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Predigten von Prof. Dr. Georg May

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Die Kirche – siegreich durch Kreuz und Gnade
Petrus der Fels – „Weide meine Schafe!“ 
Die Kirche, auf den Felsen gegründet
Die Welt – Werk und Abbild Gottes
Die Wahrheit des ewigen Lebens
Das tröstliche Dogma vom Fegfeuer
Leben, Lieben und Wissen in der Ewigkeit
Das Werden der menschlichen Persönlichkeit
Ehe und Familie nach den Normen Gottes
Die Sakramente des Alten Bundes
Geboren aus Maria, der Jungfrau
Apokalypse in unserer Zeit
Advent – Erwartung der Auferstehung der Toten
Seht, ich verkünde euch eine große Freude
Ein Kind ist uns geboren
Die Weihnachtsbotschaft in unchristlicher Zeit
 

Die Kirche – siegreich durch Kreuz und Gnade

05.10.2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In der Natur gibt es ein Gesetz, und das hat der Herr in die Worte gefasst: „Wenn das Weizenkorn nicht stirbt, bleibt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es viele Frucht.“ Das organische Leben ist durch das Gesetz bestimmt, dass durch Absterben neues Wachstum geschieht. Dieses Gleichnis in der Natur hat der Herr in seinem Leiden auf der übernatürlichen Ebene wahr gemacht. Durch sein heiliges Blut hat er uns erlöst. Der Gottessohn stirbt, damit die Menschen seines göttlichen Lebens teilhaftig werden. Dieses Gesetz muss weitergehen durch das ganze Leben der Christenheit. Immer und immer wieder muss sich das Gesetz erfüllen, denn: „Der Knecht ist nicht über seinem Herrn. Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen.“

Der Herr hat sich große Mühe gegeben, seinen Jüngern diese Lehre nahezubringen. Aber sie verstanden ihn nicht; sie wollten ihn nicht verstehen. Sie wollten mit ihm herrschen, mit ihm triumphieren, die ersten Plätze einnehmen, aber nicht das Kreuz auf ihre Schultern nehmen. Doch hat ihnen der Herr erklärt: „Wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt, kann mein Jünger nicht sein.“ Sie verstanden es erst, als der Herr aus dem Grabe erstanden war; denn da begriffen sie, dass Jesus dies alles leiden musste, um so in seine Herrlichkeit einzugehen. Und als dann der Pfingstgeist über sie kam, da waren sie gerüstet, das Kreuz ihres Meisters auf ihre Schultern zu nehmen. Sie gingen „jauchzend“ – so steht es in der Apostelgeschichte – vom Hohen Rate fort, als sie geprügelt worden waren, weil sie gewürdigt worden waren, für den Namen Jesu Schmach zu leiden. Dieses Gesetz hat sich an allen seinen Jüngern erfüllt. Als Paulus sich bekehrte, da erfuhr er aus dem Munde des Ananias: „Ich will ihm zeigen, was er um des Namens Jesu willen leiden muss.“ Und dieses Gesetz hat sich wahrhaft an ihm in überreichem Maße erfüllt. Misshandlungen, Nöte, Gefängnis, Geißelschläge, das alles hat er in großem Maße erduldet. Aber er jauchzte ob dieser Missetaten: „Ich freue mich der Leiden, die ich für euch erdulde, denn ich ersetze an meinem Leibe, was von den Leiden Christi für die Kirche noch aussteht.“ Da hat er das Gesetz begriffen, unter  dem die Kirche angetreten war.

Die Kirche ist ja die Braut Christi, und wenn sie ihrem Bräutigam ähnlich sein will, dann muss sie durch Leiden gehen. Meine lieben Freunde, der Vater im Himmel weiß, warum die Kirche so viele Leiden ertragen muss. Es hat der Kirche noch niemals gut getan, wenn sie längere Zeit einen ungestörten Frieden genießen konnte, wenn Reichtum und Ehrenstellen ihr in Fülle zuteil wurden. Das hat ihr noch nie gut getan. Im Wohlleben geht die Tugend zugrunde. Die Glieder der Kirche erschlaffen, sie werden bequem und leidensscheu, sie passen sich der Welt an, die sie ja an ihren Genüssen teilnehmen lässt. Wie erwirbt ein Priester, wie erwirbt ein Bischof den Beifall der Welt, das Wohlgefallen der Presse? Indem er wichtige, unerlässliche Gegenstände des Glaubens nicht verkündigt, indem er schweigt vom Kreuztragen, von der Sünde, vom Fegfeuer und von der Hölle. Dadurch erwirbt er sich den Beifall der Öffentlichkeit. Indem er ein bequemes Evangelium verkündet: dass man es sich auf der Erde gut gehen lasse, dass man sich nicht anzustrengen brauche, um in den Himmel zu kommen. Wer so predigt, der ist angesehen, ist beliebt..

Aber das ist nicht die Weisung Christi. Er lässt Leiden über die Kirche kommen, damit in diesen Leiden, in der Verfolgung, die Kraft seines Heiligen Geistes wieder in den Menschen aufwache, damit die Menschen zu heldischem Martyrium kommen und Zeugnis geben für das Evangelium. Der Leidensweg der Urkirche begann mit der Steinigung des Stephanus, ein, so meinen wir, unersetzlicher Verlust. Aber nein, der die Kleider der Steiniger bewachte, hieß Saulus, und er wurde von Gott erweckt, damit er an die Stelle des Stephanus trete. Es erfüllt sich in ihm das Gesetz, das fortan über der ganzen Kirchengeschichte steht: Das Blut der Martyrer ist der Same für neue Christen. Das Blut der Martyrer ist der Same für neue Christen.

Wohin die Kirche kam, in das Römische Reich, da galt sie als der Abschaum, als das Verkommenste, was man sich denken konnte, als die Religion der Sklaven. Verfolgung in Jerusalem, Verfolgung in Rom. Rot färbte sich die Arena vom Blute der Martyrer. Und die Christen, die Nero an Pfähle anbinden und anzünden ließ, leuchteten wie Fackeln. Durch drei Jahrhunderte hat die Kirche der Verfolgung unterworfen sein müssen. Zehn Verfolgungen hat sie erlitten. Blutig war der Weg der alten Kirche. Aber eines Tages war er zu Ende, da stieg die Kirche aus den Katakomben, und da wurde das Kreuz zum Siegeszeichen.

Das Schicksal der Urkirche wiederholt sich in der Geschichte. Sooft kühne Glaubensboten vordrangen, wurden sie von den Völkern übel aufgenommen. Die Hölle wollte sich ihren Besitz nicht entreißen lassen. Martyrer in Trier, in Köln, in Mainz, Martyrer in Japan im 17. und 18. Jahrhundert voll grausamer Verfolgungen, Martyrer in Amerika, hingeschlachtet von den Indianern, Martyrer in Afrika, ermordet von Negern. Es ist, als könne der Same des Christentums erst aufgehen, wenn der Boden getauft ist mit dem Blut der Martyrer. Der polnische Kardinal Wyschinski hat einmal das ergreifende Wort geprägt: „Die Erde dürstet nach Priesterblut.“ Heute sind die Christenverfolgungen in Indien an der Tagesordnung. Christen auf der Flucht, Christen verjagt, ihre Häuser angezündet, ihre Kirchen zerstört, ihre Priester ermordet. Ähnlich in Nordkorea und in Vietnam. Und jetzt geht es auch in Lateinamerika los. Der Präsident von Venezuela richtet eine spalterische Sekte auf, um die Kirche zu treffen. Der Präsident von Ecuador baut ein atheistisches Staatswesen auf. Blutig sind die Wunden, die der Kirche durch Diktatoren und diktatorische Regimes zugefügt werden.

Aber noch schmerzlicher leidet die Kirche unter den Irrlehrern. Behutsam sucht sie den Schatz, den Christus ihr vermacht hat, zu bewahren. Da kommen sie von allen Seiten, um ihr das anvertraute Erbe zu entreißen. Man schmäht sie, dass sie es nicht hergibt; rückständig sei die Kirche, verbohrt, dumm, unduldsam. Man reißt und zerrt an ihrem heiligen Leibe, Abfall von Menschen, ganze Länder trennen sich von ihr. Heute fallen Tausende und Abertausende jeden Tag, meine Freunde, Tausende und Abertausende jeden Tag in Südamerika vom katholischen Glauben ab. Die Sekten arbeiten mit allen Mitteln, um unsere Kirche zu vernichten. Sie verteilen, mit reichen amerikanischen Geldern versehen, Lebensmittel an die Armen, sie schmähen die Kirche, sie verdächtigen den Priesterstand, sie ziehen gegen den Papst in Rom zu Felde, sie predigen ein billiges Evangelium. Und so laufen die Menschen ihnen zu. Die Wahrheit scheint ohnmächtig. Und doch: Modetorheiten überleben sich schnell. Der Sieg der Wahrheit ist es, dass sie bleibt.

Christi größtes Leid war die Untreue seiner Jünger. Judas wurde ein Verräter, Petrus sagte sich feige von ihm los: „Ich kenne diesen Menschen nicht. Ich kenne diesen Menschen nicht.“ Das ist der größte Schmerz der Kirche: die Sünden ihrer Kinder. Sie trauert um die vielen, die sie in Zeiten der Anfechtung verlassen. Wir haben es im Dritten Reich erlebt, wie so viele katholische Christen ihre religiöse Betätigung einstellten, wie sie zu den Nazis überliefen, wie sie sich von der Kirche trennten. Gewiß unter Druck, das sei zugegeben. Der Staat, die Partei, die Organisationen übten einen schlimmen Druck auf die Menschen aus, sich von der Kirche zu trennen. Man musste Spott und Verachtung auf sich nehmen, berufliche Zurücksetzungen, wenn man der Kirche treu blieb. Aber getötet wurde keiner wegen seines Glaubens. Dennoch haben viele sich von der Kirche losgesagt. Und das ist ja auch heute noch das Leid eines jeden Erziehers, eines jeden Predigers, eines jeden Priesters. Machtlos steht er der Torheit, der Schwäche und der Bosheit seiner Zöglinge gegenüber. Das christliche Abendland ist zum Ärgernis für die Heiden und für die Muslime geworden, und das bedrückt die Kirche schwer.

Wer hoch steht, kann tief fallen. Das erfüllt sich auch am Priesterstand der Kirche. Unablässig bemüht sich der Erbfeind Christi, in der Kirche selbst Sünde wachsen zu lassen: Priester fallen ab, Bischöfe versündigen sich. Das ist Satans größter Triumph, dass arme Menschen zu Fall gebracht werden, dass sie vom Glauben abfallen, dass sie sittlich entgleisen. Die dunkelsten Kapitel der Kirchengeschichte kann man überschreiben: Priestersünde und Priesterabfall. Und dennoch, auch hier erleben wir immer wieder Siege der Gnade, Siege der siegreichen Gnade, der gratia victrix, wie die Theologie sie nennt. Es war schon des Heilands größte Freude, zu suchen und selig zu machen, was verloren war. „Größer“, so sagt er, „ist die Freude über einen Sünder, der Buße tut, als über 99 Gerechte, die der Bußte nicht bedürfen.“ Und so wiederholt sich immer wieder das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Immer wieder gelingt es der Kirche, verlorene Söhne und Töchter, die zerknirscht zurückkehren, in ihre Arme zu schließen. Es gibt Triumphe der Gnade. Wenn die Gnadenorte der Beichtstühle reden könnten, dann würden sie sprechen, wie die Gnade Gottes über die Bosheit der Sünde siegt. Wenn sie alle hier aufträten, die im Leben und im Sterben, manchmal in letzter Stunde, den Weg zurückgefunden haben, dann sähen wir, dass es große Siege gibt, welche die Kirche verzeichnen kann. Und auch noch einen anderen Sieg gibt es nämlich: Inmitten dieser Marasmen, inmitten dieser Fäulnis gibt es noch reine Menschen, Jungfrauen und junge Männer, die in Treue zu Christus und seinem Gesetz stehen. Auch das sind Siege Christi.

Christi erbittertster Feind war die römische Staatsmacht und die jüdische Behörde. Die jüdische Behörde und die römische Staatsmacht sind angetreten, um die junge Kirche zu ersticken. Das ist im ganzen Lauf der Kirchengeschichte so geblieben. Immer wieder hat die Staatsmacht die Kirche zu überwältigen, ja zu vernichten gesucht. Die Cäsaren Roms wollten die Kirche auslöschen, die Kaiser des Mittelalters wollten die Kirche in ihren Dienst zwingen. Heinrich VIII. von England hat wegen seiner Leidenschaft die englische Kirche von Rom losgerissen. Die bourbonischen Höfe haben die Kirche unter ihre Knute gezwungen. Napoleon wollte es nicht ertragen, dass eine Macht ihm noch widerstand, nämlich die im Papst zentrierte Kirche. Und Bismarck entfesselte den Kulturkampf gegen die Kirche. Er fürchtete, dass „von jenseits der Berge“ – nämlich von Rom – sein Werk, die deutsche Einheit, zerstört werden könnte. Und so ist es auch bis heute geblieben. Staaten, die als katholisch gelten, bedrücken und bedrängen die Kirche. Täglich lesen wir von kirchenfeindlichen Gesetzen, welche die sozialistische Regierung in Spanien erlässt, um die Kirche zu erdrosseln. Der Islam wird begünstigt, und die Kirche wird bedrückt. Die Regierung Zapatero betreibt die Entchristlichung Spaniens. Und in Frankreich, da stehen die Freimaurer und alle Feinde der Kirche bereit, um ja nicht der Kirche ein wenig mehr Lebensmöglichkeit zu gönnen, wachen rigoros über die Trennung von Kirche und Staat. Im Jahre 1789 hat der französische Staat das gesamte Vermögen der katholischen Kirche in Frankreich eingezogen. Er verpflichtete sich, für den Kult, also den Gottesdienst, und den Unterhalt der Priester zu sorgen. Ein Jahrhundert wurde diese Zusage eingehalten. Aber 1905 wurden alle Leistungen an die Kirche eingestellt. Es gibt keine Kirche in Europa, die so bettelarm ist wie die Kirche in Frankreich. Dazu kommt die verbreitete Christenfeindlichkeit in Europa, in den europäischen Gremien in Brüssel und in Straßburg. Der ungarische Primas, Erdö, hat dieser Tage darauf hingewiesen, dass es eine Verschwörung in den Medien gibt, die mit Verleumdung, mit falscher Information und mit Sensationsgier die Kirche zu unterdrücken versucht.

Christi Leid und Christi Sieg werden weitergehen. Karfreitag und Ostertag der Kirche werden noch oft wechseln und einander durchdringen. Aber im Gesamtbild wird der Kreuzweg vorherrschen. Wir sind eben die streitende Kirche. Der größte Teil des Ostersieges bleibt unsichtbar. Den Ostersieg feiern wir jenseits des Grabes, droben bei unserem König. Das ist unser siegesfroher Glaube, der die Welt überwindet. Wir wissen nicht, meine lieben Freunde, wie lange dieser Kampf noch gehen wird. Niemand weiß, wann er endet. Er wird enden, wenn das Siegeszeichen Christi am Himmel erscheint, wenn das Kreuz seines Leidens und seines Siegens am verklärten Horizont aufscheint. Dann werden sie alle dastehen, die Menschen aller Zeiten und Zonen, vor ihm, ihrem König, die Bedrücker, die Bedränger, die Verfolger. Sie werden vor ihm stehen. Und alle, die für ihn gelitten und gekämpft und gerungen haben, und alle – alle! – werden dasselbe sprechen müssen, was einstmals der abtrünnige Kaiser Julian gesagt hat, als er sterben musste: „Galiläer, du hast gesiegt!“

Amen.

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Petrus der Fels – „Weide meine Schafe!“ 

12.10.2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Vor 2000 Jahren wanderte der Herr am Gestade des Sees Genesareth. Er hatte den Auftrag vom Vater bekommen, ein neues Volk und ein neues Reich zu gründen, denn das alte Volk, das Judenvolk, versagte sich ihm. Das neue Reich benötigte neue Menschen. Und als der Herr so dahinwanderte, sah er zwei von ihnen, die ihm geeignet dünkten. Es waren Johannes und Andreas. Andreas führte ihm auch seinen Bruder zu mit Namen Simon. Der Herr fasste ihn ins Auge, und dann sprach er ihn an: „Du sollst Kephas heißen.“ Kephas, das ist der aramäische Ausdruck für das deutsche Wort „Fels“. „Du sollst Fels heißen“, Petrus lateinisch. Wem der Herr einen neuen Namen gibt, dem gibt er auch eine neue Aufgabe. Der Herr weiß, dass Name nicht Schall und Rauch ist, sondern dass Name etwas vom Wesen des Menschen ausdrückt. Und wenn Simon jetzt künftig Kephas, Petrus, Fels heißen soll, dann ist damit ausgedrückt, dass er eine neue Aufgabe, eine neue Funktion erhält, dass mit seinem Namen ein Programm verbunden ist.

Über das Galiläische Meer, wie man ja den See Genesareth auch nannte, fährt ein Fischernachen, und Menschenscharen am Ufer schauen zu, auch erfahrene Fischer. Ja, wie kann man jetzt, zur Tageszeit, hinausfahren, um Fische zu fangen? Fischfang ist eine Sache der Nacht. Im Schiff aber sitzt Kephas, Petrus, Simon. Er ist gehorsam: „Herr, auf dein Wort hin will ich das Netz auswerfen.“ Und er fängt eine so große Menge Fische, dass er seine Gefährten herbeirufen muss, damit sie die Menge der Fische auch bergen können. Dieses Erlebnis erschüttert Petrus. Er sinkt auf die Knie: „Herr, geh weg von mir; ich bin ein sündiger Mensch!“ Diese tiefe Demut belohnt der Herr: „Simon, fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.“ Er bestellt ihn zum Mitarbeiter an seinem Werke. Vor dem Heilandsauge schwindet das Ufer des Sees, weitet sich das Galiläische Meer zum Weltmeer. Ungezählte Menschenfische sind darin. Und für diese Menschenfische braucht er Fischer; und deswegen sagt er zu Petrus: „Von nun an sollst du Menschern fischen.“ Der See wird ihm zu einem Sinnbild der Kirche, die er stiften will. Und zu Petrus gesellt er andere, die mit ihm in die Arbeit eintreten sollen. Er schult sie für ihr Amt. Aber immer wird klar, und immer ist eines sicher: Simon Petrus ist der Erste unter ihnen. Er ist der Sprecher in entscheidenden Stunden.

Als der Herr seine Weissagung macht, dass er ein Brot geben werde, das sein Fleisch ist, und viele Jünger ihn verlassen, da ist Petrus der Sprecher der Jüngerschar: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du, du allein hast Worte des ewigen Lebens.“ Unter den Zwölfen wird einer erwählt, damit er die Einheit unter ihnen gewährleisten soll. Es ist Simon Petrus, der Felsenmann. Und diese seine Funktion behauptet er bei Cäsarea Philippi. Da fragt der Herr seine Jünger: „Für wen halten die Leute, die anderen Menschen, den Menschensohn?“ Und dann kommen diese kläglichen Antworten: „Die einen für Johannes den Täufer (der dann eben auferstanden sein muss), andere für Elias (der dann eben wiedergekommen sein muss) oder für Jeremias oder irgendeinen der Propheten.“ Diese enttäuschenden Antworten veranlassen den Herrn, zu fragen: „Ihr aber, ihr, die ihr herausgehoben seid aus den übrigen Menschen, für wen haltet ihr mich?“ Und wiederum tritt Petrus in seine Führerrolle ein und spricht: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Diese Kenntnis ist Petrus geworden durch eine Offenbarung. „Nicht Fleisch und Blut“, also nicht menschliche Mittel, „haben dir das geoffenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist.“ Petrus ist Offenbarungsträger. Aber nicht nur das. Er wird auch vom Herrn seliggepriesen. „Selig bist du, Simon, Sohn des Johannes.“ Und dann kommt die dreifache Verheißung, die auf Petrus gehäuft wird: „Du bist der Fels, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.“

Fels ist ein Standort, der unerschütterlich ist. Fels besagt, dass ein Bau errichtet wird, der nicht vom Sturm weggefegt wird und den Wassermassen nicht zerreißen. Fels bedeutet die Unerschütterlichkeit einer Gründung. Ein neuer Bau muss stehen, denn der alte stürzt, aber dieser Bau wird nicht auf Sand errichtet, sondern auf Fels. Die Nichtkatholiken haben sich bemüht, dieses Wort zu entschärfen. Man hat alle möglichen Erklärungen erfunden. Nicht Petrus sei gemeint, sondern eben sein Glaube. Aber der Herr sagt ja nicht: Sein Glaube ist der Fels, sondern: „Du, du persönlich, du bist der Fels.“

Aber damit nicht genug. „Dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben.“ Das Himmelreich ist ja das große Werk, das der Herr bauen will, das Reich Gottes, das auf diese Erde kommt und in dem die Kirche den Anfang bildet. Die Schlüssel geben die Gewalt über dieses Reich. Schlüsselträger ist nicht ein Pförtner, Schlüsselträger ist der Hausherr. Ihm sind die Schlüssel anvertraut und damit der Einlaß und der Ausschluß. Petrus wird zum Hausherrn dieses neuen Baues gemacht.

Und immer noch nicht genug. „Alles, was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöset sein. Alles, was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein.“ Die Ausdrücke binden und lösen waren den damaligen Menschen vertraut. Binden heißt jemanden unter Zwang stellen, heißt jemandem ein bestimmtes Gebot geben. Binden heißt ihn auf bestimmte Vorschriften verpflichten. Wer die Bindegewalt hat, der vermag Gesetze aufzustellen und von ihnen zu dispensieren. Er vermag Strafen auszusprechen, denn das ist auch eine Bindung, aber er vermag auch von Strafen loszusprechen.

Das ist also die dreifache Sendung, die Petrus in Cäsarea Philippi zuteil wurde. Das ist die Stiftungsurkunde des Papsttums. Ich sagte schon, man hat daran gerüttelt, diese Worte anders zu deuten, um nicht auf dem Felsen Petrus stehen zu müssen. Aber alle diese Versuche scheitern an dem klaren Wortlaut des Textes, den der Herr gesprochen hat. Aus diesen Worten wird unausweichlich klar: Wer nicht auf dem Felsen Petri steht, ist nicht im Hause Christi, gehört nicht seiner Kirche an. Das sei all denen gesagt, die - manchmal sehr wohlmeinend – die Nichtkatholiken auch zur Kirche Christi im vollen Sinne rechnen wollen. Das ist nicht möglich. Wer nicht zum Papste steht, kann nicht Glied der katholischen Kirche sein.

Hoch hat der Herr den Simon gestellt, hoch hat er ihn erhoben. Aber Petrus wurde stolz. Er überhob sich. Es war am Gründonnerstag-Abend. Der Herr sprach von seiner Verfolgung: „Heute Nacht werdet ihr alle an mir irre werden.“ Da empört sich Petrus, da begehrt er auf: „Wenn auch alle an dir irre werden, ich nicht! Und wenn ich mit dir sterben müsste, ich würde es tun.“ Petrus ist stolz geworden, und Petrus muss gedemütigt werden. Und der Herr lässt zu, dass er gedemütigt wird: „Ich sage dir, Petrus, der Hahn wird nicht krähen, bis du dreimal geleugnet hast, mich zu kennen.“ Und wie der Herr es vorausgesagt hat, so ist es geschehen. „Der war auch bei Jesus, dem Nazarener“, sagt eine Frau. „Weib, ich kenne ihn nicht!“ Petrus musste gedemütigt werden. Einen Stolzen kann Christus als Papst nicht brauchen.

Petrus dachte nach diesem Fall vielleicht nicht mehr daran, dass ihm die verheißene Würde zuteil werden würde. Die anderen mochten raten, wer der Führer seines Reiches werden sollte. Und da war es nach der Auferstehung des Herrn in der Morgenfrühe wiederum am See von Tiberias, dass der Herr seine Jünger um sich versammelt. „Simon, Sohn des Johannes“, so spricht er ihn an. Feierlich, gespannt schauen alle auf den Herrn und auf Petrus. Und dann die Frage: „Liebst du mich mehr als diese?“ Was soll er antworten? Im Abendmahlssaal, da hätte er gesagt: „Ja, ich liebe dich mehr als diese.“ Aber das traut er sich nicht mehr zu sagen. „Ja, Herr“, so stammelt er, „du weißt, dass ich dich liebe.“ Und dreimal dieselbe Frage, und dreimal dieselbe Antwort, und dann die entscheidende Erfüllung: „Weide meine Lämmer! Weide meine Schafe!“ Er soll der Hirt, er soll der Oberhirt sein, er soll der oberste Hirt sein. Ihm ist die Lenkung der Herde Jesu anvertraut. Nur Gottes Geist, meine lieben Freunde, kommt auf den Gedanken, das Schwache zu erwählen, um damit andere zu bestärken. Nur Gottes Hand kann über einem wankenden Grundstein ein ewiges Gebäude aufrichten.

Das war des Heilands letztes Wort in der Papstfrage. Seitdem wissen wir: Im römischen Bischof, im Papst, ruht die Autorität Christi, ruht die Einheit und die Wahrheit der Kirche. Es mögen Völker von allen Seiten kommen und in die Kirche eintreten, ihr Aufbau, ihre Einrichtung bleibt, wie der Herr es gewollt hat. Es mögen Bistümer erstehen, volkreich, manchmal – allzu selten – manchmal mit hervorragenden Bischöfen an ihrer Spitze, überragend an Geist und Größe. Wenn sie nicht dem Papst Gefolgschaft leisten, gehören sie nicht zur Kirche Christi. Eine einzige Herde soll sein. Darum setzt der Herr Petrus ein zum Bischof der Bischöfe, zum Hirten der Hirten, zum oberen, nein, zum obersten Hirten.

Das Erste Vatikanische Konzil, diese große Kirchenversammlung von 1870, hat diesen biblischen Befund in Begriffe zu fassen gewusst. Mit Recht; denn wir müssen die Bilder ja deuten, wir müssen sie umsetzen in Begriffe, damit wir uns darüber klar werden, was in diesen Bildern enthalten ist. Und das Erste Vatikanische Konzil hat gesagt, dass Petrus den übrigen Aposteln vorgesetzt wurde als das beständige Prinzip und das sichtbare Fundament der Einheit. Das sind die entscheidenden Begriffe: das beständige Prinzip und das sichtbare Fundament der Einheit. Was ist ein Prinzip? Ein Prinzip ist ein Anfang, ein Ursprung, ein Grund. Ein Prinzip ist dasjenige, woraus etwas wirklich wird. Wenn Petrus – wenn der Papst – das Prinzip ist, das Prinzip der Einheit, dann ergibt sich daraus, dass es seine ständige Aufgabe und Vollmacht ist, diese Einheit zu schaffen. Andere, auch Bischöfe, mögen vom Pluralismus faseln und die Spaltung betreiben: Petrus, der Papst, erhält die Einheit. Er ist ihr Prinzip. Und das Fundament? Das ist die Grundlage, das ist die Basis. Jeder, der ein Haus baut, weiß, dass man ein Fundament schaffen muss. Das Fundament ist der Bestandteil des Bauwerks, auf dem das übrige ruht. In Petrus, im Papst, ruht die Einheit der Kirche. Mögen noch so viele Bischöfe meutern, mögen sie der Beliebigkeit das Wort reden: In Petrus, dem Papst, ist die Einheit gegründet. Er ist ihr Fundament.

Auch diese Funktion hat der Herr vorausgesagt. Im Abendmahlssaal noch wandte er sich zu Petrus: „Simon, Simon, der Satan hat verlangt, euch zu sieben, wie man den Weizen siebt. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht wanke. Und wenn du dich dereinst zurückgefunden hast, stärke deine Brüder!“ Genau das tut Petrus, tut der Papst: Er stärkt seine Brüder. Ach, meine Freunde, ohne den Papst würde der Glaube in unserer Kirche längst verunklart und verunreinigt sein. Das tun die Päpste seit 2000 Jahren: Sie stärken ihre Brüder, sie erhalten sie in der Wahrheit. Denn in ihm, im Papst, ruht die Lehrgewalt der Kirche. Der Geist des Irrtums kann sie nicht überwältigen, solange der Garant der Wahrheit steht, der Fels Petri, der Fels der Wahrheit. Der Papst hat die höchste Lehrautorität, ja er ist, wenn er ex cathedra spricht, also mit letztgültiger Vollmacht, er ist unfehlbar! In ihm verdichtet, sammelt sich die Unfehlbarkeit, die der Kirche eignet. In einem gewissen Sinne ist der Papst die Kirche, weil er ihr Haupt ist, ihr Fundament und ihr Prinzip.

Die Wahrheit, meine lieben Freunde, kann nicht immerfort gesucht werden. Man muss sie auch einmal finden. Man muss sie auch einmal festhalten. Die Suche muss einmal zum Ziele führen. Es muss ein letztes Wort in der Kirche geben, und dieses letzte Wort spricht Petrus, spricht der Papst. Wo Petrus ist, da ist die Kirche. Und wo die Kirche ist, da ist nicht der Tod, da ist das ewige Leben.

Amen.

