Buch 1
Luthers
Lebensende. Eine historische Untersuchung.
Orginal (Alte Schrift)
Von Paul Majunke. Buch aufgelegt 1891
Seite 1-100
Anhang Buch 1
Buch 2 Eine historische
Kritik über Luthers Lebensende.
Orginal (Alte Schrift)
Von Paul Majunke. Buch aufgelegt 1890
Seite 101-208
Buch 3 Ein letztes Wort
an die Luther-Dichter.
Orginal (Alte Schrift)
Von Paul Majunke. Buch aufgelegt 1890
Seite 209-260
Alle 3 Bücher in
einem Pdf:
Orginal (Alte Schrift)
Ergänzungen
unsererseits: Lateinische
Übersetzungen und zusätzliche Erklärungen (Wörter,
Personen) sind in dieser Farbe gehalten.
Buch 3 -
Ein letztes Wort an die Luther-Dichter.
Buch 3
(Seite 209 bis 260 )
Ein letztes Wort
an die
Luther-Dichter.
Nebst neuen Nachträgen
von
Paul Majunke.
Es gibt solche, die von der Furcht befallen sind,
dass durch offene, rückhaltlose Darstellung mancher
geschichtlichen Tatsachen Ärgernis gegeben werden
könnte und die daher zu Verschweigungen,
Vertuschungen und Beschönigungen greifen, anstatt,
wie es Pflicht des ehrlichen Mannes wäre, die ganze
Wahrheit ungeschminkt zu sagen.
Kardinal Newman.
Mainz,
Druck und Verlag von Florian Kupferberg.
1890.
Luthers Sterbehaus in Eisleben
Vorbemerkung.
Wenn ich noch einmal – ich hoffe zum letzten Male – in
der vorliegenden Frage das Wort ergreife, so geschieht
es nicht allein deshalb, weil Professor Kolde eine
Duplik (Gegenerklärung des
Beklagten auf eine Widerrede) hat erscheinen
lassen und ich die Gegenschrift des Professor Kawerau in
meiner „Historischen Kritik“ usw. nicht mehr
berücksichtigen konnte, sondern vor allem auch darum,
weil ich wiederum neues Material nachzutragen habe,
welches teils von mir selbst gesammelt, teils von
befreundeter Seite mir zugestellt wurde.
Damit ist meines Erachtens der Gegenstand in
erschöpfender Weise behandelt und dem unparteiischen
Leser Gelegenheit geboten worden,
sein definitives pro aut contra
(dafür oder dagegen) zu sprechen.
Eine Kritik der katholischen Presse habe ich in diese
Arbeit nicht mehr aufgenommen, teils weil überhaupt nur
noch zwei katholische Blätter – mehr habe ich mit
Unterstützung von Seiten einiger Freunde nicht auffinden
können, – sich abfällig zur Sache äußerten, teils weil
ich es für besser halte, wenn eine Anzahl Katholiken
über Luthers Tod glaubt, was die Protestanten glauben,
als wenn überflüssiger Streit im eigenen Parteilager
genährt wird.
Zur besseren Orientierung des Lesers ist dem Titel
diesmal ein Bild von Luthers Sterbehaus zu Eisleben
beigefügt worden. Eine nähere Erläuterung darüber findet
sich unten im Anhange unter Nr.14.
Hochkirch bei Glogau, 10. August 1890.
Der Verfasser.
Professor Kawerau.
Derselbe hat, wie ich in meiner „Historischen Kritik“
(Seite 82)
noch kurz erwähnen konnte, eine besondere Gegenschrift1 erscheinen lassen,
in der er sich zwar im Wesentlichen an Kolde anlehnt,
dennoch aber selbstständig einige Punkte vorbringt,
welche hier einer näheren Beleuchtung unterzogen werden
sollen.
1
Luthers Lebensende in neuester ultramontaner
Beleuchtung. Von Dr. Gustav Kawerau, Professor der
Theologie in Kiel. Barmen
(Wuppertal)
1890,
Verlag
Hugo Klein.
Kawerau geht von dem Satze aus, dass es bei den
Katholiken die „Dogmatik“ erfordere, dass jeder „Ketzer“
ein unheilvolles Ende gehabt habe; darum sei dies
katholischerseits a priori (von
vornherein) auch von Luther angenommen.
Ich habe diesem Satze schon in der ersten Auflage meiner
Schrift über „Luthers Lebensende“ vorgebeugt, wo ich
sagte, die Kirche verdamme niemanden und überlasse das
Gericht auch über die „Ketzer“ Gott allein.
Ich wiederhole daher: Bei den Irrlehrern gehört nur die
Lehre ins dogmatische Gebiet, über ihren Tod respektive
(beziehungsweise) die äußeren Umstände desselben
redet nicht mehr die Dogmatik, sondern nur noch die
Geschichte.
Dazu kommt, dass z.B. über den Tod Carlstadts
(Andreas Rudolf
Bodenstein von Karlstadt = Carolstadius)
und Johannes
Oekolampads (=
Oecolampadius) zuerst Luther
Schlimmes berichtet hat; dann erst haben katholische
Schriftsteller die Äußerungen Luthers wiedergegeben.
Über den Tod Luthers selbst haben zuerst die Eislebener
Protestanten „Teuflisches“ – um mit
Michael
Coelius
(Mansfelder
Schlossprediger)
zu
reden – erzählt; dann erst sind ihnen die katholischen
Autoren gefolgt, die anfänglich auch noch die
schlimmsten Gerüchte verschwiegen und mit der
Diskreditierung
(Herabwürdigung)
der „Historia“ des Jonas und Genossen sich begnügt
hatten. Dass aber sehr schlimme Gerüchte nicht nur in
Deutschland, sondern allerwärts
(überall)
verbreitet waren,
bestätigt außer Paul Sarpi (siehe den Anhang) indirekt
Kawerau selbst, der (Seite 17) mitteilt, dass „auch der
heutige italienische Landmann noch harmlos dem Reisenden
zu erzählen weiß,“ wie Luther – geendet hat.
Wie Kolde legt auch Kawerau ein Hauptgewicht darauf,
dass Luthers Tod schon 1545 „von Italien aus“ fälschlich
gemeldet worden sei.
Indes abgesehen davon, dass „heute
noch der italienische Landmann“ den Tod Luthers ganz
anders erzählt, – er erzählt ihn wie Bozius – als er
in jener angeblich in Italien „ausgegangenen“ Schrift
geschildert wird, so habe ich bereits darauf
hingewiesen, dass schon Seckendorf mitteilte, die
Katholiken jener Zeit wären der Meinung gewesen, dass
das Libell
(die Schmähschrift)
Luther selbst „vel aliquem ex suis“
(oder
jemanden von den Seinen)
zum Verfasser habe. Auch der Pater
Schreiner bemerkte 1626 in seiner „Apologie“
=
Verteidigungsschrift
(gegen
Andreas Keslers
„Lutherisches Franckenthal“, wo dieselbe Behauptung
aufgestellt war):
„Dass
selbige Zeitung von einem Katholischen erdicht worden /
wirstu Keßler nimmer mögen
darthun
(darlegen). Vielmehr
ist zu vermuthen / dass sie von einem Lutherophylo vnd Sektischen Fuchsschwentzer
(Fuchsschwänzer
= Heuchler / Schmeichler / Speichellecker / Kriecher)
sey erdacht vnd geschmidt worden / damit Luthero vnd
seinem fünfften Evangelio desto bass auff die
Bein zu helffen1.“
„Dass
dieselbe Nachricht von einem Katholiken erfunden wurde,
wirst du, Kesler, nicht mehr beweisen können. Vielmehr
ist jedoch zu vermuten, dass sie von einem Freund
Luthers und sektiererischen /
ketzerischen Heuchler erfunden und geschmiedet worden
sei, um Luther und seinem 5. Evangelium* umso besser auf
die Beine zu helfen.“
* Luther neben den einzigen 4
Evangelisten (= 4 Apostel) als der neue 5. Evangelist.
1
Schreiner, Apologia, Bamberg 1626. Seite 254.
Dass die Leute, welche dies erdachten, auch dafür
gesorgt haben werden, dass ihre Nachricht für die
kritiklose Menge in glaubhaften äußeren Formen auftrete,
dass sie darüber zuerst dem Landgrafen Philipp von
Hessen berichten – falls dieser nicht ins Geheimnis
gezogen
(eingeweiht)
war – der es Luther meldete, worauf Luther in Wittenberg
„Abdrücke“
(Drucke / Abschriften = Kopien)
veranstaltete
(veranlasste),
das ist ja erklärlich. Nur hätten dieselben Leute auch
für eine genügende Anzahl „italienischer“ Exemplare
sorgen sollen, von denen sich merkwürdiger Weise
kein
einziges
weder in Deutschland noch in Italien noch in Frankreich
usw. vorfindet1
!
1
Für den tiefer Blickenden erweist sich sofort schon
die äußere Form des Machwerks als ein Falsifikat
(Fälschung).
Dasselbe gibt sich als „Copia de una litera delo
imbasciatore del re christianissimo de uno stupendo
miraculo visto in la infelicissima morte de Martino
Lutero.“
Gesandtschaftsberichte pflegen sich nicht mit so
albernem Zeuge zu befassen, wie es hier erzählt wird.
Auch schreibt der Gesandte in der Sprache seines Landes
respektive seines Herrschers.
Das Original hätte also, da es sich um einen Bericht an
den französischen König,
den „re christianissimo“, handelte,
französisch
lauten müssen. – Der noch im
Klosterschloss El
Escorial
(im Raum Madrid: Bibliothek, Palast und zugleich Museum)
befindliche Gesandtschaftsbericht über Luthers Tod ist
in
spanischer
Sprache abgefasst, (siehe unten Seite 39) obschon
(obwohl)
der damalige spanische König der deutsche Kaiser war und
der Gesandte an dessen Hofe sich in Deutschland
aufhielt.
Es wird dem „rege
christianissimo“
(Rex Christianissimus =
Allerchristlichster König ist der Titel für französische
Könige und Herrscher seit Papst Pius II. und Paul II.)
zugemutet, Folgendes zu
glauben:
Copey eines Brieffs des aller Christlichsten Königs
Gesandten / von einem erschrecklichen Wunderzeichen /
welchs geschehen ist in dem Schendlichen Tod
Martini Luthers.
Kopie eines Briefs des Gesandten des allerchristlichsten
Königs von einem erschreckenden Wunderzeichen, welches
beim hässlichen / unehrenhaften Tod Martin Luthers
geschehen ist.
Erschrecklich / vnd unerhört wunderzeichen / welchs der
gebenedeiet Gott hat erzeiget in dem Schendlichen Tod
des Martini Luthers / verdampt mit Seel und Leib / wie
man in einem Capitel des Brieffs / des aller
Christlichen Königs gesandten / klerlich begreifen kan /
zu ehre vnd preis Jhesu Christi / vnd zu einer besserung
vnd trost der fromen.
Ein erschreckendes und unerhörtes Wunderzeichen, welches
der gebenedeite
(= gesegnete / gepriesene) Gott in dem hässlichen Tod
Martin Luthers gezeigt hat,
verdammt mit Leib und Seele, wie man in einem Textteil
des Briefes - des Gesandten des allerchristlichsten
Königs – deutlich erkennen / nachempfinden kann, zur
Ehre und Preisung (= zum Ruhm / zur Ehrerbietung) Jesu
Christi und zu einer Besserung und zum Trost der
Frommen.
Copey des Capitels.
Martin Luther als er kranck war / begert er das heilig
Sacrament / des Leibs unsers Herrr Jhesu Christi /
welchs als er empfangen hatte / ist er als bald
gestorben.
Vnd in seiner kranckheit / als er sahe das sie gar
hefftig war vnd gentzlich sich zum Tod neiget / hat er
gebeten / das sein Leib auff den Altar solt gesetzt vnd
angebet werden als ein Gott. Aber die Göttliche güte vnd
fursichtigkeit / als sie hat wollen einem so grossen
jrthum ein ende machen / vnd ein ewig stillschweigen /
hat sie nicht abgeschlagen / solche wunderzeichen zu
eröffen / welche sehr von nöten waren / auff das das
Volck abstünde von solchem grossen jrthum / zerstörung
vnd verderbnis / welche obgenanter Luther in dieser Welt
hat angericht / Darumb / als bald sein leib ins
Begrebnis ist gelegt worden / ist als bald ein
erschrecklich rumor vnd gethümel gehört worden / als
fiele Teufel vnd Helle in einander / durch welche alle
die jenigen / so gegenwertig waren / kamen in ein gros
erschrecken / entsetzen vnd furcht / Vnd als sie die
augen gen Himel huben / sahen sie klerlich die aller
heiligste Hostia vnsers Herrr Jhesu Christi / welche ein
solch vnwirdig Man / also vnwirdig hat dürffen empfahen.
Ich sage auch / das alle die / die da bey sind gewest /
scheinbarlich gesehen haben / die aller heiligste Hostia
in der Lufft hangen. Derhalben mit grosser andacht vnd
ehre erbietung / haben sie die aller heiligste Hostia /
mit grosser ehre vnd andacht zu den heiligthumen ehrlich
gethan.
Da das geschehen ist / hat man den selbigen tag nicht
mehr ein solch gethümel vnd ein Hellisch rumpeln gehört.
Aber die folgende nacht an dem selbigen ort / da der
Leib Martini Luthers war begraben / hat jederman
gemeinlich gehört ein grösser vngestüm denn das erste.
Darumb auch das Volck auffgestanden / vnd kam in eine
grosse furcht vnd entsetzung. Derhalben / als es tag
ward / giengen sie hin / auff zuthun das Grab / da der
Gottlose Leib des Martini Luthers hingeleget ward /
welchs Grab / als es auff ward gethan / sahe man
klerlich / das da weder Leib oder Fleisch noch Bein /
noch einige kleider waren / Aber es war voll solchs
geschweblichs gestanks / das es alle / die da vmbher
stunden / kranck machte / Dadurch viel jr leben haben
gebessert zu dem heiligen / Christlichen Glauben / zu
ehre / lob vnd preis Jhesu Christi / vnd befestigung vnd
bekreftigung seiner heiligen Christlichen Kirchen / die
da ist ein pfeiler der warheit.
|
|
Kopie des Textabschnitts.
Martin
Luther verlangte – als er krank (= schwach) war - das
heilige Sakrament des Leibes unseres Herrn Jesus
Christus; als er welches empfangen hatte, ist er bald
darauf gestorben. Und in seiner Krankheit (=
Schwachheit) - als er sah, dass sie heftig (= sehr stark
/ schwer) war und sich gänzlich hin zum Tod neigte, hat
er darum gebeten, dass sein Leib auf den Altar gesetzt
(= gelegt) und als ein Gott angebetet werden soll. Aber
die göttliche Güte und Fürsorglichkeit
(=
Vorsichtigkeit, Umsicht)
- als
hätte sie einem so großen Irrtum (= Irrglauben / Fehler)
ein Ende machen wollen - und ein ewiges Stillschweigen
hat sie
nicht abgeschlagen (= verweigert, davon abgehalten),
solche Wunderzeichen zu eröffnen (= ermöglichen), welche
insofern sehr nötig waren, auf dass das Volk von solch
einem großen Irrglauben Abstand nehme. Zerstörung und
Verderbnis, welche der oben genannte Luther in dieser
Welt angerichtet hat - darum ist sein Leib bald darauf
ins Grab gelegt worden,
alsbald
(= bald darauf) ist ein schreckliches Rumoren (= Lärm,
Unruhe) und ein Getümmel gehört worden, als fiele Teufel
und Hölle in einander zusammen, durch welche alle
diejenigen, die da so anwesend waren, in einen großen
Schrecken, in Entsetzen und Furcht gerieten und als sie
die Augen gegen den Himmel erhoben, sahen sie klar und
deutlich die allerheiligste
Hostie
unseres Herrn Jesu Christi, welche ein solch unwürdiger
Mann - also unwürdig - empfangen hat dürfen. Ich
sage auch, dass alle die, die dabei gewesen sind,
scheinbar (= offensichtlich) die
allerheiligste Hostie in der Luft hängen gesehen haben,
deshalb
haben sie
mit großer Andacht und Ehrerbietung die allerheiligste Hostie mit
großer Ehre und Andacht zu den Heiligtümern ehrlich (=
brav, anständig) dazugelegt. Als das geschehen ist, hat
man noch am selben Tag nicht mehr einen solchen Tumult
(= Poltern, Wirrwarr, Getöse) und solch einen höllischen
Lärm gehört.
Aber in der folgenden Nacht am selben Ort, wo der Leib
Martini Luthers begraben war, hat jedermann - alle
gemeinsam - eine noch größere wilde Raserei gehört, als
die erste vorhergehende. Darum war das Volk aufgebracht
und geriet in große Furcht und Entsetzen. Als es Tag
wurde, gingen sie deshalb hin, um das Grab zu öffnen, wo
der gottlose Leib des Martin Luther hineingelegt wurde.
Als welches Grab geöffnet wurde, sah man deutlich, dass
da weder Leib oder Fleisch noch Bein noch einige Kleider
(darin) waren, aber es war voll von solch einem
schwefelartigen Gestank, dass es alle, die da herum
standen, ganz krank (= schwach / kraftlos) machte;
dadurch haben viele ihr Leben gebessert hin zu dem
heiligen Christlichen Glauben - zur Ehre, Lob und Preis
Jesu Christi und (auch) zur Festigung und Bestärkung
seiner heiligen Christlichen Kirche, die da ist eine
Säule der Wahrheit. |
Philipp von Hessen „übersandte“ diese „Copey“
(Kopie)
an Luther mit der Bemerkung, dass daraus zu ersehen sei,
„wie man das verdächtige parteiische
Concilium
(Konzil)
anfehet (anfängt).“
Es handelte sich also um eine Agitation
(Hetze / Propaganda) gegen
das zusammentretende Konzil von Trient
(1545 bis 1563).
Philipp wollte das Schriftstück durch einen „ehrlichen
Mann aus Augsburg“ erhalten haben; gibt also selbst
nicht einmal eine amtliche Quelle an ! –
Dass Bozius, von Geburt ein Italiener, konstant
Beziehungen mit Deutschland unterhielt, ignoriert
Kawerau; nach ihm ist Bozius nur ein „italienischer
Streittheologe“; dass derselbe gleich Sedulius, den
Kawerau zu einem „belgischen (!) Mönche“ macht, noch im
vorigen Jahrhundert bei den protestantischen
Schriftstellern in Ansehen stand, will er gleichfalls
nicht wissen.
Trotzdem ist ihm der von Sedulius mitgeteilte Bericht
von Luthers Diener wichtig genug, um an ihm Kritik zu
üben.
Er meint, dass während die „Historia“ die Diener und
Freunde Luthers schon die Nacht respektive von 1 Uhr ab
beschäftigt sein ließe, wären nach der bei Sedulius
abgedruckten Erklärung die Diener erst „am Morgen“
gekommen.
Sehen wir näher zu, wie es sich damit verhält.
Zunächst muss mir Kawerau erlauben, dass ich von der „Historia“
halte, was unter anderen ihr Zeitgenosse Cochläus von
ihr hielt, dass sie „mendax et futilis“
(verlogen / falsch und
unzuverlässig / eitel) sei, d.h. dass sie für
mich als Geschichtsquelle vollständig ausscheidet.
Sodann ist hervorzuheben, dass in dem Bericht bei
Sedulius überhaupt keine Angabe der Stunden enthalten
ist; es heißt einfach, „postridie“
(tags darauf) wären die Diener bei Luther
erschienen. Da sie ihren Herrn nicht nur anzukleiden,
sondern auch Feuer anzuschüren hatten, wird es wohl
nicht zu spät gewesen sein.
Um 6 Uhr ist es am 18. Februar noch dunkel und wenn der
von Jonas respektive den Grafen von Mansfeld an den
Kurfürsten gesandte Bote um 8 Uhr abritt
(abgeritten ist), so konnte
er recht gut gegen Abend in Torgau, wo sich der Kurfürst
gerade aufhielt, eintreffen. Dem Jonas freilich, der
schon „fünf“ Uhr früh auf seinen Brief geschrieben
hatte, dann eine „vier“ daraus machte, war an dieser
„vier“ mehr gelegen, als an einer „sechs“ oder „sieben“.
Die Gerüchte, welche sich sogleich ausbreiteten, sind
Herrn Kawerau natürlich äußerst unbequem; er meint, ich
hätte dieselben „höchst geschickt“ benutzt, um für meine
„Fabel Stimmung zu machen“.
Hierzu gehört nun absolut keine „Geschicklichkeit“; im
Gegenteil, Coelius stößt ja selbst den Ungeschicktesten
auf das, was er zu suchen hat.
Ich kann Herrn Kawerau auch dies verraten: Durch die von
dem bekannten Superintendenten und Schriftsteller
Wilhelm Meinhold (sein Sohn Aurel war als katholischer
Pfarrer mein Vorgänger am hiesigen Orte
Hochkirch) auf mich
übergegangene Bibliothek bekam ich vor allen
katholischen Quellen über Luthers Tod die Rede des
Coelius zuerst zu Gesicht: ich habe mir daraus allein
den richtigen Vers gemacht, den ich erst später durch
Bozius, Sedulius usw. bestätigt gefunden
habe. Die Rede des Coelius
mag am 20. Februar 1546 in Eisleben nötig gewesen sein;
in Druck hätten sie aber die Lutheraner niemals ausgehen
lassen oder wenigstens bald verbrennen lassen, wie sie
es mit katholischen Büchern zu machen pflegten1 !
1
Auffällig ist es, dass in der
Wittenberger Gesamt-Ausgabe von Luthers Werken die
Leichenrede des Coelius nicht enthalten ist,
während sie in anderen Gesamt-Ausgaben, auch bei
Johann Georg
Walch usw. sich vorfindet. Diese Rede scheint auch nicht
im ursprünglichen Leichenfeier-Programm gelegen zu
haben. Wie aus Bergers „Merkwürdigkeiten Eislebens“,
Eisleben 1827 Seite 163 hervorgeht, wurde sie auf
spezielle Veranlassung der Grafen von Mansfeld gehalten,
wahrscheinlich allein zu dem Zwecke, um den in der Stadt
zirkulierenden Gerüchten entgegenzutreten. – Übrigens
wendet sich
Christian Gottlieb Berger noch im
Jahre 1827 gegen die von den katholischen
Schriftstellern des 16. und 17. Jahrhunderts verbreitete
Mitteilung von Luthers gewaltsamen Ende; aber auch er
kann als Gegenbeweis nur die – „Historia“ anführen !
