereicht.
Oh, mein Gott, mein Herr, wie bedrängst Du
die, die Dich lieben! Doch alles ist gering im
Vergleich mit dem, was Du ihnen später
schenkst. Es ist recht, daß etwas, das viel
wert ist, auch viel kostet; vor allem wenn das
die Läuterung der Seele bedeutet, so daß sie
in die siebte Wohnung eintreten kann – eine
Läuterung, wie sie auch die Seelen, die in den
Himmel kommen sollen, im Fegfeuer erfahren.
Daran gemessen, ist dieses Leiden so wenig wie
ein Wassertropfen im Meer, trotz all der Qual
und Kümmernis, die meiner Ansicht nach gar
nicht schlimmer sein können; denn die
betreffende Person hatte viele Schmerzen,
körperlicher und geistiger Art, erlitten,
hielt aber alles für nichtig, verglichen mit
dem, was sie da empfand. Trotz alldem fühlt
die Seele, daß diese Qual einen so hohen Wert
besitzt, den sie – das merkt sie sehr genau –
niemals selber hätte erwerben können. Zwar
lindert dieses Gefühl den Schmerz in keiner
Weise, doch bewirkt es, daß sie ihn von Herzen
gern erleidet und ihr ganzes Leben lang ihn
gern erleiden würde, wenn sie Gott damit
dienen könnte, obwohl das nicht ein einmaliges
Sterben, sondern wirklich und wahrhaftig ein
fortwährendes Sterben wäre.
Denken wir daran, Schwestern, wie jene, die in
der Hölle sind, ohne diese Übereinstimmung,
ohne die Freude und Wonne, die Gott der Seele
eingibt, ohne die Einsicht in den reichen
Gewinn, den dieses Leiden bringt, nur mehr und
mehr leiden (ich meine: durch die
hinzukommenden Schmerzen).Wenn die Qual der
Seele stärker ist als die des Körpers und die
Martern, welche die Verdammten zu erleiden
haben, unvergleichlich viel schlimmer sind als
die Pein, von der wir eben gesprochen haben –
wie mag es da diesen unglücklichen Seelen erst
ergehen, wenn sie erkennen, daß sie es immer
und ewig ertragen müssen? Wird nicht alles,
was wir in diesem kurzen Leben tun oder
erleiden können, völlig belanglos, verglichen
mit dem Ziel, von solch schrecklichen, ewigen
Qualen befreit zu werden? Ich sage euch: Es
ist unmöglich, jemandem verständlich zu
machen, wie schmerzlich das Leiden der Seele
ist und wie verschieden von körperlicher Pein,
falls der Betreffende es nicht selbst erlebt
hat. Doch der Herr selber will es uns
begreiflich machen, damit wir um so klarer
erkennen, wie sehr wir ihm dafür Dank
schulden, daß er uns zu einem Stand geführt
hat, in dem wir durch seine Barmherzigkeit die
Hoffnung haben, daß er uns befreien und unsere
Sünden vergeben wird.
Kehren wir zurück zu dem, was wir vorhin
sagten. Wir verließen diese Seele, als sie in
großer Qual war. In solcher Schärfe hält diese
Pein nicht lange an. Es werden höchstens drei
oder vier Stunden sein, glaube ich; denn würde
es lange dauern, so könnte die Schwäche
unserer Natur – falls nicht ein Wunder
geschieht – dies unmöglich ertragen. Es kam
auch schon vor, daß es nicht länger als eine
Viertelstunde anhielt, aber so, daß jener
Mensch völlig zerschlagen war. Damals
schwanden jener Person wirklich die Sinne,
derart heftig war es, und zwar während eines
Gesprächs am Osterdienstag, nachdem die Seele
all die Feiertage in solcher Dürre verbracht
hatte, daß ihr fast völlig entgangen war, um
was es ging. Ein einziges Wort aber – daß das
Leben so lange kein Ende nehme – genügte.
Daran zu denken, man könne dem widerstehen,
ist ganz unmöglich, genauso unmöglich, wie
wenn einer, der im Feuer steckt, bewirken
wollte, daß die Flamme keine Hitze hat und ihn
nicht brennt. Es ist ein Schmerz, den man
nicht so verhehlen kann, daß die anderen, die
dabei sind, die große Gefahr, in der man sich
befindet, nicht bemerken, obwohl sie nicht
wahrnehmen, was im Inneren vorgeht. Ihre
Gegenwart empfindet die Seele, aber nur so,
als wäre sie von Schatten umgeben, und als
solche erscheinen ihr alle Dinge der Erde.
Es kann geschehen – das sage ich euch für den
Fall, daß ihr einmal in eine solche Lage
geratet –, daß die Schwäche unserer Natur sich
dabei jählings bemerkbar macht. Ist die Seele,
wie ihr gesehen habt, einmal so weit, daß sie
stirbt vor Sehnsucht zu sterben, und ist der
Druck so stark, daß sie meint, sie verlasse
nun fast schon den Leib, so befällt sie
zuweilen wirkliche Angst, und sie möchte, daß
die Pein sich lindere, um nicht vollends zu
sterben. Dabei ist ganz klar zu erkennen, daß
diese Angst von der natürlichen Schwäche
kommt; denn auf der anderen Seite wird die
Sehnsucht der Seele nicht geringer, und es
gibt kein Mittel, mit dem dieser Schmerz zu
dämpfen wäre, bevor der Herr selber – wie es
fast immer geschieht – ihn mit einer großen
Verzückung oder einer Vision tilgt, wobei der
wahre Tröster die Seele so tröstet und stärkt,
daß sie so lange leben möchte, wie er es will.
Dieses Erleben ist eine Qual, aber es
hinterläßt gewaltige Wirkungen in der Seele.
Sie fürchtet fortan keine Leiden mehr, die
noch kommen mögen; denn verglichen mit dem
Schmerz, den sie empfand, erscheint ihr alles
andere als nichts. Diese Erfahrung hat ihr so
viel genützt, daß sie es gern noch oft
erleiden würde. Doch das kann sie nicht aus
eigenem Willen herbeiführen, und durch kein
Mittel läßt sich das wiederholen, ehe der Herr
es will, genauso wenig wie es möglich ist, dem
zu widerstehen oder es auszulöschen, wenn es
einen überkommt. Die Seele verachtet künftig
die Welt noch viel mehr als zuvor, weil sie
erfahren hat, daß nichts Irdisches in dieser
Qual ihr half; und sie hängt sehr viel weniger
an den Geschöpfen, da sie nun weiß, daß nur
der Schöpfer sie trösten und stillen kann. Und
mit größerer Furcht und Sorgfalt achtet sie
darauf, ihn nicht zu kränken, weil sie erkannt
hat, daß er ebenso zu peinigen wie zu trösten
vermag.
Zweierlei gibt es, wie mir scheint, auf diesem
geistlichen Weg, was das Leben in Gefahr
bringen kann. Das eine ist das Erlebnis, von
dem wir eben gesprochen haben und das wahrlich
nicht ungefährlich ist. Das andere ist ein
Übermaß an Wonne und Seligkeit, das mit solch
ungeheurer Macht die Seele bedrängt, daß es
wirklich scheint, als erliege die Seele und es
bedürfe nicht der kleinsten Kleinigkeit mehr,
damit sie endgültig den Leib verläßt. Das wäre
in der Tat kein geringes Glück für sie. Hier
könnt ihr sehen, Schwestern, ob ich recht
hatte, als ich sagte, daß Mut erforderlich
ist; und ihr werdet erkennen, daß der Herr –
wenn ihr ihn um diese Erfahrungen bittet –
euch mit gutem Grund dieselbe Frage stellen
wird, die er an die Söhne des Zebedäus
richtete: »Könnt ihr den Kelch trinken?«
Alle, das glaube ich, Schwestern, werden wir
mit Ja antworten, und ganz zu Recht; denn
Seine Majestät schenkt jenen Kraft, von denen
er weiß, daß sie ihrer bedürfen. In allem
verteidigt er diese Seelen und steht für sie
ein bei Verfolgungen und bösem Gerede, wie er
es für Magdalena tat, wenn auch nicht mit
Worten, so durch Taten. Und schließlich,
schließlich, ehe sie vollends sterben, belohnt
er sie für alles auf einmal, wie ihr nun sehen
werdet. Er sei gepriesen in Ewigkeit, und es
rühme ihn alle Kreatur. Amen.
DIE SIEBTE WOHNUNG
ERSTES KAPITEL
Ihr werdet den Eindruck haben, Schwestern, es
sei bereits so viel über diesen geistlichen
Weg gesagt worden, daß es unmöglich ist, noch
mehr darüber zu sagen. Das zu meinen, wäre
sehr unbesonnen. Denn die Größe Gottes hat
keine Grenzen, und ebenso unbegrenzt sind wohl
seine Werke. Wer könnte die Taten seines
Erbarmens und seiner Herrlichkeit zu Ende
erzählen? Das ist nicht möglich, und darum
seid nicht bestürzt über das, was hier gesagt
worden ist und noch gesagt wird; denn es ist
nichts als eine Ziffer für die Fülle, die es
von Gott zu berichten gibt. Viel Erbarmen hat
er uns erwiesen, indem er diese Dinge jemandem
mitgeteilt hat, so daß wir davon erfahren
können und darum, je tiefer wir es erfassen,
wie er sich den Geschöpfen mitteilt, um so
mehr seine Größe rühmen und uns bemühen,
unsere Seelen, an denen der Herr so viel
Gefallen findet, nicht geringzuachten. Denn
jeder von uns hat eine, nur schätzen wir sie
nicht so, wie es ein Geschöpf verdiente, das
nach dem Bilde Gottes geschaffen ist, und
erkennen darum auch nicht die großen
Geheimnisse, die darin verborgen sind. Möge
Seine Majestät – so es ihm gefällt – die Feder
führen und mich wissen lassen, wie ich euch
etwas von dem vielen sagen kann, was es zu
sagen gilt und was Gott demjenigen zu erkennen
gibt, den er in diese Wohnung führt. Von
Herzen habe ich Seine Majestät darum
angefleht; denn er weiß, daß es meine Absicht
ist, die Werke seines Erbarmens nicht länger
im Verborgenen zu lassen, auf daß sein Name
höher geehrt und inniger gepriesen werde.
Ich hoffe, daß er – nicht um meinetwillen,
sondern euretwegen, Schwestern – mir diese
Gnade erweisen wird, damit ihr versteht, wie
wichtig es für euch ist, nicht selbst zu
verhindern, daß euer Bräutigam diese
geistliche Hochzeit mit euren Seelen feiert;
denn sie bringt viele Güter ein, wie ihr sehen
werdet.
Oh, großer Gott! Eine so erbärmliche Kreatur,
wie ich es bin, muß doch erzittern, wenn sie
von etwas spricht, das so hoch über das
hinausgeht, was zu begreifen ich verdiene. Und
wirklich, ich war in arger Verwirrung, weil
ich dachte, ob es nicht besser wäre, mit
wenigen Worten diese Wohnung abzutun.
Sicherlich denkt man sonst, ich wisse es aus
eigener Erfahrung, und dabei fühle ich eine
tiefe Scham. Weil ich mich selber kenne und
weiß, wie ich bin, ist mir das etwas
Schreckliches. Andererseits erschien mir dies
als Versuchung und Schwäche. Und mögt ihr noch
soviel über mich urteilen – Gott sei gelobt
und sein Wesen ein wenig mehr verstanden, mag
die ganze Welt auch über mich zetern. Das soll
mich nicht bekümmern, zumal ich vielleicht
schon tot bin, wenn man dies zu sehen bekommt.
Gepriesen sei er, der lebt und leben wird in
Ewigkeit. Amen.
Wenn es unserem Herrn gefällt, sich der Qualen
zu erbarmen, die diese Seele, welche er schon
geistlich zu seiner Braut gemacht hat, erlitt
und erleidet, so führt er sie, bevor die
geistliche Ehe geschlossen wird, in seine
eigene, das heißt in diese siebte Wohnung;
denn wie er im Himmel seine Wohnstatt hat, so
muß er wohl auch in der Seele eine Stätte
haben, wo nur Seine Majestät weilt, also
gleichsam einen zweiten Himmel. Es ist nämlich
sehr wichtig, Schwestern, daß wir die Seele
nicht für etwas Dunkles halten (da wir sie
nicht sehen, kommt es einem gemeinhin ja so
vor, als gäbe es kein anderes, kein
innerliches Licht, sondern nur das, welches
wir mit den Augen gewahren) und nicht meinen,
in unserer Seele herrsche eine Art Finsternis.
