Aus der alten Frakturschrift von kath-zdw.ch übersetzt

Ausgewählte Briefe
des Kirchenlehrers
Franz von Sales

Bischof von Genf, Kirchenlehrer

Herder'sche Verlagshandlung 1898  (565 Seiten)
 

   
   





  

       Inhaltsverzeichnis

  Erstes Buch: Briefe an junge Damen
    Zweites Buch: Briefe an verheiratete Frauen.
    Drittes Buch: Briefe an Witwen.
    Viertes Buch: Briefe an Freunde weltlichen und geistlichen Standes.
    Fünftes Buch: Briefe über den Klosterberuf und das Ordensleben.
    Sechstes Buch: Rat und Trost bei äußeren und inneren Leiden.
    Siebentes Buch: Trostbriefe beim Tode teurer Angehöriger.
    Achtes Buch: Trostbriefe an Kranke.
    Neuntes Buch: Festbriefe.

Ausgewählte Briefe

des Kirchenlehrers

Franz von Sales.

Deutsch von Dr. D. J. Becker.

Zweite, durchgesehene Auflage.

 

Mit Approbation des hochw. Kapitelsvikariats von Freiburg.

 

 Freiburg im Breisgau. 1898.
Herder'sche Verlagshandlung.

Zweigniederlassungen in Wien, Straßburg, München und St. Louis, Missouri.

 

Imprimi permittitur.
Es ist erlaubt gedruckt zu werden.
In Übereinstimmung mit der katholischen Glaubens- und Sittenlehre

 

 = Imprimatur.
Friburgi Brisgoviae die 10. Septembris 1898.
Freiburg im Breisgau am Tag des 10. Sept, 1898.
 
Fridericus Justus Knecht. Vic. Cap. (= Vicarius Capituli)

 

Druck von Strecker & Moser in Stuttgart.

 

 

Vorwort zur ersten Auflage.

Schriften des hl. Franz von Sales bedürfen keiner Empfehlung mehr bei dem christlichen Volke, am wenigsten im gegenwärtigen Augenblicke, nachdem Papst Pius IX. noch im letzten Jahre seines denkwürdigen Pontifikates auf Bitten zahlreicher Bischöfe, Gottesgelehrten und Gläubigen aller Länder am 19. Juli 1877 dem großen Meister der heiligen Wissenschaft den Ehrentitel eines „Lehrers der Kirche" zuerkannt und diesen Beschluss durch Breve vom 16. November vorigen Jahres dem katholischen Erdkreis bekannt gegeben hat.

Wie das päpstliche Breve hervorhebt, galt der ehrwürdige Bischof von Genf schon zu seinen Lebzeiten als eine Leuchte der Kirche.

Als er im Jahre 1599 vor seiner Erhebung zum bischöflichen Amte vor Papst Clemens VIII. erschien, umarmte ihn dieser, entzückt von der hohen Weisheit seiner Rede, und entließ ihn mit den Worten der Heiligen Schrift: „Trinke, mein Sohn, von dem Wasser deiner Zisterne und aus dem Brunnquell deines Herzens! Die Fülle dieses Wassers möge sich ergießen in alle Lande, damit die ganze Welt davon trinken und daran sich erquicken könne.” Diese Worte haben eine glänzendere Erfüllung gefunden, als es der Heilige Vater selber ahnen mochte.

Tausenden von Irrgläubigen zeigte Franz von Sales den Weg zu der verlassenen Mutterkirche, zahllosen Gläubigen war er ein Wegweiser zum Himmelreiche; Papst Paul V. bediente sich seines Beirates, als er die schwierige Streitfrage in Betreff der Gnadenlehre zu entscheiden hatte. Nicht minder rühmte Alexander VII. in der Kanonisations-Bulle des Heiligen vom 19. April 1665 die hohe Weisheit seiner Schriften. Der gelehrte Papst Benedikt XIV. fand in denselben eine vom Himmel stammende Wissenschaft, die ihm bei vielen schwierigen Entscheidungen maßgebend war; und noch auf der letzten allgemeinen Kirchenversammlung zu Rom wurde Franz von Sales allerseits als ein gewichtiger Zeuge des kirchlichen Glaubensbewusstseins anerkannt, und fielen seine lichtvollen Ausführungen über die Machtfülle des Oberhauptes der Kirche schwer in die Waagschale der Entscheidung. es fehlte nur noch, dass der Apostolische Stuhl unserem Heiligen förmlich den Ehrentitel eines „Kirchenlehrers” gab und so das allgemeine Urteil der Kirche feierlich bestätigte, welches einer ihrer treuesten Sohne, der be­rühmte Kanzelredner Bourdaloue, bereits vor zweihundert Jahren in die folgenden treffenden Worte zusammengefasst hat: „Die Kirchenväter haben zur Verteidigung unserer Religion, die Theologen zur Erklärung unserer Mysterien, die Geschichtsschreiber zur Erhaltung der Überlieferungen der Kirche ihre Werke geschrieben, alle ausgezeichnet in ihrer Art; aber was die Bildung der Sitten der Gläubigen, was die Begründung wahrer Gottseligkeit in den Seelen anlangt, hatte keiner solche Gabe wie der Bischof von Genf. Seine Lehre ist nicht eine irdische Speise, sondern ein Himmelsbrot, welches gleich dem Manna mit der nämlichen Wesenheit alle zu nähren imstande ist. Ohne die Hochachtung, welche ich anderen Schriftstellern schulde, zu verletzen, darf ich behaupten, dass nach den heiligen Schriften kein Werk die Frömmigkeit in den Herzen der Gläubigen so sehr gefördert hat als die Schriften des heiligen Bischofs.”

In besonders hohem Grade gilt dies von den Briefen des Heiligen, von denen hier eine Auswahl geboten wird. Ein ausgezeichneter Geschichtsforscher unseres Jahrhunderts bezeichnet Briefsammlungen großer Männer mit Recht als einen wahren Schatz, als eine Quelle der Belehrung und Erquickung für die Nachwelt, die lebendiger als alles andere in die Gemeinschaft mit tüchtigen Persönlichkeiten einführt. Bieten nun schon die Briefe weltlich hervorragender Männer ein so großes Interesse, bei welchen nicht selten die hohe Geistesentwicklung umso schmerzlicher die religiös-sittliche Bildung des Charakters vermissen lässt, so muss es einen ungleich höheren Reiz gewähren, durch die vorliegende Briefsammlung in die geistige Gemeinschaft mit einem Manne eingeführt zu werden, der mit den trefflichsten Geistesgaben eine ebenso große Heiligkeit verband, den die Geschichte der Literatur als einen der Neuschöpfer der französischen Sprache rühmt, und den die Pariser Akademie wegen der ungesuchten Anmut seines Stils als mustergültig pries, während ihn zugleich die an leuchtenden Vorbildern der Vollkommenheit so überreiche Geschichte der Kirche unter ihren hervorragendsten und zugleich liebenswürdigsten Heiligen nennt. Wirklich dürfte es wohl kaum ein Menschenherz gegeben haben, in welchem „die Gnade und Menschenfreundlichkeit Gottes, die in unserem Heilande sichtbarlich aus Erden erschienen ist” (Tit. 3,4.), mit so vollendeter Anmut sich kundgab als in dem Herzen des hl. Franz. Wie aus dem Munde Jesu scheinen die Worte zu kommen, die man ihn oft wiederholen hörte:

„Es hat Gott gefallen, mein Herz so zu bilden; ich will meinen Nächsten aus ganzer Seele lieben, aus ganzer Seele. O wann werden wir in Milde, in Liebe gegen den Nächsten aufgelöst sein? Ich habe mich ihm ganz ergeben mit allem, was ich habe, mit allen meinen Neigungen, so dass er sich meiner bedienen kann nach seinem Bedarf.” (Akten des Kanonisations-Prozesses. Art. 27. Zeugnis der hl. Franziska v. Chantal) Gerade diese seine hingebende Nächstenliebe war es, die ihm jenes bewundernswerte Verständnis des menschlichen Herzens, jenen seinen Takt, jene fast mütterliche Zartheit in der Behandlung der Wunden und Schwächen desselben verlieh, welche sich in allen seinen Briefen ausspricht; sie war es, die den hochgelehrten, den zu himmlischer Beschauung erhobenen Kirchenfürsten befähigte, sich jeden Augenblick mit unermüdlicher Freundlichkeit zu den ärmsten und schwächsten unter seinen Mitmenschen herabzulassen und mit ihm die Sprache des Kindes zu reden. „Keiner kannte wie er die höchste Vollkommenheit,” sagt der große Bischof Fenelon; „und doch machte er sich klein mit den Kleinen und verachtete niemals das Geringste. Er wollte, wie die Kirche am Feste des Heiligen von ihm rühmt, allen alles sein, nicht um allen zu gefallen, sondern um alle zu gewinnen, für Christus zu gewinnen und nicht für sich.” Die Briefe des Heiligen sind ein bleibendes Zeugnis für die Wahrheit dieser Schilderung; „ . . . sie enthalten, wie das päpstliche Breve vom 16. November 1877 sich ausdrückt, eine überreiche Saat asketischer Weisheit. Voll des Heiligen Geistes zeigt hier der Heilige auch bereits den Weg zu dem Urborn aller Güte und Milde, zu dem göttlichen Herzen Jesu nämlich, und streut die ersten Keime zu dessen Verehrung aus, die in ihrer gegenwärtigen wunderreichen Entfaltung und Blüte bei der herben Trübsal unserer Zeiten der Kirche zu großem Troste gereicht.” Ja, diese Briefe atmen ganz den Geist des gütigen Herzens Jesu, und bei Lesung derselben fühlt man sich manchmal unwillkürlich gedrungen, mit dem hl. Vincenz von Paul auszurufen: „O Gott, wie gut musst du sein, da der Bischof von Genf schon so gut ist!”

Es kann daher nicht wundernehmen, wenn die Briefe einstimmig dem Meisterwerke des Heiligen, der „Philothea” an die Seite gesetzt werden. Ja in gewisser Hinsicht darf man vielleicht ersteren einen Vorrang einräumen. Dort richtet der Kirchenlehrer sein Wort an eine fingierte (frei erfundene) Persönlichkeit, die er „Philothea” nennt, und seine Weisungen und Ratschläge halten sich demzufolge in einer gewissen Allgemeinheit; die Briefe dagegen führen mitten in das frische, vielgestaltige Menschenleben. Da ist alles bestimmt, klar und konkret; wirkliche, lebendige, mit den Gefahren und Bedrängnissen des Lebens ringende Menschenherzen sehen wir hier unter der Behandlung dieses großen Seelenarztes, und da er in den Briefen sein Wort an Personen aus den verschiedensten Ständen und Lebenskreisen richtet, die in den mannigartigsten Nöten zu seinem unerschöpflich gütigen Herzen ihre Zuflucht nehmen, so findet darin jeder Rat und Trost für alle nur denkbaren Lagen des Lebens. So bilden die Briefe des Heiligen, wie einer der letzten französischen Herausgeber derselben sich ausdrückt, einen förmlichen Codex christlicher Moral und hoher geistlicher Tugend. Mit gutem Grunde hebt daher das mehrgedachte päpstliche Breve unter den Werken des neuen Kirchenlehrers zu zwei verschiedenen Malen gerade dessen Briefe rühmend hervor. Gewiss verdienen dieselben demnach, auch in unserem Vaterlande mehr bekannt und verbreitet zu werden, als dies bisher der Fall war.

Gegenwärtiger Bearbeitung diente zur Vorlage der dritte Band der Gesamtausgabe der Werke des hl. Franz von Sales, welche im Jahre 1861 zu Lyon und Paris im Verlag der Gebrüder Perisse erschienen ist (Einzelne Stücke wurden auch den „Lettres (Briefen) de St. Francois de Sales a des personnes vivant dans les monde, chez Jacques Lecroffe, Paris et Lyon 1866“ entnommen.).

Um das Ermüdende zu vermeiden, was sonst einer Briefsammlung leicht anhaftet, habe ich unter Aufgabe der chronologischen Reihenfolge, die ohnehin nicht leicht durchzuführen wäre, da in den vorhandenen Ausgaben viele Briefe ohne Datum sind, den Stoff nach sachlichen Gesichtspunkten auf neun Bücher verteilt. Durch diese Gruppierung, sowie durch das am Schlusse beigefügte Sachregister hoffe ich den reichen Inhalt der Sammlung erst recht für den Gebrauch erschlossen zu haben.

Mögen die Briefe des heiligen Lehrers auch dir, mein lieber Leser, so viel Trost, Freude und Segen bringen, wie jenen Seelen, die sie zuerst aus seinen Händen empfingen! Nimm sein Wort auf wie eine Botschaft und Mahnung aus höherer Welt und befolge es, so wird dir dieses Büchlein ein Leitstern werden zur seligen Ewigkeit.

Niederheimbach am Rhein, den 10. April 1878.

Damian Johann Becker, Pfarrer.

 

 

 

Vorwort zur zweiten Auflage.

Die Briefe des hl. Franz von Sales in der Auswahl, Übersetzung und Einteilung, wie sie von uns  geboten wurden, haben beifällige Beurteilung und günstige Aufnahme gefunden. Eine neue Auflage ist nötig geworden. Dem Rate kompetenter Beurteiler folgend, geben wir die Sammlung ohne wesentliche Änderungen. Nur einige wenige Stücke, welche ohne erheblichen Fortschritt des Gedankens bereits vorgetragene Lehren variierten, sind weggeblieben; desgleichen ist ein Brief (1. Aufl., IV. Buch, Nr. 11), welcher die Frage der Gewalt des Papstes über das Zeitliche behandelt, ausgefallen, weil derselbe, so lehrreich an sich, doch in den Rahmen einer asketischen Bibliothek weniger zu passen schien. Der Text ist einer sorgfältigen Durchsicht unterzogen worden.

Niederheimdach, den 1. August 1898.

Der Übersetzer.

 

Inhaltsverzeichnis.

Vorwort zur ersten Auflage.

Vorwort zur zweiten Auflage.

Erstes Buch.

Briefe an junge Damen.

1. An eine junge Dame bei deren Eintritt in das Leben der großen Welt

2. An eine Dame, die wegen ihres Dienstes am Hofe einer Fürstin einen Teil ihrer frommen Übungen unterlassen musste

3. Worin besteht der Mut des Christen?

4. Ratschläge für eine junge Dame, die in der Welt lebt

5.Gefahr des eitlen, von Schmeicheleien umgebenen Weltleben

6. Aufforderung an eine junge Dame, die Welt zu verachten und ihre Lebhaftigkeit zu bekämpfen, die ihr sonst gefährlich werden könne

7. Mahnung an eine Nichte, ihr Herz nicht allzusehr an die Liebe zu ihren Eltern hinzugeben

8. Aufmunterung zur Standhaftigkeit in den guten Vorsätzen

9. Man muss mit Zuversicht auf die Gnade der Beharrlichkeit hoffen. Soll man den Versuchungen ausweichen oder sie bekämpfen? Die besten TrübsaIe sind jene, die uns demütigen.

10. Die Gabe des Gebetes lässt sich nicht erzwingen,sondern ist ein Geschenk des Himmels. Man muss sich indes mit Sorgfalt darauf vorbereiten. Wie sich eine Jungfrau zu verhalten hat, wenn die Eltern sich ihrem Wunsche, ins Kloster zu gehen, widersetzen

11. Ratschläge für Gebet und Betrachtung. Mahnung zur Sanftmut im Umgang und zur Unterwerfung unter den Willen Gottes

12. Der Heilige ermuntert eine seiner Nichten zur Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes und zu eifrigem Fortschritt in der heiligen Liebe

13. Mahnung zur Sanftmut

14. Mahnung zur Friedfertigkeit, Eintracht und Sanftmut

15. Man muss nicht unmöglichen Idealen nachjagen, sondern in Demut eine erreichbare Vollkommenheit erstreben

16. Wichtigkeit der Zeit in ihrer Beziehung zur Ewigkeit. Man soll zufrieden sein mit dem Stande, zu welchem man von Gott berufen ist, und nicht nach einem höheren und vollkommeneren verlangen

17. Es ist eine Versuchung, Seelenführer in der Ferne zu suchen, während man solche in der Nähe hat. Man soll nicht zu viel gute Übungen auf einmal in Angriff nehmen

18. Gegen eine schwärmerische Verehrerin

19. Der Heilige drückt einer jungen Dame sein Bedauern aus über ihr Erkalten in der Frömmigkeit, empfiehlt ihr eine zurückgezogene Lebensweise und warnt vor einem Prozess

20. Der Heilige gibt Fräulein van Traves den Rat, sich nicht zu verheiraten und ihre häuslichen Leiden mutig zu ertragen

21. An eine junge Dame, welche sich zu verheiraten gedachte

22. Ratschläge wegen eines Gelübdes der Keuschheit

23. Welch ein Glück es ist, Gott ganz anzugehören

Zweites Buch.

Briefe an verheiratete Frauen.

1. Der Heilige beglückwünscht eine junge Frau zu ihrer Vermählung und erteilt ihr Ratschläge in Betreff der Pflichten ihres neuen Standes

2. Aufforderung an eine sehr glücklich vermählte junge Frau, Recht auf ihr und der Ihrigen ewiges Heil Bedacht zu nehmen

3. Der Heilige beglückwünscht Frau v. Chaillot zu ihrer Vermählung und gibt Verhaltungsmaßregeln für ihren neuen Stand

4. Verhalten gegen Schwiegereltern

5. Aus einem Briefe an seine Schwester, Frau v. Cornillon

6. Überhäufung mit Arbeit gibt Anlass zur Ausübung vieler Tugenden

7. Vertrauen auf die göttliche Vorsehung und Fassung in dem Wirrsal der häuslichen Arbeiten

8. Mittel gegen die Ungeduld bei häuslichen Unannehmlichkeiten

9. Räumliche Entfernung hindert nicht die Vereinigung der Kinder Gottes. Wie man sich in Gesellschaften zu verhalten hat, wo von anderen Übles geredet wird. Empfehlung der Sanftmut

10. Man muss sich hüten vor Verzagtheit, Ängstlichkeit und unnützen Wünschen

11. Geduld mit den eigenen Unvollkommenheiten. Wie man den Kommuniontag zubringen soll. Verhalten den Verleumdungen gegenüber

12. Der Heilige mahnt eine Dame, ihr Herz von der Eitelkeit der Welt loszureißen

13. Der Wille Gottes verleiht selbst den geringfügigsten Handlungen einen hohen Wert. Es gilt, das ganz zu sein, was wir nach unserem Berufe sein sollen

14. Man muss die Vollkommenheit seines Standes zu gewinnen trachten. Ratschläge für die Beichte und Kommunion

15. Wahl der Beichtväter. Im Ehestand bedarf das Weib einer sehr gediegenen Tugend. Worin eine Witwe ihr Glück suchen soll

16. Die Philothea gerade für Verheiratete geschrieben. Wie es eine Hausfrau mit ihren Andachtsübungen zu halten hat

17. Glückwunsch zur Beendigung eines Prozesses. Ratschläge für eine Anfängerin im geistlichen Leben

18. Der Heilige empfiehlt einer Dame fromme Übungen, wie sie sich für ihren Stand eignen

19. Tagesordnung für eine mit Arbeit überhäufte Dame

20. Lebensregeln für eine Nichte des Heiligen

21. An die Frau Präsidentin Brulard, die sich unter die Leitung des Heiligen begeben hatte, während er im Jahre 1604 zu Dijon die Fastenpredigten hielt

22. Mittel, die christliche Vollkommenheit im Ehestande zu erreichen

23. Weitere Verhaltungsregeln

24. Über Almosengeben und Jahresbeichte

25. Trost für Kinderlose

26. Der Heilige drückt einer Dame seine Freude aus über ihr Streben nach Vollkommenheit und erteilt ihr Ratschläge für die Zeit der Schwangerschaft

27. Eine Mutter soll die Beschwerden der Schwangerschaft in Geduld tragen und sich nicht wundern, wenn ihr Aufschwung im Gebete erschwert ist

28. Der Heilige gebietet einer Dame, in ihren Umständen das Fasten zu unterlassen

29. Man muss in allen Verhältnissen aus den sich darbietenden Veranlassungen zur Abtötung Nutzen ziehen und die Übungen der Frömmigkeit den Umständen anzupassen suchen

30. Wie es unter solchen Umständen mit der Betrachtung zu halten ist

31. Gebet für gesegnete Frauen

32. Warnung vor übertriebener Liebe zu den Kindern

33. Der Heilige erteilt einer Mutter Rat in Bezug auf die Heirat ihrer Tochter und beglückwünscht sie wegen der Tugenden ihres Mannes. Für Frauen ist es nicht passend, nach fernen Orten zu wallfahren

34. Wie eine christliche Mutter für die Erziehung ihrer Kinder sowie für das Seelenheil der eigenen Eltern zu sorgen hat

35. Die Wünsche für die Vervollkommnung unserer Angehörigen müssen dem Willen Gottes sich unterordnen

 

Drittes Buch.

Briefe an Witwen.

1. Der Heilige tröstet eine Dame wegen des Todes ihres Gatten und empfiehlt ihr die Sorge für die Erziehung ihrer Kinder

2. Pflichten einer Witwe in Bezug auf ihr Seelenheil

3. Verhalten einer christlichen Witwe gegen Gott, gegen ihre Familie und in ihrem Hauswesen. --- Wahre Freiheit des Geistes

4. Mit einem Bilde, auf welchem das Kind Jesus mit der seligsten Jungfrau und der hl. Anna dargestellt war

5. Die Demut ist die eigentliche Standestugend der Witwe; worin sie besteht und wie sie sich äußern muss. Es ist sehr heilsam, das Leben und den Tod des Herrn zu betrachten

6. Pflichten einer Witwe gegen ihre Eltern und ihre Kinder

7. Welche Unterstützung Kinder, die selbst Familie haben, ihren Eltern schuldig sind .

 

Viertes Buch.

Briefe an Freunde weltlichen und geistlichen Standes.

1. An einen Herrn, der an den Hof gehen wollte

2. Der Heilige drückt einem Herrn seine Freude darüber aus, dass derselbe auch am Hofe in der Frömmigkeit beharrt

3. Wie man seine Seele gegen die ansteckende Hoflust schützen soll

4. Wie man in hoher, gebietender Stellung die christliche Vollkommenheit üben soll

5. Wie viel vornehme Leute durch ihr gutes Beispiel wirken können

6. Mutiges Festhalten an den Grundsätzen wahrer Frömmigkeit unter den Gefahren einer hohen Stellung nötigt selbst den Weltkindern Bewunderung ab

7. Welche Rücksichten man zu beobachten hat, um bei Jagdvergnügungen Gott nicht zu beleidigen

8. Das Duell und der verkehrte Ehrbegriff der Weltkinder

9. Brief an eine Dame, deren Gatte ein Duell beabsichtigt hatte

10. Außerhalb der Kirche ist das richtige Verständnis der Heiligen Schrift nicht zu finden

11. Ermunterung an einen Seelsorger, an der ihm zugewiesenen Stelle mit treuem Eifer auszuharren

12. Eifer und Wachsamkeit eines wahren Hirten der Kirche. Christliches Opferleben

13. Vorzug der christlichen Freundschaft vor derjenigen der Weltkinder

14. Beständigkeit der christlichen Freundschaft

  

Fünftes Buch.

Briefe über den Klosterberuf und das Ordensleben.

1. An einen EdeImann, der beabsichtigte, sich von der Welt zurückzuziehen

2. Über den Beruf zum Ordensstande  

3. Das Kloster ein Krankenhaus für die Seelen

4. Fühlt man Beruf zum Ordensstande, so soll man die von Gott gesetzten SeeIenführer zu Rate ziehen. Bleibt die Einladung Gottes vernehmbar trotz aller äußeren Widersprüche, so ist das ein Zeichen des Berufes       

5. Kloster und Welt

6. Ratschläge in Betreff der Berufswahl

7. Der Heilige beglückwünscht Fräulein v. Frouville zu ihrer Treue gegen die Gnade

8. An Herrn v. Frouville, nachdem derselbe seiner Tochter, an welche die beiden vorhergehenden Briefe gerichtet sind, erlaubt hatte, in das Kloster zu gehen

9. Der Heilige fordert eine junge Dame auf, der Eingebung Gottes, sich ihm zu weihen, Folge zu leisten

10. Der Heilige ermahnt eine junge Dame, trotz aller Schwierigkeiten mit Ruhe des Augenblicks zu harren, wo es ihr verstattet sein werde, ihrem Berufe zum Kloster zu folgen

11. An eine junge Dame, deren Wunsch, sich dem Ordensstande zu widmen, auf Hindernisse stieß

12. An eine junge Dame, welche die Absicht, sich zu vermählen, aufgegeben hatte, um ins Kloster zu gehen

13. An eine junge Dame, welche im Begriffe stand, ins Kloster zu gehen

14. An ein junges Mädchen, welches eben in den Orden der Heimsuchung eingetreten war

15. Körperliche Abtötung oder Gehorsam?

16. Winke des Heiligen für die Vorsteherinnen seiner Genossenschaft

 

Sechstes Buch.

Rat und Trost bei äußeren und inneren Leiden.

1. Die Widerwärtigkeiten dürfen keinen Unmut in uns erregen

2. Man soll aus der Not eine Tugend machen

3. In allen Stürmen des Lebens muss man der Vorsehung vertrauen

4. Der brennende Dornbusch

5. Leiden sind der Anteil der Kinder Gottes hienieden

6. In der Trübsal kann man Gott am besten Treue beweisen

7. Je mehr wir aufwärts streben nach dem Berge der himmlischen Verklärung, desto mehr wird unser Herz dem Drucke der irdischen Plage entrückt

8. Starke Tugenden wachsen nur unter dem Kreuze

9. Wenn wir mit Christus leiden, werden wir auch mit ihm verherrlicht werden

10. Man soll sein Kreuz stets betrachten im Lichte des Kreuzes Christi

11. Die Betrachtung des Leidens Christi ist der beste Trost in der Trübsal

12. Grundsätze, um trotz aller Widerwärtigkeiten auf dem Wege der Gottseligkeit zu beharren

13. Nach so kurzer Wanderung auf dem Kreuzwege dürfen wir nicht schon Ruhe verlangen. Verhalten bei innerer Verlassenheit

14. Je größer das Kreuz, desto höher das Verdienst

15. Bei dem Herrn sein in Trübsal ist besser als ferne von ihm in Freude

16. Gott zeigt sich uns mehr in der Trübsal als im Glück

17. Es ist heilbringend und tröstlich, am Kreuze zu sterben

18. Das Myrrhenopfer

19. „Weib, warum weinest du?”

20. Geistige Kälte darf uns nicht stutzig machen. Was heißt, eine Magd des Herrn sein?

21. Leben nach dem Geiste und Leben nach dem Fleische

22. Der Kampf zwischen dem alten und neuen Menschen

23. Die Eigenliebe stirbt nie, solange wir leben

24. Eigenliebe und Stolz die Quellen aller Unruhe

25. Mittel, um mitten in den Widerwärtigkeiten einen ungetrübten Frieden des Herzens zu bewahren            

26. Wir sollen jeden Tag neu anfangen

27. Ohne fühlbaren Glauben, Hoffnung und Liebe  

28. Die Versuchungen dürfen uns nicht schrecken

29. Man muss die Versuchungen verachten

30. Ohne Kampf kein Sieg

31. Versuchungen gegen den Glauben soll man möglichst wenig Beachtung schenken.

32. Wie man die Versuchungen gegen den Glauben bekämpfen soll

33. Wie man sich bei Versuchungen gegen die Reinigkeit zu verhalten hat

34. Bei allem guten Willen sind Unvollkommenheiten unvermeidlich

35. Die Anfälle der Leidenschaften werden nie aufhören, da die Eigenliebe nicht stirbt, solange wir leben

36. Gott hat seine liebevollen Absichten dabei, wenn er uns nicht mit einemmal von allen UnvoIlkommenheiten befreit

37. Gott schaut mit Liebe auf uns herab trotz unserer Sünden, wenn wir nur guten Willen haben

38. „Ach, ich bin ganz zerrissen”

39. Bei eintretenden Rückfällen darf man nicht mutlos werden

40. Wie man nach einem Fehltritt sein Herz wieder zurechtbringen soll

41. Es ist nicht schlimm, wenn uns bei der Beichte nicht alle kleinen Fehltritte einfallen

42. Glückwunsch zur Genesung des Vaters. Gegen alle Befürchtungen vor der Zukunft finden wir Schutz in den Armen der göttlichen Vorsehung

43. Über Traurigkeit und innere Unruhe

 

Siebentes Buch.

Trostbriefe beim Tode teurer Angehöriger.

1. Auf nichts und niemand in dieser vergänglichen Welt sollen wir bauen; unsere Hoffnung ist die heilige Ewigkeit

2. Vorbereitung einer Mutter auf den Verlust eines in Todesgefahr schwebenden Kindes   

3. Trost beim Verluste eines Kindes      

4. An eine Dame, deren Kind in zartem Alter gestorben war

5. Trost beim Tode eines Kindes

6. Trost beim Tode eines einzigen Sohnes. Hinweis auf Maria am Fuße des Kreuzes        

7. Trost bei dem Tode eines Sohnes, der im Dienste des Königs in Indien gestorben war

8. Beim Tode eine Sohnes

9. Beim Tode eine Vaters

10. An die Äbtissin Angelika Arnauld zu Port Royal beim Tode ihres Vaters

11. An eine Cousine beim Tode ihres Vaters

12. An eine Verwandte beim Hinscheiden ihres Vaters

13. Benachrichtigung einer Cousine von dem Tode ihres Gemahls

14. An eine Tante beim Tode ihres Gatten

15. An eine Dame beim Tode ihrer Schwester

16. An eine Dame, deren Schwester eines plötzlichen Todes gestorben war

17. Rührende Ergebung des Heiligen bei dem Tode seiner jugendlichen Schwester Johanna, die in den Armen der Frau v. Chantal gestorben war

18. Mitteilung des Heiligen über den Tod seiner Mutter, der Gräfin v. Sales.

 

Achtes Buch.