 

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Die Kirche, auf den Felsen gegründet

19.10.2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am vergangenen Sonntag haben wir uns vor Augen gestellt, wie Jesus den Felsen der Kirche gegründet hat. Er hat ihn gegründet auf einen Menschen namens Simon, dem der den Beinamen Kephas, d.h. Petrus, der Fels, gab. Damit hat Christus die Verfassung der Kirche grundlegend eingerichtet. Aber auch wenn wir nichts davon wüssten, die Art, wie die Urkirche, wie die Apostel die Kirche gelenkt und geleitet haben, würde uns davon überzeugen, dass sie auf Petrus, den Felsenmann, gegründet ist. Denn der Heiland verließ ja die Seinigen. Er fuhr gen Himmel, und nun trat Petrus sein Führungsamt an. Er leitet die Wahl des neuen Apostels Matthias; er stellt die Kirche, die jetzt vom Heiligen Geist erfüllt ist, der Welt vor, und er eröffnet die Mission. Petrus ist es, der in den ersten Kämpfen, welche die junge Kirche bestehen muss, als ihr Verteidiger auftritt vor dem Hohen Rat. Er ist ihr Sprecher. Petrus verhängt die erste Exkommunikation über Simon, den Zauberer. Und wiederum ist es Petrus, der das Ehepaar Ananias und Saphira als Lügner entlarvt, und prompt folgt das göttliche Strafgericht seinem Spruch. Für Petrus wirkt Gott das große Wunder der Errettung. Petrus im Kerker, von 16 Mann bewacht, in vier Wachen aufgeteilt. Gott schickt seinen Boten, den himmlischen Boten, und Petrus durchschreitet die Wachen. „Jetzt weiß ich“, sagt er, „dass der Herr seinen Engel gesandt und mich aus der Hand des Herodes und aus der Erwartung des Volkes der Juden befreit hat.“

Es taucht eine schwierige Frage auf. Müssen die Heiden, die zum Christentum kommen, beschnitten werden? Müssen sie das alttestamentliche Gesetz auf sich nehmen? Petrus fällt die Entscheidung. Von Gott erleuchtet, verfügt er, dass weder das eine noch das andere ihnen auferlegt werden muss. Mögen auch manche dagegen sprechen, mag sein ganzes jüdisches Empfinden sich dagegen wenden: Unter der Leitung des Heiligen Geistes trifft er die Entscheidung, und keiner wagt sie zu bestreiten, auch nicht Paulus, der Selbständige, der von Gott eigens Berufene. Auch er beugt sich unter die Führungsstellung Petri. Im Galaterbrief schreibt er: „Ich ging aus Arabien nach Jerusalem, um Petrus zu sehen, und ich blieb 14 Tage bei ihm.“

Petrus ist tot. Aber bevor er stirbt, hat er noch einen besonderen Auftrag zu erfüllen. Er muss nach Rom. Das Herz der damaligen Welt war Rom, die Hauptstadt des Imperiums. Er mag davor zurückschrecken. Was soll er, der Fischer, der Provinzler in dieser Weltstadt, wo die Kaiserpaläste stehen, wo das  machtvolle Heidentum triumphiert. Des Herren Hand führt ihn nach Rom. Kein ernster Forscher heute bestreitet die Tatsache, dass Petrus in Rom gewesen ist und dort sein Leben geopfert hat. Diese Stadt soll er für Christus erobern. Ist das nicht aussichtslos? Hat das einen Sinn angesichts der Macht des Heidentums? Seine einzige Waffe: das Kreuz. Der Gott, den er predigt: der Gehenkte von Golgotha. Das Leben, das er fordert: die Kreuzigung des niederen Menschen, des sinnlichen Menschen. Hat es Sinn, hier anzufangen? Petrus mag gezweifelt haben, aber er hat den Befehl des Herrn in seinem Kopfe: „Wirf dein Netz aus! Wirf es aus auch in der Weltstadt Rom! Fahr hinaus auf das hohe Meer, in die Welthauptstadt.“ Das Wunder zu wirken, liegt beim Herrn. „Du aber erfülle deinen Auftrag!“ Und das Wunder geschieht wie damals am See. Das Christentum breitet sich aus. Schon im 1. Jahrhundert nehmen Angehörige des Kaiserhauses das Christentum an. Schwer wird die Arbeit, übermenschlich schwer. Petrus möchte fliehen, aber das Bild des Gekreuzigten mahnt ihn, auszuhalten. Er bleibt. Er bleibt bis zum Tode am Kreuze, zu dem Tode, in dem er seinem Meister nachfolgt.

Petrus stirbt, aber der Papst lebt. Linus tritt für ihn ein, Cletus, Clemens und dann 265 andere Nachfolger. Wir schreiben das Jahr 96. In Korinth gibt es Tumult. Aufrührer haben die Presbyter, die Priester, abgesetzt. Wer sollte eingreifen? In Ephesus lebt noch Johannes, der Apostel. Aber nicht er greift ein, sondern der Bischof von Rom, Clemens. Er schreibt einen Brief voll mitfühlender Liebe und gleichzeitig voll ernster Autorität. Und die Gemeinde in Korinth fügt sich, denn sie weiß: In Clemens spricht Christi Stellvertreter, in Clemens spricht das Oberhaupt der Kirche. Ignatius ist der Vorsteher der Kirche von Antiochien, der Episcopos, der Bischof. Aber stellt er sich auf eine Stufe mit dem Bischof von Rom? O nein, meine Freunde: „Rom“, so schreibt er, „ist die Vorsitzende des Liebesbundes.“ Rom die Vorsitzende des ganzen Liebesbundes, der ganzen Kirche auf dem sich weiten Erdkreis.

Gegen Ende des 2. Jahrhunderts muss Irenäus, der Bischof von Lyon, der noch die Apostelschüler kennengelernt hat, gegen Irrlehrer die Wahrheit verteidigen. Er weiß, wohin er die Irrenden, wohin er die Suchenden zu führen hat: nach Rom. Dort ist die Kirche, welche die Vormachtstellung und die Führung hat, die das Charisma der Wahrheit besitzt, mit der jeder übereinstimmen muss, der Christi Namen trägt. So steht es in seinem Buch „Adversus Haereses“. Mit Rom muss jeder übereinstimmen, der Christi Namen trägt.

Im Osten bricht der Osterfeststreit aus. Man streitet darüber, wann das Osterfest zu feiern ist, ob immer am 14. Nisan oder wechselnd je nach dem Eintreten des Ostervollmondes. Der Papst Victor von Rom greift ein. Er droht mit Ausschluß aus der Kirche. Manche halten sein Vorgehen für zu streng, aber alle beugen sich. Auch die Griechen beugen sich seinem Spruch. In Afrika ist Cyprian der Primas, der Erste von Afrika. Er ist ein mutiger Glaubenszeuge und ein beredter Lehrer. Er weiß auch in Meinungsverschiedenheiten sich mit dem Papst auseinanderzusetzen. Aber umso gewichtiger ist sein Zeugnis, dass Cornelius, also der römische Bischof, Inhaber des Primates ist, dass Rom jene Kirche ist, von der alle Einheit ausgeht. So schreibt er: die Kirche, von der alle Einheit ausgeht.

Das Konzil zu Ephesus findet statt. Papst Cölestin schickt seine Gesandten, nicht als Mitberater, sondern als Entscheidende. Sie sollen dort seine Entscheidung vorlegen. Und die stolzen Griechen beugen sich vor ihm, dem Römer. Wenig später das Konzil zu Chalcedon. Die dort versammelten Väter empfangen einen Brief von Papst Leo. Was sagen sie? „Petrus hat durch Leo gesprochen.“ Petrus hat durch Leo gesprochen. So schallt es durch die Versammlung, und das entscheidet. „Wo Petrus ist, dort ist die Kirche“, schreibt der gewaltige Ambrosius von Mailand. Das ist das zusammengefasste Urteil der ganzen ersten Jahrhunderte der Kirche.

Man möchte heute, meine lieben Freunde, all jenen, die sich vom Felsen Petri losgesagt haben, zurufen: Kommt, ihr getrennten Bischöfe des Ostens. Warum sprecht ihr nicht wie eure Vorfahren aus den ersten Jahrhunderten? Kommt, ihr Christus liebenden Wahrheitssucher aus dem Protestantismus. Ihr sucht die Kirche Christi. Aber sie ist nicht dort, wo Spaltung, Irrtum und Schwäche und Zerfall ist. Sie steht auf dem Felsen der Einheit. Sie ist dort, wo Petrus ist. Kommt, möchte man rufen, ihr Altkatholiken. Ihr wolltet die Kirche Christi, die Urkirche, wiederherstellen. Warum ist bei euch nicht das vorhanden, was der Urkirche selbstverständlich war, nämlich der Primat Petri? Einheit der Christenheit, ein wunderbarer Gedanke, die Sehnsucht Christi und das Verlangen der Besten im heutigen Christentum. Aber diese Einheit setzt nicht auf Weltkonferenzen; sie zeigen nur, wie weit die Christen auseinander sind. Diese Einheit kann nur hergestellt werden, indem alle zurückkehren zum römischen Stuhl, indem sie alle sich bekennen zu Petrus, der in seinem Nachfolger heute noch lebendig ist.

Da höre ich die Einwände, meine lieben Freunde. Wir haben gesprochen von Petrus, vom Papst und seiner Vollmacht und seinen Funktionen. Aber wo bleibt denn da Christus? Wird nicht Christus verdeckt durch den Papst? Ist es nicht so, dass der Papst Christus verdunkelt? Meine Freunde, das Verhältnis Christi zum Papst ist ähnlich wie sein Verhältnis zum Priester. Christus ist der innere, unsichtbare Spender aller Sakramente. Er ist es, der das Messopfer vollzieht. Er ist es, der tauft. Er ist es, der von den Sünden losspricht. Aber er bedient sich dazu eines menschlichen Werkzeugs. Er hat Menschen zu äußeren, sichtbaren Spendern der Sakramente bestellt. Ähnlich ist es mit dem Papsttum, mit der Kirche. Christus leitet sie durch seinen Heiligen Geist, durch das innere Walten des Heiligen Geistes. Dennoch hat er einen Menschen als seinen Stellvertreter und Inhaber seiner Macht an die Spitze gestellt, denn die sichtbare Kirche bedarf eines sichtbaren Hauptes. Und deswegen, meine Freunde: Das Bekenntnis zum sichtbaren Stellvertreter Christi auf Erden stellt das Bekenntnis zu Christus nicht unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter. Der römische Papst verdeckt nicht Christus, er macht ihn präsent. Christus handelt durch Petrus und seine Nachfolger, und deswegen ist es richtig, zu sagen: Die katholische Kirche ist eine Papstkirche. Der Papst ist der Bischof der Bischöfe, ihm sind alle Bischöfe und jeder einzelne unterstellt – Gott sei Dank. Der Papst ist der Universalbischof der Kirche. Er ist in einem richtigen Sinne episcopus catholicae ecclesiae, der Bischof der katholischen Kirche. Das kann kein anderer als Bischof von sich sagen. Die anderen Bischöfe sind Bischöfe von Mainz oder von Limburg, aber der Papst ist nicht nur Bischof von Rom, er ist Bischof der katholischen Kirche.

Der Papst ist in einem wahren Sinne unersetzlich und unentbehrlich. Und nur er. Jeder andere Bischof kann entbehrt werden. Und es sind ja in der Tat immer auch in der Kirchengeschichte Hunderte von Bischofsstühlen eingegangen. Einer ist stehengeblieben, musste stehenbleiben, der Stuhl Petri. Ein Bischof ist unentbehrlich, der oberste von ihnen, der Papst.

Mehr als einmal ist der Papst aus Rom vertrieben worden oder hat die Stadt aus eigenem Antrieb verlassen. Von 1309 bis 1377 befanden sich die Päpste in Frankreich, in Avignon. Noch heute kann man dort den Papstpalast besichtigen, den er in dieser Zeit bewohnte. Das Papstamt haben sie durch den Ortswechsel nicht verloren. Einer dieser Päpste, die sich in Avignon befanden, nämlich Johannes XXII., hat das richtige Wort geprägt: „Ubi Papa, ibi Roma.“ Wo der Papst ist, da ist Rom. Während seines Streites mit Papst Pius VII. sagte Napoleon eines Tages zu einem französischen Bischof: „Nicht wahr, die Kirche kann auch ohne Papst auskommen.“ Der Bischof antwortete: „Gewiß, genauso wie die französische Armee ohne Napoleon.“ Die Päpste haben ihre Aufgabe im Laufe von 2000 Jahren wahrlich erfüllt. Sie waren das Prinzip und das Fundament der Einheit. Ohne ihren Dienst hätte sich die Kirche längst in Nationalkirchen aufgelöst. Ohne ihren Dienst wären, wie es in allen Abspaltungen geschieht, die Wahrheit und die Gnade längst vergessen, wäre die Fülle und die Reinheit der Wahrheit verlorengegangen.

Es ist so, wie der heilige Thomas Morus an seinen König Heinrich VIII., diesen Abtrünnigen, schrieb: „Es gibt keinen Feind des Christentums, der den Heiligen Stuhl nicht gründlich haßt. Aber es gibt auch keinen Feind Roms, der nicht früher oder später auch an der christlichen Religion zum Verräter wird.“ Sie sind alle defizient: die Othodoxen, die Anglikaner, die Protestanten, die Altkatholiken. Es fehlt ihnen allen etwas. Sie alle stehen nicht mehr in der Fülle und der Reinheit der Wahrheit. Ihr Grundfehler ist: Sie wollen es den Menschen recht machen, nicht Gott. Deswegen sind sie vom Felsen Petri weggegangen.

Im 19. Jahrhundert lebte der große Philosoph Friedrich Wilhelm Josef Schelling. Er stammte aus einem protestantischen Hause. Seine Vorfahren waren beiderseits protestantische Pastoren. Von Schelling stammt das Wort: „Wollt ihr wissen, was ich vom Papsttum halte? Ich halte vom Papsttum, dass ohne dasselbe das Christentum von der Erde längst verschwunden wäre.“ Das ist der Ruhm der Päpste, dass sie mit höchster Standhaftigkeit wie ein Bollwerk sich entgegenstellten, damit die menschliche Gesellschaft nicht in Barbarei und Aberglaube zurückfalle. In den Katakomben von Rom hat man eine Lampe gefunden aus den ersten christlichen Zeiten. Auf dieser Lampe steht geschrieben: „Petrus stirbt nicht.“ Petrus stirbt nicht. Nein, Petrus stirbt nicht. Solange diese Weltzeit dauert, wird er einen Nachfolger haben. Wie oft ist das Papsttum totgesagt worden. 1799 starb Papst Pius VI. in der Gefangenschaft in Südfrankreich. Die revolutionäre Zeitung von Grenoble schrieb damals: „Die Macht seines Thrones ist in den Abgrund gestürzt. Er wird sich nicht mehr erheben. Die Finsternis ist vorüber.“ Kurze Zeit später bestieg Papst Pius VII. den päpstlichen Thron, und er erneuerte die französische Kirche. Und so erfüllte sich in ihm das Wort: „Petrus stirbt nicht!“

Amen.

 

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Die Welt – Werk und Abbild Gottes

26.10.2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zum Königsfest unseres Herrn Versammelte!

Ein ständiges Rätsel bleibt für die Menschen das Verhältnis von Welt und Religion, von Welt und Kirche, von Natur und Übernatur, von Christentum und Leben. Der große Papst Benedikt XV., also jener Papst, der während des Ersten Weltkrieges die Kirche regierte, hat damals geschrieben: „Die Kirche verfügt über eine wunderbare Kraft, nicht nur die Menschen für ihr ewiges Heil zu verbinden, sondern auch zur Wohlfahrt dieses Lebens, indem sie die Menschen durch die zeitlichen Güter so hindurchgeleitet, dass sie die ewigen nicht verlieren.“

Die erste Frage, die wir uns stellen, heißt: Was ist es um den Wert der Welt in sich? Da hört man die mannigfaltigsten Antworten. Die einen vergötzen die Welt, die anderen verdammen sie. Die sie vergötzen, das sind jene, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen und die das Leid der Welt offenbar nicht berührt hat. Die sie verdammen, das sind viel mehr. Das sind diejenigen, die leidvolle Erfahrungen mit der Welt gemacht haben, die die Welt als schlecht, als in sich schlecht sehen. Und solche Leute hat es immer gegeben. Schon im Anfang des Christentums entstand die Sekte der Manichäer, die sagten: Die Welt ist von einem bösen Gott geschaffen. Der gute Gott hat mit ihr nichts zu tun. Dieser Irrlehre hat sogar der heilige Augustinus in seiner vorchristlichen Zeit angehangen. Und Luther war ja nicht weit entfernt von dieser Meinung. Auch er war der Ansicht nach all den Erlebnissen, die er gehabt hat in seiner eigenen Seele und in der Umwelt, am prunkvollen Hofe in Rom: Die Welt ist schlecht, die Sünde hat sie verderbt, auch die Erlösung ändert nichts daran. Sie deckt nur die Sünde zu mit dem Mantel erbarmender Liebe. Innerlich bleibt der Mensch schlecht. Dieser Tage las ich in einem Roman. Da lässt der Autor eine hochgestellte Persönlichkeit sprechen: „75 Prozent der Menschheit sind dämlich und zugleich auch noch bösartig, die restlichen 25 Prozent sind sich nie miteinander einig.“

Diese Urteile über die Welt kann die Kirche nicht teilen. Die Kirche sagt: Die Welt ist Gottes Werk und darum gut. Wie sie aus der Hand des Schöpfers hervorging, war sie gut geschaffen. Er ist der große Künstler, der große Baumeister des Alls. In all den Dingen soll seine Schönheit ausstrahlen. In Psalm 18 heißt es: „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre.“ Das heißt, aus der Schönheit, aus der Harmonie, aus der Ordnung der Welt kann man den Schöpfer erkennen. Die Welt ist ein Abbild Gottes, wenn auch ein Abbild, das mehr unähnlich als ähnlich ist, aber immerhin ein schwaches Abbild Gottes. Die Welt hat Anteil an Gottes Sein, das ist ihr Glück, und das ist ihre Güte.

Freilich ist sie beschränkt. Sie ist ja nicht das Gute selbst. Man kann keine letzten Forderungen an sie stellen. Man darf sie nicht in sündiger Begier missbrauchen. Die Weltdinge dürfen nicht Ziel unseres Lebens sein; sie müssen Mittel unseres Lebens sein. Wer die Dinge dieser Welt, das eigene Ich, den Leib, die Leibespflege, die Leidenschaft, Geld und Gut, Wissen und Kunst, Nation und Staat vergötzt, gegen den schlägt die Welt aus. Die Welt wehrt sich gegen ihren Missbrauch. „Du hast es befohlen, o Gott, und so ist es, dass seine Strafe sich selbst ist jeder ungeordnete Geist.“ Deswegen kann es den Dingen der Welt gegenüber nur die Haltung geben, die die Kirche immer vertreten hat und immer vertreten wird, nämlich: Wir müssen die innere Gesetzmäßigkeit der Welt aufspüren, die Gott in sie gelegt hat. Vom Sein gehen Befehle aus. Jawohl, so ist es. Und wir müssen den Dingen der Welt gegenüber die innere Freiheit bewahren, die Gelassenheit. Wir müssen über den Dingen stehen. Das ist die erste Wahrheit. Die Welt ist gut aus Gottes Hand hervorgegangen.

Und eine zweite muss hinzugefügt werden: Gott hat die Welt sogar über sich hinaus erhoben. In jeder heiligen Messe, also in wenigen Minuten wieder, beten wir: „Gott, du hast den Menschen wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erneuert.“ Hier wird der Zweistufenplan Gottes gewissermaßen vor uns ausgebreitet. Die Welt ist gut geschaffen, aber Gott hat noch etwas hinzugefügt: Er hat sich in diese Welt hineinbegeben, er hat sein göttliches Leben in die Welt hineingesenkt. In der Seele des Menschen sollte seine Gnade leben, das übernatürliche Leben. Der Mensch sollte nicht nur Geschöpf, er sollte auch Gottes Kind sein. Das war die Gnade des Urstandes im Anfang der Menschengeschichte. Eine übernatürliche Kraft sollte den Verstand des Menschen erleuchten, eine übernatürliche Kraft sollte seinen Willen stählen, und aus dieser übernatürlichen Ausrüstung sollte der Mensch die Welt gestalten, sollte er über die Erdendinge verfügen, sollte er sie nach Gottes Willen gebrauchen.

Aber da müssen wir gleich die dritte Wahrheit anfügen: „Es geht ein allgemeines Weinen, soweit die stillen Sterne scheinen, durch alle Fasern der Natur.“ Und woher kommt dieses Weinen? Es kommt aus der Sünde, aus der Ursünde des Menschen. Der erste Mensch wusste um den Willen Gottes, aber er hat ihn nicht bewahrt. „Der Baum war köstlich zum Speisen“, so schildert es die Genesis im ersten Buch der Schrift in einer kindlichen Weise, wie man es eben Menschen einfacher Lebensart schildern muss. „Der Baum war köstlich zum Speisen.“ Er wusste, dass der Wille Gottes entgegenstand, und er wusste, dass er das wunderbare Band zwischen Gott und Mensch war, aber er ergab sich dem Genuß, und so wurde er, und so wurden alle seine Nachkommen des Gewandes der Unschuld, der Gotteskindschaft beraubt. Und seitdem gilt das furchtbare Wort: „Es geht ein allgemeines Weinen, soweit die stillen Sterne scheinen, durch alle Fasern der Natur.“ Aus dem Paradies der Wonne wurde er vertrieben und in das Jammertal des Elends gestürzt.

Dieses Elend hat sich dann auf seine Nachkommen ausgebreitet. Wir spüren es jeden Tag. Was macht das Leben so schwer, meine lieben Freunde? In der Familie, in der Nachbarschaft, auf der Arbeitsstätte, im Geschäftsleben? Ist es nicht immer wieder irgendeine Form der Sünde: Selbstsucht, Neid, Lüge, Betrug, Haß, Zorn, Geiz? Und das bleibt ja nicht auf den Kreis der Familie beschränkt. Das breitet sich aus. Wir stehen heute unfaßlich und fassungslos vor einer weltweiten Finanzkrise. Ja, wie konnte es dazu kommen? Wie ist es möglich, dass die bayerische Landesbank 6 ½ Milliarden Euro benötigt, um ihre Kunden zu befriedigen? Wie ist das möglich? Die Sünde macht elend die Völker. Alles Unglück liegt letztlich begründet in der Gottferne, in der Gottentfremdung. Sünde und Elend stehen in einer furchtbaren Wechselwirkung. Aus dem Bruch mit Gott entsteht die Gesetzlosigkeit der Welt, der Zusammenbruch, das Chaos.

Aber dabei dürfen wir nicht stehen bleiben. Wir müssen eine vierte Wahrheit hinzufügen, nämlich: Es gibt eine Erlösung. Die Welt ist erlösungsbedürftig, und sie ist erlösungsfähig. Und da geschieht das Unerhörte: Gott steigt in diese Welt hinab. Das macht unsere Religion, meine lieben Freunde, überlegen über jede andere. Ich bin immer entsetzt, wenn ich höre, wie die Kinder mir erzählen, in der Schule werden der Mohammedanismus besprochen und der Buddhismus und der Shintoismus und der Darwinismus. Ja zum Donnerwetter: Wir haben eine Religion, die über alle anderen überlegen ist. Es gibt keine zweite Religion, die von einem Gott begründet ist. Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns sein Zelt aufgeschlagen. Gott ist in dieser Welt hinabgestiegen. Der ewige Lebenskreis des dreieinigen Gottes wogt jetzt in die Welt hinein, und diese Welle schlägt weiter. Alle, die an ihn glauben, erhalten die Macht, Kinder Gottes zu werden, und sie werden zusammengefaßt in einem Leib, den man Kirche nennt. Er ist das Haupt dieses Leibes. Lehrend, führend, erlösend führt die Kirche das große Erlösungswerk Christi fort, zunächst indem sie das Sündenelend im einzelnen Menschen bannt. Das ist die erste Aufgabe der Kirche, den Einzelmenschen von seiner Schuld zu erlösen und mit Gott zu verbinden. Das tut sie mit der Gnade. Und die Gnade ist eine Macht, meine lieben Freunde. Ich lasse mir das nicht ausreden, dass die Gnade nicht bloß ein deckendes Gewand ist, sondern formendes Leben. Ich kenne Menschen, die in der Gnade eine wunderbare Formung erfahren haben. Ich kenne sie. Die Gnade dringt in die Tiefe der Seelen ein und gestaltet den Menschen um.

Nicht umsonst spricht der Apostel Paulus von der „neuen Schöpfung“. Jawohl, von der neuen Schöpfung. Kainä ktisis, griechisch. Dass die Seele also veredelt wird, dass der Verstand erleuchtet wird, dass der Wille neue Kraft erhält und dass dieses Neue im Menschen fortwirkt, dass der neue Christenmensch auch die Welt neu gestaltet. Das ist es, was immer mehr das Reich Christi in Gerechtigkeit und Liebe entstehen läßt.

Das ist ja der Sinn des heutigen Festes, des Christkönigsfestes. Christus soll König sein. Er soll König sein über die ganze Welt. Freilich ist sein Königtum angefochten, umkämpft. Immer noch muss die Kirche gegen die Front des Satans aufstehen. Die Grünen in Bayern verlangen die Entfernung der Kreuze aus den Schulen. Die Kirche kann nicht anders. Sie muss das Königtum Christi verkünden. Christus will Herr sein überall, nicht nur in stillen Tabernakeln und nicht nur in frommen Christenherzen. Nein, auch in den Familien will er leben, in der Wissenschaft, in der Kunst, auf den Stätten der Arbeit und in der Wirtschaft. In den Parlamenten und in den Regrungen soll sein Gesetz gelten. Er soll den Vorsitz überall haben. Christus will König sein. Und wir haben seinen Anspruch zu verkünden und nach seinem Gesetz zu leben.

Vor einiger Zeit schrieb ein Konvertit, also ein Mann, der zum katholischen Glauben gefunden hat, den Satz: „Ich bin katholisch geworden, weil ich der Überzeugung bin, dass heute die Kirche allein die bedrohte Zivilisation retten kann.“ Ich bin katholisch geworden, weil ich der Überzeugung bin, dass heute die Kirche allein die bedrohte Zivilisation retten kann. Und wie wirkt die Kirche diese Rettung? Zunächst einmal, indem sie den Einzelnen heiligt, indem sie das Erlösunsgwerk in der einzelnen Seele vollbringt, indem sie den Menschen Christus eingliedert. Dadurch wird der Mensch vergöttlicht, dadurch wird ein Stück Welt vergöttlicht, dadurch wird die Macht der Sünde zurückgedrängt. Und dann setzt sie mit ihren erlösten Gliedern die Erlösungstat Christi in der Welt fort in all den Gebeten, die sie emporsendet, in allen Arbeiten und Leiden ihrer Glieder. Unaufhörlich bringt die Kirche auf den Altären das große Erlösungsopfer dar, damit es die Welt überflutet und das kostbare Blut Christi die Welt erlöst.

Vor Jahrzehnten hat einmal die große Dichterin Gertrud von Le Fort den ergreifenden Satz über die Kirche geschrieben: „Um deinetwillen lassen die Himmel den Erdball nicht fallen. Alle, die dich lästern, leben nur von dir.“ Um deinetwillen lassen die Himmel den Erdball nicht fallen. Alle, die dich lästern, leben nur von dir. Jawohl, so ist es. Aber die Kirche soll und darf nicht bloß im Kirchenraum die Erlösung verkünden. Sie muss das Gesetz Gottes auch hinaustragen, damit es das Leben gestalte. Sie muss die Gesetzmäßigkeit der Dinge den Menschen unterbreiten. Zu viel wird unterschlagen vom Gesetze Gottes. Zu viel wird verheimlicht. Zu viel wird verdeckt. In den grundlegenden Fragen des Lebens wüten heute Irrtum und Leidenschaft. In einem Stadtteil von Los Angeles in den USA mit 40.000 Einwohnern sind 40 Prozent der Männer schwul, homosexuell. 40 Prozent der Männer homosexuell. Und das britische Unterhaus hat in diesen Tagen ein Gesetz gebilligt, wonach es erlaubt ist, menschliches und tierisches Erbgut zusammenzubringen, um Chimären zu erzeugen.

Die Kirche verkündet den Willen Gottes. Sie wird geschmäht, sie wird gelästert, sie wird beiseite gedrängt. Aber, meine lieben Freunde, die Gesetze Gottes müssen stehen bleiben, wenn die Welt einen heilsamen Verlauf nehmen will. Sie fallen ja auch uns schwer. Wir wollen keine Pharisäer sein. Wir wissen, wie wir vor dem Anspruch Gottes zurückbleiben. Wir wissen es, leidvoll, schmerzvoll, reuevoll. Aber noch einmal: Die Gesetze müssen stehen bleiben, auch wenn wir daran schuldig werden. Der Wille des Schöpfers muss geachtet werden. Wer die Gesetze der Schöpfungsordnung missachtet, gegen den schlägt die Schöpfungsordnung unweigerlich aus.

Das ist die katholische Haltung: Willig sich dem Gesetze beugen, reuevoll das eigene Versagen eingestehen, über den Dingen stehen in dem frohen Bewusstsein, dass mein Lebensglück letztlich über den Dingen gelagert ist. Aber auch in den Dingen stehen und sie in der Weise behandeln, wie der Schöpfer es will: als Miterlöser, als Helfer, als Arbeiter daran, dass auch in den Dingen der Welt das Ebenbild Gottes immer mehr erstrahle, Gott zur Ehre und uns zum Heile.

Amen.

 

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Die Wahrheit des ewigen Lebens

01.11.2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Verehrung aller Heiligen Versammelte!

Die Erscheinung, über die wir am meisten nachgrübeln, die uns am meisten beschäftigt, ist das Lebensende, der Tod und was nach dem Tode sein wird. Wenn Gott uns sicheres Geleit durch das Leben geben wollte, dann musste er uns auch eine Offenbarung vom Tode und was nach dem Tode kommt schenken. Zu viel hängt davon ab, dass wir wissen, was der Tod bedeutet und was im Tode auf uns zukommt.