Bei einer Seele, die nicht in der Gnade lebt,
mag das so sein, das gebe ich zu; aber nicht,
weil ihr die Sonne der Gerechtigkeit fehlt,
die doch immer in ihr ist und ihr das Sein
verleiht, sondern weil sie nicht fähig ist,
das Licht aufzunehmen, wie ich – soweit ich
mich erinnern kann – in der ersten Wohnung
gesagt habe. Einer gewissen Person ist es klar
geworden, daß diese unglücklichen Seelen
gleichsam in einem dunklen Kerker liegen,
blind, stumm und gefesselt an Händen und
Füßen, so daß sie nichts Gutes vollbringen
können, das zu ihrem Heil dienen würde. Mit
Recht tun sie uns leid, und wir sollten
bedenken, daß wir uns einmal in der gleichen
Lage befanden und der Herr sich auch ihrer
erbarmen kann.
Laßt uns ihn unermüdlich darum anflehen,
Schwestern, vergessen wir dies nie; denn die
beste Gabe der Nächstenliebe ist, für die zu
bitten, die in Todsünde leben. Es ist eine
sehr viel größere Verpflichtung, als wenn wir
einen Christen sehen würden, der an einen
Pfahl gefesselt ist, die Hände mit starken
Ketten auf den Rücken gebunden, und der so
allmählich verhungert, aber nicht, weil nichts
da ist, was er essen könnte – denn er hat die
köstlichsten Speisen um sich –, sondern weil
er sie nicht greifen und zum Munde führen
kann. Dabei fühlt er auch noch einen heftigen
Widerwillen und sieht, daß es mit ihm zu Ende
geht, nicht nur für dieses irdische Leben,
sondern für alle Ewigkeit. Wäre es da nicht
eine entsetzliche Grausamkeit, einfach
zuzuschauen und ihm nicht die Nahrung in den
Mund zu geben? Wie aber, wenn euer Gebet
bewirken könnte, daß man ihm die Ketten
abnimmt? Ihr versteht mich schon. Um der Liebe
Gottes willen bitte ich euch, daß ihr bei
euren Gebeten auch immer an solche Seelen
denkt.
Doch jetzt wollen wir nicht von ihnen
sprechen, sondern von denen, die durch das
Erbarmen Gottes schon Buße getan haben für
ihre Sünden und in der Gnade leben. Eine
solche Seele ist nichts Enges, Eingepferchtes,
sondern eine innere Welt, die so viele und so
schöne Gemächer birgt, wie ihr gesehen habt.
Und das ist nur recht und angemessen; denn in
der Mitte dieser Seele ist eine Wohnung für
Gott. Wenn es also Seiner Majestät beliebt,
ihr die Gnade zu erweisen, von der wir
sprachen, und er diese göttliche Ehe mit ihr
eingehen will, so führt er sie zuerst in seine
Wohnung. Und er wünscht, daß dies nicht so vor
sich geht wie bei anderen Gelegenheiten, wo er
sie entrückte; denn ich glaube zwar, daß er da
und in dem sogenannten Gebet der Vereinigung
sich mit ihr verbindet, aber die Seele hat
dabei doch nicht den Eindruck, als sei sie
berufen, in die innerste Mitte einzutreten,
wie jetzt in dieser Wohnung, sondern als
gelange sie in deren oberen Teil. Aber sei
dem, wie es wolle – darauf kommt es nicht an.
Der Herr verbindet sich mit ihr, wobei er sie
jedoch blind und stumm macht (wie es dem
heiligen Paulus bei seiner Bekehrung
widerfuhr). Er läßt sie nicht fühlen, wie und
von welcher Art die Gnade ist, die sie
genießt; denn das große Entzücken, welches da
die Seele empfindet, besteht darin, daß sie
gewahrt, wie nahe sie bei Gott ist. Wenn er
sich aber mit ihr vereint, so begreift sie
nichts davon, weil ihr alle Seelenkräfte
schwinden.
Hier dagegen ist es anders. Nun will unser
guter Gott ihr die Schuppen von den Augen
nehmen, auf daß sie sehe und etwas von der
Gnade begreife, die er ihr erweist – freilich
auf eine ungewohnte Weise. Nachdem sie durch
eine Verstandesschau in jene Wohnung geführt
worden ist, zeigt sich ihr – gleichsam als
Darstellung der Wahrheit – die Heilige
Trinität, in allen drei Gestalten, mit einer
Entflammung, die zuerst wie eine Wolke
höchster Klarheit vor ihren Geist kommt. Und
durch eine wundersame Wahrnehmung, die der
Seele zuteil wird, begreift sie, daß all die
drei Gestalten gewißlich und wahrhaftig ein
Wesen sind und eine Macht und ein Wissen und
ein einziger Gott. Was wir im Glauben
festhalten, erkennt die Seele dort – so können
wir sagen – im Schauen, obwohl dies kein
Schauen mit den Augen des Körpers oder der
Seele ist, da es sich um keine bildhafte
Vision handelt. Hier teilen sich ihr all die
drei Personen mit, reden zu ihr und erläutern
ihr jene Worte des Herrn, die im Evangelium
stehen: Er und der Vater und der Heilige Geist
würden kommen, um bei der Seele zu wohnen, die
ihn liebt und seine Gebote hält.
Oh, großer Gott, was für ein Unterschied ist
es doch, ob man diese Worte hört und glaubt
oder ob man auf diese Weise begreift, wie wahr
sie sind! Und jeden Tag verwundert sich diese
Seele mehr; denn es scheint ihr, als wichen
die drei Personen nie mehr von ihr. Sie sieht
vielmehr eindeutig – in der beschriebenen
Weise –, daß sie im Inneren ihrer Seele
weilen. In der allerinnersten Mitte, ganz
unten, in einer Tiefe, die sie nicht
beschreiben kann, weil sie unwissend ist,
fühlt sie in sich diese göttliche
Gesellschaft.
Ihr werdet nun meinen, die Seele sei also
nicht bei sich, sondern so versunken, daß sie
auf nichts anderes achten kann. Im Gegenteil:
Bei allem, was im Dienste Gottes geschieht,
ist sie viel achtsamer als zuvor, ist sie aber
frei von Geschäften, so verweilt sie in dieser
angenehmen Gesellschaft. Und wenn die Seele
Gott gegenüber nichts versäumt, so wird er es
– meines Erachtens – nie versäumen, sie seine
Gegenwart so deutlich gewahren zu lassen. Und
sie vertraut fest darauf, daß Gott, nachdem er
ihr diese Gnade erwiesen hat, sie nicht so
weit verlassen wird, daß ihr sein Geschenk
wieder verlorengeht. Und dieses Glaubens darf
man sein. Dennoch achtet sie behutsamer denn
je darauf, daß sie ihm durch nichts mißfällt.
Diese göttliche Gegenwart, in der die Seele
sich hier fühlt, ist allerdings nicht so
unmittelbar, das heißt: nicht immer so klar,
wie sie sich beim ersten Male offenbart, oder
wie bei anderen Gelegenheiten, wenn Gott die
Seele mit dieser Gunst erfreuen will; denn
wäre dies so, könnte sie unmöglich auf etwas
anderes achten oder auch nur unter den Leuten
leben. Zeigt es sich ihr auch nicht in so
klarem Licht, findet sich die Seele aber doch
immer, wenn sie darauf achtet, in dieser Nähe.
Mit anderen Worten: Es geht ihr wie jemandem,
der mit anderen in einem sehr hellen Raume
ist, wo plötzlich die Fenster geschlossen
werden, so daß er im Dunkeln steht. Auch wenn
das Licht verschwunden ist und er die anderen
nicht erblicken kann, bevor das Licht wieder
erscheint, weiß er doch noch immer, daß sie
zugegen sind. Man wird nun fragen, ob die
Seele selber nach eigenem Belieben bewirken
kann, daß das Licht zurückkehrt und sie die
Gefährten sieht. Aber das liegt nicht in ihrer
Macht, und es geschieht nur, wenn es der Wille
unseres Herrn ist, daß das Fenster der
Erkenntnis sich auftut. Doch er erweist ihr
schon damit eine große Barmherzigkeit, daß er
sie nicht verläßt und ständig dafür sorgt, daß
sie dies so deutlich wahrnimmt.
Es scheint, als wolle die göttliche Majestät
die Seele hier durch diese wunderbare
Gesellschaft auf noch Größeres vorbereiten;
denn es ist klar, daß ihr dies wesentlich dazu
hilft, in allem auf dem Weg zur Vollkommenheit
voranzukommen und die Furcht zu verlieren, die
sie – wie gesagt – angesichts der anderen
Gnaden, die sie erfuhr, überkam. Und so war es
auch bei der Person, von der wir sprachen. Sie
fand sich in allem gebessert, und es kam ihr
vor, als verlasse das Wesentliche ihrer Seele
– trotz aller Plagen und Mühen, mit denen sie
zu tun hatte – niemals dieses Gemach. Es
schien ihr also gewissermaßen, als ob in ihrer
Seele eine Teilung vor sich gegangen sei. Und
als schwere Mühsal sie bedrückte, kurze Zeit
nachdem Gott ihr diese Gnade erwiesen hatte,
da beklagte sie sich darüber, wie Martha, als
sie über Maria klagte. Auch warf sie manchmal
ihrer Seele vor, sie genieße jenen Frieden,
ganz nach ihrer Lust, und lasse sie, die
soviel Plage und Arbeit habe, im Stich, so daß
sie nicht mit dabeisein könne.
Das wird euch unsinnig vorkommen, meine
Töchter. Doch so ist es wirklich; denn
obgleich man weiß, daß die Seele ein Ganzes
ist, ist das, was ich gesagt habe, doch kein
Hirngespinst. So verhält es sich nämlich
meistens. Darum sagte ich, man sehe innerliche
Dinge, die einen mit Gewißheit erkennen
lassen, daß es irgendwie einen Unterschied,
und zwar einen sehr klaren Unterschied
zwischen der Seele und dem Geist gibt, obwohl
im übrigen beide ein und dasselbe sind. Man
erkennt eine so feine Teilung, daß es zuweilen
scheint, als handle das eine nicht so wie das
andere, je nach dem Eindruck oder Geschmack,
den der Herr ihnen vermitteln will. Auch
scheint es mir, daß die Seele etwas anderes
ist als die Fähigkeiten, daß sie also nicht
ein und dasselbe sind. Es gibt so viele und so
feine Dinge in unserem Inneren, daß es eine
Vermessenheit wäre, wollte ich versuchen, sie
zu erklären. Drüben, im anderen Leben, werden
wir es sehen, wenn der Herr so gnädig ist, uns
durch sein Erbarmen dahin zu bringen, wo wir
diese Geheimnisse verstehen.
ZWEITES KAPITEL
Wir wollen nun von der göttlichen oder
geistlichen Vermählung sprechen. Diese große
Gnade wird sich freilich nicht vollkommen
erfüllen, solange wir leben; denn trennen wir
uns je von Gott, so wird uns dieses große Gut
verlorengehen. Erweist Gott zum erstenmal
diese Gunst, so ist es der Wunsch Seiner
Majestät, sich der Seele in einer bildhaften
Vision seiner heiligsten Menschlichkeit zu
zeigen, damit sie es genau erfaßt und wissend
erfährt, daß ihr eine so erhabene Gabe zuteil
wird. Andere Personen werden es vielleicht in
anderer Form erleben; derjenigen aber, von der
wir sprachen, erschien der Herr, als sie eben
das Abendmahl genommen hatte, in einer Gestalt
von großem Glanz, voll Schönheit und Majestät,
wie nach der Auferstehung, und er sprach zu
ihr, es sei nun an der Zeit, daß sie seine
Dinge als die ihrigen betrachte und er für die
ihrigen sorge, und dazu noch andere Worte, die
man besser fühlt als ausspricht.