Trostbriefe an Kranke.

1. Der hl. Franz von Sales als besonderer Freund der Kranken

2. Krankheiten sollen sowohl von den Leidenden selbst als von deren Angehörigen zum Heil der Seele benutzt werden

3. Krankheiten Angehöriger geben uns Anlass zur Verdemütigung und Geduld

4. Bei Krankheiten im Hause gilt es Liebe und Geduld zu üben

5. Mahnung, die Krankheit zum Heil der Seele benutzen   

6. Gehorsam gegen den Arzt

7. Auch demütigenden Kuren soll der Kranke sich mit Ergebung unterwerfen

8. Krankheiten können wie den Leib so die Seele reinigen

9. Tröstlicher Hinweis auf den armen Hiob und den Heiland am Kreuze

10. Bei Kopfschmerzen gedenke man der Dornenkrönung des Erlösers

11. Verhalten bei großen Leiden

12. Schweigend leiden

13. Leiden sind der sicherste, königliche Weg zum Himmel

14. Welche Gebetsart für Kranke geeignet ist. Trost bei schmerzlichen Operationen   

15. Unheilbare Übel soll man als bleibende Buße tragen

16. Leiden sind Bausteine zu dem Tempel unserer ewigen Glorie. Man soll die Krankheit zu einem Gebete machen

17. Wie Kranke es mit dem Gebete halten sollen       

18. Bejahrte Leute sollen das Kreuz ihrer Gebrechlichkeit lieben, ihre Wünsche auf den Himmel richten und sich der Sanftmut gegen ihre Umgebung befleißigen

19. Über denselben Gegenstand

20. Über den gleichen Gegenstand

21. Trost für Genesende

22. Vorbereitung auf den Tod

23. Trostgedanken bei übermäßiger Furcht vor Tod und Gericht

24. Mittel gegen übermäßige Todesfurcht

25. Gedanken des hl. Franz v. Sales beim Herannahen des Todes

 

Neuntes Buch.

Festbriefe.    

Zum Weihnachtsfeste

Neujahr

Fest der Erscheinung des Herrn

Mariä Lichtmess

Fastenzeit

Ostern

Christi Himmelfahrt

Pfingsten

Fest der hochheiligen Dreifaltigkeit

Frohnleichnamsfest

Fest des hl. Johannes des Täufers

Fest der hl. Apostel Petrus und Paulus

Mariä Heimsuchung

Mariä Himmelfahrt

Mariä Geburt

Allerheiligen und Allerseelen

Kirchweihfest

Register

 

 

Ausgewählte Briefe

des Kirchenlehrers

Franz von Sales.

 

Erstes Buch.

Briefe an junge Damen.

1. An eine junge Dame bei deren Eintritt in das Leben der großen Welt.

Meine liebe Tochter! Sie müssen fortan oftmals in den Kreisen der Kinder dieser Welt verkehren, die nach ihrer Gewohnheit sich über alles aufhalten werden, was in Ihrem Verhalten ihren erbärmlichen Grundsätzen zuwiderzulaufen scheint. Lassen Sie sich darüber in keinen Streit mit ihnen ein und zeigen Sie keinerlei Traurigkeit wegen dieser Angriffe; lachen Sie vielmehr herzlich über ihr Gelächter, verachten Sie ihre Verachtung, scherzen Sie über ihre Vorstellungen, treten Sie mit leichtem Spott ihrem Gespötte entgegen; und ohne auf dies alles zu achten, eilen Sie stets frohgemutet zum Dienst Gottes und empfehlen zur Zeit des Gebetes diese armen Geister der göttlichen Barmherzigkeit. Zu bemitleiden sind sie doch wohl, da sie keine anständige Unterhaltung kennen, als zu lachen und zu foppen über Dinge, die doch aller Hochachtung und Ehrfurcht wert sind.

Wie ich sehe, sind Sie bis zum Überfluss von den Bequemlichkeiten des Lebens umgeben: hüten Sie sich, dass Sie Ihr Herz nicht daran hängen.

Das unsägliche Unglück Salomons, des Weisesten der Sterblichen, fing damit an, dass er Vergnügen fand an dem großartigen Hofleben, dem Prunke und Pompe, wie solcher doch seinem Range entsprach. Bedenken wir, dass alles, was wir besitzen, uns in Wirklichkeit nicht den mindesten Vorzug vor den übrigen Menschen verschafft; dass vielmehr alles dieses nichts ist vor Gott und den Engeln.

Gedenken Sie daran, meine geliebte Tochter, gerade da dem Willen Gottes gemäß zu handeln, wo es Ihnen am schwersten fällt. Es will nicht viel heißen, gottgefällig zu handeln in Stücken, die uns selbst gefallen; die kindliche Treue verlangt, dass wir ihm auch da gefallen wollen, wo es uns missfällt, indem wir stets im Auge behalten, was der große, vielgeliebte Sohn von sich selbst sagte: „Ich bin nicht gekommen, um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.”(Joh. 6, 38) Auch Sie sind ja Christin, nicht um Ihren Willen zu vollbringen, sondern um den Willen dessen zu erfüllen, der Sie angenommen hat als seine Tochter und Erbin für die Ewigkeit.

Sie gehen nun fort; auch ich gehe, ohne Hoffnung, Sie in dieser Welt wieder zu sehen. Lassen Sie uns recht zu Gott flehen, dass er uns die Gnade schenke, auf dieser Pilgerfahrt also nach seinem Wohlgefallen zu leben, dass wir, im himmlischen Vaterlande angelangt, uns freuen dürfen, hienieden einander gekannt und von den Geheimnissen der Ewigkeit unterhalten zu haben.

Ja, darum allein soll es uns freuen, in diesem Leben einander nahe gestanden zu haben, weil es zur Ehre der göttlichen Majestät und zu unserem Heile gereichte.

Bewahren Sie sich die heilige Fröhlichkeit des Herzens, welche eine Kräftigung für den Geist und eine Erbauung für den Nächsten ist. So ziehen Sie denn hin im Frieden, meine geliebte Tochter, und Gott sei allezeit Ihr Beschützer; immer halte er Sie an seiner Hand und geleite Sie auf dem Wege seines heiligen Willens! Also geschehe es, meine geliebte Tochter; ich verspreche Ihnen, dass ich täglich für Ihre Seele, der die meinige in unwandelbarer Liebe zugetan bleibt, diese heiligen Wünsche erneuern werde. Gott sei allezeit Preis, Lob und Dank! Amen.

 


2. An eine Dame, die wegen ihres Dienstes am Hofe einer Fürstin einen Teil ihrer frommen Übungen unterlassen musste.

Annecy, 27. Sept. 1607.

Es bedarf keinerlei Entschuldigungen oder Förmlichkeiten, wenn Sie mir schreiben; denn Ihre Briefe freuen mich sehr im Herrn, um dessentwillen ich Ihnen aufrichtig gewogen bin.

Ich sehe, es fällt Ihnen umso schwerer, sich in das Hofleben zu finden, da Sie sich aller der bequemen Gelegenheiten zum Dienste Gottes beraubt sehen, die Ihnen früher durch die Nähe des Jesuiten-Kollegiums geboten waren. Es kann das nicht wundernehmen; Sie dürfen inzwischen den Mut nicht verlieren. Denn steht Ihnen auch nicht mehr so viel äußere Hilfe zu Gebote, so wird doch der Heilige Geist, wenn Sie den Wunsch und das Verlangen, Gott ganz anzugehören, in Ihrer Seele recht fest und lebendig halten, Sie durch seinen geheimen Beistand trösten und so alles, was Sie an frommen Übungen unterlassen, ersetzen, da Sie es ja nur unterlassen um seiner Ehre und seines Ruhmes willen.

Ich denke, die Kommunion wird Ihnen in der bisherigen Weise gestattet sein; ich sehe wenigstens nicht ein, wie man Ihnen das weigern konnte. Sie werden täglich eine halbe Stunde für Ihre Betrachtung erübrigen können, abgesehen von dem Gebete, welches Sie mit der Fürstin dienstlich zu verrichten haben. Damit können Sie sich billig zufrieden geben und den Ausfall der sonstigen Übungen durch häufige und glühende Stoßgebete oder Erhebungen des Herzens zu Gott ersetzen; und ebenso für die Predigt sich entschädigen durch andächtiges und aufmerksames Lesen guter Bücher.

Im übrigen wird Ihnen Ihre untergeordnete Stellung und das Zusammenleben mit anderen tausendfache Gelegenheit zu großer Abtötung und Verleugnung des Eigenwillens geben; und das ist ein nicht geringes Mittel zur Vervollkommnung, wenn Sie mit demütigem und sanftmütigem Herzen davon Gebrauch machen. Die beiden Tugenden der Demut und Sanftmut müssen Ihnen besonders lieb und wert sein, da unser Heiland uns dieselben so nachdrücklich empfohlen hat; als dritte Tugend empfehle ich Ihnen eine große Reinheit des Herzens und als vierte eine große Aufrichtigkeit im Reden, namentlich bei der Beichte.

Keine Gesellschaft, keine Dienstpflicht kann Sie abhalten, oftmals mit dem Herrn, mit seinen Engeln und Heiligen zu reden, oder die Straßen des himmlischen Jerusalems zu durchwandern, oder den Worten zu lauschen, die Jesus Christus und Ihr Schutzengel innerlich zu Ihrem Herzen reden, oder Sie hindern, täglich im Geiste zu kommunizieren. Tun Sie das alles mit Fröhlichkeit des Herzens, und ich meinesteils will, um dem Vertrauen, welches Sie in mich setzen, zu entsprechen, die göttliche Majestät bitten, sie möge Ihr Herz erfüllen mit den Gnadengaben ihres Heiligen Geistes und es mehr und mehr sich ausschließlich zu eigen machen.

Ihr u. s. w.


 

3. Worin besteht der Mut des Christen?

An eine junge Dame.

Januar 1606.

Für eine so gute Tochter, wie Sie sind, deren Herz, wie ich weiß, unerschütterlich in seiner Freundschaft für mich beharrt, nehme ich mir gerne die Zeit, zu antworten, obwohl ich über die Maßen in Anspruch genommen bin von all den Arbeiten, wie solche das Jubiläum seither für mich mit sich brachte. Wahrlich, meine sehr geliebte Tochter, die Entschlüsse, welche Sie mir mitteilen, sind von der Art, dass ich sie nicht besser wünschen könnte. Handeln Sie nur auch recht danach! Lassen Sie ja nicht ab von der heiligen Demut und von der Liebe zur Selbstverachtung. Sie wissen, dass ein Herz, welches Gott lieben will, nur der Gottesliebe gehören darf. Wenn aber dieser selbe Gott demselben eine andere Liebe geben will, so ist's gut; will er es nicht, auch gut. Aber ich denke wohl, unser gutes Kind wird seinem Herzen keinen Zwang antun; ich würde dies bedauern wegen meiner Liebe zu demselben; es wäre nicht wohlgetan.

Ach, meine teure Tochter! Welche verkehrte Ausdrucksweise, Stolz und Eitelkeit Mut zu nennen! Der Christ nennt es Niedertracht und Feigheit, wie er umgekehrt die Geduld, die Sanftmut, Bescheidenheit, Demut, die ergebungsvolle und freudige Hinnahme der Hintansetzung und Verachtung als wahren Mut bezeichnet. Von dieser Art war ja auch der Heldenmut unseres Heerführers, seiner Mutter, seiner Apostel und der tapfersten Streiter jener himmlischen Heerschar, die auch mit diesem Mute Tyrannen überwunden, Könige bezwungen und die ganze Welt für den Gehorsam gegen den Gekreuzigten gewonnen haben. Halten Sie, meine teure Tochter, allen diesen guten Mädchen gegenüber das gleiche Benehmen ein, grüßen Sie dieselben und seien aufmerksam gegen sie; gehen Sie ihnen nicht aus dem Wege, suchen aber auch nicht gerade ihren Umgang, als nur insoweit dieser Ihnen selbst erwünscht ist. Sprechen Sie von all diesen Verhältnissen nur in liebreichster Weise. Suchen Sie jene Seele, welche Sie besuchen müssen, zu irgend einem hervorragenden Entschluss zu bestimmen. Mit Absicht sagte ich „hervorragend”; denn alle diese schwächlichen Entschlüsse, nichts Böses zu tun, genügen nicht. Man muss auch so viel Gutes zu tun trachten, als man vermag, und nicht allein das eigentlich Böse meiden, sondern auch alles, was nicht von und für Gott ist.

So Gott will, werden wir uns vor Ostern sehen. Leben Sie ganz für den, der für uns gestorben ist, und seien mit ihm ans Kreuz geheftet.

In Ewigkeit sei er gepriesen von Ihnen und mir, der ich für immer verbleibe

Ihr u. s.w.


 

4. Ratschläge für eine junge Dame, die in der Welt lebt.

Dezember 1614.

Auf Ihr Schreiben, meine teure Tochter, antworte ich folgendes:

1. Sagen Sie der lieben Marie, die mich so sehr liebt, und die ich noch mehr liebe, sie solle ohne Scheu von Gott reden überall, wo sie glaubt, dass es nützlich sein könne, ohne sich etwas daraus zu machen, was die Zuhörer von ihr denken oder sagen. Mit einem Worte, man darf, wie ich ihr bereits gesagt habe, weder etwas sagen oder tun, um deshalb gelobt zu werden, noch auch etwas zu sagen oder zu tun unterlassen aus Besorgnis, deshalb gelobt zu werden. Das ist noch keine Heuchelei, wenn jemand nicht so gut handelt, als er spricht. Mein Gott, was sollte sonst aus uns werden? Ich müsste dann den Mund halten aus Furcht, in Heuchelei zu fallen. Spräche ich nämlich von der Vollkommenheit, so würde daraus folgen, dass ich mich auch für vollkommen hielte. Nein, wahrlich, meine teure Tochter, wenn ich auch von der Vollkommenheit rede, so halte ich mich darum noch nicht für vollkommen, ebensowenig wie ich mich für einen Italiener halte, wenn ich italienisch spreche. Ich glaube nur die Sprache der Vollkommenheit zu haben, die ich durch den Umgang mit solchen erlernt habe, welche dieselbe redeten.

2. Sagen Sie ihr, sie möge nur in Gottes Namen ihr Haar pudern, da es ja nicht in schlechter Absicht geschieht; die Gedanken, die sie sich deswegen macht, sind nicht der Beachtung wert; man darf seinen Geist nicht in dergleichen Spinngeweben sich verfangen lassen. Der Geist dieses Mädchens ist noch viel kraushaariger als ihr Kopf, darum verwickelt sie sich so leicht. Man muss nicht so engherzig sein, noch auch mit Fragen sich befassen, aus welche unser Herr gar kein Gewicht legt. Sagen Sie ihr, sie möge nur in gutem Glauben voranschreiten an der Hand der schönen Einfalt und Demut, und sich hüten vor allen Irrgängen der Spitzfindigkeit im Reden und Denken. Sie mag nur dreist ihren Kopf pudern; pudern ja doch auch die niedlichen Fasanen ihr Gefieder, damit das Ungeziefer sich nicht bei ihnen einnistet.

3. Sie soll keine Predigt und kein gutes Werk versäumen aus dem Grunde, weil sie andere nicht gerne zur Eile antreibt; tut sie letzteres, so geschehe es mit aller Sanftmut und Ruhe. Ist sie bei der Tafel und kommt das heiligste Sakrament vorüber, so mag sie es im Geiste begleiten, wenn noch andere Leute bei ihr zu Tische sind; ist niemand da, so mag sie es begleiten, wenn sie ohne Hast es noch erreichen kann; alsdann soll sie ruhig wieder zu ihrem Mahle zurückkehren. Unser Herr wollte nicht einmal, dass Martha ihn mit Hast bediente.

4. Ich habe bereits gesagt, dass sie in Fällen, wo es notwendig ist, mit Kraft und Entschiedenheit auftreten könne, um die bewusste Person in Schranken zu halten; dass aber die Kraft umso kräftiger sein werde, wenn sie mit Ruhe gepaart ist und nicht Leidenschaft, sondern die Vernunft aus ihr redet.

5. Die Gesellschaft der Zwölf kann nicht schlimm sein, da die Übungen, die sie vornimmt, gut sind. Indessen muss die gute Maria, die sonst von keinem Vielleicht” etwas wissen will, sich sagen lassen, dass vielleicht doch jene Gesellschaft keine wahre Genossenschaft ist; denn da sie weder das Zeugnis irgend eines Prälaten noch sonst einer glaubwürdigen Person ausweisen kann, so haben wir keine Garantie dafür, dass sie rechtmäßig konstituiert ist; das Statut (festgesetzte Regel) sagt es zwar, führt aber weder den Auctor (Gewährsmann, Urheber) noch Zeugen als Bürgschaft an. Was indessen nichts schaden, wohl aber nützen kann, ist auf alle Fälle als gut anzuerkennen.

6. Ob sie bei der Betrachtung Punkt für Punkt vorgeht, wie wir angeraten, oder nach ihrer gewohnten Weise verfährt, verschlägt wenig. Inzwischen erinnern

wir uns wohl, dass wir ihr angeraten haben, sie möge vorher die Betrachtungspunkte auswählen und versuchen, beim Beginn des Gebetes sich in dieselben zu versenken. Gelingt ihr dieses, so ist das ein Zeichen, dass Gott, wenigstens für jetzt, diese Methode von ihr befolgt haben will. Fühlt sie sich jedoch nachgehends von der gewohnten Gegenwart des Herrn angemutet, so mag sie sich derselben überlassen, auch der Ansprache lauschen, gegen welche ich, so wie ich sie in Ihrem Briefe dargestellt finde, nichts einzuwenden habe. Dabei muss sie jedoch auch zuweilen selber zu jenem erhabenen Wesen, das uns alles ist, reden, da es dessen Wille ist, dass unser Nichts auch etwas tue.

Da Sie übrigens meine Bücher lesen, so habe ich weiter nichts hinzuzufügen, als dass Sie einfach, rückhaltlos, ohne Ziererei und mit Kindeseinfalt sich in die Arme des himmlischen Vaters werfen und von seiner Hand sich führen lassen. – Es freut mich, dass meine Schriften Ihrem Geiste zusagen, der kühn genug war, zu glauben, dass er sich selbst genug sei. Freilich sind dies auch die Bücher Ihres Vaters und kommen aus meinem Herzen, dessen teure Tochter Sie sind nach dem Wohlgefallen Gottes, dem Preis und Ehre sei in Ewigkeit.

 

 

5. Gefahr des eitlen, von Schmeicheleien umgebenen WeltIeben.

An ein Bäschen (Base = Cousine).

Meine teure, wahrhaft geliebte Tochter! Diese arme Seele! Es wäre wirklich ein zu großes Wagnis, sie länger zu lassen, wo sie ist. Denn das weltliche Leben, welches dort an der Tagesordnung ist, ist dermaßen gefährlich, dass es ein Wunder wäre, wenn die Seele aus diesem Kampfe ohne Schädigung hervorginge. Ach, meine arme Tochter, Sie haben recht, darüber zu staunen, dass ein Geschöpf den Willen hat, Gott zu beleidigen, da dies über alles Erstaunen hinausgeht; und doch kommt solches, wie man leider alle Tage sehen kann, häufig genug vor. Erbärmliche Schmeichler reden diesen armen, müßigen Geschöpfen so lange von ihrer Schönheit und Anmut vor, bis sie es glauben. Das ist dann ihr Verderben. Ihr Äußeres kümmert sie dann so sehr, dass sie die Sorge für das Innere aufgeben. Lassen Sie uns daher, meine Tochter, in der Sache tun, was wir können, und dabei im Frieden bleiben.

 


6. Aufforderung an eine junge Dame, die Welt zu verachten und ihre Lebhaftigkeit zu bekämpfen, die ihr sonst gefährlich werden könne.

Ich beantworte Ihr letztes Schreiben, meine gute Tochter! Die Liebesergüsse beim Gebete sind gut, wenn sie gute Wirkungen bei Ihnen zurücklassen, wenn dieselben Sie nicht zu sich selbst, sondern zu Gott und seinem heiligen Willen hinführen. Mit einem Wort: alle inneren und äußeren Regungen sind allezeit gut, wenn Sie dadurch in Ihrer Treue gegen den Willen Gottes gefestigt werden. Lieben Sie also recht die himmlischen Begierden und begehren Sie ebensowohl die himmlische Liebe. Ja mit liebender Sehnsucht und mit sehnsüchtiger Liebe muss unsere Seele sich dem zuwenden, was nie genug ersehnt und geliebt werden kann.

Möge Gott uns die Gnade geben, meine Tochter, recht vollständig die Welt zu verachten, welche so ungerecht gegen uns ist und uns kreuzigt, wenn wir sie kreuzigen. In der Einbildung ist es ziemlich leicht, den Eitelkeiten und Bequemlichkeiten der Welt zu entsagen; in Wirklichkeit ist dies weit schwieriger. Sie haben nun reichlich Gelegenheit, diese Tugend bis zum Äußersten zu üben, indem diese Beraubung noch dazu mit Schmach verbunden ist und Ihnen widerfährt ohne Ihr Zutun und doch mit Ihrem Willen, oder vielmehr richtiger gesagt in Gott, mit Gott und für Gott.

Ich bin nicht zufrieden damit, was ich Ihnen kürzlich auf Ihren ersten Brief bemerkte über diese weltförmige Schlagfertigkeit im Reden und diese Lebhaftigkeit des Geistes, von welcher Sie so leicht sich hinreißen lassen. Machen Sie sich es ein für allemal zum Grundsatze, sich in dieser Hinsicht abzutöten; machen Sie oft das Kreuz über ihren Mund, damit er sich nur auftue nach Gottes Willen.

Wirklich, in der Geistreichigkeit liegt häufig eine Gefahr zur Eitelkeit; und man trägt öfter im Geiste die Nase hoch, als in Wirklichkeit; man kann ebenso liebäugeln mit Worten als mit Blicken. Es ist in der Tat nicht gut, auf den Fußspitzen zu gehen, weder geistig noch körperlich; denn stolpert man, so tut man einen desto schlimmeren Fall. Wohlan also, meine Tochter, seien Sie recht darauf bedacht, vor und nach diese Auswüchse an Ihrem Baume wegzuschneiden; halten Sie Ihr Herz in aller Ruhe tief unten am Fuße des Kreuzes. Fahren Sie fort, mir recht häufig und mit aller Offenherzigkeit Nachrichten über dieses Herz zu geben, welchem das meinige in großer Liebe zugetan ist um dessentwillen, der aus Liebe gestorben ist, damit wir durch seinen heiligen Tod leben sollten in seiner Liebe. Es lebe Jesus!


 


7. Mahnung an eine Nichte, ihr Herz nicht allzusehr an die Liebe zu ihren Eltern hinzugeben.

So wärest Du also wieder, meine teure Tochter, bei Deinem Herrn Vater, den Du betrachtest als ein lebendiges Ebenbild des ewigen Vaters. Wegen dieser Eigenschaft schuldet man ja jenen Ehrfurcht und Gehorsam, durch die er uns das Leben gab.

Behalte ja Deine Seele in Deinen Händen, damit sie Dir nicht entwische, weder zur Linken noch zur Rechten. Mit anderen Worten, weder soll sie verweichlicht werden durch die Zärtlichkeit der Eltern, noch auch entmutigt durch das unwirsche Wesen oder durch die wechselnden Launen Deiner Umgebung.

Ich glaube es wirklich gern, dass der Abschied von Deiner Mutter Dich sehr ergriffen hat; denn letztere schreibt mir ebenfalls, dass sie ihrerseits äußerst niedergeschlagen war. Doch einstmals werden wir ja ewig Zusammen sein dürfen, wenn es dem Ewigen gefällt, und bis dahin lasset uns recht vereinigt bleiben in seiner heiligen Liebe.

Ich bin erstaunt, dass Herr N. sich in die Meinung verrannt hat, man dürfe nicht kommunizieren, ohne die heilige Messe zu hören. Diese Behauptung ist gänzlich grundlos, ja sie hat nicht einmal einen Schein von Grund für sich. Da Du aber dessen ungeachtet Dich darin fügen musst, so verrichte desto öfter die geistige Kommunion, welche niemand Dir wehren kann.

Übrigens, meine liebe Nichte, will Gott Dich auf diese Weise entwöhnen und Dir kräftigere oder vielmehr rauhere Nahrung reichen: denn eine kräftigere Nahrung als die heilige Kommunion gibt es weder im Himmel noch auf Erden.

Die Verweigerung derselben, die für Deine nach seiner heiligen Liebe verlangende Seele umso härter ist, weckt ein umso heftigeres Verlangen danach.

Zu sehr in Anspruch genommen, um Dir mehr schreiben zu können, liebe Nichte, bitte ich unseren Herrn, er möge immerdar in Deinem Herzen sein. In ihm verbleibe ich ganz

Dein u. s. w.


 

8. Aufmunterung zur Standhaftigkeit in den guten Vorsätzen.

Ich flehe Sie an, meine liebe Tochter, verlassen Sie niemals die Fährte der heiligen Entschließungen, welche Sie gefasst haben. Gott, der sie Ihrem Herzen eingegeben hat, wird einst von demselben Rechenschaft darüber verlangen.

Um dieselben aber wohl zu bewahren, halten Sie sich nahe bei dem Heilande; denn nur in seinem Schatten gedeihen und halten sich derartige Früchte.

Ich flehe zu ihm, er möge Sie halten mit seiner heiligen Hand, auf dass Sie nimmermehr abirren von dem heiligen und schmalen Wege, den er Ihnen gezeigt hat. Einer starken Seele ist nichts unmöglich. Immerdar werde ich Sie hochschätzen von ganzem Herzen, indem ich Ihnen zugleich unablässig die Gnade, den Frieden und den Trost unseres Heilandes wünsche, nach dessen Wohlgefallen ich bin

    Ihr u. s. w.


 

9. Man muss mit Zuversicht auf die Gnade der Beharrlichkeit hoffen.

Soll man den Versuchungen ausweichen oder sie bekämpfen? Die besten TrübsaIe sind jene, die uns demütigen.

An eine junge Dame.

Mein Fräulein, ich werde sorgfältig das Briefchen mit Ihrem Gelübde aufheben, und Gott wird über des letzteren Festigkeit wachen. Er war der Urheber desselben und wird sein Erhalter sein. Ich werde zu diesem Ende oftmals das Gebet des hl. Augustin verrichten: „Ach, Herr, da ist ein Küchlein unter den Fittichen deiner Gnade aus dem Ei geschlüpft; entfernt es sich aus dem Schatten seiner Mutter, so wird es dem Habicht zur Beute werden. Gib also, dass es unter dem Schirme der Gnade lebe, der es sein Dasein verdankt.” Aber sehen Sie, meine Schwester, man darf nicht einmal dem Gedanken Raum geben, als werde dieser Entschluss vielleicht nicht von Dauer sein; man muss das für so sicher und ausgemacht ansehen, dass darüber niemals ein Zweifel entstehen kann.

Ich bin Ihnen sehr dankbar für das, was Sie zu Zweien Malen mir über Ihre Neigungen eröffnet haben. Ich erwidere Ihnen darauf, dass unsere Zuneigungen, wie unscheinbar sie auch sein mögen, unsere Seele zerreißen, wenn sie zur Unzeit sich geltend machen wollen. Sorgen Sie, dass Sie dieselben in Ihrer Gewalt behalten, und unterschätzen Sie sie nicht; denn sie wiegen schwer auf der Waage des Heiligtums.

Ihr Wunsch, sich von den Anlässen zu entfernen, an denen Ihre Neigungen sich entzünden könnten, entspricht nicht der uns gestellten Lebensaufgabe. Es würde dies dazu führen, den Kampf aufzugeben. Letzterer ist aber notwendig, ersteres daher unmöglich. Wo keine Gefahr der Todsünde ist, soll man nicht die Flucht ergreifen, sondern alle Feinde besiegen und ausharren im Kampfe trotz mehrfacher Niederlagen.

Ja wahrlich, meine liebe Tochter, erwarten Sie alles von mir, was Sie von einem guten Vater erwarten dürfen; denn ich hege wirklich die Gefühle eines Vaters für Sie; Sie werden es im Laufe der Zeit erfahren, wenn Gott mir beisteht.

Wohlan also, meine gute Tochter, Sie sind jetzt heimgesucht, wie es sein muss, um Gott recht zu dienen; denn Trübsale ohne Erniedrigung blähen häufig das Herz auf, anstatt es zu demütigen. Wie viel Gelegenheit hat man dagegen, Geduld, Demut, Bescheidenheit und Sanftmut des Herzens zu üben, wenn man Leid hat ohne Ehre, oder wenn dasselbe geradezu in Unehre, Erniedrigung und Zurücksetzung besteht.

Der glorwürdige hl. Paulus rühmt sich in heilig triumphierender Demut, dass er mit seinen Genossen als Auswurf und Auskehricht der Welt erachtet werde.

Sie haben, wie Sie mir sagen, noch ein sehr lebhaftes Gefühl für Kränkungen. Aber, meine liebe Tochter, was hat es mit diesem „Noch” für eine Bewandtnis? Haben Sie denn schon viele dieser Feinde überwunden? . . . Sie sollen aber darum doch gutes Mutes sein und der zuversichtlichen Hoffnung leben, es in Zukunft besser zu machen; wir sind ja erst Anfänger, haben aber doch das Verlangen, recht zu handeln.

Um größere Inbrunst im Gebete zu erlangen, müssen Sie großes Verlangen danach tragen. Lesen Sie auch fleißig das Lob des Gebetes, wie solches in vielen Büchern, bei Granada, im Anhang des Belintani und sonst sich findet; denn der Appetit nach einem Gerichte macht, dass es einem trefflich mundet.