Die Wahrheit über den Tod und das jenseitige Leben ist von tiefgreifender Bedeutung. Ach, wenn wir wüssten, was einst sein wird, wenn wir wüssten, was nach dem Tode geschehen wird, wie würden wir unser Leben einrichten! So dachte auch der reiche Prasser, von dem der Herr spricht im Evangelium. Ja, wenn seine Brüder, die seinesgleichen waren, wüssten, in welcher Qual er lebt, dann würden sie sich bekehren. Er führt ein Zwiegespräch mit Vater Abraham; und Abraham sagte ihm: „Sie haben Moses und die Propheten. An die sollen sie sich halten, die sollen sie hören.“ Aber der Prasser ist überzeugt, dass das nicht reicht, noch nicht reicht. Aber wenn einer von den Toten käme, dann würden sie sich bekehren. Abraham weist ihn ab: „Wenn sie auf Moses und die Propheten nicht hören, dann würden sie auch nicht hören, wenn einer von den Toten zu ihnen kommt.“

Es hat immer Versuche gegeben, das Dunkel zu lichten, das hinter dem Tode steht. Eine solche Erscheinung ist der Spiritismus. Der Spiritismus ist ein ausgesprochener Totenkult. Er will durch bestimmte äußere Hilfsmittel, Gebetsketten, Absingen frommer Lieder, Tischrücken ein Mittel gefunden haben, um die Toten anzurufen und zu befragen. Er bedient sich angeblicher Medien, also begabter Menschen, die in der Lage sein sollen, über das jenseitige Reich etwas auszusagen. Das alles, meine lieben Freunde, ist nicht dienlich zu dem Zweck, der damit erreicht werden soll. Eine solche Bemühung ist nicht hilfreich. Es handelt sich beim Spiritismus entweder um Betrug oder um Selbsttäuschung der Teilnehmer infolge Übermüdung oder infolge gegenseitiger Beeinflussung. Die körperliche Erscheinung eines Toten ist nicht ausgeschlossen. Wir wissen, als das furchtbarste Ereignis der Weltgeschichte geschah, als der Herr starb, dass da Tote aus den Gräbern erstanden und vielen erschienen. Das ist eben ein Wunder Gottes. Das ist nicht zu erreichen durch Medien, durch Spiritismus.

Der Okkultismus, also diese Geheimlehre, oder die Parapsychologie, wie man das heute nennt, will mit angeblichen Erscheinungen, Tatsachen und Vorgängen sich beschäftigen, die sich nicht auf erklärbare Ursachen zurückführen lassen. Ich sage nicht, dass der Okkultismus Mumpitz ist. Es gibt Erscheinungen zwischen Himmel und Erde, von denen sich die Schulweisheit nicht träumen lässt, wie es schon im „Faust“ von Goethe heißt. Aber solche außerordentliche Phänomene können nur mit äußerster Vorsicht, mit großer Sachkenntnis und nach sorgfältiger Prüfung anerkannt werden. Spiritismus und Okkultismus haben jedenfalls versagt, wenn es darum geht, Kunde von der jenseitigen Welt zu erlangen. Es läßt sich zeigen, dass sie auch in alle Zukunft uns nicht darüber belehren können, dass diese Brückenbauversuche zum Scheitern verurteilt sind. Warum?  Weil das Jenseits Gott selber ist. Wer dahin eine Brücke bauen will, der muss sie auf Gott selber bauen, und nur Gott kann uns hinübertragen. Alle wirkliche Kunde über das Jenseits kann nur eine religiöse, eine von Gott geschenkte sein. Sie kann nur aus der lebendigen Verbundenheit mit Gott kommen. Es gibt tatsächlich Wege, die hinüberführen, aber nicht Wissenschaft und Technik, nicht visionäre und mediale Menschen können uns hinüberführen, sondern nur gottverbundene Menschen, nur Heilige. Es gibt eine sichere und lebendige Verbindung auch mit den heimgegangenen Menschen, aber nur mit den Menschen, die wirklich heimgekommen sind, die Gott nahe sind. Und diese Verbindung finden nur Menschen, die selber Zutritt zu Gott haben.

Daher kommt es, dass alle wirkliche Offenbarung über das Jenseits nur für liebende Menschen, nur für gottliebende Menschen etwas bedeutet. Der bloßen Neugier, der Sensationslust oder auch der Wissbegier wird kein Wort über dieses Geheimnis gesagt. Wenn wir unser Herz bereiten zur Liebe, dann werden wir etwas davon verstehen. Wir werden nur so viel verstehen, als unsere Gottesliebe zu fassen vermag. Wer keine Liebe hat, dem wird alles, was wir darüber sagen, klein und nichtig erscheinen. Wer eine große Liebe hat, dem wird es von wunderbarer und atemberaubender Süße sein. Und alles, was wir nach dem Tode erwarten, was wir erhoffen können, das lässt sich in drei Sätzen zusammenfassen, nämlich 1. Wir werden leben, 2. Wir werden lieben, 3. Wir werden wissen. Wir werden leben, wir werden lieben, wir werden wissen. Und darüber wollen wir heute, morgen am Sonntag und am kommenden Sonntag nachdenken. Heute über den Satz: Wir werden leben.

Wir werden leben, persönlich leben, nicht etwa nur als eine winzige Welle in einem großen Meer, nicht nur als ein Teilchen, das in immer neuen Gestalten durch immer neue Verwandlungsprozesse hindurchgeht. Gewiß, unsere leiblichen Stoffe, die unseren Körper aufbauen, sind auf einer Wanderung, auf einer Weltwanderung begriffen. Sie können in immer neue Lebewesen, in Pflanzen, Tiere und Menschen eingehen. Aber wir sind mehr und anderes als die Stoffe, die uns leiblich aufbauen. Wie sehr sich auch diese Stoffe wandeln mögen, wir selbst werden niemals vergehen. Unser Ich, unsere Persönlichkeit, unsere Einmaligkeit wird ewig leben. Das ist ein schrecklicher und zugleich tröstlicher Gedanke: Wir können nicht in das Nichts zurückkehren, aus dem uns Gott gerufen hat. Wir können auch nicht durch Umwandlung in ein anderes Sein übergehen. Ich und du und wir alle, alle Menschen, die jemals lebten, hätte ihr Leben auf Erden auch nur eine Stunde gedauert, wir alle werden immerfort sein in dieser Besonderung, in dieser Individualität, in dieser Einmaligkeit.

Damit ist die Lehre von der Seelenwanderung abgetan. Seelenwanderung ist der angebliche Übergang der aus einem sterbenden Körper scheidenden Seele in einen neuen, gleichartigen oder artverschiedenen Körper zur völligen Läuterung und zur sittlichen Vollendung, auf die erst der endgültige Zustand der Ruhe, der Beseligung und der Vergöttlichung erfolgt.

Gestern war in der Mainzer Zeitung ein Bild abgebildet von einer Kuh. Die Hindus in Nepal feiern ein großes Fest. Dieses Fest heißt Tihar. Und zu diesem Fest gehört die Verehrung der Kühe. Warum? Die gläubigen Hinduisten sehen in den Kühen eine Wiedergeburt von Menschen, eine Wiedergeburt von Göttern, vor allem eine Wiedergeburt des Gottes des Wohlstandes. Dieses Fest dauert fünf Tage. Der Glaube an die Wiedergeburt ist nicht auf die Hindus beschränkt. Auch griechische Philosophen wie Pythagoras, Empedokles und selbst Plato haben an die Seelenwanderung geglaubt. Ja sogar in unserer Zeit, in der christlichen Gesellschaft, gibt es Menschen, die an einer Wiedergeburt festhalten. Sie haben alle vielleicht von dem bedeutenden Dirigenten Sergio Celibidache gehört, der vor einigen Jahren gestorben ist. Dieser bedeutende Mann glaubte an die Wiedergeburt. In einem Lama in Berlin sah er eine Reinkarnation, also eine Wiedergeburt des Königsberger Philosophen Immanuel Kant.

Diese Lehre ist ein gigantischer Irrtum. Die Geistigkeit und die Personalität, die sittliche individuelle Entwicklung der Seele und die mangelnde Erinnerung an ein früheres Dasein erweisen die Lehre von der Seelenwanderung als irrig. Es gibt keine Seelenwanderung von einem Individuum zum anderen. Nein, wir werden persönlich fortleben.

Da gibt es Menschen, die nennen diesen Glauben größenwahnsinnig. Wie könnt ihr erwarten, so sagen sie, dass wir winzigen Teilchen des Alls so fortdauern werden. Es genügt, wenn der ganze Kosmos, wenn das All weiterlebt, durch beständige Wandlung die Teile ineinander übergehen. Auf diesen Vorwurf, meine lieben Freunde, können wir zweierlei erwidern. Zunächst: Das Fortleben ist nicht eine Sache unseres Wünschens und Wollens, sondern es kommt darauf an, ob es eine Wirklichkeit ist. Ob wir es wünschen oder wollen, davon hängt nichts ab. Und ich kann es bis zu einem gewissen Grade verstehen, dass Menschen nicht fortleben wollen, dass es ihnen reicht, auf dieser Erde sich geplagt und gemüht zu haben. Und dann ist dieser Glaube auch nicht größenwahnsinnig. Denn unsere Größe ist kein Wahn! Wir besitzen eine Größe. Es ist die Größe des persönlichen Geistwesens. Es ist die Größe des Gotteskindes. Diese Größe steht tatsächlich auf dem Gipfel des Geschaffenen. Alles liegt ihr zu Füßen. Die einzelne Seele ist größer und wichtiger als der ganze Sternenhimmel, und wäre es nur die Seele eines Kindes. Sie ist wichtiger als der ganze Kosmos. Sie ist das Ganze, sie ist das Ziel, sie ist der Gipfel, sie ist die Erfüllung. Wir sprechen zwar gern von der Würde der Persönlichkeit. Aber wir nehmen uns selbst nicht ernst genug, wenn es einmal darauf ankommt. Gott aber macht ernst mit der Würde der geistigen Persönlichkeit. Wenn er auch nur einen einzigen verstehenden Geist geschaffen hätte und gar einen Geist, zu dem er persönlich Du gesagt hat, den er in seine Gnadenerfüllung hineingerufen hat, den er in sein Vertrauen gezogen hat, dann würde er eher die ganze Welt mit ihrer Herrlichkeit zugrunde gehen lassen, als dieses Wunder der Einmaligkeit und der Einzigartigkeit, das in einer solchen Seele lebt.

Er kann ein solches Wesen auch nicht in seine Teile zerlegen; denn ein geistiges Wesen hat keine Teile. Eine geistige Persönlichkeit ist ein Wesen, das ohne Zusammensetzung ist. Sie ist total einfach. Wenn die Seele solche Teile hätte, dann könnte man sie ja wie aus einem Baukasten zusammensetzen zu immer neuen Persönlichkeiten. Dann wäre sie aber auch nicht mehr ein einzigartiges und eigenartiges Wesen. Wir aber haben etwas Unwiederbringliches, etwas Unwiederholbares. Wir haben etwas Einmaliges an uns. Entweder sind wir das, was wir sind, oder wir sind überhaupt nicht. Selbst Gott könnte uns nicht in eine andere Wesenheit verwandeln, in eine Pflanze; er könnte nicht durch einen Umbau uns zu einer anderen Wirklichkeit gestalten. In dieser Einmaligkeit liegt die Größe und die Würde des Menschen, liegt auch der Grund, warum uns Gott an sein Herz nehmen kann und Du zu uns sagen kann. In einem solchen Du liegt das Versprechen der ewigen Treue. Die Treue Gottes kann aber nicht eines Tages ihren Grund verlieren, indem der Gegenstand, indem das Wesen, dem sie treu ist, plötzlich das Dasein verliert. Indem uns Gott überhaupt je anredet und gar indem er uns in liebender Gebärde als sein Kind anredet, macht er es seinem eigenen Herzen unmöglich, seiner ewigen Treue unmöglich, uns fallen zu lassen, uns abzubauen, uns umzuwandeln in ein anderes Sein.

Aus dieser Treue Gottes kann man nur auf eine einzige Weise herausfallen, nämlich indem man sie bricht, indem man sich ihr entzieht. Aber selbst dann behalten wir die Einmaligkeit und damit die unabänderliche Notwendigkeit zu sein, die jeder Geist in sich trägt.

Es gibt, meine lieben Freunde, ein ewiges Leben einer jeden Seele. Gott hat es geoffenbart, und was er offenbart, das ist wahr, unumstößlich wahr, ewig wahr. Daran vermag der Unglaube von Menschen nichts zu ändern. Vor einiger Zeit hat man eine Umfrage gehalten in Deutschland, wie die Menschen es mit dem ewigen Leben halten, was sie glauben. Nur jeder zweite Deutsche glaubt an das ewige Leben nach dem Tod, mehr Katholiken als Protestanten. Was bedeutet diese Zahl? Nichts. Sie bedeutet nicht, dass der Glaube an das ewige Leben falsch ist, sondern dass allzu viele ihr Kaninchenglück auf Erden möglichst lange festhalten wollen, dass sie den Blick nach oben vermeiden, dass es ihnen unheimlich scheint, nach dem irdischen Leben gerichtet zu werden und entweder in den Himmel zu kommen oder in die Hölle verstoßen zu werden.

Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmid hat einmal in einem seiner vielen Interviews gesagt, als er über das jenseitige Leben befragt wurde: „Ich glaube, dass eine Spur von uns bleibt.“ Eine Spur, also eine Fährte, Fußstapfen, aber nicht mehr. Wir kennen die Bremsspur vom Auto, und so etwas Ähnliches hat er sich wohl gedacht, als er meinte, dass eine Spur von uns bleibt. Der Glaube sagt anderes, der Glaube sagt mehr. Als die Gemeinde in Korinth Zweifel an der Auferstehung hatte, schrieb  der Apostel Paulus in seinem ersten Brief: „Wenn wir bloß in diesem Leben auf Christus unsere Hoffnung setzen, so sind wir bejammernswerter als alle Menschen.“ Wenn wir bloß in diesem Leben auf Christus unsere Hoffnung setzen, so sind wir bejammernswerter als alle Menschen. Aber das ist ja gerade unsere Hoffnung, dass wir auch im zukünftigen Leben auf Christus setzen, und deswegen schreibt Paulus in seinem zweiten Brief an dieselbe Gemeinde in Korinth: „Wir sind gewiß, dass wenn unser irdisches Gezelt abgebrochen wird, wir einen Bau von Gott empfangen, ein nicht mit Händen gemachtes ewiges Wohnhaus im Himmel.“ Wir sind gewiß, dass wenn unser irdisches Gezelt abgebrochen wird, wir einen Bau von Gott empfangen, ein nicht mit Händen gemachtes ewiges Wohnhaus im Himmel.

Was der Apostel Paulus lehrt, ist nichts anderes als der Widerhall der Offenbarung Jesu Christi. Der Sohn Gottes, der aus der Welt Gottes zu uns kam, hat uns Kunde davon gebracht, dass wir leben werden, ewig leben werden. In der Stunde seiner Heimkehr zum Vater sagte er seinen Jüngern: „Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen. Ich gehe hin, euch ein Heim zu bereiten.“ Es gibt eine himmlische Heimstätte, Christus hat es uns geoffenbart. Noch ergreifender ist jene Episode beim Sterben des Heilandes. Am Kreuze hing der Herr der Welt zwischen zwei Verbrechern. Der eine schaute ihn an, dann äußerte er eine Bitte. Er wollte, dass Jesus seiner gedenkt, wenn er in sein Reich kommt. Er dachte, das ist ja nicht viel, ein bloßes Gedenken wollte er haben. Das wird schon ein Trost für ihn sein, wenn der Heiland, dieser Gute in seiner Mitte, an ihn denkt. Er wusste also, dass der Tod nicht das letzte Wort ist. Er ahnte etwas von dem Reiche, das Jesus erwartet. Und deswegen erbat er sich von ihm ein Gedenken in diesem Reiche. Er selber, das wusste er, er wird in der Hölle begraben werden. Dieses Gedenken, diese Bitte, dieser Flehruf reichte aus, dass Jesus ihm den Himmel schenkte: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!“

Nein, meine Freunde, lassen Sie sich nicht irremachen. Es gibt ein ewiges Leben, und Gott hat uns für dieses Leben bestimmt. Wen er in seine Hand nimmt, der kann ihm nicht entrissen werden. Der schwäbische Dichter Ludwig Uhland hat einmal zum Tode eines Kindes die schönen Verse geschrieben: „Du kamst, du gingst mit leiser Spur, ein flüchtiger Gast im Erdenland. Woher? Wohin? Wir wissen nur: Aus Gottes Hand in Gottes Hand.“

Amen.

 

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Das tröstliche Dogma vom Fegfeuer

02.11.2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zum Gedächtnis der Armen Seelen Versammelte!

Wir haben am gestrigen Allerheiligentag nachgesonnen über das Schicksal derer, die von uns geschieden sind, und wir haben gesagt: Man kann ihr Los in drei Sätzen zusammen fassen, nämlich 1: Sie werden leben, 2: Sie werden lieben und 3:  Sie werden wissen.

Am gestrigen Festtage haben wir betrachtet, was es heißt: Wir werden leben, ewig leben, als Persönlichkeit leben, nicht in veränderter Gestalt, nicht in einer Reinkarnation, in unserer Individualität werden wir leben. Wir haben aber auch gestern schon erkannt, dass der tiefste Grund unseres unsterblichen Lebens in der Liebe oder in der Anlage zur Liebe besteht, mit der Gott sich uns schenken und uns an sich ziehen kann. Darin besteht unsere Unersetzlichkeit. Jeder von uns hat darin etwas Unersetzliches, das Gott in alle Ewigkeit nicht mehr missen möchte. Nicht wir haben Anspruch auf Unsterblichkeit, aber Gott will, dass wir unsterblich seien und in seiner Herrlichkeit leben. Darum wird unser ewiges Leben nur um das eine, um dieses eine sich drehen, ob wir fähig sind, dieses Du zu Gott zu sprechen oder nicht. Das Größte, was man von uns sagen kann nach dem Ende des irdischen Lebens, ist in dem Satz ausgedrückt: „Wir werden lieben.“ Wir werden mit Gott in liebender Gemeinschaft leben, und zwar in einer ganz wahren, ganz lauteren und ganz vollkommenen Gemeinschaft.

Das ist eigentlich der Sinn des Offenbarungswortes von der Anschauung Gottes, die wir einmal haben sollen. Hier auf Erden haben wir geglaubt; im Jenseits wird der Lohn für unseren Glauben sein, dass wir schauen dürfen, was wir geglaubt haben. Da erfüllt sich das Wort: „Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott anschauen.“ Ja, dann erfüllt sich auch das Wort des Apostels Paulus: „Jetzt sehen wir wie im Spiegel und unklar, dereinst aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie ich selbst erkannt bin.“ Selbstverständlich ist dieses Wort vom Schauen ein Bild, ein menschliches Wort, aber ein Bild von unerschütterlicher Bildkraft, ein Wort von fast erschreckender Tiefe. Es will nämlich sagen, dass da nichts mehr zwischen uns und Gott stehen wird, kein Geschöpf, kein Schatten, keine Hemmung, keine Fremdheit, keine Ferne, kein Weg, kein Medium, keine Schuld. Alles das ist ausgeräumt. Es wird ein unmittelbares und widerstandsloses Zusammenfallen, Zusammensein mit Gott sein. Da ist dieses große Leid aller Liebenden auf Erden beseitigt, nämlich dieses Leid, das wir auf Eden so bitterlich durchkosten müssen, weil nämlich auch in der größten Liebe immer noch eine Ferne ist, eine Fremdheit, eine Unerfülltheit, eine Ohnmacht, ein Nichtkönnen. Dieses Leid wird aufhören, so unglaublich es klingt. Aber es wird durch ein Wunder der göttlichen Liebe möglich sein, dass die Liebe zwischen Gott und der Seele so sicher ist, dass sie sich genugtun kann, dass sie sich sättigen kann, dass nichts mehr zwischen uns und Gott ist, dass nichts mehr vermisst wird, sondern dass die Liebe endlich wird mit sich zufrieden sein können. Unsere ewige Vollendung wird also ein Leben in der Gemeinschaft sein. Es bestätigt sich die Erkenntnis, die wir schon auf Erden gewonnen haben, dass ein Mensch nur in der Gemeinschaft ein ganzer, ein vollkommener, ein heiliger und ein seliger Mensch werden kann.

Daraus ergibt sich aber auch, dass der Mensch, der seine Vollendung nicht gefunden hat, der verlorene, der verworfene Mensch ein einsamer Mensch sein wird, ein Mensch ohne Du, ein Ich-Mensch. Auch er wird ewig leben, denn er trägt in sich jene Einmaligkeit und Einzigkeit, die seine Zerstörung und seinen Abbau ausschließt. Aber er wird in alle Ewigkeit nur ein Ich sein und kein Du. Er wird niemals Du sagen können und niemals ein Du hören können.

Jetzt wissen wir, worin der Himmel und worin die Hölle besteht. Der Himmel ist die Lebensgemeinschaft mit Gott und mit allen Geschöpfen, die zu ihm gehören, eine Gemeinschaft von unsausdenkbarer Nähe, Vertraulichkeit und Seligkeit. Die Hölle ist das gemeinschaftslose Leben, das liebeleere Leben, das Leben eines Geistes, der nichts mehr hat, weil er nichts liebt als sein eigenes Ich. Aber sein eigenes Ich kann man nicht ewigwährend, vollkommen und mit seligmachender Liebe lieben. So lieben kann man nur das Du, und durch das Du hindurch und um des Du willen auch das Ich. Wer also kein Du hat, der hat nichts mehr. Daher kommt es, dass die Menschen, die nicht lieben können, wie lebendig Begrabene sind, abgeschlossen von allem, was noch da ist außer dem eigenen Ich. Sie führen ein Leben in unerhörter Verlassenheit, in unbegreiflicher Ausgestoßenheit und Heimatlosigkeit. Ein solcher Mensch kann kein Geschöpf mehr besitzen. Denn er könnte es nur besitzen, wenn er lieben würde; aber weil er nicht liebt, kann er es nicht besitzen. Die verlorenen Menschen, die ewig Hoffnungslosen, können auch nicht einander lieben, weil sie eben überhaupt keine Liebe haben. Dort drüben in jenem furchtbaren Reiche ewiger Kälte und Finsternis bestehen alle Wesen in lauter Ich-Menschen, zwischen denen keine Brücke, keine Verbindung, keine Zusammengehörigkeit, kein Verstehen möglich ist. Jeder von ihnen muss in alle Ewigkeit sagen: Ich habe keinen Menschen. Weil ich keinen Gott habe, dem ich Du sage, deswegen habe ich auch keinen Menschen. So furchtbar rächt sich der Egoismus des ichbesessenen Menschen, der auf Erden nur sich kennt, nur sich gelten lässt, nur sich sucht, nur sich anbetet und vergöttert. Weil er niemanden sucht, wird er niemanden finden. Weil er niemandem dient, wird er niemandem gehören. Weil er niemanden bejaht, wird er zu niemandem sprechen. Weil er zu niemandem geht, wird er bei niemandem sein. Und das ist seine Hölle. So schrecklich ist es, mit der Forderung des Liebesgebotes. Auf das ewige Leben, meine Freunde, auf das ewige Leben kann man sich hienieden nur durch Liebe vorbereiten und durch Ausbildung der Liebesfähigkeit. Wer auf Erden keinen Hungrigen gespeist, keinen Durstigen getränkt, keinen Heimatlosen beherbergt hat, der wird ewig verworfen bleiben.

Da möchte man nun erschrecken in tiefer Bangigkeit um das Schicksal aller Menschen und um unser eigenes Schicksal. Denn jene wahrhaft hemmungslose Liebe zwischen Gott und der Seele ist doch etwas so Großes und Seltenes, dass es wohl die wenigsten Menschen fassen können. Das ausführlichste und schönste Wort, das der Sohn Gottes über den Himmel gesagt hat, ist dieses: „Vater, ich will, dass diejenigen, die an meinen Namen glauben, auch das seien, wo ich bin, und die Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast von Anbeginn.“ Der Herr setzt voraus, dass wir mit ihm in solcher Liebesgemeinschaft leben werden, dass es unsere ewige Seligkeit ausmacht, seine Herrlichkeit zu schauen. Das ist also nur etwas für Liebende. Wer diese Liebe zu Christus nicht hat, dem bedeutet auch seine Herrlichkeit und die Gemeinschaft mit seiner Herrlichkeit nichts. Für den hat der Himmel keinen Sinn. Wenn wir uns selber anschauen, wenn wir in unsere eigene Seele blicken, dann müssen wir mit tiefem Erschrecken feststellen, dass wir noch weit entfernt sind von jener Liebe. Und wenn wir die Menschen betrachten, wie wir sie um uns erleben, dann sehen wir, wie unendlich selten die wahre Liebe ist, ja wie unfähig zu wahrer Liebe sie zu sein scheinen. Diese bange Frage ist wohl am Platze. Die wahre und reine Liebe ist selten auf Erden, aber nicht weil die Menschen unfähig sind dazu, sondern weil sie so tief vergraben und verschüttet sind in ihrer Unlauterkeit und Selbstsucht, weil die Menschen den Zugang zu ihr nicht finden und sie nicht herausgraben aus ihrem Inneren, aus den Abgründen ihres Herzens, so wie man einen goldenen Schatz herausgraben kann, der dort im Dunkeln liegt. Aber dieser goldene Schatz ist doch da, und weil er da ist, kann er auch gehoben werden. Er ist so lange da, wie der Mensch ihn nicht selbst wegwirft. Und wenn er seine goldschürfende Arbeit auf Erden nicht verrichtet, dann muss sie drüben nachgeholt werden. Das ist der innerste Sinn der kirchlichen Lehre vom Reinigungsort, vom Fegfeuer, von der Läuterung, wo die Seelen in unvorstellbarer Pein endlich alles wegräumen müssen, was ihrer vollkommenen Liebe und ihrem innersten Einssein mit dem göttlichen Du noch im Wege steht.

Wahrlich nur in schweren, tiefen Leiden kann diese Läuterung gelingen. Wir sehen schon auf Erden, wie nur die Menschen, die selbst etwas durchgemacht haben an Weh und Leid, reif und aufgeschlossen werden für die wahre Liebe. Freilich, nicht jedes Leid wirkt läuternd und reifend, aber jede Seele, die reif geworden ist und lauter geworden ist, die ist durch ein tiefes Leid gegangen. Jeder Mensch, der ein herzliches und inniges Du sprechen kann, der hat es gelernt in Stunden, wo er sein eigenes Ich nur noch weinend aussprechen konnte.

So gehört also das Fegefeuer zu den Letzten Dingen. Und es ist eines der tröstlichen Worte in diesem Dogma, dass es auch nach dem Tode noch eine Frist gibt, vielleicht eine unvorstellbar lange, aber einmal doch zu Ende gehende, in der es uns ermöglicht wird, durch alle irdischen Trübungen und durch alle irdischen Hemmungen vorzudringen zu dem großen, herrlichen Mysterium der ganz reinen, der ganz guten Liebe.

Die katholische Kirche lehrt aufgrund der Schrift und der Überlieferung, dass es einen Reinigungszustand gibt und dass die dort zurückgehaltenen Seelen durch die Fürbitten der Gläubigen und besonders durch das Opfer der heiligen Messe Hilfe finden. In diesem Glauben sind wir heute hier versammelt. Wir denken an die Armen Seelen, wir beten für sie, wir feiern das Messopfer für sie, wir wenden ihnen Ablässe zu. Die Lehre vom Fegfeuer, eine vergessene Lehre in der nachkonziliaren Kirche, ist für unser Leben von großer Bedeutung. Denn das Dogma vom Fegfeuer soll uns antreiben, dass wir in unseren Sünden und Schwächen nicht erschlaffen. Das Dogma vom Fegfeuer soll uns trösten, dass wir in unseren Sünden und Schwächen nicht verzagen. Das Dogma vom Fegfeuer ist ein wahrlich tröstliches Dogma. Die Armen Seelen leiden, aber sie leiden nicht nur, sie freuen sich auch. Die Freuden der Armen Seelen sind so zahlreich, so unbeschreiblich, so unversieglich wie ihre Leiden. Warum? Das Fegfeuer ist nicht eine Vorhölle, sondern ein Vorhimmel. Die im Fegfeuer befindlichen Seelen sind gerettet. Sie haben es geschafft. Sie besitzen die Anwartschaft auf den Himmel, und niemand kann sie der Hand Gottes entreißen.

So ist also der Allerseelentag bei aller Bedenklichkeit und bei aller Sorge auch ein froher Tag. Wir wollen an diesem Tage beten: „Herr der Erbarmungen, gewähre den Seelen deiner Diener und Dienerinnen den Ort der Erquickung, die Seligkeit der Ruhe und die Klarheit des Lichtes. Milder Jesus, Herrscher du, schenk den Armen Seelen ewige Ruh!“

Amen.

 

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Leben, Lieben und Wissen in der Ewigkeit

09.11.2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

 

Geliebte im Herrn!

Wir hatten begonnen, am Fest Allerheiligen uns den Zustand der Ewigkeit vor Augen zu führen Wir hatten gesagt: Dieser Zustand lässt sich in drei Sätzen zusammenfassen, nämlich 1. Wir werden leben. Tot und tot ist nicht aus und aus. 2. Wir werden lieben. Der Himmel ist die Vollendung der Liebe. Und 3. Wir werden wissen. Das ist das Thema unseres heutigen Überlegens: Wir werden wissen. Die große Liebe muss ja das große Wissen sein; denn nur wer liebt, dringt wirklich in den Gegenstand seines Wissens, seines Forschens ein. Es muss eine geheime Sympathie im Menschen sein, damit er erkennen kann. Der Haß sieht nur, was ihm gefällt. Die Liebe sieht das Ganze. Und im Sinne einer Erhellung der Gesamtpersönlichkeit wird der Mensch nur wissend in der Liebe.