Kawerau soll mir mir nur ein einziges Beispiel aus der
ganzen Welt- und Kirchengeschichte von selig im Herrn
entschlafenen großen Männern anführen, an deren Bahre
man es nötig gehabt
hat, nach Art des Coelius
vorzugehen ! –
Das „Widerwärtigste“ in meinem ganzen Buch hat Kawerau
in dem Schlusskapitel gefunden, in welchem von der
„Gemütsstimmung“ Luthers gegen Ende seines Lebens die
Rede ist.
Da ich in diesem Abschnitt alles ganz wortgetreu aus
Luthers Schriften und Tischreden mitgeteilt habe, so ist
das Urteil Kaweraus geradezu ein erschreckender Beweis
dafür, wie weit es die Lutherdichter in der
Idealisierung ihres Idols und in der Hintergehung der
armen Protestanten bereits gebracht haben.
Selbst ein „Lutherforscher“ wie Kawerau findet die
wörtliche Wiedergabe von des „Reformators“ eigensten
Geständnissen „widerwärtig“ !
Es sind mir in dieser Beziehung in neuester Zeit zwei
Arbeiten zu Hilfe gekommen, welche noch viel
ausführlicher das in Rede stehende Thema behandeln.
Sie führen den Titel: „Zur Beurteilung und Würdigung
Martin Luthers:
1) Luthers Selbstbekenntnisse über sich und sein Werk.
2) Protestantische Zeugnisse über Luthers Ansehen in
Deutschland im ersten Halbjahrhundert nach seinem Tode.“
Frankfurt am Main 1890. – Ferner die Schrift: „Die
Segnungen der Reformation. Geschildert von Dr. Martin
Luther.“ Berlin 1890.
Ich empfehle Professor Kawerau angelegentlichst
(nachdrücklich) die Lektüre dieser beiden
Schriften, damit er doch endlich einmal den
geschichtlichen Luther kennen lernt.
Was er sonst noch vorbringt, stützt sich, wie er auch
bemerkt, lediglich auf die Schrift des Professor Kolde,
dem ich schon früher ausführlich geantwortet habe und
dessen neuester Schrift ich jetzt noch ein kurzes
Schlusswort widmen will.
Professor Kolde.
Um gleich mit der Hauptsache zu beginnen, so hat diesmal
Professor Kolde in seiner neuen Gegenschrift1 oder vielmehr schon in der
dritten Auflage seiner ersten Schrift2
mich wirklich eines nennenswerten Irrtums
überführt.
1
Noch einmal Luthers Selbstmord. Erwiderung auf Majunkes neueste Schrift von Dr. Theodor Kolde,
ordentlicher Professor in Erlangen. Erlangen und
Leipzig, Verlag Deichert
1890.
2
Kolde bemerkt in einer Note: „Herr Majunke wird sich
schwerlich darauf hinausreden können, dass er meine
dritte Auflage nicht gekannt hat. Sie ist Mitte März
erschienen; er berichtet noch über die Sitzung des
Abgeordnetenhauses vom 18. März und seine Vorrede,
welche dieselbe Paginierung
(Gesamtheit der Seiten-Zahlen) hat, wie die
Schrift selbst, also nicht etwa hinterdrein
(im Nachhinein) gedruckt
worden ist, sie trägt das
Datum vom 29. März.“ – Ich muss zunächst protestieren
dagegen, als könnte ich mich auf etwas „hinausreden“.
Eine solche Sprachweise vermag ich weder für akademisch,
noch überhaupt für christlich zu halten. – In der Sache
selbst kann ich Kolde die Versicherung geben, dass ich
von der Existenz seiner dritten Auflage erst durch die
Broschüre Kaweraus etwas erfahren habe, die ich erhielt,
als ich bereits die letzte Korrektur meiner
„Historischen Kritik“ las. Letztere wurde schon an die
Buchhändler verteilt, als mir Koldes dritte Auflage
zuging.
Derselbe ist, sage ich, nennenswert; aber zum Glück
nicht wesentlich, denn er betrifft keine primäre
(erstrangige), sondern nur
eine sekundäre (nebensächliche
nicht ursprüngliche) Quelle.
Kolde weist nämlich darauf hin, dass Christophorus
Longolius, von dem ich behauptet, er habe in seiner „Oratio
ad Lutheranos“ (Rede an die
Lutheraner) „im Todesjahre Luthers“ ausgerufen:
„Nostis
hominem altero crure claudum, humero strumosum, oculo
captum, ac morbo tum comitiali, tum eo qui libidinem
eius obscoenis pustulis indicet, foede misereque
confectum.“
„Ihr
habt den Menschen gekannt, an einem Bein lahm, an der
Schulter geschwollen (skrofulös
entzündet),
am Auge blind, und außerdem sowohl von der Krankheit der
Epilepsie behaftet
(= durch einen epileptischen Anfall)
als auch durch diese noch dazu - welche die Wollust
dessen durch Bläschen an den Genitalien
(Syphilis = Hautausschlag im Intimbereich)
anzeigen soll - grauenhaft (entsetzlich) und auch
bemitleidenswert
(erbärmlich)
gänzlich
erschöpft
(am Boden zerstört).“
–
nicht von
Luther, sondern von
Ulrich von Hutten gesprochen habe, denn Longolius sei
schon 1522 gestorben.
Nun starb zwar auch
Hutten später als Longolius (1523) und dass die obige
Personalbeschreibung ganz genau und durchweg
(ausnahmslos)
auf Luther
passte, wird Kolde zugeben müssen. Auch hatte ich ein
Exemplar des Longolius von 1546, dem „Todesjahre
Luthers“ vor mir gehabt, – aus einer Dom-Bibliothek; –
indes Kolde hat ein solches von 1545 aus der Berliner
Königlichen Bibliothek bezogen – woselbst auch ich es
viermal erbat, nur stets vergeblich, da es immer
„verliehen“ war.
Aus einem
anderweitig bezogenen dritten Exemplar ersah ich zudem,
dass Longolius jenen Satz in der Tat schon 1522
niedergeschrieben hatte. Man wird also wohl das „confectum“
(gänzlich erschöpft
/ geschwächt)
nicht im Sinne von „gestorben“, sondern von „bei
Lebzeiten aufgerieben“ zu verstehen haben, so dass ich
ebenfalls glauben möchte, unter dem Apostrophierten
(angeführten Namen)
sei nicht Luther, sondern Hutten zu verstehen, obschon
ich selbst in den ausführlichsten Hutten-Biographien
keine Personalbeschreibung gefunden habe, welche sich
vollständig mit den obigen Angaben deckt.
Immerhin aber will
ich zugeben, dass ich den Passus
(Textabschnitt)
aus Longolius zu Unrecht herangezogen habe; – was ist nun damit für
mich verloren, was für Kolde gewonnen ?
Kolde hat etwas von der Ornamentik
(Gesamtheit der sprachlichen Verzierungen) meines
Baues entfernt, damit aber nur bewiesen, dass er den Bau
selbst nicht erschüttern konnte. Ja dieses Resultat ist
mir geradezu erwünscht, weil dadurch die Solidität
(gut fundierte Beschaffenheit)
des ganzen Baues gewonnen hat.
Alles andere, was Kolde sonst noch in seiner zweiten
(wie schon in seiner ersten) Schrift vorbringt, beruht
entweder auf einem Splittergericht
(Urteil über kleine unbedeutende Fehler / nach Mt. 7,3:
Warum siehst du jeden kleinen Splitter im Auge deines
Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst
du nicht ?), über formale Inkorrektheiten
(Unrichtigkeiten der äußeren Form
nach), welche mit breitester Dialektik
(Sprachgewandtheit) und
Sophistik (Rhetorik der
Haarspalterei und Wortklauberei) zu einem
Scheinwesen herausphantasiert
(gesponnen) werden, oder geradezu auf
Unrichtigkeiten.
Gerade die Unrichtigkeiten mehren sich diesmal in einer
bedenklichen Weise.
Um gleich wieder die Hauptsache vorwegzunehmen, so
versteigt sich
(vermesst sich auf kühne Weise)
Kolde jetzt zu dem Satze:
„Es
gibt keinen „Historiker“ der römischen Kirche im 16.
Jhdt., der die von der „Historia“ berichtete Art von
Luthers Sterben oder diese selbst als unglaubwürdig
hingestellt hätte.“
Gerade das genaueste Gegenteil ist wahr. Es gibt nicht
einen einzigen Schriftsteller der katholischen Kirche
aus dem 16. Jhdt., der die „Historia“ des Jonas und
Genossen für glaubwürdig gehalten hätte !
Cochläus nennt sie, wie schon oft erwähnt, „mendax et
futilis“ (verlogen und
unzuverlässig / eitel) und meint, dass sich Jonas
mit ihr auch bei den Protestanten keinen Ruhm erworben
hat; ebenso
der Kartäuser-Mönch Laurentius
Surius; Caspar Ulenberg
(katholischer Theologe,
Bibelübersetzer) hält sie für ein verabredetes
Schriftstück und bemerkt, dass nach anderer Aussage
Luther „a diabolo suffocatum“ esse
(von einem Dämon erstickt / erwürgt worden ist);
Johannes (Nasus) Nas (siehe den Anhang) nennt sie ein „greiflich
erdichts ding“ (eine
offensichtlich und augenfällige erfundene Sache)
und will „sein derhalben geschweigen“
(daher seiner erst gar nicht
sprechen);“ Hosius und Bellarmin schweigen über
sie und stellen ihr positive Behauptungen entgegen;
Gabriel Prateolus
Marcossius1 folgt Hosius und
hebt ausdrücklich hervor, dass dessen Angaben mehr
Glauben beizumessen ist, als der „Historia“; noch
positiver als Hosius und Bellarmin schreibt Claudius de
Sainctes1.
1
Vergleiche 4. Auflage von „Luthers Lebensende“ Seite
20.
Aller deren Reigen beschließt am Ende des 16. Jhdts.
Bozius, der der „Historia“, ohne sie zu erwähnen, die
positivste Behauptung entgegensetzt.
In der Tat, es gibt keinen einzigen Schriftsteller der
katholischen – oder wie Kolde zu sagen beliebt, der
„römischen“ – Kirche des 16. Jhdts., gleichviel
(gleichgültig) ob er
„Historiker“, oder Dogmatiker oder beides zugleich war,
welcher die „Historia“ als glaubwürdig hingestellt hätte
!
Aber Kolde treibt es noch ärger. Er macht den
beharrlichen Versuch, den Bericht des
anonymen „Mansfelder
Bürgers“, den Cochläus abdrucken ließ, als der „Historia“
nicht widersprechend hinzustellen. Er sagt, dieser
Bürger „denkt nicht daran, die Glaubwürdigkeit der
Historie in Frage zu ziehen.“
Nun muss man den Bericht des Bürgers vor sich haben, um
zu sehen, wie derselbe in vielen und ganz wesentlichen
Fragen der „Historia“ widerspricht:
Nach dem Bericht des Bürgers treffen die herbeigerufenen
Ärzte Luther bereits tot an, nach der „Historia“ war er
noch am Leben.
Die Wiederbelebungs-Versuche werden vom „Bürger“ ganz
ausführlich geschildert – die „Historia“ sucht sie zu
vertuschen.
Der Bürger erzählt von der grässlichen Unmäßigkeit
Luthers im Essen und Trinken – die „Historia“ schweigt
darüber.
Der „Bürger“ erzählt, warum man in Wittenberg die Leiche
nicht vom Stadttor bis zur
Mansfelder Schlosskirche tragen konnte, die „Historia“
schweigt darüber.
Ich habe hier nur vier Haupt-Gegensätze zwischen der „Historia“
und dem Bericht des „Civis Mansfeldensis“
(des Mansfelder Bürgers) erwähnt, um nicht zu
breit zu werden, breche ich ab. Das Gesagte genügt.
Einzelne Umstände werden ja naturgemäß in der „Historia“
ebenso erzählt, wie vom Bürger1;
aber der Widerspruch zwischen beiden Berichten lag so
sehr auf der Hand, dass Cochläus das Referat
(den Bericht) des Bürgers
schon 1548 seinem Kompendium
(kurzgefassten Lehrbuch) einverleiben ließ2.
1
Vergleiche den in der 4. Auflage zu „Luthers
Lebensende“ neu eingeschalteten Artikel:
„Wahrscheinliches und Unwahrscheinliches der Historia“,
Seite 70.
2
Zu haben in der 1548-er Ausgabe auf der Mainzer
Stadtbibliothek.
Und da soll weder der Bürger noch Cochläus, weder Surius
noch Ulenberg, weder Nas noch Claudius de Sainctes,
weder Hosius noch Bellarmin, weder Marcossius noch
Bozius die „Historia“ als unglaubwürdig hingestellt
haben ! –
Das nennt Kolde „historische Kritik“ !
Der Gang seiner Beweisführung, fährt Kolde dann fort,
sei ihm „durch die Regeln der historischen Kritik
vorgeschrieben“ gewesen. Er habe zuerst fragen müssen,
was die „Augenzeugen“ über Luthers Tod berichtet hätten.
Ganz gut. Aber erfordert nicht die historische Kritik zu
allererst, dass man nach der Qualifikation
(Bewertung der Glaubwürdigkeit und die Frage der
Befähigung) der „Augenzeugen“ fragt ?
So wenigstens hat es das gemeine
(gewöhnliche allgemeine) Recht von jeher
vorgeschrieben und in jedem Prozessverfahren ist die
Frage der Zulassung der Zeugen diejenige, von
welcher jede weitere Prozedur abhängig ist.
Ich will ganz abgesehen davon, dass nach gemeinem
deutschen Recht, wie es damals noch galt, die Jonas,
Coelius, Fürst von Anhalt und Genossen von der Ablegung
jedes gültigen Zeugnisses vor Gericht, (das noch das
kirchliche Recht zu schützen hatte) ausgeschlossen
waren; ich habe schon gesagt, dass das Volk an ihnen
einfach Wiedervergeltung geübt haben würde, wenn sie
über Luthers Tod anders ausgesagt hätten, als sie in der
„Historia“ ausstreuen ließen.
Übrigens ist Kolde in diesem Punkte jetzt schon recht
kleinlaut geworden.
Er scheint begriffen zu haben, dass mit „Augenzeugen“,
welche bezüglich ihrer Angaben über die Todesstunde
Luthers sich selbst widersprechen, welche das Datum
ihrer eigenen Briefe verändern, welche vor Schreck und
Bestürzung sich verschreiben oder nur wenig schreiben
können, so dass sie (nach Verabredung) sich alle auf
Einen berufen, um Widersprüche zu vermeiden, (die sie
schließlich doch nicht vermieden haben) – dass mit
solchen „Augenzeugen“ die „historische Kritik“ nichts
anfangen kann.
Einen dieser Augenzeugen hat zudem Kolde, ohne es zu
ahnen, durch Mitteilung des Originals des
betreffenden Briefes selbst als Schwindler entlarvt:
es ist Wolfgang von Anhalt.
Kolde teilt in seiner ersten Schrift (1. Auflage Seite
12, 3. Auflage Seite 10) mit, Wolfgang habe an den
Kurfürsten von Sachsen u.a. geschrieben, „Doktor
Martinus“ sei „iczunt zcwischen ij und iij frue
seliklich yn beysein Doctor jonas und sonst eczlicher
perschon gancz sanft yn got vorschiden.“
„Doktor
Martinus sei gerade jetzt zwischen 2 und 3 Uhr
früh seliglich (= von allen irdischen Übeln erlöst) im
Beisein von Doktor Jonas und weiteren etlichen Personen
ganz sanft (= friedlich) in Gott verschieden.“
Also „jetzund zwischen 2 und 3 Uhr“ sagt der
Briefschreiber und gibt sich damit als „Augenzeuge“
des Todes Luthers, wofür er auch von Kolde gehalten
wird.
Nun wird er allerdings auch von Aurifaber (in dem „eylendts“
= eiligst abgefassten
Briefe an Michael Gutt) als solcher aufgeführt, der „darbey“
(mit dabei) war;
aber nach der später von Aurifaber mitverfassten „Historia“
ist er nicht „darbey“ gewesen, wie ihn denn auch
Jonas in dem am 18. Februar an den Kurfürsten
abgesandten Briefe nicht zu denen zählt, welche beim
„Abschiede“ Luthers zugegen gewesen sein sollen.
Und ein solches Lügengewebe, das in Eisleben
selbst so wenig Glauben unter den Protestanten
fand, dass Coelius unter Toben und Schimpfen an
geweihter Stätte es zu retten versuchte
– das soll die „historische Kritik“ als geschichtlich
verbürgte Wahrheit hinnehmen; noch mehr, dem sollen
alle katholischen Historiker des 16. Jhdts. geglaubt
haben, von Cochläus bis Bozius !
Auf die nähere Prüfung solcher Zeugnisse lässt sich
Kolde gar nicht ein.
Er verschwendet dagegen einen weiten Raum in seiner
neuesten Schrift mit dem Nachweis einer formalen
Inkorrektheit (Unrichtigkeit),
die ich begangen habe,
welche ich aber schon vor Monaten von selbst in
der vierten Auflage von „Luthers Lebensende“ korrigiert
hatte.
Es handelt sich hierbei um
die Schrift von Johann
Kraus, – ich schrieb irrtümlich: Krause – Der
wunderbare usw. (, wundertätige
und wundersame) Luther, Prag 1716.
Darin war die bekannte Stelle enthalten, dass man für
Luther in seinen letzten Lebensjahren einen eigenen
Bedienten hielt, der ihn überwachen sollte, damit er
sich kein Leid zufüge. Das aus Privatbesitz mir
geliehene Exemplar dieser Schrift hatte ein gänzlich
defektes (beschädigtes)
Titelblatt; ich glaubte aber aus der Vorrede sowie aus
dem ganzen Inhalt schließen zu müssen, dass es ein aus
Anlass des „Reformations“-Jubiläums von 1717 neu
aufgelegter und nur entsprechend veränderter Abdruck des
„wunderbaren etc. Luther“ des bekannten Conrad Vetter
von 1606 sei.
Aus dem später mir zugegangenen protestantischen „Curieusen
Geschichtskalender“
(geschichtliches Verzeichnis an Kuriositäten = seltsamen
Merkwürdigkeiten bzw. besonderen Begebenheiten)
von 1717 ersah ich indes, dass meine Annahme irrig sei
und ich nannte deshalb sogleich (in der 4. Auflage) den
Autor so, wie ihn der „Geschichtskalender“ bezeichnete:
Krause (nicht Kraus, wie er wirklich hieß, was ich erst
aus einem mir vor Kurzem zugegangenen intakten
= unbeschädigten Exemplar ersah) und ließ den
Zusatz „1606, neu aufgelegt“ 1716 weg; nur die Beziehung
zu Vetter ließ ich stehen, (indem ich hinter „Krause“
das Wort „Vetter“ in Parenthese =
in Klammer stellte), weil Kraus, wie jeder sich
gleich überzeugen wird, in der Tat nach dem Muster von
Vetter gearbeitet hat. Sonst aber war alles genau nach
Jahreszahl und Seitenzahl zitiert.
Hierüber schreibt nun Kolde einen mehrere Seiten langen
Entrüstungs-Sermon (langatmiger
Vortrag der Entrüstung), der wiederum in der Form
unakademisch und im Inhalt unchristlich ist, da er mir
allerlei Täuschungskünste insinuiert
(ohne Beweise unterstellt).
Ich hätte, meint er, die „Lüge“ des Pater Kraus „um 110
Jahre älter“ gemacht, um sie glaubwürdiger erscheinen zu
lassen.
Dieses ganze Trugbild, welches Kolde hier zeichnet,
fällt eben durch die bloße Tatsache zusammen, dass ich
schon längst vorher, noch ehe ich von ihm darauf
aufmerksam gemacht wurde, die entsprechende
Selbstkorrektur an mir vorgenommen hatte. Aber noch
mehr: Da Kolde von mir verlangt, dass ich sogleich von
seinen neuen Auflagen Notiz nehmen solle, die
vierte Auflage von „Luthers Lebensende“ aber schon
mehrere Wochen vor seiner neuesten Schrift erschien, so
fällt der auf mich gezielte Pfeil nur auf ihn selbst
zurück.
Wie steht es nun aber mit der „Lüge“ selbst ?
Kolde führt einen längeren Passus
(Textabschnitt) des betreffenden Zitates an,
indes teilt er nicht die ganze in Betracht kommende
Stelle mit, obschon er mir bei derselben Gelegenheit den
Vorwurf macht, dass ich zu wenig zitiert hätte !
Ich werde nunmehr (= von jetzt an) den ganzen in Rede stehenden Abschnitt aus Kraus
hier folgen lassen.
Der Autor wendet sich gegen den Lutherdichter Matthias
Hoë von Hoënegg († 1645),
welcher seinem Idol sogar die Gabe Wunder zu wirken
zugeschrieben hatte.
Unter der Überschrift: „Luthers eylfftes
(elftes) Wunderwerk“ sagt Kraus:
„Wie
hoch Luther geachtet wird, spricht Mathis Hoë, ist unter
andern auch darauß zu sehen / da er zum letztenmahl zu
Eyßleben kranck war / daß nicht nur etliche Doctores der
heiligen Schrift ihm auff den
(zum) Dienst / Tag und Nacht warteten
(wahrten = beschützten /
versorgten) sondern Grafen / und Gräfin seyn bey
ihm gewesen / ihm Artzney gebracht / gegeben / ihn
gerieben / gewärmet / und andere Handreichung gethan.