Sie sind sehr glücklich, meine Tochter, sich Gott geweiht zu haben. Erinnern Sie sich daran, was der hl. Franziskus tat, als sein Vater ihn von allem entblößt vor den Bischof von Assisi brachte. „Endlich", rief er aus, „werde ich jetzt in Wahrheit sagen: Vater unser, der du bist in den Himmeln, und mit David ausrufen können: Mein Vater und meine Mutter haben mich verlassen, aber der Herr hat mich aufgenommen.” (Psalm 26, 10) Lassen Sie die Umschweife, wenn Sie mir schreiben; denn sie sind durchaus nicht nötig. Ohnehin bin ich von Herzen Ihrer Seele gewogen, die Gott mit seinen reichsten Segnungen begnadigen und sich ganz zu eigen machen wolle. Amen.


 

10. Die Gabe des Gebetes lässt sich nicht erzwingen, sondern ist ein Geschenk des Himmels.

Man muss sich indes mit Sorgfalt darauf vorbereiten. Wie sich eine Jungfrau zu verhalten hat, wenn die Eltern sich ihrem Wunsche, ins Kloster zu gehen, widersetzen.

An eine junge Dame.

Mein Fräulein, Ihr Brief, den ich vor kurzem erhielt, ist mir sehr wert, da er ein deutlicher Beweis Ihres Vertrauens auf meine Zuneigung ist, welche Sie in der Tat – zweifeln Sie nicht daran – ganz und gar gewonnen haben. Ich bedauere nur, dass ich so wenig imstande bin, Ihnen in den Schwierigkeiten, die Ihnen beim Gebete begegnen, Rat zu erteilen. Übrigens weiß ich auch, dass Sie sich an einem Orte und in einer Umgebung befinden, wo es Ihnen daran nicht fehlen kann; aber die christliche Liebe, die so gerne sich mitteilt, trieb Sie an, sich mir gegenüber auszusprechen, um meine Rückäußerung zu vernehmen. So werde ich Ihnen denn einiges über diesen Gegenstand sagen.

Die Unruhe, mit welcher Sie dem betrachtenden Gebete obliegen und die zugleich mit der heftigen Sucht verbunden ist, einen Gegenstand zu finden, der Ihren Geist zu fesseln und zu befriedigen imstande ist, ist allein schon Hindernis genug, dass Sie nicht finden, was Sie suchen. Hundertmal wird man mit Auge und Hand an einem Gegenstände vorübertasten, wonach man zu hitzig sucht.

Dieser unnütze und vergebliche Eifer kann nur ermüdend aus Ihren Geist wirken; und daher rührt dann diese Kälte und Erstarrung ihrer Seele. Zwar weiß ich nicht, welche Mittel Sie dagegen gebrauchen sollen; aber ich glaube, Sie würden schon viel gewinnen, wenn Sie den übergroßen Eifer zu vermeiden wüssten, der einer der größten Verräter ist, mit denen die Gottseligkeit und wahre Tugend jemals zu tun haben können. Er stellt sich, als wolle er uns für das Gute erwärmen, will aber in Wirklichkeit uns nur kalt dagegen machen; er treibt uns nur zum Laufen an, damit wir straucheln sollen. Deshalb muss man allerwegen, besonders aber beim Gebete demselben auf der Hut sein.

Damit Ihnen dieses um so leichter werde, erinnern Sie sich, dass die Gnaden und Wohltaten des Gebetes nicht Wasser von der Erde, sondern vom Himmel sind, und dass folglich alle unsere Anstrengungen an sich nicht imstande sind, uns dieselben zu erringen, wenngleich es wahr bleibt, dass man sich Gebete mit großer, aber zugleich demütiger und ruhiger Sorgfalt vorbereiten muss.

Man hat nur das Herz dem Himmel offen zu halten und zu harren auf den heiligen Tau von oben.

Vergessen Sie sodann niemals beim Beginn Ihrer Betrachtung zu beherzigen, dass man sich in derselben hauptsächlich aus zwei Gründen Gott naht und in seiner Gegenwart erscheint.

Erstens, um Gott die Ehre und Huldigung darzubringen, die wir ihm schuldig sind. Dieses kann aber geschehen, ohne dass er zu uns oder wir zu ihm sprechen. Denn diese Pflicht erfüllen wir durch die Anerkenntnis, dass er unser Gott ist und wir seine geringen Geschöpfe, und indem wir im Geiste vor ihm niedergeworfen bleiben und seiner Befehle harren.

Wie viele Höflinge gibt es nicht, die hundertmal vor dem Könige erscheinen, nicht um mit ihm zu reden oder etwas aus seinem Munde zu hören, sondern nur um von ihm gesehen zu werden und durch diese Beflissenheit an Tag zu legen, dass sie seine Diener sind! So handelt man auch in sehr guter, heiliger, reiner und folglich äußerst vollkommener Absicht, wenn man vor Gott hintritt, nur um zu zeigen und darzutun, dass man zu seinem Dienste bereit und verpflichtet ist.

Der zweite Zweck, wegen dessen man vor Gott erscheint, ist die Absicht, mit ihm zu reden und ihn mittels seiner inneren Einsprechungen und Anregungen zu uns reden zu hören. Gewöhnlich ist dieser Verkehr mit Gott mit dem süßesten Wonnegefühl verbunden, da es ein hohes Glück ist, mit einem so großen Herrn sprechen zu dürfen, und vollends seine Antwort wie tausendfacher Balsamduft und köstliches Salböl die Seele mit Entzücken überströmt.

Nun, meine liebe Tochter – Sie wollen ja, dass ich Sie so nenne –, das eine dieser beiden Güter kann Ihnen niemals bei dem Gebete entgehen. Sind wir imstande, mit unserem Herrn zu sprechen, so tun wir es; preisen wir ihn, flehen wir zu ihm und hören auf ihn; können wir nicht sprechen, weil wir heiser sind, so bleiben wir gleichwohl im Zimmer, um unsere Aufwartung zu machen: er wird uns bemerken, unsere Geduld in Gnaden ansehen und unser Stillschweigen huldreich aufnehmen. Ein andermal wird er uns zu unserer größten Überraschung bei der Hand nehmen und in vertrauter Zwiesprache mit uns unter den schattigen Laubgängen seines Gebetsgartens hundertmal auf und ab gehen. Täte er dies aber auch niemals, so geben wir uns damit zufrieden, dass es unsere Schuldigkeit ist, in seinem Gefolge zu sein, und dass es schon eine hohe Gnade und eine übergroße Ehre ist, wenn er uns überhaupt in seiner Gegenwart duldet.

Unter diesen Umständen werden wir uns nicht übermäßig abmühen, zu ihm zu sprechen, weil die andere Vergünstigung, in seiner Nähe weilen zu dürfen, uns nicht weniger nützlich, ja vielleicht bei weitem zuträglicher ist, mag es auch unserem Geschmack nicht ganz so zusagen. Wenn Sie also vor dem Herrn erscheinen, so sprechen Sie mit ihm, wenn Sie können; können Sie es nicht, so bleiben Sie doch da, machen Ihre Aufwartung und kümmern sich um weiter nichts. Das ist mein Rat; ich weiß nicht, ob er gut ist; aber ich mache mir keine Sorge deswegen, da Sie, wie bereits bemerkt, an einem Orte sind, wo besserer Rat Ihnen nicht fehlen kann.

Was die Besorgnis anlangt, das Verlangen, Karmelitin zu werden, möchte sich infolge des weiten Termins, den Ihr Vater für die Erfüllung desselben festsetzen will, verlieren, so sagen Sie dem lieben Gott: „Herr, mein ganzes Herz ist vor dir“ (Ps. 37, 10: „Herr, vor dir ist all mein Sehnen, und mein Seufzen ist nicht verborgen vor dir.“), und lassen ihn machen; er wird das Herz Ihres Vaters lenken und es zu seiner Ehre und zu Ihrem Heile wenden. Nähren Sie jedoch Ihr gutes Verlangen und suchen es lebendig zu erhalten unter der Asche der Demut und der Ergebung in den Willen Gottes.

Mein Gebet, um welches Sie bitten, fehlt Ihnen nicht; ich könnte Ihrer nicht vergessen, zumal bei der heiligen Messe. Ich hege das Vertrauen zu Ihrer Christenliebe, dass ich auch in Ihrem Gebete nicht vergessen werde (Vgl. Philothea II, 9 „Über die bei der Betrachtung sich einstellende Geistesdürre”).


 

11. Ratschläge für Gebet und Betrachtung. Mahnung zur Sanftmut im Umgang und zur Unterwerfung unter den Willen Gottes.

An eine Dame von sehr lebhaftem Geiste.

Ich versichere Sie, meine teure Tochter, es ist dies die erste freie Stunde, die ich habe; trotz meiner tausenderlei Geschäfte stehle ich mir dieselbe ab, um Ihnen einigermaßen ausführlich über den Gegenstand zu schreiben, in Betreff dessen Sie im Interesse Ihrer teuren Seele bei mir angefragt haben. Seien Sie überzeugt, ich wünsche von Herzen, Ihnen so gut zu raten, wie mir selbst.

O wie glücklich sind Sie, meine teure Tochter, dass Sie von der Welt und ihren Eitelkeiten sich losgesagt haben! Gewiss, wie ich in der kurzen Zeit, seit ich Sie beobachte, Sie kennen gelernt habe, war Ihre Seele in ganz vorzüglichem Maße für die himmlische Liebe geschaffen und nicht für die irdische. Opfern Sie also recht oft alle Ihre Gefühle Gott auf, indem Sie vor ihm Ihren Entschluss erneuern, keinen einzigen Augenblick Ihres Lebens mehr anders als zum Dienste der heiligen Liebe Ihres himmlischen Bräutigams zu verwenden:

1. Verrichten Sie sorgfältig die Morgenandacht in der Weise, wie sie in der Philothea angegeben ist (Philothea II, 10), und wenn Sie auch bei der Raschheit Ihres Geistes mit einem einzigen Blicke die sämtlichen Punkte dieser Andacht überschauen, so verwenden Sie doch so viele Zeit darauf, als man nötig hat, zweimal das Vaterunser zu beten; alsdann beten Sie mündlich fünf oder sechs Worte der Anbetung und schließen mit dem Vaterunser und dem Glaubensbekenntnisse.

2. Nach dem Morgengebete legen Sie sich ein Geheimnis aus dem Leben oder Leiden unseres Herrn für die Betrachtung zurecht, welche Sie anstellen, wenn es Gottes Wille ist. Fühlt sich aber bei der Betrachtung Ihr Herz gefesselt von der einfachen Gegenwart des Geliebten, so brauchen Sie nicht weiter zu gehen, sondern bleiben nur in seiner Gegenwart stehen. Sollten Sie aber, obwohl in der Gegenwart Gottes, sich von derselben nicht angemutet fühlen, so fahren Sie ruhig in der Betrachtung des Stoffes fort, den Sie vorbereitet haben.

3. Verrichten Sie übrigens jeden Tag Ihre Betrachtung, wenn nicht gerade unausweichliche Geschäfte Sie daran hindern. Sie haben mir ja gesagt, dass die fortgesetzte Übung dieser heiligen Gebetsweise bei Ihnen eine fühlbare Zunahme der Geistessammlung, die Unterlassung aber den Verlust derselben hervorruft.

4. Um indessen diese So nützliche Gebetsübung der seltenen Lebhaftigkeit und raschen Auffassungsgabe Ihres Geistes anzupassen, so wird es genügen, wenn Sie täglich eine kleine halbe oder auch eine Viertelstunde dazu verwenden. Wenn Sie außerdem noch während der Stunden des Tages mittels häufiger Anmutungen und Stoßgebetlein Ihr Herz vor Gottes Angesicht zurückführen, so wird das übrig genug sein, um dasselbe mit dem göttlichen Gegenstande seiner Liebe vereinigt zu halten. Um Zeit zu gewinnen, könnten Sie die Betrachtung täglich auch während der Messe halten.

5. Würden Sie infolge der Betrachtung oder wenn Sie sonst sich in die Gegenwart Gottes versetzen, Kopfweh oder sonstige Beschwerden empfinden, so dürfen Sie Ihren Verstand nicht weiter anspannen, sondern nur Herz und Willen in stillen, innigen Worten zu Gott reden lassen. Damit wird Ihre Bemerkung erledigt sein, dass anfänglich der Gedanke an Gottes Gegenwart Ihnen den Kopf anstrenge, was Ihnen zuweilen sehr beschwerlich sei.

6. Kommen Tränen, so lassen Sie denselben freien Lauf; werden sie aber zu häufig und wird die Rührung zu stark, so suchen Sie womöglich Ihren Geist zu erheben, um friedsamer und ruhiger die Geheimnisse auf den höheren Teil Ihrer Seele einwirken zu lassen. Nicht sollen Sie Gewalt brauchen, um das Seufzen, Schluchzen und Weinen zu unterdrücken, sondern sollen mit sanfter Hand Ihrem Herzen eine andere Richtung zu geben suchen, indem Sie dasselbe allmählich mittels süßer Anmutungen zur reinen Liebe Ihres göttlichen Bräutigams erheben: „O wie liebenswert bist du, Vielgeliebter! O wie erhaben in deiner Güte, und wie schlägt dir mein Herz entgegen!” oder auch mit anderen Worten, wie eben Gott Sie zieht.

7. Sie sagen mir, dass Sie, solange Sie zu Hause waren, sehr wenig gebetet haben, da Ihr Geist zu tätig und beweglich sei und sich nicht zügeln lasse; und dennoch, sage ich Ihnen, muss er gezügelt und seiner Beweglichkeit ein Hemmschuh angelegt werden, damit derselbe sich eine sanfte, ruhige und den Umständen angemessene Art der Tätigkeit angewöhne. Glauben Sie ja nicht, dass Ruhe und Besonnenheit die Gewandtheit in der Arbeit beeinträchtigen; im Gegenteile verleihen diese Tugenden allem, was man tut, ein besseres Gelingen.

Sie können nun die Sache folgendermaßen angreifen: Kommt Ihnen etwa gemäß der Armseligkeit dieses Lebens das Bedürfnis, zu essen, so müssen Sie sich schön zu Tische setzen und ruhig sitzen bleiben, bis Sie mit allem Anstande Ihren Leib erquickt haben. Oder Sie wollen schlafen gehen, so kleiden Sie sich ganz ruhig aus; und müssen Sie ausstehen, so tun Sie es in aller Ordnung, ohne ungeordnete Bewegungen, ohne lautes Reden, ohne Ihre Dienerinnen durcheinander zu jagen, und verfahren ebenso bei allen sonstigen Anlässen, indem Sie Ihre Naturanlage umbilden und allmählich an die heilige Gelassenheit und Mäßigung gewöhnen. Denen, welche von Natur schlaff und träge sind, rufen wir zu: Sputet euch, die Zeit ist kostbar! Ihnen aber rufen wir zu: Langsam voran, denn der Friede, die Ruhe und die Sanftmut des Geistes sind kostbare Dinge, und nützlicher wendet man die Zeit an, wenn man sie friedlich verwendet.

8. Was Ihre alte Versuchung angeht, meine teure Tochter, so gebe ich Ihnen die feste Versicherung, dass Sie Gott nach dem Willen seiner Vorsehung treu dienen, wenn Sie mit aller Demut sich dem Ratschlusse des Himmels fügen, welcher Ihnen den Stand angewiesen hat, in welchem Sie sich befinden. Will man glücklich die Überfahrt machen von diesem Leben zu dem künftigen, so muss man in dem Schifflein bleiben, worin man ist, und muss gerne und mit Freude darin bleiben. Mag man vielleicht auch nicht durch Gottes Hand, sondern durch die Hand der Menschen an seinen Platz gesetzt sein, wenn man einmal da ist, so will auch Gott, dass man da sei, und folglich muss man gerne und ohne Widerstreben da bleiben.

O wie manche Geistliche gibt es, die, von schlimmen Vorspiegelungen verlockt oder von ihren Eltern genötigt, das Schifflein ihres Berufes bestiegen haben; sie machen aus der Not eine Tugend, und bleiben aus Liebe da, wohin Gewalt sie gebracht hat. Was sollte auch sonst aus ihnen werden? Je weniger Wahl uns bleibt, desto mehr Unterwürfigkeit unter den Willen des Himmels können wir an den Tag legen. Möge also meine teure Tochter dem Willen Gottes sich fügen und oftmals von ganzem Herzen sprechen:

Ja, ewiger Vater, so will ich bleiben, weil es also dir wohlgefällig ist.“

Ja, meine teure Tochter, ich beschwöre Sie, mit aller Treue sich auf die Ergebung in Ihre Verhältnisse einzuüben und an die Forderungen Ihres Standes zu gewöhnen. Weiterhin, meine Tochter, müssen Sie manchmal bei gegebener Veranlassung die bewussten Personen, gegen welche Sie Abneigung hegen, beim Namen rufen, und wenn Sie die unangenehmste darunter vor sich haben, müssen Sie zuweilen bei Ihren Vorhaltungen auch ein Wort der Hochachtung einfließen lassen. Diese Mahnung ist von so großer Wichtigkeit für die Vervollkommnung Ihrer Seele, dass ich sie gerne mit meinem Blute schreiben möchte.

Wie wollen wir denn auch besser unsere Liebe gegen den beweisen, der so viel für uns gelitten hat, als gerade bei Abneigung, Widerwillen und Widerspruch?

Wir müssen unseren Kopf beugen unter die Dornenkrone der Widerwärtigkeiten, unser Herz durchbohren lassen von der Lanze des Widerspruches, müssen Galle und Essig trinken, müssen mit einem Worte Wermut und Bitterkraut verschlucken, da Gott es so will.

Kurz, meine teure Tochter, da Sie ehedem von ganzem Herzen die Versuchung gehegt und gepflegt haben, so müssen Sie jetzt von ganzem Herzen diese Ergebung hegen und pflegen. Sollte Ihnen auch das Verhalten jener Person die Erfüllung dieser Pflicht noch so sehr erschweren, ändern Sie nichts, ohne vorher die Ewigkeit ins Auge gefasst, Ihr Herz in Ruhe gebracht und, falls die Sache dringend ist, bei einem würdigen Diener Gottes oder auch bei mir, der ich Ihr Vater bin, im Falle die Zeit es erlaubt, Rats erholt zu haben. Der Feind, wenn er sieht, dass wir durch unsere Ergebung in den göttlichen Willen über diese Versuchung Herr werden, wird sicherlich alles in Bewegung setzen, um uns zu verwirren.

9. Möge übrigens die hochheilige, göttliche Demut immer und überall bei Ihnen leben und herrschen! Kleiden Sie sich einfach, jedoch so, wie es die Wohlanständigkeit und Schicklichkeit in Ihrem Stande erfordert, in der Art, dass Sie die jungen Damen nicht abschrecken, sondern zur Nachahmung anlocken. Ihre Worte seien einfach, höflich und freundlich, Ihr Benehmen weder zu gezwungen und zurückhaltend, noch auch zu frei und zu aufdringlich, Ihre Miene immer offen und heiter, kurz, in allen Stücken herrsche bei Ihnen Anmut und Bescheidenheit, wie es sich ziemt für eine Tochter Gottes.

Ich verbleibe u. s. w.



 

12. Der Heilige ermuntert eine seiner Nichten zur Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes und zu eifrigem Fortschritt in der heiligen Liebe.

Meine teure Nichte! Zwar habe ich erst kürzlich Dir geschrieben; aber mein Herz, welches Dich zärtlich liebt, kann es sich nicht versagen, Dir einen schwachen Beweis davon zu geben, indem ich Dir so oft schreibe, als ich kann.

Lebe ganz in unserem Herrn, meine liebe Tochter! Er sei das Wasser, in welchem Dein Herz schwimmt; und gleichwie der Seiltänzer auf der Leine stets die Balancierstange in den Händen hat, um seinen Körper auf so gefährlichem Pfade stets damit im Gleichgewicht zu erhalten, ebenso musst auch Du das heilige Kreuz unseres Herrn fest in Händen halten, um sicher zwischen den Gefahren hindurch zu gehen, welche die verschiedenen Begegnisse sowie das gesellschaftliche Leben Deinem Herzen bereiten; damit so alle Regungen desselben ein Gegengewicht finden an dem einzigen und liebenswürdigen Willen Desjenigen, dem Du Dich ganz mit Herz und Sinn ergeben hast.

Hüte es wohl, dieses Herz, für welches das Herz Gottes betrübt gewesen ist bis zum Tode und nach dem Tode mit dem Eisen durchbohrt wurde, damit das deinige auflebe nach dem Tode und voll Freude sei all sein Leben lang.

Töte es recht ab in seinen Freuden und suche es zu erfreuen in seinen Abtötungen; wandle mutig von Tugend zu Tugend, bis Du die höchste Stufe der göttlichen Liebe erreicht hast. Freilich ganz erreichen wirst Du sie nie, da diese heilige Liebe so wenig eine Grenze hat, als ihr Gegenstand, der die höchste Güte selbst ist.

Nun, Gott befohlen, teure Nichte! Bleibe mir in beständiger Liebe gewogen als einem Mann, der vor allen in der Welt Dir wahre und echte Tröstungen wünscht; ja, mein Kind, ich wünsche Dir die Fülle der göttlichen Liebe, die da ewiglich sein und bleiben wird das einzige Gut unserer Herzen, welche uns ja nur gegeben sind für Den, der uns das seinige ganz geschenkt hat.

Ich bleibe von Herzen Dein ganz

ergebener Oheim.


 


 

13. Mahnung zur Sanftmut.

An eine junge Dame.

Ich bitte Gott um seinen Segen für Ihr Herz, meine liebe Tochter, und richte meinem Versprechen gemäß folgende Worte an Sie.

Sie sollten jeden Morgen vor allem Gott bitten um jene Sanftheit des Geistes, die er von den Seelen fordert, die ihm dienen, und sollten den Vorsatz machen, sich recht in dieser Tugend zu üben, namentlich den beiden Personen gegenüber, gegen welche Sie die meisten Verpflichtungen haben.

Sie müssen es unternehmen, sich in diesem Stücke recht beherrschen zu lernen, und müssen hundertmal des Tages sich daran erinnern, indem sie zugleich diesen guten Entschluss Gott anempfehlen. Denn ich sehe nicht, was Sie sonderlich mehr zu tun hätten, um Ihre Seele recht dem Willen Gottes zu unterwerfen, als dieselbe von Tag zu Tag mehr zu sänftigen und dabei Ihr Vertrauen auf seine Güte zu setzen. Sie werden glücklich sein, wenn Sie so handeln: denn dann wird Gott inmitten Ihres Herzens wohnen und dort herrschen in aller Ruhe.

Sollte es Ihnen aber begegnen, dass Sie sich wieder einmal vergessen, so verlieren Sie mir ja den Mut nicht, sondern fassen sich sogleich wieder und fahren ganz so fort, als wären Sie nicht gestrauchelt.

Dieses Leben ist kurz; es ist uns nur gegeben, um das jenseitige zu gewinnen. Sie werden es gut anwenden, wenn Sie mit Sanftmut jenen beiden Personen begegnen, mit welchen Gott Sie zusammengeführt hat. Beten Sie für meine Seele, damit Gott dieselbe an sich ziehe.


 


 

14. Mahnung zur Friedfertigkeit, Eintracht und Sanftmut.

An ein Schwesterpaar.

Sicherlich, liebe Tochter, bedarf es nur eines Briefes für zwei Schwestern, die nur ein Herz und eine Seele sind. Wie heilsam ist Euch das, so schon zusammenzuhalten! Diese Einigung der Seelen ist jenem kostbaren Salböl vergleichbar, welches nach dem Worte des königlichen Sängers über den Hohepriester Aaron ausgegossen ward (Vgl. Ps. 132, 2.); es waren darin mehrere wohlriechende Flüssigkeiten also gemischt, dass davon ein lieblicher Wohlgeruch ausströmte. Doch ich will diesen Gedanken nicht weiter verfolgen.

Was Gott durch die Bande des Blutes und der Zuneigung verbunden hat, ist unzertrennlich, solange derselbe Gott in uns herrscht; und herrschen soll er ja in uns bis in Ewigkeit. Wohlan also, meine lieben Töchter, fahret also fort, so zu leben, freundlich und liebreich gegen alle, demütig und mutvoll, rein und aufrichtig in allem. Welchen besseren Wunsch konnte ich für Euch hegen?

Seid wie geistliche Bienlein, die nichts als Honig und Wachs in ihre Zellen tragen. So möge auch Eure Wohnung ganz erfüllt sein von Sanftmut, Frieden, Eintracht, Demut und Frömmigkeit, die Ihr in Eurem Umgang bekundet.

Schließlich bitte ich Euch, zu glauben, dass keine Entfernung des Ortes oder der Zeit jemals die zarte und starke Zuneigung auslöschen wird, welche unser Heiland mir zu Euren Seelen gegeben hat, welchen die meinige in vollkommenster und unwandelbarer Liebe zugetan ist. Da die Verschiedenheit Eurer Stellung es mit sich bringen kann, dass ich Euch mitunter je besonders schreibe, unbeschadet der Gleichheit Eurer Gesinnung, so werde ich solches wohl ein andermal tun; für jetzt mag es genügen, Euch zu sagen, meine lieben Töchter – und ich bitte, es vorbehaltlos zu glauben –, dass ich bin

Euer u. s. w.


 

15. Man muss nicht unmöglichen Idealen nachjagen, sondern in Demut eine erreichbare Vollkommenheit erstreben.

An eine junge Dame.

Mein Fräulein, ich empfing durch meinen Bruder einen Brief von Ihnen und und danke Gott, dass er Ihrem Geiste einiges Licht gegeben hat. Wenn letzterer noch nicht völlig zu sich gekommen ist, so darf man sich darüber nicht wundern. Geistige wie leibliche Fieber lassen gewöhnlich Nachwehen zurück, die dem Genesenden aus verschiedenen Ursachen, sonderlich aber deswegen nützlich sind, weil sie die Überbleibsel der bösen Säfte, welche Ursache der Krankheit waren, bis auf die letzte Spur verzehren, und weil sie als eine Erinnerung an das frühere Übel uns in steter Furcht vor dem Rückfall erhalten, in den wir sonst durch zu große Freiheit und Unvorsichtigkeit verfallen könnten, wenn jene Nachwehen mit ihrer Drohung uns nicht im Zaume hielten und zur Vorsicht mahnten, bis unsere Gesundheit vollends befestigt ist.

Nachdem Sie aber nun, meine gute Tochter, den schrecklichen Weg, den Sie zu gehen hatten, zur Hälfte zurückgelegt haben, sollten Sie jetzt, wie mich dünkt, ein wenig Rast halten und einmal recht die Eitelkeit des menschlichen Geistes betrachten, wie derselbe so sehr geneigt ist, sich in sich selbst zu verwirren und zu verwickeln.

Es ist mir nämlich gewiss, Sie werden leicht erkennen, dass die inneren Kämpfe, welche Sie durchzumachen hatten, durch eine Menge von Vorspiegelungen und Wünschen verursacht wurden, welche aus einem ungestümen Drange nach einer eingebildeten Vollkommenheit hervorgingen; das heißt: Ihre Einbildungskraft hatte Ihnen das Ideal einer absoluten Vollkommenheit vorgespiegelt; Ihr Wille nahm sich vor, dasselbe zu verwirklichen, aber, entsetzt vor der großen Schwierigkeit oder vielmehr Unmöglichkeit, blieb er in den Geburtswehen stecken. Aus diesem Grunde erschöpften Sie sich in einer Menge unnützer Wünsche, die wie Drohnen und Hornisse den Honig des Bienenstockes verzehrten, während die wahren und guten Wünsche vergebens nach Befriedigung schmachteten. Jetzt also schöpfen Sie ein wenig Atem und suchen wieder zu sich zu kommen; und durch die Betrachtung der Gefahren, denen Sie entronnen sind, wehren Sie jene ab, welche nachkommen können.

Halten Sie alle Wünsche für verdächtig, welche nach der allgemeinen Ansicht wohldenkender Leute nicht verwirklicht werden können; wie z. B. das Verlangen nach einer gewissen christlichen Vollkommenheit, die man sich wohl vorstellen, aber nicht ausüben kann, und die wohl einzelne lehren, niemand aber im Leben betätigt (Vgl. Philothea III, 37 : „Über unnütze und schädliche Wünsche”).

Bedenken Sie, dass die Tugend der Geduld diejenige ist, welche uns am meisten die Vollkommenheit sichert; und wenn man dieselbe anderen gegenüber nötig hat, so muss man sie auch gegen sich selbst üben. Diejenigen, welche nach der reinen Liebe Gottes streben, müssen noch mehr Geduld mit sich selbst als mit anderen haben. Wir müssen unsere Unvollkommenheiten ertragen, um die Vollkommenheit zu erlangen; ich sage: mit Geduld tragen, aber nicht lieben oder hegen. Das ist ein Leiden, aus dem die Demut ihre Nahrung zieht.

Man muss eingestehen, was wahr ist: wir sind arme Leute, die nichts gut verrichten können; aber Gott, der unendlich gut ist, begnügt sich mit unseren kleinen Dienstleistungen und nimmt vorlieb mit der Zubereitung unseres Herzens (Vgl. Ps. 9, 17: „Der Armen Sehnen erhört der Herr, die Zubereitung ihres Herzens hört sein Ohr“.).

Was ist nun aber unter dieser „Zubereitung unseres Herzens" zu verstehen? Nach der Heiligen Schrift ist Gott größer als unser Herz, unser Herz größer als die ganze Welt, wenn es, von sich selbst absehend, in der Betrachtung den Dienst zubereitet, den es Gott schuldet, d. h. wenn es seine auf den Dienst und die Ehre Gottes, die tätige Liebe zum Nächsten, die Abtötung der äußeren und inneren Sinne, und andere Tugendübungen hinzielenden Vorsätze fasst; in solchen Augenblicken tut es Wunder, macht Zurüstungen und erhebt seine Handlungen auf einen Grad wunderbarer Vollkommenheit. Diese ganze Zubereitung steht inzwischen immer noch in keinem Verhältnis zu der Größe Gottes, der unendlich größer ist als unser Herz; dennoch überragt dieselbe an Größe und Bedeutung die Welt, aber auch unsere Kräfte und Handlungen in deren äußerlicher Ausgestaltung.