Da unser Leben in der Vollendung ein vollkommenes Lieben sein wird, wird es auch ein vollkommenes Wissen sein. Es ist uns ja das Gottschauen verheißen, und das hat etwas mit Wissen zu tun. Aber dieses Gottschauen ist nicht nur ein schattenloses Erkennen, es ist auch ein makelloses Lieben. Es ist eine Erfüllung unserer Seele in jeder Hinsicht, in ihren letzten Tiefen und Höhen. Auch unser Bewusstsein wird ganz von diesem Wissen durchdrungen sein. Es wird keine Verhüllung, keine Verschleierung, keine Betäubung, keine Dumpfheit mehr sein. Was uns hier auf Erden aus plausiblen Gründen verborgen bleibt, nämlich das Unterbewußte und das Unbewußte, das wird in der Ewigkeit aufspringen. Da werden die Abgründe unserer Seele im taghellen Lichte unseres Wissens liegen, ja im Wissen unserer Liebe. Alles, was je gut in uns war und wie ein gutes Samenkorn in uns schlief, das wird aufwachen; alle Gebete, alle guten Regungen, alle Wünsche und alle Einsprechungen Gottes, alles wird mit der ganzen Tröstung seiner Liebe uns bewusst werden.

Meine lieben Freunde, dann wird endlich die Frage verstummen, die uns immer entgegengehalten wird: Wo ist denn euer Gott? Dann werden alle Fragen beantwortet sein, für die wir auf Erden keine Antwort wussten. Dann werden alle Rätsel gelöst sein, deren Lösung uns hier unmöglich schien. Dann wird alles Unerklärliche geklärt sein, dann werden alle Zweifel beseitigt sein, dann werden alle bedrückenden Geheimnisse geöffnet sein. Dann werden auch alle Klagen und Anklagen gegen Gott verstummen. Dann werden wir begreifen, dass nicht ein augenloses Schicksal unser Leben gelenkt hat, sondern dass Gott der Herr der Lenker aller Geschicke war. Wir werden die Fügungen und Führungen Gottes begreifen. Wir werden erkennen, dass Gott der Herr des Zufalls war. Wir werden die Vorsehung Gottes preisen.

Mit dieser vollen Harmonie, die dann sein wird, ist es auch gegeben, dass in unserer Seele nichts mehr sein wird, das nicht eingefügt ist in das allbeherrschende Gesetz einer wissend gewordenen Liebe. Es wird kein Zwiespalt mehr sein zwischen unserem Erkennen und unserem Streben, zwischen unserem Empfinden und unserem Wollen, zwischen Pflicht und Neigung, zwischen äußerer Erscheinung und innerer Wirklichkeit. Alles in uns wird emporgehoben sein auf die Stufe einer großen Menschlichkeit, ja einer gnadenvollen Göttlichkeit. Es wird nichts Hemmendes, nichts Widerstrebendes mehr in uns sein, nichts Untermenschliches und nichts Allzu-Menschliches.

Auf Erden beklagen wir, dass wir den Anforderungen nicht genügen. Wir stellen so viel Unfertiges, Mißlungenes, Unerreichtes, Mangelhaftes fest in unserem Tun und Leben. Aber in der Ewigkeit wird alles, was wir an Kräften und Anlagen besitzen, entfaltet sein. Jede reine Sehnsucht, jede wirkliche Liebe wird mit uns hinübergehen, um erfüllt zu sein. Wir werden endlich ganz und gar Menschen geworden sein. Und diese Ganzheit und Harmonie wird uns bewusst sein, und wir werden leben bis in die letzte Faser unseres Seins hinein. Das ist die vollkommene Seligkeit, die uns erwartet. Sie ist eigentlich nur die Ausstrahlung der großen Liebe, in der wir Gott besitzen.

Wir brauchen eigentlich nicht viele Worte zu verlieren. Wer wirklich liebt, weiß, was das bedeutet, und er weiß auch, was es bedeutet, aus der Liebe zu leben. Es bedarf also keiner krampfhaften Anstrengungen unseres Vorstellungsvermögens, um die Formen und Umstände des jenseitigen Lebens begreiflich zu machen. Es genügt, und es muss uns genügen, dass wir alle Tiefen, alle Inwendigkeiten, alle Möglichkeiten eines ganzen und vollkommenen Lebens wirklich besitzen werden bis in seine letzte Intensität und Stärke hinein. Es wird keine Unerfülltheit mehr, kein bloßer Wunsch mehr, kein leerer Traum, kein Mangel und keine Lücke mehr in uns sein.

Aber wie wird es sein mit denen, die verloren gehen? Die in alle Ewigkeit von Gott abgewandt sind? Selbstverständlich werden sie das große Wissen, das die Liebe vermittelt, nicht besitzen. Aber sie werden wissen, dass sie die Liebe und die Einheit und die Harmonie und die Seligkeit nicht haben und in alle Ewigkeit nicht haben werden. Das werden sie wissen. Denn sie sind ja nicht wie ein Stein, der keine Liebe in sich tragen kann. Nein, sie sind ein unendlicher Raum, und dieser unendliche Raum wird leer sein. Ihre Leere, ihre Ausgestoßenheit, ihre Verlassenheit wird die letzte und äußerste Größe erreichen, die überhaupt möglich ist. Sie wird durch nichts mehr zugedeckt und verschleiert sein. In diesem Leben, meine lieben Freunde, macht sich ja der Mensch immer seine Illusionen, seine vielleicht gnädigen Illusionen. Auch im bösen und hasserfüllten Menschen wird doch immer ein barmherziger Schleier über ihn selbst fallen. Er macht sich selber etwas vor, um nicht in seiner grauenhaften Bosheit erkannt zu werden, in seiner Hohlheit, in seiner Hässlichkeit. Aber drüben in jener anderen Welt gibt es für den liebeleeren Menschen keine Verschleierung mehr. Nichts kann ihn mehr trösten, kein Kind, kein Freund, keine Frau, kein Genuß, keine Beschäftigung, kein Spiel. Er hat nur sich, sein eigenes Ich, und das ist ein einziger ungeheurer Abgrund von leerer Finsternis. Sein Bewusstsein wird entblößt sein von jeder Täuschung. Er wird wissen, wie er ist. Diese Erkenntnis wird ihn durchbohren mit der Wut der Verzweiflung. Es bleibt ihm nichts verborgen von allem, was in ihm ist, und das ist nur Minderwertigkeit und Schuld und Erbärmlichkeit. Es ist nichts da, was ihn trösten kann, keine Hoffnung, keine Freude. So kommt es, dass die verlorenen Menschen in ihrer ewigen Hölle mit einer verzehrenden Intensität fühlen, wie es um sie steht. Jede Erbärmlichkeit, die in ihnen ist, wird ihnen bewusst in ihrer wirklichen Gestalt. Es ist ein leeres, ein sinnentleertes, ein gottloses und freudloses Leben. Man kann wirklich sagen, es wäre besser, wenn ein solcher Mensch nicht geboren worden wäre.

Das Leben der Verlorenen ist ein unerforschliches Geheimnis. Auch die Phantasie Dantes konnte dieses Geheimnis nicht aufdecken. Die Bosheit ist ja unbegreiflicher als die Güte, und deswegen ist auch die Finsternis unfassbarer als das Licht. Wir können über diesen Zustand nur sagen: Er wird das sichere und ewige Los derer sein, die freiwillig und schuldhaft mit ganzem Willen sich von Gott abgewandt haben und in dieser Gottentfremdung hinübergehen durch das Tor des Todes. In diesem Augenblick wird ihr Zustand der Lieblosigkeit verfestigt, die Unerfülltheit und die Verlassenheit, der Zustand unheilbarer Zertrümmerung des Menschenwesens.

Das, meine lieben Freunde, sind die Letzten Dinge: Tod, Gericht, Himmel und Hölle. Um ihretwillen ist der Mensch das Größte, was es gibt außer Gott. Klein und armselig fängt das Menschenleben an, schleppt sch dann eine Weile über die Erde hin. Aber dann plötzlich wird es offenbar, was es bedeutet. Es endet nicht im Nichts, sondern entweder in einer unfassbaren Größe und Seligkeit oder in einem unfassbaren Absturz. Der Mensch ist also umweht von der Woge des Ewigen und Unendlichen. In einem Roman von Dostojewski fällt ein heiliger Mann vor einem anderen auf die Füße, den man für einen Verbrecher hält. Der heilige Mann aber fällt auf die Füße vor ihm, umklammert seine Knie. Warum? Er verehrt das ungeheure Leid, das diesem Menschen bestimmt ist.

Wenn wir das Geschick wüssten, das einen jeden von uns treffen wird, dann müsste man auf den Erdboden niederfallen vor diesem Menschen, entweder aus Ehrfurcht vor dem göttlichen Glückswunder, das er einmal sein wird, oder aus Entsetzen über den Dämon der Unseligkeit, der er einmal sein wird. Man weiß es nur nicht. Aber eines von diesen beiden wird sicher an jedem Menschen erfüllt sein, an mir und an euch, ein Himmel oder eine Hölle. Was aber auch mit uns einst geschehen mag, über allem wird die unantastbare Gewißheit stehen: Die Barmherzigkeit des Herrn ist von Ewigkeit und währt in alle Ewigkeit.

Amen.

 

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Das Werden der menschlichen Persönlichkeit

16.11.2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Kirche ist dazu von Christus gegründet worden, dass sie sein Erlösungswerk fortsetzt und den Menschen zuwendet. Der Mensch soll mit göttlichem Leben erfüllt werden, und dann soll er aus dieser Erfüllung die Welt gestalten. Ob der Kirche diese Aufgabe gelingt, daran entscheidet es sich, ob sie ihre gottgegebene Sendung erfüllt. Christliche Persönlichkeiten zu schaffen, das ist ihre Sendung. Und wenn das nicht gelingt, dann hat sie versagt.

Der Mensch ist Person, d.h. also ein Wesen, das mit einer Seele ausgestattet ist, das über Verstand und freien Willen verfügt. Aber aus der Person soll eine Persönlichkeit werden. Was ist der Unterschied? Nun, die Persönlichkeit ist die Verwirklichung der Person, ihr Ausbau, ihre Durchführung, ihre Vollendung. Viele Philosophen der Vergangenheit und der Gegenwart haben sich bemüht herauszufinden, worin die Persönlichkeit besteht. Und sie haben manches gefunden, was wir akzeptieren können. Wenn beispielsweise Theodor Adorno sagt, die Persönlichkeit sei dadurch ausgezeichnet, dass sie kritisches Bewusstsein und Rationalität gegenüber der Massengesellschaft beweist, dann können wir das akzeptieren. Kritisches Bewusstsein und Rationalität, also Vernünftigkeit gegenüber der Massengesellschaft, das ist nicht alles, was die Persönlichkeit ausmacht, aber etwas, was zu ihr gehört. In der Zeit des Nationalsozialismus traten Millionen Menschen – ich meine, es sind 18 Millionen gewesen – in die NSDAP, in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, ein. Das waren keine Bösewichte, nein. Sie passten sich nur an, um Ruhe zu haben. Nach dem Kriege, bei der Entnazifizierung, wurden sie als Mitläufer eingestuft. Und gerade das ist es: diese feige Anpassung, dieses geringe Widerstandspotential, das ist es, was den Wert der Persönlichkeit mindert. Daß man sich als Mitläufer der gängigen Meinung anpasst, dass man ein Fernsehgewissen hat, das macht den Menschen aus, der nicht zu einer Persönlichkeit heranwächst. Eine Persönlichkeit sein heißt, ein eigenes Urteil sich bilden, eine eigene Entscheidung fällen, ein Charakter sein.

Es ist auch nicht falsch, wenn Jürgen Habermas der Persönlichkeit die Kompetenz zur Teilnahme an der Kommunikationsgesellschaft zuspricht. Kompetenz, also Fähigkeit zur Teilnahme an der Kommunikationsgesellschaft, an der Gesellschaft, die eben miteinander kommuniziert. Wer etwas beiträgt zum Verstehen der Menschen, wer sich beteiligt an der Lösung der Aufgaben, der ist eine Persönlichkeit. Das ist nicht falsch. Wir sind aufgerufen, die Aufgaben, die Gott uns stellt, zu erfüllen.

Zunächst in der Schöpfung. Der Mensch ist ja die Krone der Schöpfung. Und die Persönlichkeit weiß um ihre Stellung in der Schöpfung. Sie weiß darum, dass sie ein Verfügungsrecht über die Dinge hat, das ihr der Schöpfer eingeräumt hat. Der Mensch besitzt Eigentumsrecht. Der Mensch besitzt einen Leib, für den er verantwortlich ist, den er einsetzen kann, den er einem anderen schenken kann in der Ehe. Der Mensch besitzt sein eigenes Geheimnis. Niemand darf unbefugt in das Innere eines Menschen eindringen. Der Mensch besitzt eine Überzeugung, die er sich erworben hat. Der Mensch besitzt ein Gewissen. Die Vorgänge in Hessen haben uns gezeigt, wie unsicher der Gewissensbegriff unter den Menschen ist. Die Menschen wissen nicht, was ein Gewissen ist. Sie wissen es nicht. Das Gewissen ist doch nichts anderes als die Empfangsstelle des Willens Gottes. Das Gewissen sagt mir, was Gott von mir in jeder Situation getan wissen will. Auch das Rasieren ist eine Gewissensentscheidung, natürlich. Alles, was der Mensch tut, ist vom Gewissen oder soll vom Gewissen bestimmt sein.

Der Mensch besitzt eine Ehre, einen guten Ruf, den ihm niemand ungestört entziehen darf. Der Mensch besitzt auch eine Freiheit, eine Freiheit, sich selbst zu bilden, und diese Freiheit soll er benutzen. Der Mensch, der von der Person zur Persönlichkeit werden will, muss unermüdlich an sich arbeiten.

Jeder von uns besitzt Anlagen, Kräfte des Geistes und des Körpers. Aber diese Anlagen sind uns gegeben, dass wir sie entwickeln, dass wir sie entfalten, dass wir sie vollenden. Von jedem von uns hat Gott ein Idealbild, und dieses Ideal sollen wir erreichen, diesem Ideal sollen wir nachstreben. Wir sollen alles, was Gott uns gegeben hat, zur größtmöglichen Entfaltung bringen. Wir sollen das Idealbild verwirklichen, das Gott seit Ewigkeit her von uns in sich trägt.

Man kann auch statt Persönlichkeit sagen: Charakter. Richtig verstanden, ist die Persönlichkeit ein Mensch mit einem Charakter. Den Charakter hat der Mensch nicht von vornherein, er muss sich ihn erwerben. Die Gründung des Charakters ist eine innere Umwandlung, die dem schwankenden Zustand der Triebe und der Begehrungen ein Ende macht. Einen Charakter erwerben heißt eine Wiedergeburt erleben. Wer Charakter hat, besitzt auch Prinzipien, Grundsätze, Maximen, nach denen er sein Leben gestaltet. Er ist kein schwankendes Rohr, sondern er steht da wie eine Säule. Er ruht auf seinen Prinzipien.

Das Höchste, was der Mensch erreichen kann, ist der sittlich schöne Charakter. Er wird gebildet durch die Ehrfurcht vor dem Heiligen, durch den Widerwillen gegen alles Unreine, Unzarte, Unfeine, durch die Liebe zum Reinen, Guten und Wahren. Wer eine edle Persönlichkeit geworden ist, verabscheut alles Schäbige, Gemeine, die böse Lust, die Rachsucht, die Schadenfreude, die Unehrlichkeit. Die edle Persönlichkeit herrscht über alle Lüste, über Schaulust, Gaumenlust, Geschlechtslust. Die edle Persönlichkeit besitzt ein stetes Pflichtbewußtsein. Sie bildet sich aus, ihren Charakter, und die Charakterbildung ist wichtiger als jede andere Bildung. Als die letzten Wahlen in Bayern waren, da wusste eine Zeitung zu melden, dass sich vor allem die sogenannten Gebildeten von der Christlich-Sozialen Union abgewandt hätten. Ich habe da meine Zweifel, und zwar aufgrund meiner Erfahrungen. Wer sind diese Gebildeten? Die mit Ach und Krach ein Abitur gemacht haben, die mit Ach und Krach ein Studium hinter sich gebracht haben, denen es aber häufig an Charakterbildung fehlt? Und Charakterbildung ist wichtiger als Geistesbildung.

Das ist also die Aufgabe, die uns als Persönlichkeiten gestellt ist: die eigenen Schwächen überwinden, die Sünden und die Neigungen zur Sünde überwinden, die Hauptsünden bekämpfen: Stolz, Zorn, Geiz, Neid, Unkeuschheit, Unmäßigkeit, Trägheit. Tugenden erwerben, Fertigkeiten im Guten, rastlos an sich selbst arbeiten, dass wir demütige, vertrauensvolle, ehrliche und gütige Menschen werden. Ja, die Früchte des Geistes, wie sie Paulus im Galaterbrief aufzählt, die Früchte des Geistes erbringen: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Güte, Treue, Sanftmut, Mäßigkeit, Enthaltsamkeit, Keuschheit. Das ist unsere Aufgabe, meine lieben Freunde, diese Früchte zu erbringen, Persönlichkeiten zu werden, wie sie Gott sehen will.

Dazu gehört auch eine feste Lebensordnung. Der unvergessliche Mainzer Bischof Ketteler hat einmal im Jahre 1871 in seinem Fastenhirtenbrief geschrieben: „Nichts ist für den Menschen notwendiger als eine feste Lebensordnung, ein fester, bestimmter, wohlüberlegter Plan, nach dem wir unser tägliches Leben einrichten und unsere Pflichten erfüllen. Ohne solche Lebensordnung“, so fährt er fort, „hängt alles, was wir täglich Gutes tun, vom Zufall ab, von unseren Launen, von unserer Stimmung, von den wechselnden Einflüssen, von den äußeren Verhältnissen.“

Eine wesentliche Eigenschaft der edlen Persönlichkeit möchte ich noch eigens herausheben, nämlich den Ruf zur Nachkommenschaft. Der Mensch ist über sich selbst hinausgewiesen. Die edle Persönlichkeit ist gefordert. Sie soll sich über sich hinaus fortpflanzen. „Kinder sind eine Erweiterung der Persönlichkeit“, schreibt einmal der große Papst Leo XIII. Kinder sind eine Erweiterung der Persönlichkeit. Also ist es verwerflich, aus Feigheit, aus Faulheit, aus Bequemlichkeit auf die Ehe oder auf Kinder in der Ehe zu verzichten. Wer sich diesem Rufe Gottes entzieht, der kann keine edle Persönlichkeit werden. Im 2. Jahrhundert verfasste Justinus eine Verteidigungsschrift für die Christen gegen die Angriffe der Heiden. In dieser Verteidigungsschrift steht der Satz: „Wir Christen gehen grundsätzlich entweder die Ehe ein um der Kinder willen, oder wir verzichten auf die Ehe und leben enthaltsam.“ Was immer man auch sagen mag: Die Ehe ist um der Kinder willen eingesetzt. Und die Rede, dass Kinder ein Segen Gottes sind, ist unbestreitbar richtig. Jedes Kind, das geboren wird, bringt von Gott die Botschaft, dass er nicht an der Menschheit verzweifelt.

Gewiß, Kinder sind eine Last. Aber die Religion hilft diese Last tragen. Wer Gott im Hause hat, der bringt leichter zehn Kinder fort als einer, der Gott nicht im Hause und nur ein oder zwei Kinder hat. Kinder verlangen Entsagung, verlangen Opfer. Aber da gilt das Wort der rumänischen Königin Silva: „Wer sich in der Ehe nicht opfern will, wer sich für die Kinder nicht opfern will, der soll nicht heiraten.“

Die Persönlichkeit drängt es sodann, ihren Anteil zu leisten an der Wohlfahrt der Gesellschaft, des Volkes. Es drängt sie, ein Werk zu schaffen. Die Kultur ist ja die Frucht der Arbeit von Persönlichkeiten, oft von großen Persönlichkeiten, von Entdeckern und Erfindern, von Männern der Wissenschaft und der Technik. Dadurch unterscheidet sich der Mensch vom Tier. Das Tier baut seine Höhle oder sein Nest heute genauso wie vor 3000 Jahren. Da ist gar kein Fortschritt festzustellen. Der Mensch aber schreitet fort. Er entdeckt Neues, er schafft Neues, er setzt Werke in die Welt, die den Menschen zum Nutzen sind. Ich denke etwa an die großen Unternehmer. Ja, auch das muss einmal gesagt werden: Diese Arbeitgeber, die dem Volke dienende Werke schaffen, wie sind sie doch oft edle Persönlichkeiten, etwa ein Deichmann, der Inhaber der vielen Schuhgeschäfte, eine edle Persönlichkeit, der nicht nur die Bevölkerung mit Schuhen versorgt, sondern auch seine Angestellten mit höchster Achtung und Ehrfurcht behandelt. Und auch die Arbeitnehmer müssen wir preisen. Ich denke oft in Dankbarkeit an die Müllmänner. Was erweisen diese Männer, die diese schwere, schmutzige Arbeit verrichten, uns einen unermesslichen Dienst! Man muss an italienische Zustände denken, um zu begreifen, was passieren würde, wenn die Müllmänner ihren Dienst einstellen würden.

In der Arbeit verwirklichen wir uns selbst. In der Arbeit dienen wir der Gesellschaft. In der Arbeit leisten wir Gott den schuldigen Gehorsam. Für die Arbeit und für das Gebet, das zur Arbeit gehört und auch Arbeit ist, gelten drei Sätze: 1. Bete, als hülfe kein Arbeiten. Arbeite, als hülfe kein Gebet! 2. Laß deine Arbeit ein Gebet sein und dein Gebet eine Arbeit! 3. Willst du nicht arbeiten, so hilft auch kein Beten. Aus gemeinsamer Arbeit, aus dem Zusammenwirken aller Arbeitgeber und Arbeitnehmer entsteht ein Werk, wird das Volkswohl gefördert, wird das Volkstum erhalten. Aber das alles wird von der großen Klammer umfasst, nämlich dem Dienste Gottes. Die Persönlichkeit weiß, dass sie immer vor Gott steht. Ich wiederhole, was ich am Anfang sagte: Im Gewissen spricht immer Gott zu uns. Jede Handlung, ohne Ausnahme, muss eine Gewissensentscheidung sein, d.h. muss sich vor Gott rechtfertigen lassen. Unsinn, zu sagen, in der Politik komme es auf das Gewissen nicht an. Ja, da kommt es sehr wohl auf das Gewissen an. Es kommt bei allem Tun und Lassen auf das Gewissen an.

Wir stehen also vor Gott allezeit und ohne Ausnahme, bei Tag und bei Nacht. Und wir haben die Aufgabe, unser Leben und unser Werk dem Herrn zu weihen. „Ich weihe mein Werk dem König.“ Die vollendete Persönlichkeit weiß darum, dass sie betend und arbeitend vor Gott steht, dass sie ihre Lebensaufgabe nur erfüllt, wenn sie sie im Angesichte Gottes erledigt. Groß ist der Mensch schon in der Schöpfung als Person. Noch größer ist er in der Erlösung. Gott, du hast den Menschen wunderbar erschaffen, aber noch wunderbarer erneuert, nämlich durch die Annahme der Menschennatur in Christus. Durch diese Menschwerdung wird der Mensch fähig, das dreipersönliche Leben Gottes mitzuerleben. Er glaubt nicht nur an Gott, er gehorcht nicht nur Gott, nein, er ist in das Herz Gottes aufgenommen. Er ist tatsächlich ein Bruder Christi. Er ist tatsächlich ein Sohn oder eine Tochter Gottes, er ist tatsächlich ein Träger des Heiligen Geistes. Die wahre christliche Persönlichkeit lebt das übernatürliche Leben in Christus und bringt es in ihrem ganzen Tun zum Ausdruck. Gott mit der Zunge verherrlichen kann man nicht immer. Ihn durch das Leben verherrlichen, das kann man immer. Die Heiligkeit besteht nicht darin, dass man Außergewöhnliches unternimmt. Die Heiligkeit besteht darin, dass man das Alltägliche und Gewöhnliche gut im Namen Gottes vollbringt. Der unvergessliche große Apostel Berlins, Carl Sonnenschein, hat einmal den schönen Satz geschrieben: „Des Katholiken charakteristisches Zeichen soll sein, dass er die Religion lebt, nicht dass er von ihr redet.“

Die christliche Persönlichkeit weiß auch um den Dienst am Nächsten. Sie ist von der Nächstenliebe geprägt. Wir sind verbunden mit allen Menschen, und wir sind verantwortlich für sie. Wir müssen diese Verbundenheit pflegen. Die Heiden der ersten Jahrhunderte haben von den Christen gesagt: „Seht, wie sie einander lieben!“ Das war etwas Neues. Seht, wie sie einander lieben! Und der Bischof Ignatius, der im Jahre 107 in Rom den Löwen vorgeworfen wurde, schreibt in einem seiner Briefe, die römische Kirche sei die Vorsitzende des Liebesbundes. Also das ist die Kirche: nicht nur Bürokratie, nicht nur Amt, sondern Liebesbund. Und Paulus sagt von sich: „Die Liebe Christi drängt uns.“

Das muss das Motiv sein, weswegen man für Gott arbeitet, weswegen man den priesterlichen Dienst tut: Die Liebe Christi drängt uns. Das haben ja edle Persönlichkeiten aller Zeiten gewusst und getan. In der nächsten Woche werden wir das Gedächtnis der heiligen Elisabeth feiern. Diese edle Frau, die sich im Dienst des Nächsten verzehrt hat, leuchtet wie ein Fanal durch alle Jahrhunderte. Je mehr wir edle Persönlichkeiten sind, desto mehr können wir auch anderen nützen. Der Mensch dient nämlich dem anderen zunächst dadurch, dass er etwas ist, und erst danach, dass er etwas tut. Je mehr wir edle, vollkommene Persönlichkeiten sind, umso mehr können wir anderen nützlich sein. Es hat einmal einer gesagt: „Der Mensch vermag alles, was er vermag, durch seine Persönlichkeit.“ Das mag übertrieben sein. Aber es ist tatsächlich so: Das Beste, was ein Mensch für den anderen tun kann, ist darin gelegen, dass er etwas für ihn ist.

So stehen wir also, meine lieben Freunde, als Persönlichkeiten vor Gott und vor den Menschen. Wir wollen keine Mitläufer sein, wir sollen keine Massenmenschen werden, wir wollen uns nicht von der Weltanschauung des Fernsehers bestimmen lassen, sondern wir wollen aus dem Grunde der Religion emporwachsen, verbunden durch die Gnade mit dem dreifaltigen Gott, eingedenk unserer Pflichten und immer im Gehorsam gegen unser Gewissen Gott dienen und so auf diese Weise mithelfen, dass wir die Erlösung Christi in dieser Welt vollenden

Amen.

 

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Ehe und Familie nach den Normen Gottes

23.11.2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir hatten am vergangenen Sonntag versucht, die Aufgabe der Kirche am einzelnen Menschen uns vor Augen zu führen. Wir sagten: Der Mensch ist Person, aber er soll zur Persönlichkeit werden. Und damit er das wird, soll die Kirche mit ihren Kräften mithelfen. Sie soll den Menschen formen, dass er die Anlagen, die in ihm sind, entfaltet, dass er die Talente nutzt, dass er dem Idealbild nahe kommt, das Gott von ihm trägt.

Die christliche Persönlichkeit aber bleibt nicht allein. Sie wächst durch die Ehe, durch die Familie, durch die Kinder. Sie wird zur Bauzelle der Kirche. Das soll das Thema unserer heutigen Überlegungen sein. Wir wollen fragen, wie die Kirche die Familie nach dem Willen Gottes sieht und wie Kirche und Familie zusammengehören. Ja, ist es denn notwendig, meine lieben Freunde, dass wir nach dem gottgewollten Sinn der Familie fragen? Ist das notwendig? Ist mit dem Namen Familie nicht schon vieles in uns wach, das Heimweh nach dem Elternhaus, Vater und Mutter, Heimat und Elternliebe? Quillt das nicht alles in uns auf. Gewiß. Und doch, unsere Zeit krankt vor allem an der Familie. Warum? Der Mensch von heute scheut das Opfer. Das ist seine Grundbefindlichkeit und seine Grundkrankheit: Er scheut das Opfer. Die Familie aber ist auf selbstlosen Verzicht aufgebaut, und so sucht sich der Mensch von heute der Familie zu entziehen, er sucht sie nach seinem Gutdünken umzugestalten. Ehereform heißt das Losungswort unserer Zeit, und wir wissen, wie diese Ehereform aussieht. Immer weitere Lockerung der Institution der Ehe, nichteheliches Zusammenleben, Zivilehe, Ehescheidung, homosexuelle Verbindungen, die als Ehe ausgegeben werden. Ja, Ehereform tut not, aber nach den ewigen Normen Gottes! Auf die Gedanken Gottes über der Ehe kommt es an. Danach muss alles zurückstreben, und wenn eine wirkliche, umfassende Erneuerung der Ehe zustande gebracht werden soll, dann kann es nur nach den Absichten Gottes geschehen.

Die Staaten arbeiten fortwährend Gesetzesentwürfe aus. Statistische Ämter lassen verzweiflungsdüstere Statistiken ausgehen. Die anderen christlichen Kirche schweigen, ducken sich, geben der menschlichen Schwäche nach. Die Synagoge beugt sich, die Moschee beugt sich und der Protestantismus beugt sich. Die Wogen der Leidenschaft schlagen hoch, der Irrtum herrscht. In dieser Brandung steht nur ein einziger Fels fest, der Fels unserer Kirche. Meine lieben Freunde, wenn es eines Beweises bedürfte, dass die Kirche vom Heiligen Geist geleitet ist, dann würde dieser Beweis dadurch geliefert, dass die Kirche unbeirrt zu dem Gesetz der Ehe feststeht, wie Gott es gewollt hat. Das ist für mich ein überzeugender Gottesbeweis.