Nach diesem beschreibet Hoë, was für eine stattliche
Leich-Begängnüß (Leichen-Begängnis
= feierliche Begehung eines Begräbnisses) der
Luther gehabt habe:
Welches alles von ihme für ein grosses Wunder
außgedeutet (ausgelegt)
wird.“
„Wie
hoch Luther geachtet wird, spricht Matthias Hoë von
Hoënegg, ist unter anderem auch daraus zu sehen, als er
zum letztenmal in Eisleben krank (und schwach) war, dass
nicht nur etliche Doktoren der heiligen Schrift ihn zu
seinem Dienst Tag und Nacht beschützten (versorgten),
sondern auch der Graf und die Gräfin seien bei ihm
gewesen, haben ihm Arzneien gebracht und verabreicht,
ihn damit eingerieben, gewärmt und andere Hilfe
geleistet.
Nach diesem beschreibt Hoë, was für ein stattliches
Leichen-Begängnis der Luther gehabt habe: Welches von
ihm alles für ein großes Wunder ausgelegt wird.“
Hierauf gibt nun Pater Kraus nachstehende „Illumination“
(Beleuchtung):
„ICh
habe von der Kranckheit deß Luthers / und seiner
Begräbnüß
(vom Begräbnis)
verschiedene Authores
(Verfasser),
auch von den Luthrischen
(Luther-Anhängern)
durchgesehen / und habe bey
(bei)
allen eine grosse Variation
(unterschiedliche Abwandlung)
der Geschichten / und kein Mirackel
(Wunder)
gefunden. Einige sagen / wie bey Cochlaeus zu lesen /
von Florim. Raem.
(Florimond
de Raemond)
Liber
(Buch)
3
c.
(Kapitel)
11. / der Werten
(der Werte)
habe sich selber gehencket
(erhängt)
/ und weilen
(weil)
ihm solche Anfechtung*
(eine derartige Versuchung)
biß in die drey Jahr
(über drei Jahre lang)
den Kopf verwirrter gemacht
(den Kopf noch mehr verwirrte = den Verstand trübte)
/ so habe man ihm einen gewissen Bedienten bestellet
(zugeteilt)
/
der dißfalls
(diesbezüglich für diesen Fall)
auff ihn Hutt haben sollen
(auf ihn Acht geben sollte).
*
Anfechtung hat neben
Angriff
mehrere Bedeutungen: Versuchung
- durch Zweifel
und Trübsal,
Anreizung zum Bösen
oder Missetaten, krankheitsbedingter Anfall
im Zustand der Geistesabwesenheit, d.h. Verlust der Selbstkontrolle. Zeichen der Präsenz
von Dämonen.
Einige sagen / er seye von dem bösen Geist erwürget
worden / welches ihm der leydige Sathan / wie Luther
selbst bekennet / zum öfftern gedrohet; und setzen darzu
/ daß er nach seinem Heimtritt mit umgedräheten Halse /
und schwartzen Gesichte seye gefunden worden. Damit aber
solches nicht zum Nachtheil / und Schande deß
Anhaltischen Hauses / da solches vorgegangen / gereichen
möchte / so hat man vorgeben müssen / als wär der Mann
gantz sanfft und seelig in dem Herren verschieden: Auß
welcher Ursache man ihm auch eine stattliche Begräbnüß
angestellet habe. Andere sagen / es seye der Werten
stattlich besoffen von der Welt geschieden / darbei zwar
Jonas und Coelius gewesen / so aber keine besondere
(besonders hilfreichen)
Doctores waren: Und daß er diesen zweyen befohlen / daß
sie sollten für unsern HErren Gott bitten / daß ihm
nichts Uebels auß Trient wiederfahren solte.
Noch andere sagen / daß seine sehr aufferbauliche / und
trostreiche Hertzbrechende letzte Wort gewesen: Wir
müssen lang leben / daß wird den Teuffel S.H.
(Seine Hoheit) in Hintern
hinein gucken können.
In
Tisch-Reden pagina 46. 2. Endlich schreibet Amsdorffer,
daß die Anhaltische Gräfin seye zugeloffen / und habe
den theuren Mann gerieben / und mit allerhand Specereyen
(Spezereien = gewürzartige exotische Pflanzenstoffe für
Salben)
eingeschmieret: Darauff der Luther seinen Geist
auffgegeben. Aus diesen allen / weiß ich nicht / was
außzuklauben
(auszulesen)
seye: Sage dieß allein / daß bey diesem allen kein
Wunderwerk zu ersehen; es mag den Luther der Teuffel
erwürget / oder er sich selbst erhencket haben / oder
auß Trunckenheit ersticket seyn:
Viel weniger auß dem
Grund
/ daß ihn etwan ein Weibs-Person gerieben / und
beschmieret / und aso die letzte Luthrische Oelung
gegeben hat. Hätten aber die Lutheraner was wundersames
vom Luther sagen wollen / so hätten sie beybringen
sollen / wie daß der Cörper deß Wertens kurtz nach
seinem Tode dergestalt gestunkcken / daß sich alles von
ihm retiriret
(retirierte = zurückzog / flüchtete)
/ und bei ihm kaum jemand / mit offner Nase bestehen
können: Da wir doch in den Historien lesen / welcher
Gestalt die Cörper der Verstorbenen Catholischen
Heiligen / als S. Didaci
(Sankt Didacus von Alcalá = Diego de San Nicolás ),
S. Mariae Magdalenae de Pazzis*
(unverweste Unbeschuhte Karmelitin),
Josephi de Copertino*
(=
Joseph von Cupertino, Franziskaner-Minorit „Fliegender
Bruder“)
und viel hundert anderen / einen Himmlischen Geruch von
sich gegeben / der viel Tag / und Wochen / ja bey
einigen auch viel Jahr außgedauert
(angedauert)
hat.
*
Hl.
Maria Magdalena von Pazzi
Hl. Josef
von
Copertino
So
hätten sie auch erzehlen können / welcher Gestalt bey
der Begräbnüß deß Luthers sich eine Menge der Raben
eingefunden / die über der Leiche fast durch den gantzen
Weeg von Eyßleben biß nacher Witterberg hergeflogen /
und schwerlich
(wohl kaum)
ein Symbolum
(Richtschnur / Kennzeichen / Glaubensbekenntnis),
und Vorbild
(Fürbild
/ Zeichen)
der lieben heiligen Engel gewesen seyn.
Endlich hätten sie auch erzehlen können / was ein böser
Geist außgesagt / daß sich bey der Begräbnüß-Feier
deß Luthers eine unbeschreibliche Menge der Teuffeln
einfinden müssen; so daß sie zu derselbigen Zeit keine
andere Operation
(Tätigkeit / Handlung)
haben thun können. Die Sache ist folgender Weise bey
Florim. Raemund p. 1. L. 3. c. 11. zu lesen. Petrus
Tyraeus, spricht der Author
(Verfasser),
erzehlt in seinem Buch de Daemoniacis
(über von Dämonen besessene Menschen),
was gestalt eben in derselben Nacht / als Luther
gestorben / in Brabant
(in Belgien)
/ in einem Dorf Gheel, oder Geehle genannt / ziemlich
viel von dem bösen Geist besessene Personen sich
befunden / die da durch Fürbitt S. Dympnae
(Santa Dympna)
verhofften von ihren bösen Gästen loß zu werden;
gleichwie es in vorigen Jahren anderen geglücket: Diese
wurden selbe Nacht unvermutheter Weise von den bösen
Geistern auff eine Weile frey; bald aber wiederum
eingenommen / und besessen / und als sie den fünfftigen
Tag wiederum von ihnen geplagt / und die Geister befragt
werden / wo sie sich bei verflossener Nacht auffgehalten
hätten / gaben sie zur Antwort / daß sie auß Befelich
ihres Obristen Fürstens berufen worden / die Seel deß
grossen Propheten / und ihres Mitgesellens Lutheri zu
begleiten. Dieses bestettigte seiner Diener einer / und
erzehlte hernacher / daß / als er in derselben Nacht /
da Luther gestorben / das Kammer-Fenster / darinn der
todte Leib lag / auffgethan / gesehen habe / daß
allerley erschröckliche Gespenster
(Schreckgestalten,
abgeleitet von althochdeutsch gispanst = Trugbild)
um
den Leib herum gesprungen / und getantzet hätten.
Als auch der todte Leib von Eyßleben gegen Wittenberg
geführt wurde / liessen sich unzehlich viel Raaben sehen
/ welche um die Leiche herum flogen / und kracketzten;
darauß erscheint / wahr zu seyn / daß sich die böse
Geister bey der Sache werden eingefunden haben: Deme
gleichförmig
(übereinstimmend / ähnlich)
eines übern Tisch gesagt:
Humanum genus
(das Menschengeschlecht)
ist nichts anders / (verstehe,
so viel es die Ketzer betrifft)
dann als ein Schafstall / da die Leuthe vom Teuffel
erwürget / gemetzelt / und geschlachtet werden. In
Tisch-Reden
von Luther.
fol.
(Blatt)
46. p. i.“
Diese Passage nun in unsere heutige Sprache übersetzt
lautet >
Hierauf gibt nun Pater Kraus nachstehende „Beleuchtung
der Sachlage“:
„Ich
habe von der Krankheit Luthers und von seinem Begräbnis
verschiedene Verfasser - auch von den Luther-Anhängern -
durchgesehen und habe bei allen eine große
unterschiedliche Abwandlung der Geschichten und kein
Wunder vorgefunden.
Einige sagen, wie bei Cochläus zu lesen (von
Florimond
de Raemond,
Buch 3, Kapitel 11): der Werte (Luther) habe sich selbst
erhängt und weil ihm eine derartige Versuchung über drei
Jahre lang den Kopf noch mehr verwirrte (=
Selbstmord-Gedanken den Verstand trübten), so habe man
ihm daher einen gewissen Diener zugeteilt, der
diesbezüglich extra für diesen Fall auf ihn Acht geben
sollte.
Einige sagen, er sei von einem
bösen Geist erwürgt worden, was ihm der leidige Satan -
wie Luther selbst bekennt - öfter angedroht hatte; und
sie fügen hinzu, dass er nach seiner Heimreise mit einem
umgedrehten Hals und schwarzem Gesicht vorgefunden
worden sei. Damit aber so etwas nicht zum Nachteil und
zur Schande des Hauses Sachsen-Anhalt gereiche, weil
Derartiges vorgegangen ist, so hat man eben vorgeben
müssen, als wäre der Mann ganz sanft und seelig im Herrn
verschieden: Aus welcher Ursache man ihm auch ein
stattliches Begräbnis bereitet habe. Andere sagen, es
sei der Werte stattlich besoffen (= anständig betrunken)
von dieser Welt geschieden; es sind zwar Dr. Jonas und
Coelius dabei gewesen, waren aber keine besonders
hilfreichen Doktoren und er habe diesen zweien befohlen,
dass sie unseren Herr Gott bitten
sollen, dass ihm nichts Übles (bzw. keine üble Nachrede)
aus Trient widerfahren soll.
Das Konzil von Trient (1545 – 1563) wurde von Kaiser
Karl V. als Reaktion auf die Reformation Martin Luthers
einberufen.
Luther hatte zur Vorbereitung auf dieses Konzil seine
Schmalkaldischen Artikel erarbeitet.
Wiederum andere sagen noch, dass seine sehr erbaulichen
und trostreichen wie auch herzbrechenden letzten Worte
gewesen sein sollen: Wir müssen möglichst lang leben,
sodass wir dem Teufel, Seiner Hoheit, in den Hintern
hineingucken (hineinsehen) können. Tisch-Reden Seite 46.
2.
Letztendlich schreibt Amsdorffer, dass die Gräfin von
Anhalt hinzugelaufen sei und den teuren Mann gerieben
und mit allerhand Spezereien (= gewürzartige exotische
Pflanzenstoffe für Salben) eingeschmiert habe:
Darauf habe der Luther seinen Geist aufgegeben.
Aus diesen allen Geschichten weiß ich nicht, was da (als
glaubwürdig) auszulesen sei: Ich kann nur sagen, dass
bei diesen allen keinerlei Wunderwerk zu ersehen ist; es
mag den Luther der Teufel erwürgt oder er sich selbst
erhängt haben oder wegen Betrunkenheit erstickt sein:
Viel weniger aber aus dem Grund, dass ihn etwa eine
weibliche Person gerieben und beschmiert und so die
letzte „Lutherische Ölung“ gegeben hat.
Hätten aber die Lutheraner etwas Wundersames vom Luther
sagen wollen, so hätten sie nahebringen (erklären)
sollen, wie es möglich war, dass der Körper des Werten
kurz nach seinem Tod derartig gestunken hat, dass sich
alles von ihm zurückzog (flüchtete) und bei ihm in
seiner Nähe kaum jemand mit einer offenen Nase bestehen
konnte: Da wir doch in den geschichtlichen Schriften
lesen, welcher Gestalt die Körper der verstorbenen
katholischen Heiligen waren, als Sankt Didacus (von
Alcalá), Santa Maria Magdalena de Pazzis (unverweste
Karmelitin), Joseph von Cupertino (Franziskaner-Minorit
„Fliegender Bruder“) und viele hundert andere einen
himmlischen Geruch von sich gegeben haben, der viele
Tage und Wochen - ja bei einigen auch viele Jahre -
angedauert hat.
So
hätten sie auch erzählen können, welcher Gestalt sich
eine Menge an Raben bei der Begräbnisfeier Luthers
eingefunden haben, die über der Leiche fast den ganzen
Weg hindurch von Eisleben bis nach Wittenberg
hergeflogen sind und wohl kaum ein Kennzeichen (Symbolum
= Richtschnur / Glaubensbekenntnis) und Fürbild
(Zeichen) der lieben heiligen Engel gewesen sind.
Letztendlich hätten sie auch erzählen können, was ein
böser Geist ausgesagt hat, nämlich dass sich bei der
Begräbnis-Feier des Luther eine unbeschreibliche Menge
an Teufeln (Dämonen) hat einfinden müssen; so dass sie
zu derselbigen Zeit keine andere Tätigkeit (Handlung)
haben tun (ausführen) können. Die Sache ist
folgenderweise bei Florimond de Raemond Seite 1, Buch 3,
Kapitel 11 zu lesen: Petrus Tyräus, spricht der
Verfasser, erzählt in seinem Buch über „von Dämonen
besessene Menschen“, dass Gestalt eben in derselben
Nacht, als Luther gestorben war, in Brabant (in Belgien)
in einem Dorf namens Gheel, oder auch Geehle genannt,
sich ziemlich viele von bösen Geistern besessene
Personen befunden haben, die sich da durch die Fürbitte
der heiligen Dympna verhofften, von ihren bösen Gästen
befreit zu werden; gleichwie es in vorigen Jahren
anderen geglückt ist: Diese wurden in derselben Nacht
(der Todesnacht Luthers) für eine Weile auf unvermutete
Weise von den bösen Geistern befreit, bald aber von
denselben wiederum eingenommen und besessen und als sie
am fünften Tag von ihnen wiederum geplagt wurden und die
Geister befragt wurden, wo sie sich denn in der
vergangenen Nacht aufgehalten hätten, gaben sie zur
Antwort, dass sie auf Befehl ihres obersten Fürsten dazu
berufen wurden, die Seele des großen Propheten und ihres
Mitgesellen Luther zu begleiten. Dieses bestätigte einer
seiner Diener (Rudtfeld) und erzählte hernach, dass -
als er in derselben Nacht, als Luther gestorben war -
das Kammer-Fenster, darin der tote Leib lag, geöffnet
war und er gesehen habe, dass allerlei erschreckliche
Gespenster (abgeleitet
von althochdeutsch gispanst = „Trugbild“
/ Schreckgestalten) um den Leib herum gesprungen seien
und dazu getanzt hätten.
Auch als der tote Leib von Eisleben nach Wittenberg
geführt wurde, ließen sich unzählbar viele Raben sehen,
welche um die Leiche herumflogen und krächzten; daraus
erscheint wahr zu sein, dass sich die bösen Geistwesen
(Dämonen) bei der Sache (des Begräbnisses) werden
eingefunden haben:
Mit dem übereinstimmend eines über den Tisch hinweg
gesagt:
Das Menschengeschlecht ist nichts anders (bitte
zu verstehen, so viel es die Ketzer betrifft)
denn als ein Schafstall, wo die Leute vom Teufel
erwürgt, niedergemetzelt und geschlachtet werden. Zitat
aus Tisch-Reden von Luther. fol. (Blatt) 46. p. i.“
Ich hatte bisher dieses Zitat in seinem ganzen Umfange
nicht wiedergegeben; einmal weil ich nicht erst
Bemerkungen über darin enthaltene Ungenauigkeiten machen
wollte, sodann aber auch aus Gründen der Dezenz
(Taktgefühl, Zurückhaltung).
In Bezug auf den letzteren
Punkt kann jetzt jeder selbst sehen, dass Kraus nach dem
Muster Konrad Vetters verfuhr, der im „nüchternen
Lutherus“ (Buch) nach dem
Motto schrieb:
„Erhalt
uns Herr bei Deiner Wurst
Sechs Maaß (Bier), die
löschen einem den Durst.“
Die Ungenauigkeiten, welche im Hinweis auf Cochläus und
Floremund Raemund liegen, kann jetzt auch ein Leser
meiner früheren Schriften selbst korrigieren.
Es kommt hier vor allem auf die von Kraus gemachte
Mitteilung an, dass man Luther während der letzten Jahre
seines Lebens einen „gewissen Bedienten“ bestellet, der
dißfalls auff ihn Hutt haben sollen.“
. . . . einen „gewissen Bedienten“ bestellte,
der für diesen Fall auf ihn Acht geben soll, ihn
diesbezüglich behüte.
Kraus nennt keine besondere Quelle für diese Angabe;
aber aus dem, was er sonst vorbringt, ist zu ersehen,
dass er den Inhalt von dem, was er in
„verschiedenen Authores“ (bei
verschiedenen Verfassern) gelesen
hat, sich gut gemerkt hat, dass er nur deren Namen
nicht gut im Gedächtnis behalten hat.
Ich selbst habe bis jetzt eine ältere Quelle für jene
Mitteilung nicht auffinden können; ich würde mich aber
gar nicht wundern, wenn das betreffende Buch längst
vernichtet worden wäre* –
wenigstens in öffentlichen Bibliotheken.
*
Wie Majunke bereits feststellte, fielen
katholische und lutherfeindliche Bücher dem Feuer zum
Opfer.
Kolde macht es sich nun sehr bequem; er sagt einfach,
die Geschichte sei „erlogen“.
Er würde aber dasselbe sagen, wenn auch eine
zeitgenössische Quelle aufzufinden
gewesen wäre; denn „erlogen“ ist bei ihm alles,
was nicht Luther fromm leben und selig sterben lässt.
Wer zumal (besonders da)
der „Historia“ des Jonas etc. nicht glaubt, der ist ein
„Lügner“ – das ist die „historische“ Dogmatik
(Darstellung der Glaubenslehre und
das Festhalten) von Kolde und Genossen.
Kolde legt auch ein großes Gewicht darauf, dass Kraus
sagt, er wisse nicht, was „aus diesen allen außzuklauben
seye.“
. . . . . was aus diesen allen Geschichten auszuklauben
= auszulesen sei.
Dieses Geständnis von Kraus ist aber leicht erklärlich:
Wer auf Floremund Raemund basiert
(aufbaut / sich darauf stützt), der muss so
verwirrt werden, dass er wirklich nicht mehr weiß, was
er „auszuklauben“ hat.
Zum Glück steht aber von jenem „gewissen Bedienten“
nichts bei Floremund Raemund; Kraus muss also die
Mitteilung darüber einem anderen, wohl auch
zuverlässigeren Schriftsteller entnommen haben1.
1
Es möge hier noch einmal im Zusammenhange mitgeteilt
werden, was Floremund Raemund über Luthers Tod
berichtet. Nachdem er einige Stellen aus dem Briefe des
„Civis Mansfeldensis“ (des Bürgers
von Mansfeld)
zitiert, fährt er fort:
„A
quibusdam proditū(m)
invenio, eodē(m)
modo illū(m),
quū
(= quum = cum)
e lectulo ventris exonerā(n)di
caussa
(= causa)
surrexisset, quo Arriū
(= Arium)
intestina effudisse. At Steidanus & Justus Jonas,
pectoris dolore correptū(m),
post coenā(m)
& pauxilli tē(m)poris
quietē(m),
animam reddidisse dicunt, quū(m
= cum)
iam climactericum aetatis annum attigisset. Inter alia
quae ille Justus de Lutheri
obitu scribit, ait, cum morti iam vicinum, circumstantes
amicos his verbis monuisse:
„Orate
pro* Domino Deo nostro &
Evangelio eius, ut ei cum Ecclesiae suae caussa
(= causa) bene succedat.*
*
Johannes Sleidan = Joannes
Sleidanus fälschte später das pro Domino Deo in
ein „Orate deum“ (Betet zu Gott)
O novam & inauditam precationis formulam ! Addidisse
deinde:
„Quia
ei Pontifex & Concilium Tridentinum vehementer adversantur.“
Ecce tibi Testamentum ! Ecce convicia & imprecationes,
quas iam moriens impurus hic homo contra supremum
Ecclesiae caput effudit ! Ecce extrema eius vota ! –
Alius Lutheri discipulus scribit, eum aliquot annis
ante, quam Smalcaldiae ex calculi doloribus gravissime
decumberet, & a morte parum abesset, sublatis in coelum
oculis & levatis manibus, ad circumstantes amicos &
discipulos seu (= sive)
valedicturum, his usum fuisse verbis:
„Deus
vos, fratres, omni benedictione impleat, & Papam
maledictione !“
Quibus non minus insatiabile suum contra S. Sedem
(= sanctam sedem) odium testatus est. Quin (= qui
non) etiam sanctus hic homo e tā
(tam) gravi morbo recreatus,
publicum scriptum de resurrectione sua promulgavitcuius
initium est: „Post(ea) quam
(= postquam) resurrexi a
mortuis.“
Thomas Bozius non incelebris saeculi nostri scriptor, in
II parte II tomi quae est
de Notis Ecclesiae, scribit visum a se hominem, qui tum
inter Lutheri domesticos seu (=
sive) famulos fuerit & asseverarit, herum suum in
ultimo agone illo, manus sibi ipsi violentas afferre
conatum esse, sed a familiaribus propere accuretibus
(= accurantibus) fuisse
prohibitum; qui ut hoc
prophetae sui infelicissimi probrum tegerent, omnes
domesticos iureiurando super sancta Evangelia,
obstrinxerint; ne quisquam eius rei vel minimum quid
propalaret. Quod fortasse tum factum fuit, quum
(= cum) extremis oppressus
calculi doloribus mortem vehementer optavit.“
|
|
„Zufällig
stoße ich auf (finde / entdecke ich) eine Überlieferung
von gewissen Leuten, dass jenem (Luther) auf die gleiche
Weise, als er aufgrund der Entleerung (= zur
Erleichterung) des Bauches aus dem Bettlager
aufgestanden wäre, wie bei Arius* die Gedärme
hervorgequollen sind.