Eine Seele, welche die Größe Gottes betrachtet und seine unendliche Güte und Würde, kann nicht genug bekommen, hochherzige und wunderbare Zubereitungen für ihn zu machen. Sie bereitet ihm eine abgetötete Sinnlichkeit ohne Empörung, ein andachtvolles Gebet ohne Zerstreuung, Sanftmut des Umgangs ohne Bitterkeit, Demut ohne jede Anwandlung der Eitelkeit.

Das ist nun alles recht schön; es sind gute Zubereitungen; ja man müsste von Rechts wegen noch mehr tun, um Gott nach Pflicht zu dienen; aber schließlich ist die Frage, wer Hand ans Werk legt. Denn wenn es auf die Ausführung ankommt, werden wir kleinlaut und sehen ein, dass alle diese Vollkommenheiten bei uns weder so erhaben noch so vollendet sein können. Wohl kann man sein Fleisch abtöten, aber nicht so vollständig, dass es sich nicht mehr empörte; unsere Andacht wird oftmals durch Zerstreuungen gestört bleiben, und so mit allem.

Soll man aber deswegen sich beunruhigen, verwirren, aufregen, betrüben?

Nein, gewiss nicht.

Ist es also nötig, eine Welt von Wünschen in Bewegung zu setzen, um zu jenen Merkmalen der Vollkommenheit zu gelangen? Nein, durchaus nicht. Wohl dürfen wir zum Zeichen unserer Dankbarkeit uns gewisse fromme Wünsche gestatten. Ich darf wohl sagen: ach, warum bin ich nicht so eifrig wie die Seraphim, um besser meinem Gott zu dienen und mehr ihn zu loben? aber ich soll nicht mich dabei aufhalten, in der Weise danach zu verlangen, als müsste ich wirklich in dieser Welt schon eine so ausgesuchte Vollkommenheit erreichen; soll nicht sagen, ich will es, ich werde es versuchen, und wenn ich's nicht erreiche, werde ich mich ärgern.

Ich will nicht sagen, man solle sich nicht nach dieser Richtung hin auf den Weg begeben; sondern nur, man solle nicht verlangen, das Ziel in einem Tage zu erreichen, an dem einen Tage dieses sterblichen Lebens; denn dieses Verlangen würde uns nur quälen und für nichts sein. Um eine Reise glücklich zurückzulegen, muss man sich bemühen, das zunächst vor uns liegende Stück Weges, den ersten Tagemarsch gut abzumachen, nicht aber verlangen, schon die letzte Tagreise anzutreten, während noch die erste zurückzulegen bleibt.

Eins sage ich Ihnen, merken Sie sich es wohl: Wir halten uns zuweilen so lange dabei auf, gute Engel sein zu wollen, dass wir nachgerade nicht einmal mehr gute Menschen sind. Unsere Unvollkommenheit wird uns begleiten bis zum Grabe; wir können nicht gehen, ohne die Erde zu berühren. Man muss sich auf derselben weder niederlegen noch hinkriechen, darf aber ebensowenig daran denken, zu fliegen, denn wir sind Küchlein, denen die Flügel noch nicht gewachsen sind. Wir sterben allmählich, und so müssen wir auch von zu Tag unsere Unvollkommenheiten mehr und mehr mit uns hinwegsterben lassen; Unvollkommenheiten, die uns teuer sein sollten, insofern sie uns Armseligkeit zum Bewusstsein bringen, in der Demut und Selbstverachtung uns üben, in Geduld und Tätigkeit uns erhalten, und ungeachtet derer Gott ansieht die Bereitwilligkeit unserer Herzen, die eine vollkommene ist.

Ich weiß nicht, ob ich den wunden Fleck bei Ihnen treffe; aber ich wollte Ihnen dieses sagen, weil ich annehme, Ihr bisheriges Übel sei zum Teil daher gekommen, dass Sie einen zu hohen Flug genommen haben. Wo Sie nun sehen, dass Sie nur sehr wenig erreicht haben, dass Ihre Kräfte unzureichend waren, um Ihre Wünsche, Absichten und Ideen zu verwirklichen, so haben Sie Herzeleid, Ungeduld, Unruhe und Verwirrung empfunden; dann folgte Entmutigung, Abspannung, Niedergeschlagenheit und Herzensschwäche; ist es so, dann lassen Sie sich dadurch warnen für die Zukunft.

Bleiben wir am Lande, da das hohe Meer uns Schwindel und Übelkeit verursacht. Bleiben wir mit der hl. Magdalena, deren Fest nur heute feiern, bei den Füßen des Herrn; üben wir gewisse kleine Tugenden, wie sie kleinen Leuten geziemen. Kleiner Krämer, kleiner Korb. Halten wir uns an die Tugenden, die man mehr nieder- als aufsteigend übt, und denen man daher auch mit unseren schwachen Kräften nachkommen kann: nämlich Geduld, Nachsicht mit dem Nächsten, Gefälligkeit, Demut, Sanftmut, Freundlichkeit, Ertragung unserer Unvollkommenheit und ähnliche kleine Tugenden. Ich sage nicht, dass man mittels des Gebetes nicht höher steigen solle, aber nur Schritt für Schritt.

Ich empfehle Ihnen die heilige Einfalt; blicken Sie nur vor sich und nicht, wie Sie mir geschrieben haben, auf die Gefahren, die Sie in der Ferne sehen. Dieselben kommen Ihnen vor wie feindliche Heersäulen und sind doch nur alte Weidenstümpfe; und während Sie ängstlich darauf hinblicken, könnten Sie leicht einen Fehltritt tun. Haben wir den festen und allgemeinen Vorsatz, Gott zu dienen von ganzem Herzen und all unser Leben lang, so lassen Sie uns darüber hinaus nicht sorgen für den folgenden Tag (Matth. 6, 34.), sondern sinnen nur darauf, Gutes zu tun für heute. Wenn der morgige Tag gekommen ist, wird er auch heute heißen, und dann wollen wir auch an ihn denken. Man muss auch in dieser Beziehung ein großes Vertrauen und große Ergebung in die göttliche Vorsehung haben und nur für einen Tag das nötige Manna sammeln, und nicht mehr. Zweifeln wir nicht, Gott wird morgen anderes regnen lassen, ebenso übermorgen und alle Tage unserer Pilgrimschaft.

Ich billige durchaus die Meinung des Pater N., dass Sie einen geistlichen Führer haben müssen, unter dessen Leitung Sie Ihre Seele allgemach (allmählich) in Ordnung bringen können. Es wird nicht gerade ein Unglück sein, wenn Sie keinen anderen haben, als den süßen Jesus, welcher zwar nicht will, dass man die Führung seiner Diener verachte, wenn man sie haben kann, aber sie in jedem Betracht ersetzt, wenn sie uns fehlen sollte. Nur in diesem äußersten Falle werden Sie es erfahren, wenn derselbe bei Ihnen eintreten sollte.

Was ich Ihnen schrieb, sollte nicht Sie abhalten, brieflich mit mir zu verkehren und mir Mitteilungen über Ihre Seele zu machen, die ich so zärtlich liebe, sondern sollte das übertriebene Vertrauen zu mir abkühlen, da ich ja bei meinen unzulänglichen Kräften und Ihrer Entfernung Ihnen nur sehr wenig nützlich sein kann, wie sehr ich Ihnen auch in Jesu Christo zugetan und ergeben bin. Schreiben Sie mir also mit Vertrauen, und zweifeln Sie keineswegs, dass ich getreulich antworte.

Ich habe in diesem Briefe, der allein für Sie bestimmt ist, alles zur Sprache gebracht, was Sie wünschen können. Beten Sie recht für mich, ich bitte inständig darum. Es ist unglaublich, wie sehr ich mich durch meine große und schwere Bürde gedrückt und niedergebeugt fühle; Sie schulden mir diesen Liebesdienst nach den Gesetzen unserer Freundschaft. Auch suche ich ja denselben zu erwidern, indem ich Ihrer fortwährend am Altäre und in meinen schwachen Gebeten gedenke. Gepriesen sei unser Herr! Ich bitte ihn, er möge Ihr Herz, Seele und Leben sein, und verbleibe

Ihr Diener n. s. w.



 

16. Wichtigkeit der Zeit in ihrer Beziehung zur Ewigkeit. Man soll zufrieden sein mit dem Stande, zu welchem man von Gott berufen ist, und nicht nach einem höheren und vollkommeneren verlangen.

An eine junge Dame.

Dieses Leben ist kurz, liebe Tochter, aber dennoch von hohem Werte, da man mittels desselben das ewige Leben gewinnen kann. Selig, wer es in dieser Weise zu verwenden versteht! Aber auch Sie, meine teure Tochter, haben alle Ursache, Gott dankbar zu preisen, da er mit einer ganz besonderen Vorsehung Ihnen nicht bloß den Willen gegeben hat, die Tage Ihres sterblichen Lebens dem Streben nach dem Leben der Unsterblichkeit zu weihen, sondern Ihnen auch den Ort, die Mittel und Wege angewiesen hat, den Rest dieser hinschwindenden Augenblicke so anzuwenden, dass Sie die hochheilige Ewigkeit erringen.

Gestatten Sie sich niemals einen Zweifel darüber, liebe Tochter: das wahre Licht des Himmels hat Ihnen Ihren Weg gezeigt; es wird Ihnen auch fernerhin glücklich auf demselben vorleuchten. Wohl gibt es ohne Zweifel vortrefflichere Wege, aber nicht für Sie, und die Trefflichkeit des Weges macht nicht auch den Wanderer trefflich, dies hängt einzig von dessen Rüstigkeit und Marschfertigkeit ab. Was immer Sie von dem eingeschlagenen Wege wegzulocken sucht, müssen Sie als eine umso gefährlichere Versuchung betrachten, je mehr es den Schein des Guten für sich hat. Nichts ist der göttlichen Majestät so wohlgefällig, als die Beständigkeit; und durch die unscheinbarsten Tugenden, wie etwa die Gastfreundlichkeit, wenn sie beharrlich geübt werden bis zum Ende, gelangt man zu höherer Vollkommenheit, als durch größere Tugenden, wenn man nach Lust und Laune bald dieser bald jener sich widmet.

Bleiben Sie also ganz ruhig und sprechen: O wie viele Wege gibt es, die zum Himmel führen! Glücklich, die auf denselben wandeln; da aber dieser der meinige ist, so will ich unbeirrt auf demselben fortwandeln in Frieden, Einfalt und Demut. Ja, ohne Zweifel, meine liebe Tochter, ein ungeteiltes Herz ist der vortrefflichste Weg zur Vollkommenheit. Schätzen und loben Sie alles, aber Ihr ganzes Sinnen und Trachten soll nur auf das gerichtet sein, was zu dem Berufe gehört, den des Himmels Vorsehung Ihnen angewiesen hat; einzig darauf sollen Sie bedacht sein. Möge Gott ihm die Fülle seiner heiligen Liebe geben, diesem Herzen, welches dem meinigen teuer sein und bleiben wird in Ewigkeit. Amen.

Ihr ganz ergebener u. s. w.


 

 

17. Es ist eine Versuchung, Seelenführer in der Ferne zu suchen, während man solche in der Nähe hat. Man soll nicht zu viel gute Übungen auf einmal in Angriff nehmen.

An eine junge Dame.

Mein Fräulein! Liebe Tochter in Jesu Christo! Ich habe Ihren Brief erhalten, in welchem Sie versuchen, mir ein Bild Ihres Seelenzustandes zu geben. Ich kann nicht leugnen, dass es mir recht tröstlich ist, das Vertrauen zu sehen, welches Sie in meine Zuneigung setzen. Wirklich ist diese auch so groß und unwandelbar, als Sie es nur wünschen mögen. Gott sei gelobt in allem und überall! Doch möchte ich Ihnen zwei oder drei Wörtchen sagen über den Gegenstand Ihres Schreibens.

Erstens bitte ich Sie, fest überzeugt zu sein, dass Ihre Meinung, Sie könnten nur durch mich eine Erleichterung von Gott erhalten, eine reine Versuchung desjenigen ist, der unsere Blicke auf Entferntes hinlenkt, damit wir das Naheliegende nicht zu unserem Heile gebrauchen. Körperlich Kranke haben oft ein krankhaftes Verlangen nach entfernten Ärzten, denen sie den Vorzug geben vor denen, welche sie in der Nähe haben. Man darf nichts Unmögliches verlangen und nicht auf schwierigen und unsicheren Grund bauen.

Es ist nicht genug, zu glauben, dass Gott sich der verschiedensten Werkzeuge bedienen kann, um uns zu helfen, sondern man muss glauben, dass er jene nicht dazu gebrauchen will, die er von uns entfernt, vielmehr diejenigen verwenden will, die uns nahe sind. Solange ich dort war, hatte ich keine Veranlassung, Ihrer Meinung entgegenzutreten; jetzt dagegen ist dieselbe ganz und gar unzeitig.

Weiterhin haben Sie, wie mir scheint, vollständig den wunden Fleck bei Ihnen getroffen, wenn Sie mir sagen, nach Ihrer Ansicht rühre das ganze Elend her von einer Menge frommer Wünsche, die sich nicht verwirklichen lassen. Zweifelsohne ist das eine Versuchung ähnlich der vorigen, oder vielmehr ist diese gleichsam das ganze Stück Tuch, jene nur ein Stahlen davon.

Das Vielerlei der Speisen, zumal wenn man viel davon nimmt, beschwert immer den Magen und verdirbt ihn vollends, wenn er schwach ist. Hat die Seele die bösen Begierden verlassen, hat sie sich gereinigt von schlimmen und weltlichen Neigungen, und geistlichen und heiligen Dingen sich zugewandt, so wirft sie sich mit solchem Heißhunger auf vielerlei fromme Wünsche und Übungen, dass sie sich daran übernimmt und Beschwerden zuzieht.

Heilmittel dagegen suchen Sie bei unserem Heilande und bei den geistlichen Vätern, die in Ihrer Nähe sind. Letztere können das Übel an Ort und Stelle untersuchen und treffen daher auch am besten die anzuwendenden Mittel. Gleichwohl will ich Ihnen unverhohlen sagen, was ich von der Sache denke.

Machen Sie nicht Ernst daraus , einige jener frommen Wünsche ins Werk zu setzen, so werden sie immer mehr sich vervielfältigen und Ihren Geist derart überwuchern, dass derselbe gar nicht mehr ein noch aus weiß. Es tut daher Not, dass Sie zur Ausführung schreiten. Aber in welcher Reihenfolge?

Den Anfang müssen Sie machen auf dem Gebiete äußerer, greifbarer Handlungen, welches am meisten im Bereiche unserer Gewalt steht. Haben Sie nicht z. B. den Wunsch, Kranken aus Liebe zu unserem Heilande zu dienen oder gewissen niedrigen und verächtlichen Dienstleistungen im Hause aus Demut sich zu unterziehen? Solcher Art sind ja die fundamentalen Wünsche, ohne welche alle übrigen verdächtig und verächtlich sind und sein müssen.

Wohlan also, üben Sie sich wacker darin, derartigen Wünschen durch die Tat Genüge zu leisten; an Gelegenheit und Anlass dazu werden Sie keinen Mangel haben. Sie sind dazu völlig imstande und sollen es folglich auch tun.

Vergebens werden Sie die Absicht hegen, Dinge zu vollbringen, die entweder gar nicht im Bereiche der Möglichkeit oder nur in weiter Ferne liegen, wenn Sie diejenigen nicht vollbringen, die in Ihrer Macht stehen. Vollziehen Sie daher treulich die niederen und hausbackenen Werke der Nächstenliebe, der Demut und ähnlicher Tugenden: und Sie werden sehen, Sie befinden sich wohl dabei.

Magdalena muss erst die Füße des Herrn waschen, küssen und abtrocknen, bevor es ihr vergönnt ist, von Herz zu Herz mit ihm sich zu unterhalten in geheimnisvoller Betrachtung; sie muss erst das Salböl über seinen Leib ausgießen, ehe sie den Balsam ihrer Beschauung über seine Gottheit ergießt.

Gut ist's, nach viel Gutem Verlangen zu tragen; aber man muss Ordnung halten in seinen Wünschen und sie ins Werk zu setzen suchen, einen jeden zu seiner Zeit und nach Maßgabe unserer Kräfte (Vgl. Philothea III, 2: „Über die Wahl der Tugenden”).

Am Weinstock und an den Bäumen sucht man zu hindern, dass sie zu viel in die Blätter schießen, damit sie nachher Feuchtigkeit und Saft genug haben, Früchte zu tragen und nicht alle natürliche Kraft in Hervorbringung zu üppigen Blätterwerks erschöpfen.

Ebenso ist es auch gut, dieses Überwuchern der Wünsche zu verhindern, es möchte sonst unsere Seele sich in derselben so gefallen, dass sie um die Verwirklichung sich nicht weiter kümmerte; und doch ist in der Regel die geringfügigste Ausführung nutzbringender als die hochfliegendsten Wünsche nach Großtaten, die über unser Vermögen sind, da ja Gott von uns mehr die Treue in den kleinen Dingen verlangt, zu denen er uns die Kraft gegeben hat, als die Begeisterung für große, die nicht in unserer Macht stehen.

Stellt sich aber trotz dieser Heilmittel keine Beruhigung ein, so gedulden Sie sich: warten Sie ab, bis die Sonne sich erhebt, so werden diese Nebel zerstreut werden; seien Sie gutes Mutes: diese Krankheit wird nicht zum Tode sein, sondern damit Gott dadurch verherrlicht werde! (Joh. 11, 4.) Machen Sie es wie jene, welche die Seekrankheit haben; nachdem sie vergebens auf dem ganzen Schiff sich herumgeschleppt haben, um für ihren gequälten Körper und Geist Erleichterung zu finden, kommen sie endlich und halten sich an dem Mastbaum und klammern sich fest an denselben an, um sich zu schützen gegen den Schwindel. Freilich gewährt ihnen dies nur eine vorübergehende und zweifelhafte Erleichterung.

Kommen Sie dagegen in Demut und umklammern den Fuß des Kreuzes, so werden Sie dort, wenn ihnen nicht geholfen wird, wenigstens die Geduld angenehmer und das Wirrsal im Inneren weniger drückend finden als anderwärts.

Sagen wollte ich Ihnen diese wenigen Worte, mehr um Ihnen meinen guten Willen zu zeigen, als dächte ich, ich sei wirklich imstande, Ihnen in diesem Stück zu helfen. Zweifeln Sie indes durchaus nicht, dass ich Sie dem Vater des Lichtes empfehle; ich tue es mit größter Bereitwilligkeit und Neigung, indem ich zu meinem Troste mich überzeugt halte, dass Sie für mich getreulich ein Gleiches tun, wie ich ja dessen wahrlich höchlich (hoch) bedarf in einem Augenblicke, wo ich mich einschiffe nach der stürmischsten und gefahrvollsten Stelle auf diesem ganzen weiten Meere der Kirche.


 

18. Gegen eine schwärmerische Verehrerin.

An eine Dame.

Den 22. April 1618.

Teure Herzenstochter! Denken Sie nur, ich habe eine Tochter, die mir schreibt, durch meine Entfernung sei ihr das Leid nahe gebracht worden, und wenn sie ihren Augen nicht Gewalt antäte, so würden sie so viele Tränen vergießen, als der Himmel Regentropfen hat, um meine Abreise zu beweinen, nebst anderen schönen Redensarten ähnlicher Sorte. Sie geht aber noch weiter; sie sei nicht ein Mensch, sondern eine Gottheit, welche auf die Erde gesandt sei, um geliebt und bewundert zu werden; ja was das Ärgste ist, sie sagt, sie möchte noch viel mehr sagen, wenn sie es nur wagte.

Was sagen sie nun dazu, meine teure Tochter; scheint es Ihnen nicht unrecht, also zu sprechen? Sind das nicht maßlose Ausdrücke? Nein, es kann keine Entschuldigung dafür geben, als nur die Liebe, die sie für mich hegt, die, in sich gewiss heilig, nur in einer ganz weltlichen Ausdrucksweise sich kundgibt.

Sagen Sie ihr übrigens, teure Tochter, dass man nie und unter keinen Umständen einem elenden Geschöpfe die Eigenschaft der Gottheit beimessen darf, und dass es ein verkehrter Gedanke ist, wenn man meint, man könne in seinem Lobe noch weiter gehen. Jedenfalls sei es ungehörig, so etwas zu sagen, und man müsse sich noch mehr hüten vor der Eitelkeit in Worten, als in Haar und Kleidung; in Zukunft möge sie sich einer schlichten und ungekräuselten Sprache befleißigen. Sagen Sie ihr das aber in so sanfter, freundlicher und heiliger Weise, dass sie diese Zurechtweisung gut aufnimmt und herausfühlt, dieselbe komme aus einem mehr als väterlichen Herzen, das Sie als meine Herzenstochter, in welche ich mein ganzes Vertrauen setze, gewiss am besten kennen müssen. Gott sei immer unsere Liebe, teure Tochter, in ihm und für ihn leben Sie ewiglich. Amen.

 


19. Der Heilige drückt einer jungen Dame sein Bedauern aus über ihr Erkalten in der Frömmigkeit, empfiehlt ihr eine zurückgezogene Lebensweise und warnt vor einem Prozess.

Den 9. Juni 1620.

Wird der gute Geist, den ich während einiger Monate, solange Sie hier in der Stadt waren, bei Ihnen wahrnahm, nicht in Ihr Herz wiederkehren, meine geliebte Tochter? In der Tat, wenn ich sehe, dass derselbe verschwunden ist, werde ich sehr besorgt, nicht gerade um Ihr Heil – denn ich hoffe, dass Sie es immerhin wirken werden – aber um Ihre Vollkommenheit, zu welcher Gott Sie beruft und nie aufgehört hat, Sie zu berufen von Ihrer Jugend an.

Wie konnte ich Ihnen, meine geliebte Tochter, raten, in der Welt zu bleiben?

Ich weiß, Sie haben im Grunde des Herzens vortreffliche Anlagen, legen aber daneben so hohen Wert auf Rang und Ansehen im Leben, sowie auf natürliche und menschliche Klugheit und Weisheit, dass ich, zumal bei Ihrer raschen und feinsinnigen Auffassungsgabe, Sie nur mit unendlicher Sorge in dem Weltgetriebe sehen könnte, wo gerade solche gutgeartete, reichbegabte Naturen am meisten in Gefahr sind, besonders wenn sie, wie dies bei Ihnen der Fall ist, dazu noch eine unüberwindliche Abneigung haben, sich unterzuordnen.

Da ist gar kein Zweifel, unter keinen Umständen dürfen Sie in der Welt bleiben.

Aber wie könnte ich andererseits Ihnen anraten, ins Kloster zu gehen, während Sie doch nicht allein keine Neigung dazu haben, sondern im Gegenteil geradezu Widerwillen gegen diese Lebensweise empfinden?

Wir müssen also eine Lebensweise ausfindig machen, welche weder weltlich noch klösterlich ist, wo Sie weder den Gefahren der Welt noch dem Zwang des Klosterlebens ausgesetzt sind. Man wird es, denke ich, fertig bringen können, dass Ihnen der Zutritt zu irgend einem Hause der Heimsuchung gestattet werde, wo Sie sich öfters in der klösterlichen Stille sammeln können, ohne deshalb gebunden zu sein. Sie könnten vielmehr in der Nähe des Klosters wohnen, bloß an einigen frommen Übungen teilnehmen, welche geeignet wären, Sie auf dem rechten Wege zu erhalten, und würden so mit aller Bequemlichkeit Ihren Geist zufriedenstellen können, welcher einen so merkwürdigen Abscheu hat gegen die Bande der Unterwürfigkeit und des Gehorsams, dabei aber so schwer Seelen findet, die ihm zusagen, so leicht die schwachen Seiten an ihnen herausfindet und so empfindlich davon berührt wird.

O wenn ich mir die glückliche Zeit vergegenwärtige, wo Sie so ganz, wie ich's nur wünschen konnte, von sich losgeschält, so begierig nach Abtötungen und der Selbstverleugnung so zugetan waren, so kann ich nicht anders, als hoffen, dieselbe werde noch wiederkehren.

Wo Sie Ihren Aufenthalt wählen wollen, bleibt Ihnen ganz überlassen. Ich werde wohl, wie ich glaube, nach der wahrscheinlich um Ostern erfolgenden Rückkehr von meiner Romreise hier im Lande bleiben. Jedenfalls wählen Sie einen geeigneten Ort, wo Sie den nötigen geistlichen Beistand finden können.

Ihrem Wunsche gemäß werde ich mit Herrn N. in Unterhandlung treten.

O Gott, wie lebhaft und unabänderlich wünsche ich, dass Ihre Angelegenheiten ohne Prozess sich ordnen ließen! Denn schließlich werden die Gerichtskosten so viel Geld verschlingen, dass Sie daran genug hätten, um zu leben; und weiß man überdies, wie am Ende die Sache ausgeht? Was wissen Sie, wie die Richter über Ihre Angelegenheit urteilen und entscheiden werden? Und dann werden Ihre schönsten Lebenstage hingehen über dieser erbärmlichen Beschäftigung, und es wird Ihnen wenig übrig bleiben für die Hauptaufgabe Ihres Lebens; und Gott weiß, ob Sie nach langer Unruhe Ihren zerstreuten Geist soweit werden sammeln können, um ihn mit Gottes Güte zu vereinen.

Meine Tochter, wer auf der See lebt, stirbt auf der See; ich habe selten Menschen, die sich in das Fahrwasser der Prozesse begaben, anders als in den Verlegenheiten sterben sehen, die ihre Rechtshändel ihnen zuzogen. Sehen Sie wohl zu, ob Ihre Seele für derartige Geschäfte taugt, ob das eine würdige Verwendung Ihrer Zeit ist. Ziehen Sie Herrn Vincenz (Der hl. Vincenz von PauI.) zu Rat, besprechen mit ihm diese ganze Angelegenheit und entschließen sich rasch.

Verlangen Sie nicht, reich zu sein, meine geliebte Tochter, am wenigsten, wenn Sie nur durch diese elenden Rechtshändel es werden können. Lieber arm sein, geliebteste Tochter, als reich sein auf Kosten Ihrer Ruhe!

Sie sollten mutig zu einer Generalbeichte sich entschließen, weil Sie anders Ihr Gewissen nicht beruhigen können und weil ein gelehrter und tugendhafter Geistlicher es Ihnen geraten hat. Für diesmal indessen kann ich nicht mehr schreiben, gedrängt wie ich bin durch meine viele Arbeit und die Abreise des Überbringers. Gott sei inmitten Ihres Herzens. Amen.


 


 

20. Der Heilige gibt Fräulein van Traves den Rat, sich nicht zu verheiraten und ihre häuslichen Leiden mutig zu ertragen.

Den 18. April 1609.

Mein Fräulein, da ich Sie zu ehren, zu lieben und Ihnen zu dienen lebenslänglich bereit bin, so habe ich mich bei Ihrem lieben Bäschen (Base = Cousine), meiner Schwester, erkundigt, wie es mit Ihrem Herzen steht, und habe recht Tröstliches von ihr vernommen. Wie glücklich werden Sie sein, meine liebe Tochter, wenn Sie dabei bleiben, die Versprechungen zu verachten, welche die Welt Ihnen macht. Denn in Wahrheit, sie sind nichts als eitel Lug und Trug. Sehen wir nie auf das, was sie verspricht, ohne zugleich daran zu denken, was sie verborgen hält. Es ist wahr: ein guter Mann ist ein vortrefflicher Halt im Leben; aber es gibt deren wenige, und wenn man auch einen guten findet, so kommt man doch mehr in Abhängigkeit, als man Stütze an ihm hat. Eine große Sorge haben Sie schon um Ihre Familie, die Sie auf dem Halse haben; aber diese Sorge würde sich nicht vermindern, wenn Sie die Last einer zweiten, vielleicht ebenso großen aus sich nähmen. Bleiben Sie so, ich bitte Sie darum, und zeigen Sie durch Ihr Verhalten, dass der Entschluss, nicht zu heiraten, so fest und unerschütterlich ist, dass niemand mehr daran zweifelt. Die Plage, unter der Sie jetzt leben, wird Ihnen als ein kleines Martertum dienen, wenn Sie fortfahren, die Mühsale, welche damit verbunden sind, mit denen des Erlösers, Unserer lieben Frau (Maria) und der Heiligen zu vereinigen, welche mitten unter ihren vielfältigen und verschiedenartigen Beschwernissen unverbrüchlich die Liebe und wahre Andacht zu der heiligsten Einheit Gottes zu bewahren wussten, in welcher, durch welche und für welche sie ihr Leben zu einem überseligen Ende geführt haben. Möchten also auch Sie, wie jene, Ihr Herz, Ihren Leib, Ihre Liebe und Ihr ganzes Leben Gott erhalten und hinopfern!

Ich bin mit herzlicher Aufrichtigkeit u. s. w.



 

21. An eine junge Dame, welche sich zu verheiraten gedachte.

Wenn Ihre gute Cousine Ihnen immer anlag mit dem Rate, für sich zu bleiben, zur Pflege Ihres Herrn Vaters, um später sich mit Seele und Leib dem Herrn weihen zu können, so geben mehrfache Umstände in Ihren Lebensverhältnissen ihr dazu gegründeten Anlass. Würde daher Ihr Geist den beiden Berufsarten mit vollständiger Gleichgültigkeit gegenübergestanden haben, so hätte ich Ihnen unbedenklich gesagt, Sie möchten jenen Rat als den würdigsten und geeignetsten befolgen, den man Ihnen zu geben wüsste; denn das wäre er dann ohne alle Frage gewesen.