 Die Familie ist erstens nach Gottes Willen ein heiliger Lebensquell. Gott will, dass die Menschen die Erde bevölkern, dass sie sie bebauen, dass sie sein Werk vollenden. Und wie Gott überhaupt Menschen heranzieht zum Ausbau der Welt, so ruft er auch zur Fortpflanzung des Geschlechtes. Er legt geheimnisvolle Kräfte in den Menschen hinein, und er treibt sie an durch gewaltige Triebe der Natur. Eltern sollen sich dem Schöpfer weihen zu heiligem Dienst. Sie sollen ihm Menschenkinder schenken, dass er sie beglücke. Sie werden also mit ihrem Leib zu einem heiligen Werkzeug, das dem freien Belieben des Menschen entzogen ist. Nur nach dem Willen und Plan des Schöpfers können und dürfen die Menschen darüber verfügen, nach dem Gesetz der Ehe. Es sei noch einmal ausdrücklich gesagt: Es gibt keine legitime geschlechtliche Betätigung außerhalb der gültigen Ehe.

Gott ist es, der den Ehevertrag schließt und die Menschen in das Heiligtum hineinführt. Und von diesem Heiligtum gilt das Wort: „Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“ „Du sollst das Gesetz der Ehe nicht brechen“, so heißt es im Buche Exodus, im 2. Buche Moses. Die Ehe ist schon von Natur aus ein geheiligter Vertrag. Dieser heilige Charakter ergibt sich aus ihren Zwecken, nämlich Kindern das Leben zu schenken und die Gatten zusammenzuführen, und aus ihrem Ursprung, nämlich sie ist von Gott geschaffen. Sie alle wissen, was die Menschen aus diesem Heiligtum gemacht haben. Aus der Stätte des Lebens wird die Gruft des Todes. Wo quellendes Leben hervorspringen soll, da schließt sich oft das Tor hinter den Gatten: Kinderlosigkeit, Kinderarmut. 11 Prozent aller deutschen Frauen, aller jungen deutschen Frauen, wollen keine Kinder. 26 Prozent aller jungen Männer wollen keine Kinder. Was hat die großen Völker der Geschichte aus dem Geschichtsbuch gestrichen? Ihre Kriege? O nein, meine lieben Freunde. Aber in dem Augenblick, wo sie anfingen, das Kind zu fürchten, da ging es mit ihnen bergab.

Hohe Verantwortung hat, wer sich zu dem ehelichen Bunde entschließt, wer zu dem heiligen Dienst in der Schöpferwerkstatt Gottes bereit ist. Heilige Ehrfurcht muss jeden erfüllen, der in dieses Heiligtum eintritt, denn die Ehe ist der Quell des Lebens. Die Familie ist ein heiliger Lebensquell.

Sie ist zweitens eine heilige Gemeinschaft, und zwar zunächst für die Gatten. Es wird im 1. Buch der Heiligen Schrift ergreifend geschildert, wie der erste Mensch einsam war. Es fehlte ihm etwas, er suchte etwas, und er wusste nicht, was. „Es ist nicht gut“, sagt der Herr, „dass der Mensch allein sei. Laßt uns ihm eine Gehilfin machen, die ihm gleiche.“ Und da ist der erste Mensch beglückt, als er seine Frau sieht und als der Ehesegen über ihn gesprochen wird: „Wachset und mehret euch!“ Wachset selbst zuerst aneinander in gegenseitiger Hilfe. Werdet in der Gemeinschaft stark, den Lebensweg zu gehen. Einer trage des anderen Last. Es ist keine Kleinigkeit, meine lieben Freunde, allein zu stehen, aber Gott will, dass normalerweise und in aller Regel der Mensch sich zum Menschen findet, damit sie in Gemeinschaft aneinander emporwachsen, sich Stütze seien und Hilfe und in der Tugend miteinander wachsen. Der Schöpfer hat uns eben füreinander geschaffen, Mann und Frau, Wesen verschiedener Art, zusammen ergänzen sie sich, finden sie sich in Harmonie. Gesetze, selbst die bestgemeinten, bewirken wenig, wenn nicht die Menschen die Haltungen lernen, die nun einmal für das Leben notwendig sind, die vor allem für ein gedeihliches, gottgefälliges Leben notwendig sind, also die Tugenden, das sind Fertigkeiten im Guten, die wir brauchen.

Der Bundespräsident hat in diesen Tagen von den Bankiers eine dieser Tugenden eingefordert. Er sagte, die Bankiers müssten Demut lernen. O wie richtig! Aber Demut ist natürlich nur eine Tugend, die wir erlernen müssen. Verantwortung füreinander, Dienst füreinander, Zurücktreten voreinander. Wie ist das so notwendig in einer jeden Ehe! Und eine Weggemeinschaft muss es sein bis ans Ende, auf dass die Liebe lauter und reifer werde. Die Sinnlichkeit, die die Menschen oft zueinander führt, trägt eine Ehe nicht, die Stimmung, der äußere Eindruck muss weichen einer tiefen Zuneigung der Seelen, die sich gefunden haben. Das ist aber nur möglich, wenn sie wissen, dass sie unzertrennlich zueinander gehören, dass sie alles miteinander tragen müssen, auch das Kreuz ihrer Ehe. Denn Sie wissen es ja, meine lieben Freunde, jeder Mensch will auch getragen werden. Jeder Mensch hat sogar etwas Unerträgliches an sich. Das muss man in der Ehe lernen: einander tragen, einander ertragen. Aber in der Festigkeit des Ehebandes haben sie eben die Garantie, dass dieses Tragen sinnvoll ist und dass es bis zum Ende reichen wird. So ist die Treue gesichert durch die Festigkeit des Ehebandes. Die Verlockungen zur Untreue schwinden angesichts der Festigkeit des Ehebandes. Die ängstliche Besorgnis, ob der andere in der Not oder im Alter oder in der Krankheit oder im Unglück weggehen wird, diese Besorgnis weicht dann. Tür und Tor ist verschlossen, die Gatten wissen: Wir gehören zusammen bis zum letzten Atemzug.

Zu den Eltern, zu den Gatten gesellt sich das Kind, ein bleibendes Denkmal ihrer Liebe. Ihm sollen sie den Weg bahnen in der Familie, sollen es an ihre Hand nehmen und die erste Wegstrecke begleiten. Erziehung der Kinder ist naturgegeben Aufgabe der Familie. Darum lässt auch der Schöpfer das Kind so viele Jahre hilflos sein. Er zeigt damit, dass es eben angewiesen ist auf die Eltern, auf die Familie. Arme Kinder, die Vater oder Mutter nicht kennen! Sie werden einer kommunalen Pflege oder einer staatlichen Pflege ausgeliefert, aber sie haben keinen Vater und keine Mutter. Auch um des Kindes willen hat der Schöpfer das Band der Ehegatten unauflöslich geknüpft. Heilige Weggemeinschaft wird die Familie durch das Leben hin zu Gott. Es soll am Ende des Lebens einmal so sein, dass die Eltern vor Gott hintreten können und sagen: „Herr, keines von denen, die du mir gegeben hast, habe ich verloren.“ O große Verantwortung! Was aus einem Kinde wird, was aus einem Menschen wird, das entscheidet sich zum Großteil in der Kindheit, in der Jugend, und diese Verantwortung kann keine Macht der Welt den Eltern abnehmen. Denn Gott hat sie ihnen gegeben. Die Pflicht und damit das Recht der Erziehung liegt in erster Linie bei den Eltern. Und wenn sie es noch nicht können, dann müssen sie es lernen. Die Menschen bereiten sich auf alles vor, vor allem auf den Beruf. Viele Jahre gehen sie in die Schule, gehen in die Lehre. Bereiten sie sich auch vor auf die Ehe, auf die Familie, auf die Erziehung von Kindern? Rüsten sie sich selbst aus mit den Tugenden, die notwendig sind, um einem Kind das Leben zu schenken und es zu erziehen? Niemand darf die Eltern aus ihrem Erziehungsrecht verdrängen.

Und drittens ist die Familie der Lebensraum für den wachsenden Menschen. Eine Pflanze muss guten Boden haben und Platz, damit sie wachsen kann. Ein Mensch braucht auch eine solche Pflanzstätte, damit er gedeihen kann. Das ist das Elternhaus, das Heim, die Familie, dieses unfassbare Wunder von Wohlwollen, Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit, Schönheit, Sonnigkeit, ja auch von Zärtlichkeit, um dessentwillen wir ein lebenslanges Heimweh nach dem Vaterhaus in uns tragen. Glücklich jene Menschen, die ein solches Heim haben, die in ein solches Heim hineingeboren wurden. Glücklich jene jungen Menschen, die sagen: Am schönsten ist es bei uns zu Hause. Aber wie arm sind die jungen Menschen, wenn der Vater oder die Mutter das Haus verlassen und draußen ihr Glück suchen, ihre Freude suchen! Wenn sie nicht imstande oder nicht willens sind, das Heim zu schaffen, in dem sich alle wohlfühlen können.

Niemand, meine lieben Freunde, schätzt Ehe und Familie so hoch wie unsere Kirche. Niemand hat ihr zu allen Zeiten und vor allem in der Not so wirkungsvoll geholfen wie sie. Schon die Naturehe ist ein Heiligtum; die christliche Ehe übersteigt es noch bei weitem. Denn die christliche Ehe hat ja die Aufgabe, Bürger für das Reich Gottes hervorzubringen, Mitbürger der Heiligen, Hausgenossen Gottes. Und deswegen gehört der Mensch eben zwei Gemeinschaften an, der Familie und der Gottesgemeinschaft der Kirche. Beide gleich notwendig, beide gleich wesentlich. Als Menschenkind gehört er zur Familie, als Gotteskind gehört er zur Kirche. Durch diese gemeinsamen Aufgaben zueinander hingeordnet gehören Kirche und Familie zusammen. Aber ihre eigentliche Verbindung ist in der Sakramentalität der Ehe gegeben. Im Epheserbrief ist diese Sakramentalität vom Apostel Paulus ausgesprochen. Er sagt von der Ehe: „Sie ist ein Geheimnis, und dieses Geheimnis ist groß im Hinblick auf die Beziehung der Ehe zu Christus und seiner heiligen Kirche.“

Die Ehe ist ein Abbild der Verbindung von Christus zur Kirche. So wie Christus die Kirche liebt, so sollen die Gatten einander lieben. Wie liebt denn Christus die Kirche? Ja bis zur Hingabe des Lebens, bis zum Vergießen des Blutes, bis zum letzten Seufzer am Kreuze. So liebt Christus die Kirche. Kann man Erhabeneres, kann man Höheres über die Ehe sagen, als was hier uns gelehrt wird: die Ehe ein Abbild der Verbindung Christi mit der Kirche? Wenn die Eheleute ihren Bund schließen, wird durch diesen Bund jenes heilige Ineinander gestaltet, das Christus und die Kirche verbindet. Wir können auch noch ein anderes herrliches Bild uns vor Augen führen. Die Kirche ist ja, wiederum nach dem Zeugnis des Apostels Paulus, der Leib Christi. Und wenn immer in der Kirche neue Glieder hervorgebracht werden, dann sind das auch Zellen, neue Zellen am Leibe Christi. Durch jedes Kind, das geboren und zur Taufe geführt wird, entsteht eine neue Lebenszelle, und der Ehevertrag wird zum heilswirksamen Zeichen. Er gibt den Gatten das ständige Anrecht auf Gottes Hilfe in allen Lagen. Deswegen ist es eben nicht egal, meine lieben Freunde, ob man zusammenlebt ohne Trauschein, wie man heute sagt, oder ob man sich unter den Segen Gottes beugt, ob man die Gnadenquellen fließen lässt. Es ist nicht egal.

Gehören Ehe und Familie seinshaft zusammen, dann folgt aus dem gemeinsamen Sein auch das Wirken füreinander. Zunächst einmal: Was gibt die Kirche der Familie? In einem Elternhaus stand der schöne Spruch: „Wo Glaube, da Liebe, wo Liebe, da Friede, wo Friede, da Gott, wo Gott, keine Not.“ O wie wahr, meine Freunde! Wo Glaube, da Liebe, wo Liebe, da Friede, wo Friede, da Gott, wo Gott, keine Not. Wo der katholische Glaube in einer Ehe und Familie lebt, da weiß man um das Heiligtum der Ehe und die hohen Aufgaben. Da stehen Eltern und Kinder in heiliger Ehrfurcht voreinander, da ruht die Familie auf dem festen Grunde des Rechtes und der Gottesordnung, da ist Gehorsam eine selbstverständliche Haltung der Jugend. Und da ist die liebevolle Sorge um die Kinder selbstverständlich, eine heilige Gewissenspflicht. Ja, wo Glaube, da Liebe, wo Liebe, da Friede, wo Friede, da Gott, wo Gott, keine Not.

Und wieviel Freude trägt die Kirche in die Familie hinein! Der Tag der Trauung ist und soll ein Tag der Freude sein. Wo die rechte Vorbereitung auf diesen Tag gehalten wird, da kann er auch nur ein Tag der Freude sein. Und dann kommen die Tage froher Kindtaufen. Was ist es beglückend, ein solches Kindlein in den Armen zu tragen! Meine lieben Freunde, was ist das beglückend! Dann die herrlichen Wochen, die vorhergehen, bis die Kinder zur Ersten Heiligen Kommunion geführt werden. Und jedes Jahr wird es wieder Weihnachten und man sammelt sich um die Krippe und um den Lichterbaum. Wieviel Liebe geht doch von dieser Krippe in die Familie hinein! Und all die frohen Feste und Bräuche des Kirchenjahres. Wahrhaftig, was gibt die Kirche der Familie! Wenn das Kreuz in die Familie einzieht, da wird es im Geiste Christi getragen in Geduld. Liebe schließt sich enger zusammen. Liebe flieht nicht vor dem Kreuz. Gemeinsam trägt man das schwerste Leid. Und wenn einen die Krankheit ereilt und der Tod kommt, dann tritt der Priester in das Haus und sagt: „Friede diesem Hause!“ Christliche Familien bleiben ja über den Tod miteinander verbunden. Wir glauben an die Gemeinschaft der Heiligen. Wir wissen, dass unsere Verstorbenen leben, und wir wissen, dass sie für uns beten. Ach, was ist der Allerseelentag ein glücklicher Tag, wo wir uns an unsere lieben Verstorbenen erinnern und ihnen durch unsere Fürbitte helfen.

Was gibt aber auch die Familie der Kirche? Nun, die Familie gibt der Kirche Wachstum. Aus den Familien wächst die Kirche, wie freut sich der Pfarrer, der gute Pfarrer, wenn sich die Taufregister füllen, wenn er sieht, wie aus dem Lebenswillen opferbereiter Eltern die Gemeinden wachsen, wie dadurch sich das Reich Gottes auf der Erde ausbreitet. Als unsere heilige Kirche noch kraftvoll und lebendig war, da hat in Holland der katholische Bevölkerungsteil aus einer Minderheit sich zu einer Mehrheit erhoben. Die holländischen Familien hatten zu Beginn des 20. Jahrhunderts und noch bis in die 30er Jahre 8 bis 10 Kinder. Dann kam der große Zusammenbruch, und die Kinder blieben aus. Der Protestantismus in Holland triumphierte: Die biologische Gegenreformation ist beendet. Die biologische Gegenreformation ist beendet. Wahrhaftig, sie ist beendet.

Die Kirche weiß, dass nur aus guten Familien ganze Christen werden können. Diejenigen, auf die man sich als Priester verlassen kann, kommen in aller Regel aus intakten Familien. Nur gesunde christliche Familien können uns unsere Helfer in der Seelsorge bereitstellen. In den christlichen Familien fehlt das Familiengebet nicht, da wird die Weihe des religiösen Lebens auf den Alltag übertragen. Das gegenseitige Beisammensein eines ehrbaren Vaters, einer opferbereiten Mutter, einer reinen Jugend wirkt sich segensvoll aus. Ohne Rückhalt in der Familie gibt es keine nachhaltige Seelsorge.

Das Teuerste aber, was die gute Familie der Kirche schenkt, sind gute Priester und gute Ordensleute. Die Berufe kommen von Gott, aber Gott bedient sich der menschlichen Werkzeuge. Auch hier setzt die Gnade die Natur voraus. Der Priesterberuf will nun einmal besondere Wachstumsbedingungen.

Mein unvergesslicher Oberhirt, Ferdinand Piontek, hat einmal eine Predigt gehalten mit dem Thema: „Ihr Eltern, betet täglich: Lieber Gott, lass uns so leben, dass aus unserer Familie ein Priester hervorgehen kann.“ Lieber Gott, lass uns so leben, dass aus unserer Familie ein Priester hervorgehen kann. Nur auf dem Boden einer reinen Ehe, in einer glaubensfrohen Luft kann ein Priesterberuf gedeihen. Und was ist es Ergreifendes, wenn aus einer solchen Familie ein Priester hervorgeht! Wenn Vater und Mutter dem Altare einen Sohn schenken, dann haben sie mehr getan, als wenn sie eine Kirche gebaut hätten.

Christus will König sein in der Familie. Sein Gesetz, sein Geist, seine Liebe sollen in der Familie herrschen. Sein Gnadenleben soll sie durchfluten. Ich sehe ein trautes Familienheim. Am Ehrenplatz prangt das Bild des Heilandes, des göttlichen Herzens, das versprach, die Familien zu segnen, in denen das Bild seines Herzens aufgestellt ist. Ich sehe, wie die Kinder sich um Eltern versammeln und gemeinsam beten. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Ich sehe, wie wenigstens eines am Sonntag den Heiland heimträgt aus der Kirche im Herzen, in einer heiligen Kommunion. In der Tat, eine solche Familie ist ein Stück Kirche, ein lebendiges Organ am Leibe Christi. Von diesem Hause gilt das Wort der Heiligen Schrift: „Diesem Hause ist Heil widerfahren.“

Amen.

 

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Die Sakramente des Alten Bundes

30.11.2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Vor 50 Jahren feierte ich täglich die heilige Messe in der Kirche der Mädchenschule zu Freising. Die Schule wurde von Nonnen geführt, von Armen Schulschwestern. Eines Tages im Advent kam die Frau Rektorin zu mir und sagte: „Die Kinder fragen im Advent immer wieder. Wie wurden denn die Kinder vor Christus gerettet? Wie haben sie denn das Heil erlangt, wo es noch keine Taufe gab? Wie wurden sie von der Erbsünde befreit?“ Sie sehen, wie wach und lebendig damals Kinder waren, dass sie auf solche Fragen gestoßen sind. Und tatsächlich muss man sich ja auch fragen: Ja, gab  es für die Menschen vor Christus, ohne Christus, vor der Taufe, ohne Taufe Heil? Oder mussten sie verloren gehen? Aber wie stimmt dann überein, dass im 1. Timotheusbrief steht: „Gott will, dass alle Menschen selig werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ Alle, nach oder vor Christus. „Wir haben unsere Hoffnung gesetzt“, heißt es in demselben Brief, „auf den lebendigen Gott, den Retter aller Menschen.“ Vor Christus und nach Christus. Und noch einmal im 1. Timotheusbrief: „Christus hat sich selbst als Lösegeld hingegeben für alle.“

Wir wissen, dass das Heil, also die heiligmachende Gnade und der Himmel, die Freuden des Himmels, dass das Heil nur gewonnen wird durch den Anschluß an Jesus Christus. Vor dem Hohen Rate in Jerusalem hat Petrus bekannt: „Es ist kein anderer Name gegeben unter dem Himmel, in dem die Menschen selig werden können, als der Name Jesu Christi.“ Die Verbindung mit Jesus wird hergestellt durch Glaube und Taufe. Der Herr sagt es selber: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden.“ Aber wie werden diejenigen gerettet, die Christus nicht kannten und die die Taufe nicht hatten? Werden sie auch durch Glaube und Taufe gerettet? Muss man vielleicht diese Rettungsmöglichkeit ausweiten, muss man vielleicht das Verständnis dieser beiden Elemente, Glaube und Taufe, vertiefen, um zu begreifen, wie die Menschen vor Christus und ohne Christus gerettet werden konnten? Ich bin überzeugt, dass eine solche Auslegung sachgemäß und notwendig ist. Was ist Glaube? Der Glaube ist das feste Vertrauen auf das, was man erhofft, das Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht. Gab es einen solchen Glauben schon vor Christus? Ja. Es war nicht der Glaube an den gekommenen Christus, es war der Glaube an den kommenden Christus. Wir glauben an Jesus, der erschienen ist; unsere Vorväter in grauer Vorzeit hofften auf Jesus, der kommen würde. Also der Glaube war auch damals möglich. Und der Herr hatte die Menschen nicht ohne Hoffnung gelassen. Schon nach dem Sündenfall im sogenannten Protevangelium, im ersten Evangelium, hat er ihnen gesagt, dass er Feindschaft setze zwischen dem Satan und der Frau und ihrem Nachkommen, und dass ein Schlangentreter kommen werde, der der Schlange den Kopf zertreten werde. Dieses Protevangelium ist niemals widerrufen worden, und der Herr hat seine Verheißungen immer wieder erneuert und bekräftigt.

Also, die Menschen vor Christus waren nicht ohne göttliche Hilfe. In dieser Zeit wurden die Menschen durch das sacramentum naturae von der Erbsünde befreit, durch das Natursakrament. Und worin bestand es? Es bestand in einem Akt des Glaubens an den künftigen Erlöser. Indem die Eltern ihr hoffendes Vertrauen auf Gott setzten, auf den kommenden Erlöser, wurden ihre Kinder, ihre unmündigen Kinder gerechtfertigt und geheiligt. Ihre, der Eltern Sehnsucht und Zuversicht rettete, ohne dass sie es wussten, auch ihre Kinder. Diese Hoffnung verschaffte ihren Kindern das Heil. Die Erwachsenen wurden selbstverständlich ebenso durch diesen Glauben und diese Hoffnung gerechtfertigt. Dazu kam, wenn man will, eine Art Natursakrament, dass sie das ganze Leben aus der Hand Gottes annahmen. Indem sie sich unter das Gericht Gottes stellten, erkannten sie Gott als Richter an. Der Mann wurde gerechtfertigt durch die Mühen und Plagen der Arbeit, durch den Kampf bis zur Aufreibung der Kräfte. Die Frau wurde gerechtfertigt durch die Wehen der Mutterschaft, durch die häuslichen Plagen, durch die Geduld in der Ausdauer. Diese Folgen der Erbsünde dienten als eine Art Natursakrament der Heiligung der vor Christus lebenden Erwachsenen und ihrer Kinder.

Später kam dann zu dem Glauben als bleibendem Element die Beschneidung hinzu. Die Beschneidung war das ordentliche Mittel zur Reinigung von der Erbsünde. Die Menschen, die beschnitten wurden, wurden dadurch Jahwe, dem Gott des Alten Bundes, geweiht. Sie wurden zum Bundesvolk geführt, in das Jahwe-Volk aufgenommen. Die Beschneidung war das Bundeszeichen. Und wer beschnitten ist, der war rein und gehörte zum Bundesvolke. In diesem Sinne hat einmal der große Papst Innozenz III. geschrieben: „Die Erbschuld wurde durch das Geheimnis der Beschneidung nachgelassen, und so wurde die Gefahr der Verdammnis vermieden.“ Die Heilszeichen vor Abraham waren Naturzeichen. Die mit Abrahams Berufung von Gott verfügten Heilszeichen waren Geschichtszeichen, also Elemente der geschichtshaften Selbsterschließung Gottes.

Dann kam die Zeit des Mosaischen Gesetzes. Für die Zeit des Mosaischen Gesetzes gab es neben der Beschneidung noch andere vorchristliche Sakramente, z.B. das Osterlamm oder die Speiseopfer, ein Vorbild der Eucharistie, Waschungen und Reinigungen, Vorbilder des Bußsakramentes, Segnungs- und Weiheriten, Vorbilder der Weihesakramentes. Es gab also auch schon vor Christus eine bestimmte Art von Sakramenten. Zusammen mit dem Glauben haben sie die Menschen, die sich ihnen gläubig unterwarfen, heiligen können.

 Wohl waren die alttestamentlichen Sakramente den neutestamentlichen ähnlich, aber die Unähnlichkeit ist größer als die Ähnlichkeit. Es bestanden beträchtliche Unterschiede. Das Wesen der neutestamentlichen Sakramente besteht darin, dass sie bewirken, was sie anzeigen. Sie bewirken, was sie anzeigen. Also wenn der Priester spricht: „Der Leib Christi“, dann ist das der Leib Christi; und wenn das Taufwasser über das Kind rollt, dann wird es gereinigt. Die Riten des Alten Testamentes hatten diese Kraft nicht. Sie waren aus sich nicht rechtfertigungsfähig. Kraft ihres Vollzuges haben sie nicht die Gnade verliehen, sondern nur eine äußere, gesetzliche Reinheit. So hat das Konzil von Florenz im Jahre 1439 erklärt: „Die Sakramente des Alten Bundes vermittelten nicht die Gnade, sondern sie wiesen nur darauf hin, dass sie durch Christus gegeben werden müsse.“ Deswegen konnte auch Paulus die Kulteinrichtungen des Alten Testamentes als schwache und armselige Elemente abtun. Sie waren nicht imstande, die innere Gewissensreinheit zu verschaffen. Sie konnten nur eine äußere, gesetzliche Reinheit bewirken. „Im ersten Zelt“, heißt es im Hebräerbrief, „werden Gaben und Opfer dargebracht, welche den Dienenden in seinem Gewissen nicht vollkommen reinigen können.“ Und an einer anderen Stelle heißt es: „Das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer Kuh sind unfähig, die Gewissen zu reinigen, sie heiligen nur zur Reinheit des Fleisches.“

Das ganze Alte Testament war eben ein Erzieher auf Christus hin. Im Alten Testament ist das Neue Testament verborgen, und im Neuen Testament ist das Alte Testament zur Klarheit gebracht. Die Gerechtigkeit Gottes, durch die der Gläubige zum Heil geführt wird, ist im Alten Testament verhüllt, im Neuen Testament enthüllt. Und so sind die Sakramente des Alten Testamentes Typen, d.h. Vorbilder, Schattenrisse, entfernte Entwürfe der Sakramente des Neuen Testamentes. Sie waren ein Bekenntnis des Glaubens zum kommenden Erlöser. Unter Mitwirkung aktueller Gnaden erweckten sie im Empfänger das Bewußtsein der Sündhaftigkeit und den Glauben an den kommenden Erlöser. Dadurch disponierten, bereiteten sie den Empfänger vor zum Empfang der heiligmachenden Gnade und bewirkten so die innere Heiligung. Die alttestamentlichen Sakramente waren also schwache Schattenrisse der neutestamentlichen. Aber sie waren doch – und das ist ihr Größe – ein objektives Bekenntnis des Glaubens an den kommenden Erlöser. Und Gott nahm dieses Bekenntnis zum Anlaß, die Heiligungsgnade regelmäßig zu geben.

Es bleibt also dabei: Die Altväter wurden durch den Glauben an das Leiden Christi, der in seiner vollen Gestalt ihnen noch verborgen war, gerechtfertigt, genauso gut wie wir. Aber die Sakramente des Alten Bundes hatten aus sich keine Kraft, sondern sie mussten durch das gläubige Empfangen der Empfänger gewissermaßen mit Gnade aufgeladen werden, um die Heiligung zu bewirken. Das Alte Gesetz schenkte nicht, wie das Neue, den Heiligen Geist. Dennoch gab es eben aufgrund des Glaubens und der gläubigen Unterwerfung unter Gottes Willen auch im Alten Bunde Gerechte, Menschen, welche die Liebe und die Gnade des Heiligen Geistes hatten. Die Kirchenväter sprechen oft davon, dass es Gerechte von Adam an gegeben hat, „vom gerechten Abel an bis zum letzten Erwählten“. Es gab also auch vor dem Erscheinen Christi Gerechtfertigte. Ja, im Hebräerbrief wird von den „Martyrern des Alten Bundes“, also z.B. von den Makkabäischen Brüdern, gesagt: „Sie alle, bewährt als Zeugen des Glaubens, wurden erfunden in Christus.“ Obwohl sie ihn noch gar nicht kannten, haben sie ihr Martyrium im gläubigen Vertrauen auf den kommenden Erlöser bestanden. Nicht das Gesetz machte sie gerecht, sondern der Glaube. Weil sie den verheißenen Erlöser erwarteten, wurden sie gerechtfertigt.

Wir haben also, meine lieben Freunde, das Verständnis dafür gewonnen, dass immer und nur der Glaube rechtfertigt. Wer zu Gott kommen will, muss glauben, dass er ist und dass er denen, die ihn suchen, ein Vergelter wird. Das ist ein ehernes Gesetz, das vom Hebräerbrief aufgestellt wurde. Es rettet immer der Glaube, im Alten wie im Neuen Bunde, aber in je verschiedener Weise. Im Alten Bunde ist der Glaube die Antwort des Menschen auf das verheißene Heil, im Neuen Testament ist er die Antwort auf das gewährte Heil. Der Heilsmittler ist immer Christus, und alle, die im Alten Bunde sich an Gott gehalten haben, haben auf Christus gehofft. Aber ihre Sehnsucht nach dem vollendeten Heil. das noch unter Schleiern verborgen war, wurde erst erfüllt im Neuen Bunde. „Das, was wir jetzt christliche Religion nennen“, hat einmal der heilige Augustinus geschrieben, „war der Sache nach auch bei den Alten und fehlte vom Anbeginn des Menschengeschlechtes nicht, bis Christus im Fleische erschien. Von da an begann die wahre Religion, die schon immer da war, die christliche zu heißen.“

Die ersten Sakramente, die alttestamentlichen Sakramente, waren nur Hinweise auf den kommenden Christus. Als Christus sie mit seinem Kommen erfüllte, wurden sie abgeschafft, und sie wurden abgeschafft, weil sie erfüllt waren.