Dies erscheint vielleicht als nichts Neues, da
sich der Herr auch sonst schon dieser Seele in
solcher Form gezeigt hatte. Aber es war so
anders, daß es sie ganz verwirrte und
bestürzte; einmal, weil diese Vision mit
großer Gewalt eintrat, und zum anderen, weil
die Worte, die der Herr zu ihr sagte, sie
erschreckten. Auch hatte sie im Inneren der
Seele, wo sich ihr dies zeigte, noch keine
Vision erlebt, außer der eben erwähnten. Wir
müssen nämlich wissen, daß ein riesiger
Unterschied zwischen allen vorhergegangenen
Visionen und dem besteht, was wir in dieser
Wohnung schauen; ein Unterschied, der so groß
ist wie der zwischen der geistlichen Verlobung
und der geistlichen Ehe, oder wie der zwischen
einem verlobten Paar und zweien, die sich
nicht mehr trennen können.
Ich habe es schon einmal gesagt, daß trotz
dieser Vergleiche – die ich gebrauche, weil es
keine geeigneteren gibt – man sich darüber im
klaren sein muß, daß hier so wenig an
Körperliches gedacht wird, als weilte die
Seele nicht mehr im Leibe. Hier ist nur noch
Geist. Und viel weniger noch hat Körperliches
mit der geistlichen Vermählung zu tun; denn
diese geheime Vereinigung vollzieht sich in
der allerinnersten Mitte der Seele, also an
dem Ort, wo Gott selber weilt. Und er bedarf,
wie ich glaube, keiner Türe, um dort
einzutreten. Ich sage, er brauche keine Türe,
weil er bei allem, wovon wir bisher sprachen,
durch das Medium der Sinne und Fähigkeiten zu
uns kommt; und jene Erscheinung der
Menschlichkeit des Herrn geschah wohl ebenso.
Was sich aber bei der Vereinigung der
geistlichen Vermählung ereignet, ist völlig
anderer Art. Da zeigt sich der Herr in diesem
Zentrum der Seele nicht in einer bildhaften
Vision, sondern in einer Verstandesschau (die
freilich feiner ist als die früher erwähnten),
wie er den Aposteln erschien, ohne durch die
Tür einzutreten, als er zu ihnen sprach:
»Friede sei mit euch.« Was der Herr hier der
Seele in einem Augenblick mitteilt, ist ein so
großes Geheimnis und eine so hohe Gnade, und
das Entzücken, das die Seele dabei empfindet,
ist so übermächtig, daß ich es mit nichts
anderem vergleichen kann als der Seligkeit im
Himmel, die der Herr ihr durch diesen
Augenblick offenbaren will, und zwar in
erhabenerer Weise als bei irgendeiner
sonstigen Vision oder anderen geistigen
Wonnen. Es läßt sich nichts weiter davon
sagen, als daß die Seele, ich meine: der Geist
dieser Seele – soweit man dies verstehen kann
– eins geworden ist mit Gott. Da auch er Geist
ist, hat Seine Majestät die Liebe offenbaren
wollen, die er für uns hegt, indem er einigen
Menschen zu verstehen gibt, wie weit diese
Liebe reicht, auf daß wir seine Größe rühmen.
So innig hat er sich mit der Kreatur verbinden
wollen, daß er – genau wie die Vermählten, die
sich nicht mehr trennen können – nicht mehr
von der Seele weichen will.
Die geistliche Verlobung ist anders; denn da
gibt es oft eine Trennung. Und auch die
Vereinigung ist nicht von dieser Art. Obwohl
»Vereinigung« bedeutet, daß zwei Dinge sich zu
einem verbinden, können sie sich schließlich
doch wieder trennen und jeder für sich
bleiben. So erleben wir es oft, daß jene Gnade
des Herrn schnell vorübergeht und die Seele
sich danach nicht mehr in jener Gemeinschaft
befindet; ich meine: nicht mehr so, daß sie es
merkt. Bei dieser Gnade des Herrn aber, von
der wir jetzt sprechen, gibt es keine Trennung
mehr, denn immer bleibt die Seele mit ihrem
Gott in jener Mitte. Wir wollen sagen: Die
Vereinigung gleicht zwei Wachskerzen, die man
so dicht aneinanderhält, daß beider Flammen
ein einziges Licht bildet; und sie ist jener
Einheit ähnlich, zu der der Docht, das Licht
und das Wachs verschmelzen. Danach aber kann
man leicht eine Kerze von der anderen trennen,
so daß es wieder zwei Kerzen sind, und ebenso
läßt sich der Docht vom Wachs lösen. Hier
jedoch ist es, wie wenn Wasser vom Himmel in
einen Fluß oder eine Quelle fällt, wo alles
nichts als Wasser ist, so daß man weder teilen
noch sondern kann, was nun das Wasser des
Flusses ist und was das Wasser, das vom Himmel
gefallen; oder es ist, wie wenn ein kleines
Rinnsal ins Meer fließt, von dem es durch kein
Mittel mehr zu scheiden ist; oder aber wie in
einem Zimmer mit zwei Fenstern, durch die ein
starkes Licht einfällt: dringt es auch
getrennt ein, so wird doch alles zu einem
Licht.
Vielleicht ist es dies, was der heilige Paulus
mit den Worten meint: »Wer sich dem Herrn
nähert und an ihn sich hängt, der wird eines
Geistes mit ihm.« Damit spielt er wohl auf
diese erhabene Vermählung an, die voraussetzt,
daß Seine Majestät durch eine Vereinigung zur
Seele gekommen ist. Auch sagt er: »Mihi vivere
Christus est, mori hierum.« Genau dasselbe
kann meiner Meinung nach hier die Seele
sprechen; denn das ist der Ort, wo der kleine
Falter, von dem wir gesprochen haben, stirbt,
und dies in höchster Wonne, weil sein Leben
nunmehr Christus ist.
Das versteht man im Lauf der Zeit immer besser
durch die Wirkungen dieser Gnade. Durch eine
Art geheimen Anhauchs gewahrt man deutlich,
daß es Gott ist, der unserer Seele Leben gibt.
Und dieser Anhauch ist oft so stark, daß
überhaupt nicht daran zu zweifeln ist; denn
die Seele fühlt es sehr genau, auch wenn sie
es nicht ausdrücken kann. So heftig ist jedoch
manchmal dieses Empfinden, daß es zuweilen
zärtliche Worte hervorruft, die man
anscheinend unweigerlich aussprechen muß: »Oh,
Leben meines Lebens und Nahrung, die mich
erhält!« oder ähnliches. Aus jenen himmlischen
Brüsten, an denen Gott immer die Seele zu
nähren scheint, schießen Strahlen von Milch
hervor, die alle Bewohner der Burg laben; denn
es scheint, als wolle der Herr, daß auch sie
etwas genießen von der Fülle, deren die Seele
sich erfreut, und daß aus jenem mächtig
strömenden Fluß, in den diese kleine
Rieselquelle mündete und sich auflöste, ab und
zu ein Schwall herausschwappt, um die zu
erquicken, die im Leiblichen diesen beiden
Neuvermählten zu dienen haben. Und wie es auch
einem Achtlosen nicht entgehen kann, wenn man
ihn plötzlich ins Wasser wirft, genauso
sicher, ja mit noch größerer Gewißheit
verspürt man diese Wirkungen, von denen ich
gesprochen. Denn wie jeder starke
Wasserschwall, der uns treffen mag,
irgendwoher kommen muß, genauso unbestreitbar
zeigt sich, daß im Inneren jemand ist, der
diese Pfeile schleudert, der Leben gibt diesem
Leben; und daß da eine Sonne ist, aus der ein
großes Licht kommt, das den Fähigkeiten
gesandt wird aus dem Inneren der Seele. Diese
bewegt sich – wie gesagt – nicht aus jener
Mitte, und der Friede geht ihr nicht verloren;
denn derselbe, der ihn den Aposteln schenkte,
als sie beieinander waren, kann ihn ihr
gewähren.
Es ist mir nun der Gedanke gekommen, dieser
Gruß des Herrn müsse viel mehr bedeutet haben,
als der bloße Wortlaut besagt; ebenso damals,
als er zur seligen Magdalena sagte, sie solle
in Frieden gehen; denn da die Worte des Herrn
Taten sind, wie bei uns die Werke, müssen sie
in jenen Seelen, die schon vorbereitet waren,
so stark gewirkt haben, daß in ihnen alles,
was leiblich ist an der Seele, ausgeschieden
wurde und diese hernach reiner Geist war, so
daß sie sich in dieser himmlischen Vereinigung
mit dem unerschaffenen Geist verbinden konnte.
Denn es ist ganz gewiß, daß der Herr, wenn wir
uns alles Kreatürlichen entledigen und uns aus
Liebe zu Gott davon losmachen, uns mit sich
selber erfüllen wird. Und so betete auch unser
Herr Jesus Christus für seine Jünger – ich
weiß nicht, wo es steht –, sie möchten eins
mit dem Vater werden und mit ihm, gleichwie
unser Herr Jesus Christus im Vater ist und er
in ihm. Ich weiß nicht, welch größere Liebe es
geben könnte als diese! Und wir alle werden
dahin gelangen; denn Seine Majestät sagte:
»Ich bitte nicht nur für sie, sondern auch für
all die anderen, die an mich glauben werden.«
Und er fährt fort: »Ich bin in ihnen.«
O Gott, wie wahr sind diese Worte, und wie
erfaßt dies die Seele, die es in diesem Gebet
selber erlebt! Und wir alle würden es
erfassen, wenn nicht unsere eigene Schuld uns
daran hinderte; denn die Worte Jesu Christi,
unseres Königs und Herrn, können nicht falsch
sein! Doch da wir versagen, weil wir uns nicht
dafür bereitmachen und uns nicht abkehren von
allem, was dieses Licht hemmen kann, sehen wir
uns nicht in diesem Spiegel, den wir
betrachten und dem unser Bildnis eingegraben
ist.
Doch kehren wir zurück zu dem, was wir vorhin
sagten. Führt der Herr die Seele in diese
seine Wohnung, welche die Mitte der Seele
selber ist, so scheint es, als seien die
Regungen in der Seele, die für gewöhnlich in
der Phantasie und den Fähigkeiten zu fühlen
sind, plötzlich nicht mehr vorhanden, sobald
sie hier eintritt (auch der höchste Himmel,
der Feuerhimmel, wo unser Herr ist, bewegt
sich ja nicht wie die übrigen). So stören sie
die Seele nicht und rauben ihr nicht den
Frieden. Es mag den Anschein erwecken, ich
wollte damit sagen, die Seele sei ihrer
Erlösung sicher und der Gefahr enthoben,
erneut zu fallen, wenn sie einmal so weit
gelangt ist, daß Gott ihr diese Gnade erweist.
Das behaupte ich aber nicht, und immer wenn
ich in der Weise rede, daß es scheint, als sei
die Seele in Sicherheit, so ist dies mit dem
Vorbehalt aufzunehmen: solange Seine Majestät
sie so an der Hand hält und sie ihn nicht
beleidigt. Zumindest weiß ich gewiß, daß die
Seele, von der wir sprachen, obwohl sie sich
in diesem Stande sieht, und dies seit Jahren,
sich nicht für gesichert hält, sondern noch
viel ängstlicher als zuvor sich vor jeder
kleinen Kränkung Gottes hütet. Zugleich
empfindet sie ein so starkes Verlangen, ihm zu
dienen – wovon nachher noch die Rede sein wird
–, und fühlt sich fast immer bekümmert und
verwirrt durch die Einsicht, wie wenig sie zu
tun vermag im Vergleich zu dem vielen, wozu
sie verpflichtet ist. Das ist kein geringes
Kreuz, sondern eine besonders harte Buße; aber
Übungen der Buße sind dieser Seele eine Wonne,
und je härter das Werk der Reue, desto größer
ist ihre Freude. Eine wirkliche Buße ist es
jedoch für sie, wenn der Herr ihr Gesundheit
und Kräfte nimmt, so daß sie nicht mehr
imstande ist, die Buße tätig zu üben. Ich habe
zwar schon an anderer Stelle gesagt, welch
große Qual dies bereitet, doch hier ist es
noch viel schmerzlicher. Und das alles kommt
wohl von dem Grund, in dem sie verwurzelt ist.
Der Baum, der dicht an den strömenden Wassern
steht, ist frischer und bringt mehr Frucht –
wie könnte es da wundernehmen, daß diese Seele
solche Begierden fühlt, wo doch ihr wahrer
Geist – wie wir sagten – eins geworden ist mit
dem himmlischen Wasser?