*
Der Ketzerkönig Arius
starb eines grausamen Todes, indem sein Darm
unerklärlicherweise zerriss. Der Heilige Athanasius
überliefert die Geschichte von Arius und dessen
mysteriöse Todesursache (Sprengen des Darms). Arius aus
Alexandria (Ursprung der
Ormus-Rosenkreutzer-Gesellschaft: 46 n. Chr.) war ein
geheimer Häretiker und Feind der Kirche, der sich als
Scheinchrist tarnte (Anführer der 5. Kolonne = jüdische
Geheimagenten innerhalb der Kirche), Papst werden wollte
und den Arianismus sowie die arianischen falschen
Bischöfe hervorbrachte.
Andererseits sagen aber Joannes Sleidanus und Justus
Jonas, dass er - von einem Schmerz in der Brust
ergriffen / dahingerafft - nach dem Essen und nach
kurzer Zeit Schlaf die Seele zurückgegeben (= das Leben
ausgehaucht) habe, als das zur gefährlichen Lebensepoche
gehörige (= kritische) Jahr des Alters erreicht worden
wäre. Welches unter anderem jener
Justus über das Hinscheiden Luthers schreibt und er sagt
/ behauptet, als er (Luther) dem Tod schon nahe war, die
umstehenden Freunde mit diesen Worten gemahnt zu haben:
„Betet für * unseren Gott dem Herrn und dessen
Evangelium (= gute Nachricht), damit (als dass) es
diesem um seiner Kirche willen gut gelingen möge.*
* Johannes Sleidan = Joannes
Sleidanus fälschte später das pro Domino Deo in
ein „Orate deum“ (Betet zu Gott).
Oh (welch) neuartige / ungewöhnliche und noch nicht
gehörte Glaubensformel des Gebets !
Um darauf hinzugefügt zu haben = dann hat er
hinzugefügt:
„Weil
ihm der Papst und das Konzil von Trient heftig
Widerstand leisten.“
Siehe, dir gehöre der letzte Wille (das Testament) !
Seht, was für Lästerreden / Hohnrufe und Verwünschungen,
welche dieser unreine / gemeine Mensch noch im Sterben
gegen das oberste Haupt der Kirche ausgegossen /
verbreitet hat ! Siehe - dessen letzter Wunsch ! – Ein
anderer Schüler Luthers schreibt, dass er einige Jahre
vorher, als er in Schmalkalden (Ort der
Schmalkaldischen Schriften Luthers gegen das Konzil)
wegen einem Steinleiden (Niere, Galle oder Harnwege)
unter Schmerzen sehr schwer krank darniederlag und vom
Tod wenig entfernt war, mit zum Himmel erhobenen Augen
und mit emporgehobenen Händen zu den umstehenden
Freunden und Schülern - oder um Lebewohl zu sagen - von
folgenden Worten Gebrauch machte:
„Euer
Gott, Brüder, möge euch mit jedweden Segen erfüllen und
den Papst mit einem Fluch !“
Von welchen nicht minder (= ebenso) sein unersättlicher
/ grenzenloser Hass gegen den Hl. Stuhl bezeugt worden
ist. Ja, dieser heilige Mann hat sogar - von einer so
schweren Krankheit wiederbelebt / wiederhergestellt -
auch ein öffentliches Schriftstück über seine
Wiederauferstehung verkündigt,
dessen Anfang lautet:
„Später
nach dem (= darauf) bin ich von den Toten
wiederauferstanden.“
Thomas Bozius – der nicht zu den Unbekannten zählende
Schreiber unseres Jahrhunderts - schreibt im 2. Teil =
Tomos 2, welcher von den Wesensmerkmalen der Kirche
handelt, dass ein Mann von ihm (von Luther)
gesehen hat, welcher damals unter den
Familienmitgliedern und Hausdienern Luthers gewesen sei
und im Ernst versichert habe, dass sein Herr im jenem
äußersten Todeskampf versucht hat, an sich selbst
gewaltsam Hand anzulegen, was jedoch von den besorgten
Hausdienern eiligst verhindert worden war; welche –
damit sie diese Schande ihres unglücklichsten Propheten
verbergen können - alle Hausgenossen in Bezug auf das
heilige Evangelium durch einen Eid verpflichtet haben;
damit nicht irgendjemand etwas oder auch nur das
Geringste über diesen Fall offenbar macht:
Das ist möglicherweise deshalb so geschehen, weil er
wegen des Steinleidens von schlimmsten Schmerzen
niedergedrückt / überwältigt nachdrücklich / heftig den
Tod eingefordert / gewünscht hat.“ |
Wie man sieht, gibt Floremund Raemund gar nicht einmal
den Titel aus Thomas
Bozius richtig an.
Die Hauptstelle daraus ist gänzlich unrichtig
wiedergegeben und musste alle diejenigen, welche
nur auf Floremund Raemund fußten, ohne das Original bei
Bozius zu vergleichen, in die Irre führen. – Nach dem
30-jährigen Krieg wurde das sonst verdienstvolle Werk
des Floremund Raemund unter den Katholiken ein Modebuch;
indes haben einzelne Schriftsteller (wie z.B.
Georg Seiser S. J.
Calendarium politico-christianum
perpetuum = Buch-Verzeichnis vom politischen Christen
auf immer, Verlagsort:
Oenipontum - Innsbruck 1659, ferner Martin von
Cochem und weitere), obschon sie dasselbe oft zitieren,
bezüglich Luthers Tod nicht sich täuschen lassen. |
Ich hatte insbesondere aus inneren Gründen die
Wahrheit der Kraus'schen Angabe nachzuweisen gesucht und
Kolde muss natürlich alle Mühe aufwenden, diese meine
Argumentation zu entkräften.
Zu den Zeugnissen, welche für die düstere Gemütsstimmung
Luthers in seinen letzten Lebensjahren sprechen, hatte
ich in der dritten Auflage meiner Schrift noch Folgendes
hinzugefügt:
„Als
einst bei Tisch der Pfarrer von Guben erzählte, er sei
oft, wenn er ein Messer in die Hand genommen
hat, vom Teufel versucht worden, sich zu
erstechen, oder wenn er Zwirnsfäden gesehen
hat, diese zu sammeln und
zu einem Strick zusammenzudrehen, um sich damit zu
erhängen, – erwiderte der „Reformator“:
„Das
ist mir auch offt begegnet, das, wenn ich ein Messer
habe in die
Hand genomen, so sind mir dergleichen böse gedancken
eingefallen.“
(Tischreden, Eisleben 1569, Blatt 277 a).“
„Das
ist mir auch oft passiert, dass, wenn ich ein Messer in
die Hand genommen habe, so sind mir die gleichen bösen
Gedanken eingefallen.“
Darauf erwidert Kolde (schon in der 3. Auflage seiner
ersten Schrift):
„Majunke
verschweigt, dass in seiner Quelle das Jahr 1541 steht;
er verschweigt auch den Namen des Pfarrers, durch den
wir die Zeit der Tischrede feststellen können. Es ist
Magister Leonhard Beyer. Da nun feststeht, dass derselbe
bis Anfang 1532 Pfarrer in Guben, dann aber in Zwickau
war (De Wette Buch IV,
Seite 356), so kann die
Äußerung nicht später als 1532 gefallen sein.
Dagegen schreibt Majunke:
„In
solcher Gemütsverfassung kam nun Luther 1546 nach
Eisleben.“
Was zunächst das „Verschweigen“ des Jahres 1541 anlangt
(betrifft), so findet Kolde
die betreffende Angabe wieder in meiner vierten Auflage,
welche noch vor seiner dritten hergestellt wurde.
Die hier in Rede stehende Äußerung Luthers aber bis
hinter 1532 zurückzudatieren, ist für die historische
Kritik nicht zulässig.
Aurifaber hatte zunächst chronologisch für sich
selbst aufgezeichnet, was
in seiner Gegenwart der „heilige Mund Lutheri über
Tische geredet“ (was der „heilige
Mund Luthers“ über den Tisch hinweg geredet hat);
sodann hatte er auch von anderen Tischgenossen
gesammelt, was in seiner Abwesenheit
(von Luther) gesprochen
worden war.
Er gibt oft das Jahr an, wann der „heilige Mund“ die
betreffenden Äußerungen hatte fallen lassen; im Übrigen
ordnete er seinen Stoff nicht chronologisch, sondern
nach der Materie (Thema des
Stoffes); er brachte ihn, wie er in der Vorrede
sagt, „in
Locos communes“ (allgemeine
Stellen / Grundaussagen); d.h. in Kapitel
geordnet (eingeteilt in
thematische Hauptpunkte).
So lautet das 24. Kapitel: „Vom Teufel und seinen
Werken“.
(Dasselbe ist in den neueren Ausgaben der Tischreden
fast gänzlich weggelassen.) Luther spricht darin auch
von den Anfechtungen (Angriffe /
Versuchungen / Anreizung zum Bösen / Zweifel und Trübsal
/ Anfall), die der Teufel ihm selbst verursacht
hat und bemerkt u.a., dass
er einmal nach einer längeren Disputation
(Auseinandersetzung) zum
Teufel gesagt habe:
„Hastu
aber nicht genug daran [an seinen Argumenten] du
Teufel / so hab ich auch geschmissen und gepinkelt /
daran wische dein Maul / vnd beisse dich wol damit.“
„Solltest
du aber von meinen Argumenten immer noch nicht genug
haben, du Teufel, sodann habe ich auch darauf geschissen
und gepinkelt, „wische dir daran dein Maul“ (zerbrich
dir darüber den Kopf) und du kannst dir gerne daran die
Zähne ausbeißen.“
Der Teufel aber hielt nicht das Maul, sondern
fragte den Ex-Mönch, wo er „die Klöster
in der Welt hingethan“ habe
(wie es um das Klosterleben in der
Welt steht).
Darauf erhielt er die Antwort:
„Da
schlage Bley zu* / Du magst
sehen / wo Dein Gottesdienst [nämlich der
Gottesdienst in den Klöstern] und Gotteslesterung
bleibt.“
„Dessen
kannst du dir schwerlich sicher sein, du wirst sehen, wo
und wie dein Gottesdienst (in den Klöstern) und die
Gotteslästerung bleiben.“
* da fahre wilde Bleischlacke
(unreines Blei) ins Silber ! = alter Fluch oder
Kraftwort der Bergleute, Verunreinigung des Silbers.
Heute würde man sagen: Darauf kannst du Gift nehmen,
dass . . . .
Luther schildert dann wieder, wie ihn der Teufel in der
Nacht oft aufwecke, vexiere
(ärgere und quäle)
und traurig mache, letztendlich
dass der Teufel die Musik fliehe,
weil diese traurige Menschen fröhlich mache.
Handgeschriebene Originaltexte – Sathan fleuhet die
Musica (aus den Tischreden):
Colloquia oder Tischreden Doctor Martini Lutheri
>
Unmittelbar hierauf heißt es dann:
„D.M.L.
(Doktor Martin Luther)
sagte Anno M.D. xlj. (im Jahr
MDXLI = 1541) Das die Musica ein herrlich vnd
Göttlich Geschenk vnd Gabe were / welcher gantz feind
sey der Teufel / vnd man könne viel Tentationes
(Angriffe / Versuchungen) und Cogitationes
(Gedanken) damit vertreiben
/ denn der Teufel erharret
(verharrt) der Musica nicht gerne. Vnd kerete
sich D. Luth. zu seiner Tischgenger
(Tischgenosse) einem / vnd
sprach / Habt jr gedanken zuverkeuffen
(anzubieten) !
Lieber schlagt sie aus (lehnt ab /
verzichtet besser) / vnd legt euch nicht in
streit und kampff ein mit dem Teufel / vnd disputiret
mit jme (ihm) nicht vom
(über das) Gesetze / denn
er ist ein Tausentkünstiger (einer
mit 1000 Tricks) / der die leute wunderbarlicher
weise plaget.
Darauff sagte M. Leonhard Pfarherr von Guben / Da er
were gefangen gewesen / hette jn der Teufel vbel
geplaget / vnd hette dem Teufel in
seinem Hertz gelachet /
wenn er nur hette ein Messer in die hand genomen / denn
er hette offt zu jm gesagt / Ey erstich dich / darumb
hette er offt müssen das Messer von sich werffen. Item
(ebenso) / wenn er einen
Zwirnsfaden hette an der erden ligen gesehen / so hett
er jn auffgehoben / vnd hette so viel gesamelt das er
hette mögen einen Strick daraus machen / daran er sich
hinge / Ja / er hette jn dahin getrieben / das er auch
das Vater vnser nicht hette beten / noch die Psalmen
lesen können / die jme doch sonst gar wol waren bekannt
gewesen.
Da antwortet D. Luth. Das ist mir auch offt begegnet /
das / wenn ich ein Messer habe in die Hand genomen / so
sind mir dergleichen böse Gedancken eingefallen / vnd
das ich offt nicht habe beten können / vnd mich der
Teufel drüber (darüber hinaus =
noch dazu) aus der Kammer gejagt hat / Denn wir
haben die grossen Teufel / welche Doctores Theologiae
sind. Die Türcken und Papisten haben schlechte geringe
Teufel (Dämonen) / welche
nicht Theologische sind / sondern nur Juristische
(richterliche) Teufel sind.
Der Teufel kans nicht lassen / er muss vns anfechten
(angreifen / versuchen) /
vnd er hat ein grossen vorteil darzu / ja eine starcke
Pastey (Bastei) vnd
Bolwerck (Festung) wider
vns / nemlich vnser fleisch vnd Blut / das im balde beyfellet (uns
schnell einfällt) / wenn dasselbige thete / so
wollten wir jme wol einen Zorn entsitzen
(entsetzen > fürchten / zürnen).
Aber was schadets vns / das er vns gleich plaget vnd
martert / Der HErr Christus spricht / Meine krafft sol
in euwer schwachheit starck
sein. Der Herr Christus ist der jenigen Gott / die
betrübtes hertzens sind / vnd einen zerknirschten
(reuevollen) Geist haben. Vnd saget der Doctor
Lutherus / wenn er mich dahin bringet / das ich von Gott
wegfliege (abfalle) / vnd
nicht beten kan / vnd er mir einbildet
(vorgaukelt) / Gott sey
ferne von mir / So sage ich / Nu
(nun) so wil ich schreien / vnd jn anruffen / Vnd
stelle mir denn für die augen der welt vndanckbarkeit /
vnd das Gottlose wesen der Könige / Fürsten und Herrn /
item (gleichfalls) / der
ketzer toben vnd wüten / Darüber erhitzet denn mein
Gebet / das ich anfange / vnd sage / Ey / Vnser Vater /
der du bist im Himel / Geheiliget werde dein Name /
Zukome dein Reich / Dein wille geschehe etc.“
Dieser Abschnitt „Satan flieht die Musik“ aus den
Tischreden Luthers
in unseren heutigen Sprachjargon übertragen:
„Doktor
Martin Luther sagte im Jahr 1541, dass die Musik ein
herrliches und göttliches Geschenk und eine Gabe wäre,
welcher der Teufel gänzlich ein Feind sei und man könne
viele Angriffe (Versuchungen) und Gedanken damit
vertreiben, denn der Teufel verharrt der Musik nicht
gerne (hält sie nicht aus). Und Doktor Luther wandte
sich einem seiner Tischgenossen zu und sprach: Wenn ihr
Gedanken zu verkaufen (anzubieten) habt, so schlagt sie
lieber aus (so unterlasst diese und verzichtet besser)
und legt euch nicht mit dem Teufel an in Streit und
Kampf und streitet mit ihm nicht über das Gesetz, denn
er ist einer mit 1000 faulen Tricks, der die Leute auf
„wunderbare Weise“ (mit Heimsuchungen und
Teufelswundern) plagt.
Darauf sagte Magister Leonhard, der Pfarrer von Guben,
da er gefangen gewesen wäre, indem ihn der Teufel übel
geplagt hätte und es hätte dem Teufel in seinem Herz
gelacht, wenn er nur ein Messer in die Hand genommen
hätte, dann hätte er oft zu ihm gesagt: Ei, erstich dich
doch ! Darum hätte er oft das Messer von sich wegwerfen
müssen. Ebenso wenn er einen Zwirnsfaden auf der Erde
liegen gesehen hatte, hätte er ihn sodann aufgehoben und
so viel davon gesammelt, dass er daraus einen Strick
machen wollte, um sich daran zu erhängen. Ja, er (Satan)
hätte ihn so weit dazu getrieben, dass er auch das Vater
Unser nicht mehr hätte beten noch die Psalmen hätte
lesen können, die ihm doch ansonsten gar wohl bekannt
gewesen waren.
Da antwortet Doktor Luther: Das ist mir auch oft
passiert, dass, wenn ich ein Messer in die Hand genommen
habe, so sind mir die gleichen bösartigen Gedanken
eingefallen und dass ich oft nicht habe beten können und
darüber hinaus hat mich der Teufel noch dazu aus meiner
Kammer gejagt. Denn wir haben die großen Teufel, welche
Theologie-Doktoren sind. Die Türken und Papstanhänger
haben schlechte Teufel (Dämonen) von geringerem Rang,
welche nicht theologische, sondern nur juristische
(richterliche) Teufel sind.
Der Teufel kann es einfach nicht lassen - er muss uns
angreifen (versuchen) und er hat dazu noch einen großen
Vorteil, ja eine starke Bastei (Festung) und ein
Bollwerk wider uns, nämlich unser eigenes Fleisch und
Blut, das uns schnell in den Sinn kommt (einfällt), wenn
dasselbige tätig ist, so fordern wir wohl zu unserem
Entsetzen seinen Zorn heraus. Aber was soll es uns
schaden, dass er uns daraufhin sogleich plagt und
martert, denn der Herr Christus spricht:
Meine Kraft soll in eurer Schwachheit stark sein.
Der Herr Christus ist der Gott derjenigen, die betrübten
Herzens sind und einen zerknirschten (reuevollen) Geist
haben. Und Doktor Luther sagt:
Wenn er mich so weit bringt, dass ich von Gott abfalle
und nicht mehr beten kann und er mir vorgaukelt, Gott
sei von mir fern, so sage ich: Nun, so will ich es
hinausschreien und ihn anrufen und stelle mir dann die
Undankbarkeit der Welt vor Augen und das gottlose Wesen
der Könige, Fürsten und Herrn. Gleichfalls das Toben und
die Wutraserei der Ketzer, denn genau darüber erhitzt
sich mein Gebet, sodass ich zu beten anfange und sage:
Ei, Unser Vater, der du bist im Himmel,
geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille
geschehe etc.“
Ich habe den ganzen vorstehenden Passus wörtlich
mitgeteilt, damit jeder Leser sich selbst ein Urteil
bilden kann. Auf eine dogmatische respektive
(bzw.) psychische Würdigung
des Zitates gehe ich nicht ein. Kolde will aus dem
Umstande, dass Leonhard Betzer [nicht Beyer, wie er bei
Kolde heißt] seit 1532 nicht mehr Pfarrer von Guben war,
schließen, dass das Gespräch mit demselben vor 1532
stattgehabt (stattgefunden)
haben müsse.
Dem widerspricht aber die bestimmte Angabe
Aurifabers, dass die Unterredung 1541 geschehen
ist. Unter diesem Jahre war sie in dem ersten
chronologischen Verzeichnis Aurifabers eingeschrieben;
eher mag sich der Schreiber darin geirrt haben, dass er
Leonhard B. noch für den Pfarrer von Guben hielt – ein
Irrtum, der bei der großen Zahl von „Pfarrern“, welche
sich an Luthers Tisch einfanden, leicht erklärlich ist.
Ich bin durchaus nicht zweifelhaft, dass jeder
ruhig abwägende Historiker dieser Argumentation
zustimmen wird und habe die ganze Sache nur deshalb hier
zur Sprache gebracht, um zu zeigen, wie Kolde nach jedem
Strohhalm greift, um sich vor dem Ertrinken zu retten.
Er würde übrigens, selbst wenn ihm dieser Vorstoß
gelungen wäre, die Tatsache nicht leugnen können,
dass Luther in den letzten Jahren seines Lebens
nirgends mehr Ruhe fand, dass er wiederholt von
Wittenberg heimlich entfloh, dass er sich unstet von
einem Freunde zum andern begab und kaum in Eisleben
angekommen, auch dort entfliehen wollte.
Mit gewohnter Sophistik sucht Kolde freilich auch diese
letztere Tatsache zu leugnen; ich will ihm aber, nachdem
ich ihm schon mitgeteilt habe, was
Matthäus
Ratzeberger,
Ludwig
von
Seckendorf und Dr. Gottfried
Schütze darüber äußerten1,
jetzt noch
Aurifabers
Zeugnis aus den „Tischreden“
vorführen.