Meine lieben Freunde, wir stehen in der schönen, ergreifenden Zeit des Advents, wo wir die so vertrauten und inhaltsreichen Adventslieder singen. „O komm, o komm, Emmanuel, nach dir sehnt sich dein Israel. In Sünd und Elend weinen wir und flehn und flehn hinauf zu dir.“ Das ist der Gesang des alttestamentlichen Volkes gewesen. O komm, o komm, Emmanuel, nach dir sehnt sich dein Israel. O komm, du wahres Licht der Welt, das unsre Finsternis erhellt. Wir irren hier in Trug und Wahn. O führ uns auf den Lichtes Bahn.

Amen.

 

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Geboren aus Maria, der Jungfrau

07.12.2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Im Jahre 735 v. Chr. verbanden sich der König Phakee vom Nordreich, Israel, und der König von Damaskus, Rasin, also der Syrerkönig, um gegen den Assyrerkönig Tiglatpileser zu Felde zu ziehen. Sie bestürmten auch den König des Südreiches von Juda, dass er sich ihnen anschließe. Aber der König Achaz lehnte ab. Er hatte andere Pläne. Da überzogen sie das Südreich mit Krieg und wollten den König Achaz absetzen und einen anderen, nämlich den Sohn des Tabul, an seiner Stelle einsetzen. Die Kunde von den heranrückenden Heeren entsetzte Jerusalem. „Da bebte das Herz des Königs und seines Volkes, gleich wie die Bäume des Waldes vor dem Winde beben.“ In dieser Angst und Not ergeht das Wort des Herrn an den Propheten Isaias, er soll zum Könige sagen: „Sieh dich vor und halte dich ruhig! Hab keine Furcht. Dein Herz soll nicht zagen vor diesen zwei rauchenden Brandscheidtstummeln.“ Das König soll also ruhig abwarten, der Angriff der beiden Verbündeten ist nicht zu fürchten, ihre Pläne werden nicht gelingen, das Nordreich wird sich nicht erweitern können, und der König von Damaskus wird ebenso sein Reich nicht vergrößern können. Aber das Südreich muss Vertrauen fassen. Es muss Glauben haben an Gott. Im mangelnden Vertrauen liegt seine große Gefahr. „Wenn ihr nicht glaubt, habt ihr keinen Bestand mehr“, sagt der Prophet zum König.

Und Gott ging noch weiter. Er gewährte Achaz ein Zeichen. Der König kann sich ein außerordentliches Ereignis wählen, gleich welcher Art, Gott wird es in Erfüllung gehen lassen. Und daran soll er erkennen, dass die Pläne der beiden Verbündeten scheitern werden. Und siehe da, der König lehnt es ab, ein Zeichen zu fordern. Er begründet das mit seiner Frömmigkeit. Er will Gott nicht versuchen, sagt er. Aber das war nicht der wahre Grund. Der richtige Grund war: Was Gott von ihm erwartete, war ihm lästig. Der Vorschlag des Propheten, Ruhe zu halten und auf Gott zu vertrauen, lief seinen politischen Plänen zuwider. Er hatte nämlich vor, den Assyrerkönig Tiglatpileser zu Hilfe zu rufen. Und er führte diesen Plan auch aus. Mit dieser Ablehnung hat der König Gott beleidigt, und so kündigt ihm der Prophet Unglück an. Assyrer und Ägypter werden das Südreich, Juda, beherrschen. Aber Gott geht von seinem Plane nicht ab. Er bleibt dabei, ein Wunderzeichen zu geben. Was ist das für ein Zeichen? Eine Jungfrau wird als Jungfrau einen Sohn gebären, der heißt Emmanuel, das bedeutet: Gott mit uns. Dieser Knabe ist das lebendige Zeichen, dass Gott das Südreich, Juda, in höchster Gefahr nicht verlässt. So sicher wie das Emmanuelszeichen eintreten wird, so sicher wird das Land von seinen jetzigen Feinden befreit werden. Der Knabe wird ein armes Leben führen, Dickmilch und Honig wird er essen, also die Speise der Armen, und das wird so lange gehen, bis er zum Vernunftgebrauch gelangt ist. Dann wird die Gefahr vorüber sein, dann ist die nationale Not vorbei und Juda ist gerettet.

Wie Gott gesprochen hatte, so trat es ein. In den Jahren 734 bis 732 v. Chr. kam der Assysrerkönig Tiglatpileser nach Damaskus und nach Israel. Er verwüstete die Länder und führte viele Menschen in die Gefangenschaft. Aber das Reich Juda war gerettet. Wir können annehmen, dass das von Gott angekündigte Zeichen damals eingetreten ist. Es hat eine Jungfrau einen Knaben geboren, und es wurde ihm der Name Emmanuel gegeben, und für die Dauer seiner Unmündigkeit, seines mangelnden Vernunftgebrauches hat Juda unter der Bedrückung gelitten, aber dann war die nationale Not vorbei.

Und doch: Dieses Zeichen 700 Jahre v. Chr. war nur ein Schattenriß für ein anderes Zeichen. Diese jungfräuliche Mutter von damals war nur ein Vorentwurf einer anderen jungfräulichen Mutter, und dieser gottgesegnete Knabe war nur der Schattenriß eines anderen Knaben. Diese Stelle Is 7,14 ist messianisch zu verstehen. So hat das Christentum von Anfang an diese prophetische Stelle bei Isaias begriffen. Es hat sie von Anfang an auf den Messias gedeutet. Im Matthäusevangelium lesen wir anschließend an die Botschaft des Engels, die an Josef erging, wo er über das Geheimnis Mariens aufgeklärt wurde: „Dies alles ist geschehen, damit die Schrift erfüllt werde, was vom Herrn durch den Propheten gesagt wurde: „Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und seinen Namen wird man nennen Emmanuel, das heißt: Gott ist mit uns.“

Die Prophezeihungen des Isaias sind in hebräischer Sprache geschrieben, und das entscheidende Wort, auf das es hier ankommt, ist das Wort „alma“. Dieses hebräische Wort bedeutet Jungfrau. Damit ist nicht gemeint die Frau des Königs Achaz oder die Frau des Propheten Isaias. Nein, es handelt sich um eine Jungfrau, nicht um eine verheiratete, in Geschlechtsgemeinschaft mit ihrem Manne stehende Frau. Die Juden haben von Anfang an diese Deutung der Isaias-Stelle bekämpft, mit allen Mitteln. Sie haben an erster Stelle behauptet, die griechische Übersetzung des hebräischen Textes habe das Wort „alma“ falsch wiedergegeben. Alma sei unrichtig übersetzt mit „die Jungfrau“, es müsse vielmehr heißen : „die junge Frau“. Dieser Einwand, meine lieben Freunde, ist nicht berechtigt. Denn wir können Stellen im Alten Testament nachweisen, in denen „alma“ die unberührte, junge, heiratsfähige Frau bezeichnet, das unberührte, heiratsfähige Mädchen. Ein Beispiel: Rebecca. Von ihr wird gesagt: Das Mädchen war sehr schön, und sie war klug, und sie war ledig, aber sie hatte noch keinen Mann erkannt. Und dann heißt es: „alma“. Rebecca war eine alma, eine Jungfrau. An zweiter Stelle können wir darauf hinweisen, dass der Zusammenhang, in dem die Stelle Is 7,14 steht, die Bedeutung Jungfrau verlangt. Denn ein außerordentlicher Vorgang, ein unerhörter Vorgang, eben ein Zeichen, liegt nur dann vor, wenn eine Jungfrau als Jungfrau empfängt und gebiert. Das ist ein einmaliger, wunderbarer Vorgang. Es wäre nichts Großes, nichts Kennzeichnendes, es wäre kein Zeichen, wenn eine junge Frau nach der Empfängnis durch ihren Mann geboren hätte. Das ist ja der gewöhnliche Lauf der Dinge. Etwas Alltägliches kann kein Zeichen sein. Die Kirchenväter, von Justin dem Martyrer angefangen, haben die Stelle Is 7,14 messianisch ausgelegt. Sie betonen, dass die Worte so zu verstehen sind, dass die Mutter des Emmanuel als Jungfrau – als Jungfrau! – empfangen und gebären werde. Die Prophezeiung des Isaias ist in Maria erfüllt worden. Wir beten im Glaubensbekenntnis: „Geboren aus Maria, der Jungfrau.“ Wir bekennen die immerwährende Jungfräulichkeit Mariens. Das bedeutet: Maria war Jungfrau vor der Geburt Jesu, sie war Jungfrau während der Geburt Jesu, und sie war Jungfrau nach der Geburt Jesu. Das ist ein großes Geheimnis; das ist schwer zu erklären; das bereitet dem Verstand Schwierigkeiten. Ohne weiteres, gern zugegeben. Aber eines dürfen wir niemals tun, wie es die Frau Ranke-Heinemann in Essen getan hat, nämlich diese Stelle umdeuten. Es handelt sich hier um einen biologischen Sachverhalt, nicht bloß um einen geistig zu verstehenden Sachverhalt. Unerbittlich gegen alle Abschwächungen und Verdrehungen hält die Kirche daran fest: Maria ist Jungfrau auch im biologischen Sinne.

Die beiden Texte, die davon sprechen, geben in scheuer Zurückhaltung lediglich die nüchterne Tatsache an, keine Spekulation, keine romantische Legende. Der Vorgang der Empfängnis wird überhaupt nicht beschrieben. Für diesen Glauben und für diese Tatsache haben wir die unwiderleglichen Zeugnisse des Matthäus und des Lukas. Ihre Berichte sind voneinander unabhängig, aber sie bezeugen beide dasselbe: Maria ist die jungfräuliche Mutter Jesu. Der Evangelist Lukas, der allen  des Lebens Jesu Ereignissen von Anfang an nachgegangen ist, berichtet, dass der Engel Gottes zu einer Jungfrau gesandt wurde, um ihr die Empfängnis und die Geburt eines Sohnes zu verkündigen. Es ist anzunehmen, dass Lukas mit Maria selbst gesprochen hat, dass er sie befragt hat und dass sie ihm die Umstände dieser Empfängnis erzählt hat. Und wenn er nicht selber mit ihr gesprochen hätte, haben andere mit ihr gesprochen. Sie haben es von Maria erfahren; Maria hat ihnen ihr Erlebnis berichtet. Der Besuch des Engels bei Maria – und nicht bei Josef – also umgekehrt, als es bei Zacharias und Elisabeth war, und die Umstände der Empfängnis bezeugen, dass Josef nicht der leibliche Vater Jesu ist. Wenn die Mitwelt ihn dafür hält, dann erklärt sich das aus ihrer Unkenntnis. Die Menschen wissen nicht um das Geheimnis. Außerdem ist Josef in jedem Falle der gesetzliche Vater Jesu, weil er ja Maria geheiratet hatte. Maria war verlobt, das heißt nach dem damaligen Sprachgebrauch verheiratet, aber noch nicht heimgeführt, noch nicht mit Josef zusammengekommen. Die strengen altjüdischen Auffassungen erklären dann auch das Verhalten des Josef. Er stellte vor dem Zusammenkommen fest, dass sie empfangen hatte. Das machte ihn unruhig, ja bedenklich. Er dachte daran, die Ehe nicht aufzunehmen. Erst ein Engel musste ihn über den Ursprung des Kindes, das Maria empfangen hatte, aufklären; dann war er beruhigt, dann fand er sein Gleichgewicht wieder.

Gegen die Jungfräulichkeit Mariens im katholischen, im biblischen Verständnis wenden sich der Unglaube und der Irrglaube, leider auch der überwiegende Teil des Protestantismus. Auch in diesem Punkte sind wir mit den getrennten Brüdern nicht einig. Die Einwände, die gegen die jungfräuliche Empfängnis Mariens erhoben werden, stammen nicht aus wissenschaftlichen Argumenten, sondern sie gründen auf der grundsätzlichen Ablehnung des Wunders. Sie sind also weltanschaulicher Art. Sie scheitern an der rationalen Deutung der Texte. Was sagen die ungläubigen Theologen? Sie sagen, der Glaube an die jungfräuliche Empfängnis Mariens sei aus der Stelle Is 7,14 entwickelt, abgeleitet, ausgesponnen worden. Sie sei also gar nicht passiert, sondern sei eine Erfindung, eine Erfindung derer, die die Stelle Is 7,14 gelesen und falsch ausgelegt haben. Meine Freunde, hier wird die Wirklichkeit auf den Kopf gestellt. In Wahrheit ist der Sachverhalt genau umgekehrt. Weil die jungfräuliche Empfängnis Mariens eine Tatsache war, begriff man beim Lesen des Alten Testamentes, dass sie dort, nämlich in Is 7,14, angedeutet, ja vorherverkündet war. Das Leben Jesu und seiner Mutter lag wie ein offenes Buch vor den Jüngern und den Aposteln. Die Christen lasen aufgrund dieser Tatsachen das Alte Testament. Da gingen ihnen die Augen auf, denn sie erkannten, dass das, was an Jesus und Maria geschehen war, im Alten Bunde vorherverkündet, vorbereitet worden war. Dabei stießen sie auch auf den Text Is 7,14. Was dort verheißen war, das sahen sie, das war in Jesus und Maria erfüllt. Matthäus enthüllt also den Juden den richtigen Sinn von Is 7,14. Dies geschieht als Schriftbeweis für eine feststehende Tatsache. Ein Zeugnis, also etwas, was man selbst erlebt und erkannt hat, wird hier geliefert. Ein Zeugnis aber kann keine Quelle für ein Zitat sein.

Die jüdische Polemik sah in der Jungfrauengeburt die Folge eines ehebrecherischen Verhältnisses Marias mit einem römischen Legionär Panthera. So steht es bis heute in den jüdischen Büchern: Jesus das Erzeugnis eines ehebrecherischen Verhältnisses Mariens mit dem römischen Legionär Panthera. Diese Feindseligkeit hat die ganze mittelalterliche Geschichte bestimmt, und wir dürfen uns über die Zurückhaltung der Christen gegenüber den Juden nicht wundern, denn sie lasen in den jüdischen Büchern Schmähungen über unseren Heiland Jesus Christus, vor allem in dem Buch Toledot Jeschu, in dem mittelalterlichen Volksbuche Toledot Jeschu. Da wird Jesus als Betrüger und als Verbrecher hingestellt.

Andere, die das Wunder nicht zugeben wollen, verweisen auf die Tatsache, dass in den Evangelien von Brüdern und Schwestern Jesu die Rede ist. Nach deren Meinung hätte Maria vor der Geburt Jesu und nach der Geburt Jesu andere Kinder gehabt. Es wäre also alles ganz natürlich zugegangen, und eines dieser Kinder sei eben Jesus gewesen. Was ist dazu zu sagen? In der Heiligen Schrift ist wohl von Brüdern und Schwestern Jesu die Rede. Aber das sagen dieselben Evangelisten, die von der jungfräulichen Empfängnis Jesu berichten. Sie würden sich ja selbst widersprechen, wenn sie die Brüder und Schwestern Jesu so verstehen würden wie die Feinde des Glaubens. Unter den orientalischen Völkern war es üblich und ist es üblich, unter Brüdern und Schwestern die gesamte nähere Sippe zu verstehen. Die gesamten näheren Verwandten werden als Brüder und Schwestern bezeichnet. Ein Beispiel: Abraham war der Onkel des Lot. Die Hirten des Abraham gerieten mit den Hirten des Lot in Streit um die Weidegründe, wo sie die Tiere hinführen. Da machte Abraham den Vorschlag: „Wir trennen uns. Du gehst zur Rechten und ich zur Linken, denn wir sind ja Brüder.“ Sie waren aber gar nicht Brüder, denn Abraham war der Onkel des Lot und Lot war der Neffe des Abraham. Aber trotzdem sagt Abraham: „Wir sind ja Brüder.“ Da sehen Sie, dass der Sprachgebrauch von Schwestern und Brüdern nicht bedeutet, dass es sich um Blutsverwandte im ersten Grad der Seitenlinie handelt, sondern um Sippenangehörige, Cousins, Cousinen. An keiner Stelle der Heiligen Schrift werden die sogenannten „Brüder“ oder „Schwestern“ Jesu als Kinder Mariens, der Mutter Jesu, bezeichnet. Warum nicht? Weil sie eben eine andere Mutter hatten. Nach der Himmelfahrt Jesu waren im Abendmahlssaal die Apostel versammelt mit den Frauen, auch mit Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern. Warum sagt denn der Verfasser der Apostelgeschichte nicht: Mit Maria, der Mutter Jesu und seiner Brüder? Nein, so sagt er nicht: Mit Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern. Ja, weil eben diese Brüder eine andere Mutter haben. Die angeblichen Brüder Jesu erscheinen, wenn sie namentlich aufgeführt werden, immer in derselben Reihenfolge: Jakobus, Joseph, Simon, Judas. Wir wissen aber aus anderen Stellen, dass Jakobus und Joseph eine andere Mutter hatten, die auch Maria hieß, die aber eindeutig von der Mutter Jesu verschieden ist. Der Name Maria war damals sehr häufig. Deswgen standen unter dem Kreuze mehrere Marien. Auch die Frau von Magdala hieß ja Maria, Maria Magdalena.

Noch ein letztes Argument gegen die Behauptung, Maria habe mehreren Kindern das Leben geschenkt: Der sterbende Heiland vertraut seine Mutter dem Johannes an. Das kann doch wohl nur so erklärt werden, dass Maria jetzt allein stand. Das heißt, Josef war gestorben, und Kinder waren nicht vorhanden. Denn wenn Maria andere Kinder gehabt hätte, wäre es deren Pflicht gewesen, sich ihrer Mutter anzunehmen. Dann hätte nicht ein Fremder diese Sorge übernehmen müssen.

Nein, meine lieben Freunde, Maria war und bleibt die jungfräuliche Mutter. Über die geschichtliche Tatsache hinaus hat die jungfräuliche Empfängnis Jesu eine große Bedeutung. Sie hat Hinweischarakter. Weil mit Gottes Hilfe ein ganz ungewöhnliches Heil den Menschen werden sollte, darum geschah die ungewöhnliche Geburt aus der Jungfrau. Indem Gott dieses Zeichen gab und kein Mensch die Empfängnis Jesu bewirkte, deutete er die einzigartige Wesensart des Kindes an. Der Jungfrauensohn war der Messias, aber nicht ein Messias aus irdischem Geblüte, sondern ein Messias göttlicher Art. Also: Nicht die Gottessohnschaft Jesu ist von der Jungfrauengeburt abhängig, sondern umgekehrt: Die Jungfrauengeburt ist eine Folge der Gottessohnschaft Jesu. Sie hat Hinweischarakter. Maria war überrascht, war ratlos über die Ankündigung, die der Engel ihr machte. Deswegen fragte sie: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ Der Engel verwies sie auf Gottes Allmacht.

Meine lieben Freunde, wir haben auch heute auf diese Frage keine andere Antwort als die eine: „Bei Gott ist kein Ding unmöglich.“

Amen.

 

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Apokalypse in unserer Zeit

14.12.2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir leben in der Gegenwart, und wir glauben die Vergangenheit zu kennen. Aber die Zukunft ist uns verschlossen. Allein der Herr der Zukunft, der Herr aller Zeiten, nämlich Gott, kann uns einen Blick in die kommenden Wirklichkeiten eröffnen. Und er hat es getan in der Apokalypse, in der Offenbarung des Apostels Johannes. Eines geht aus dieser Offenbarung mit Sicherheit hervor: Es wird nicht immer besser auf Erden, es wird immer schlimmer! Je näher wir dem Ende kommen, um so schrecklicher werden die Ereignisse, die auf Erden sich zutragen werden. Die Apokalypse enthüllt uns die steigende Macht und das machtvolle Wirken Satans und seiner Satelliten – in Bildern. Aber diese Bilder können und müssen gedeutet werden. Bei der Deutung kann man in die Irre gehen. In jedem Falle ist ein Wahrheitskern in diesen Bildern enthalten.

Und so sieht Johannes am Himmel ein Zeichen. Ein großer Drache, ein roter Drache mit sieben Häuptern, zehn Hörnern und sieben Kronen auf seinen Häuptern. Der Drache ist die widergöttliche Macht. Er ist das dämonische Wesen, in dem alles zusammengefasst ist, was gottfeindlich ist. Der Drache ist die Schlange, der Teufel, der Satan. Unter dem Bilde des Drachen schildert uns der Apostel Johannes das Auftreten Satans in der Endzeit. Die Hörner, die Köpfe und die Kronen deuten auf übermenschliche Macht und übermenschlichen Geist. Beides besitzt Satan in Fülle: übermenschliche Macht und übermenschlichen Geist. Dieser Drache entfaltet eine ungeheure äußere Macht. Er ist tatsächlich der Herrscher der Welt. Die ganze Welt betet ihn an, beugt ihr Knie vor ihm, alle jene, deren Namen nicht im Lebensbuche des Lammes eingetragen sind.

Satan hat Dienstmänner, zwei irdische Dienstmänner, Menschen. Sie werden in der Apokalypse dargestellt unter dem Bilde von Tieren. Darin wird das Irrationale, das Grausame, das Fremdartige dieser Herrscher ausgedrückt. Johannes sieht zuerst ein Tier aus dem Meere aufsteigen. Auch dieses Tier hat sieben Häupter, zehn Hörner und zehn Kronen auf den Hörnern, und auf den Häuptern stehen gotteslästerliche Namen. Dieses Tier, also der widergöttliche Herrscher, besitzt eine unerhörte Macht. Sie wird angedeutet mit den Hörnern und mit den Kronen. Macht imponiert den Menschen immer, und so gehen sie vor dem Herrscher in die Knie. Das Tier empört sich gegen Gott; es möchte sich an seine Stelle setzen. Es möchte ihn entthronen, und deswegen tut es seinen Mund auf zu Lästerungen wider Gott, seine Wohnung und die Himmelsdinge.

Was Johannes hier sagt, ist von Paulus in ähnlicher Weise gelehrt worden. Im 2. Thessalonicherbrief sagt er: „Der Sieg Christi kommt, aber zuvor muss der Mensch der Gottlosigkeit offenbar werden, der sich über alles erhebt, was Gott oder Heiligtum heißt, der sich sogar in den Tempel Gottes setzt und sich für Gott ausgibt.“ Der gottfeindliche Herrscher äfft Christus nach. Er spielt den vom Tode Erstandenen. Er behauptet, das Zentralwunder des Christentums wiederholen zu können.

Neben das Tier aus dem Meere tritt das Tier von der Erde. Es hat nur zwei Hörner wie ein Lamm, aber es redete wie ein Drache. Die ganze Gewalt des ersten Tieres übt es unter dessen Augen aus und bewirkt, dass die Erde und ihre Bewohner das erste Tier anbeten, dessen Todeswunde geheilt wurde. Der äußere Schein und das innere Wesen dieses Tieres gehen auseinander. Nach außen scheint es harmlos, sanftmütig wie ein Lamm, aber innerlich ist es voll Bosheit und Haß. Das Tier von der Erde ist das willige Werkzeug des gottlosen Herrschers. Es ist sein Propagandist, es verleitet nämlich die Bewohner der Erde zur Anbetung des ersten Tieres. Und um seine Verkündigung zu unterstützen, wirkt es große Schauwunder. Durch diese Schauwunder, durch diese Zeichen – es lässt sogar Feuer vom Himmel fallen – verführt es die Bewohner, sich ein Bild es ersten Tieres zu machen, und es empfängt die Macht, dem Bilde des Tieres Leben zu verleihen, so dass es redet. Das Zusammenwirken der beiden Tiere wirkt lähmend auf die Menschen. Sie meinen, dass Widerstand zwecklos ist. Sie denken: Es ist alles verloren.

So wird es am Ende sein. Aber, meine lieben Freunde, die Endereignisse werfen ihre Schatten in die Gegenwart voraus. Was am Ende in furchtbarer Gewalt und Macht sich darbieten wird, das ist in gewisser Hinsicht immer schon gegenwärtig. Wie könnte sonst Johannes, also am Ende des 1. Jahrhunderts, schreiben, dass jetzt schon die Antichristen unter uns sind? Das ist ein Zeichen dafür, dass jede Epoche, dass jede Zeit mit dem Kommen, mit dem Auftreten von Antichristen rechnen muss. Erst beim letzten werden wir wissen, dass es der letzte ist, aber zuvor müssen wir stets damit rechnen, dass es der letzte sein könnte.

Der Drache arbeitet mit den Waffen der Lüge und der Lästerung. Er führt eine neue Liturgie ein. Sie gilt seiner Auferstehung von den Toten. Die ganze Erde verführt er, ihn anzubeten. Er stellt sich als den Einzigartigen, als den Unüberwindlichen dar. „Wer ist gleich dem Tiere und kann mit ihm kämpfen?“ Die ganze Welt staunt über das Tier, und man betet den Drachen an, der dem Tiere die Macht gegeben hat, und das Tier: Wer ist dem Tiere gleich? Wer kann mit ihm streiten? Mit dieser satanischen Liturgie gelingt es ihm, die Menschen für sich zu gewinnen. Große Zeichen und Wunder geben der Verführung den Anstrich der Wahrheit. Lästerungen gegen Gott entströmen dem riesigen Maul des Tieres. Auch hier, meine lieben Freunde, können wir fragen: Ist dieser Zustand nicht in gewisser Hinsicht eine Gegenwart? Wir Älteren haben die Zeit des Nationalsozialismus erlebt. Und wer damals die Apokalypse gelesen hat, der konnte den Eindruck gewinnen, dass das Tier aus dem Meere sich in Hitler verkörpert und das Tier von der Erde in Josef Goebbels, denn er war es, der die Menschen verführt hat, ich möchte sagen: fast zur Anbetung des Herrschers über Europa.

In unserer Zeit ist die Lüge frech. Sie weiß, dass sie lügt, aber sie schämt sich nicht. Sie hat das Lügen gelernt und die Scham verlernt. Darin offenbart sich der Zusammenhang unserer Zeit mit der Schilderung der Apokalypse. Wir stammen aber aus der Wahrheit. Wir sind dem zugehörig, der die Wahrheit selbst ist. Wir hören auf seine Stimme, die aus der Wahrheit ist. Und deswegen kommt so viel auf die Wahrheit an. Nicht wenige Menschen, auch meine Schulkameraden, fragen mich manchmal: Ja, warum ist denn der Papst so unversöhnlich, warum beharrt er so auf der Wahrheit, auf seiner Wahrheit? Warum gibt es nicht die Einigung? Meine lieben Freunde, weil wir Anhänger und Diener dessen sind, der gekommen ist, der Wahrheit Zeugnis zu geben. Deswegen darf kein Deut und kein Jota von der Wahrheit abgegangen werden. Wir müssen der Wahrheit Zeugnis geben und dürfen von ihr nicht um einen Millimeter abweichen.

Satan herrscht als Despot. Seine ungeheure Macht benutzt er zur Knechtung der Erde. Seine Untertanen sind seine Sklaven. Wehe dem, der sich ihm nicht unterwirft! Er sorgt dafür, dass nur noch kaufen und verkaufen kann, wer das Zeichen des Tieres an der Stirn trägt. Wer das Bild des Tieres nicht anbetet, der wird von ihm mit dem Tode bestraft. Er verfällt nicht bloß den Boykott, nein, er verhungert und erfriert.

Der Satan weiß, dass man vom Negativen allein nicht leben kann. Er ist schlau. Und deswegen sucht er den Menschen Felder der Befriedigung zu belassen. Welche Felder sind das? Er gibt den Menschen die Leidenschaften frei. Er entfesselt die Triebwelt, damit sie dann umso eher und sicherer nach seiner Pfeife tanzen. Der Mensch, der der Leidenschaft verfallen ist, ist stets am leichtesten zu beherrschen. Der Mensch der Leidenschaft verübt sogar Verbrechen, um seiner Leidenschaft frönen zu können. Ich meine, dass dieser Zustand heute weitgehend erreicht ist. Denken Sie an das 19., auch noch an das 20. Jahrhundert, als die stärkste Leidenschaft des Menschen, nämlich die Geschlechtslust, in bestimmter Hinsicht unter Strafe gestellt war. Es gab einen Paragraphen, der den Ehebruch unter Strafe stellte; es gab einen Paragraphen, der die Homosexualität unter strenge Strafe stellte, mit Zuchthaus bestrafte. Alles haben die heutigen Dienstmänner Satans freigegeben. Die Leidenschaft wuchert, das Laster ist frech, und wenn heute die Strafen noch bestünden, dann müsste so mancher Ministerpräsident hinter Gitter kommen!

Dem Geiste des Libertinismus und dem Terror der Gewalt setzen wir Christen den Geist der Freiheit entgegen. Wer sich Gott ausgeliefert hat, der ist frei, frei von seinen Leidenschaften, frei von der Verführung, stark gegenüber der Verlockung, auch fest gegenüber der Drohung. Der gläubige Mensch bewahrt sich die Freiheit des Denkens und die Freiheit des Urteils. Er lässt sich nicht fesseln vom Zeitgeist, von den Strömungen, von den Tendenzen der Zeit. Er behauptet sich gegenüber unlauteren Mehrheiten.