Um aber zum vorher Gesagten zurückzukehren:
man darf das nicht so verstehen, als blieben
die Fähigkeiten, die Sinne und Leidenschaften
ständig in diesem Frieden. Die Seele selber,
ja; doch in den anderen Wohnungen gibt es noch
immer Zeiten des Streits, der Leiden und
Mühsale, wenn auch nicht in dem Maße, daß sie
dadurch ihres Friedens beraubt und von ihrer
Stätte verdrängt werden könnte. So ist es
jedenfalls meistens. Dieses Zentrum unserer
Seele – oder dieser Geist – ist etwas, das so
schwer sich ausdrücken läßt und auch so
schwierig zu erfassen ist durch den Glauben,
daß ich fürchte, Schwestern, ihr könntet in
die Versuchung geraten, meinen Worten zu
mißtrauen, weil ich mich nicht verständlich
machen kann; denn sagt man, es gebe Drangsal
und Leiden, und behauptet zugleich, die Seele
sei im Frieden, so ist dies schwer zu
begreifen.
Ich will euch ein Gleichnis nennen oder auch
zwei. Gebe Gott, daß sie euch etwas besagen.
Tun sie das nicht, so weiß ich dennoch, daß
ich die Wahrheit spreche. Der König ist in
seinem Palast, und gibt es auch viele Kriege,
Bedrängnis und Leiden in seinem Reich – er
verharrt trotz alledem an seinem Platz. So ist
es auch hier. Mag es in den anderen Wohnungen
noch so toben und wimmeln von wildem, giftigem
Getier, daß der Lärm herüberschallt, so dringt
doch nichts in den innersten Bereich, was die
Seele daraus vertreiben könnte. Was sie da
hört, schmerzt sie zwar etwas, aber es stürzt
sie nicht in Unruhe und raubt ihr nicht den
Frieden; denn die Leidenschaften sind schon
bezwungen, so daß sie Angst davor haben, dort
einzudringen, weil sie sonst nur noch mehr
entmachtet würden. Der ganze Körper mag uns
schmerzen, aber wenn der Kopf gesund ist, wird
er uns nicht deshalb wehtun, weil wir am
Körper leiden.
Ich lache über diese Vergleiche, die mich
nicht befriedigen; aber ich weiß keine
anderen. Denkt, was ihr wollt; es ist
Wahrheit, was ich gesagt habe.
DRITTES KAPITEL
Jetzt ist also dieser kleine Falter gestorben,
voll überschwenglicher Freude, daß er nun zur
Ruhe gefunden hat und Christus in ihm lebt.
Schauen wir also, welches Leben er jetzt führt
und wie sich dies von seinem früheren Dasein
unterscheidet; denn an den Wirkungen werden
wir erkennen, ob es wahr ist, was hier gesagt
worden ist. Ich weiß von den folgenden:
Die erste Wirkung ist eine Selbstvergessenheit
der Seele, die so weit geht, daß es – wie
gesagt – wirklich so scheint, als existiere
sie überhaupt nicht mehr. Sie ist so völlig
verwandelt, daß sie sich selbst nicht mehr
kennt noch sich daran erinnert, daß es für sie
einen Himmel oder Leben oder Ehre gibt, weil
ihr ganzes Wesen damit beschäftigt ist, für
Gottes Ehre zu sorgen. Es scheint, als seien
die Worte, die Seine Majestät zu ihr sprach –
nämlich: sie solle auf seine Dinge achten, und
er werde nach den ihrigen schauen –, nun
Wirklichkeit geworden. Und so kümmert sie sich
um nichts, was auch geschehen mag, sondern
lebt in einer wundersamen Vergessenheit, so
daß es – wie gesagt – den Anschein hat, als
sei sie gar nicht mehr vorhanden. Auch möchte
sie überhaupt nicht mehr dasein, in keiner
Weise, es sei denn, sie würde erkennen, daß
von ihr etwas ausgehen kann, was den Ruhm und
die Ehre Gottes ein bißchen erhöht; denn dafür
würde sie von Herzen gern ihr Leben hingeben.
Ihr dürft das nicht so verstehen, Töchter, als
kümmere sie sich nun nicht mehr um Essen und
Schlafen (obwohl diese Notwendigkeiten sie
nicht wenig quälen) und vernachlässige nun
irgendwelche Pflichten ihres Standes. Wir
sprechen von innerlichen Dingen; von äußeren
Werken ist wenig zu sagen. Es bekümmert sie
vielmehr, sehen zu müssen, daß ihre Kräfte zu
nichts mehr ausreichen. Aber niemals und um
nichts auf der Welt würde sie von etwas
ablassen, das sie zu leisten vermag und von
dem sie weiß, daß es im Dienste Gottes
geschieht.
Die zweite Wirkung ist ein Verlangen nach
großem Leiden, aber nicht in der Weise, daß
dies Verlangen sie beunruhigt, wie früher;
denn die Sehnsucht, der Wille Gottes möge in
ihr geschehen, der diese Seele nun erfüllt,
ist so übergroß, daß sie alles, was Seine
Majestät tut, als gut betrachtet: will er, daß
sie leidet, wohlan; will er es nicht, so
zermartert sie sich deshalb nicht wie einst.
Auch bereitet es solchen Seelen eine große
Wonne, wenn sie verfolgt werden, und sie
fühlen dabei einen viel tieferen Frieden als
bei den früheren Gelegenheiten, ohne gegen
jene, die ihnen Böses tun oder Böses zufügen
wollen, irgendwelche Feindschaft zu hegen. Sie
fassen vielmehr eine besondere Liebe zu ihnen,
und wenn sie dieselben in einer Bedrängnis
sehen, empfinden sie ein tiefes Mitleid und
würden alles auf sich nehmen, um sie davon zu
befreien. Aus freiem Herzen und tiefem
Verlangen empfehlen sie dieselben in Gottes
Schutz, und von den Gnaden, die Seine Majestät
ihnen gewährt, würden sie mit Freuden etwas
missen, wenn sie dafür jenen zuteil würden,
damit sie unseren Herrn nicht länger
beleidigen.
Am allermeisten verwundert mich aber, daß nun
– nachdem ihr ja gesehen habt, unter wieviel
Mühen und Qualen diese Seelen sich nach ihrem
Tode sehnten, um sich unseres Herrn zu
erfreuen –, daß nun ihr Verlangen, ihm zu
dienen, ihn zu rühmen und womöglich einer
Seele sich hilfreich zu erweisen, so groß ist,
daß sie nicht nur keine Sehnsucht nach dem Tod
empfinden, sondern noch viele, viele Jahre
voll schwerster Mühen leben wollen, um so
möglicherweise etwas dazu beizutragen, daß
Gott gepriesen werde, sei es auch nur im
Allerkleinsten. Und wüßten sie auch gewiß, daß
die Seele, sobald sie den Leib verläßt, sich
der Gegenwart Gottes erfreut, so wäre ihnen
dies gleich. Sie denken nicht an die
Herrlichkeit, in der die Heiligen leben, noch
ist es ihr Wunsch, diese schon jetzt zu
erfahren. Ihre Seligkeit sehen sie darin, daß
sie alles daransetzen, um dem Gekreuzigten
irgendwie zu helfen, falls dies möglich ist;
vor allem, wenn sie gewahren, wie oft er
beleidigt wird und wie wenige es gibt, die
ernsthaft nach seiner Ehre trachten, ohne sich
noch um irgend etwas anderes zu kümmern.
Freilich überkommt sie zuweilen, wenn sie dies
einmal vergessen, wieder zärtlich das
Verlangen, sich des Herrn zu erfreuen, und
damit der Wunsch, dieser Verbannung zu
entrinnen, vor allem wenn sie sehen, wie wenig
sie nützen. Aber dann schaut die Seele wieder
in sich selber und gewahrt, wie sie ihn
ständig bei sich hat; und damit begnügt sie
sich. Indem sie leben will, bietet sie Seiner
Majestät gleichsam ein Opfer dar, und zwar das
kostbarste, das sie ihm zu geben vermag.
Vor dem Tode fürchtet sie sich nicht, sowenig
wie sie sich vor einer sanften Entrückung
ängstigen würde. Er, der einst jenes erste
Verlangen mit solch furchtbarer Qual in der
Seele erweckte, flößt ihr nämlich nun dieses
neue Sehnen ein. Er sei gelobt und gepriesen
in Ewigkeit.
Die Wünsche dieser Seelen gelten also nicht
mehr den Gnadengeschenken und Wonnen, weil sie
den Herrn selber bei sich haben und es Seine
Majestät ist, die nun in ihnen lebt. Wie wir
wissen war sein eigenes Leben nichts als
ständige Marter, und das unsere macht er nun
dem seinen gleich, zumindest was unser Sehnen
und Wollen betrifft; denn im übrigen leitet er
uns, wie man schwache Gefährten führt. Sieht
er jedoch, daß die Seelen es brauchen, so läßt
er sie teilhaben an seiner Stärke.
Sie sind gänzlich gelöst von allem, und immer
ist es ihr Wunsch, allein zu sein oder sich
einem Tun zu widmen, das einer anderen Seele
hilft. Weder Dürrezeiten noch innere Mühsal
suchen sie heim. Ständig gedenken sie unseres
Herrn und hängen an ihm in Zärtlichkeit, so
daß sie niemals aufhören möchten, ihn zu
loben. Wird eine Seele schläfrig, so weckt der
Herr selber sie in der Weise, die wir
beschrieben haben. Das läßt in aller Klarheit
erkennen, daß jener Antrieb – ich weiß nicht,
wie ich es sonst nennen soll – vom Inneren der
Seele ausgeht, wie dies auch von den starken
Antrieben gesagt worden ist. Hier geschieht es
mit großer Sanftheit, doch kommt es nicht aus
dem Denken oder der Erinnerung. Es ist etwas,
das nicht zu begreifen ist; denn die Seele hat
nichts von sich aus dazu getan. Dieses
Erlebnis widerfährt einem so häufig, ja es ist
so etwas Gewöhnliches, daß es genau zu
beobachten war. Ein großes Feuer lodert nicht
nach unten, sondern nach oben, so stark man es
auch entfachen mag, und genauso ist es hier:
man erkennt, daß diese innerliche Bewegung aus
der Mitte der Seele kommt und die Fähigkeiten
weckt.
Wahrlich, gäbe es auf diesem Weg des Gebets
nichts anderes zu gewinnen, als daß man
gewahrt, mit welch besonderer Fürsorge Gott
darum bemüht ist, sich uns mitzuteilen, und
wie er wieder und wieder uns bittet – denn
nichts anderes scheint es zu sein –, bei ihm
zu bleiben, so schienen mir alle Mühen wohl
angewandt, die man auf sich genommen hat, um
dies zu genießen, daß man so sanft und so
durchdringend von seiner Liebe angerührt wird.
Das werdet ihr, meine Schwestern, erfahren
haben; denn ich denke, daß der Herr uns mit
dieser Fürsorge umgibt, sobald wir zum Gebet
der Vereinigung gelangen, falls wir nicht
selber achtlos werden gegenüber seinen
Geboten. Erlebt ihr nun das, so denkt daran,
daß es von dieser inneren Wohnung ausgeht, wo
Gott in unserer Seele weilt, und lobt ihn von
Herzen. Denn es ist gewiß: von ihm stammt
diese Aufforderung, dieses Brieflein, das mit
so viel Liebe geschrieben ist, und zwar so,
daß nur ihr seine Schrift lesen könnt und
versteht, worum er euch bittet. Und ihr dürft
es unter keinen Umständen versäumen, Seiner
Majestät zu antworten, auch wenn ihr gerade
äußerlich beschäftigt seid oder mit anderen
redet; denn es wird des öfteren vorkommen, daß
unser Herr euch diese geheime Gnade erweisen
will, während ihr in der Öffentlichkeit weilt.
Doch da man innerlich antworten muß, fällt es
nicht schwer. Man tut einen Liebesdienst oder
sagt die Worte des heiligen Paulus: »Was
willst du, Herr, das ich tun soll?« Auf
vielerlei Weise wird er euch dann lehren,
womit ihr ihm einen Gefallen erweisen könnt.
Es ist die rechte Zeit; denn es scheint, daß
er uns da erhört. Und fast immer wird diese
feine Berührung die Seele so bereitmachen, daß
sie den Auftrag des Herrn mit entschlossenem
Willen erfüllen kann.