1
Auf meine Bemerkung
hin,
dass nach Ratzeberger „die vorwirreten
(verworrenen = verstrittenen)
Grafen noch heutigen tages“, d.h. mehrere Jahre nach dem
Tode Luthers „nicht eins sind und daruber
(darüber hinaus)
von tage zu tage
an
Vermögen und Ansehen
abnehmen und vorderben
(verkommen / korrumpieren)“,
erwidert Kolde schriftlich: „das ist ebenso schlagend,
als wenn jemand behaupten wollte, der Tilsiter Friede
von 1807
(Napoleon, Zar und Preußenkönig ordnen Europa neu)
ist niemals geschlossen worden, weil im Jahre 1813 der
Krieg wieder ausbrach.“ – Unmittelbar nach dem Zitate
aus Ratzeberger hatte ich ein solches aus Seckendorf und
einen Hinweis auf Schütze folgen lassen, welche
beiderseitig zugaben, dass Luther zu Eisleben
in der Hauptsache
gar nichts
ausgerichtet hatte. Hierüber
schweigt
Kolde
vollständig.
So lässt sich freilich leicht „Geschichte“ machen !
Es handelt sich um die letzten Aufzeichnungen Aurifabers;
es lässt sich also wohl annehmen, dass derselbe sie mit
besonderer Sorgfalt vor dem Drucke kontrolliert haben
wird.
Das Zitat steht nicht am Ende der „Tischreden“, sondern
im Kapitel, welches von der „Uneinigkeit“
handelt (Eislebener Ausgabe von 1569 fol. 442 ff.
=
Blatt 442 f.).
Der Sammler
(der Zitate der Tischreden)
beginnt das Kapitel mit Äußerungen, welche Luther am 10.
Februar 1546 hatte fallen lassen; es folgen dann Reden,
die „nach wenig tagen“ geschahen und zuletzt heißt es:
„Und
als Dr. M. Luther
gantzer drey
(ganze 3)
Wochen
zu Eisleben gelegen war / vnd zwischen den Graffen zu
Mansfeld seinen Lands-Herrn gehandelt
(verhandelt)
/
vnd sie gern mit einander vertragen hette / Aber
wenig fruchthbares
ausgerichtet / hat er am 16. tag Februarij Anno 1546.
mit Kreiden in seiner Schlaffkammer an die Wand
geschrieben diese wort /
Wir können nicht thun / was jederman wil /
Wir können aber wol thun / was wir wollen.
Damit hat er beklagen wollen / das die Parten wol haben
wollen von den Richtern / das sie jren Sachen beyfallen
/ vnd sie recht sprechen vnd billichen solten / Aber die
Parten gleichwol sich auch an Gleich vnd Recht nicht
wolten gnügen lassen / Sondern allen mutwillen treiben /
vnd dennoch wolten from vnd gerecht sein.“
„Und
als Dr. Martin Luther ganze 3
Wochen
in Eisleben war, um zwischen den Grafen zu Mansfeld,
seinen Landes-Herren, zu verhandeln und für diese gerne
eine vertragliche Einigung untereinander hätte erreichen
wollen, aber wenig Fruchtbares
ausrichten konnte, hat er am 16. Februar im Jahr 1546 in
seiner Schlafkammer folgende Worte mit Kreide an die
Wand geschrieben:
Wir können (zwar) nicht tun, was jedermann will,
wir können aber sehr wohl (das) tun, was wir wollen (=
verlangen).
Damit hat er beklagen wollen (= bemängelt), dass die (Streit-)Parteien
von den Richtern das Wohlwollen haben wollten, indem sie
ihren Angelegenheiten Beifall leisten (= zustimmen),
Recht sprechen und diese billigen sollten, aber die
Parteien wollten sich dessen ungeachtet auch mit dem
Gleichheits-Grundsatz und der Rechtsprechung trotzdem
nicht zufrieden geben, sondern trieben jeden
erdenklichen (auf den eigenen Vorteil bedachten)
Mutwillen und dennoch wollten sie dabei als fromm und
gerecht gelten.“
Am 28. Januar war Luther in Eisleben angekommen; die
„gantzer drey Wochen“ (ganzen 3
Wochen) füllen somit genau die Zeit seines ganzen
dortigen Aufenthaltes aus. Es ist auch anzunehmen, dass
er am 16. Februar die beiden obigen Verse an die Wand
geschrieben hat und nicht,
wie Ratzeberger meldet, die Worte:
„Pestis
eram vivus.“ „Als Lebender war ich
die Pest.“ etc., denn diese letzteren Worte hatte
er nachweislich schon früher geschrieben.
Aurifaber, der als Sekretär Luthers mit an der
Verhandlung beteiligt war, berichtet also ausdrücklich
und zwar in seinem abschließenden Urteil, dass
Luther in Eisleben „wenig fruchtbares“ ausgerichtet
hat, was auch mit der
Angabe Seckendorfs, den Kolde ignorierte,
übereinstimmte.
Wenn Kolde dagegen einen Brief Luthers an seine „Frau“
vom 14. Februar anführt, worin er sagt, dass „fast
alles verglichen“ (beigelegt
*) sei, so ist schon das „fast“ bedenklich; aber
dem „Manne, der wiederholt seine „Frau“ verlassen hatte,
und seinen Freunden den ausdrücklichen Rat gab, zu lügen
und zu betrügen (vergleiche „Historische Kritik“ Seite
39 / Buch 2), wird es wohl
auch auf eine Lüge mehr oder weniger nicht angekommen
sein, zumal er der Verlassenen damit ein Trosteswort zu
sagen glaubte1.
*
Vergleich = Einigung in einem Streitfall, gütlicher
Ausgleich
1 Kolde wird schwerlich wagen, alle
die Briefe, welche Luther an oder über
seine Frau
„Käthe“ geschrieben
hat,
im Druck zu veröffentlichen, obwohl man früher manche
derselben dem Druck anzuvertrauen sich nicht gescheut
hat. – So weit ich sehe, war der letzte, welcher
katholischerseits in unserem Jahrhundert sich mit
diesem Thema befasste, der Pater Augustin Theiner
(deutscher
Kirchenrechtler und Historiker).
Derselbe wies insbesondere auf die aftermystischen
*
Momente hin, welche in den Worten
und Werken Luthers in eigentümlicher Weise zu Tage
treten.
* Aftermystik: Vortäuschung mystischer Erlebnisse
oder Nachahmung mystischer Verhaltensformen in
Ermangelung echter mystischer Erfahrung. Spirituelle
Heuchelei mit der imaginären Schaffung eines
konstruierten Gottesbildes. Bei einseitiger
Herzensbildung, sentimentaler Gemütsstimmung und
religiös erhitzter Phantasie schwelgten die
Aftermystiker (z.B. Xaver Bayer) auf
protestantisch-pietistische Weise in dem - durch die
sogenannte „Erweckung“ - erlangten Fiduzialglauben
(fiducia = Vertrauen), durch welchen sie der erlangten
Sündenvergebung und des „süßen Einwohnens Christi in der
Seele“ schlechthin gewiss zu sein glaubten. Dabei
wollten sie auch des heiligen Geistes speziell zu dem
Zwecke teilhaft geworden sein, dass sie die heilige
Schrift als die einzige Quelle des Glaubens richtig
verstehen und genussreich betrachten könnten. Indem sie
den Fiduzialglauben an die Versöhnung durch das
Kreuzesopfer einseitig betonten, leugneten diese
Aftermystiker entschieden die Verdienstlichkeit der
guten Werke und den Sühneopfer-Charakter der heiligen
Messe, auf welche sie überhaupt nicht viel hielten; sie
waren Gegner der Marien-Verehrung, betrachteten
sich als die alleinige wahre, unsichtbare, innere
Kirche, erwarteten die baldige Wiederkunft des Herrn,
hielten unter sich häufige Konventikel (religiöse
Zusammenkünfte), verbreiteten eifrigst verschiedene
aftermystische Schriften, waren aber gegenüber den
„Nichterweckten“, besonders gegenüber den kirchlichen
Behörden, in Beziehung auf das Spezifische ihrer Lehre
äußerst zurückhaltend. Bischof Johann Maria von Augsburg
sagte in einem Warnungsschreiben 1823 an seine
Diözesanen, dass er Lüge und Heuchelei, Ränke und
Verstellung, Meineid, Glaubens- und Sittenstolz nicht
nur an den Häuptern der aftermystischen Sekte, sondern
auch an den irregeführten Jüngern im Volk wahrgenommen
habe. Theiner macht darauf
aufmerksam, dass Luther seine „Schandtaten“ absichtlich
an gewissen Festtagen der Kirche beging; dass er
zum Hohn auf die heilige Jungfrau seine „Käthe“ einen
„Morgenstern“ nannte, eine „huldreiche Kaiserin“, zu der
er sich mehr Gutes versehe (vorhersehe = vermute,
erhoffe, erwarte / vertraue), „als
zu meinem Herrn Christo, obschon (obwohl)
ich weiß, dass sie nicht für mich gelitten hat“.
(Theiner, Schweden und seine Stellung zum Hl. Stuhl,
Augsburg 1838, Seite 170.) – Der Autor druckt dann ohne
Kommentar folgende Stelle aus Luthers Briefen an Amsdorf
ab: „Vale et pinguem maritum Melchiorem saluta, cui opto
coniugem obsequentem, quae per diem septies eum . . . .
[Es stehen hier drei Worte, welche sich auch lateinisch
nicht wiedergeben lassen.] ducat et per noctem ter bene
obtundat verbis connubialibus.“
„Lebe
wohl und grüße den fetten Ehemann Melchior (Meirisch,
der dicke Augustiner aus Dresden, der am 6. Februar
geheiratet hatte), dem ich eine gefügige Ehefrau
wünsche, welche ihn sieben Mal den Tag hindurch . . . .
. verführe / hinziehe und während der Nacht drei Mal -
mit ehelichen Worten gut / angenehm in den Ohren liege.“
(Brief an Nikolaus von
Amsdorf vom 10. Februar 1525.) Meines Erachtens liegt
hier das Aftermystische nicht nur in der Scheußlichkeit,
welche der „heilige Mann“ – wie ihn Amsdorf nennt –
ausspricht, sondern auch in den Zahlen. Das ter
(= drei Mal) ist eine Verhöhnung
der Dreifaltigkeit, das septies (= sieben Mal)
ein Hohn auf die sieben Tagzeiten
des Breviers (tägliches kirchliches Stundengebet
- Gebetbuch), des Psalmenwortes: „Septies
in die laudem dixi tibi.“ = Psalm 118:164:
Siebenmal am Tag habe ich dir das Lob verkündet.
(Vergleiche Joseph von
Görres Mystik IV, Seite 300 ff.) Es soll dem denkbar
Höchsten und Heiligsten der Kult des denkbar Niedrigsten
und Unheiligsten nach diabolischer Methode erwiesen
werden. (Vergleiche in Maibel's Mystik das Kapitel von
der Aftermystik, Luther, Zwingli etc. Seite 300 ff.)
Ein Luther-Dichter freilich hält eher alles Andere für
möglich, als dass er seinem „Heiligen“ einen sittlichen
Makel zutraute. Da habe ich doch in meiner
Dogmatik und Psychologie, obgleich ich nicht, wie Kolde
sagt, ein „Jesuitenschüler“ bin – ich habe den ersten
Jesuitenpater nicht eher vor Augen bekommen, als nachdem
ich bereits ein Staatsgymnasium und eine
Staats-Universität absolviert hatte – eine bessere
Erklärung für das widerspruchsvolle Reden und Verhalten
Luthers, als sie Kolde besitzt. Freilich, wenn er
Vorgänge, wie sie von glaubwürdigen Zeugen hinsichtlich
Luthers Begräbnisses geschildert werden, für
prinzipiell unmöglich hält, so tut sich eine
unüberbrückbare Kluft auf nicht nur zwischen seiner und
meiner Dogmatik, sondern auch zwischen unserer
ganzen Weltanschauung. Ich meinerseits bestreite
auch für die Gegenwart nicht die Möglichkeit des
Hineinragens einer übernatürlichen Weltordnung in die
natürliche; konsequenter Weise muss aber Kolde nicht nur
dies bestreiten, sondern er muss auch die Wunder
leugnen, welche in der heiligen Schrift berichtet
werden.
Es zeigt sich eben auch hier wieder, dass ein absolut
voraussetzungsloser Standpunkt für keinen
Historiker, auch nicht für den
Profan-Geschichtsschreiber, möglich ist.
Kolde schreibt denn auch mit einer Menge von
Voraussetzungen, nur sind sie fast alle entgegengesetzt
den meinigen.
Was Kolde verschweigt.
Zur Beurteilung der Gesamtleistung Kolde's ist es nicht
allein erforderlich, das zu prüfen, was er sagt,
sondern vor allem das, was er nicht sagt.
Denn bei seinem außergewöhnlichen Bedürfnis, selbst dort
viel zu reden, wo nicht viel oder gar nichts zu sagen
ist, muss sein Schweigen als doppelt beredtes
Zugeständnis gedeutet werden.
So ist denn zunächst zu konstatieren
(festzustellen), dass er
keinen Versuch mehr macht, den bekannten lutherischen
Grundsatz: Contra papatum omnia licere
(gegen das Papsttum ist alles erlaubt) – durch
Interpretationskünste
(Deutungs-Versuche) hinwegzuleugnen. Er vermag
auch nicht mehr Luthers Aufmunterung zu „dolos et
mendacia“ (Listen und Lügen =
böswillige Täuschungen) zu vertuschen.
Er spricht einfach nicht mehr davon.
Er muss ferner schweigend den Vorwurf hinnehmen, dass
ihm, dem „Lutherforscher“ nicht bekannt war, dass die
erste Leichenrede an Luthers Bahre am 19. Februar
von Jonas und nicht wie er behauptet hatte, am 20.
Februar von Coelius gehalten wurde.
Er geht drittens wiederum auf den Inhalt der
Coelius'schen Leichenrede mit keiner Silbe ein.
Er verschweigt viertens auch den Vorgang aus der
Melanchthon'schen Vorlesung, wo Melanchthon schon am 19.
Februar vor „Fabeln“
(erfundenen Geschichten) warnte, die über Luthers
Tod würden ausgesprengt
(verbreitet) werden.
Er unterdrückt fünftens (wie er es schon in seiner
ersten Schrift getan hat)
eine Stelle in dem als „Quelle“ von ihm zitierten Briefe
des Eislebener Ratsherren Johann Friedrich an seinen
Onkel, den Prediger Agricola (=
Bauer) in Berlin, wo der Briefschreiber (der
natürlich Luthers Tod nach Art des Jonas schildert)
erklärt, er habe sich beeilt zu schreiben, „ut non
prius fama praeveniente primus in vestro Marchionatu
de hac re certior fieres.“
Er habe sich beeilt zu schreiben, „damit du nicht
(schon) vorher durch ein zuvorgekommenes Gerede /
Gerücht als erster in eurer Markgrafschaft über diese
Angelegenheit benachrichtigt wirst.“
(Studium und Kritiken, 1884, Seite
161 ff.)
Er verschweigt sechstens abermals seinen Lesern, dass
ich den vollen Wortlaut der „Historia“ sowie der
Leichenrede des Coelius mitgeteilt habe1.
1
Dafür sucht er sich wieder an einen „Strohhalm“
anzuklammern. Ich hatte in der „Historischen Kritik“ u.a.
geschrieben: „Wozu brauchte ich, nachdem ich auf 14
Druckseiten die „Historia“ wiedergegeben
habe,
noch einen eineinhalb-seitigen Auszug derselben (nämlich
den Brief des Jonas an den Kurfürsten) mitzuteilen ?“
Kolde verschweigt wiederum zunächst, dass ich in
späteren Auflagen in der Tat diesen Brief erwähnt hatte
und bemerkt, dass der Brief nicht als ein
„Auszug“ aus der „Historia“ betrachtet werden könne,
weil diese „vier Wochen später erschienen“ sei. – Der
„Lutherforscher“ übersieht nur wieder, dass Coelius in
der Leichenrede u.a. sagte:
„Wir
bezeugen, dass es mit seinem Abschied also und nicht
anders ergangen sey.
Wie man dasselbige in einer Historia zusammen
getragen, im Druck freylich wird
reichlicher ausgehen lassen.“
„Wir
bezeugen hiermit, dass es mit seinem Abschied so und
nicht anders zugegangen ist.
So wie man das in einer Historie
zusammengetragen hat, wird man das im
Druck freilich noch reichlicher
(häufiger) ausgehen (herausgeben / verbreiten) lassen.“
– Also die „Historia“ war schon am 20. Februar im
Manuskript fertig; ihr Haupt-Verfasser ist
unbestritten Jonas, derselbe der den Brief
an den Kurfürsten schrieb
und da die „Historia“ eine ausführlichere Umschreibung
des Briefes mit Zutaten
(Ergänzungen) in usum publici
(für den öffentlichen Gebrauch)
ist, so ist der Brief tatsächlich ein Auszug aus
der „Historia“, wie eine Inhaltsangabe vor einem
Kapitel.
Er weiß siebentes kein Wort zu erwidern auf den von mir
erbrachten Nachweis, dass er die wichtige Stelle aus
Bozius ganz falsch übersetzt und demgemäß ganz verkehrt
interpretiert
hatte.
Dass er endlich auch das Zitat aus Seckendorf,
welches keine These, Luther habe zuletzt in Eisleben mit
Erfolg vermittelt, umstieß, einfach
ignorierte, habe ich schon oben erwähnt.
Ich schließe hiermit die Verlustliste meines Gegners.
Auf Vollständigkeit macht sie keinen Anspruch. Ich habe
nur wesentliche Dinge zur Sprache gebracht.
Wollte ich, wie Kolde, zu Strohhalmen greifen, müsste
ich ein ganzes Buch schreiben.
Auch verschmähe ich es, gleich ihm mit Fettdruck zu
operieren (verfahren), um
durch äußeren Lärm zu ersetzen, was an innerem Gehalt
fehlt.
Dass er auch Luthers „Rosina“
(Hausmädchen) aus dem Weg geht, billige ich aus
Dezenz (Taktgefühl / Rücksicht).
Sonst habe ich nur noch Mitleid mit ihm. Bedauerte ich
früher stets diejenigen Journalisten, welche am Fürsten
Bismarck alles loben mussten, so habe ich mich jetzt
überzeugt, dass die bedauernswürdigsten Menschen
diejenigen „Historiker“ sind, welche einen Luther
zu einem Heiligen machen, oder vielleicht gar
nach ihrer vom Staate ihnen übertragenen Berufsstellung
machen müssen.
Schlusswort.
Kolde erzählt, dass mit ihm „eine Reihe von Gelehrten
alle nur zugänglichen Bibliotheken durchstöbert“
hätten, um die Schrift von Kraus, von der ich den Titel
unrichtig angegeben
habe, aufzufinden.
Es ist anzunehmen, dass „die Reihe von Gelehrten“ ihren
Freundschaftsdienst nicht auf jenes einzelne Buch
beschränkt haben wird.
Wenigstens war es mir auffällig, dass ich seit den
letzten Monaten aus manchen Bibliotheken Bücher nicht so
(ungehindert) wie früher
beziehen konnte; das von mir Erbetene war meist
„verliehen“.
Ich begreife die Mühe, welche sich meine bekannten und
unbekannten Gegner gegeben haben, um mein Beweismaterial
zu entkräften; es handelte sich für sie um keine
Kleinigkeit.
Mit einem hundertfachen Vergrößerungsglas hat diese
Gelehrten-Kommission jeden Buchstaben, den ich hatte
drucken lassen, sorgfältigst kontrolliert und was ist
nun das Endresultat ihrer Untersuchung ?
Bis auf einige kleine formale Verstöße, die ich selbst
schon in der vierten Auflage zu „Luthers Lebensende“
korrigiert hatte, ist der einzige nennenswerte,
aber nicht wesentliche Irrtum die Applikation,
welche ich von dem Satze des Longolius gemacht hatte.
Kolde selbst und seine Gehilfen haben diesen Irrtum erst
spät,
in der 3. Auflage, entdeckt.
Ich bin wirklich erfreut darüber, dass ich nun endlich
der rasenden See ein Opfer zuwerfen kann; ein Opfer,
welches mir umso weniger schwer wird, als (wie aus dem
unten folgenden Anhange hervorgeht) ich durch
bedeutenden Ersatz, den ich teils selbst gewonnen, teils
ebenfalls durch freiwillige Mitarbeiter erlangt habe,
zehnfach entschädigt bin.
Sollte ich darum in der Lage sein, eine nochmalige
Auflage von „Luthers Lebensende“ und der „Historischen
Kritik“ drucken zu lassen, so brauche ich von meinen
Belegstellen nur wegzustreichen die von Longolius;
alles andere dagegen hat sich als unanfechtbar erwiesen.
Dies ist das schließliche
Resultat der achtmonatlichen literarischen Fehde.
Damit ist dafür gesorgt, dass der wahre Hergang bei
Luthers Ende nicht mehr für die Zukunft wird
verschleiert werden können !
Nachträge.
Schon in der zweiten Auflage zu „Luthers Lebensende“
sind neue Beweisstellen für das thema probandum
(das zu prüfende Thema =
Beweis-Thema ) enthalten und die späteren
Auflagen, sowie die „Historische Kritik“ über „Luthers
Lebensende“ brachten deren in noch reicherem Masse.
Inzwischen haben sich zahlreiche Freunde im In- und
Auslande, bekannte und unbekannte, für die Angelegenheit
interessiert,
und mir umfassendes, neues Material zugeführt, von
welchem ich das wichtigste in Verbindung mit dem von mir
selbst neu gewonnenen hier folgen lasse.
1.
Das neue Evangelium machte so geringe Fortschritte und
rief bei Luther sogar bezüglich seiner materiellen
Existenz so große Besorgnisse hervor, dass er in der
Verzweiflung schon im Jahre 1526 beschloss, ein
Handwerk zu erlernen,
um sich und die Seinigen dadurch zu ernähren.
Er ließ sich von Link aus Nürnberg Geräte zur
Anfertigung von Drechsler-Waren
(Holz-Produkte) schicken
und motivierte dies also
(begründete dies so):
„Wenn
die Welt durchaus nicht mehr um des Wortes willen
uns nähren mag, wollen wir lernen, mit unserer Hände
Arbeit uns zu erhalten und wollen den Unwürdigen und
Undankbaren nach dem Vorbild unseres Vaters im Himmel
dienen.“
(De Wette, III, 59. 178. 186.)