Da jedoch Ihr Geist keineswegs in jener Gleichgültigkeit der Berufsfrage gegenübersteht, sondern eine ganz entschiedene Vorneigung für die Ehe hat, und da diese Neigung, ungeachtet Sie zu Gott Ihre Zuflucht nahmen, gleichwohl mit Entschiedenheit sich behauptet, so ist es nicht ratsam, dass Sie einem so stark ausgeprägten Zuge des Herzens aus irgend einer Rücksicht Gewalt antun. Denn alle sonstigen Umstände, die an und für sich mehr als ausreichend wären, um mich zu dem Schlusse der lieben Cousine hinzuführen, fallen gar nicht ins Gewicht gegenüber einer so entschiedenen Vorneigung für den Ehestand. Wirklich, wäre dieselbe nur matt und schwach, so würde wenig darauf zu geben sein; nun sie aber so stark und nachhaltig ist, muss sie maßgebend für Ihre Entscheidung sein.

Ist also der Mann, den man Ihnen vorgeschlagen hat, eine sonst angemessene Partie für Sie, ist es ein braver Mensch, von mitleidigem Charakter, so dürfte es sich empfehlen, denselben zu nehmen. Ich sage, wenn er ein mitleidiges Herz hat, weil Ihr Körpergebrechen solches fordert, wie er umgekehrt von Ihnen fordern darf, dass Sie dieses Gebrechen durch große Sanftmut, aufrichtige Liebe und anspruchloseste Demut auszugleichen trachten, mit einem Worte, dass wahre Tugend und Vollkommenheit des Geistes die Mängel des Körpers bedecken.

Ich bin sehr eilig, meine liebe Tochter, und kann Ihnen nicht viel weiter sagen. Ich schließe also mit der Zusicherung, dass ich Sie immer dem Herrn empfehlen will, auf dass er Ihr Leben zu seiner Ehre lenken möge.

Der Ehestand ist ein Stand, der weit mehr Tugend und Standhaftigkeit verlangt als irgend ein anderer; er ist eine unaufhörliche Übung in der Abtötung und wird es für Sie vielleicht noch mehr als gewöhnlich sein. Sie müssen daher mit besonderer Sorgfalt sich darauf vorbereiten, damit Sie aus dieser Thymianstaude, ungeachtet der natürlichen Bitterkeit ihres Saftes, den Honig eines heiligen Wandels zu ziehen imstande seien. Möge immer der süße Jesus Ihnen Zucker und Honig sein und Ihnen Ihren Beruf leicht machen; möge er immerdar leben und regieren in unseren Herzen!

Ich bin in ihm u. s. w.


 


 

22. Ratschläge wegen eines Gelübdes der Keuschheit.

An eine junge Dame.

Annecy, 18. Mai 1608.

Mein Fräulein! Ich bin der Ansicht, das Verlangen, Gott Ihre Keuschheit zu geloben, habe sich nicht in Ihrer Seele gebildet, ohne dass Sie vorher lange die Wichtigkeit eines solchen Gelöbnisses bei sich erwogen haben. Ich bin daher einverstanden, dass Sie dasselbe ablegen, und zwar just am nächsten Pfingstfeste. (Im Jahre 1608 am 25. Mai.) Um indessen die Sache gut zu machen, nehmen Sie sich die Zeit, an den drei vorhergehenden Tagen sich Gelübdeablegung recht durch Gebet vorzubereiten, zu welchem Sie den Stoff folgenden Betrachtungen entnehmen können.

Erwägen Sie, wie wohlgefällig die Tugend der Keuschheit Gott und den Engeln ist, der gewollt hat, dass dieselbe ewiglich im Himmel geübt werde, wo es weder irgend eine Art fleischlicher Lust noch eine Ehe gibt. Muss es nicht ein beseligendes Gefühl für Sie sein, hinieden (hier auf rden) schon ein Leben zu beginnen, welches Sie dort oben ewig fortführen sollen ? Preisen Sie also den Herrn, der Ihnen diesen heiligen Gedanken eingegeben hat.

Erwägen Sie, wie edel diese Tugend ist, die unsere Seelen weiß erhält wie die Lilie und rein wie die Sonne; die auch unserem Leibe eine heilige Weihe erteilt und uns die Möglichkeit gewährt, seiner göttlichen Majestät ganz anzugehören, mit Leib und Seele, mit ganzem Herzen und allen Gefühlen desselben!

Liegt nicht ein hohes Genügen darin, zu unserem Herrn sprechen zu können: „Mein Herz und mein Fleisch jauchzen auf vor Freude” (Ps. 83, 3.) ob deiner Güte; aus Liebe zu dieser verzichte ich auf jede irdische Liebe; um sie zu erfreuen, entsage ich jeder anderen Freude? Welch ein Glück, dem Leibe keinerlei sinnliche Lust zu lassen, um das Herz desto vollständiger seinem Gott schenken zu können!

Erwägen Sie, wie die seligste Jungfrau als die Erste Gott ihre Jungfrauschaft angelobte, und nach ihr so viele Jungfrauen und Jünglinge. Und mit welcher Inbrunst, mit welcher Liebe, mit welcher Begeisterung geschah diese Hinopferung! O Gott, es lässt sich nicht sagen. Demütigen Sie sich tief vor dem himmlischen Chor der Jungfrauen und flehen Sie an in demütiger Bitte, dass Sie in ihre Gemeinschaft aufgenommen werden, nicht als vermöchten Sie ihre erhabene Reinheit zu erreichen, sondern um als ihre unwürdige Magd angenommen zu werden, indem Sie so nahe wie möglich ihren Fußstapfen folgen. Flehen Sie zu ihnen, dass sie mit Ihnen Ihr Gelübde Jesus Christus, dem Könige der Jungfrauen, aufopfern, und dass sie das Opfer Ihrer Keuschheit wohlgefällig machen durch das Verdienst der ihrigen. Besonders aber empfehlen Sie Ihr Vorhaben Unserer lieben Frau und dann Ihrem Schutzengel, damit er fortan mit besonderer Sorgfalt Ihr Herz und Ihren Leib bewahre vor jeder Befleckung, die Ihrem Gelübde zuwider wäre.

Kommt dann der Pfingsttag, so bieten Sie, wenn der Priester die heilige Hostie erhebt, mit ihm Gott dem ewigen Vater den kostbaren Leib seinem lieben Sohnes Jesus und damit zugleich auch Ihren Leib zum Opfer dar, mit dem Gelöbnis, denselben in Keuschheit zu bewahren alle Tage Ihres Lebens; zu diesem Ende könnten Sie sich folgender Worte bedienen:

Ewiger Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, ich N., dein unwürdiges Geschöpf, erscheine hier vor deiner göttlichen Majestät und vor deinem ganzen himmlischen Hofe und verspreche und gelobe, alle Tage meines sterblichen Lebens, die mir nach deinem Willen beschieden sind, mit Hilfe der Huld und Gnade deines Heiligen Geistes, gänzliche Keuschheit und Enthaltsamkeit zu beobachten und zu bewahren. Möge es dir gefallen, dieses mein unwiderrufliches Gelübde als ein dir angenehmes Opfer anzunehmen; und da es dir gefallen hat, mir den inneren Antrieb dazu zu geben, so verleihe mir auch die Kraft, dasselbe zu deiner Ehre zu vollenden bis in Ewigkeit.

Einzelne bringen dieses Gelübde zu Papier oder lassen es ausschreiben und unterzeichnen es dann. Sie übergeben es so ihrem geistlichen Vater, damit dieser gleichsam die Stelle eines Schirmherrn und Paten dabei übernehme.

Es mag dies vielleicht nützlich sein, nötig ist es nicht.

Sie nehmen nun darauf die Kommunion und können alsdann in Wahrheit den Heiland Ihren Bräutigam nennen.

Sprechen Sie indessen darüber noch mit Ihrem Beichtvater; würde er abraten, so müssten Sie sich darin fügen, da er einen Einblick in Ihren gegenwärtigen Seelenzustand hat und daher besser beurteilen kann, was Ihnen frommt (nützt / hilft), als ich.

Haben Sie aber das Gelübde abgelegt, meine gute Tochter, so dürfen Sie fortan nie jemand gestatten, um Liebe oder Ehe bei Ihnen zu werben, müssen vielmehr eine große Ehrfurcht vor Ihrem Leibe hegen, nicht wie vor dem Ihrigen, sondern wie vor einem heiligen Leibe, vor einer hochheiligen Reliquie. Und gleichwie man es nicht wagt, einen Kelch, nachdem derselbe von dem Bischofe geweiht ist, zu berühren oder zu profanem Zweck zu gebrauchen, so dürfen auch Sie, nachdem der Heilige Geist durch dieses Gelübde Ihr Herz und Ihren Leib geweiht hat, denselben nur mit großer Ehrfurcht behandeln.

Übrigens will ich die ganze Angelegenheit Gott empfehlen, der weiß, wie herzlich ich Ihnen zugetan bin um seinetwillen. Am Pfingstfeste will ich ihm Ihr Herz aufopfern samt allem, was daraus zu seiner Ehre hervorgehen wird. Möge immerdar Jesus Ihre Liebe und seine heilige Mutter Ihre Führerin sein!

Amen.

Ihr Diener in Jesus Christus u. s. w.


 


 

23. Welch ein Glück es ist, Gott ganz anzugehören.

An eine junge Dame.

Vorabend von Mariä Geburt, September 1619.

Meine teure Tochter! Ich sage Ihnen von ganzem Herzen Lebewohl. Mögen Sie allezeit Gott angehören in diesem sterblichen Leben, indem Sie Ihm treu dienen und die Last des Kreuzes ihm nachtragen, und in dem ewigen Leben, indem Sie ihm ewiglich Lob singen mit dem ganzen himmlischen Hofe. Ein hohes Glück ist es für unsere Seelen, Gott anzugehören, und das allerhöchste, ihm allein anzugehören.

Wer nur Gott angehört, ist niemals betrübt, außer wenn er Gott beleidigt hat; aber seine Traurigkeit geht über in eine tiefe, aber ruhige und friedliche Demut und Ergebung, worauf er sich an der göttlichen Güte mittels eines sanften und friedlichen Vertrauens wieder aufrichtet, ohne weiteren Ärger oder Verdruss.

Wer nur Gott gehört, sucht ihn allein, und weil er den Herrn nicht minder in der Trübsal als im Glücke findet, so bleibt er auch bei Widerwärtigkeiten im Frieden.

Wer nur Gott gehört, denkt häufig an ihn bei allen Beschäftigungen dieses Lebens. Wer nur Gott gehört, will haben, dass jeder wisse, dass er Gott dienen will, und versucht sich gerne in den Übungen, die geeignet sind, ihn in diesem Streben zu erhalten.

Leben Sie also ganz für Gott, meine teure Tochter, und gehören ihm ausschließlich an: verlangen Sie nichts weiter, als ihm zu gefallen und seinen Geschöpfen in ihm, für ihn und nach seinem Willen. Könnte ich Ihnen wohl einen größeren Segen wünschen? Mit diesem Wunsche also, meine teure Tochter, den ich immerdar für Ihre Seele hegen werde, sage ich Ihnen Lebewohl; und indem ich Sie bitte, mich oft der Barmherzigkeit Gottes zu empfehlen, verbleibe ich

Ihr u. s. w.

 

       Inhaltsverzeichnis

  Erstes Buch: Briefe an junge Damen
    Zweites Buch: Briefe an verheiratete Frauen.
    Drittes Buch: Briefe an Witwen.
    Viertes Buch: Briefe an Freunde weltlichen und geistlichen Standes.
    Fünftes Buch: Briefe über den Klosterberuf und das Ordensleben.
    Sechstes Buch: Rat und Trost bei äußeren und inneren Leiden.
    Siebentes Buch: Trostbriefe beim Tode teurer Angehöriger.
    Achtes Buch: Trostbriefe an Kranke.
    Neuntes Buch: Festbriefe.


 


 


 

Zweites Buch.

Briefe an verheiratete Frauen.

 

1. Der Heilige beglückwünscht eine junge Frau zu ihrer Vermählung und erteilt ihr Ratschläge in Betreff der Pflichten ihres neuen Standes.

Gott sei gelobt und gepriesen wegen der Veränderung des Standes, zu der Sie sich in seinem Namen entschlossen haben, meine geliebte Tochter. Ich nenne Sie noch immer: meine geliebte Tochter; denn diese Veränderung ändert in nichts die wahrhaft väterliche Zuneigung, die ich Ihnen gewidmet habe. Sie werden sehen, wenn Ihre Seele sich recht vollkommen der Vorsehung und dem Willen unseres Herrn übergibt, so werden Sie in Ihrem neuen Berufe gute Fortschritte machen, viel Trost haben und endlich recht heilig werden. das war es, was Ihrer Seele fehlte, dass Sie aus Ihrem Lebenswege gerade diesem so wohlgesinnten Manne begegnet sind.

Mit Unrecht machen Sie sich Gewissensbisse darüber, das Fasten zu brechen, da der Arzt es verlangt.

Hinsichtlich der Kommunion richten Sie sich nach der Anordnung Ihres Beichtvaters. Sie müssen darin seinen Ansichten sich fügen und Sie werden nichts dabei verlieren; denn was Ihnen so durch Entbehrung des Sakramentes entgeht, das bringen Sie ein durch Unterwerfung und Gehorsam. Andere Vorschriften für Ihr Leben werde ich Ihnen nicht geben als diejenigen, welche Sie in meinem Buche finden (In der Philothea.); aber wenn Gott es fügt, dass ich Sie sehe, oder wenn Ihnen irgend eine Schwierigkeit aufstößt, so werde ich gern darüber Bescheid geben.

Es ist durchaus nicht notwendig, dass Sie mir Ihre Beichte schreiben; nur wenn Sie über einen besonderen Punkt mit meinem Herzen, welches Ihnen ganz zugetan ist, sich benehmen möchten, mögen Sie es tun.

Seien Sie recht sanft, leben Sie nicht nach Lust und Laune, sondern gemäß der Vernunft und Gottseligkeit. Lieben Sie Ihren Gatten zärtlich als ein Geschenk aus Gottes eigener Hand.

Seien Sie recht demütig gegen jedermann; Sie müssen eine große Sorgfalt darauf verwenden, Ihre Seele in Ruhe und Frieden zu erhalten und die bösen Neigungen, die Sie haben, durch die Übung der entgegengesetzten Tugenden zu überwinden, indem Sie den Vorsatz fassen, in der Ausübung dieser Tugenden noch eifriger, aufmerksamer und tätiger zu werden. Merken Sie sich das Wort, was ich Ihnen jetzt sagen will: Ihr Fehler besteht darin, dass Sie mehr das Laster fürchten, als die Tugend lieben.

Vermöchten Sie es, Ihre Seele ein wenig ernstlicher für die Übung der Sanftmut und wahren Demut zu gewinnen, meine liebe Tochter, so wäre das recht brav von Ihnen; aber dann müssen Sie oft daran denken. Versäumen Sie nicht die Morgenandacht (Vgl. Philothea II, 10.) und halten unverbrüchlich fest an dieser Übung. Gott wird es Ihnen lohnen mit tausendfachem Troste. Vergessen Sie zu dem Ende nicht, Ihr Herz oft zu Gott und Ihre Gedanken zur Ewigkeit zu erheben. Lesen Sie alle Tage ein wenig, im Namen Gottes bitte ich Sie darum; tun Sie es mir zuliebe, der Sie alle Tage Gott anempfiehlt und seine unendliche Güte anfleht, dass sie Ihnen immerdar nahe bleibe mit ihrem Segen.

Ihr u. s. w.


 

2. Aufforderung an eine sehr glücklich vermählte junge Frau, Recht auf ihr und der Ihrigen ewiges Heil Bedacht zu nehmen.

Lyon, am Vorabend Unser lieben Frau 1612.

Gnädige Frau! Die Hoffnung, welche ich seit einem Jahre immer hegte, nach Frankreich zu kommen, hat mich abgehalten, Sie brieflich an meine unveränderliche Dienstwilligkeit gegen Sie zu erinnern. Immer glaubte ich, irgend eine glückliche Fügung werde es mir ermöglichen, Ihnen persönlich diese Versicherung geben zu können. Da ich aber auf dieses Glück jetzt beinahe nicht mehr zu hoffen wage und der würdige Überbringer dieses mir eine so sichere Gelegenheit bietet, so freue ich mich dessen mit Ihnen, meine liebe Tochter – denn diese Anrede ist herzlicher – von ganzem Herzen.

Ich freue mich und preise unsern Herrn wegen Ihrer ebenso standesgemäßen als glücklichen Heirat. Dieselbe wird Ihnen als Fundament dienen, um darauf den Bau eines glücklichen und angenehmen Lebens in dieser Welt aufzurichten, und in der heiligen Furcht Gottes, in welcher Sie durch seine Gnade schon von der Wiege auf erzogen worden sind, glücklich durch diese Sterblichkeit hindurchzugehen. Denn von allen Seiten höre ich, dass Ihr Herr Gemahl einer der bravsten und vollendetsten Kavaliere Frankreichs ist, und dass Ihre Verbindung nicht allein durch heilige Freundschaft, in welcher sie immer inniger werden muss, geknüpft, sondern auch bereits mit Fruchtbarkeit gesegnet ist, so dass Sie, wie N. mir versichert, Ihrer Entbindung nahe sind.

Allen diesen Hulderweisungen des Himmels müssen Sie zu entsprechen trachten, meine geliebte Tochter. Sie sind Ihnen ohne Zweifel nur dazu gegeben, damit Sie dieselben zur Ehre dessen, der Sie also begnadigt, und zu Ihrem Seelenheile gebrauchen. Ich hege den festen Glauben, meine liebe Tochter, Sie werden mit allem Mute dieser Aufgabe sich widmen; Sie werden es tun in der festen Überzeugung, dass das Glück Ihres Hauses und Ihr persönliches Heil in diesem vergänglichen Leben, sowie die Hoffnung auf das ewige Leben in jener Welt davon abhängt.

Wohlan also, erneuern Sie in diesem neuen Stande der Ehe, in welchem Sie sich nunmehr befinden, recht oft die Entschlüsse, welche wir so oft gefasst haben, in welche Lage uns Gott auch bringen werde, heilig und tugendhaft zu leben.

Und wenn es Ihnen angenehm ist, fahren Sie fort, mich mit Ihrem kindlichen Wohlwollen zu beehren, meine liebe Tochter, wie ich meinerseits Ihnen die Versicherung gebe, dass ich nie die heilige Messe feiere, ohne mit einem Herzen voll väterlicher Zuneigung Sie und Ihren Herrn Gemahl ganz besonders Gott anzuempfehlen.

Ich bin und bleibe immer Ihr und Ihres Gatten sehr ergebener u. s. w.


 


 

3. Der Heilige beglückwünscht Frau v. Chaillot zu ihrer Vermählung und gibt Verhaltungsmaßregeln für ihren neuen Stand.

Am Feste des hl. Johannes des Evangelisten,

27. Dezember 1617.

Werteste Frau! Die Zeichen wahrer Tugend und Frömmigkeit, welche ich an Ihrer Seele wahrgenommen habe, die Hochachtung, welche ich für Ihr Verdienst hege, werden mir nie gestatten, von der aufrichtigen Wertschätzung und Liebe zu lassen, welche ich für Sie empfinde. Obwohl ich mir daher gemäß den Festsetzungen des vergangenen Jahres hätte vorstellen können, dass Sie nicht mehr hier seien, konnte mein Herz anfangs nicht umhin, Sie immer noch bei Ihrer Frau Mutter zu suchen, und wenn ich jetzt im Geiste in Ihrer neuen Heimat bei Ihnen vorspreche, so geschieht es zunächst, um mich mit Ihnen Ihrer so glücklichen Verehelichung zu freuen. Viel Gutes habe ich darüber gehört: wie Ihr Herr Gemahl so tugendhaft ist, ein wie schönes Verhältnis zwischen Ihnen beiden besteht und wie Ihre Herzen durch das Band einer heiligen und unverbrüchlichen Freundschaft verbunden sind, mit einem Worte, wie Sie alle Ursache haben, Gott zu preisen, dass Sie es durch die Fürsorge Ihres Herrn Vaters und Ihrer Frau Mutter so gut getroffen haben.

Indem ich sodann mich erinnere, dass Sie ein wenig meine geistliche Tochter gewesen sind, bitte ich Sie, recht gemäß der Gnade zu leben, die der Herr Ihnen erwiesen hat, und mit aller Treue dem Lichte zu folgen, welches er mittels so vieler guten Lehren Ihnen vom Himmel gesandt hat.

Seien Sie darauf bedacht, beste Frau, alle Tage in rechter Demut zu leben, auf dass Gott Sie segne und Ihr ganzes Haus. Es steht fest: „den Stolzen widersteht Gott, den Demütigen gibt er seine Gnade“ (Jac. 4, 6.). Nichts wird Ihnen so viel Ehre einbringen, als die Demut; denn „Gott erhöht die Demütigen“ (Luc. 1, 52.). Jegliche Segnung wird dieselbe auf Sie herabziehen.

Weiter seien Sie bedacht, ja die Zeit gut anzuwenden. Nichts, was uns so viel Achtung, Ehre und Glück einbringt, als wenn man sich keinerlei Müßiggang gestattet.

Ich sage Ihnen nichts von der heiligen Gottseligkeit, die zu aller Zeit und an allen Orten zu wünschen ist; Sie wissen es ja: in Lust und und Freude lehrt sie unser Herz Maß halten, in Widerwärtigkeiten ist sie unsere Zuflucht und Erquickung; und was auch über uns kommen mag, sie lässt uns Gott lobpreisen, der besser ist als alles, was man wünschen mag. Sie macht die Jugend verständiger und liebenswürdiger, und das Alter erträglicher und freundlicher.

Sie wollen auch nachsehen, was ich in der „Anleitung zum gottseligen Leben” bemerkt habe über die Sanftmut und Freundlichkeit, wie solche in der Ehe gepflegt werden muss (Philothea III, 38.); und um die Lehren, welche Sie dort finden, gut befolgen zu lernen, müssen Sie gleich ans Werk gehen und die Beobachtung derselben fortan zum Gegenstand Ihres morgendlichen Vorsatzes und Ihrer abendlichen Gewissenserforschung machen (Vgl. ebendasselbe. II, 10.). In Ihren Gebeten denken Sie, bitte, auch bisweilen ein wenig meiner, der ich Ihnen und Ihrem geehrten Herrn Gemahl von ganzem Herzen und aus allen Kräften tausendfältigen Segen wünsche, indem ich verbleibe

Ihr ergebenster u. s. w.


 


4. Verhalten gegen Schwiegereltern.

An eine Verwandte.

10. November 1616.

Ihr Schreiben, meine teure Tochter, beantworte ich spät, und dennoch fehlt mir auch jetzt noch fast die nötige Zeit dazu.

So haben Sie also jetzt eine Haushaltung zu führen; dagegen hilft nun nichts mehr: Sie müssen das sein, was Sie sind, eine Hausfrau, da Sie Mann und Kinder haben; und Sie müssen es gern und mit Liebe zu Gott sein, so aus Liebe zu Gott, wie ich es in der „Philothea“ klar genug auseinandergesetzt, ohne sich aber dabei mehr zu beunruhigen und abzuhasten, als durchaus notwendig ist (Philotea III, 10.).

Ich verhehle mir inzwischen nicht, meine teure Tochter, dass es seine Schwierigkeiten hat, einem Hauswesen vorzustehen, wo noch Vater und Mutter im Hause sind. Denn niemals ist mir noch ein Vater und noch viel weniger eine Mutter vorgekommen, welche das Regiment gänzlich der Tochter überlassen hätten, so zuträglich dies auch mitunter wäre. Mein Rat ist nun, dass Sie mit möglichster Sanftmut und Umsicht tun, was Ihres Amtes ist, ohne je den Frieden mit den Eltern zu brechen. Besser, es geht in der Wirtschaft etwas weniger gut, als dass diejenigen unzufrieden werden, gegen die man so viele Verpflichtungen hat.

Übrigens liegt Ihnen, wenn ich mich nicht irre, Ihrer ganzen Gemütsart nach alle Streitsucht ferne. Der Friede ist mehr wert als ein Gewinn. Was Sie mit Liebe erreichen können, mag geschehen; was nur mit Streit durchgesetzt werden könnte, muss unterbleiben, wenn man mit Personen zu tun hat, denen man so viel Verehrung schuldet. Es ist mir nicht zweifelhaft, dass hie und da Abneigung und Widerspruch sich in Ihrem Herzen regen wird, aber, meine teure Tochter, das sind ebenso viele Gelegenheiten, die wahre Tugend der Sanftmut zu betätigen. Denn wir müssen in guter, heiliger und liebreicher Art tun, was wir jedem schuldig sind, selbst wenn es gegen unseren Wunsch und Geschmack ist.

Das ist es, meine Tochter, was ich vorläufig Ihnen sagen kann. Nur bitte ich Sie noch inständig, von meiner vollkommenen und wahrhaft väterlichen Zuneigung überzeugt zu sein, da es ja Gott gefallen hat, Ihnen ein so rückhaltloses und kindliches Vertrauen zu mir einzuflößen. Fahren Sie fort, meine teure Tochter, mir von Herzen gut zu sein.

Verlegen Sie sich recht ans das betrachtende Gebet, legen Sie oftmals Ihr Herz in Gottes Hand, lassen Sie Ihre Seele Ruhe finden in seiner Güte und stellen Ihre Sorge wegen der Reise Ihres teuren Gatten oder wegen Ihrer sonstigen Angelegenheiten unter seine Obhut. Alles übrige überlassen Sie dem Herrn, der nach Maßgabe seiner Vorsehung früher oder später dafür sorgen wird.

Kurz, suchen Sie für immer ganz Gott anzugehören, meine Tochter, wie ich in ihm verbleibe

Ihr ganz ergebener u. s. w.


 


 

5. Aus einem Briefe an seine Schwester, Frau v. Cornillon.

Ich habe gehört, dass mein Bruder und Du von Tag zu Tag mehr und mehr zu leiden haben von den Launen Deines Herrn Schwiegervaters. Meine Tochter! wenn Du dieses Kreuz recht zu nehmen weißt, wirst Du glücklich sein; denn Gott wird zum Lohn dafür Dir tausendfache Segnungen schenken, nicht bloß im anderen, sondern sogar schon in diesem Leben; aber es gilt mutig auszudauern in Sanftmut und Geduld.


 


 

6. Überhäufung mit Arbeit gibt Anlass zur Ausübung vieler Tugenden.

An eine Dame.

Es fällt mir ein, dass Sie wegen Überbürdung mit so vielfältigen Geschäften klagten. Ich sage Ihnen aber: das ist gerade die schönste Gelegenheit, sich wahre und kernhafte Tugenden zu erwerben. Wer so von allen Seiten in Anspruch genommen ist, hat ein fortwährendes Martyrium. Gleichwie nämlich die Fliegen dem Reisenden im Sommer mehr Verdruss und Beschwerde verursachen, als die Reise selbst, so ist auch die Menge und Verschiedenartigkeit der Arbeiten beschwerlicher als die Last, welche man an sich damit hat.

Sie haben Geduld nötig, und hoffentlich wird Gott Sie Ihnen geben, wenn Sie ihn inständig darum bitten und sich Mühe geben, sich mit aller Treue darin zu üben. Jeden Morgen müssen Sie diesem Gegenstande Ihre Aufmerksamkeit zuwenden, indem Sie in einem Punkte Ihrer Betrachtung jene Tugend ins Auge fassen und sich fest vornehmen, sich den Tag hindurch ebenso oft wieder in Geduld fassen zu wollen, als Sie merken, dass Ihnen dieselbe ausgehen will. Lassen Sie keine noch so geringfügige Gelegenheit vorübergehen, gegen männiglich (ausnahmslos jeder) die Sanftmut des Herzens zu üben.

Hoffen Sie ja nicht auf ein Gelingen Ihrer Unternehmungen vermöge eigener Tüchtigkeit, sondern einzig durch Gottes Beistand; der Gedanke an seine Fürsorge sei stets Ihre Beruhigung; Sie sehen ja, er macht es immer aufs beste für wenn Sie Ihrerseits nur mit sanfter Besessenheit das Ihrige tun. Ich sage: mit sanfter Beflissenheit; denn hastiger Fleiß ist störend für Herz und Hand, und ist nicht sowohl Fleiß, als Überstürzung und Wirrnis (Philothea III, 10.).

Ach Gott, liebe Frau, wie bald werden wir in der Ewigkeit sein; dort werden wir einsehen, wie wenig es mit allen Angelegenheiten dieser Welt auf sich hat, und wie wenig daran lag, ob sie gelangen oder nicht. Und doch machen wir uns jetzt Sorge darum, als wären es wunders wie (besonders außergewöhnliche) wichtige Dinge. Da wir noch kleine Kinder waren, mit welcher Geschäftigkeit schleppten wir da Ziegelstücke, Hölzer und Lehm zusammen, um Häuschen und Hütten zu bauen! Und würde uns jemand dieselben zerstört haben, wir wären darüber bis zu Tränen betrübt worden; jetzt wissen wir recht wohl, dass an dem ganzen Plunder blutwenig (sehr wenig) gelegen war. Geradeso wird es einst im Himmel sein, und wir werden einsehen, dass alle unsere Bekümmernisse um die Welt reine Kindereien waren.

Ganz beseitigen möchte ich aber die Sorge um diese Lappalien darum doch nicht; denn Gott hat dieselben zu unserer Übung uns angewiesen; wohl aber möchte ich dieser Sorge die Beimischung von Hitze und Ungestüm benehmen. Treiben wir immerhin unsere Kindereien, da wir nun einmal Kinder sind. Hüten wir uns nur dabei vor innerer Erkaltung, und kommt einer daher und zertrümmert unsere Häuschen und durchkreuzt unsere Pläne, so machen wir uns nicht viel Kummer deswegen. Kommt der Abend, wo wir zur Ruhe gehen, nahet der Tod heran, so ist es ja doch nichts mit all diesen Häuschen; da heißt es eingehen in das Haus unseres Vaters. Besorgen Sie also in Treuen Ihre Geschäfte; seien aber durchdrungen davon, dass es kein so hochwichtiges Geschäft gibt, als das Geschäft Ihres Heiles, und dass nichts so notwendig zum Heile ist, als Ihre Seele auf den Weg zu der wahren Gottseligkeit zu führen.