Was den Aufenthalt in dieser Wohnung von dem
Leben in den anderen unterscheidet, ist also,
wie gesagt: daß es hier fast nie eine Dürre
oder innere Wirren gibt, wie sie in allen
anderen zuweilen auftraten, sondern die Seele
so gut wie immer in Ruhe lebt; daß sie nicht
fürchtet, der Satan könnte diese erhabene
Gnade vorgaukeln, sondern ständig die
Gewißheit besitzt, daß es Gott ist; denn – wie
gesagt – die Sinne und Fähigkeiten haben
hiermit nichts zu tun. Seine Majestät hat sich
der Seele offenbart und hat sie mitgenommen,
da hinein, wo meines Erachtens der Satan nicht
einzudringen wagt und der Herr ihm den Zugang
verwehrt. Und alle Gnaden, die er hier der
Seele erweist, empfängt sie – wie gesagt –
ohne jegliches eigene Dazutun, abgesehen
davon, daß sie sich schon vorher Gott ganz
übergeben hat.
Alles, was der Herr hier zum Wohl der Seele
tut und was er ihr zeigt, geschieht in solcher
Ruhe, so völlig lautlos, daß es mich dünkt, es
sei wie beim Bau von Salomons Tempel, wo kein
Geräusch zu hören war. Ebenso ist es in diesem
Tempel Gottes, in dieser seiner eigenen
Wohnung, wo er und die Seele sich aneinander
in tiefster Stille erfreuen. Da ist kein Grund
zur Geschäftigkeit, und der Verstand hat hier
nichts zu suchen. Der Herr, der ihn schuf,
will ihn hier ruhen lassen, und nur durch
einen kleinen Spalt soll er sehen, was da
geschieht. Manchmal wird ihm diese Sicht zwar
versperrt, so daß er nichts mehr gewahren
kann, aber doch nur für ganz kurze Zeit; denn
meines Erachtens verlieren sich die
Fähigkeiten hier nicht. Sie sind jedoch
untätig und gleichsam vor Staunen erstarrt.
Mich selbst verwundert es, daß alle
Entrückungen aufhören, sobald die Seele
hierher gelangt, von gelegentlichen Ausnahmen
abgesehen, wobei es sich aber um keine
Entrückungen gleich jenen früheren und um
keinen Geistesflug handelt. Auch kommen sie
sehr selten vor, und dann fast nie in
Gegenwart von anderen, im Gegensatz zu früher,
wo dies recht häufig geschah. Besondere
Gelegenheiten zur Andacht, die ihr begegnen,
bewegen sie nun nicht mehr wie früher. Sah sie
da ein frommes Bild oder hörte sie eine
Predigt, ein Musik – kaum hatte sie etwas
vernommen, wie sehnsüchtig flatterte da der
arme Falter auf, alles scheuchte ihn empor und
trieb ihn zum Flug. Jetzt aber, sei es weil
die Seele ihren Ruheort gefunden oder weil sie
in dieser Wohnung so viel gesehen hat, daß sie
vor nichts mehr erschrickt, oder weil sie sich
nicht mehr so einsam fühlt wie früher, jetzt,
wo sie sich einer solchen Gesellschaft erfreut
– ach, Schwestern, ich weiß nicht, was die
Ursache sein mag, weshalb jene große Schwäche,
die ihr eine arge Plage war, zur selben Zeit
von ihr genommen wurde, als der Herr ihr diese
Wohnung und was darinnen ist zu zeigen begann,
und weshalb dies nicht schon früher geschah.
Vielleicht hat der Herr sie gestärkt, sie
weiter gemacht und sie gerüstet; es mag aber
auch denkbar sein, daß er öffentlich zu
erkennen geben wollte, was er an diesen Seelen
insgeheim getan hat, zu irgendwelchen Zwecken,
die Seine Majestät kennt; denn seine
Ratschlüsse sind höher als alles, was wir uns
vorzustellen vermögen.
Diese Wirkungen – sowie alle anderen, die wir
als gute Folgen der beschriebenen Gebetsstufen
genannt haben – schenkt Gott der Seele, wenn
er sie an sich zieht zu dem Kuß, den die Braut
erbat; denn hier wird ihr – soweit ich es
verstehe – diese Bitte erfüllt. Hier wird der
verwundeten Hindin Wasser im Überfluß gewährt;
hier ergötzt sie sich in der Laubhütte Gottes.
Hier findet die Taube, die Noah aussandte, um
zu sehen, ob das Unwetter vorüber sei, den
Ölbaum: ein Zeichen, daß sie festes Land
gefunden hatte inmitten der Fluten und Stürme
dieser Welt. O Jesus, wüßte ich doch all die
vielen Dinge in der Heiligen Schrift, die wohl
sonst noch zur Erklärung dieses Friedens der
Seele zu finden sind! Mein Gott, da du siehst,
wie wichtig er für uns ist, so mache, daß die
Christen ihn suchen wollen, und nimm ihn – um
deiner Barmherzigkeit willen – nicht wieder
von denen, die du damit beschenkt hast; denn
schließlich werden sie immer in Furcht leben,
bis du ihnen den wahren Frieden gibst und sie
dahin führst, wo er kein Ende nehmen kann. Ich
spreche vom »wahren Frieden«, nicht weil ich
meine, daß der Friede hier nicht wahr wäre,
sondern weil er sich wieder in den
vorausgegangenen Krieg verwandeln könnte, wenn
wir uns von Gott trennten.
Aber was werden diese Seelen empfinden bei der
Erkenntnis, daß ihnen ein so großes Gut
verloren gehen könnte? Es wird sie dazu
bewegen, noch vorsichtiger zu wandeln und
dafür zu sorgen, daß sie Kraft aus ihrer
Schwäche ziehen, um nicht aus eigener Schuld
eine Gelegenheit zu versäumen, wo sie Gott
noch mehr Gefallen erweisen könnten. Je mehr
sie von Seiner Majestät begünstigt werden,
desto zaghafter und furchtsamer blicken sie
auf sich selbst. Und da sie angesichts der
Herrlichkeiten Gottes nur noch mehr ihre
eigene Erbärmlichkeit erkannt haben und ihre
Sünden daneben noch schwerer empfinden, wagen
sie auf ihrem Weg oft kaum den Blick zu
erheben, gleich dem Zöllner. Zuweilen aber
überkommt sie der Wunsch, ihr Leben möge ein
Ende nehmen, damit sie sich in Sicherheit
sehen. Danach freilich, aus Liebe zu ihm,
erwacht in ihnen – wie gesagt – wieder der
Wille zu leben, um ihm zu dienen, und sie
vertrauen alles, was sie selbst betrifft,
seiner Barmherzigkeit an. Manchmal drängen die
vielen Gnaden sie dazu, sich noch mehr zu
demütigen, sich in ein Nichts zu verwandeln,
da sie fürchten, es könnte ihnen ergehen wie
einem Schiff, das zu schwer beladen ist und
darum untergeht.
Ich sage euch, Schwestern, daß diesen Seelen
das Kreuz nicht fehlt; nur beunruhigt sie dies
nicht, noch raubt es ihnen den Frieden,
sondern es geht vorüber, wie eine Woge, wie
einzelne Stürme, denen heitere Stille und
günstige Winde folgen. Denn die Gegenwart des
Herrn, die sie in sich tragen, läßt sie all
dies bald vergessen. Er sei ewig gepriesen und
gerühmt von allen Kreaturen. Amen.
VIERTES KAPITEL
Ihr dürft nicht meinen, Schwestern, die
Wirkungen, von denen ich gesprochen habe,
hielten bei diesen Seelen ununterbrochen an
(darum sage ich, wann immer ich daran denke,
daß es für gewöhnlich so sei). Manchmal
nämlich überläßt sie unser Herr ihrer Natur.
Und da scheint es nicht anders, als rotteten
sich alle giftigen Wesen aus dem Vorgelände
und den verschiedenen Wohnungen dieser Burg
zusammen, um sich an ihnen zu rächen für die
Zeit, da sie ihnen nichts anhaben können.
Freilich dauert das nicht lange – einen Tag
höchstens oder wenig mehr –, und in dieser
großen Wirrnis, die meist von irgendeinem
besonderen Anlaß herrührt, gewahrt man, was
die Seele durch die gute Gesellschaft gewinnt,
in der sie sich befindet; denn der Herr gibt
ihr eine große Beharrlichkeit, so daß sie in
keiner Weise von seinem Dienst und ihren guten
Vorsätzen abweicht. Es scheint vielmehr, als
werde sie darin gefördert und bestärkt, und
eine erste, winzig kleine Regung kann sie
nicht abbringen von dieser Entschlossenheit.
Solche Beunruhigungen kommen, wie gesagt, nur
selten vor. Und dabei will der Herr, daß die
Seele ihr eigenes Wesen nicht vergißt und
darum stets demütig bleibt; und zum anderen
möchte er, daß sie dadurch noch mehr begreife,
was sie Seiner Majestät verdankt, welch große
Gnade sie von ihm empfängt, und daß sie ihn
dafür preise.
Es sollte euch auch nicht in den Sinn kommen,
diese Seelen hätten, weil es ihr inniger
Wunsch ist und sie den festen Vorsatz haben,
um nichts auf der Welt eine Unvollkommenheit
zu begehen, nun nicht mehr viele Mängel in
ihrem Verhalten oder seien auch nur von Sünden
frei. Absichtlich begehen sie solche freilich
nicht, denn der Herr bewahrt sie wohl davor
durch eine ganz besondere Hilfe. Ich meine
läßliche Sünden; von den Todsünden – die sie
als solche erkennen – sind sie frei, doch
nicht davor gefeit. Sie werden wohl manche an
sich haben, die sie nicht erfassen, und das
wird sie nicht wenig quälen. Auch peinigt es
sie, zu sehen, wie viele Seelen verloren
gehen; und obwohl sie in gewisser Weise eine
große Hoffnung haben, daß sie nicht zu diesen
gehören werden, können sie doch wenn sie sich
an manche erinnern, von denen die Schrift
sagt, sie seien offenkundig vom Herrn
begünstigt worden (wie etwa ein Salomon, der
ein solch inniges Verhältnis zu Seiner
Majestät hatte), sich der Furcht nicht
erwehren, wie ich schon sagte. Und je mehr
eine von euch sich ihrer selber sicher fühlt,
desto mehr fürchte sie sich; denn »selig der
Mann, der den Herrn fürchtet«, sagt David.
Seine Majestät beschütze uns allezeit. Ihn
anzuflehen, daß wir ihn nicht beleidigen, ist
die größte Sicherheit, die wir besitzen
können. Er sei gelobt in Ewigkeit, Amen.
Es wird gut sein, Schwestern, euch zu
erklären, wozu der Herr so viele Gnaden in
dieser Welt erweist. Obgleich ihr es an deren
Wirkungen wohl schon gemerkt habt, falls ihr
darauf geachtet habt, will ich es euch hier
erneut sagen, damit keine von euch glaube, es
geschehe nur zum Ergötzen dieser Seelen. Das
wäre ein großer Irrtum; denn Seine Majestät
kann uns keine größere Gunst erweisen, als
wenn er uns ein Leben schenkt, das danach
strebt, dem Leben seines geliebten Sohnes zu
gleichen. Und darum bin ich fest überzeugt,
daß diese Gnaden dazu bestimmt sind, unsere
Schwachheit zu stärken – wie ich hier schon
ein paarmal gesagt habe –, so daß wir ihm
nacheifern können in vielfachem Leiden.
Immer haben wir gesehen, daß die, welche
Christus unserem Herrn am nächsten waren, auch
die größten Mühsale zu erdulden hatten.
Schauen wir doch, was seine glorreiche Mutter
und die ehrwürdigen Apostel zu erleiden
hatten. Wie konnte der heilige Paulus solch
entsetzliche Qualen überhaupt ertragen? An ihm
ist zu erkennen, welche Wirkungen die wahren
Visionen und die echte Beschauung erwecken,
wenn sie von unserem Herrn stammen und nicht
Einbildung oder Gaukelwerk des Satans sind.