Diese Stelle wird auch von Köstlin (II, 169) zitiert,
der zugeben muss, dass der „Gottesmann“ nicht bloß zur
„Erholung“ drechseln wollte, sondern „als Zweck“ den
vorerwähnten Passus
(Textabschnitt) aus dem Briefe an Link angegeben
habe.
2.
Nach dem Corp. Reformat. VI, 8
(Corpus Reformatorum = Sammlung bzw. Sammelwerk der
Reformatoren, Halle - Saale, 1834, Band 6, Seite 8)
hatte derjenige, welcher die Ansprache
Melanchthons an seine Zuhörer, betreffend den Tod
Luthers, nachgeschrieben hat,
seinerseits folgende Bemerkung gemacht:
„Haec
sequentia D. Philippus Melanchthon hora nona ante
prandium cum convenissemus ad auscultationem Epistolae
Pauli ad Romanos publice recitavit, commemorans, se hoc
ex consilio aliorum Dominorum facere, eam ob causam, ut
nos admoniti de rei veritate, quia scirent, multas
fabellas hinc inde de morte Lutheri vagaturas esse,
figmenta illa sparsa non amplecteremur.“
Martin Luther starb am 18. Februar 1546. Bei der
Beerdigung bot Philipp Melanchthon am folgenden Tag in
der Aula (im Versammlungssaal) der Schule von Wittenberg
am 19. Februar 1546 eine Laudatio (Lobesrede).
„Diese
Textfolge hat Dr. Philipp Melanchthon in der neunten
Stunde vor der Mahlzeit, als wir zur Anhörung des
Briefes des Paulus an die Römer zusammengekommen waren,
öffentlich vorgelesen, erwähnend, das
durch den Ratsbeschluss
der anderen Herren zu machen, aus dem Grund,
damit wir uns an die Wahrhaftigkeit der Sache erinnern
(= wie sich die Sache wirklich verhält), weil sie wissen
/ merken würden, dass von hier und dort viele
Lügengeschichten über den Tod Luthers im Begriff sind
verbreitet zu werden, damit wir jene ausgestreuten
Erfindungen / Phantasien nicht annehmen / glauben.“
Wie es auch aus seinen eigenen Worten hervorging
(„Historische Kritik“ Buch 2:
Seite 52), „wusste“ Melanchthon im Voraus, dass „multae
fabellae de morte Lutheri“ (viele
Lügengeschichten über den Tod Luthers) verbreitet
werden würden.
Da sich Melanchthon sonst in allen Stücken als
falscher Prophet erwiesen hat, ist nicht anzunehmen,
dass diese richtige Prophezeiung übernatürlichen
Ursprungs gewesen war.
3.
In dem Sammelwerk „Supplementum historiae Gothanae
tertium Joannis Dinchelii etc. Jenae 1716“
(3. Ergänzung zur Gotischen
Geschichte, von Johannes Dinckel, Jena 1716)
findet sich Seite 105 ein Brief von Johann Lang
aus Erfurt an Myconius in Gotha d.d. „ad nonam in nocte
diei Dominicae“ (i.e. 21. Februar) 1546
= de dato: vom Tag des Datums an
„zur römischen neunten Stunde in
der Nacht = 3 Uhr nachts, am Tag des Herrn, sonntags“ (id
est = das ist der
21. Februar) 1546
abgedruckt, worin Lang seinem Schmerze über den Tod
Luthers Ausdruck gibt, in Heuchelei oder Unwissenheit
frägt, wer den Melanchthon1
trösten würde und dann wörtlich bemerkt:
1
Melanchthon war der „Tyrannei“ Luthers zuletzt dermaßen
überdrüssig geworden, dass er sich über seinen Tod
freute. (Gottfried
Arnolds Ketzergeschichte II, Seite 367.) Der auf Luthers
Tod bezügliche Vers, welchen einzelne
Melanchthon-Dichter diesem zuschrieben: „Nulla ferent
talem secla futura virum“
(„Keine zukünftigen
Zeitalter werden jemals einen solchen Mann
hervorbringen“) – rührt nicht, wie
aus dem oben zitierten Sammelwerk (Seite 99) hervorgeht,
von Melanchthon, sondern von Basilius Monner
(= Basilius Vimariensis)
in Torgau her.
„Ego
curavi ut in omnibus templis pro concione
(=
contione) significaretur, D. Lutherum esse
liberatum ex carne et hac ratione: et illud quidem
propter calumniatores et ut fideles agant Deo pro
hoc organo gratias ac orent, ut Deus custodiat Ecclesiam
suam spiritumque S. (= sanctum)
suum ne auferat ab ea.“
„Ich
habe dafür gesorgt, dass in allen Kirchen vor der
Volksversammlung / Predigt verkündet wird, dass Doktor
Luther aus dem Fleisch / Leib befreit worden ist und
zwar aus diesem Grund: jenes sowohl gerade (gewiss)
wegen der Verleumder /
böswilligen Ankläger als auch
damit die Gläubigen / die Getreuen für dieses Werkzeug
(Orgel-Pfeifenwerk) dem Gott Dank sagen mögen und auch
beten mögen, auf dass Gott seine Kirche hüten / bewahren
möge und seinen Heiligen Geist von ihr nicht wegnehmen
möge.“
Der Schreiber dieses Briefes, der, wie man sieht, noch
den Vulgata-Text
(382 n. Chr. beauftragte Papst Damasus I. den Theologen
Hieronymus mit der Herstellung einer einheitlichen
lateinischen Übersetzung der Bibel, genannt Vulgata =
die
allgemein verbreitete und übliche, die
Volkstümliche)
zum 50. Psalm kennt, wehrt sich also
auch in Erfurt gegen
die „calumniatores“
(Verleumder / böswillige Ankläger).
Die Erzählungen derselben mussten somit gleichzeitig mit
dem Briefe, welchen Lang (aus Eisleben) erhalten hatte,
angekommen sein1.
1
Der Wortlaut des Schreibens ist folgender:
|
Optimo Viro Domino Friderico Myconio, apud Gotham
Pastori primori, in Christo suo.
Gratia et pax a Deo patre propter Christum. Acceptis
literis Sabbato, mi Frederice, ex Islebio, de obitu
Reverendi et optimi patris nostri D.
(= Divus / Dominus) Doct.
Lutheri, mox convocatis Symmystis, tristissimum hoc
nuncium illis significavi. Principio nobis quidem est
dolendum, qui tanto interprete et Episcopo in hac
calamitate destituimur, ubi periculum est, ut olim in
aedibus meis D. Philippus Melanchthon dixit, quod multi
sint futuri, qui velint esse Lutheri, non tantum
Agricola, Pincerna et Osiander, sed et mori etc.
Ab quanto moerore afficietur noster Philippus ? Quis
illum consolabitur ? An eam gratiam habet Pomeranus apud
Philippum ? Si tu bona valetudine esses, vellem te cum
eo esse. Sed verum et illud quoque est, D. Doct. Luthero
bene esse factum, qui ex his calamitatibus est ereptus,
et huc usque non venit in manus inimicorum et hostium
suorum, sed est in lectulo ac quiete in Christo mortuus.
Videor mihi operae pretium facturus, si ad te Simonis
Islebiensis conciliatoris Epistolam ad me perscriptam
transmisero. Ego curavi ut in omnibus templis pro
concione significaretur, D. Lutherum esse liberatum ex
carne, et hac ratione: et illud quidem propter
calumniatores, et ut fideles agant Deo pro hac organo
gratias, ac orent, ut Deus custodiat Ecclesiam suam
spiritumque suum ne auferat ab ea. Vale, et boni consule.
Scripsi haec ad nonam in nocte diei Dominicae, 1546.
Johan,. Langus T.(=
Theologus)
|
|
An Herrn Friedrich Myconius
(Reformator von Thüringen), mein Bester, dem ersten
Pastor zu Gotha – dem Seinen in Christus.
Gnade und Friede von
Gottvater (sei mit dir) durch Christus. Habe am Samstag
einen Brief erhalten, mein Friedrich, aus Eisleben, über
das Hinscheiden von Hochwürden und unseres besten
Vaters, des seligen / göttlichen* / Herrn Doktor Luther,
bald darauf - als die Miteingeweihten zusammengerufen
wurden - habe ich jenen diese äußerst traurige Nachricht
mitgeteilt.
* Divus = Name der nach
dem Tode vergötterten Menschen
Grundsätzlich müssen
wir gewiss trauern, welche in diesem Unglück von einem
so großen Übersetzer und Bischof (hilflos)
zurückgelassen werden, worin eine Gefahr besteht,
nämlich dass in Zukunft in meinen Gotteshäusern, hat
Doktor Philippus Melanchthon gesagt, viele sein werden,
welche anstelle von Luther sein wollen, nicht so sehr
Agricola, Pincerna und Osiander, aber auch sterben etc.
Von welch großer Trauer wird unser Philipp erfüllt
werden? Wer wird jenen trösten? Oder ob diese Gnade
Pomeranus in der Gegenwart von Philipp aufweist? Wenn du
bei guter Gesundheit bist, würde ich Wert darauf legen,
dass du mit ihm zusammen bist. Aber es ist wahr und
jenes ebenfalls, dass es dem seligen / göttlichen /
Herrn Doktor Luther gut ergangen ist, welcher aus diesen
Unglücksfällen entrissen / entronnen ist, und er ist
sogar dazu / hier heraus immerwährend nicht in die Hände
seiner Feinde und Widersacher geraten, sondern im Bett
und dazu im Schlaf gestorben. Es scheint mir / ich habe
den Eindruck, etwas Dankenswertes zu tun, wenn ich den
Brief des Vermittlers Simon von Eisleben - an mich
ausführlich aufgeschrieben - an dich hinübergeschickt
haben werde. Ich habe dafür gesorgt, dass in allen
Kirchen vor der Volksversammlung / Predigt verkündet
wird, dass Doktor Luther aus dem Fleisch / Leib befreit
worden ist und zwar aus diesem Grund: jenes sowohl
gerade (gewiss) wegen der Verleumder / böswilligen
Ankläger als auch damit die Gläubigen / die Getreuen für
dieses Werkzeug (Orgel-Pfeifenwerk) dem Gott Dank sagen
mögen und auch beten mögen, auf dass Gott seine Kirche
hüten / bewahren möge und seinen Geist von ihr nicht
wegnehmen möge. Leb wohl und gib dich (des Guten)
zufrieden. Ich habe dies zur neunten Stunde am Tag des
Herrn (= Sonntag) geschrieben, 1546.
Johann Lang T. (= Theologe).
|
An Herrn Friedrich
Myconius (Reformator von Thüringen), mein Bester, dem
ersten Pastor zu Gotha – dem Seinen in Christus.
Aus diesem Briefe geht auch noch der Umstand hervor,
dass Luthers Freunde von lebhafter Furcht erfüllt waren,
ihr Meister könne „in die Hand seiner Feinde“ fallen.
Luther selbst gab in den letzten Monaten seines Lebens
dieser Besorgnis wiederholt Ausdruck, namentlich, als
der Kaiser sich Sachsen näherte. Der „Reformator“ wusste
eben zu gut, welche Strafe das Staatsgesetz auf sein
revolutionäres Verhalten gesetzt hatte.
4.
Aus dem Escorial in Spanien
(Kloster-Palast mit Bibliothek bei Madrid) wird
mir geschrieben:
„En
el códice del Escorial: ij. V. 4
(= 2. 5. 4) que tiene por titulo: „Relaciones de
cosas sucedidas en la Christiandad desde el anno de 1510
hasta el anno de 1558,“ al fol. CCLXXVIII
(= folium 278) que se
encabeza: „Resolución y Memoria de cartas llegadas a la
corte en Madrid fechas a diez dias de abril. 1546“ se
lee de Martin Lutero lo siguiente:
„Martin
lutero murió a los 14. de hebrero
(=
febrero)
de
una enfermedad
furiosa y repentina.
dexo
(= dejó)
siete hijos y huuo
(= hubo)
en una abadesa que avia
(= había,
lat.: habere)
cotorze
(= catorce)
annos
(= años)
que era
profesa y era noble de la casa del duque
de
saxonia annq
(Anna)
bastarda.
Pocos dios
(=
dias)
antes y murese
(= que morrese)
avia
(=
habia)
escrito ona exortasió
(= una
exhortación)
a los
principes luteranos.“
|
|
„Im
Urkunden-Verzeichnis der Escorial-Bibliothek: Nummer 2.
V. 4, steht unter dem Titel: „Zusammenhang von
Tatsachen, die sich in der Christenheit ab dem Jahr 1510
bis ins Jahr 1558 ereignet haben“, auf dem Blatt Nr.
278, welches die Überschrift führt: „Beschluss- und
Berichte-Verzeichnis der eingelangten Zuschriften
(Dokumente) am Königshof in Madrid, Datum:10. Tag im
April 1546“ ist über Martin Luther folgendes zu lesen:
„Martin
Luther starb am 14. Februar an einer tobsüchtigen und
urplötzlichen Krankheit. Er hinterließ sieben Kinder*
und eines davon wurde Äbtissin (= Vorsteherin eines
Nonnenklosters)
mit 14 Jahren, denn sie
war Klosterfrau
und (angeblich) eine Adelige vom Haus des Herzogs von
Sachsen sei, nämlich Anna*, ein uneheliches Kind.
Wenige Tage vor dem Tod (Luthers) hatte sie an die
lutherischen Fürsten eine Aufforderung (Aufruf = Appell)
geschrieben.“
|
*
Laut Lexikon hatte M. Luther offiziell
nur 6 Kinder. Somit ist die besagte Äbtissin Anna das
unbekannte 7. Kind von M. Luther. Zum Namen: Anna war
zudem die Lieblingsheilige Martin Luthers.
Die Äbtissin Anna von Plauen war zwar die
Schwestertochter von Fürst Wolfgang zu Anhalt, ist aber
bereits 1458 verstorben
(vor
der Geburt Luthers 1483), daher handelt es sich
höchstwahrscheinlich um: Anna zu Stolberg (1504 ? –
1574), sie war als Anna II. die 28. Äbtissin des
Reichsstiftes von Quedlinburg, welche die lutherische
Lehre annahm. Den ersten Versuchen, in Quedlinburg die
Reformation zu verbreiten, stellte sich der katholische
Herzog Georg von Sachsen als Schutzherr des Stiftes
energisch entgegen.
Diese Anna war offiziell die Tochter des Grafen Botho zu
Stolberg und seiner Gattin Anna von Eppstein-Königstein.
Sie wurde - nachdem ihre Vorgängerin Magdalena der Abtei
von Quedlinburg entsagt und zu Gandersheim gestorben war
- vom 13. Lebensjahr an vom Kapitel (Körperschaft der
Geistlichen) gewählt und im Jahr 1515 von Papst Leo X.
und 1516 vom Kaiser Maximilian I. bestätigt und am 5.
November feierlich eingeführt. Quelle: Wikipedia.
Die Äbtissin Anna von Stolberg sieht der Mutter von
Martin Luther - wie aus dem Gesicht geschnitten - sehr
ähnlich. Quelle: Google Bilder.
Das obige Zitat ist schon mitgeteilt (nach einer
Petersburger Kopie) in der (protestantischen)
„Zeitschrift für Kirchengeschichte“ IV, Seite 298, und
Professor Kawerau benützt es in seinem oben besprochenen
Schriftchen, um darzutun
(offenzulegen), wie man über Luthers Tod bis nach
Spanien „gelogen“ habe.
Ohne Zweifel sind in den angeführten Sätzen mehrfache
Ungenauigkeiten enthalten; aber die Hauptsache ist, dass
darin gesagt wird, Luther sei verstorben „de una
enfermedad furiosa y repentina,“
(an einer tobsüchtigen und
urplötzlichen Krankheit = wegen plötzlicher Besessenheit
),d.h. an plötzlicher Geistesstörung, oder, um
ganz wörtlich zu übersetzen, „an einer wahnsinnigen und
plötzlichen Krankheit“.
Diese Behauptung ist enthalten in einem
Gesandtschaftsbericht vom 10. April 1546, als die „Historia“
schon längst verbreitet worden war. Man sieht daraus,
welchen Glauben die Staatsmänner der Arbeit des Jonas
und Genossen schenkten. –
Dass die Krankheit des Wahnsinns an und für sich nicht
tödlich ist, braucht nicht erst gesagt zu werden1.
1
Als im Jahre 1888 der Landgraf Friedrich Wilhelm von
Hessen auf einer Reise um die Welt einen plötzlichen Tod
fand, wurde amtlich berichtet, derselbe sei „in einem
Anfalle von Geistesstörung über Bord gefallen“. – Von
dem plötzlichen Ableben noch berühmterer
Persönlichkeiten aus neuerer Zeit berichteten die
Offiziösen
(halbamtliche Stellen,
z.B. Zeitungen) anfänglich, die
Entseelten seien „in momentaner
Geistesstörung am Herzschlage“ verstorben. – Vom
medizinischen Standpunkte hatten Jonas und Genossen den
Fehler begangen, dass sie den sterbenden Luther immer
längere Bibel-Sprüche hersagen ließen, je kürzer ihm der
Atem geworden sein sollte.
5.
Joannes Nasus (Johannes Nas),
Franziskaner und Weihbischof von Brixen (Tirol /
Österreich), ein Zeitgenosse Luthers (1534 –
1590), sagt in seiner „Quinta Centuria, das ist, Das
Fünfft Hundert der Evangelischen warheit“
(Das 5. Jahrhundert der evangelischen Wahrheit),
Ingolstadt 1570 über die „Historia“ des Jonas und
Genossen:
„Was
die gaucln von seinem (Luthers) gebet vn wünschung alles
vnglücks den Catholischn (betrifft), das ist
greiflich erdichts ding, will sein derhalbn
geschweigen, auff weiteren Bescheid.“
„Was
die über Luthers Gebet vortäuschen (an Blendwerk
betreiben) und was das Wünschen allen Unglücks für die
Katholiken betrifft, so ist das eindeutig eine
wahrlich erfundene Sache, deshalb will ich erst
recht nicht (schon gar nicht) von ihnen reden, bis auf
weiteren Bescheid.“
Einen „weiteren Bescheid“ (neue
Erkenntnisse) konnte ich nicht finden, vielleicht
aber ist er in der nachfolgenden Stelle, welche das
Kapitel über Luthers Tod beschließt, enthalten:
„In
dissem 1546. Jar ist in der Mark
(Westfalen oder Brandenburg) ein münchsfisch
gefangen worden, mit einem schwartzen kopf, wie ein mor,
als wann einer erhemckt wirdt, oder wann einem der
teuffel den Halss abbricht.“
„In
diesem 1546. Jahr ist in der Mark (= Brandenburg oder
Westfalen) ein Mönchsfisch (Barsch-Art) gefangen worden,
mit einem schwarzen Kopf, wie ein Mohr (Afrikaner), als
wenn einer erhängt wird, oder wenn einem der Teufel das
Genick bricht.“
Die Übereinstimmung mit den fünf Jahre später zu Paris
erschienenen Angaben des Claudius de Sainctes
(vergleiche 4. Auflage von „Luthers Lebensende“ Seite
20:
Buch 1) ist unverkennbar.
6.
Paul Sarpi schreibt in seiner „Geschichte des
Tridentinischen Konzils“, Frankfurt 1621, Seite 162:
„Magna
Patribus Tridentinis et Curiae Romanae accensa spes eius
[Lutheri] morte qui in oppugnandae Ecclesiae Romanae
doctrina et ritibus, plurimarum palmarum homo fuisset,
schismaticorum primipilus et novitatum architectus idque
fatum, foelicem (= felicem)
Concilio successum portendere hoc magis augurabantur,
quod per Italiam secundo rumore, multis prodigiosis
fabulosisque circumstantiis comitatum diceretur quas
illi miraculo et Numinis vindictae tribuebant:
licet ei morienti re vera non aliud acciderat, quam
hominibus LXIII aetatis annum agentibus (climacterio
enim obierat) usuvenire (= usu
venire) solet.“
„Große
Hoffnung / Besorgnis ist bei den Tridentinischen Vätern
(Konzils-Teilnehmern) und unter der Römischen Kurie*
entflammt über dessen (Luthers) Tod, welcher – um die
Römische Kirche zu bekämpfen – durch die Glaubenslehre
und religiöse Bräuche (Riten) ein Mann sehr vieler Siege
gewesen wäre, erster Zenturio (Hauptmann) der Legion der
Schismatiker (Kirchenspalter) und Anstifter / Baumeister
der Erneuerungen und auch ein solch verhängnisvolles
Schicksal – dieses vielmehr, um den glücklichen /
erfolgreichen Verlauf beim Konzil anzukündigen, wurden
geahnt / vorhergesagt, zumal durch ein nachfolgendes
Gerücht aus Italien gesagt wurde - von vielen
ungeheuerlichen / seltsamen und unglaublichen Umständen
begleitet, welche jene durch das Wunder sogar als
göttlichen Wink / Willen der Befreiung auslegten:
Mag sein, dass ihm im Sterben in Wahrheit nicht etwas
anderes zugestoßen wäre, als es bei den lebhaften /
tätigen Menschen des 63. Altersjahres (denn er war dem
Klimakterium = dem kritischen Lebensjahr
entgegengegangen) vorzukommen pflegt.“
*
Römische Kurie (=
Curia Romana) bedeutet die Gesamtheit der Dikasterien
(Ämter) und Einrichtungen, die dem Papst bei der
Ausübung seines obersten Hirtenamtes behilflich sind,
das Instrument durch das der Papst die Angelegenheiten
der Gesamtkirche behandelt.
Sie nimmt die ihr übertragenen Aufgaben im Namen des
Papstes und in seiner Autorität wahr.
(can. 360 CIC, vgl. auch: Zweites Vatikanisches Konzil,
Dekret: Christus Dominus Nr. 9)
Der Begriff „Römische Kurie" bezeichnet sowohl den Papst
als auch die Dienststellen.
Bei der Ausübung der höchsten, vollen und unmittelbaren
Gewalt über die Gesamtkirche bedient sich der Papst der
Behörden der römischen Kurie. Diese versehen folglich
ihr Amt in seinem Namen und mit seiner Vollmacht zum
Wohle der Kirchen und als Dienst, den sie den geweihten
Hirten leisten.