Wir wissen nicht, meine lieben Freunde, wann das Ende gekommen ist. Wir werden es erst wissen, wenn die Endzeit eingetreten ist. Aber auch, wenn die Ereignisse noch fern sein sollten, verliert die Prophezeiung der Apokalypse nicht ihren Wert. Denn diese Ereignisse sind eben in gewisser Hinsicht immer schon gegenwärtig. Sie werfen ihre Schatten voraus. Immer ist das Geheimnis der Bosheit am Werke. Immer steht die gottfeindliche Macht gegen das Christentum auf. Immer hat die gottfeindliche Gewalt ihre Propheten, entfaltet eine anmaßende Äußerlichkeit, bläht sich auf und schreckt. Weil es so ist, kann Johannes am Ende des 1. Jahrhunderts schreiben: „Schon jetzt gibt es viele Antichristen.“ Und fast 2000 Jahre später, im 19. Jahrhundert, schrieb der englische Kardinal Newman: „Die Sache Christi liegt immer im Todeskampf; die Heiligen sind immer im Verschwinden und Christus ist immer im Kommen.“

Ist aber vielleicht, so kann man fragen, unsere Zeit dem Ende näher als frührer Epochen? Bereitet sich dieser Zustand vielleicht jetzt schon vor? Wie steht es um die Globalisierung, von der heute so oft die Rede ist? Was besagt Globalisierung? Nun, sie besagt zunächst einmal die Entstehung weltweiter Märkte, die zunehmende Internationalisierung des Handels, der Kapitalmärkte, der Produktmärkte, der Dienstleistungsmärkte, die internationale Verflechtung der Volkswirtschaften. Infolge der Globalisierung hängt jedes Land vom anderen ab. Wenn Amerika Schnupfen bekommt, haben wir die Grippe. Die gegenwärtige Finanzkrise, die in eine Wirtschaftskrise mündet, zeigt uns, wie gefährlich die Globalisierung ist. Ich bin aber überzeugt, dass die Globalisierung nicht nur das Wirtschaftliche, das Materielle ergreift, sondern auch das Geistige. Es besteht die Befürchtung, dass die Globalisierung zu einer Vereinheitlichung der Kultur führen könnte. Aber das wird nicht die christliche Kultur sein. Die Globalisierung macht es den Feinden des Christentums leicht, ihre gottfeindlichen Parolen zur Herrschaft zu bringen. Sie springen von einem Land ins andere. Sie sind miteinander vernetzt. Wir erleben eine weltweite Entchristlichung. In diesen Tagen hat der englische Erzbischof Murphy O’Connor ein Buch geschrieben, in dem er auf die Entwicklung in Großbritannien hinweist. Es besteht in England ein unfreundliches Klima für die Gläubigen. Religion wird immer mehr als ein Ausdruck persönlicher Exzentrik gesehen. Die Intoleranz der liberalen Skeptiker wächst. Der aggressive Atheismus breitet sich immer mehr aus. Im Januar ist geplant, in London Busse fahren zu lassen, auf denen ein Schild angebracht ist: „Gott existiert wahrscheinlich nicht. Mach es dir auf der Erde schön!“

In anderen Ländern ist die Lage nicht günstiger. Ich schaue mit Besorgnis auf ein Land,, das mir immer besonders am Herzen gelegen hat, auf Spanien. In Spanien wird der Atheismus immer aggressiver und immer erfolgreicher. Er kämpft gegen das Kreuz in den Schulen, er versucht die Kirche aus der Öffentlichkeit zu verdrängen, er diffamiert ihre Verkündigung. In den meisten Parlamenten stehen unchristliche, achristliche, antichristliche Koalitionen einem kleinen Häuflein treu gebliebener Christen gegenüber. Vergessen wir nie, was sich in Straßburg zugetragen hat. Der gläubige italienische Katholik Buttiglione konnte nicht Kommissar in Brüssel werden, weil er ein gläubiger Katholik ist. Die Bischöfe der Vereinigten Staaten schauen mit Besorgnis und Misstrauen auf Herrn Obama. Sie wissen, dass er ein entschiedener Anhänger der Freigabe der Abtreibung ist.

Alle diese Ereignisse werden in der Endzeit mit unvorstellbarerer Furchtbarkeit und umfassender Grausamkeit über die Erde hereinbrechen. Noch ist es nicht ganz so weit. Aber es könnte sein, dass unsere Generation noch diese Schrecken erlebt. Wir sind in einer Situation zwischen Sturm und Sturm. Es ist nicht leicht, für Christus zu kämpfen. Grausamkeiten entsetzlicher Art stehen uns bevor. Ich denke manchmal, wenn ich das Müllfahrzeug durch die Straßen fahren sehe: Was würden wir wohl antworten, wenn uns die Wahl gelassen würde zwischen Christus, oder in ein Müllfahrzeug gesteckt und dort zermalmt zu werden.

Wir haben die Aufgabe, übernatürliches Apostolat zu üben, Christus in Liebe zu dienen. Es ist der Inhalt des Evangeliums, dass unser Kampf nicht gegen Menschen geht, sondern gegen die Mächte der Finsternis und den Weltherrscher des Bösen. Darum, meine lieben Freunde, nehmen wir die Waffenrüstung Gottes auf! Es ist die Rüstung, es sind die Waffen der Liebe und der Wahrheit. Nur mit der Liebe und der Wahrheit können wir dem Bösen widerstehen.

Amen.

 

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Advent – Erwartung der Auferstehung der Toten

21.12.2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Adventszeit schaut aus auf ein vergangenes Ereignis, nämlich die Geburt unseres Heilandes Jesus Christus in Bethlehem. Aber der Advent hat auch noch eine andere Richtung. Er schaut aus auf die Wiederkunft des Herrn, auf die zweite Ankunft. Die erste geschah in Armut, die zweite wird geschehen in Macht. Der zweiten Ankunft des Herrn sind verschiedene Ereignisse zugeordnet. Eines der für unser Verstehen am schwersten zugänglichen Ereignisse ist die Auferstehung der Toten.

Als Paulus in Athen, also in der Stadt der Bildung, von der Auferstehung der Toten sprach, da lachten sie ihn aus und sagten: „Wir wollen dich ein andermal hören.“ Paulus aber kann nicht aufhören, von dem zu sprechen, was der Herr ihm aufgetragen hat. Und er hat ihm aufgetragen, zu verkünden: Es ist einer gesetzt, der die Toten aus den Gräbern rufen wird. Es ist Jesus Christus, unser Herr und Heiland. Und so nimmt er denn im 1. Brief an die Korinther Stellung zu dieser Frage. Er hat in diesem Brief verschiedene andere Gegenstände behandelt: die Eucharistiefeier, die Ehe, die Gaben des Geistes. Aber jetzt kommt er zu sprechen auf die Auferstehung der Toten. „Die Toten werden auferstehen.“ Warum und weshalb? Weil sie Christus folgen, weil Christus ihnen vorangegangen ist. Er ist der neue Adam, und was am neuen Adam geschieht, muss an allen Adamskindern geschehen. So wie im alten Adam alle sterben, müssen im neuen Adam alle auferstehen.

Gott wird die Leiber der Verstorbenen auferwecken, um seine Gerechtigkeit zu zeigen und um den Erlöser zu verherrlichen. Die Auferstehung deutet die Gerechtigkeit des Herrn an, weil eben nicht bloß die Seele belohnt wird oder bestraft wird, sondern auch der Leib, der ja das Werkzeug der Seele ist. So ist die Vergeltung erst vollkommen, wenn auch der Leib in die Vergeltung einbezogen wird. Erst da ist die Gerechtigkeit des Herrn gesichert. Christus wollte aber auch den Menschen vollständig erlösen, nicht nur dem Geiste nach, sondern auch dem Leibe nach. Bliebe die Auferstehung des Leibes aus, so wäre die Erlösung nur eine halbe, aber Gott macht keine halben Sachen. Die Toten werden also leibhaft auferstehen.

Doch jetzt kommt dann die Schwierigkeit, der Einwand: Wie werden sie auferstehen? Wie ist der Leib, mit dem sie auferstehen werden? Der Apostel gibt darauf folgende Antwort: Gott gibt und schafft die Körper und den Leib ganz wie er will. Verschiedene Leiber für die Fische, für die Vögel, für die Menschen. In seiner Reichtumsfülle und in seiner absoluten Macht gibt es keine Grenzen schöpferischen Gestaltens und Umgestaltens. Freilich muss man, wenn man versucht, die Auferstehung der Toten zu erklären, bedenken: Gottes Wundertat übertrifft, übersteigt menschliche Einsicht und muss sie übersteigen. Wenn Gottes Macht das Verstehen der Menschen nicht überstiege, dann wäre es keine göttliche Macht mehr, dann könnte der Mensch sich diese Macht aneignen. Es muss ein Rest bleiben, der Gott vorbehalten ist, weil er Gott ist.

Aber die Daseinsweise des Auferstehungsleibes – zugegeben – bereitet dem Denken Schwierigkeiten. Denn es ist eine doppelte Tatsache zu beachten. Der Auferstehungsleib ist einerseits mit dem gegenwärtigen Leibe identisch; er ist andererseits von dem gegenwärtigen Leibe verschieden. Das ist kein Widerspruch, denn die Identität und die Verschiedenheit bezieht sich auf verschiedene Gegenstände. Der Auferstehungsleib ist mit dem gegenwärtigen Leib identisch, weil er der Leib dieser Person ist. Er ist der Leib dieses Menschen, der geboren wurde und der mit einem Leibe durch die Zeitlichkeit ging. Der Auferstehungsleib bleibt der Leib desjenigen Menschen, der bei der Geburt einen solchen Leib auf die Erde gebracht hat. „Dieses Verwesliche“, sagt Paulus, „muss anziehen die Unverweslichkeit, und dieses Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit.“ Die Menschen werden in ihren eigenen Leibern auferstehen. Sie werden dieselben Leiber, und nicht fremde, wiederbekommen. Ebensowenig wie die Seele eine andere ist, ist auch der Leib total verschieden von dem Leibe, den wir auf Erden getragen haben. Dass der Auferstehungsleib wesentlich identisch ist mit dem irdischen Leibe, das sieht man daraus, dass der Leib Christi, des Auferstandenen, die Wundmale behalten hat. Der Apostel Thomas durfte seine Hand in die Seite legen und die Finger in die Wunden der Hände und der Füße. Wegen der wesentlichen Identität des Auferstehungsleibes mit dem jetzigen Leib konnten Perpetua und die übrigen Martyrer, als sie hingerichtet wurden, als sie grässlich und grausam zu Tode kamen, als sie von den Heiden begafft wurden, sagen: Ja, seht uns nur gut an, damit ihr uns wiedererkennt bei der Auferstehung von den Toten!

Der Auferstehungsleib wird aber freilich verwandelt sein. Der eine, mit sich identische Leib wird eine veränderte Gestalt besitzen. Das versucht Paulus in mehreren Ansätzen herauszuarbeiten. Er sagt erstens: Es ist ein Leib der Unverweslichkeit und der Freiheit von allem Leid. Einen solchen Leib kennen wir auf Erden nicht. Unser gegenwärtiger Leib ist anfällig, hinfällig, ach, allzu anfällig und allzu hinfällig. Er ist vergänglich, der Krankheit, dem Schmerz, den Leiden und dem Tod unterworfen. Und nach dem Tode verwest er. Aus diesem Unterschied ergibt sich die wesentliche Andersartigkeit des Auferstehungsleibes. Er ist frei von den Bindungen und Belastungen des irdischen Leibes. Er ist leidensunfähig und schmerzensunfähig. Weil er unverweslich ist, ist er auch unsterblich. Der Auferstehungsleib ist unsterblich. Und diese Auferstehungswirklichkeit, meine lieben Freunde, bereitet sich jetzt schon vor, auf zweifache Weise, nämlich einmal, wie im Paradiese die Frucht des Lebensbaumes dem Körper die Unsterblichkeit mitteilen sollte, so ist es jetzt die heilige Kommunion, die das Unterpfand der Auferstehung und der Unsterblichkeit ist. Jawohl, so ist es. Die Kommunion setzt uns Keime ein, Unsterblichkeitskeime, und diese Keime werden sich entfalten bei der Auferstehung der Toten. Und ein zweites: Wir haben einen Kern des Auferstehungsleibes in uns durch den Heiligen Geist. Der Heilige Geist, der in uns lebt, ist der Kern des geistlichen Leibes, der jetzt schon auf Erden sich vorbereitet.

Zweitens: Es wird ein Leib voll Glanz und Herrlichkeit sein, ein Leib der Klarheit. Die Lichtfülle Gottes wird durch ihn hindurchscheinen. Er wird von unaussprechlicher Schönheit sein. Der Glanz von Tabor wird über jedem Leibe erstrahlen. Der jetzige Leib ist dem gegenüber unansehnlich. Die Schönheit auf Erden ist selten. Und selbst dort, wo sie vorhanden ist, fehlen Schatten nicht. Mit welchen Mitteln muss die dürftige Schönheit oft aufrechterhalten werden! Und sie nimmt ab. Die Schönheit verliert sich im Laufe des Lebens, und im Tode stirbt auch sie. „Auch das Schöne muss sterben“, sagt Friedrich Schiller. Der Auferstehungsleib dagegen ist von unvergänglicher Schönheit. Seine Schönheit strahlt die Schönheit der Seele wider. Die vom Heiligen Geist erfüllte, die durchleuchtete und durchfeuerte Seele ist fleckenlos, und so fleckenlos und makellos wird auch der Leib, der Auferstehungsleib, sein.

Es ist drittens ein Leib voll Kraft und Beweglichkeit. Er ist also nicht träge und ermüdbar; er ist nicht schwach und matt; er ist nicht debil und bresthaft; er bewegt sich mit Leichtigkeit und Schnelligkeit, nicht mühsam und mit Anstrengung. Wir wissen nur allzu gut, wie schwach unser gegenwärtiger Leib ist, wie erdenschwer, wie ermüdbar, wie gebrechlich, wie gefährdet, wie hinfällig, wie kränklich. Wie rasch ermatten wir bei der Arbeit! Wie schnell nehmen wir Keime in uns auf, die uns krank machen! Der Auferstehungsleib ist kraftvoll und stark. Er ist geschmeidig und leichtfüßig. Der Auferstehungsleib lässt in seiner Kraft nicht nach und vergeht nicht.

Es ist deswegen viertens ein Leib von wahrhaft geistiger Art. Das heißt: Der Auferstehungsleib besitzt Eigenschaften, die wir jetzt nur vom Geiste kennen. Darum die Unverweslichkeit und der Glanz und die Kraft. Sie kommen von der verklärten Seele her, mehr noch, vom Geiste Gottes, der unsere Seele durchströmt. Unser gegenwärtiger Leib ist irdisch, stofflich, aus Teilen zusammengesetzt, materiell und deswegen vom Zerfall bedroht, dem er einmal unterliegen wird. Der Auferstehungsleib ist dem Geist unterworfen, frei von irdischen Begierden, rein und lauter, in voller Harmonie mit der Seele.

Nun könnte, meine lieben Freunde, jemand sagen: Das klingt alles so fremd, so phantastisch, beinahe unglaublich. Laufen wir hier Phantastereien nach oder stehen wir hier auf festem Grund? Dass wir keinen Phantastereien nachlaufen, ergibt sich daraus, dass es Menschen gibt, die schon einmal einen solchen Auferstehungsleib kennengelernt haben. Es sind die Jünger Jesu. Bereits auf dem Berge Tabor erhielten sie einen Vorgeschmack der Wirkung der Auferstehung, als Jesus, d.h. sein Leib vor ihnen verklärt wurde. Markus gebraucht hier das Wort „verwandelt“. Der Evangelist sagt, der Leib Jesu wurde „verwandelt“. Es brach gewissermaßen die göttliche Lichtfülle durch ihn hindurch. Er nahm die Erscheinungsform und die Daseinsform an, die den Himmlischen vorbehalten ist. Das Geschehen von Tabor ist kein Märchen; es ist von drei Jüngern zweifelsfrei bezeugt worden.

Richtig erlebt haben die Jünger den Auferstehungsleib nach der Auferstehung des Herrn. Er trug und trägt alle die Eigenschaften in sich, die wir eben geschildert haben. Augenzeugen haben Jesus gesehen, nicht einmal, sondern mehrmals, nicht einer, sondern viele, fünfhundert Brüder auf einmal. Sie können uns erklären, wie der Auferstehungsleib Jesu beschaffen war. Er hatte vier Eigenschaften, nämlich er war leidensunfähig, er war leuchtend wie die Sonne, er war schnell wie der Gedanke, und er war durchdringend, so dass er bei verschlossenen Türen eingehen konnte. Haben Sie schon einmal beobachtet, wie oft von dem auferstandenen Jesus gesagt wird, er sei nicht erkannt worden? Ich kann 4 Stellen nennen, wo das geschieht. Als Maria Magdalena am Grabe Jesu war und Jesus ihr erschien, da hielt sie ihn für den Gärtner. Die Emmausjünger sind mit dem auferstandenen Herrn gewandert, aber er erschien ihnen in anderer Gestalt. Sie erkannten ihn nicht. Erst beim Brotbrechen fiel es wie Schuppen von ihren Augen. Als Jesus den elf Jüngern auf einem Berg in Galiläa erschien, da zweifelten einige. Sie waren sich seiner Identität nicht sicher. Und als der reiche Fischfang in dem See von Tiberias geschah und Jesus am Rande, am Ufer stand, da wussten die Jünger nicht, dass es Jesus war. Erst Johannes begriff plötzlich durch den reichen Fischfang: Es ist der Herr. Wie erklärt sich denn dieses Nicht-Kennen? Es erklärt sich daraus, dass der auferstandene Jesus eine andere Gestalt angenommen hat. Er ist nicht als der erschienen, der auf Erden in Galiläa und Judäa mit den Jüngern gewandelt ist, sondern er hat eine andere Gestalt angenommen, gewiß nicht die Lichtgestalt des Himmels, aber auch die andere Gestalt, die ihn auf Erden sprechen, essen und erscheinen ließ, auch diese andere Gestalt war verändert gegenüber der Gestalt, die Jesus hatte, als er mit den Jüngern in den Tagen seines öffentlichen Wirkens wanderte.

Der verklärte Leib Jesu besaß und besitzt die erwähnten Eigenschaften nicht für sich allein. Was an Jesus geschieht, muss an denen geschehen, die zu Jesus gehören. Ich sagte schon: Er ist der Stammvater, er ist der neue Adam. Und alle, die zum neuen Adam gehören, müssen in die Gemeinschaft des Verklärungsleibes mit Jesus eintreten. Wir sollen als seine Brüder und Schwestern auch dem Leibe nach an seiner Auferstehungsherrlichkeit teilnehmen. Wenn der Herr wiederkommt, wenn das große Ereignis eintritt, auf das wir harren, dann wird er die Menschen verwandeln, dann wird er die Leiber der Menschen verwandeln, am Jüngsten Tage, am Letzten Tage, am Auferstehungstage, da wird der Tod überwunden werden, auch für den Leib, und wir werden strahlend und herrlich auferstehen, vergleichbar der Herrlichkeit des auferstandenen Heilandes. Deswegen, meine lieben Freunde, lassen Sie uns nicht zweifeln! Lassen Sie uns nicht irrewerden an der Verkündigung unserer Kirche! Wir wollen gläubig im Glaubensbekenntnis bekennen: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten.“ Wir wollen nicht müde werden, auf die Auferstehung des Leibes zu hoffen. Wir wollen auch nicht müde werden, uns durch würdigen Umgang mit unserem Leibe auf die Auferstehung vorzubereiten.

Sie haben vielleicht schon einmal den Namen des Philosophen und Historikers  Josef von Görres gehört. Er zählt zu uns. Er lebte ja in Koblenz und war später in München. Als sein Sterbetag kam, ließ sich Josef von Görres aus den Briefen des Apostels Paulus vorlesen. Man las die Stelle: „Gesät wird in Verweslichkeit, auferweckt wird in Unverweslichkeit.“ Da ging ein Leuchten über das Antlitz des Josef von Görres, und mit verklärter Stimme sprach er. „Jetzt ist’s genug. Jetzt wird alles seinen rechten Gang gehen.“

Amen.

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Seht, ich verkünde euch eine große Freude

25.12.2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

 

Geliebte, zur Feier der Geburt unseres Herrn und Heilandes Versammelte!

„Seht, ich verkünde euch eine große Freude: Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“ Das ist die Botschaft der Weihnacht. Es ist die Rede von einer Geburt und von der Freude, die diese Geburt auslöst. „Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“ Wir fragen: Wem ist der Heiland geboren? Die Antwort muss lauten: allen, allen die ihn aufnehmen, die bereit sind, sich seiner Gnade und Wahrheit zu öffnen. Für sie alle gilt das Wort: Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr. Dennoch können wir verschiedene Gruppen ausmachen, Gruppen von Menschen, denen die Geburt des Heilandes besonders nahe gehen sollte, die sich ihrer in besonderer Weise erinnern sollten, für die er, so meine ich, in besonderer Weise geboren wurde.

Die erste Gruppe ist die der Schuldbeladenen. Das sind wir alle, denn ein jeder von uns muss sprechen: „Ich bin in Sünde geboren. In Schuld empfing mich meine Mutter schon.“ Auch der Vollkommenste unter uns muss bedenken, dass vor Gott die Himmel der Himmel nicht rein sind. „Wenn wir sagen, wir hätten keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns“, schreibt der Apostel Johannes. Wir sind Sünder: Aus der Sünde entsteht die Schuld. Die Sünde ist eine gottwidrige Handlung, die Schuld ist ein gottwidriger Zustand. Die Schuld liegt wie eine Last auf dem sündigen Menschen. Meine Freunde, lassen Sie sich nicht täuschen, wenn es heute Menschen gibt, die diese Last nicht empfinden. Dann hängt das damit zusammen, dass sie Gott nicht kennen. Sie haben den Maßstab verloren für ihr Leben und damit auch für ihre Schuld. Aber die Schuld rächt sich; sie rächt sich in Alpträumen der Nacht, sie rächt sich in Neurosen und Psychopathien. Die verdrängte Schuld rächt sich immer, ganz unabhängig vom Empfinden des Menschen. Nach Schiller – und damit hat er recht – ist das größte Übel die Schuld.

Niemand kann sich selbst von der Schuld befreien, denn die Sünde schafft einen Zustand, eine Unordnung nicht bloß zwischen Menschen, sondern auch zwischen Gott und den Menschen. Der Mensch kann Gott nicht nötigen, die verratene Freundschaft wieder aufzunehmen; er kann Gott nicht zwingen, das zerrissene Band wieder zu knüpfen. Er kann nur rufen, flehen, bitten: Komm, laß nach die Übeltaten deines Volkes. Und Gott läßt sich erbitten. Er kommt und trägt unsere Last. Sein Name schon ist sein Programm: Jesus, das heißt Erlöser.

Die Sünde ist Empörung gegen Gott. So mußte als Heilmittel also der Gehorsam gegen Gott seine Stelle finden. Jesus hat im Gehorsam gegen den Vater im Himmel den Leib, die Seele eines Menschen angenommen. „Für uns Menschen und um unseres Heiles willen ist er vom Himmel herabgestiegen.“ Er hat bei seiner Menschwerdung das von der Sünde zerfressene Leben auf sich genommen. Er hat sich im ganzen Leben im Gehorsam gegen den Vater ausgezeichnet und dadurch die Sündhaftigkeit überwunden. Den Ungehorsam der Sünde hat er durch seinen Gehorsam wieder gut gemacht.  Seine Gehorsamstat ist stärker als die Schuld der Menschen. Wenn auch die Schuld noch so groß ist, durch die Macht der Heiligkeit des Herrn ist die Schuld überwindbar. Keine Dunkelheit ist so tief, dass der Strahl dieser Sonne sie nicht erreichte. Er ist der wahre „sol invictus“, die unbesiegte Sonne, die niemals von der Dämmerung überwältigt wird. In der Oper „Fidelio“ von Ludwig van Beethoven gibt es ein ergreifendes Bild. Da öffnet sich der Kerker, heraus tappen blinzelnd und unsicher die schwankenden Gestalten der Gefangenen. Und als sie begreifen, was vor sich geht, dass sie ans Licht der Sonne treten dürfen, da bricht es auch ihnen wie erlöster Jubel: „O welche Wonne, zu schauen das Licht der Sonne!“ Diese Szene aus der Oper ist ein weihnachtliches Bild. Der neugeborene Heiland macht uns frei von der Schuld, er sagt dem Schuldbeladenen: Alles gebe ich hin, alles verkaufe ich, um deine Seele zu kaufen.

Wie glücklich dürfen wir sein, dass es eine Befreiung von der Last der Schuld gibt! Wie dankbar müssen wir sein, dass Gott sich selbst aufgemacht hat, um uns von der Sünde zu befreien. Es schweige Mohammed, es schweige Buddha, es schweige Laotse. Was vermögen sie gegenüber der Menschwerdung eines Gottes?

Die Sünde ist eine Last. Sie drückt den Menschen nieder. Sie kann Menschen zur Verzweiflung treiben. Ich habe einmal gelesen, dass zwei japanische Mädchen sich in einen Vulkan gestürzt haben, weil sie mit ihrer Schuld nicht fertig wurden. Es gibt einen, der mit der Schuld fertig wird, unseren Heiland. Wer immer im Vertrauen und in Reue sich ihm zuwendet, wer sich mit zerknirschtem Herzen an ihn klammert, der wird frei von Schuld. „Ihr wißt, dass er erschienen ist, die Sünde hinwegzunehmen“, schreibt der Apostel Johannes. „Er hat alle unsere Missetaten vergeben, er hat den wider uns lautenden Schuldschein ans Kreuz geheftet“, schreibt der Apostel Paulus, der Theologe des Kreuzes. Ans Kreuz geheftet hat er den Schuldschein und ihn dadurch ausgelöscht und vernichtet. In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden. Und diese Erlösung hebt an mit der Menschwerdung. So können wir, meine lieben Freunde, heute allen Schuldbeladenen mit den Engeln zurufen: „Ihr Schudbeladenen, stoßt auf die Tore, tretet heraus aus der Finsternis, kommt zum Licht, zur Sonne, zur Sonne des Heiles, welche ist Christus, der Herr!“ Und dann wird die Welt wahrlich neu. In dem Bühnenstück von Carl Zuckmayer „Des Teufels General“ spricht der General Harras: „Wo aber ein Mensch sich erneuert, da wird die Welt neu geschaffen.“ Jawohl, so ist es. Wo ein Mensch sich erneuert in der Gnade des Herrn, da wird die Welt neu geschaffen. Diese Erneuerung ist das Werk unseres Heilandes.

Und wir können ihm dabei helfen, meine lieben Freunde. Wir können seine Hände werden, wir können sein Mund werden. Nur müssen wir uns den Menschen zuwenden, müssen ihnen sagen, was sie tun und lassen sollen, um des Heiles teilhaftig zu werden. Wir müssen unseren Glauben weitertragen, wir dürfen nicht davon schweigen. Wir dürfen auch nicht von dem schweigen, was die Menschen nicht hören wollen. Der Heilige Vater macht es uns vor. Er spricht davon, das homosexuelle Betätigung eine tödliche Sünde ist. Wir sollen die Menschen aufklären, wir sollen sie bitten, mahnen, einladen, umzukehren von der Sünde, ein sündhaftes Verhältnis aufzugeben. Wir sollen durch unser Beispiel auf die Menschen einwirken, es ihnen vormachen, es ihnen zeigen, wie ein Christ lebt. Und wenn Wort und Beispiel nicht helfen, können wir für die Menschen immer noch beten und sühnen, auf dass Gott ihnen hilft, sich von der Sünde zu befreien. Es gilt ihnen wahrhaft das Wort: Heute ist euch, ihr Schuldbeladenen, der Heiland geboren. Er ist gekommen, um euch von der Schuld zu befreien.

Es gibt aber auch, meine ich, eine zweite Gruppe, denen der Heiland in besonderer Weise geboren ist. Es sind die Einsamen. Der Mensch ist zur Gemeinschaft geschaffen. Schon für den ersten Menschen war es auf die Dauer unerträglich, allein zu sein. Und so hat Gott ihm eine Gefährtin geschaffen. Der Mensch braucht die Gemeinschaft, er sucht die Gemeinschaft. Er findet sie in den natürlichen Gemeinschaften, in Ehe und Familie, oder in organisierten Gemeinschaften wie Vereinen, Clubs, Orden, Parteien. Aber nicht jedes Zusammensein befreit von der Einsamkeit. Allein sind häufig auch solche, die in einer Gemeinschaft leben. Die Nähe der Körper allein schafft keine Gemeinschaft. Die Nähe der Körper allein befreit nicht von der Einsamkeit. Die Nähe der Körper allein bringt keine Verbundenheit. Die Seelen müssen zueinander finden. Da sind junge Burschen, junge Mädchen, sie haben ein Elternhaus, sie leben in der Familie. Aber es hält sie nicht an ihrem Herd. Sie verbringen Abend für Abend bei Freunden, bei einer Blase, in der Disco. Da sind jungverheiratete Ehepaare. Es fehlt nicht an materiellem Wohlstand, aber es klagt der Mann, es klagt die Frau: Ach, ich bin ja so allein! Mit meinem Mann, mit meiner Frau kann ich nichts reden, der Mann, die Frau hat keine Zeit für mich. So mancher seufzt: Ich habe keinen Menschen, der mich versteht, der sich meiner annimmt, der gut ist zu mir. Es gibt so viele Einsame, heute vielleicht mehr als früher, nicht nur die Alleinstehenden, sondern auch die Verwitweten, die Verlassenen, die Verstoßenen. In dieser Nacht ergeht an sie die Botschaft: Euch ist heute der Heiland geboren. Dieser Heiland versteht sich auf Einsamkeit. Um den Einsamen nahe zu sein, um sie in ihrer Einsamkeit zu trösten, ist der Herr selbst einsam geworden. Er hat nicht bloß die Schuld, er hat auch die Einsamkeit der Menschen auf sich genommen, um sie hinwegzutragen. In einer einsamen Höhle ward er geboren, in Einsamkeit weilte er in Ägypten, einsam war er selbst in Nazareth, auch wenn liebende Eltern ihn umsorgten, denn Gott ist auf Erden immer ein Fremdling. Als er seinen Eltern erklärte, weswegen er im Tempel von Jerusalem zurückgeblieben war, da verstanden sie nicht, was er mit diesen Worten sagen wollte. Während seiner öffentlichen Wirksamkeit waren die Jünger um ihn, aber wer so von Gottes Auftrag erfüllt ist wie unser Heiland Jesus Christus, der bleibt einsam, auch wenn Menschen um ihn sind. Wie oft registriert der Evangelist das Unverständnis der Jünger! Als er ihnen sein Leiden ankündigte, da – drei Ausdrücke gebraucht Lukas – da verstanden sie ihn nicht, die Worte waren für sie dunkel und sie erfaßten sie nicht. Dreimal sucht Lukas die furchtbare Einsamkeit des Heilands zu erklären in seiner Leidensankündigung. Unverstandensein macht immer einsam. Einsam war er auch mit seinem Gott. In den ganzen Evangelien ist keine Stelle, die uns berichtet, dass er mit seinen Jüngern gebetet hätte. Auf einsamen Bergen hielt er Zwiesprache mit seinem Gott, er ganz allein. Einsam ist er durch das Leben gegangen. Viele glaubten an ihn; sie sahen ja die Wunder, die er wirkte. Aber, so bemerkt der Evangelist Johannes, er vertraute sich ihnen nicht an, denn er wußte, was im Menschen ist. Er kannte die Wankelmütigkeit des Menschen. Er wußte, dass sie heute „Hosianna“ rufen und morgen „Kreuzige ihn!“ Einsam war er in seinen Leiden am Ölberg, als die Jünger schliefen, die er doch gebeten hatte, mit ihm zu wachen. Einsam war er bei den Verhören und Mißhandlungen, als alle Jünger flohen und einer ihn verleugnete. Einsam war er am Kreuze. Da erfüllte sich das Wort: „Man stirbt für sich allein.“

Die Einsamkeit des Gottessohnes, meine lieben Freunde, hat erlöserische Bedeutung. Auch durch seine Einsamkeit hat er uns erlöst, zuerst von Schuld und Sünde, aber auch von der unaufhebbaren Einsamkeit, die mit der menschlichen Existenz gegeben ist. Es gibt eine Einsamkeit, die kein Mensch dem anderen nehmen kann. In diese Einsamkeit tritt der Gottessohn ein. Es ist eine Wahrheit und kein Wahn: Der Heiland ist den Einsamen nahe.