Hat Paulus sich etwa in die Verborgenheit
zurückgezogen, um jene Wonne zu genießen und
auf nichts anderes mehr zu achten? Ihr wißt
ja, daß er keinen Tag der Ruhe hatte, soweit
wir unterrichtet sind. Und genausowenig hatte
er wohl Ruhe bei Nacht, denn da verdiente er
sich, was er zur Nahrung brauchte. An der
Geschichte des heiligen Petrus gefällt mir
sehr, wie ihm, als er eben im Begriff war, aus
dem Gefängnis zu entfliehen, unser Herr
erschien, der zu ihm sagte, er gehe nach Rom,
um nochmals gekreuzigt zu werden. Niemals
beten wir an dem Festtag, der daran erinnert,
ohne daß es mir ein besonderer Trost ist. Was
bewirkte diese Gnade des Herrn beim heiligen
Petrus? Was tat er? Er ging alsbald in den
Tod. Und er betrachtete es als keine geringe
Barmherzigkeit, daß der Herr ihm jemanden
entgegenschickte, der ihn dem Ende
überantwortete.
O meine Schwestern, wie wenig wird die Seele,
von der Gott in solch besonderer Weise Besitz
ergriffen hat, noch an ihre eigene Ruhe
denken; wie gering wird sie alle Ehre achten,
und wie fern wird es ihr liegen, etwas gelten
zu wollen! Denn ist sie viel mit ihm zusammen,
wie es sein soll, so denkt sie wohl wenig an
sich selbst. Ihr ganzes Sinnen richtet sich
darauf, wie sie ihn noch mehr erfreuen und
worin oder wodurch sie die Liebe, die sie für
ihn hegt, erweisen könnte. Hierfür ist das
Gebet da, meine Töchter, das ist die
Bestimmung dieser geistlichen Ehe, nämlich daß
ihr immerfort Werke entsprießen, Werke.
Dies ist das wahre Kennzeichen dafür, daß
etwas eine Gnade ist, die von Gott kommt. Denn
es nützt mir wenig, wenn ich einsam, in tiefer
Zurückgezogenheit mit unserem Herrn Feste
feiere und dabei den Vorsatz fasse, das
Versprechen ablege, Wunderwerke in seinem
Dienst zu vollbringen, hernach aber, wo sich
die Gelegenheit bietet, genau das Gegenteil
tue. Es ist falsch, wenn ich gesagt habe, daß
es wenig nütze; denn alles, was man mit Gott
erlebt, ist von großem Nutzen. Sind wir auch
zu schwach, diese Entschlüsse später zu
verwirklichen, so wird Seine Majestät uns doch
manchmal dazu bringen, das Vorgenommene zu
erfüllen; vielleicht selbst dann, wenn es uns
gar nicht darum zu tun ist, wie es ja oft
geschieht. Sieht er, daß eine Seele sehr feige
ist, legt er ihr, ganz gegen ihren Willen,
eine erdrückend schwere Last auf und läßt sie
mit Gewinn aus der Mühsal hervorgehen. Da dies
die Seele erfaßt, verliert sie einiges von
ihrer Furcht und hat um so mehr Mut, sich ihm
darzubieten. Ich wollte vorhin sagen, daß die
Zurückgezogenheit allein wenig ist, verglichen
mit dem sehr viel größeren Gewinn, den man
erlangt, wenn die Werke mit den Worten und
Gebärden der Liebe übereinstimmen. Und wer
nicht alles auf einmal tun kann, der möge
langsam eins nach dem andern vollbringen. Er
suche den eigenen Willen zu beugen, wenn er
will, daß das Gebet ihm nützt. Hier in unseren
vier Wänden wird es euch nicht an mancherlei
Gelegenheiten dazu fehlen.
Schaut, das ist sehr viel wichtiger, als ich
selbst mit den dringlichsten Worten euch
klarmachen kann. Richtet die Augen auf den
Gekreuzigten, und alles wird euch leicht
werden. Wenn der Herr uns seine Liebe erwiesen
hat in solch ungeheuren Werken und Qualen –
wie wollt ihr ihn da allein mit Worten
zufrieden stellen? Wißt ihr, was es heißt,
wahrhaft geistlich zu leben? Zu Sklaven Gottes
werden, die er – gezeichnet mit seinem
Brandmal, weil sie ihm ihre Freiheit schon
hingegeben haben – verkaufen kann als Sklaven
der ganzen Welt, wie es mit ihm selbst
geschah. Damit wird uns kein Schimpf angetan,
sondern eine Gnade erwiesen, die nicht gering
ist. Wer sich dazu nicht entschließt, der
braucht nicht zu befürchten, er werde sehr
viel weiter kommen; denn dieses ganze Bauwerk
geistlichen Lebens hat die Demut zum
Fundament, und wenn diese nicht wirklich und
tatsächlich vorhanden ist, so wird es der Herr
– schon um euretwillen – nicht sehr weit in
die Höhe bauen wollen, damit nicht alles
einstürzt. Um gute Fundamente zu bekommen,
Schwestern, müßt ihr also danach streben, die
geringste von allen zu sein und die Sklavin
aller, und müßt schauen, wie und durch was ihr
den anderen Freude machen und ihnen dienen
könnt. Was ihr da tut, macht ihr mehr für euch
als für sie; denn da legt ihr so feste Steine,
daß die Burg euch nicht einstürzt.
Ich sage es nochmals: allein mit Gebet und
Beschauung könnt ihr euer Fundament nicht
legen. Wenn ihr nicht nach Tugenden trachtet
und euch nicht tätig darin übt, werdet ihr
immer Zwerge bleiben. Ja, Gott gebe, daß dann
das Wachsen nimmer stockt; denn ihr wißt doch:
Wer nicht wächst, schrumpft ein. Ich halte es
für unmöglich, daß die Liebe sich damit
begnügt, ständig auf der Stelle zu treten.
Es mag euch so vorkommen, als spräche ich hier
mit denen, die erst beginnen; später könne man
ja schon ausruhen. Ich habe euch bereits
gesagt, daß die Ruhe, welche die Seelen in
ihrem Inneren erfahren, ihnen dazu geschenkt
wird, daß sie im äußeren Leben um so weniger
Ruhe benötigen und um so leichter darauf
verzichten. Was meint ihr, wozu jene
Inspirationen – oder besser Aspirationen –,
von denen ich gesprochen habe, jene
Zusicherungen aus der innersten Mitte, von der
Seele zu den Bewohnern im oberen Teil der Burg
und zu allen anderen in den verschiedenen
Gemächern weitergeleitet werden? Damit sie
sich schlafen legen? Nein, nein, nein! Denn
die Seele befehdet sie von dort aus noch
heftiger, damit sie nicht müßig seien, die
Fähigkeiten und Sinne und alles, was dem Leibe
angehört; sie bekämpft sie härter als zu jener
Zeit, wo sie sich noch leidend in deren
Gesellschaft bewegte. Denn damals begriff sie
noch nicht den großen Gewinn, den die Leiden
bedeuten, und verstand nicht, daß diese
vielleicht die Mittel waren, durch die Gott
sie ans Ziel bringen wollte. Auch verleiht die
Gemeinschaft, in der sich nun die Seele
befindet, ihr sehr viel stärkere Kräfte denn
je zuvor. Wenn David sagt, daß wir mit den
Heiligen heilig sein werden, so ist nicht
daran zu zweifeln, daß die Seele, wenn sie
eins geworden ist mit dem Starken, durch diese
erhabene Vereinigung von Geist mit Geist es
erfahren wird, wie Stärke auf sie übergeht.
Und so gewahren wir, woher die Heiligen die
Kraft zum Leiden und Sterben empfingen.
Es ist ganz gewiß, daß sogar von dieser
Stärkung, welche die Seele dort überkommt,
allen Bewohnern der Burg etwas zuströmt,
selbst dem Leib, den man oftmals nicht mehr zu
spüren glaubt. Der Mut, der die Seele
kräftigt, sobald sie vom Wein dieses Kellers
trinkt, in den ihr Bräutigam sie geführt hat
und aus dem er sie nicht mehr entweichen läßt,
fließt über in den matten Leib, wie im
irdischen Leben die Speise, die in den Magen
gelangt, den Kopf und das ganze Wesen stärkt.
Die Seele, die hierher gelangt ist, hat also
ein recht schweres Los, solange sie lebt; denn
soviel sie auch tut, die innere Kraft ist noch
weit größer und um so heftiger der Kampf, den
sie zu bestehen hat, da ihr alles dürftig und
nichtig erscheint. Hieraus erwuchsen wohl die
großen Bußtaten, die viele Heilige
vollbrachten (besonders die glorreiche
Magdalena, die vorher immer in Wohlstand und
Annehmlichkeit gelebt hatte); und daher kommt
auch jener Hunger, der unseren Vater Elias
verzehrte, der Hunger nach der Ehre seines
Gottes, und jener Eifer, der den heiligen
Dominikus und den heiligen Franziskus antrieb,
Seelen zu sammeln für den Lobpreis des Herrn.
Ihr dürft mir glauben: indem sie so sich
selber vergaßen, hatten sie gewiß nicht wenig
auszustehen.
Es ist mein Wunsch, Schwestern, daß wir danach
streben, so weit zu gelangen, und dies nicht,
um zu genießen. Nein, wir wollen es
herbeisehnen und uns dem Gebet hingeben, um
diese Kräfte für den Dienst zu empfangen. Wir
sollten uns nicht wünschen, einen noch
unbegangenen Weg zu gehen, denn da werden wir
uns am ehesten verirren. Und es wäre wohl ein
recht neuer Weg, wenn wir meinten, wir könnten
diese Gnaden auf einem anderen Pfad erlangen
und nicht auf dem, den der Herr ging und alle
seine Heiligen. Möge uns dies nie in den Sinn
kommen. Glaubt mir, Martha und Maria müssen
beisammen sein, um den Herrn beherbergen zu
können und ihn immer bei sich zu behalten;
sonst wird er schlecht bewirtet sein und ohne
Speise bleiben. Wie hätte Maria, die immer zu
seinen Füßen saß, ihm etwas zu essen gegeben,
wenn die Schwester ihr nicht beigesprungen
wäre? Seine Speise aber ist, daß wir auf jede
Weise Seelen sammeln, damit sie errettet
werden und ihn loben in Ewigkeit.
Ihr werdet mir zweierlei entgegenhalten.
Erstens: daß der Herr sagte, Maria habe das
bessere Teil erwählt. Aber sie hatte ja auch
bereits das Amt der Martha erfüllt, da sie ihn
schon erquickt hatte, als sie ihm die Füße
wusch und sie mit ihren Haaren trocknete. Und
meint ihr, es sei für eine Dame, wie sie es
war, eine geringe Selbstkasteiung gewesen,
durch die Gassen zu gehen, vielleicht allein,
weil sie in ihrem Ungestüm gar nicht darauf
achtete, und dann dort einzutreten, wo sie
noch nie hineingegangen war, und später die
Lästerreden des Pharisäers und vieles andere
böse Gerede über sich ergehen zu lassen? Denn
merkt man in der Stadt, daß eine Frau von
ihrer Art sich dermaßen verändert, und dies –
wie wir wissen – unter solch üblen Menschen,
so wird alsbald an das Leben erinnert, das sie
früher führte. Dafür genügte bei Maria allein
schon die Tatsache, daß sie mit dem Herrn
befreundet war, den man dort so haßte. Und
solch eine wollte also jetzt zur Heiligen
werden? Denn natürlich änderte sie daraufhin
ihre Kleidung und ihre ganze Lebensweise. Und
wenn heutzutage Personen, die nicht so bekannt
sind, durch einen solchen Schritt derart ins
Gerede kommen – wie war es wohl damals? Ich
sage euch, Schwestern: Maria gelangte durch
viel Leiden und Selbstkasteiung zu jenem
besseren Teil. Und hätte sie auch nichts
weiter zu erdulden gehabt – schon allein dies,
daß sie sehen mußte, wie ihr Meister so
geschmäht wurde, war für sie ein
unerträglicher Schmerz. Später, beim Tode des
Herrn, mußte sie solch ein Unmaß an Qualen
erdulden, daß ihr meiner Meinung nach der
Märtyrertod nur deshalb nicht zuteil wurde,
weil sie das Martyrium schon erlitt, als sie
den Herrn sterben sah. Und auch die Jahre, die
sie noch leben mußte, fern von ihm, und die
gewiß voll entsetzlicher Pein waren, zeigen
uns, daß sie nicht immer in angenehmer
Beschaulichkeit zu Füßen des Herrn saß.