Pallavicini
(Kardinal Pietro Sforza Pallavicino,1607-1667)
bestätigt in
seiner Konzilsgeschichte die Existenz dieser
Gerüchte, ohne sie näher zu prüfen.
Er erwähnt, dass „alle guten Katholiken“ über den Tod
Luthers erfreut waren. (Pallavicini, Geschichte des
Tridentinischen Konzils, deutsch von
Theodor Friedrich Klitsche,
Augsburg 1835, II. Seite 238.)
7.
Matthäus Tympius
(Thympe), Rektor des Collegium Dettenianum
(Kollegium Dettenianum, Kollegium
= Gemeinschaft bzw. Lehrerschaft einer Hochschule /
heute: Familien-Stiftung) zu Münster, weist in
seinem „Theatrum historicum, continens vindictas divinas
et praemia christianarum virtutum,“ Coloniae 1614, S.
108 auf den Tod Luthers nach Bozius hin.
„Historisches
Theater = Geschichtlicher Lehrgegenstand bzw.
historische Veranschaulichung, zusammenhängend mit den
göttlichen Strafen und den Belohnungen der christlichen
Tugenden,“ Köln 1614.
8.
Mathias Faber, S.J.
(Societas
Jesu =
Orden der Jesuiten),
schreibt im „Opus tripartitum“ Coloniae 1646, III. pap.
732
(„dreiteiliges Werk“ - Köln 1646,. Band 3, Papier 732 /
Titel: Concionum opus Tripartitum = dreibändiges
Sammelwerk - seiner vielen Predigten, Ingolstadt 1631):
„Lutherus
mane in lecto ore contorto veluti strangulatus – haud
dubie
a cacodaemone
–
latere uno vultuque denigrato, mortuus est repertus.
Quis unquam Sanctorum ita mortuus est ?“ – Bezüglich des
Leichenbegängnisses sagt er: „Adfuerunt etiam Lutheri
funeri longinqui et peregrini hospites, ingens turba
Cacodaemonum. Adfuit enim ingens turma crocitantium
corvorum funeri supervolitans, foetido supra modum licet
medio frigore et stanneo loculo corpus inclusum esset.
Corvi isti ac diaboli potius pro corpore Lutheri
litigarunt.“
„Luther
wurde morgens im Bett mit einem verdrehten Antlitz
ebenso wie erdrosselt - ohne Zweifel von einem bösen
Dämon – auf einer Seite (liegend) und mit einem
völlig geschwärzten Gesicht tot vorgefunden. Wer unter
den Heiligen ist jemals so verstorben?“ – Bezüglich des
Leichenbegängnisses sagt er: „Beim Begräbnis Luthers
sind außerdem auch auswärts lebende und fremdländische
Gäste zugegen gewesen, ein ungeheuer großes Getümmel an
bösen Geistern. Denn eine sehr zahlreiche / gewaltige
Schar an laut krächzenden Raben ist nämlich - über dem
Leichenzug hin und her fliegend - anwesend gewesen, mit
einem Gestank über das gehörige Maß hinaus, obwohl der
Leichnam mitten in der Winterkälte und in einem Sarg aus
Zinn eingeschlossen war. Diese Raben und dazu vielmehr
die Teufel haben um den Körper Luthers gestritten.“
9.
Thomas Malvenda, Ord. Praedic.
(= Ordo fratrum Praedicatorum =
Orden der lobpreisenden Brüder = Predigerorden = Orden
der Dominikaner), sagt in seinem berühmten Werk
„De Antichristo“ (Über den
Antichristen), Lugduni (=
Stadt Leyden) 1647, Lib. XXIII.
(Buch 23) Seite 234 unter Bezugnahme auf
Bozius über Luthers Tod: „Notissima est huius
infamis mors“ (außerordentlich
berühmt-berüchtigt ist dessen schmachvoller ehrloser Tod
bzw. ziemlich verschrien) – ein Beweis, dass die
Mitteilung des Bozius auch noch während des
30-jährigen Krieges als „notissima“
(sehr berühmt-berüchtigt)
galt.
10.
Martin von Cochem erzählt in seinem 1690
erschienenen „Historienbuch“ den Tod Luthers in freier
populärer Darstellung, aber ganz ausführlich, nach
Stanislaus Hosius
(polnischer Kardinal),
Joannes Haren, Thomas
Bozius und Heinrich
Sedulius, indem er hinzufügt, dass er seine Erzählung „aus
bewährten Schriften“ entnommen habe1.
1
Aus Martin von Cochem stammt auch der auf Seite 18 und
19 in der „Historischen Kritik“ enthaltene, der
„Duisburger Volkszeitung“ entnommene, und in Terlindens
Schrift reproduzierte Bericht. Das alte Buch mit
herausgerissenem Titelblatt, von welchem dort berichtet
wurde, war das „Historienbuch“ von Martin von Cochem.
11.
Die von mir auf Seite 103
der
„Historischen Kritik“ als „verschwunden“ vermuteten
Schriften von Christophorus Walther und
Aurifaber existieren noch.
Herrn Kolde ist dies entgangen. Er kann Walthers
Flugschrift beziehen aus der Königlichen Bibliothek zu
Berlin, die von Aurifaber aus der Breslauer
Stadt-Bibliothek.
Beide Schriften ergeben
indes weder pro noch contra
(weder
für noch dagegen)
unserem
thema probandum
(das zu prüfende bzw. zu beweisende Thema)
einen Anhaltspunkt2.
2
Aurifaber stritt aus Brotneid mit Chr. Walther.
Beide gaben die Schriften Luthers heraus und jeder von
ihnen behauptete, die echten
Worte des „Heiligen“ der Welt mitzuteilen.
Sicherlich hatten sie beide Recht. Denn Luther
änderte mindestens jedes Jahr seine Ansichten.
Nur die Schrift des
Aurifaber erlangte dadurch eine gewisse Bedeutung, dass
ein Luther-Dichter des vorigen Jahrhunderts:
Georg
Grosch, (Nothwendige Verthaidigung der
evangelischen Kirche wider die Arnoldische
Ketzerhistorie, Frankfurt und Leipzig 1745) zum Beweise
der „elenden Beschaffenheit derjenigen Gemüther, welche
boshaftig ausgestreuet
=
verbreiteten,
Luther habe sich selbst erhencket, oder sey sonst atra
morte
= durch
einen dunklen grauenvollen Tod
gestorben,“ außer auf die
„Historia“ von Jonas etc. auf folgende Stelle aus „Aurifabers
(1565 edierten
=
herausgegebenen)
Antwort auf Christoph Walthers Lästerschrift“ sich
berief:
„Ich
[Aurifaber] bin dem heiligen Manne, Doctori Martino
Luthern, also bekannt vnd verwant gewesen, dass ich
kurtz vor seinem Absterben zweymal aus Wittenberg mit
ihm abgereiset bin vnd auf seinen Leib gewartet hab, als
er in den Wigenachten nach Mansfeld vnd das letzte mahl
nach Eisleben gefahren, da er denn aus diesem Jamerthal
abgeschiede vnd ich jme seine Augen zugedruckt
hab vnd seiner christlichen Bekäntnis vnd Abschieds ein
Zeuge bin.“
„Ich
(Aurifaber) bin dem heiligen Manne, Doktor Martin
Luther, insofern bekannt und seelen-verwandt
(nahestehend) gewesen, als dass ich mit ihm kurz vor
seinem Absterben zweimal aus Wittenberg abgereist bin
und auf seinen Leib gewartet habe, als er zu den
Weihnachtsfeiertagen nach Mansfeld und das letzte Mal
nach Eisleben gefahren ist, da er denn aus diesem
(irdischen) Jammertal verschieden ist und ich ihm
seine Augen zugedrückt habe und von seinem
christlichen Bekenntnis und seinem Abschied Zeuge bin.“
Das „Zudrucken“ der Augen ist natürlich weder ein Beweis
für das christliche „Bekenntnis“ noch für den
christlichen „Abschied“.
12.
Hinsichtlich der Eingriffe der Zensur in die
Diskussion über Luthers Tod verdient erwähnt zu werden,
dass das historische Gelehrten-Lexikon von
Bayle-Gottsched („Historisch kritisches Wörterbuch“)
- bzw. von Pierre Bayle, deutsche Übersetzung von Johann
Christoph Gottsched: „Herrn Peter Baylens Historisches
und Critisches Wörterbuch“ - schon im Jahre 1742
die Bemerkung machte, dass die „Bücherprüfer“ Stellen,
wie sie sich bei Bozius, Cornelius a Lapide
(von Stein) etc. über
Luthers Tod fanden, „hätten ausstreichen
(= wegstreichen)
sollen, falls sie nicht vor Gericht erwiesen waren.“
Dass Bozius und Genossen, welche das Lexikon „sehr
berühmte Skribenten“
(Schreiber) nennt, eine viel größere Garantie
boten, als unbekannte und in Dogma, Moral und Geschichte
unerfahrene Richter, braucht nicht erst gesagt zu
werden.
Aber es ist merkwürdig, dass von jenem Zeitpunkte, von
1742 an, in der Tat auch in katholischen Ländern
die Zensur nach dem oben gegebenen Rate ihres Amtes
waltete. Es begann die Periode des 7-jährigen Krieges,
ihr folgte die des Josephinismus und Febronianismus und
von da an verschwinden selbst objektive Reproduktionen
(Wiedergaben) aus Bozius,
Sedulius etc. in der deutschen katholischen Literatur.
In anderen Ländern hat zum Glück diese Art
Bücherprüferei keinen Einfluss finden können; woher es
auch kommt, dass, wie selbst Kawerau (siehe oben)
bemerkt, der italienische „Landmann“ heute noch jedem
Fremden erzählt, wie Luther gestorben sei.
Bei näherer Untersuchung würde Kawerau gefunden haben,
dass nicht nur der Landmann in Italien und
anderen Ländern von dem Ende Luthers unterrichtet ist.
13.
Die Schrift: „Kurzer Beweißthum
(kurze Beweisführung / Beweismittel), dass die
Lutherische, Zwinglische und Calvinische Religion nichts
anderes sei, als ein aus faulen Lappen
(minderwertige Stoff-Stücke =
Stoff-Fetzen) geflickter Bettelmantel,“ welche
u.a. den Satz enthält: „Lutherus a Diabolo suspensus
et suffocatus est,“ (Luther ist
vom Teufel aufgehängt / beseitigt und
erwürgt / erstickt worden), wurde wegen der darin
zugleich enthaltenen Angriffe auf Zwingli und Calvin in
Zürich im Jahre 1706 öffentlich verbrannt. (Christoph
Heinrich Zeibich, Electa Historiae vitae et
mortis B. D. Mart. Lutheri =
Auserlesenes aus der Geschichte vom Leben und Sterben
des Bachelor Doktor Martin Luther, Wittenberg
1746, Seite 26.)
14.
In Eisleben schenken die Protestanten noch heutigen
Tages der „Historia“ keinen Glauben. Die preußische
Regierung resp. = bzw. die
Stadt Eisleben lassen noch fortdauernd Luthers Geburts-
und Sterbehaus konservieren (durch
Pflege erhalten). Das letztere findet der Leser
in dieser Schrift neben dem Titelblatte abgebildet. Es
steht gegenüber der Andreaskirche, in welcher Jonas und
Coelius die Leichenreden hielten. Im oberen Stockwerke
finden sich die beiden vier- und zweifenstrigen Gelasse
(Räumlichkeiten), welche
die „Historia“ „Stüblein“ und „Kammer“ nennt, rechts vom
Beschauer (Betrachter) das
größere, links das kleinere Zimmer. Die „große Stube“,
in welcher die Verhandlungen stattfanden, befand sich
entweder im Parterre (Erdgeschoss)
oder in einem anderen Hause.
Eine über der Tür angebrachte Tafel enthält die
Inschrift:
„In
diesem Hause starb D. M. Luther am 18. Februar 1546.“ –
Beim Besichtigen der Lokalitäten
(Örtlichkeiten) wird nun dem Fremden erklärt,
Luther habe im „Stüblein“ am Fenster gestanden; dort sei
ihm plötzlich unwohl geworden, so dass seine Freunde ihn
in die Kammer ins Bett getragen hätten, woselbst
(= an welchem eben genannten Ort)
er alsbald verschieden sei. – Das widerspricht
bekanntlich der „Historia“. Denn nach dieser ist er im „Stüblein“
auf dem ledernen „Ruhebett“ (Sopha) verstorben; auch
weiß die „Historia“ nichts davon zu erzählen, dass der
plötzlich Erkrankte ins Bett getragen worden sei; sie
betont im Gegenteil, dass er „ohne Handleiten“
(bei der Hand führen)
hin und her, zuletzt noch aus der „Kammer“ in das „Stüblein“
gegangen sei. Wohl aber hat der Diener
Luthers (nach Sedulius) davon gesprochen, dass der
bereits tote Luther ins Bett geschafft worden sei
– ein Umstand, der – wenn auch in anderem Zusammenhange
– von der „Historia“ gleichfalls berichtet wird.
Es ist somit das Schlimmste, was der „Historia“, welcher
nach Kolde, Köstlin etc. nicht nur die Protestanten,
sondern auch die Katholiken Glauben geschenkt haben
sollen, begegnen kann, dass sie in Luthers eigenem
Sterbehause bis zur Stunde noch Lügen gestraft
(= der Unwahrheit überführt)
wird.
15.
In
der
Dresdener
Bilder-Galerie
findet sich heute noch das Original oder die Kopie des
Bildes, welches nach der „Historia“ von Lucas
Fortennagel
(=
Furtenagel)
gemalt worden war. (Vergleiche Großer Katalog der
Galerie Nr. 1955, Seite 620.)
Das Bild von Lucas
Furtenagel ist heute im Luther-Museum, Wittenberg.
Auf der linken Seite des Halses ist ein dunkler Punkt
deutlich wahrnehmbar, welcher durch die Schattierung
nicht
geboten ist. Überhaupt wirkt das ganze Gemälde*,
das ja sehr naturgetreu sein mag, äußerst abstoßend und
ist es unbegreiflich, wie man dasselbe am genannten Orte
ausstellen konnte1.
1
Auch zahlreiche Freunde von mir haben denselben Eindruck
empfangen. Einer derselben schreibt mir darüber: „Gleich
als ich das Bild zum ersten Male sah, machte es auf mich
den Eindruck hominis strangulati
(eines erdrosselten Menschen). Der
Gesichtsausdruck ist von unbeschreiblicher Hässlichkeit
und zeigt eine Verzerrung und Anspannung der
Gesichtsmuskeln, die durch einen Schlagfluss
(Schlaganfall) nicht
erklärlich sind.“
Es gibt keinen größeren Gegensatz, als wenn man in der
Dresdener Galerie dieses Lutherbild neben Raffaels
Sixtina stellt. Auch das ist bezeichnend, dass letzteres
Gemälde zu derselben Zeit entstand, als Luther seine von
Geistesstörung respektive (bzw.)
Besessenheit diktierten Thesen an die Schlosskirche zu
Wittenberg anschlug.
*
Lucas Furtenagel musste das erste
wahre Portrait verwerfen und ein zweites idealisiertes
Bild von Martin Luther anfertigen, weil die anwesenden
Gefährten Luthers damit keinesfalls zufrieden waren,
doch der dunkle Fleck (= Druckstelle) am linken Hals
(rechts im Bild) ist deutlich erkennbar. >
Luther-Portrait von Lucas Furtenagel, Luther-Museum,
Wittenberg
Man wagte endlich,
die Aussage von Luthers Diener zu kommentieren.
In den beiden vorausgegangenen Schriften habe ich des
Näheren nachgewiesen, dass keiner der Autoren, welche
zur Rechtfertigung Luthers, speziell zur Rechtfertigung
seines Endes, das Wort ergriffen hatten, es gewagt
hatte, seinen Lesern mitzuteilen, dass die Version,
welche sie bei Bozius bekämpften, von Luthers eigenem
Diener herrührte und dass sie das bei Sedulius
gegebene Dokument gänzlich ignorierten.
Erst im Jahre 1726 erschien ein Buch, betitelt: „Ernst
Salomon Cyprian, Schutzschrift vor (für)
die Reformation, Frankfurt, Weidmann 1726“, in welchem
man Seite 874 ff. einen hierauf bezüglichen Passus
(Textabschnitt) findet.
„Der
Verfasser beschäftigt sich mit drei „Apostaten“
(= Abtrünnige, die ihre Religion
verlassen), mit Georg
Wizel (= Witzel),
Agricola (= Bauer) und
Friedrich Staphylus.
Bezüglich des letzteren sagt er:
„Friderico
Staphylo hatte Lutheri Brodt ebenfalls lange gut
geschmecket, immassen er denn, nach der Papisten
weitläufftigem Bericht sein Schüler und Diener gewesen,
den er geraume Zeit also um und neben sich gehabt, dass
er als ein Zeuge, der es mit Augen gesehen, erzehlen
können, wie jetzt gedachter sein Lehrer aus einem
Meißnischen Mägdlein [Scripsit postea, qui tunc
interfuit eius discipulus, Fridericus Staphylus.
Spondanus an. 1545. n. XI.] den Teufel treiben wollen,
aber sehr zu kurtz kommen sey. [Delrio dispu. mag. Lib.
III. Part. I. qu. VII. Sect. I. edit an. 1617. Moguntiae
p. 429. Narrat historiam oculatus testis, tunc Lutheri
servator (servitor) Staphylus].
„Dem
Friedrich Staphylus hatte das Brot Luthers ebenfalls
lange Zeit gut geschmeckt, immassen (= indem / weil) er
denn - nach dem weitläufigen (= ausführlichen) Bericht
der Papisten - sein Schüler und Diener gewesen war, den
er also geraume Zeit um und neben sich gehabt hat,
sodass er als ein Zeuge, der es mit eigenen Augen
gesehen hat, erzählen kann, erinnerte sich jetzt, wie
sein Lehrer einem Meißnischen Mädchen (Friedrich
Staphylus hat dies danach aufgeschrieben, welcher
damals als dessen Schüler dabei war. Henricus
Spondanus = Bischof Henri de Sponde, im Jahr 1545,
Nummer 11) den Teufel austreiben hat wollen, aber dabei
zu kurz gekommen sei (= dabei Schaden erlitten hat).“
(Martino Delrio, Disputator = Denker und Magister, Buch
3, Teil 1, quotes = Zitate 7, Sektion = Abschnitt 1,
Seite 429, im Jahr 1617 in Mainz herausgegeben:
Er berichtet die Geschichte als Augenzeuge, damals
Luthers Beobachter / Erhalter (Diener) namens Staphylus).
Kein anderer, als dieser Staphylus ist
es wohl, von welchem Cornelius a Lapide schreibet:
„In Wahrheit, dass sich Lutherus des Nachts selbst
erhencket (erhängte), hat
danach sein Famulus (Diener)
bejahet (bestätigt),
als er Catholisch worden (wurde).“
[Commentar. in epp. canonicas pagina 378.
= schriftlicher Bericht aus den
kanonischen Briefen Seite 378] Staphylus
gedencket jedoch von Lutheri Selbst-Mord nichts in
seinen Läster-Schriften, wiewohl
(obwohl) er schreibet:
„Ich
hab zu Wittenberg zehn Jahr um mein Geld gezehret und
studirt, Lutherum,
Melanchthonem, un etliche andere gehöret. [Im Nachdruck
zur Verfechtung des Buchs vom rechten Verstand des
göttlichen Worts, f. 28. a.] Aber zu geschweige, dass
Staphylus nach Lutheri Tod Professor der Evangelischen
Religion zu Königsberg in Preußen worden, und einige
Jahr verblieben ist: welches er nicht würde gethan
haben, wenn er seine von Luthero und denen Evangelischen
nachmahls ausgesprengte Erzehlungen vor wahr gehalten,
und dabey ein gewissenhaffter Mann gewesen; so sollten
vernünfftige Leute bey diesem einzigen Zeugen wohl an
die Billigkeit (das
Rechtsempfinden) des erbahren und klugen Heyden
Q. Scaevolae, gedencken, welcher zwar vor Gericht sein
Zeugniß wider einen Angeschuldigten abgeleget, aber beym
Abtritt ausdrücklich bedungen: so dann müsse man ihm
erst glauben, wenn auch andere seine Aussage
bekräfftigen würden: Weil es eine Sache von dem
schlimmsten Exempels sey, eines eintzign Menschn Zeugniß
zu glauben.“ [Valerius Mar. Lib. IV. Cap. I. n. XI.
Quoniam vnius testimonio aliquem credere pessimi esset
exempli.]
„In
Wahrheit hat danach sein Diener, als er katholisch
wurde, bejaht (= bestätigt) dass sich Luther des Nachts
selbst erhängte,.“ [Commentar. in epp. canonicas pagina
378. = schriftlicher Bericht aus den kanonischen Briefen
Seite 378]
Staphylus gedenkt (erwähnt) jedoch von Luthers
Selbst-Mord nichts in seinen Läster-Schriften, obwohl er
schreibt:
„Ich
habe zu Wittenberg zehn Jahre um mein Geld gebettelt
(mich für Geld geschunden - oder: mein Geld verbraucht)
und studiert, Luther, Melanchthon, und etlichen anderen
zugehört. [Im Nachdruck: Zur Verteidigung =
Beipflichtung des Buches vom rechten Verstand des
göttlichen Wortes, f. 28. a.] Geschweige denn
(= erst gar nicht zu erwähnen), dass Staphylus nach
Luthers Tod Professor der evangelischen Religion zu
Königsberg in Preußen geworden ist, und dort einige
Jahre verblieben ist, was er nicht getan hätte, wenn er
seine von Luther und den Evangelischen nachmals = später
verbreiteten Erzählungen für wahr gehalten hätte, und
dabei ein gewissenhafter Mann gewesen wäre; so sollten
sich vernünftige Leute bei diesem einzigen Zeugen wohl
an den Gerechtigkeitssinn des ehrbaren und klugen Heiden
Quintus Mucius Scaevola Augur (römischer Jurist im
Rechtsstreit: Causa Curiana) erinnern, welcher zwar vor
Gericht sein Zeugnis wider einen Angeklagten abgelegt
hatte, aber bei seinem Abtritt ausdrücklich zur
Bedingung machte = sich reklamierend vorbehielt: so dann
müsse man ihm erst recht glauben, wenn auch dazu noch
andere seine Aussage bekräftigen würden: Weil es eine
Sache des schlimmsten Beispiels sei, das Zeugnis nur
eines einzigen Menschen zu glauben.“ [Valerius Maximus,
Buch 4, Kapitel 1, Nummer 11:
Quoniam unius testimonio aliquem credere pessimi esset
exempli = Weil der Zeugenaussage eines einzigen -
irgendjemanden - zu glauben vom schlechtesten Beispiel /
Vorbild sein würde.]