Haben sie Geduld mit allen, vor allem mit sich selbst; das heißt: Machen Sie sich keine Sorge wegen Ihrer Unvollkommenheiten und suchen mit immer frischem Mute sich wieder über dieselben zu erheben. Ich bin zufrieden mit Ihnen, wenn Sie alle Tage aufs Neue anfangen; ein besseres Mittel, den Weg zum Himmel glücklich zurückzulegen, gibt es nicht, als wenn man immer wieder anfängt und niemals sich der Meinung hingibt, als habe man getan.

Empfehlen Sie mich der Barmherzigkeit Gottes, welche ich anflehe, Ihnen den Überfluss seiner heiligen Liebe zu schenken. Amen. Ich verbleibe Ihr

u. s. w.


 

7. Vertrauen auf die göttliche Vorsehung und Fassung in dem Wirrsal der häuslichen Arbeiten.

An eine Dame.

Werteste Frau! Stets wird es ein ganz besonderer Trost für mich sein, wenn ich das Glück habe, Briefe von Ihnen zu empfangen. Denn in Wahrheit hege ich Hochachtung und die vollkommenste Liebe für Sie, da mir der Herr gestattet hat, einen Blick in Ihr Herz zu tun und das heilige Verlangen desselben wahrzunehmen, in unwandelbarer Liebe für jene göttliche Güte zu erglühen, neben welcher uns nichts gut, nichts liebenswert erscheinen kann.

Glauben Sie mir aber, teuerste Tochter -- ich kann es meinem Herzen nicht wehren, Sie mit diesem herzlichen Namen zu nennen – glauben Sie es mir, wenn meine Wünsche Erhörung finden, so werden Sie in dieser heiligen Liebe unablässige Fortschritte machen; denn ich werde niemals vergessen, Gott darum zu bitten und manchmal in dieser Meinung das heilige Opfer darbringen. Doch ich muss Ihnen etwas auf Ihren Brief sagen.

Sie sehen, wie freundlich sich die göttliche Vorsehung gegen Sie erzeigt und wie sie ihre Hilfe nur aufschiebt, um das Vertrauen in Ihrem Herzen erstarken zu lassen. Das Kind wird niemals zu Grunde gehen, welches bleibt auf den Armen eines Vaters, der allmächtig ist. Gibt Gott uns nicht allemal, worum wir ihn bitten, so tut er es nur, damit wir desto länger bei ihm bleiben und desto mehr in ihn dringen und mit liebender Gewalt ihn nötigen, wie er solches bei den Pilgern von Emmaus zu erkennen gab, mit denen er bei der Neige des Tages, erst spät und auf ihr Drängen, Einkehr nahm. Kurz, er ist die Huld und Güte selbst; denn sobald wir unter seinen Willen uns demütigen, geht er ein auf den unsrigen.

Bestreben Sie sich also, meine Tochter, mehr und mehr Ihr Vertrauen zu dieser heiligen Vorsehung zu kräftigen, beten Sie häufig dieselbe an in stiller Einkehr des Herzens und vertiefen sich in deren Anschauung, wie solches in meiner Anleitung angegeben ist (Vgl. Philothea II, 2.).

Ich preise Gott, dass Sie sich tapfer halten, ungeachtet Ihrer unablässigen Haushaltungssorgen, bei welchen Ihre Liebe sich bewähren muss wie des Kriegers Mut in der Schlacht.

Frau v. Chantal ist hier mit ihrer kleinen Schar. Am 28. April werden sie ihren öffentlichen Chordienst beginnen. Sie haben weit mehr Gunst bei dem Herrn Kardinal gefunden, als ich nach den ersten Anzeichen erwarten durfte (Kardinal v. Marquemont in Lyon, wo im Jahr 1615 ein Kloster von der Heimsuchung errichtet wurde.).

Ich werde nicht ermangeln, der Versammlung, besonders dem Herzen der Frau v. Chantal eine besondere Liebe zu Ihnen einzuflößen, indem ich Ihnen die Versicherung gebe, dass ich sehnlichst wünsche, Sie mit jener reinen Liebe erfüllt zu sehen, welche uns für immer Gott wohlgefällig macht und allen Geschöpfen, die ihm dienen. Amen.

Ich verbleibe auf immer Ihr u. s. w.


 

8. Mittel gegen die Ungeduld bei häuslichen Unannehmlichkeiten.

An eine Dame.

Meine geliebte Tochter! Sie werden immer, so oft es mir möglich ist, Briefe von mir erhalten; aber jetzt schreibe ich Ihnen besonders gerne, weil Herr Moyron, der Überbringer dieser Zeilen, mein nächster Nachbar in dieser Stadt, mein inniger Freund und Verwandter ist und Sie bei dessen Rückkehr mir mit vollster Sicherheit schreiben können. Ich habe ihn gebeten, das Bild der Mutter Theresia, falls es fertig ist, abzunehmen, zu bezahlen und es mir mitzubringen.

Es will mir indessen scheinen, meine Tochter, als hätte ich Ihnen in meinem letzten Schreiben nicht deutlich genug gesagt, was hinsichtlich Ihrer kleinen, aber häufig wiederkehrenden Ungeduld bei häuslichen Vorkommnissen mein Wunsch ist. Ich sage Ihnen also: Sie haben eine besondere Achtsamkeit nötig, um dabei ruhig zu bleiben. Wenn Sie des Morgens aufgestanden sind, wenn Sie vom Gebete sich erheben, wenn Sie aus der Messe oder von der Kommunion nach Hause kommen, kurz immer, so oft Sie zu Ihren häuslichen Geschäften zurückkehren, müssen Sie darauf achten, recht sanft anzufangen, müssen dann von Zeit zu Zeit wieder nach Ihrem Herzen sehen, ob es noch sanft ist. Treffen Sie es anders, so müssen Sie es vor allen Dingen besänftigen; finden Sie es aber in Ordnung, so preisen Sie Gott dafür und lassen es so den Geschäften sich widmen, die vor Hand sind, achten aber mit besonderer Sorgfalt darauf, dass diese gute Stimmung sich nicht wieder verliert.

Sehen Sie, meine Tochter, wer oft Honig genießt, findet saure Speisen noch saurer, bittere noch bitterer, und es schmeckt ihm nicht mehr die derbe Hausmannskost. Ebenso findet Ihre Seele, da sie häufig mit geistlichen Übungen sich befasst, die dem Geiste süß und angenehm sind, die äußerlichen, körperlichen und mechanischen Beschäftigungen sehr herb und unangenehm und wird daher leicht ungeduldig dabei. Sie müssen daher, meine liebe Tochter, bei diesen Verrichtungen nicht sowohl auf die Beschäftigung selbst, als vielmehr auf den Willen Gottes sehen, der sie von Ihnen fordert.

Rufen Sie oftmals die einzige, schöne Taube des himmlischen Bräutigams an (Die seligste Jungfrau, welche in dem Hohenliede so genannt wird.), damit Sie durch deren Fürsprache ein rechtes Taubenherz bekommen und eine Taube seien nicht bloß im Aufschwunge des Gebetes, sondern auch eine Taube im Neste und gegen alle, die in Ihrer Umgebung sind. Möge Gott allezeit inmitten Ihres Herzens sein, meine gute, meine liebe Tochter, und Ihnen helfen, ein Geist mit ihm zu werden.

Ich grüße durch Ihre Vermittlung die gute Mutter und sämtliche Schwestern des Karmelitenklosters und lasse sie bitten um die Hilfe ihres Gebetes. Wüsste ich, dass unsere liebe Schwester Jakobine da wäre, so würde ich sie und ihre kleine Franziska auch grüßen, wie ich Ihrer Magdalena, die auch die meinige ist, meinen Gruß sende. Es lebe Jesus!



 

9. Räumliche Entfernung hindert nicht die Vereinigung der Kinder Gottes.

Wie man sich in Gesellschaften zu verhalten hat, wo von anderen Übles geredet wird. Empfehlung der Sanftmut.

An eine Dame.

Glauben Sie ja nicht, meine Tochter, dass räumliche Entfernung imstande sei, Seelen zu trennen, welche Gott verbunden hat durch die Bande seiner Liebe.

Die Kinder der Welt sind allerdings sämtlich voneinander getrennt, weil das eine sein Herz da, das andere dort hat; die Kinder Gottes dagegen, deren Herz da ist, wo ihr Schatz ist, und die alle nur den einen und unendlichen Schatz, nämlich denselben Gott haben, bleiben folgerichtig immer miteinander vereinigt und verbunden. Mit diesem Gedanken müssen wir uns trösten angesichts der Notwendigkeit, dieser Stadt ferne zu bleiben. Ohnehin werde ich bald abreisen müssen, um in mein Amt zurückzukehren. Oftmals werden wir uns treffen am Fuße des heiligen Kreuzes, wenn wir den Versprechungen nachkommen, die wir uns dieserhalb gegeben haben. Auch ist ja das der einzige Ort, wo Zusammenkünfte von Nutzen sind (Vgl. die schönen Worte, welche der gottselige Eleazar, Graf v. Arian an seine Gemahlin schrieb, Philothea II, 12.).

Übrigens, meine teure Tochter, will ich Ihnen von vornherein sagen, dass Sie Ihren Geist auf alle mögliche Art müssen zu stärken suchen gegen die ungegründete Ängstlichkeit, von welcher derselbe gewöhnlich aufgeregt und gequält wird. Richten Sie zu diesem Ende zunächst Ihre frommen Übungen so ein, dass deren Dauer weder Ihre eigene Seele ermüdet, noch auch jenen beschwerlich fällt, mit denen Sie nach Gottes Fügung leben müssen.

Eine halbe Viertelstunde und noch weniger reicht aus für die Morgenandacht, drei Viertel- oder allenfalls eine ganze Stunde für die Messe; unter Tags einige Herzerhebungen zu Gott, die keine Zeit wegnehmen, sondern das Werk eines Augenblickes sind, und endlich noch, abgesehen von dem gewöhnlichen Gebete vor und nach Tisch, wodurch Ihr Herz sich wieder mit Gott vereinigt, die Gewissenserforschung am Abend, ehe Sie sich zur Ruhe begeben.

Mit einem Worte, ich wollte, Sie wären eine rechte Philothea und nichts mehr, das heißt ich wünschte, Sie wären so, wie ich es in meiner „Anleitung” für Sie und ihresgleichen angegeben habe.

Was das gesellschaftliche Leben angeht, so lassen Sie sich durch nichts anfechten, was da gesprochen oder getan wird: ist es gut, so gibt es Ihnen Anlass, Gott zu preisen; ist es aber böse, so haben Sie Gelegenheit, Gott dadurch zu dienen, dass Sie Ihr Herz davon abwenden, ohne sich dabei erstaunt oder ärgerlich zu stellen; denn Sie können ja nichts dafür und haben auch nicht Einfluss genug, um jene, die zu üblem Gerede geneigt sind, davon abzuhalten; ja diese Leute werden es noch ärger treiben, wenn man Miene macht, sie daran zu hindern. Richten Sie hiernach Ihr Verhalten ein, so werden Sie mitten unter dem Zischeln der Schlangen ganz ohne Schuld und gleich einer lieblichen Erdbeere unberührt bleiben von dem Gifte der bösen Zungen rings um Sie her.

Ich kann gar nicht begreifen, wie Sie Ihr Herz einer so maßlosen Traurigkeit überlassen können; Sind Sie doch eine Tochter Gottes, schon so lange aufgenommen in den Schoß seines Erbarmens und seiner Liebe geweiht: so müssen Sie sich also ermannen und alle die traurigen und trübseligen Gedanken von sich schütteln, die der Feind bloß deshalb Ihnen anhängt, um Sie zu ermüden und zu quälen.

Achten Sie wohl darauf, gegen Ihren lieben Gatten wie gegen jeden anderen sich der demütigen Sanftmut zu befleißigen, die Sie ihnen schuldig sind; denn das ist die Tugend der Tugenden, die unser Herr uns so sehr empfohlen hat. Geschieht es Ihnen aber, dass Sie dagegen fehlen, so geraten Sie deshalb nicht außer Fassung, sondern erheben sich mit allem Vertrauen, um wieder auf dem Weg des Friedens und der Sanftmut weiter zu wandeln wie zuvor.

Ich sende Ihnen eine kurze Anweisung, sich des Morgens und den Tag über mit dem Herrn zu vereinigen. Das wäre es nun, meine Tochter, was ich für den Augenblick Ihnen zum Troste glaube sagen zu sollen. Es erübrigt mir nur noch die Bitte, Sie wollen sich nicht darauf verlegen, Umstände mit nur zu machen, da ich meinerseits weder Zeit noch Lust habe, dergleichen mit Ihnen zu machen. Schreiben Sie mir ohne alle Umschweife, wenn Sie Lust dazu haben; denn es wird mir jederzeit zu großer Befriedigung gereichen, Nachrichten über Ihre Seele zu empfangen, welche der meinigen so teuer ist, wie ich denn in Wahrheit verbleibe

Ihr u. s. w.


 

10. Man muss sich hüten vor Verzagtheit, Ängstlichkeit und unnützen Wünschen.

An eine Dame.

Den 20. Januar 1609.

Werteste Frau ! Ohne Zweifel würden Sie mündlich sich besser und unbefangener aussprechen können als schriftlich; allein solange bis Gott ersteres möglich macht, müssen wir uns mit der Art der Mitteilung behelfen, die uns zu Gebote steht. Sehen Sie, alle diese Erschlaffung, Schwäche und Betäubung der Sinne muss notwendig eine gewisse Niedergeschlagenheit hervorrufen; solange indessen Ihr Wille fest und Sie im tiefsten Grunde Ihrer Seele entschlossen bleiben, Gott ganz anzugehören, so ist nichts zu fürchten; denn jene Zustände sind nur natürliche Unvollkommenheiten und eigentlich mehr Krankheiten als Sünden oder Fehler des Herzens. Nichtsdestoweniger muss man suchen, sich aufzuraffen und soviel als möglich seinen Geist zu Energie und Tätigkeit anzuregen trachten.

O meine Tochter! Sicher ist der Tod schrecklich; aber dafür ist auch das Leben, das ihm folgt und welches Gottes Barmherzigkeit uns verleihen wird, über die Maßen wünschenswert. Man darf sich daher auch niemals der Mutlosigkeit überlassen; mögen wir auch elend sein, so sind wir es doch lange nicht in dem Maße, wie Gott barmherzig ist gegen diejenigen, die den Willen haben, ihn zu lieben und die auf ihn ihre Hoffnung setzen. Als der selige Kardinal Borromäus sich dem Tode nahe fühlte, ließ er sich das Bild des toten Heilandes bringen, um sich sein Sterben durch das Andenken an den Tod seines Erlösers zu erleichtern. Das allerbeste Mittel gegen ihre Furcht vor dem Tode ist der Gedanke an den, der unser Leben ist, so dass Sie nie an den einen denken dürfen, ohne den Gedanken an den anderen damit zu verbinden.

Mein Gott, beste Tochter, untersuchen Sie nicht, ob das, was sie tun, wenig oder viel, gut oder übel ist, vorausgesetzt, dass Sie nichts entschieden Sündhaftes tun und in gutem Glauben die Absicht haben, den Willen Gottes zu tun. Soviel Sie können, suchen Sie das, was sie tun, auf vollkommene Weise zu tun; ist es aber geschehen, so denken sie nicht weiter zurück, sondern vielmehr daran, was demnächst zu geschehen hat. Wandern sie Sie schlicht und recht den Weg des Herrn und quälen Sie sich nicht mit Grillen. Wir müssen unsere Fehler hassen, aber dieser Abscheu muss ein ruhiger und gelassener, nicht aber ein ärgerlicher und verstörter sein; wir müssen mit Geduld den Anblick unserer Fehler ertragen, um daraus den Vorteil einer heiligen Selbsterniedrigung zu ziehen; tun Sie das nicht, so werden Ihre Unvollkommenheiten, die Sie so gründlich untersuchen, Sie noch gründlicher verwirren und werden auf diese Weise sich behaupten, da nichts geeigneter ist, unsere Mängel zu erhalten, als der ängstliche und hastige Eifer, sie zu beseitigen.

Es ist eine große Versuchung, bei Widerwärtigkeiten sich dem Überdrusse an der Welt zu überlassen, während man doch in derselben leben muss. Die göttliche Vorsehung versteht es eben besser wie wir. Wir wähnen, es würde uns besser gehen, wenn wir eine andere Natur hätten; jawohl, wenn wir damit zugleich selbst innerlich umgewandelt wären. Mein Gott, ich bin ein geschworener Feind solcher unnützer, gefährlicher und übler Wünsche; denn gesetzt auch, es wäre das, was wir wünschen, an sich gut, so ist doch der Wunsch übel, weil Gott für uns nicht jene Art des Glückes will, sondern eine andere, für welche wir, seinem Willen gemäß, die Befähigung erringen sollen. Gott will aus dem Dornbusch zu uns reden wie mit Moses, und wir wollen, dass er zu uns rede in dem sanften Säuseln eines kühlen Windes, wie er mit Elias getan hat. Seine Güte behüte Sie, meine Tochter; seien Sie aber standhaft, mutig und voll Freude in dem Gedanken, dass er Ihnen den Willen gibt, ganz ihm anzugehören.

Von ganzem Herzen verbleibe ich Ihr u. s. w.


 

 

11. Geduld mit den eigenen Unvollkommenheiten.

Wie man den Kommuniontag zubringen soll. Verhalten den Verleumdungen gegenüber.

An eine Dame.

Meine teure Frau Schwester! Ich sehe wohl, Ihr Herz brennt vor Verlangen nach immer höherer Vollkommenheit. Ich lobe diesem Verlangen; denn dasselbe ist, wie ich wohl weiß, Ihnen nicht ein Hemmnis, sondern im Gegenteil ein steter Sporn, dieselbe zu erringen.

Ihr Leben ist, so klagen Sie mir, mit tausend Unvollkommenheiten behaftet.

Es mag sein, meine Tochter, aber sind Sie nicht stündlich bemüht, dieselben in sich zu ertöten? Es ist sicher, solange wir hienieden die Last dieses hinfälligen Leibes mit uns umhertragen, wird uns immer irgendwas fehlen.

Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen schon gesagt habe: wir müssen mit jedermann Geduld haben, vor allem aber mit uns selbst; sind wir doch uns selbst mehr zur Last als sonst wer immer, seit uns der Unterschied fühlbar geworden ist zwischen dem alten und dem neuen Adam, zwischen dem inneren und dem äußeren Menschen.

Sie haben also bei der Betrachtung immer das Buch in der Hand, sonst bringen Sie nichts zustande. Was liegt daran? Ob Sie das Buch wieder und wieder zur Hand nehmen oder nicht, was kann das zu bedeuten haben? Wenn ich Ihnen sagte, Sie sollen nur eine halbe Stunde dazu verwenden, so war das nur für den Anfang, um Ihre Einbildungskraft nicht zu sehr anzustrengen; jetzt aber können Sie unbedenklich eine Stunde der Betrachtung widmen.

Am Tage, wo Sie zur Kommunion waren, können Sie unbedenklich erlaubte Arbeiten und Geschäfte jeder Art verrichten; bedenklicher würde es sein, nichts zu tun. Glauben Sie wohl, die ersten Christen, welche täglich kommunizierten, hätten deswegen die Hände in den Schoß gelegt ? Und der hl. Paulus, welcher regelmäßig das Messopfer feierte, erwarb gleichwohl mit seiner Hände Arbeit den Lebensunterhalt.

Nur zwei Dinge sind es, vor denen man sich am Kommuniontage hüten muss, nämlich vor der Sünde und vor selbstgesuchten sinnlichen und sonstigen Ergötzungen. Vergnügungen, die pflichtmäßig oder unausweichlich sind, oder zu denen man aus anstandsmäßiger Höflichkeit sich herbeilässt, sind an einem solchen Tage nicht allein nicht verboten, sondern im Gegenteil sogar angeraten; nur muss man sich dabei einer sanften und heiligen Sittsamkeit befleißigen.

So würde ich mich an einem solchen Tage nicht abhalten lassen, zu einem ehrbaren Feste, in eine anständige Gesellschaft zu gehen, falls ich eingeladen wäre, wiewohl ich ohnedies nicht hingehen würde. Ähnlich verhält es sich mit Eheleuten, die an diesem Tage ihre Pflicht zwar leisten dürfen, ja müssen, sie aber nicht verlangen könnten, ohne eine gewisse Unschicklichkeit zu begehen, die aber gleichwohl keine Todsünde sein würde. Mit Absicht führe ich gerade dieses Beispiel an.

Sie fragen mich, ob diejenigen, welche der Vollkommenheit nachstreben, so viel die Welt sehen dürften? Die Vollkommenheit, werteste Frau, besteht nicht darin, die Welt nicht zu sehen, wohl aber darin, dass man an ihr keinen Geschmack findet und sie nicht genießen will. Eine Gefahr liegt allerdings darin, was wir sehen; denn das Sehen macht, dass man es leicht lieb gewinnt; wer indessen in seinen Grundsätzen recht fest steht, dem schadet der Anblick nichts. Kurz, meine Schwester, die Vollkommenheit des Lebens besteht in der Vollkommenheit der Liebe; denn das Leben unserer Seele ist die Liebe. Die ersten Christen lebten in der Welt dem Leibe nach, freilich nicht dem Herzen nach, und waren trotzdem sehr vollkommen. Meine teure Schwester, ich möchte keinerlei Verstellung bei Ihnen, nichts, was diesen Namen verdient; Aufrichtigkeit und Geradheit sollen unsere Lieblingstugenden sein.

Aber, sagen Sie, es ärgern mich die unrichtigen Urteile, die man über mich fällt; ich tue nichts, was taugt, und man macht doch viel Aufhebens davon. Sie verlangen nun von mir ein Rezept dagegen. Hier haben Sie es, meine Tochter, so wie ich es von den Heiligen gelernt habe: Wenn die Welt uns verachtet, so freuen wir uns darüber, denn sie hat recht, da wir wirklich verächtlich sind; wenn sie uns hochachtet, so verachten wir ihre Hochachtung und ihr Urteil, da sie mit Blindheit geschlagen ist. Scheren Sie sich wenig darum, was die Welt denkt: machen Sie sich keine Sorge deswegen, verachten Sie ihre Achtung und ihre Missachtung und lassen sie reden, was sie will, gut oder schlimm. Ich billige es demnach nicht, dass man sich verstelle, um anderen eine schlimme Meinung von sich beizubringen; es ist dies immerhin Verstellung und heißt, den Nächsten täuschen; im Gegenteil wünschte ich, dass wir bei unseren Handlungen einzig auf den Herrn hinschauen, ohne danach umzusehen, was die Welt davon denkt, oder was sie für ein Gesicht dazu macht. Bei anderen eine gute Meinung von sich erwecken zu wollen, davor mag man sich allerdings hüten, nicht aber darf man sich in schlechten Ruf zu bringen suchen oder gar eigens in dieser Absicht Fehler begehen. Mit einem Worte, es muss Ihnen gleichgültig, ja sozusagen verächtlich vorkommen, was die Welt über Sie urteilt; machen Sie sich gar nichts daraus. Dass man, wenn die Welt gut von uns denkt, sagt, sie überschätze uns, das ist gut; denn die Welt ist eine Marktschreierin, sie übertreibt immer im Guten wie im Schlimmen.

Aber, was sagen Sie mir? Sie seien eifersüchtig auf andere, die ich Ihnen vorziehe? Und, was das Schlimmste ist, Sie sagen, Sie wüssten das wohl. Wie können Sie das wohl wissen, meine teure Schwester, inwiefern gebe ich anderen einen Vorzug? Nein, glauben Sie es mir, Sie sind mir wert, ja sehr wert; und ich weiß wohl, dass Sie andere nicht vorzögen, wenn sie es auch verdienten; aber ich will Ihnen folgendes im Vertrauen sagen.

Unsere Schwestern auf dem Lande haben mehr Beistand notwendig als Sie in der Stadt, wo Sie an frommen Übungen, gutem Rate und allen geistlichen Hilfsmitteln Überfluss haben, während jene niemand haben, der ihnen hilft.

Und, was unsere Schwester von N. angeht, sehen Sie denn nicht, wie verlassen sie dasteht, da sie sich nicht entschließen kann, sich denjenigen anzuvertrauen, welche unser Herr Vater ihr vorschlägt, während dieser Herr Vater von denen nichts wissen will, welche wir vorschlagen? Wie er mir nämlich schreibt, kann er die Wahl des Herrn Bardot nicht billigen. Schulde ich nun dieser armen Kreuzschwester nicht mehr Mitleid als Ihnen, die Sie, Gott sei Dank, alles so nach Wunsch haben.


 


 

12. Der Heilige mahnt eine Dame, ihr Herz von der Eitelkeit der Welt loszureißen.

Den 17. Dezember 1622.

Auf meiner Reise nach Avignon hatte ich das Glück, werteste Tochter, unsere gute Mutter hier zu finden; auch bei meiner Rückkehr traf ich sie noch. Sie können sich leicht denken, dass beide Mal oft von Ihnen die Rede war, und dass es überaus tröstlich für mich war, zu wissen, dass Sie nach wie vor in der Furcht Gottes leben und von dem Verlangen beseelt sind, in der Gottseligkeit voranzuschreiten. Sie wissen, meine liebe Tochter, wie leicht ich zufriedenzustellen bin und wie gerne ich alles Gute hoffe von den Seelen, die ich liebe. Bereits von Ihrer Kindheit an hatte ich eine wahre Leidenschaft für Ihr Heil und hegte ich das größte Vertrauen, Gott werde Sie nicht von seiner Hand lassen, wenn Sie nur seiner Leitung sich hingeben wollten. Tun Sie dieses, ich beschwöre Sie, meine Tochter, und reißen Sie von Tag zu Tag mehr Ihr Herz los von aller Anhänglichkeit an die Eitelkeiten der Welt. Skrupulös (gewissenhaft ängstlich) bin ich so wenig als Sie selbst; Anhänglichkeit an die Eitelkeiten der Welt nenne ich daher auch nur die freiwillig unterhaltene Hinneigung zu Dingen, die in Wirklichkeit uns abziehen von jenen Gedanken und Erwägungen, welche um der hochheiligen Einigkeit willen unser Herz erfüllen müssen.

Die gute Mutter hat mir gesagt, wie tröstlich es für sie ist, Sie an der Seite eines so trefflichen Gatten zu sehen, der Ihnen so mit ganzer Liebe zugetan ist. Es ist dies eine rechte Förderung in der Tugend für Sie; ziehen Sie ja recht Nutzen daraus. Mag auch Ihr jugendliches Alter, Ihre Konstitution und Ihre kräftige Gesundheit Ihnen ein langes Leben versprechen, so vergessen Sie nicht, dass Sie darum doch bald sterben können, und dass Sie bei Ihrem Ende nichts mehr wünschen werden, als die Hulderweisungen der göttlichen Güte wohl in acht genommen und benutzt zu haben. Inzwischen verbleibe ich ganz und für immer

Ihr ergebender u. s.. w.


 


 

13. Der Wille Gottes verleiht selbst den geringfügigsten Handlungen einen hohen Wert.

An eine Dame.

Liebe Frau Schwester! Im Begriffe, Ihnen zu schreiben, weiß ich Ihnen nichts Besseres zu sagen, als den Rat: Gehen Sie immer frohen Mutes weiter auf dem ganz himmlischen Wege, auf welchen Gott Sie geführt hat! All mein Leben lang werde ich ihn preisen für die Gnaden, die er für Sie bereitet hat; aus Erkenntlichkeit dafür halten Sie Ihrerseits sich ebenfalls zu großen Opfern bereit und fassen sich ein Herz, trotz aller Schwierigkeiten, die sich Ihnen entgegenstellen, mutig alles zu vollbringen, was er – wie Sie wissen – von Ihnen verlangt.

Sehen Sie durchaus nicht auf die Beschaffenheit Ihrer Verrichtungen an sich, sondern einzig darauf, dass dieselben trotz ihrer Unscheinbarkeit einen Ehrenplatz haben in der Ordnung der göttlichen Vorsehung und gefordert sind durch seine Weisheit. Genug, dass sie Gott wohlgefällig und als solche von uns erkannt sind; wie dürften sie uns da mißfällig sein?

Seien Sie darauf bedacht, von Tag zu Tag eine größere Reinheit des Herzens zu gewinnen. Diese Reinheit des Herzens besteht aber darin, dass wir alle Dinge schätzen und wägen nach der Waage des Heiligtums, die eben nichts anderes als der Wille Gottes ist.

Ich bitte Sie, lieben Sie nichts zu leidenschaftlich, selbst nicht einmal die Tugenden, da man diese zuweilen verliert, wenn man die Grenzen der Mäßigung überschreitet. Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen, aber ich glaube es; ich rede von den heißen, ungestümen Wünschen Ihres Herzens.

Zwar hat die Rose nicht die weiße Farbe, welche der Lilie eigentümlich ist, aber sie ist doch eine schöne Blume, und die Granatblüte ist noch herrlicher von Farbe und noch lieblicher von Geruch. Seien wir, was wir sind, und seien es ganz, um dem Meister Ehre zu machen, dessen Werk wir sind. Man spottete über den Maler, der anstatt eines Pferdes einen richtigen Ochsen dargestellt hatte; die Darstellung an sich war schön, aber sie machte dem Meister trotzdem wenig Ehre, der eine andere Figur hatte malen wollen und nur durch Zufall die Gestalt des Ochsen herausgebracht hatte.