Ein zweiter Einwand wird sein, daß ihr nicht
wißt, wo oder wie ihr Seelen gewinnen könntet,
um sie zu Gott zu führen. Ihr würdet es mit
Freuden tun; da ihr aber nicht lehren oder
predigen könnt, wie die Apostel es taten,
sähet ihr dazu keine Möglichkeit. Darauf habe
ich schon mehrfach in meinen Schriften
geantwortet, vielleicht auch schon hier in der
»Inneren Burg«. Da ich aber glaube, daß euch
dies durch den Kopf gehen wird, wenn der Herr
ein vielfältiges Verlangen in euch erweckt,
möchte ich nicht versäumen, es euch nochmals
zu sagen. Schon früher habe ich erklärt, daß
der Satan manchmal den Wunsch nach gewaltigen
Taten in uns erregt, damit wir nicht nach dem
Nächstliegenden greifen. So versäumen wir es,
Gott mit dem Möglichen zu dienen, und begnügen
uns am Ende damit, daß wir das Unmögliche
ersehnen. Vom Gebet einmal abgesehen, mit dem
ihr viel helfen könnt, solltet ihr nicht
gleich der ganzen Welt beistehen wollen,
sondern denen, die mit euch zusammenleben. Und
euer Werk wird so noch größer sein, weil ihr
diesen noch mehr verpflichtet seid. Meint ihr,
es sei ein kleiner Gewinn, wenn ihr so demütig
seid, euch selber abtötet, einem jeden dient,
ein solch tiefes Erbarmen mit allen fühlt und
Gott so von Herzen liebt, daß dieses Feuer
auch alle anderen entflammt und ihr durch die
Macht eures Strebens auch die übrigen Tugenden
in ihnen weckt? Nein, dies wäre ein reicher
Lohn und ein Dienst, der dem Herrn große
Freude macht. Und wenn ihr das verwirklicht,
was ihr tun könnt, wird Seine Majestät
erkennen, daß ihr gern noch viel mehr tätet,
und wird euch darum einen Lohn geben, als
hättet ihr ihm viele Seelen gewonnen.
Ihr werdet sagen, das sei kein »Bekehren«,
weil hier ja alle fromm seien. Was kümmert
euch das? Je besser die Seelen werden, desto
erfreulicher wird ihr Lobpreis dem Herrn
klingen und desto mehr wird ihr Gebet dem
Nächsten nützen.
Zum Schluß, meine Schwestern, noch den Rat:
Bauen wir keine Türme ohne Fundament; denn der
Herr sieht nicht so sehr auf die Größe der
Werke wie auf die Liebe, mit der sie getan
werden. Tun wir, was wir können, so wird Seine
Majestät es uns schenken, daß wir jeden Tag
mehr vermögen. Laßt uns nicht gleich müde
werden, sondern die kurze Zeit, die dieses
Leben noch währt – und vielleicht ist sie
kürzer, als der einzelne denkt – dem Herrn das
Opfer darbringen, das wir ihm bieten können.
Seine Majestät wird es zu dem hinzutun, was er
selber am Kreuz dem Vater dargebracht hat um
unsretwillen, damit unsere Gabe den Wert
erlangt, den unser Wollen verdient, seien die
Werke auch klein.
Möge es Seiner Majestät gefallen, meine
Schwestern und Töchter, daß wir alle uns dort
sehen, wo wir ihn ewig loben. Und mir möge
Gott die Gnade schenken, daß ich ein wenig von
dem verwirkliche, was ich euch anrate, ob der
Verdienste seines Sohnes, der lebt und regiert
in alle Ewigkeit, Amen. Denn ich bekenne, daß
mich dies zutiefst verwirrt und beschämt. Und
darum bitte ich euch, um unseres gemeinsamen
Herrn willen, in euren Gebeten dieses arme,
elende Wesen nicht zu vergessen.
JHS
Obwohl ich zunächst mit dem Widerstreben, von
dem ich eingangs sprach, an diese
Niederschrift ging, macht sie mir jetzt,
nachdem sie beendet ist, doch große Freude,
und ich betrachte die Mühe, die ich daran
gerückt habe, als wohl angewandt, wenn ich
auch gestehen muß, daß sie recht gering war.
Bedenke ich, in welch strenger
Abgeschlossenheit ihr lebt, meine Schwestern,
wie wenig Unterhaltung ihr habt und daß in
einigen eurer Klöster nicht so viel Häuser
vorhanden sind, wie nötig wären, so scheint es
mir, als müßte es für euch ein Trost sein,
euch in dieser inneren Burg zu ergötzen; denn
ohne Genehmigung der Oberen könnt ihr zu jeder
Stunde hineingehen und darin umherwandeln.
Freilich könnt ihr nicht in alle Wohnungen
durch eigene Kraft gelangen – auch wenn ihr
von deren Macht und Gewalt überzeugt seid –,
wenn nicht der Burgherr selber euch
hineinführt. Darum rate ich euch, nie
irgendwie gewaltsam vorzugehen, wenn ihr auf
ein Hemmnis stoßt, da ihr ihn sonst derart
erzürnen würdet, daß er euch für immer den
Eintritt verwehrte. Er ist ein großer Freund
der Demut. Haltet ihr euch selber nicht für
würdig, auch nur in die dritte Wohnung zu
kommen, so werdet ihr um so eher seine
Einwilligung zum Betreten der fünften Wohnung
erlangen. Und dort könnt ihr, wenn ihr auch
dieses Gemach oftmals aufsucht, ihm so dienen,
daß er euch sogar in die Wohnung bringt, die
für ihn selber da ist und die ihr nicht wieder
verlassen sollt, es sei denn, die Priorin rufe
euch. Daß ihr deren Willen erfüllt, ist diesem
großen Herrn genauso wichtig wie der Gehorsam
gegen sein Gebot; und möget ihr auch durch
deren Geheiß noch so lange draußen bleiben, so
wird er doch immer, wenn ihr zurückkehrt, euch
die Türe offen halten. Habt ihr einmal die
Wonnen dieser Burg erfahren, werdet ihr in
allen Dingen Ruhe finden – seien sie auch
voller Qual und Mühe –, aus der Hoffnung, daß
ihr dorthin zurückkehren könnt. Diese Hoffnung
kann euch niemand rauben.
War hier auch nur von sieben Wohnungen die
Rede, so umschließt doch jede einzelne von
ihnen – oben, unten und zu allen Seiten –
deren viele, mit hübschen Gärten und Brunnen
und labyrinthischen Wandelgängen, lauter
Dingen, die euch so entzücken, daß ihr am
liebsten vergehen wollt im Lobpreis des großen
Gottes, der es geschaffen hat nach seinem Bild
und Gleichnis. Findet ihr etwas gut an der
Art, wie euch hier von ihm berichtet wird, so
glaubt gewißlich, daß Seine Majestät es gesagt
hat, um euch Freude zu bereiten, und was ihr
schlecht findet, das habe ich gesagt.
Da es meine große Sehnsucht ist, euch im
Dienst dieses meines Gottes und Herrn
irgendwie behilflich zu sein, bitte ich euch,
daß ihr in meinem Namen jedesmal, wenn ihr
hierin lest, Seine Majestät von Herzen rühmt
und ihn um das Wachstum seiner Kirche und
Erleuchtung für die Lutheraner bittet; und für
mich, auf daß er mir meine Sünden vergebe und
mich aus dem Fegfeuer ziehe; denn dort werde
ich vielleicht sein – durch die Barmherzigkeit
Gottes –, wenn man euch dies zu lesen gibt
(vorausgesetzt, daß es nach der Prüfung durch
Gelehrte als geeignet für die Weitergabe
erscheint). Sollte etwas daran irrig sein, so
nur deshalb, weil ich es nicht besser
verstehe; und ich unterwerfe mich in allem dem
Urteil der heiligen katholischen Kirche; denn
in dieser Ordnung lebe ich, und ich bekenne
und gelobe, darin zu leben und zu sterben.
Gott unser Herr sei gerühmt und gepriesen in
Ewigkeit. Amen, Amen.
*
Diese Niederschrift wurde beendet im Kloster
des heiligen Josef zu Avila am Vorabend des
Andreastages anno 1577 zur Ehre Gottes, der
lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
ANMERKUNGEN
Die vorliegende Übersetzung beruht auf den
neuesten kritischen Textausgaben von Fray
Efren de la Madre de Dios, O. C. D. (in der »Biblioteca
de Autores Cristianos«, Madrid, 1954), und von
Tomás Navarro Tomás (in der Reihe »Clásicos
Castellanos« des Verlags Espasa–Calpe, Madrid,
1951).
Seite 1 Die innere Burg. – Spanisch: »Castillo
interior.« Teresa selber hat ihrem Werk diesen
Titel gegeben, Auf dem ersten Blatt des
Autographs, das noch heute im Kloster der
Barfüßigen Karmeliterinnen zu Sevilla
aufbewahrt wird, steht: »Este tratado, llamado
Castillo interior, escrivió Teresa de Jesús...«
– »Diese Abhandlung, Die innere Burg genannt,
schrieb Teresa de Jesus« (so lautet der
selbstgewählte Ordensname der Autorin).
Dennoch hat sich in Spanien schon sehr früh
der Titel »Las Moradas« – »Die Wohnungen« –
durchgesetzt.
Seite 19 ... .für den Fall, daß es
verlorengegangen sein sollte. – Teresa
verweist hier auf ihr »Libro de la vida«, das
von der Inquisition beschlagnahmt worden war,
und zwar auf Betreiben der Prinzessin Eboli,
die seit der Gründung des Klosters von Patraña
im Jahre 1569 der Ordensreformatorin feindlich
gegenüberstand.
Seite 26 Ich weiß von einer Person... – Diese
Person ist Teresa selber. Jerónimo Gracián,
der als Beichtvater sie zur Niederschrift der
»Inneren Burg« bewogen hatte, empfahl ihr –
damit das neue Buch nicht dasselbe Schicksal
erleide wie ihre »Vida« –, dieselbe Lehre
nicht in Form einer Geschichte ihres eigenen
Lebens, sondern nach Art einer Unterweisung
darzustellen, ohne sich selber zu erwähnen,
oder höchstens in der dritten Person, falls
dies zur Unterstützung der Lehre nötig sei.
Seite 29 ...stellt die Burg euch vor wie eine
Zwergpalme... – Die Zwergpalme, spanisch:
palmito, ist eine wildwachsende Pflanze, die
in Andalusien und in der Umgebung von Valencia
häufig zu finden ist. Nur etwa 40–50 cm hoch.
Der unterirdisch wachsende oder nur sehr kurze
Stamm ist völlig überdeckt von fächerförmigen
Blättern, die ein wenig an eine Palme
erinnern. Allein das zarte herzförmige
Keimblatt wird gegessen. Teresa lernte die
Pflanze wohl kennen, als sie sich in Sevilla
aufhielt.
Seite 33 Da ich schon hei anderer Gelegenheit
viel davon gesprochen habe... – In ihrem »Libro
de la vida«, Kapitel XIII, und im »Camino de
perfección«, Kapitel X.
Seite 37 ...denn anderswo habe ich dies recht
ausführlich dargelegt. – »Libro de la vida«,
Kapitel XI–XII, und »Camino de perfección«,
Kapitel XX–XXIX.
Seite 41 ...sich bäuchlings zum Trinken
hinwarfen... – Richter 7,5.
Seite 44 ...(so heißt es, glaube ich; doch ich
weiß es nicht genau). –Teresas Unsicherheit
wird verständlich, wenn man bedenkt, daß sie
keine wissenschaftlich gebildete Theologin war
und das Latein nie richtig erlernt hatte. Die
in Spanien vorhandenen Bibelübersetzungen
waren – ebenso wie fast die gesamte spanisch
geschriebene geistliche Literatur – durch die
verschärften Vorschriften der Inquisition den
Laien entzogen worden.
Seite 47 ...»Beatus vir, qui timet Dominum.«
–»Selig der Mann, der den Herrn fürchtet.«
Psalm 112,1.
Seite 48 ...die großen Dürrezeiten... – Dürre,
spanisch: sequedad, Unfähigkeit zur wahren
Andacht. Teresa gebraucht diesen Ausdruck sehr
oft. Im XXX. und XXXVII. Kapitel ihres »Libro
de la vida« spricht sie von den Ängsten, die
sie durch die Dürre zu erleiden hatte.