Man kann absehen davon, dass der Autor nur von einem „eintzigen“
Zeugen spricht und bewusst oder unbewusst wieder die
Tatsache ignoriert, dass schon bald nach Luthers Tod die
Prediger nicht nur in Eisleben, sondern auch in
Wittenberg, Erfurt etc. sich gegen eine Menge
„Verleumder“ zu wahren (schützen)
hatten, welche ebenso aussagten, wie dieser „eintzige“
Zeuge.
Man muss schon zufrieden sein, dass endlich einmal ein
protestantischer Schriftsteller vom Diener
Luthers zu reden wagt.
Aber wie ist seine Argumentation beschaffen ? Er stößt
selber um, was er behauptet. Er weist direkt und
indirekt nach, dass Staphylus nicht der Urheber jener
Aussage gewesen sein kann.
Indes wie kam er zu seiner Behauptung ?
Es ist nur anzunehmen, dass er sich durch nachfolgende
Stelle aus Johann Friedrich Meyers „Unsterblichem
Lutherus“, Hamburg 1698, (Seite 92) hat verleiten
lassen:
„Staphylus,
der rechte Judas unter denen Schülern des seeligen
Lutheri, von deme man nachfolgende Reimen zu unserer
Väter Zeiten im Munde führte:
Staphyl vorerst ein Lutherisch Mann.
Hernach nam er das Papstthumb an;
Belog die wahre Religion
Damit er hatte Gnuß und Lohn !
Dieser gottlose Lästerer gab für: Lutherus habe den
Strick ergriffen und sich selbst erhencket (ap. Bozium
de Signis Ecclesiae Lib. 23. p. m. 1206 cui junge 1181)
welche boßhafte Lügen der Jesuit Cornelius a Lapide
auffgenommen.“
„Staphylus,
ein richtiger Judas unter den Schülern des seeligen
Luther, von dem man nachfolgende Reime zu den Zeiten
unserer Väter oft gebrauchte:
Staphyl war vorerst ein lutherischer Mann.
danach nahm er das Papsttum an;
er belog die wahre Religion -
damit er hatte Genuss und Lohn !
Dieser gottlose Lästerer gab vor: Luther habe den Strick
ergriffen und sich selbst erhängt (appendix = Anhang:
Thomas Bozius: Über die Zeichen der Kirche, Buch 23,
Seite p. m. 1206 verknüpft mit Seite 1181), diese welche
boshaften Lügen der Jesuit Cornelius a Lapide in seinen
Schriften aufgenommen hat.“
Da Meyer, wie sich aus dem genauen Zitat ergibt, den
Bozius selbst eingesehen hat, so scheint er allerdings
den Professor Staphylus für den von Bozius erwähnten
„familiaris“ (Diener / Freund des
Hauses) gehalten zu haben. Aber Staphylus war bei
Luthers Tod nicht mit in Eisleben, wenn er auch
erst im Jahre 1546 Professor in Königsberg wurde, von wo
er zur katholischen Kirche zurückkehrte.
Schlimmer liegt dagegen die Sache, wenn Staphylus
mündlich – in seinen Schriften schwieg er darüber,
wie Cyprian zugab – den Tod Luthers nach Art des Dieners
behauptet hat und dies scheint in der Tat der Grund zu
der von Mayer begangenen Verwechslung gewesen zu sein.
Dass Staphylus in seinen späteren (in Ingolstadt
erschienenen) Schriften aus Rücksicht auf seine früheren
persönlichen Beziehungen nichts über das traurige Ende
Luthers verlauten ließ, ist erklärlich.
Der Diener, dessen Erklärung später Sedulius im Wortlaut
veröffentlichte, ist selbstverständlich eine andere
Persönlichkeit, als Staphylus.
Mayer scheint den Bericht bei Sedulius nicht gekannt zu
haben.
Der Diener Ambrosius Rudtfeldt war laut Justus Jonas
(Brief an den Kurfürsten von Sachsen am 18. Februar 4
Uhr früh) neben dem Hofprediger Michael Coelius, dem
Stadtschreiber Hans Albrecht, den beiden Ärzten der
Stadt, dem Grafen Albrecht von Mansfeld mit Gemahlin
(endlich Graf Heinrich von Schwarzburg), in der gesamten
Zeit der Todesnacht Luthers mit dabei.
Bei Johann Aurifaber (Brief an Michael Gutt in Halle)
besteht die herbeigerufene Adelsgesellschaft aus mehr
als 8 Personen – das mitten in der Nacht.
Eine Äußerung
Döllingers.
Johann Joseph Ignaz
von Döllinger sagt
bekanntlich in seiner „Skizze“ über Luther:
„In
solcher Stimmung [in Rat- und Mutlosigkeit] ereilte ihn
der Tod am 22. (17. oder 18.) Februar 1546 zu Eisleben,
wohin er, um einen Streit der Grafen von Mansfeld zu
schlichten, gekommen war.“
Schon diese rein objektive Darstellung hat einen
Luther-Dichter in Harnisch gesetzt
(in Zorn versetzt). Obgleich man ein großes Buch
darüber schreiben kann, dass Luther das ganze letzte
Jahrzehnt seines Lebens, sobald er nüchtern1
war, in beständiger Rat- und Mutlosigkeit zubrachte, so
muss es protestantisches Geschichts-Dogma bleiben,
dass Luther in anderer Gemütsverfassung, als er selbst
sie beschrieben hat,
verschieden sei.
1
Man liest in „Ambrosii Catharani Politi Senensis
Episcopi De consideratione et iudicio praesentium
temporum,“ Mainz 1548 lib. I.: „Narrant mihi viri fide
dignissimi, de Luthero, quod aliorum nuptias saepenumero
sua praesentia honorans, puellarum admiscebatur choreis
* et ipse restim forsan ductitans. Certe aiunt illum sic
aliquando vino madidum e
(= ex)
conviviis et enervatum inde recessisse,
ut necesse fuerit ebrium hac atque illac collabentem,
super hominum ulnas deponi domumque reduci.O
Theologum dignum certe qui doceat mundum !“
Man liest in „ Bischof Ambrosius Catharinus Politi von
Siena – Über die Betrachtung und die Beurteilung der
gegenwärtigen Zeiten,“ Mainz 1548 Buch 1: „Sie erzählen
mir im Vertrauen von dem höchst ehrwürdigen Mann, über
Luther, dass er - oftmals mit seiner Gegenwart die
Hochzeiten anderer (Leute) beehrend - den Reigentänzen
*
der Mädchen beigesellt wurde, indem sogar er selbst etwa
häufig das Seil * führte (vortanzte). In der Tat
versichern sie, dass jener bisweilen vom Wein derart
angetrunken war - infolge von den Gastmahlen - und sich
daher entnervt / entkräftet zurückgezogen hat, sodass es
unausweichlich gewesen sein dürfte - weil er voll
betrunken
*
hier und dort (ohnmächtig) zusammengebrochen ist, darauf
den Armen der Menschen übergeben zu werden und ihn nach
Hause zurückzubringen.
Oh welch ein zweifelsohne ehrwürdiger / verdienter
Theologe, welcher die Welt / die Menschheit lehren möge
!“
*
ausgelassene Tänze des Chores (= Cordax) der alten
griechischen Komödie, mit raschen lebhaften Bewegungen
und unanständigen Gebärden, bei dem ein Seil durch die
Hände der Tanzenden lief.
*
Naumburger Bier, Landwein und einen Sextarius (= 5 - 6
Liter)
Frater (Dominikaner-Bruder) Ambrosius Catharinus =
Lancelloto de’Politi:1484-1553, er wurde auch Erzbischof
von Conza.
Dem gegenüber unternahm es der damalige Erlanger
„Schriftforscher“ Professor Johann
von Hofmann, eine Travestie
(Persiflage / Satire) auf
Paulus zu schreiben, worin ein korrigiertes Gesamtbild
des Apostels gezeichnet werden sollte, entsprechend dem
angeblich korrigierten Bilde, welches Döllinger von
Luther gemalt hat.
Professor Kolde hat die Pause, welche zwischen der
Herausgabe seiner beiden Selbstmord-Broschüren lag, dazu
benützt, um einen Neu-Abdruck der Hofmann'schen Arbeit
zu veranstalten1.
Ich werde deshalb nicht mit ihm streiten.
1
Paulus, eine Döllinger'sche Skizze. Erwiderung auf
Döllinger's Lutherskizze von Dr. Hofmann.
In zweiter Auflage von Dr. Kolde. Erlangen 1890.
Eine Travestie in einem wissenschaftlichen Kampfe
verurteilt sich in sich selbst.
Viel wichtiger ist mir eine mündliche Äußerung
Döllingers über Luthers Ende aus früheren Jahren, die
mir soeben ein ehemaliger Freund Döllingers mitteilt.
Derselbe schreibt, dass, als Döllinger einstmals von
einer Reise aus Karlsruhe zurückkehrte, wo er in
der dortigen Bildergalerie das Gemälde: „Luther im
Totenhemde“ gesehen hat,
geäußert habe, dasselbe zeige einen „so frappanten
(auffallenden)
Ausdruck der Verzweiflung, dass man von dem Ende des
Mannes Alles glauben könne2.“
2
Das Bild bringt in der Tat einen äußerst abschreckenden
Eindruck hervor.
Es führt gegenwärtig die Nummer 121 und ist im Kataloge
als zu den Produkten der „Werkstatt des Lucas Cranach“
gehörig verzeichnet.
Werkstatt des Lucas Cranach des Jüngeren, Martin Luther
im Tode. Heute zu sehen in der: Gemäldegalerie Alte
Meister -- Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Hier
wurde der schwarze Fleck am Hals (auf dem ersten
offiziellen Bild durch Furtenagel) gänzlich
wegretuschiert, aber genauso auch bei allen anderen
Bildern dieser Art (Luther im weißen Totenhemd).
Lucas Cranach der Ältere malte dasselbe Motiv, nur viel
realistischer und weniger beschönigt, auch deren Schüler
kopierten das beliebte Motiv. In der Staatlichen
Kunsthalle Karlsruhe ist einer der Cranach-Schüler mit
demselben Motiv zu sehen: Martin Luther auf dem
Totenbett.
Es ist ähnlich dem oben (Seite 45)
beschriebenen Dresdener Bilde
von Lucas Furtenagel
(heute im
Luther-Museum Wittenberg);
nur ist hier die Physiognomie
(Gestalt des menschlichen
Körpers / Gesichtsausdruck)
noch widerlicher als dort; dagegen ist in Karlsruhe
der Hals ganz durch den Kragen des Totenhemdes
bedeckt, während auf dem Bilde zu Dresden fast die
Hälfte des Halses frei liegt.
Auch aus anderen Äußerungen Döllingers war zu schließen,
dass ihm die Berichte über die näheren Umstände, unter
denen Luther verschieden ist,
bekannt waren, dass er sie aber aus
Opportunitäts-Gründen
(zweck-orientierten Gründen) nicht veröffentlicht
hat3.
3
Vor allem sollte freilich ein Historiker keine
Opportunitäts-Rücksichten kennen.
Döllinger hat es allerdings fertig gebracht, in seinem
letzten Jahrzehnt ein Lebensbild von Luther zu zeichnen,
welches im direkten Gegensatz zu seinen früheren
50-jährigen Arbeiten steht.
Bei dieser Leistung kann es wohl nicht Wunder
nehmen, wenn er früher der Frage über Luthers Tod aus
dem Wege gegangen war.
Eine Äußerung
Janssens.
Von Janssen hieß es vor einigen Jahren, er habe, nachdem
er sein „zweites Wort an seine Kritiker“ veröffentlicht
hat, erklärt: dass, wenn
ihn die Protestanten noch weiter provozieren würden, er
kein Bedenken mehr tragen würde, der Mit- und Nachwelt
umständlich zu erzählen, wie Luther gestorben
sei.
Diese Mitteilung klang aus inneren Gründen
wahrscheinlich und da sie von Solchen ausging, welche
mit Janssen im persönlichen Verkehr standen, so war sie
erst recht glaubhaft.
Trotzdem fragte ich nach Erscheinen meiner Schrift über
„Luthers Lebensende“ noch einmal bei Janssen an, ob sich
die Sache in der Tat so verhalte und wie er überhaupt zu
der aufgeworfenen Frage sich stelle.
Er antwortete respektive ließ antworten, dass er jene
ihm zugeschriebene Äußerung nicht getan habe, auch
scheine ihm die Behauptung von Luthers gewaltsamen Ende
nicht genügend begründet, weil schon im Jahre vor
Luthers Tod unrichtige Nachrichten darüber von Italien
aus verbreitet worden seien.
Was diese 1545 angeblich von „katholischer“ Seite „aus
Italien“ ausgesprengte Nachricht über Luthers Ableben
anlangt, so habe ich hinlänglich nachgewiesen
(vergleiche noch oben Seite 6 und folgende), dass das
Gerücht von protestantischer Seite, falls nicht
von Luther selbst1,
ausgestreut wurde, um dem Protestantismus zu nutzen und
das sich sammelnde Konzil von Trient zu verdächtigen.
1
Eine Darstellung der Intrigen
Luthers sowie andererseits der Widersprüche, in
welche er sich in lucidis intervallis
(in lichten Augenblicken
/ klaren Momenten) mit seinen in
der Raserei gesprochenen oder geschriebenen Sätzen
verwickelte, würde Gegenstand einer besonderen Arbeit
sein.
Auch habe ich oben noch einmal des Näheren dargetan
(offengelegt), dass das betreffende Schriftstück,
durch welches man das Gerücht beglaubigen wollte, selbst
äußerlich mehr als ein Symptom
(Erscheinungsmerkmal) des
Falsifikats (der Fälschung)
aufweist.
Ein anderes Moment
(ausschlaggebender Umstand) gegen die
Stichhaltigkeit meiner Argumentation hatte Janssen
nicht vorgebracht; im Gegenteil hatte er die
Freundlichkeit, mich noch auf eine neue Quelle
aufmerksam zu machen.
Ich statte ihm ihm dafür meinen besonderen Dank ab.
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Kurzbiographie Paul Majunke
Paul Majunke
(* 14. Juli 1842 in Groß-Schmograu bei Wohlau; † 21. Mai
1899 in Hochkirch bei Glogau) war ein deutscher
katholischer Priester, Publizist und Politiker der
Zentrumspartei.
Majunke studierte von 1861 bis 1866 Theologie und
Rechtswissenschaften in Breslau und promovierte zum Dr.
theol. in Rom. Anschließend unternahm er Reisen durch
Europa. Im Jahr 1867 wurde Majunke zum Priester geweiht.
Danach war er als Kaplan in Neusalz an der Oder und in
Breslau tätig. Später war er Redakteur der Kölnischen
Volkszeitung von Julius Bachem. Im Jahr 1870 wurde er
entlassen, weil sein Schreibstil als zu scharf erschien.
Anschließend war er vorübergehend Pfarrer in Glogau.
Seit 1871 war er der erste Chefredakteur der neu
gegründeten Zeitung Germania. Dieses Blatt stand der
Zentrumspartei sehr nah. Unter der Leitung von Majunke
wurde die Germania zu einer der führenden katholischen
Tageszeitungen. Im Kulturkampf schrieb Majunke
zahlreiche scharfe Artikel zur Verteidigung der
katholischen Sache gegenüber der preußischen Regierung.
Seit 1874 bis 1884 war Majunke Abgeordneter der
Zentrumspartei im Reichstag und von 1878 bis 1884
Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses.
Majunke war Pfarrer in Hochkirch bei Glogau
(polnisch Wysoka / Niederschlesien).
Der Ort ist ein besonderer >
DIE
WALLFAHRTSKIRCHE ZU HOCHKIRCH (bei Glogau) UND
IHR MARIENBILD
Hochkirch, drei
Viertelmeilen südöstlich von Glogau, ward in
früheren Jahrhunderten, wo es zum benachbarten
Gräditz gehörte, Hohenkirchen offen Berge genannt.
Es hat eine Wallfahrtskirche mit dem 1856
neugebautem Turme und ein wunderbares Marienbild auf
dem Hochaltare, zu dem von weit her aus Schlesien
und Polen gewallfahrtet wird. Die größten
Wallfahrten finden statt am Sonntage Trinitatis
(Dreifaltigkeitsfest), wo auch eine Prozession von
der Probstei Seitsch aus dem Guhrauschen ankommt,
und dann am Feste Maria Geburt.
An die
Kirche und das darin befindliche Muttergottesbild
knüpft sich folgende Geschichte:
Als die Kirche vor
uralten Zeiten erbaut werden sollte, hatte der
Gutsherr eine andere Anhöhe in der Nähe derjenigen,
auf der heute die Kirche steht, als Platz dazu
bestimmt. Fromme Spenden waren zu ihrer Erbauung
reichlich eingegangen, und der Gutsherr lieferte das
Bauholz. Er ließ dieses auf die von ihm ausersehene
Anhöhe schaffen. Die Geistlichen des Sprengeis
wünschten sie zwar dort nicht, aber sie fügten sich,
als der Gutsherr außer dem Bauholze noch reiche
Gaben versprach. Dennoch kam es anders, denn es trat
ein seltsames Ereignis ein.
Am andern Morgen
nämlich war das Holz von der Anhöhe verschwunden.
Erst dachte man an einen Raubfrevel, aber man fand
das gesamte Holz in bester Vollständigkeit und
Ordnung auf einem benachbarten Hügel. Der Gutsherr
hielt dies für einen mutwilligen Streich und ließ
das Holz auf den früheren Platz zurückschaffen und
noch mehr dazubringen. Am andern Morgen war es
wieder fort und lag wieder auf jenem ändern Hügel.
Das brachte eine große Bewegung in der Gemeinde
hervor, und viele gingen zum Gutsherrn und
erklärten, das gehe nicht mit richtigen Dingen zu
und sei ein Wunder, das etwas zu bedeuten habe. Aber
der Gutsherr ließ sich von seinem Vorhaben nicht
abbringen, er wolle doch sehen, meinte er, ob das
Holz zum dritten Male seinen Platz verändern werde.
Der Herr ließ von seinen Leuten das Holz wieder
zurückschaffen. Für die Nacht stellte er zwei
Wächter daneben auf. Doch wieder lag es am nächsten
Morgen auf dem ändern Berge. Die Wächter hatten
nichts bemerkt und sagten aus, ein unwiderstehlicher
Schlaf habe sie befallen. Nun stürmten alle auf den
Gutsherrn ein, er möge doch gestatten, daß die
Kirche dort gebaut werde, wohin schon in dreien
Nächten das Bauholz von unsichtbaren Händen
geschafft worden sei; es sei sicher Gottes Wille so.
Da sagte der Gutsherr: „Nun in Gottes Namen, baut
dorthin die Kirche zu seiner Ehre." Mit Jubel ward
diese Entscheidung aufgenommen, und der Bau ward
behende in Angriff genommen, schien es doch allen
ein heilig Werk. Die Teilnahme für das Gotteshaus
wuchs weit über den Sprengel hinaus. Die Kirche war
fertig, auch die innere Ausschmückung war fast
vollendet. Aber noch fehlte ein würdiges Bild für
den Hauptaltar. Da griff wiederum eine wunderbare
Macht ein.
In einer Nacht,
als alle Einwohner Hochkirchs längst schliefen, rief
der Wächter eben die Mitternachtsstunde aus.
Zufällig schweifte sein Blick nach der Höhe hinauf,
wo die Kirche stand. Wunderbar! Das Innere des
Gotteshauses strahlte in hellem Lichterglanz. Es war
keine Feuersbrunst, aber dennoch rief er die
Bewohner aus ihrem Schlafe. Staunend scharte sich
die ganze Gemeinde zusammen und wie zur ersten
Wallfahrt geordnet schritt sie dem neuen Gotteshause
entgegen. Schon war die Menge bis zum Fuße der
Anhöhe gelangt, da ereignete sich ein zweites
Wunder. Herrliche Töne erklangen aus der Kirche,
bald schmelzend und bald brausend wie im vollen
Chor, Posaunen und Orgelton und Priestergesang
dazwischen, über dem ganzen schwebend aber ein Klang
wie von Engelsharmonien. Wer waren die nächtlichen
Musiker dort oben? Die Gemeinde sank am Fuße des
Hügels auf ihre Knie und wohnte dem Gottesdienste
dort oben in andächtiger Ferne bei. Das war das
erste Hochamt, ehe noch das Gotteshaus die
kirchliche Weihe erhalten hatte. Plötzlich erloschen
Licht und Gesang; stumm und finster lag das Gebäude
wieder auf seiner einsamen Höhe. Tief ergriffen aber
kehrten die Leute zurück; was sich da oben
zugetragen hatte, war ihnen ein unerklärliches
Rätsel. Als aber der Morgen anbrach, sendete der
Gutsherr den Gemeindevorstand in die Kirche, um den
Ursachen des nächtlichen Geschehnisses nachzuspüren.
Ganze Scharen von Menschen schlössen sich an, und
als die Türe der Kirche geöffnet wurde und die
Blicke auf den Hochaltar fielen, da prangte dort ein
Bild der Mutter Gottes in schönster Farbenpracht.
Das Staunen löste sich in ein stilles Gebet auf, das
der wunderbaren Macht den heißen Dank der Gemeinde
aussprach für die herrliche Gabe.
Quelle: Sagen aus Schlesien,
Herausgegeben von Oskar Kobel, Nr. 23
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