Seien wir das, was Gott will, wenn wir ihm nur ganz ergeben sind, und seien wir nicht, was wir gegen seine Absicht sein möchten; denn wären wir auch die vorzüglichsten Geschöpfe des Himmels, wozu könnte es uns nützen, wenn wir dem göttlichen Willen nicht nach Gefallen sind?

Vielleicht spreche ich diesen Gedanken zu häufig aus; aber für die Folge werde ich nicht mehr so oft darauf zurückkommen, weil durch Gottes Hilfe diese Lehre bereits feste Wurzeln bei Ihnen geschlagen hat (Vgl. Philothea I, 3.).

Tun Sie mir die Liebe, mich von dem Gegenstande Ihrer Betrachtungen für dieses Jahr in Kenntnis zu setzen. Ebensowohl werde ich mich darüber freuen, wie über die Früchte, welche dieselben bei Ihnen hervorbringen. Seien Sie froh im Herrn, meine liebe Tochter, und halten Sie Ihr Herz in Frieden.

Mit freundlichen Grüßen an Ihren Herrn Gemahl verbleibe ich für immer

Ihr u. s. w.


 

 

14. Man muss die Vollkommenheit seines Standes zu gewinnen trachten. Ratschläge für die Beichte und Kommunion.

An eine Dame.

Meine liebe Frau Schwester! Das Vertrauen, welches Sie zu mir haben, gereicht mir stets zum Troste, und ich bin recht betrübt darüber, dass ich nicht so häufig brieflich mit Ihnen verkehren kann, wie ich es wünschte; aber unser Herr, der Sie lieb hat, bietet Ihnen reichlich Ersatz dafür in dem Beistande, den Sie dort finden.

Ich möchte es billigen, wenn Sie bei der Betrachtung vorerst ganz einfach zu Werke gehen wollten, indem Sie Ihren Geist durch Lesung und Verteilung der zu betrachtenden Punkte vorbereiten, ohne Ihrer Einbildungskraft einen weiteren Spielraum zu lassen als nötig ist, den Geist gesammelt zu halten.

Allerdings weiß ich recht gut, wenn man durch gutes Glück von ungefähr Gott begegnet, so tut man wohl, bei ihm verweilen und ihn zu betrachten; aber, meine Tochter, zu denken, man werde ihm immer so unverhofft und ohne Vorbereitung begegnen, das wäre nach meiner Ansicht gar nicht einmal gut für uns, die wir noch Neulinge sind und mehr nötig haben, die Tugenden des Gekreuzigten eine nach anderen im besonderen zu betrachten, als sie im Ganzen und Großen zu bewundern.

Versagt uns aber Gott, nachdem wir diese demütige Vorbereitung vollbracht haben, dennoch Befriedigung und Süßigkeit, so müssen wir eben in Geduld ausharren bei trockenem Brote und unsere Pflicht erfüllen ohne sofortige Belohnung.

Es freut mich zu wissen, dass Sie zu dem guten Pater Gentil beichten gehen; ich kenne ihn genau seinem Rufe nach und weiß, ein wie guter und sorglicher Diener Gottes er ist; Sie werden daher wohl tun, auch fernhin ihm zu beichten und die guten Ratschläge zu befolgen, die er Ihnen je nach Bedürfnis erteilen wird.

Ich möchte nicht, beste Frau, dass Sie Ihre Tochter zu einer so häufigen Kommunion veranlassten, da sie den Wert dieser großen Gnade nicht recht zu schätzen weiß. Es ist leichter, die Kommunion von dem Genusse gewöhnlicher Speisen zu unterscheiden, als den Unterschied zwischen seltener und häufiger Kommunion recht zu erfassen. Wenn die junge Seele recht beachtet, dass der häufige Empfang der heiligen Kommunion einen hohen Grad von Reinheit und Inbrunst voraussetzt, und wenn sie wirklich nach diesem Schmuck des Herzens trachtet, dann allerdings bin ich damit einverstanden, dass man sie oft, das heißt alle vierzehn Tage gehen lasse. Hat dieselbe aber nur ein Verlangen nach der Kommunion, nicht aber danach, die kleinen jugendlichen Unvollkommenheiten durch Abtötung zu bekämpfen, dann dürfte es genügen, sie alle acht Tage beichten und alle Monate kommunizieren zu lassen. Gewiss, meine Tochter, ist die Kommunion das vorzüglichste Hilfsmittel zur Vollkommenheit; aber dann muss man beim Empfang derselben auch das Verlangen und Bestreben haben, alles das aus dem Herzen zu entfernen, was dem missfallen könnte, den wir darin aufnehmen wollten.

Bleiben Sie dabei, in all den kleinen, täglichen Widerwärtigkeiten, die Ihnen vorkommen, sich recht selbst zu überwinden; dahin müssen alle Ihre Wünsche gerichtet sein. Seien Sie überzeugt, dass Gott für jetzt nichts anderes von Ihnen verlangt. Kümmern Sie sich daher um anderes nicht; streuen Sie nicht die Saat Ihrer Wünsche aus in fremde Gärten, sondern pflegen nur den Ihrigen recht sorgsam. Wünschen Sie nicht, das nicht zu sein, was Sie sind, sondern wünschen Sie das recht zu sein, was Sie sind; Ihr Sinnen und Trachten sei dahin gerichtet, die berufsmäßige Vollkommenheit zu erlangen, und jedes Kreuz, das Sie dabei finden, sei es groß oder klein, auf sich zu nehmen. Glauben Sie mir, eine große, aber nur wenig verstandene Wahrheit der Seelenführung liegt in dem Worte: „Jeder liebt nach seinem Geschmack; wenige lieben nach ihrer Pflicht und nach dem Geschmacke unseres Herrn.“ Was hilft es uns, Schlösser in die Luft zu bauen, da wir doch auf Erden wohnen müssen? (De quoi sert-il de bâtir des châteaux en Espagne, puisqu'il nous faut habiter en France?) Das ist meine alte Lehre, und Sie verstehen, wie ich es meine; sagen Sie mir nun auch, meine Tochter, ob Sie recht danach verfahren?

Ich bitte Sie, halten Sie Ordnung in Ihren Übungen und nehmen dabei alle mögliche Rücksicht auf die Neigung Ihres Eheherrn. Stellt Ihnen der Feind die Welt wieder vor Augen und lockt Sie, zu ihr zurückzukehren, so lachen sie über diese freche Zumutung, lachen Sie darüber wie über eine Ungezogenheit. Auf solche Versuchungen gehört sich keine andere Antwort als jene unseres Herrn: „Weiche von mir, Satan; du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen!“ (Matth. 4, 7. 10.) Meine teure Tochter, wir befinden uns auf dem Wege der Heiligen; schreiten wir mutig vorwärts, ungeachtet aller Schwierigkeiten.

Ich denke, nunmehr genügend mich über alle Fragen ausgesprochen zu haben, über welche sie von mir Belehrung wünschten, wie ich denn kein größeres Verlangen habe, als Ihnen in dieser Hinsicht zu dienen.

Wohl wünschte ich, Sie zu besuchen, aber bisher konnte diesem Wunsche nicht stattgegeben werden. Gott wird vielleicht eine geeignetere Gelegenheit herbeiführen; ja ich bitte ihn darum, wenn es zu seiner Ehre gereicht, für die ich gerne zu allem bereit bin.

Möge er immer in unseren Seelen leben und herrschen! Mit diesem Wunsche verbleibe ich, meine geliebte Frau, Tochter und Schwester,

Ihr u. s. w.


 


 

15. Wahl der Beichtväter.

Im Ehestand bedarf das Weib einer sehr gediegenen Tugend.

Worin eine Witwe ihr Glück suchen soll.

Meine teure Schwester und Tochter! Ich beantworte nur die beiden Briefe von Ihnen, welche der Überbringer dieses mir gebracht hat; der dritte, den Sie an Frau v. Chantal für mich abgesandt haben, ist nämlich noch nicht in meine Hände gelangt. Sehr freut es mich, dass Sie der Ängstlichkeit sich entschlagen, und dass Ihnen die heilige Kommunion so viel Nutzen bringt. Machen Sie also nur so voran, meine Tochter. Da indessen Ihr Herr Gemahl sich darüber Unruhe macht, dass Sie nach N. gehen, so bestehen Sie ja nicht länger darauf; denn da Sie keiner besonderen Ratschläge bedürfen, so werden Ihnen fast alle Beichtväter genügen, auch derjenige Ihrer Pfarre, nämlich Herr X, oder auch gelegentlich der Beichtvater der guten Karmeliterschwestern. Sie wissen ja mit allen Beichtvätern gut zurechtzukommen; Sie haben daher in dieser Beziehung ganz freie Hand; bleiben Sie nur, meine teure Tochter, Ihrem Manne gegenüber stets recht sanft und unterwürfig.

Sie haben recht, der bösen Gedanken wegen sich nicht zu beunruhigen, solange Ihre Absichten und Ihr Wille gut sind, denn darauf sieht Gott. Ja, meine Tochter, halten Sie sich an das, was ich Ihnen gesagt habe; mögen auch tausend spitzfindige Scheingründe für die gegenteilige Ansicht geltend gemacht werden, so gründet sich doch meine Entscheidung auf die festesten Grundsätze, welche von der Kirche selbst und ihren Lehrern gebilligt sind. Ich füge aber noch hinzu, meine Entscheidung ist in dem Grade zuverlässig, dass die entgegengesetzte Lehre als ein großer Irrtum gelten muss. Dienen Sie also Gott gemäß dieser Anweisung, und er wird Sie segnen; hören Sie niemals aus widersprechende Behauptungen und seien überzeugt, dass ich meiner Sache durchaus sicher sein muss, wenn ich so entschieden mich ausdrücke.

Ich danke der guten Mutter Priorin und trage sie samt allen ihren Schwestern mit großer Ehrerbietung in meiner Seele. Aber, meine Tochter, ich habe noch weitere Anliegen in Betreff der Andacht zu der ehrwürdigen Mutter Theresia; ich möchte nämlich, da, wie ich höre, die guten Schwestern ein nach dem Leben gefertigtes Gemälde der Heiligen besitzen, Sie ließen mir eine Kopie desselben als Brustbild malen. Einer unserer Pfarrer, der binnen acht Tagen nach dort reist, könnte dasselbe bei seiner Rückkehr abholen und mir mitbringen. Nicht jeder meiner Töchter gegenüber möchte ich mir eine solche Bitte erlauben, aber mit Ihnen tue ich ganz nach meinem Herzen.

Ihre liebe verwitwete Schwester will ich dem Heiligen Geiste empfehlen, damit durch dessen Eingebung ihre Wahl auf einen Bräutigam falle, der ihr immer zum Troste gereiche; es ist der heilige Bräutigam unserer Seelen, den ich im Auge habe. Sollte es aber Gott gefallen, sie noch einmal in die Mühsal eines vollständigen Haushaltes hereinzuziehen, um sie in der Unterwürfigkeit zu üben, so müsste man auch dafür seine Majestät preisen, die ohne Zweifel alles so fügt, wie es jedem der Seinen am ersprießlichsten ist.

Ach, meine Tochter, wie wohlgefällig in den Augen Gottes sind die Tugenden einer Hausfrau! Wie stark und gediegen müssen dieselben sein, damit sie bei diesem Berufe die Probe halten. Aber, o mein Gott! Wie angenehm ist es auch für eine Witwe, dass sie nur mehr ein Herz zu befriedigen hat! Doch es wird Gottes höchste Güte die Sonne sein, welche Ihrer guten Schwester vorleuchtet und zeigt, welchen Weg sie einschlagen soll. Wofür sie aber auch sich entscheiden mag, ich hoffe, sie wird Gott treu dienen, und mein stetes Gebet für sie wird sie auf ihrem Lebenswege begleiten. Ich empfehle mich dem Gebete unserer kleinen Tochter N. und N. Wirklich ist erstere etwas mehr als andere meine Tochter, und es ist mir, als wäre sie ganz mein, meine innigst geliebte Tochter in dem, der, um uns zu den Seinigen zu machen, sich uns ganz zu eigen gab.

Ich verbleibe in ihm, meine teure Tochter,

Ihr u. s. w.


P.S.: Mit aller Sorgfalt richten Sie, soviel nur möglich, Ihr Bestreben darauf, im Kreise der Ihrigen, d. h. in Ihrem Haushalte, mit aller Sanftmut aufzutreten; ich sage nicht, dass Sie schwach und gleichgültig sein sollen, sondern freundlich und sanft. Daran müssen Sie denken beim Ein- und Ausgang, darauf achten am Morgen, am Mittag und zu jeder Stunde. Eine Zeitlang muss das Ihre Hauptsorge sein, wogegen alles übrige mehr in den Hintergrund treten soll.


 


 

16. Die Philothea gerade für Verheiratete geschrieben.

Wie es eine Hausfrau mit ihren Andachtsübungen zu halten hat.

An eine Dame.

Paris, 4. September 1619.

Liebe Tochter! Da die „Anleitung zu einem gottseligen Leben” gerade für Seelen Ihres Standes verfasst ist, so bitte ich Sie, dieselbe fleißig zu lesen und so genau als möglich zu befolgen. Sie werden darin alle Anweisung finden, deren Sie bedürfen. Nur füge ich noch eigens hinzu, dass Sie lernen müssen, sich bei Ihren Andachtsübungen kurz zu fassen, da Sie nicht immer die nötige Zeit haben, um nach Lust und Behagen sich darin zu ergehen.

Des Morgens wird eine halbe Viertelstunde ausreichend sein. Können Sie die heilige Messe hören, so tun Sie es; können Sie es nicht, so verrichten Sie zu Hause eine halbstündige Andacht, indem Sie sich im Geiste mit der heiligen Kirche vereinigen bei der Anbetung jenes heiligen Opfers und des Erlösers unserer Seelen, der darin sich zu erkennen gibt. Besonders tragen Sie Sorge, stets andächtig zu beten und auch äußerlich vor Gottes Angesicht in ehrerbietiger Haltung zu erscheinen, damit der Nächste sehe, dass Sie zu dessen göttlicher Majestät reden. Seien Sie demütig und freundlich gegen jedermann; denn dann wird Gott Sie erhöhen am Tage seiner Heimsuchung (1 Petr. 5, 6: „Demütigt euch unter die mächtige Hand Gottes, auf dass er euch erhöhe zur Zeit seiner Heimsuchung.“).

Beten Sie oft für die Seelen, welche vom wahren Glauben abgeirrt sind, und preisen Sie oftmals Gott für die Gnade, durch die er Sie in demselben erhalten hat.

Alles vergeht, meine geliebte Tochter; nach den wenigen Tagen dieses sterblichen Lebens, die uns noch übrig sind, wird die endlose Ewigkeit anbrechen. Wenig liegt daran, ob wir hienieden viel Bequemlichkeiten oder Unbequemlichkeiten haben, wenn wir nur die ganze Ewigkeit hindurch selig sind.

Diese heilige Ewigkeit, die unserer wartet, sei Ihr Trost; und Ihre Freude, eine Christin zu sein, eine Tochter Jesu Christi, wiedergeboren in seinem Blute; denn darin allein liegt unser Ruhm, dass dieser göttliche Erlöser für uns gestorben ist.

Wiewohl ich nun weggehe, ohne, wie es scheint, hoffen zu dürfen, dass ich jemals auf Erden Sie wiedersehe, so wird doch die Zuneigung, welche Gott mir für Ihre Seele ins Herz gelegt hat, niemals im mindesten erkalten, sondern fest, beständig und unwandelbar bleiben, und es wird mein unablässiger Wunsch sein, dass Sie heilig in dieser Welt leben und überglücklich in der anderen.

In der Erwartung, durch Gottes Barmherzigkeit Sie einst wiederzusehen, werde ich verbleiben, meine teure Tochter,

Ihr u. s. w.


 

 

17. Glückwunsch zur Beendigung eines Prozesses.

Ratschläge für eine Anfängerin im geistlichen Leben.

An eine Dame.

Den 21. August 1621.

Immer wartete ich auf die Ankunft dieses guten Mädchens, um Ihnen vertraulicher zu schreiben, meine teure Tochter; denn ich wusste ja, dass sie bald kommen würde. Ich schrieb auf Ihren Wunsch an den Herrn, indem ich mich freute, Ihnen selbst auch in Betreff Ihrer häuslichen Angelegenheiten einen kleinen Dienst leisten zu können; umso lieber tat ich es, da die Schlichtung dieser Angelegenheit auch für das Heil Ihrer Seele zuträglich ist, um derentwillen mir alles am Herzen liegt, was Sie angeht.

O was ist das für ein Glück, keinen Prozess zu haben. Ich bin betrübt darüber, dass man zu Cambery fast von nichts anderem mehr spricht als von dieser Geschichte, und dass man davon spricht mit solcher Hitze und Leidenschaftlichkeit. Tröstlich ist es mir aber, dass Sie versucht haben, die Streitsache beizulegen, von welcher Sie mir schreiben, und dass Sie davon reden mit jener Achtung, die man auch dem Gegner schuldig ist, und dass Ihr Herr Gemahl sich so nachgiebig zeigt, um die Sache zu schlichten. Gott sei gelobt für die Freude, die er Ihnen durch sein Entgegenkommen bereitet hat, und fahren Sie ja fort, ihm dafür dankbar zu sein. Darin besteht ja die wahre Glückseligkeit dieses zeitlichen Lebens, seine Befriedigung zu finden in dieser Genügsamkeit; wer damit sich nicht zufrieden gibt, wird niemals zufrieden sein; oder wie Ihr Buch – so nennen Sie es ja – sagt: „Wem das Genügende nicht genügt, dem wird nie etwas genügen” (Franz v. Sales, Abhandlung von der Liebe Gottes VIII, 8. ). Lieben Sie übrigens dieses arme Buch, meine teure Tochter, und da Gott in demselben Trost für Sie niedergelegt hat, so bitten Sie seine heilige Güte, er möge Ihnen auch den rechten Sinn geben, denselben zu verkosten und nutzbar zu machen für Ihre liebe Seele zur Bestärkung derselben in der reinen himmlischen Liebe, für welche sie geschaffen ist.

Übrigens, meine teure Tochter, muss fortan diese große Furcht, welche Sie bisher so grausam geängstigt hat, aufhören; denn Sie haben alle die Gewissheit, welche in dieser Welt erreichbar ist, Ihre Sünden ganz vollständig durch das heilige Sakrament der Buße gesühnt zu haben. Nein, es darf in keiner Weise in Zweifel gezogen werden, dass Sie die Umstände Ihrer Fehler hinreichend angegeben haben; denn sämtliche Theologen sind darin einverstanden, dass es keineswegs erforderlich ist, sämtliche Nebenumstände und Vorbereitungen zur Sünde anzugeben.

Wer sagt, ich habe einen Menschen getötet, braucht nicht hinzuzufügen, dass er sein Schwert gezogen, noch dass er dadurch den Eltern viel Kummer gemacht, den Umstehenden Ärgernis gegeben oder einen Auflauf in der Straße verursacht habe, die der Schauplatz seiner Bluttat gewesen ist; denn ohne es zu sagen, versteht sich das von selbst. Es genügt, einfach zu sagen, dass er einen Menschen getötet habe, aus Zorn oder mit Hinterlist und aus Rache, ob es ein Laie oder eine Gott geweihte Person war, und das weitere Urteil dem Beichtvater anheimzustellen.

Wer da sagt, er habe ein Haus angezündet, braucht nicht bis aufs Kleinste anzugeben, was darin war, sondern es genügt die Bemerkung, ob Leute darin waren oder nicht.

O meine teure Tochter, bleiben Sie ganz im Frieden; Ihre Beichten waren mehr als gut. Seien Sie fortan nur auf den Fortschritt in der Tugend bedacht und gedenken Ihrer früheren Sünden nur noch, um sich ruhig vor Gott zu verdemütigen und seine Barmherzigkeit zu preisen, die Ihnen dieselben mittels der heiligen Sakramente vergeben hat.

Die Anleitung zu dem gottseligen Leben“ (d.h. die „Philothea“.) ist durchaus geeignet und gut für Sie, meine Tochter; Sie wundern sich, dass Sie nicht mit einem Mal so sind, wie es da gefordert wird; und doch, meine teure Tochter, schärft Ihnen eben dieses Büchlein ein, dass es nicht die Arbeit eines Tages, sondern des ganzen Lebens ist, Ihren Wandel nach seinen Vorschriften einzurichten, und dass es uns durchaus nicht befremden darf, wenn bei diesem Unternehmen uns noch Unvollkommenheiten vorkommen (Philothea IV, 2; V, 17.). Meine Tochter, die Gottseligkeit ist nicht etwas, was man nur so mit den Händen zu greifen braucht; sie kostet saure Mühe und Arbeit; doch das Gelingen beruht wesentlich auf dem Vertrauen auf Gott; da heißt es sachte und vorsichtig weiter schreiten.

Gewiss ist es wahr, dass der Gehorsam Ihnen sehr nützlich sein wird, und da Sie verlangen, dass gerade ich Ihnen im Gehorsam befehlen soll, so empfangen Sie denn hier einige Vorschriften:

1. Einmal des Tages werfen Sie sich vor Gott zur Erde nieder, erheben die Augen zum Himmel, beten Gott an, indem Sie das Kreuzzeichen machen, und erheben sich sodann wieder.

2. Täglich verrichten Sie einen Akt der Verdemütigung, indem Sie einem Ihrer Diener oder Mägde guten Tag oder guten Abend sagen, wobei Sie dann aber diese Person innerlich anerkennen als ebenbürtige Teilhaberin an der Erlösung, welche ihr durch den Herrn zuteil geworden ist.

3. So oft Sie nur können, reden Sie Ihre Zofe mit den Worten an: „meine Liebe".

4. Täglich lesen Sie wenigstens eine Seite in einem geistlichen Buche.

5. Niemals klagen Sie sich in der Beichte in Betreff dieser kleinen Vorschriften an, selbst wenn Sie sie gar nicht beobachten, da dieselben Sie weder unter schwerer noch unter lässlicher Sünde verpflichten; geben Sie mir vielmehr nur von Zeit zu Zeit Nachricht, ob Sie dieselben befolgen.

Es wird Ihnen dienlich sein, wenn Sie sich gewöhnen, einmal des Tages meine Seele mit der Ihrigen durch ein kurzem Stoßgebet der Barmherzigkeit Gottes zu empfehlen; vom Tische aufstehend können Sie etwa beten:

O Gott, sei uns gnädig und nimm uns auf in die Arme deiner Barmherzigkeit.

Meine Tochter, alles dieses sind nur Kleinigkeiten, aber von Nutzen für Sie, und mit der Zeit können wir etwas anderes oder größeres vornehmen. Werden Sie nur nicht müde, meine teure Tochter; man muss Ihrem lebhaften und regsamen Geiste wie bei Kindern immer neue Beschäftigung geben: machen Sie nur so voran, und Gott wird Sie groß werden lassen. Schreiben Sie mir, wann es Ihnen gut dünkt. Doch ich muss schließen, meine teure Tochter; Gott sei immerdar inmitten Ihrer lieben Seele, und von ganzem Herzen verbleibe ich mit aufrichtig väterlicher Zuneigung

Ihr u. s. w.


 

 

18. Der Heilige empfiehlt einer Dame fromme Übungen, wie sie sich für ihren Stand eignen.

Werteste Frau! Mit rechter Freude habe ich aus Ihrem

Briefe ersehen, dass der Herr Sie die Anfänge der Seelenruhe hat verkosten lassen, mit welcher wir vermöge seiner Gnade von nun an fortfahren müssen, ihm zu dienen unter dem Druck der vielfältigen Geschäfte, welche unser Beruf von uns fordert. Ich hege die allerbesten Hoffnungen für Sie, da ich in Ihrem Herzen eine wie mir scheint tief gegründete Entschlossenheit wahrgenommen habe, der göttlichen Majestät zu dienen, die mich zu der Hoffnung berechtigt, dass Sie mit beharrlicher Treue den Übungen der heiligen Gottseligkeit sich widmen werden.

Sollte dabei auch mancher Fehler aus Schwachheit mitunterlaufen, so dürfen Sie darüber sich nicht wundern; während sie einerseits die Gott damit zugefügte Beleidigung verabscheuen, müssen Sie andererseits eine gewisse heitere Demut besitzen, der es Freude macht, die eigene Armseligkeit wahrzunehmen und zu erkennen.

In Kürze will ich Ihnen die Übungen angeben, welche für Sie passend sind. Genaueres darüber werden Sie in der Schrift finden, welche ich jetzt abfasse. Die Vorbereitung zu dem ganzen Tagewerk hat ganz kurz des Morgens zu geschehen, die Betrachtung von beiläufig einstündiger Dauer vor Tisch, ganz nach Ihrer Gelegenheit; vor dem Nachtessen ziehen Sie sich noch auf eine kleine Weile zurück, um entweder im Anschluss an Ihre Morgenbetrachtung, oder auch über einen anderen Gegenstand ein Dutzend recht lebendiger Anmutungen zu Gott zu machen.

Unter Tags bei Ihren Arbeiten werfen Sie, so oft Sie können, einen prüfenden Blick in Ihr Inneres, um zu sehen, ob Ihr Eifer sich nicht zu weit eingelassen hat, ob derselbe nicht aus dem Geleise gekommen ist und ob Sie noch immer sich halten an der Hand des Herrn. Finden Sie, dass Sie aufgeregt sind, so beschwichtigen Sie Ihre Seele und bringen sie zur Ruhe. Stellen Sie sich Unsere liebe Frau vor, wie sie mit einer Hand ruhig ihre Arbeit besorgt, während sie mit der anderen das göttliche Kind an der Hand oder auf dem Arme hält und bei allen ihren Verrichtungen stets auf dasselbe die größte Rücksicht nimmt.

Zur Zeit des Friedens und der Ruhe machen Sie häufig Akte der Sanftmut; durch dieses Mittel werden Sie Ihr Herz allmählich an jene Tugend gewöhnen.

Machen Sie sich nicht die Mühe, sich mit den kleinen Versuchungen, welche Ihnen vorkommen, in Streit einzulassen ; wenden Sie in solchen Fällen ganz einfach Ihr Herz Christus dem Gekreuzigten zu; gehen Sie etwa hin und küssen mit Liebe die Wunde seiner Seite oder die seiner Füße.

Machen Sie sich keine besondere Sorge um viel mündliches Gebet; lassen Sie vielmehr stets, wenn Ihr Herz beim Gebete sich zur Betrachtung hingezogen fühlt, demselben freien Lauf. Sollten Sie auch weiter nichts leisten, als die Betrachtung nebst dem Vaterunser, dem Englischen Gruße und dem Glaubensbekenntnisse, so können Sie sich damit zufrieden geben. Froh gemutet widme ich mich dem Dienste Ihrer Seele, welche fortan mir teuer sein wird wie meine eigene. Möge Gott für immer Herr über unsere Herzen sein, wie ich in ihm verbleibe

Ihr u. s. w.


 

19. Tagesordnung für eine mit Arbeit überhäufte Dame.

Den 29. September 1612.

Werteste Frau und Tochter! Die würdige Überbringerin dieser Zeilen wird Ihnen sagen, unter welcher Überlast von Geschäften ich Ihnen schreibe. Sie werden mich daher entschuldigen, wenn ich nicht so ausführlich werde, wie ich möchte. Die Dauer Ihrer Gebete muss sich richten nach der größeren oder geringeren Menge Ihrer Geschäfte; und da es einmal dem Herrn gefallen hat, Sie in Lebensverhältnisse zu versetzen, wo Sie jeden Augenblick Störungen ausgesetzt, so müssen sich daran gewöhnen, es mit ihren Gebeten kurz zu machen, müssen aber dafür sich dieselben so sehr zur strengen Regel machen, dass Sie dieselben niemals unterlassen ohne die dringendste Notwendigkeit. Es ist mein Wunsch, dass Sie morgens nach dem Ausstehen Ihre Knie vor Gott beugen, um ihn anzubeten, das Kreuzzeichen machen und ihn um seinen Segen bitten für das ganze Tagewerk. Dieses Morgengebet braucht nicht länger als ein oder zwei Vaterunser lang zu dauern. Wenn Sie Messe haben, so mögen Sie dieselbe mit Andacht und Ehrerbietung anhören und dabei, wie es in der „Philothea” angegeben ist, Ihren Rosenkranz beten. Des Abends gegen die Zeit des Nachtessens hin könnten Sie recht wohl ein Vaterunser lang sich vor dem Herrn niederwerfen und einige herzliche Gebete verrichten; denn es gibt kein Geschäft, welches Sie derart in Anspruch nähme, dass Sie nicht auf ein paar Augenblicke sich demselben entziehen könnten. Des Abends vor dem Schlafengehen können Sie über der Arbeit, wo Sie auch sein mögen, einen kurzen Rückblick werfen über Ihr Tagewerk, und bevor Sie zur Ruhe gehen, sich ein Weilchen auf Ihre Knie niederwerfen, der begangenen Fehler wegen Gott um Verzeihung bitten, ihn um seinen Schutz und Segen anflehen, was alles binnen der Dauer eines Ave Maria geschehen kann.

Vor allem aber verlange ich, dass Sie häufig während des Tages Ihr Herz zu Gott erheben und ihm einige Worte treuer Liebe sagen.

Was Ihre Trübsale angeht, meine teure Tochter, so werden Sie leicht zu unterscheiden wissen, wo Abhilfe möglich ist und wo nicht. Wo zu helfen ist, sehe man mit aller Ruhe sich nach den geeigneten Mitteln um; wo aber nicht zu helfen ist, muss man sein Kreuz tragen, wie es der Herr uns zu unserer Abtötung und Prüfung auferlegt, um uns ganz zu seinem Eigentum zu machen.