Es war Weihnachten 1945 in einem Kriegsgefangenenlager im Ural. Es waren Arbeitstage wie alle anderen. Bei den Russen galt immer nur „Rabota, Rabota“ – Arbeit, Arbeit. Die Gefangenen hatten von der kargen Verpflegung einiges abgespart. Und so gab es ein für ihre Begriffe festliches Essen. Die Baracke hatten sie mit Tannenzweigen geschmückt. Sogar einige Kerzen waren aufgetrieben worden für den kleinen Christbaum. Das alles war nicht ohne Widerspruch geschehen. Die russische Lagerleitung hatte es zwar genehmigt, aber unter den Kameraden selbst regten sich heftige Stimmen dagegen. Einer bat flehentlich, in diesen Tagen doch ja jede Erinnerung an Weihnachten zu unterlassen. Nur nicht daran denken, sagte er, nur nicht daran denken. Das ist die einzige Art, wie ich es überstehen kann. Wenn ihr eine Feier macht, halte ich es nicht mehr aus und bringe mich um. Er hat sich nicht umgebracht, nicht nur, weil er im entscheidenden Augenblick zu feige war, sondern weil das weihnachtliche Licht, das in der Finsternis leuchtet, auch in seine Seele gefallen war. Sie waren ganz einsam, ganz allein in der Weite Rußlands, die Männer in der dreckigen Baracke. Auf Erden war keine Macht, die ihnen helfen konnte oder auch nur helfen wollte. Von Urwäldern umgeben, waren sie verschollen und preisgegeben. Aber als sie das Weihnachtsevangelium vernahmen, da ging es ihnen wie ein Wunder auf: Gott hat derer nicht vergessen, die im Finstern sind gesessen. Es war einer, der an sie dachte, der um sie wußte, einer, der mehr Macht hatte als die Geheimpolizei und als Stalin.

Er ist den Einsamen immer nahe. Er ist ihnen auch insofern nahe, als er Menschen eingibt, sich der Einsamen anzunehmen. Er ruft Menschen auf, die Einsamen nicht zu vergessen. Er ist erschienen, um das Feuer der Nächstenliebe aus den Herzen zu schlagen. Der Heiland kommt den Einsamen zu Hilfe, indem er unsere Gewissen aufrüttelt und sagt: Mach auf, denk an den einsamen Bruder, denk an die einsame Schwester. Laß sie nicht in der Kälte und in der Einsamkeit stehen! Und er tut noch mehr. Er setzt sich mit den Einsamen gleich. Jetzt klopft nicht mehr die lästige Nachbarin an unsere Pforte, jetzt belästigt uns nicht mehr ein lästiger Freund, nein, es ist der Herr selber. Es ist der Herr, der sich uns nähert und der alle verbitterten Herzen lösen und in sie einsteigen will.

Ich meine, es ist noch eine dritte Gruppe von Menschen, denen der Herr in besonderer Weise geboren ist. Es sind die Armen. Es gibt zwei Gruppen von Armen, die materiell Armen und die geistig Armen. Der Herr hat um die Armut gewußt. „Arme habt ihr immer bei euch“, hat er einmal gesagt. So ist es. Bis heute gibt es die zwei Gruppen der Armen, die materiell Armen und die geistig Armen. Es gibt hunderte Millionen von Menschen, die nicht genug zu essen und zu trinken haben, denen sauberes Wasser fehlt, deren sich kein Arzt annimmt, die kein Heim über dem Kopf haben und die auf der Flucht sind. Immer neue Wellen spült die Weltgeschichte an den Strand. Wir haben die Elendszüge noch nicht vergessen, die aus dem Osten kamen, die Millionen Vertriebenen von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. Und auch heute sind wieder Zehntausende auf der Flucht, in Uganda, im Sudan, in Indien. Auch in unseren Landen gibt es viele Menschen, die das Lebensnotwenige nicht haben, arme Menschen, arme Eltern, arme Kinder.

Freilich noch schlimmer als die materielle Armut ist die seelische Armut. Seelisch arm sind jene, die Gott nicht kennen, die keinen Glauben haben, denen der Darwinismus die Lichter ausgelöscht hat. Seelisch arm sind jene, die Christus nicht kennen, die seine Gottheit leugnen, die ihn zu einem galiläischen Wanderprediger degradieren. Arm sind auch jene, die nicht wissen und nicht wissen wollen, dass sich der Himmel immer wieder öffnet, um eine Botschaft zu den Menschen dringen zu lassen. Ich war einmal Zeuge, wie ein Theologieprofessor, ein katholischer Theologieprofessor sagte: „Ich halte nichts von Fatima.“ Darauf entgegnete ihm eine fromme Frau: „Da sind Sie aber arm!“ Arm sind auch alle jene, die dem Egoismus frönen, die nur um sich selbst kreisen, deren Gott der Bauch ist, die dem Genuß verfallen sind. Arm sind jene, die zur edlen, reinen Liebe unfähig sind, die Herzlosen, die Hartherzigen, die Mitleidlosen. Arm sind die Haltlosen, die Willenlosen, die Charakterlosen, die Hasser, die Neider, die Geizigen. Arm sind alle, die nicht reich an Tugenden sind. Manche wissen es gar nicht, wie arm sie sind. In Laodicea zur Zeit des Apostels Johannes, da war einer, der von sich sagte, er sei reich und begütert und benötige niemanden. Der Apostel Johannes war anderer Ansicht. Er schrieb ihm: „Du bist unglücklich und elend und arm und blind.“

In einer gewissen Hinsicht sind wir alle arm, ganz arm. Was ist das bißchen Schönheit, Begabung, Ansehen anderes als Tünche über unserem Elend? Aber es ist einer, der die Armen reich machen kann, denn den Armen wird gesagt: „Heute ist euch der Heiland geboren.“ Durch seine Armut hat er uns erlöst. Arm war er im Stalle von Bethlehem, arm war er im Haus von Nazareth, arm wanderte er durch die Fluren von Galiläa und Judäa. Es sprach ihn einmal einer an und sagte: „Ich will dir folgen, wohin du gehst.“ Da gab ihm der Herr zur Antwort: „Die Füchse haben Höhlen, und die Vögel des Himmels haben Nester, aber der Menschensohn hat nicht, wohin er sein Haupt legen kann.“ Er hat die Armut auf sich genommen und sie fortgetragen. Er hat die Armut geteilt und sie dadurch innerlich überwunden. Denn das ist das Christentum nicht, dass ein reicher Mann kommt und die Armen reich macht, sondern dass der Ärmste von allen die Amen reich macht. Er wollte für sich arm sein, um uns reich zu machen. Er, der allen Nahrung gab, hungerte. Er, der allen Trunk geschaffen hat, dürstete. Auf seiner Erdenwanderung ward er müde, er, der sich selbst zum Weg zum Himmel gemacht hat. So ergeht heute auch die Botschaft an die Armen: Euch ist der Heiland geboren, der Heiland der Armen.

Aus dem vorigen Jahrhundert wird eine aufschlußreiche Begebenheit berichtet. Ein Invalide fiedelte auf seiner Geige ein paar armselige Weisen herunter und bettelte. Die Menschen gingen vorüber. Selten fiel ein Geldstück in seinen Hut. Da kam einer, nahm die Geige aus der Hand und spielte. Die Menschen standen und horchten. Bald war der Hut mit Geldstücken gefüllt. Als der Mann ging, es war Paganini, der große Geiger, der berühmte Künstler, von dem ganz Europa spricht, da kamen dem Bettler Tränen der Freude. Diese Begebenheit ist ein Gleichnis. Der Heiland ist den Armen geboren, um sie reich zu machen, und er hat uns reich gemacht, reich an Gnade und Wahrheit. Die Armut an Gnade und Wahrheit konnte nur er hinwegnehmen. Und dazu ist er gekommen, sie fortzutragen.

Er will freilich, dass wir uns an seinem Erlösungswerk beteiligen. Er will in uns die Liebe zu den Armen wecken. Viele Erbitterte und Enttäuschte müssen erst wieder an den Menschen glauben lernen, bevor sie an Gott glauben können. Wegen der Menschen sind sie irregeworden an Gott. So sollen sie durch Menschen wieder zu Gott finden.

Der weise Mahatma Gandhi hat einmal das schöne Wort gesprochen: „Den Hungernden muss Gott in der Form des Brotes erscheinen.“ Wahrhaftig, den Hungernden muss Gott in der Form des Brotes erscheinen. Das hat unsere Kirche verstanden. Seit 2000 Jahren hat sie eine Liebestätigkeit hervorgerufen, die ihresgleichen sucht in der Welt. Strohfeuer der Nächstenliebe, vorübergehende Anwandlungen brennen auf allen Herden. Als ewige Lampe brennt die Liebestätigkeit nur im Heiligtum des Glaubens.

Es kommt nicht, meine lieben Freunde, auf die Größe der Gabe an. Entscheidend ist die Gesinnung. Ja, wenn es an materiellen Mitteln fehlt, kann sogar die Gesinnung die Gabe ersetzen. Der russische Dichter Turgenjew erzählt: „Ich wanderte die Straße entlang, da hielt mich ein alter, gebrechlicher Bettler an. Ich suchte in allen Taschen, aber o weh, ich hatte weder Geld noch Uhr, nicht einmal ein Taschentuch eingesteckt. Ich hatte nichts drin. Doch der Bettler wartete noch immer. Die ausgestreckte Hand zitterte. Verwirrt, bewegt erfaßte ich sie und sagte bedrückt. ,Sei nicht böse, Bruder, ich habe nichts.’ Der Bettler richtete seine entzündeten Augen auf mich, lächelte und drückte meine Hand. ,Macht nichts, Bruder’, sprach er leise. ,du wolltest geben, dafür danke ich dir.’ Turgenjew beendet seine Erzählung mit dem Satz: Ich begriff, dass auch ich ein Almosen erhalten hatte.“

Meine lieben Freunde, Weihnachten ist heute, Weihnachten, das innige Fest, das schöne Fest, das deutsche Fest. Halten wir uns an die tiefe und eigentliche Freude der Weihnacht: „Heute ist euch der Heiland geboren.“ Diese Freude bleibt. Der Christbaum fällt ab, die Geschenke werden alt, die Feiertage gehen vorüber. Aber der Ruf verhallt nicht: „Seht, ich verkünde euch eine große Freude: Heute ist euch der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“

Amen.

 

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Ein Kind ist uns geboren

26.12.2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Das Wort, das ewige Wort des Vaters, der Logos, die zweite Person in Gott, ist Fleisch geworden.“ So meldet uns das Evangelium nach Johannes. Das ewige, persönliche Wort des ewigen Vaters ist hörbar geworden. Und wie ist es hörbar geworden? Es ist das Weinen eines Kindes, es ist das Lachen eines Kindes, in dem dieses Wort hörbar geworden ist. So klingt also das Wort Gottes auf Erden, wie Kinderworte klingen. Das große Licht ist aufgegangen. In der Dunkelheit leuchtet ein Licht, wie es die Propheten vorausverkündet haben. Aber siehe, das Licht, das in dieser Nacht um Mitternacht aufging, das waren die Augensterne eines Kindes. „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt.“ Gott ist so groß, dass er klein werden kann; Gott ist so mächtig, dass er wehrlos werden kann; Gott ist so gut, dass er auf seinen göttlichen Glanz verzichten kann. Es scheint, dass sich in Christus etwas erfüllt hat, was unser deutscher Dichter Clemens von Brentano einmal so ergreifend ausgedrückt hat: „Welch Geheimnis ist ein Kind! Gott ist auch ein Kind gewesen. Weil wir Gotteskinder sind, kam ein Kind, uns zu erlösen. Welch Geheimnis ist ein Kind!“ Und dann fährt er fort: „Welche Würde hat ein Kind!  Sprach das Wort doch selbst die Worte: Die nicht wie die Kinder sind, gehen nicht ein zur Himmelspforte. Welche Würde hat ein Kind!“ Wahrhaftig, jetzt können wir sehen, wie Gott ist. So liebenswürdig ist Gott wie ein Kind. Ein Kind kann man nur lieben, ein Kind weckt unwiderruflich unsere Liebe. Ein Mensch, der die Kinder nicht lieb hat, kann kein guter Mensch sein. Was wird das Herz eines Menschen noch rühren, wenn die Seele eines Kindes ihn nicht mehr rührt?

Ein Kind ist schön. Warum? Weil es ein Anfang ist, eine Verheißung, ein Aufgang. Es ist noch nicht verbraucht, es ist noch nicht verdorben. Es ist noch nichts vergangen, noch nichts verwelkt, alles ist noch ein Beginn. Und so will Gott uns sagen: Seht, so bin ich. Der ewige Anfang, der ewige Aufgang, die ewige Jugend. Die Philosophen haben Gott als „nunc stans“ definiert, als das „stehende Jetzt“. Sie wollten damit zum Ausdruck bringen, dass in Gott keine Gegenwart und keine Zukunft und keine Vergangenheit ist, sondern dass in ihm alles ständiger, stehender Augenblick ist, der nie vergeht. Von Gott wird nie etwas vergehen, nie etwas verbraucht werden. Er ist immer Anfang. Er besitzt seine ganze Herrlichkeit ohne Anfang und ohne Ende. Es gibt ein geheimnisvolles Wort im Johannesevangelium, und die Übersetzer tun sich schwer damit. Dieses Wort heißt, jedenfalls nach einer bestimmten Übersetzung: „Ich bin der Anfang, der zu euch redet.“ Ich bin der Anfang, der zu euch redet, der ewige Anfang, der Aufgang, die unsterbliche Jugend, die Unvergänglichkeit. So ist unser Gott, so schön wie die Jugend, so schön wie ein Kind.

Und so liebenswürdig ist Gott wie ein Kind, so liebewerbend. Am leichtesten wird es uns doch, ein Kindlein zu lieben. Wir können nicht sagen, warum wir es nicht lieben sollen. Nun ist Gott in der Gestalt eines Kindes zu uns gekommen, damit wir ihn lieben können. Es muss ihm unendlich viel daran gelegen sein, dass er in seiner erfinderischen Weisheit darauf gekommen ist, einen Weg zu finden, auf dem uns die Gottesliebe leicht werden kann. Und sie wird uns leicht, wenn wir Gott in der Gestalt eines Kindes vor uns sehen. So ist er als Kindlein zu uns gekommen. Jetzt haben wir keinen Grund mehr und keine Ausrede mehr, wir könnten Gott nicht lieben. Wir können ihn lieben. Dieses Kind, dieses Gotteskind müssen wir lieben.

Jetzt verstehen wir auch, warum im Evangelium der Ruf an uns ergeht: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen.“ Worin besteht denn das Werden wie ein Kind? „Wer sich erniedrigt wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich!“ Was soll mit dieser Erniedrigung gesagt sein? Sich abwenden von Ehrgeiz und Eifersucht, von Angeberei und Stolz, sich demütigen, seiner Kleinheit, seiner Hilfsbedürftigkeit eingedenk sein, Argwohn und Mißtrauen ablegen, offen und vertrauend sein, das heißt Werden wie ein Kind. Christus liebt das Kind, dessen Natur er selbst als Kind dem Leibe und der Seele nach angenommen hat. Er liebt das Kind als Lehrer der Demut, als Vorbild der Sanftmut, als Verkörperung der Unschuld. Je tiefer wir uns vor diesem Kindlein beugen, desto mehr wird es uns zu sich erheben. „Werden muss ich wie ein Kind“, so fährt noch einmal Clemens von Brentano fort, „werden muss ich wie ein Kind, wenn ich will zum Vater kommen. Kinder, Kinder, kommt geschwind, ich werd gerne mitgenommen. Ich muss werden wie ein Kind.“

Liebevoll ist Gott wie ein Kind. Kinder sind immer dankbar. Der dankbarste Liebesempfänger ist immer ein unverdorbenes Kind. Ein Kind ist unendlich dankbar für jedes gute Wort, für jedes Zeichen der Liebe und Zuneigung. Es schenkt seine Liebe gern dem, der es liebt. Ende des 18. Jahrhunderts wurde der französische König Ludwig XVI. mit dem Fallbeil hingerichtet. Er hinterließ einen Sohn. Der junge Sohn wurde einem Flickschuster zur Erziehung übergeben. Der Schuster behandelte den Königssohn grausam. Als er ihn eines Tages wieder mißhandelte, da entriß ihm der anwesende Arzt das Kind und drückte es an seine Brust. Am folgenden Tage gab das Kind dem Arzt zwei Birnen, die es sich vom Munde abgespart hatte, und sagte: „Sie haben mir gestern Ihre Teilnahme bezeugt. Nehmen Sie diese Birnen als kleine Zeichen des Dankes. Sie machen mir dadurch eine Freude.“ Dem Arzt traten die Tränen in die Augen, als er von dem armen Königssohn die Birnen als Zeichen des Dankes entgegennahm.

Gott ist in der Gestalt einer Kindes zu uns gekommen. Er will uns sagen: Seht, so bin ich wie dieses Kind. Ihr braucht mir nur ein gutes Wort zu geben, ihr braucht euch nur meiner anzunehmen, ihr braucht mich nur gern zu haben, und ich gehöre euch wie ein Kind. Er kommt mit keinem anderen Angebot zu uns, als uns zu gehören. Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Nichts anderes will er, als uns geschenkt sein. Das ist das Ziel seiner Weltschöpfung und seiner Welterlösung. Das ist das Ziel seines ganzes Heilsweges, nämlich dass er uns gehören will, dass er uns Arme in sein Herz schließen will. Selbst wenn er Gebote gibt, selbst wenn er droht, selbst wenn er straft, er will das alles nur, um uns gehören zu können, um die Tore aufzusprengen, die in unsere Seele führen. Er will uns geschenkt werden, sonst will er gar nichts. Menschen wollen uns gebrauchen, auch mißbrauchen, wollen uns benutzen, auch ausnutzen. Nichts dergleichen. Er will nur, dass wir ihn aufnehmen. „Welch ein Bote ist ein Kind“, um noch einmal Clemens von Brentano zu zitieren, „welch ein Bote ist ein Kind! Jedes Wort, das es erquicket, bis zum Himmelsgarten rinnt, wo das Wort ward ausgeschicket. Welch ein Bote ist ein Kind! In der Krippe lag ein Kind. Ochs und Esel es verehren. Wo ich je ein Kindlein find, will ichs lieben, pflegen, lehren. In der Krippe lag ein Kind.“

O, meine lieben Freunde, dass doch in dieser Weihnacht unsere Herzen geöffnet seien! Dass wir doch das Krippenkind in unsere Herzen aufnehmen möchten! Dass wir ihm eine Wohnung bereiten! In meiner Heimat singt man zu Weihnachten ein schönes Lied: „O Jesulein zart, dein Kripplein ist hart, o Jesulein zart.“ Wir wollen ihm ein weiches Kripplein bereiten in unseren Herzen. Wir wollen in der Gesinnung der Kinder zu ihm rufen: „O Jesus, durch seine Ankunft erlöse uns. Durch deine Geburt erlöse uns. Durch deine Kindheit erlöse uns.“

Amen.

 

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Die Weihnachtsbotschaft in unchristlicher Zeit

28.12. 2008

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Weihnachten ist das Fest des Heilands der Welt. Hirten haben den Himmel offen gesehen, den Lobgesang der Engel gehört. Sie ließen ihre Herden im Stich und eilten zu dem Ort, wo das Kind in der Krippe lag. Sie fanden es und beteten es an. Die Welt hat von diesem Vorgang nichts gespürt. Für sie blieb der Himmel verschlossen wie immer. Der Glorienschein brach nicht durch zu ihr. Die Engel sangen für sie nicht, der Ruf verhallte ungehört: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen seiner Gnade!“

Trotzdem hat dieses übersehene Geschehen von Bethlehem die Welt verändert. Dreihundert Jahre, nachdem die Hirten den Lobgesang der Engel vernommen hatten, hatte das Christentum das römische Weltreich besiegt. Aus griechischem Geist und aus römischem Ordnungssinn erstand die Zivilisation, in der wir heute noch leben. Das Christentum ist mit Europa zutiefst verwurzelt. Das Herz der westlichen Welt schlägt im Christentum, wenn man sich auch selten darüber Rechenschaft gibt. Europa ist zutiefst christlich; seine Seele ruht im Christentum. Wenn das Christentum verschwindet und verdunstet, dann schlägt auch das Herz Europas nicht mehr. Wenn das Christentum unterdrückt oder ausgelöscht wird, dann verliert Europa seine Seele. Ohne Christus sinkt unser Land zurück ins Heidentum, nicht in das alte Heidentum, das in der Erwartung des Erlösers stand, sondern in das neue, verkümmerte, verderbte und verdorbene Heidentum, das den Erlöser verworfen hat.

Es ist keine Frage, dass seit Jahrzehnten die Entchristlichung Europas im Gange ist. Immer mehr Christen verlieren den Glauben, trennen sich von der Kirche, geben jede religiöse Praxis auf. Darüber können die vollen Kirchen am Heiligen Abend nicht hinwegtäuschen. Weihnachten ist eine Ausnahmesituation. Man hat in diesen Tagen eine Umfrage veranstaltet, wie viele Anhänger einer jeden Partei zu Weihnachten den Gottesdienst besuchen. Man höre und staune: An der Spitze steht die FDP. 56 % der FDP-Anhänger besuchen Weihnachten des Gottesdienst, 55 % der CDU, 42 % der Grünen, 39 % der SPD, 25 % der Linken. Insgesamt hatten 40 % der Deutschen vor, Weihnachten in die Kirche zu gehen. Das ist erfreulich, aber es ist kein Grund zur Beruhigung.

1. Was tun die 40 Prozent zu Weihnachten in der Kirche? Sind sie gläubigen Sinnes zum Gottesdienst geeilt? Verstehen sie zu beten? Wissen sie um das Geschehen der heiligen Messe? Wie sind sie daran beteiligt?

2. Wo sind die 40 Prozent an den anderen Sonntagen des Jahres? Und was ist mit den 60 Prozent, die nicht einmal an Weihnachten den Weg zum Gotteshaus finden? Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat einen Reporter losgeschickt, um in Frankfurt die vorweihnachtliche Stimmung unter den Christen auszuloten. Der Reporter hat mehrere Pfarreien besucht. Er schreibt in seinem Bericht: „Nur die ersten Reihen sind insgesamt gut gefüllt.“ Ein Pfarrer einer Pfarrei in Frankfurt erklärte ihm: „Ohne Menschen mit Migrationshintergrund, also Kroaten, Schwarze, Amerikaner, ohne Menschen mit Migrationshintergrund könnte man den Laden dichtmachen.“ Nur 6 bis 7 Prozent der in der Gemeinde lebenden Katholiken besuchen am Sonntag den Gottesdienst.

3. Vergessen wir nicht: Wir Christen sind nicht mehr allein mit den Nichtchristen unserer Zunge. Unter uns leben zahlreiche entschiedene Gegner des Christentums aus Asien und Afrika. Wir haben 54 Millionen Mohammedaner in Europa, 54 Millionen. Sie sehen in Christus, dem Krippenkind, nicht den Heiland der Welt, denn auf ihrer Moschee in Jerusalem steht geschrieben: „Gott hat keinen Sohn!“ Das ist die Ansage, die Kampfansage an das Christentum.

Der, welcher in jener Nacht geboren wurde, wurde 30 Jahre später vor den Stadtmauern Jerusalems gekreuzigt und begraben. Dass der Tod am Kreuze nicht das Ende war, dass er auferstand und dass er von Petrus und den übrigen Jüngern gesehen wurde, das ist der Beginn der christlichen Predigt. „Wir können nicht aufhören zu reden von dem, was wir gesehen und gehört haben.“ Nur von der Auferstehung her verstehen wir den Karfreitag, und nur weil zwischen Auferstehung und Karfreitag ein unzerreißbarer Zusammenhang besteht, ist die Nacht von Bethlehem für uns der Beginn des Heiles geworden. „Krippe und Kreuz“, sagte mir einmal eine alte Lehrerin, „sind der Inhalt und die Kraft meines Lebens.“ Die Erinnerung an die Nacht von Bethlehem ist zu einem Hauptfeste geworden, in Deutschland zum innigsten Feste überhaupt. Jetzt ist es möglich, die Sehnsucht eines jeden Menschen nach einem vollen, nach einem glücklichen, nach einem befriedeten Leben zu erfüllen. Jetzt ist es tatsächlich möglich, was Papst Leo der Große in der Christnacht des Jahres 445 gepredigt hat, dass sich das erfüllt. Jetzt kann das geschehen, nämlich: „Die Sünde kehrt zurück zur Unschuld. Was alt war, wird neu. Fernstehende werden an Kindes Statt angenommen. Fremdlinge treten das Erbe an. Aus Gottlosen werden Gerechte, aus Geizigen Mildtätige, aus Unenthaltsamen Jünger der Keuschheit und aus jenen, welche die Welt liebten, werden Anhänger des Himmlischen.“

O, ich weiß, meine Freunde, das sogenannte „moderne Denken“ ist gewöhnt, sich nur an das zu halten, was man sehen, hören, messen und zählen kann. Aber der versteht sehr wenig, der nur das versteht, was man messen und zählen kann. Die Weihnachtsbotschaft sprengt das herkömmliche Denken. Die ersten zwei Kapitel des Lukasevangeliums erzählen wunderbare Begebenheiten in wundersamen Wendungen. Ihr Inhalt steht im Widerspruch zur Alltäglichkeit. Es wird den Menschen Erlösung und Friede verheißen. Es ist das Urteil Gottes, dass der Mensch mit seinem Wissen und Können, mit seiner Gewalt nicht zum Ziele kommt, sondern dass Gott sich selbst aufmachen muss, um den Menschen zu retten.

Wenn alle Arbeit haben, wenn alle versorgt sind, wenn alle Tische gedeckt sind, ist die Seele noch immer leer. Der Mensch hat eine bleibende Ausrichtung auf Gott, und solange er ihr nicht nachkommt, gelangt er nicht zur Erfüllung. Es gibt eine unaustilgbare, unaufhebbare Verwiesenheit des Menschen auf Gott. Ob er sich ihr stellt oder ob er sie zu unterdrücken sucht, die Gottgehörigkeit des Menschen ist unzerstörbar. Und das ist, meine Freunde, das ist und das bleibt die Chance der Kirche. Ihre Aufgabe wird nie überflüssig werden. Wir Priester werden nie ersetzbar sein. Unsere Botschaft wird nie entbehrlich sein. Was die Kirche verkündet, ist immer gültig und immer unerläßlich. Die Kirche ist die einzige Institution, welche die tiefste Sehnsucht des Menschen befriedigen, welche die umfassende Antwort auf die Frage nach Wert und Sinn des Lebens geben kann. Es kommt nur darauf an, die Menschen von Notwendigkeit und Nutzen des Christentums zu überzeugen.

Das ist genau unsere Aufgabe. An uns ist es, durch Wort und Beispiel die Unruhe in den Menschen wach zu halten, zu verhindern, dass sie sich allzu häuslich auf dieser Erde einrichten, dass sie sich mit Arbeit, Genießen und Faulenzen zufrieden geben. „Die Welt ist eine Brücke. Gehe hinüber, aber baue dein Haus nicht auf ihr!“ So klagt ein versprengtes Jesuswort, das nicht in den Evangelien steht. „Die Welt ist eine Brücke. Gehe hinüber, aber baue dein Haus nicht auf ihr!“ Wir müssen, jeder an seiner Stelle, versuchen und dürfen nicht aufhören, die Menschen von der Wahrheit zu überzeugen, dass sie von Gott und für Gott geschaffen sind. Wir müssen sie davon überzeugen, dass wahr ist, was die heilige Theresia von Avila so begeistert gesungen hat: „Ich bin dein, bin für dich in dieser Welt. Wie verfügst du über mich?“

Amen.
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