Seite 59 ...bei einem anderen Buch... – »Libro
de la vida«, Kapitel XIII–XV.
Seite 61 ...»Cum dilatasti cor meum.« – »Ich
lief auf dem Weg deiner Gebote, als du mein
Herz erweitertest. «Psalm 119,32.
Seite 63 Ich fragte einen Gelehrten... –
Gemeint ist Juan de la Cruz (Johannes vom
Kreuz), der später heiliggesprochene große
Lyriker und Theologe der spanischen Mystik
(1542 bis 15 91). Er trug den Reformwillen
Teresas in die Männerklöster des
Karmeliterordens.
Seite 74 ...ein gewisses Buch des heiligen
Bruders Pedro de Alcántara... – Pedro de
Alcántara, 1499–1562. Bedeutender Mystiker,
der in strengster franziskanischer Askese
lebte. 1669 heiliggesprochen durch Clemens IX.
Seine literarische Hinterlassenschaft: »Tratado
de la oración y meditación« von 1533.
Seite 133 ...ob es mir so gelingen wird wie an
anderer Stelle... – »Libro de la vida«,
Kapitel XX.
Seite 149 ...was der heilige Martin sprach. –
»Herr, wenn Dein Volk mich noch braucht,
verweigere ich nicht den Dienst; Dein Wille
geschehe.«
Seite 155 ...eine Frage, über die ich anderswo
ausführlich geschrieben habe... – »Libro de la
vida«, Kapitel XXII.
Seite 168 ...einen kostbaren Stein von
höchstem Wert und gewaltigen Kräften... –
Teresa glaubte nicht an die Kraft der Mittel
für den Liebeszauber (»Libro de la vida«,
Kapitel V), doch sie zweifelte anscheinend
nicht an der Heilwirkung gewisser Amulette,
die man gegen Krankheiten verwandte.
Seite 173 ...eine Feige zu machen... – Durch
eine obszöne Geste – indem man den Daumen
zwischen Zeige – und Mittelfinger
hindurchstreckt – Hohn und Verachtung zum
Ausdruck bringen. Wie die Amulette mit der
entsprechenden Darstellung galt die Gebärde
selber als Bannmittel. Im »Libro de la vida«,
Kapitel XXIX, berichtet Teresa, daß es ihr von
einem Beichtvater empfohlen wurde.
Seite 198 ...der höchste Himmel, der
Feuerhimmel... – Gemeint ist das Empyreum der
antiken Astronomie, der eigentliche Sitz der
Gottheit und Ort des schöpferischen Ursprungs.
Der griechische Terminus bedeutet »das
Entflammte«, weil dieser Himmel nach der
Vorstellung der Alten alle anderen an
Helligkeit und Reinheit übertrifft, wie das
Feuer die anderen Elemente.
Seite 217 ...im Kloster des heiligen Josef zu
Avila... – Das Convento de San José in Avila
wurde 1562 von Teresa gegründet. Es war ihre
erste Klostergründung. Sie berichtet darüber
ausführlich im »Libro de la vida«, Kapitel
XXXII.
KAPITELREGISTER
(Das Kapitelregister steht nicht im
Originalmanuskript. Es stammt wohl von einem
Kopisten und wurde als Orientierungshilfe für
den Leser schon in die Erstausgabe von 1588
aufgenommen.)
DIE ERSTE WOHNUNG
Erstes Kapitel: Darin von der Schönheit und
Würde unserer Seelen die Rede ist. Die Autorin
gebraucht ein Gleichnis zum besseren
Verständnis und spricht von dem Gewinn, den es
bringt,
wenn man dies versteht und die Gnadenerweise
kennt, die wir von Gott empfangen. Sie
erklärt, warum die Pforte dieser Burg das
Gebet ist.
Zweites Kapitel: Das zeigt, was für ein
häßlich Ding eine Seele ist, die in Todsünde
lebt, und berichtet, wie Gott jemandem davon
eine Ahnung schenken wollte. Auch handelt es
von der Selbsterkenntnis. Es ist nützlich zu
lesen, denn es enthält einige bemerkenswerte
Punkte. Die Autorin erklärt, wie man diese
Wohnungen sich vorzustellen habe.
DIE ZWEITE WOHNUNG
Einziges Kapitel: In dem davon die Rede ist,
wie sehr man der Beharrlichkeit bedarf, um zu
den letzten Wohnungen zu gelangen; welch
heftigen Kampf der Satan einem dabei liefert
und wie ratsam es ist, am Anfang nicht vom
Wege abzuirren, wenn man ans Ziel gelangen
will. Die Autorin nennt ein Mittel, das sich
bei ihr als äußerst wirksam erwiesen hat.
DIE DRITTE WOHNUNG
Erstes Kapitel: Darin die Rede ist von der
geringen Sicherheit, die wir haben können,
solange wir in dieser Verbannung leben, sei
unser Stand auch noch so erhaben, und wie
ratsam es ist, immer in Furcht zu wandeln. Es
enthält einige gute Punkte.
Zweites Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen.
Darstellung der Dürrezeiten im Gebet und der
Folgen, die sie nach Meinung der Autorin haben
können. Weshalb es nötig ist, daß wir uns
prüfen. Die Prüfungen, denen der Herr
diejenigen unterzieht, die sich in diesen
Wohnungen befinden.
DIE VIERTE WOHNUNG
Erstes Kapitel: Das von dem Unterschied
handelt, der zwischen den Freuden und
Rührungen beim Gebet und den Wonnen besteht.
Die Autorin spricht von der Befriedigung, die
es ihr gewährte, als sie begriff, daß das
Denken und der Verstand nicht dasselbe sind.
Es ist nützlich für den, der sich beim Gebet
leicht zerstreut.
Zweites Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen.
Durch ein Gleichnis wird erklärt, was Wonnen
sind und wie man sie erlangt, ohne sich darum
zu bemühen.
Drittes Kapitel: Darin dargelegt wird, was ein
Gebet der Sammlung ist, das der Herr meist vor
der bisher besprochenen Gebetsweise schenkt.
Die Autorin erklärt dessen Wirkungen und die
Folgen des vorhin besprochenen Gebets, mit dem
zusammen die Wonnen geschildert worden sind.
DIE FÜNFTE WOHNUNG
Erstes Kapitel: Die Autorin beginnt davon zu
reden, wie im Gebet die Seele sich vereint mit
Gott. Sie sagt, woran zu erkennen sei, daß es
keine Täuschung ist.
Zweites Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen.
Die Autorin erklärt das Gebet der Vereinigung
durch ein feines Gleichnis; sie spricht von
den Wirkungen, die es in der Seele hinterläßt.
Dieses Kapitel ist sehr beachtenswert.
Drittes Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen.
Die Autorin spricht von einer anderen Art der
Vereinigung, welche die Seele durch die Gunst
Gottes erlangen kann, und sagt, welche
Bedeutung die Nächstenliebe dabei hat. Dieses
Kapitel ist sehr nützlich.
Viertes Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen,
wobei die Autorin diese Gebetsweise noch
genauer erklärt. Sie sagt, wie wichtig es ist,
bedachtsam vorzugehen, weil der Satan großen
Scharfsinn aufwendet, um die Seele vom
eingeschlagenen Wege abzubringen.
DIE SECHSTE WOHNUNG
Erstes Kapitel: Wie die Leiden zunehmen, wenn
der Herr größere Gnaden zu verleihen beginnt.
Die Autorin nennt einige dieser Leiden und
schildert, wie diejenigen, die schon in dieser
Wohnung sind, sich dabei verhalten. Dieses
Kapitel ist gut für jene, die innerliche
Leiden zu bestehen haben.
Zweites Kapitel: Es handelt von den
verschiedenen Weisen, auf die unser Herr die
Seele erweckt. Es scheint, daß es dabei nichts
zu befürchten gibt, obwohl es sehr erhabene
Geschehnisse und große Gnadenbeweise sind.
Drittes Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen.
Die Autorin spricht von der Art und Weise, in
der Gott zur Seele redet, wenn es ihm beliebt,
und rät, wie man sich dabei verhalten soll.
Nicht dem eigenen Gutdünken darf man folgen.
Sie gibt einige Zeichen an, die erkennen
lassen, ob es eine Täuschung ist oder nicht.
Dieses Kapitel ist von großem Nutzen.
Viertes Kapitel: Es spricht davon, wie Gott
die Seele im Gebet aufhebt mit einer
Verzückung, Ekstase oder Entrückung – was nach
meiner Meinung ein und dasselbe ist – und
welch großen Mutes es bedarf, um solch große
Gnaden von Seiner Majestät zu empfangen.
Fünftes Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen.
Es wird dargestellt, wie Gott die Seele durch
einen Geistesflug in anderer Weise erhebt, als
es bisher geschildert worden ist. Die Autorin
nennt verschiedene Gründe, warum dabei Mut
erforderlich ist. Sie erklärt manches an
dieser Gnade, die der Herr auf wunderbare
Weise schenkt. Dieses Kapitel ist von großem
Nutzen.
Sechstes Kapitel: Darin die Rede ist von einer
Wirkung jener Gebetsweise, über die im vorigen
Kapitel gesprochen worden ist. An ihr läßt
sich erkennen, daß es Wahrheit und keine
Täuschung ist. Die Autorin spricht noch von
einer anderen Gnade, welche der Herr der Seele
erweist, um sie zu seinem Lobe anzuregen.
Siebtes Kapitel: Die Autorin spricht davon,
wie sehr die Seelen, denen Gott die genannten
Gnaden erweist, von der Erinnerung an ihre
Sünden gepeinigt werden. Sie sagt, welch
großer Irrtum es wäre, nicht wieder und wieder
die Menschlichkeit unseres Herrn und Erlösers
Jesus Christus uns zu vergegenwärtigen, seine
Passion, sein Leben, seine glorreiche Mutter
und die Heiligen. Dieses Kapitel ist sehr
nützlich.
Achtes Kapitel: Darin wird dargestellt, wie
Gott durch eine intellektuelle Vision sich der
Seele mitteilt. Die Autorin gibt dazu einige
Hinweise. Sie nennt die Wirkungen, die sich
zeigen, wenn es eine Vision ist. Sie
empfiehlt, diese Gnaden geheimzuhalten.
Neuntes Kapitel: Wie der Herr durch eine
bildhafte Vision sich der Seele mitteilt. Die
Autorin rät dringend, man möge sich vor dem
Wunsch hüten, auf diesem Wege geführt zu
werden. Sie nennt dafür einige Gründe. Dieses
Kapitel ist sehr nützlich.
Zehntes Kapitel: Die Autorin spricht von
weiteren Gnaden, die der Herr der Seele
erweist; von der anderen Weise, in der dies
geschieht, und vom großen Nutzen, den die
Gnaden hinterlassen.
Elftes Kapitel: Die Autorin spricht von einem
Verlangen, das Gott der Seele eingibt, von
einer Sehnsucht, sich seiner zu erfreuen, die
so groß, so heftig ist, daß die Seele in die
Gefahr gerät, das Leben zu verlieren. Auch
wird gesagt, welch großen Nutzen diese vom
Herrn gewährte Gnade bewirkt.
DIE SIEBTE WOHNUNG
Erstes Kapitel: Es handelt von großen Gnaden,
die Gott den Seelen erweist, die so weit
gelangt sind, daß sie in die siebte Wohnung
eintreten dürfen. Die Autorin sagt, weshalb
ihrer Meinung nach zwischen der Seele und dem
Geist ein gewisser Unterschied besteht,
obgleich beide eines sind. Dieses Kapitel
enthält bemerkenswerte Dinge.
Zweites Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen.
Die Autorin spricht von dem Unterschied, der
zwischen der geistlichen Vereinigung und der
geistlichen Vermählung besteht. Sie erklärt es
mit feinen Vergleichen.
Drittes Kapitel: Es handelt von den großen
Wirkungen, die das besprochene Gebet
hervorruft. Man muß sie aufmerksam betrachten;
denn der Unterschied zu den Wirkungen der
früheren Gebetsweisen ist bewundernswert.
Viertes Kapitel: Die Autorin schließt ihre
Darlegungen, indem sie erklärt, was nach ihrer
Meinung unser Herr erstrebt, wenn er der Seele
solch große Gnaden erweist, und warum es nötig
ist, daß Martha und Maria beisammen bleiben.
Dies zu lesen ist von großem Nutzen.
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