Hüten Sie sich, sich in Klagen zu ergehen; nötigen Sie vielmehr Ihr Herz, in Ruhe zu leiden. Sollte Ihnen dennoch eine Äußerung der Ungeduld entschlüpfen, so tragen Sie, sobald Sie es merken, Sorge, Ihr Herz wieder zu beruhigen und zu besänftigen. Glauben Sie es mir, meine teure Tochter, Gott liebt die Seelen, die da mit den Wogen und Stürmen der Welt zu ringen haben, wenn sie nur die Mühsale von seiner Hand annehmen und gleich tapferen Kriegern treu zu ihrer Fahne stehen mitten in allen Stürmen und Kämpfen. Wenn es mir möglich ist, werde ich der liebenswürdigen Schwester noch einiges über diesen Gegenstand mündlich für Sie sagen. Ich muss fort, um einen hitzigen Streit zu vermitteln, dessen Ausbruch verhindert werden muss.

Von ganzem Herzen bin ich Ihr u. s. w.


 

20. Lebensregeln für eine Nichte des Heiligen.

Den 5. März 1616.

Glaube ja nicht, ich bitte Dich, meine liebste Nichte und Tochter, ich habe Dich vergessen oder aus Mangel an Zuneigung so Iange gezögert, Dir zu schreiben. Im Gegenteil hat das löbliche Verlangen, Gott recht treulich zu dienen, welches ich in Deiner Seele wahrgenommen, den sehnlichsten Wunsch in der meinigen hervorgerufen, Dir nach bestem Vermögen beizustehen und zu helfen, gar nichts zu sagen von der Verpflichtung, die ich ohnehin gegen Dich habe, und von der herzlichen Zuneigung, die ich infolge meiner guten Meinung von Dir von Deiner zartesten Jugend an für Dich hegte.

Wohlan, meine liebe Nichte, es gilt also jetzt, dieses geliebte Herz mit aller Sorgfalt zu bilden und nichts zu unterlassen, was zu dessen Wohlfahrt dienlich sein kann. Obwohl nun dies zu jeder Zeit geschehen kann, so ist doch das Alter, in welchem Du Dich jetzt befindest, ganz besonders dazu geeignet. Ach, es ist eine seltene Gnade, meine liebe Tochter, in die Dienste des großen Gottes zu treten, während man noch so jung und für alle Eindrücke empfänglich ist!

Und wie lieblich ist ein solches Opfer, bei welchem man mit den ersten Früchten des Baumes zugleich die Blüten darbringt!

Halte stets fest in Deinem Herzen die Entschlüsse, welche Gott Dir eingab, als Du vor ihm zu meinen Füßen knietest; wenn Du dieselben während dieses ganzen sterblichen Lebens bewahrest, werden sie ihrerseits Dich bewahren zum ewigen Leben. Um dieselben aber nicht bloß zu bewahren, sondern auch zu glücklichem Wachstum zu bringen, bedarfst Du keiner weiteren Anweisungen als jener, welche ich in meiner „Anleitung“, welche Du besitzest, der Philothea gegeben habe. Dennoch will ich, um Dir den Willen zu tun, in wenigen Worten des Näheren angeben, was ich vorzugsweise von Dir begehre:

1. Beichte alle vierzehn Tage, um das göttliche Sakrament der Kommunion zu empfangen; tritt aber nie anders zu diesen himmlischen Geheimnissen hinzu als mit dem erneuten Entschlusse, mehr und mehr Deine Unvollkommenheiten abzulegen und in einer immer größeren Reinheit und Vollkommenheit des Herzens zu leben. Ich will Dir übrigens nicht wehren, auch mit acht Tagen zu kommunizieren, wenn Du Dich in der nötigen frommen Stimmung dazu befindest, namentlich wenn sich herausstellt, dass Deine üblen Neigungen und die Unvollkommenheiten Deines Wandels durch den Genuss dieses heiligen Geheimnisses allmählich sich mindern. Mit der Bestimmung von vierzehn zu vierzehn Tagen wollte ich nur andeuten, dass Du niemals länger warten sollest.

2. Mache Deine geistlichen Übungen kurz und mit Inbrunst, damit Deine Natur nicht aus Furcht vor der langen Dauer derselben sich dagegen sträubt, sondern vielmehr nach und nach mit diesen Handlungen der Frömmigkeit vertraut werde. So musst Du z. B. unverbrüchlich daran festhalten, jeden Morgen die Morgenandacht zu verrichten, wie sie in der „Anleitung“ vorgeschrieben ist (Philothea II, 10.). Um es aber kurz zu machen, kannst Du während des Ankleidens Gott mit einem Stoßgebete danken, dass er Dich während der Nacht beschützt hat. Nach den zweiten und dritten Teil kannst Du in dieser Art abmachen, nicht nur während des Anziehens, sondern auch schon im Bett oder sonst, gleichviel wo oder was Du dabei vornimmst. Dann aber wirf Dich, sobald du kannst, auf Deine Knie nieder und bete den vierten Teil, indem Du mit dem Herzenserguss beginnst:

Siehe an, o Herr, dieses arme und elende Herz.” Ebenso magst Du es halten mit dem Nachtgebete, wenn Du Dich des Abends zurückziehst; Du kannst es überall vornehmen, wo Du Dich gerade befindest; nur musst Du beim dritten und vierten Punkte niederknien, insofern Du nicht etwa durch Krankheit daran gehindert bist.

In der Kirche höre die Messe in einer Haltung, wie sie einer wahren Tochter Gottes geziemt, und verlasse lieber die Kirche, ehe Du Dir eine weniger ehrerbietige Haltung gestattest.

3. Gewöhne Dich an häufige Stoßgebete und Erhebungen des Herzens zu Gott.

4. Achte darauf, gegen jedermann sanft und freundlich zu sein, namentlich im eigenen Hause.

5. Das Almosen, welches in Deinem Hause gereicht wird, gib wenn möglich immer persönlich; denn es ist eine wesentliche Steigerung der Tugend, das Almosen mit eigener Hand zu reichen, wenn es füglich geschehen kann.

6. Besuche gerne die Kranken in eurem Orte; denn es ist dies eines jener Werke, auf welche der Herr sehen wird am Tage des Gerichtes.

7. Lies jeden Tag eine oder zwei Seiten in einem geistlichen Buche, um den Geschmack an der Gottseligkeit in Dir zu erhalten; an Festtagen magst Du eine größere Lesung halten, und kann dies Dir zugleich dir die Predigt ersetzen.

8. Fahre fort, Deinen Schwiegervater recht in Ehren zu halten, Gott will es so, indem er dir denselben in dieser Welt zum zweiten Vater gegeben hat. Liebe Deinen Gatten von Herzen, suche mit sanftem und schlichtem Wohlwollen nach Möglichkeit alle seine Wünsche zu befriedigen, und sei zugleich wacker bemüht, die Unvollkommenheiten eines jeden zu ertragen, besonders aber jene Deiner Hausgenossen.

Für den Augenblick weiß ich Dir sonst nichts weiter zu sagen, als dass Du mir bei unserem Wiedersehen berichten sollst, wie Du Dich auf dem eben vorgezeichneten Wege der Gottseligkeit gehalten hast. Sollte noch etwas zu bemerken sein, so werde ich es nachtragen. So halte Dich denn recht munter, meine teure Nichte und Tochter, in Gott und für Gott und sei überzeugt, dass ich mit vollkommenster Gewogenheit für immer verbleibe

    Dein u. s. w.


 


 

21. An die Frau Präsidentin Brulard, die sich unter die Leitung des Heiligen begeben hatte, während er im Jahre 1604 zu Dijon die Fastenpredigten hielt.

Nach dem Oktober 1604.

Verehrteste Frau! Mit großer Befriedigung habe ich Ihren Brief erhalten und gelesen; sehr wünsche ich, dass meine Zeilen Sie gleichfalls befriedigen und insbesondere Ihnen ein Heilmittel sein möchten gegen die Beunruhigungen, welche seit unserer Trennung in Ihrem Herzen sich erhoben haben. Möge Gott mir dazu das Richtige eingeben.

Ich erinnere mich sehr wohl, Ihnen einmal gesagt zu haben, dass ich in Ihrer Generalbeichte alle Zeichen einer wahren, guten und gründlichen Beichte gefunden habe, und dass ich nie eine gehört habe, die mich vollständiger befriedigt hätte. Dies ist die volle Wahrheit, meine teure Schwester, und glauben Sie, dass ich in solchen Dingen es mit meinen Worten sehr genau nehme.

Sollten Sie etwas zu sagen unterlassen haben, so forschen Sie nach, ob es wissentlich und freiwillig geschehen ist; denn in diesem Falle müssen Sie zweifelsohne Ihre Beichte wiederholen, wenn das, was Sie ausgelassen haben, eine Todsünde war oder wenn Sie damals dachten, dass es eine solche sei; war es aber nur eine lässliche Sünde oder haben Sie es nur aus Vergesslichkeit oder Schwäche des Gedächtnisses ausgelassen, so seien Sie unbesorgt, meine liebe Schwester; denn auf Gefahr meiner Seele, Sie sind in diesem Falle durchaus nicht verpflichtet, Ihre Beichte zu wiederholen; es genügt vielmehr, wenn Sie Ihrem gewöhnlichen Beichtvater das Vergessene sagen – dafür stehe ich ein.

Fürchten Sie ebensowenig, nicht genug Fleiß auf Ihre Generalbeichte verwendet zu haben; denn ich versichere Ihnen abermals hoch und teuer, wenn Sie nicht absichtlich etwas ausgelassen haben, so brauchen Sie in keinem Falle die Beichte zu wiederholen, da sie in Wahrheit eine sehr genügende war. Seien Sie darüber ganz beruhigt. Wenn Sie mit dem Pater Rektor darüber sprechen, wird er Ihnen dasselbe sagen; denn das ist die Lehre der Kirche, unserer Mutter.

Sämtliche Vorschriften der Rosenkranz-Bruderschaft und des dritten Ordens verpflichten in keiner Weise, weder unter schwerer noch unter lässlicher Sünde, weder direkt noch indirekt, und wenn Sie dieselben nicht beobachten, so sündigen Sie ebensowenig, als wenn Sie sonst etwas Gutes zu tun unterlassen. Machen Sie sich also dieserhalb keine Sorge, sondern dienen Gott in Fröhlichkeit und in Freiheit des Geistes.

Sie fragen mich um ein Mittel, die Gottseligleit und den Frieden des Geistes zu erlangen?

Meine teure Schwester, es ist keine Kleinigkeit, was Sie von mir verlangen; aber ich will versuchen, Ihnen etwas darüber zu sagen, da ich Ihnen dieses schuldig bin; aber prägen Sie sich wohl ein, was ich Ihnen sagen werde.

Die Tugend der Gottseligkeit ist nichts anderes als eine allgemeine Geneigtheit und Fertigkeit des Geistes, das zu tun, was er als Gott wohlgefällig erkennt.

Es ist jene Erweiterung des Herzens, von welcher David sagte: „Ich laufe den Weg deiner Gebote, wenn Du weit machst mein Herz.” (Ps. 118, 32.) Diejenigen, welche schlechthin rechtschaffene Leute sind, gehen auf dem Wege Gottes; die Gottseligen dagegen laufen, und wenn sie recht gottselig sind, so fliegen sie (Vgl. Philothea I, 1.). Jetzt will ich Ihnen einige Regeln angeben, welche man beobachten muss, um wahrhaft gottselig zu sein.

Vor allen Dingen muss man die allgemeinen Gebote Gottes und der Kirche beobachten, welche für alle Christgläubigen gegeben sind; ohnedies, das weiß jeder, kann es keinerlei Gottseligkeit auf der Welt geben.

Außer den allgemeinen Geboten muss man sorgfältig die besonderen Pflichten erfüllen, welche jedem durch seinen Beruf auferlegt sind. Wer das nicht täte, ob er auch Tote erweckte, wäre nichtsdestoweniger in der Sünde und verdammt, wenn er so stürbe. So ist es z.B. den Bischöfen befohlen, ihre Schafe zu besuchen, zu belehren, auf den rechten Weg zu führen und zu trösten. Wenn ich nun die ganze Woche im Gebete bliebe, wenn ich mein ganzes Leben hindurch fastete, jene Pflicht aber verabsäumte, so würde ich verloren gehen. Wenn eine verheiratete Person Wunder wirkte, aber die Pflicht der Ehe nicht leistete (1 Kor. 7, 3 - 5.) oder sich um ihre Kinder nicht kümmerte, „so wäre sie schlimmer als ein Ungläubiger”, spricht der hl. Paulus (1 Tim. 5, 8.). Und so auch in anderen Fällen (Vgl. Philothea I, 3.).

Dies sind nun zwei Arten von Geboten, welche als die Grundlage jeglicher Gottseligkeit sorgfältig beobachtet werden müssen; aber gleichwohl besteht die Tugend der Gottseligkeit nicht in ihrer schlechthinigen Befolgung, sondern vielmehr in ihrer eifrigen, bereitwilligen Befolgung. Um nun diesen Pflichteifer zu erlangen, muss man mehrere Erwägungen anstellen.

Die erste ist: Gott will es so; und es ist auch nicht mehr als vernünftig, dass wir seinen Willen tun; denn dazu sind wir ja auf der Welt. Ach, alle Tage bitten wir ihn, sein Wille möge geschehen, und wenn es darauf ankommt, ihn zu tun, wird es uns so schwer! Wir opfern uns Gott auf, wir sagen alle Augenblicke zu ihm: Herr, ich bin dein, hier ist mein Herz, und wenn er uns beim Wort nehmen will, sind wir so feige!Wie können wir aber sagen, dass wir sein sind, wenn wir unseren Willen nicht dem seinigen unterwerfen wollen?

Zweitens haben wir die Beschaffenheit der Gebote zu erwägen. Sie sind süß, anmutig und leicht, nicht bloß die allgemeinen, sondern auch die besonderen, wie sie unser Beruf mit sich bringt. Was ist es denn, was sie Ihnen lästig macht? Nichts fürwahr, als Ihr Eigenwille, der um jeden Preis in Ihnen herrschen will und der manches nur deshalb verwirft, weil es ihm befohlen ist, während er es vielleicht begehren würde, wenn es ihm nicht befohlen wäre.

Aus hunderttausend köstlichen Flüchten suchte sich Eva die eine heraus, die ihr verboten war; wäre sie ihr erlaubt gewesen, sie hätte ohne Zweifel nicht davon gegessen. Mit einem Worte, wir wollen wohl Gott dienen, aber nach unserem Willen und nicht nach dem seinigen.

Saul hatte den Befehl, alles, was ihm in Amalek vorkäme, zu verderben und zu zerstören; er zerstörte alles; nur was er Kostbares fand, behielt er zurück und brachte davon ein Opfer; aber Gott erklärte, dass er kein Opfer gegen den Gehorsam wolle (1 Kön. 15.). Gott hat mir befohlen, den Seelen zu dienen, ich aber wollte in der Beschauung bleiben; das beschauliche Leben ist gut, es darf aber den Gehorsam nicht beeinträchtigen. Es steht uns nicht die Wahl zu nach unserem eigenen Willen. Wir müssen wollen, was Gott will; und wenn Gott will, dass ich ihm in einer Sache diene, so soll ich ihm nicht in einer anderen dienen wollen; Gott will, dass Saul ihm als König und Heerführer diene, und Saul will ihm als Priester dienen; letzteres ist ja ohne Frage an sich vorzüglicher als ersteres; aber trotzdem gibt Gott sich damit nicht zufrieden; er verlangt Gehorsam.

Ein anderes Beispiel: Gott hatte den Kindern Israels eine überaus köstliche Speise, das Manna, gegeben, aber siehe da, sie mögen es nicht, sondern verlangen nach dem Knoblauch und den Zwiebeln Ägyptens. So ist es mit unserer verdorbenen Natur; sie will stets, dass ihr Wille geschehe und nicht der Wille Gottes. Je mehr wir nun von unserem Eigenwillen aufgegeben haben, desto leichter wird es uns, Gottes Willen zu vollbringen.

Man sollte doch bedenken, dass es keinen Beruf gibt, der nicht seine Beschwerden, seine Bitterkeiten und seine Widerwärtigkeiten hätte. Statt dessen möchte fast jeder, der sich nicht gänzlich an den Willen Gottes hingegeben hat, seine Stellung gegen jene der anderen vertauschen. Wer Bischof ist, möchte es lieber nicht sein, wer verheiratet ist, möchte es lieber nicht sein, und wer es nicht ist, möchte es sein. Woher anders kommt diese allgemeine Unruhe der Geister, als von jenem gewissen Missvergnügen, welches der Zwang uns verursacht, und von einer Verderbtheit des Geistes, infolge deren wir uns einbilden, dass jeder andere besser daran sei als wir.

Aber da kommt alles auf eins heraus: wer nicht vollständig den Eigenwillen aufgegeben hat, der mag sich drehen und wenden, wie er will, er wird niemals Ruhe haben. Wer das Fieber hat, findet keine Lage gut; kaum ist er eine Viertelstunde in einem Bette, so möchte er in einem anderen sein; das Bett kann nichts dafür, es ist das Fieber, das ihn überall quält; wer das Fieber des Eigenwillens nicht hat, ist mit allem zufrieden, wenn nur Gott damit gedient ist.

Es kümmert ihn nicht, wozu Gott ihn verwendet, wenn er nur seinen göttlichen Willen tut; alles übrige gilt ihm gleich.

Doch das ist noch nicht genug; man muss nicht allein den Willen Gottes tun wollen, sondern, um gottselig zu sein, ihn auch mit Fröhlichkeit tun. Wenn ich nicht Bischof wäre, und doch wüsste, was ich weiß, so möchte ich es vielleicht nicht sein; aber da ich es bin, so bin ich nicht nur verpflichtet zu tun, was dieser mühevolle Beruf von mir verlangt, sondern es auch mit Freuden zu tun, und es muss mir so recht und angenehm sein. Das meint der hl. Paulus mit dem Worte: „Wozu ein jeder berufen ist, dabei verbleibe er vor Gott.“ (1 Kor. 7, 24.)

Wir sollen nicht das Kreuz der anderen tragen, sondern das unsrige, und damit jeder das seinige trage, will unser Herr, dass jedweder sich selbst, d.h. seinem eigenen Willen entsage.

Ich hätte gern dies und das, ich möchte lieber da- und dorthin: das sind Versuchungen. Unser Herr weiß wohl, was er tut; tun wir nur, was er will; bleiben wir da, wohin er uns gesetzt hat.

Doch, meine gute Tochter, gestatten Sie mir, zu Ihnen zu reden, wie es mir ums Herz ist; ich bin Ihnen ja mit herzlicher Liebe gewogen; Sie wünschten von mir eine kleine Anweisung für ihr Verhalten.

Abgesehen von den Erwägungen, die ich Ihnen bereits als notwendig empfohlen habe, machen Sie

1. täglich entweder vormittags oder auch eine oder zwei Stunden vor dem Nachtessen eine Betrachtung über das Leben und den Tod unseres Herrn und bedienen sich zu diesem Zwecke der Schriften des Kapuziners Bellintani oder des Jesuiten Bruno. Ihre Betrachtung soll nur eine starke halbe Stunde dauern, und nicht länger (Ungefähr dieselbe Tagesordnung schrieb der hl. Franz von Sales fast allen frommen Personen vor, welche unter seiner Leitung standen. Der Frau Präsidentin Brulard, die sich viel in der vornehmen Welt bewegen musste, empfahl er anfangs nur eine halbstündige Betrachtung. Einige Zeit später, als Frau Brulard Fortschritte im geistlichen Leben gemacht hatte, riet er ihr, eine Stunde der Betrachtung zu widmen. (VgI. den folgenden Brief.) Personen, die sehr beschäftigt oder in abhängiger Stellung und nicht Herr über ihre Zeit waren, gestattet er nicht, das Gebet zu unterlassen, sondern nur dessen Dauer abzukürzen (vgl. S. 4, 23, 134 und 40), und empfahl dann, den Mangel durch desto häufigere Stoßgebete zu ersetzen.); am Schlusse derselben fügen Sie immer noch eine Erwägung bei über den Gehorsam, den unser Heiland gegen seinen himmlischen Vater geübt hat. Sie werden finden, dass er alles, was er tat, getan hat, um seinem himmlischen Vater sich willfährig zu erzeigen. Tun Sie dabei Ihr möglichstes, um eine große Liebe zu dem Willen Gottes zu erlangen.

2. Haben Sie irgend eine Berufspflicht zu erfüllen, die Ihnen lästig fällt, so erinnern Sie sich, bevor Sie sich dazu anschicken, dass die Heiligen ganz andere, viel größere und unangenehmere Dinge heiteren Sinnes vollbracht haben. Die einen haben den Martertod gelitten, die anderen die

Verachtung der Welt ertragen. Der hl.Franziskus und so viele Ordensleute unserer Zeit haben Aussätzige und mit ekeIhaften Geschwüren bedeckte Kranke tausendmal geküsst und wieder geküsst; andere haben sich in die Wüste, wieder andere mit den Soldaten auf die Galeeren verbannt, und dies alles, um etwas Gott Wohlgefälliges zu tun. Und was tun wir, was auch nur entfernt an so Schwieriges hinanreichte?

3. Denken sie oft daran, dass alles, was wir tun, wahren Wert nur hat durch die Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen. Wenn ich esse oder trinke, und es tue, weil es der Wille Gottes so ist, so bin ich Gott wohlgefälliger, als wenn ich den Tod litte ohne diese Absicht.

4. Ich wünsche, dass sie öfter den Tag hindurch Gott anflehen, er möge Ihnen die Liebe zu Ihrem Berufe verleihen, und dass Sie mit dem hl. Paulus bei seiner Bekehrung sprechen: „Herr, was willst du, das ich tun soll?“ (Apg. 9, 6.)

Willst du, dass ich dir diene in dem niedrigsten Amte deines Hauses? Ach, ich werde mich dabei überglücklich schätzen; wenn ich nur dir dienen darf, so kümmert es mich nicht womit. Und indem Sie dann insbesondere auf das eingehen, was Sie ungern tun, sprechen Sie: Willst du, dass ich dies oder jenes tue? Ach, Herr, ich bin es freilich nicht wert; aber ich will es sehr gerne tun.

So üben Sie die rechte Art der Verdemütigung; und, o mein Gott! welch einen Schatz werden Sie gewinnen! Einen viel reicheren, ohne Zweifel, als Sie nur zu ermessen vermögen.

5. Ich wünschte, dass Sie erwägen, wie viele Heilige im Alten wie im Neuen Bunde in Ihrem Stande und Berufe gelebt haben, und wie sie alle mit großer Willigkeit und Selbstverleugnung sich den Anforderungen desselben gefügt haben. Das Beispiel der Sara, Rebekka, der hl. Anna, Elisabeth, Monika, Paula und hundert anderer möge Sie aneifern, während Sie zugleich sich ihrer Fürbitte empfehlen.

Man muss lieben, was Gott liebt: er liebt aber unseren Beruf; also wollen auch wir denselben lieben und nicht unsere Zeit damit verlieren, an den der anderen zu denken. Tun wir, was unseres Berufes ist; jeder hat an seinem Kreuz genug; suchen Sie mit dem Dienste der Martha jenen der Magdalena sinnig zu verbinden; widmen Sie sich fleißig den Pflichten Ihres Berufes, kehren aber auch oftmals bei sich selbst ein, lassen im Geiste sich nieder zu den Füßen unseres Herrn, indem Sie sprechen: Mein Herr, mag ich gehen oder rasten, ich bin ganz dein und du bist mein! Du bist der erste Bräutigam meiner Seele, und was immer ich tue, alles ist für dich, auch dieses und das.

Sie werden von der Gebetsanleitung Mitteilung erhalten, welche ich der Frau von Puits-d'Orbe schicke (Die Äbtissin von Puits-d'Orbe war eine Schwester der Frau Brulard. Eine treffliche Anleitung zu dem betrachtenden Gebete findet sich auch in der Philothea II, 2 – 9.); schreiben Sie sich dieselbe ab und machen Gebrauch davon; ich wünsche es.

Da Sie des Morgens eine halbe Stunde dem betrachtenden Gebete widmen, so dünkt mir, Sie tun wohl, wenn Sie täglich sich mit einer Messe begnügen, und dann im Laufe des Tages während einer halben Stunde in irgend einem geistlichen Buche, etwa von Granada oder irgend einem anderen guten Schriftsteller lesen.

Abends halten Sie Ihre Gewissenserforschung und den Tag hindurch verrichten Sie Stoßgebete. Lesen Sie fleißig den „Geistlichen Kampf” (Von Scupoli.), den ich Ihnen recht anempfehle. An Sonn- und Feiertagen können Sie, außer der Messe, der Vesper (Abendgebet, letzteres jedoch ohne Verpflichtung) und der Predigt beiwohnen.

Vergessen Sie nicht, alle acht Tage und wenn Sie sonst eine große Gewissensbeschwerde verspüren zur Beichte zu gehen. Was die Kommunion anlangt, so überschreiten Sie für jetzt, wenn die Wünsche Ihres Herrn Gemahls dagegen sind, nicht die Grenzen, die wir zu St. Claudius festgesetzt haben. Halten Sie daran fest und kommunizieren auf geistliche Weise; Gott wird den guten Willen Ihres Herzens an Zahlungs statt annehmen.

Vergessen Sie niemals, was ich Ihnen so oft gesagt habe. Machen Sie Ihrer Gottseligkeit Ehre; machen Sie dieselbe liebenswürdig in den Augen aller, die Sie kennen, besonders aber Ihrer Familie; sorgen Sie, dass jedermann nur Gutes davon sagen kann. Mein Gott, wie glücklich sind Sie, einen so vernünftigen und nachgiebigen Mann zu haben! Sie müssen Gott recht dafür preisen.

Stößt Ihnen eine Widerwärtigkeit zu, so ergeben Sie sich ganz unserem Herrn und trösten sich in der Überzeugung, dass seine Hulderweisungen nur für die Guten sind oder für jene, die auf dem Wege sind, es zu werden.

Inzwischen seien Sie überzeugt, dass meine Seele ganz die Ihrige ist. Gott weiß es, ob ich Sie oder Ihre ganze Familie jemals in meinem schwachen Gebete vergesse; ich habe Sie aufs innigste in meine Seele eingezeichnet. Gott sei Ihr Herz und Ihr Leben!


 

22. Mittel, die christliche Vollkommenheit im Ehestande zu erreichen.

An dieselbe.

Werteste Frau! Ich kann Ihnen nicht auf einmal mitteilen, was ich Ihnen versprochen habe; denn ich habe nicht freie Zeit genug, um alles zusammenzustellen, was ich Ihnen über den Gegenstand, über welchen Sie von mir eine Belehrung wünschen, zu sagen habe. Ich werde also den Stoff auf mehrere Briefe verteilen; abgesehen davon, dass es für mich bequemer ist, können auch so meine Ratschläge eher bei Ihnen in Fleisch und Blut übergehen.

Sie haben ein so großes Verlangen nach der christlichen Vollkommenheit; hochherziger kann dasselbe nicht sein; nähren Sie es und lassen es täglich wachsen. Es gibt verschiedene Wege zur Vollkommenheit, je nach der Verschiedenheit des Berufes. Ordensleute, Witwen, Verehelichte, alle sollen nach der Vollkommenheit streben, aber nicht durch die gleichen Mittel. Für Sie verehrteste Frau, die Sie verheiratet sind, bestehen die Mittel darin, dass Sie sich recht hineinleben in Gott, in Ihren Nächsten und in den gesamten darauf bezüglichen Pflichtenkreis. Das Hauptmittel, sich in Gott einzuleben, muss der Empfang der Sakramente und das Gebet sein.

Was den Empfang der Sakramente anlangt, so dürfen Sie keinesfalls einen Monat vorübergehen lassen, ohne zu kommunizieren; mit der Zeit werden Sie sogar, falls Sie entsprechende Fortschritte im Dienste Gottes machen, mit Bewilligung Ihrer geistlichen Väter öfter kommunizieren können.

Zur Beichte rate ich Ihnen noch öfter zu gehen, namentlich wenn Sie, wie das im Anfange des geistlichen Lebens nicht selten vorkommt, einen kleinen Fehltritt begangen haben sollten, wodurch Ihr Gewissen sich beschwert fühlt. Sollten Sie aber in solchen Fällen nicht immer die nötige Zeit oder Gelegenheit zur Beichte finden, so werden Reue und Zerknirschung den Mangel ersetzen.

Was das Gebet betrifft, so müssen Sie dasselbe sehr fleißig üben, zumal die Betrachtung, zu welcher Sie, wie mir scheint, ziemlich befähigt sind. Halten Sie also täglich eine Betrachtung von der Dauer einer kleinen Stunde, entweder morgens, ehe Sie ausgehen, oder abends vor dem Nachtessen. Tun Sie es aber nicht nach dem Mittags- oder Abendtisch; es würde das Ihrer Gesundheit nachteilig sein.

Um aber mit Nutzen die Betrachtung anzustellen, müssen Sie zuvor mit dem Gegenstande vertraut sein, über welchen Sie betrachten wollen, damit Sie schon beim Beginn des Gebetes Ihren Stoff in Bereitschaft haben. Zu diesem Ende halten Sie sich Schriftsteller, welche das Leben und den Tod unseres Herrn in einzelnen Lesestücken zur Betrachtung vorlegen, wie Granada, Bellintani, Capiglia und Bruno; suchen Sie sich darin, was Ihnen für Ihre Betrachtung geeignet scheint, und lesen es so aufmerksam durch, dass es zur Zeit des Gebetes Ihrem Geiste gegenwärtig ist und Sie es alsdann nur geistig zu verarbeiten brauchen, wobei Sie stets die Methode befolgen wollen, welche ich Ihnen für die Betrachtung ausgeschrieben habe, die ich Ihnen am Gründonnerstag gab.

Außerdem verrichten Sie häufig Stoßgebete zu unserem Herrn, so oft wie möglich, zu allen Stunden und in jeder Gesellschaft, und schauen so allezeit Gott in Ihrem Herzen und Ihr Herz in Gott.

Lesen Sie gerne die Schriften, welche Granada über das Gebet und die Betrachtung verfasst hat; nirgendwo werden Sie eine bessere und anregendere Belehrung darüber finden. Ich wünsche, Sie ließen keinen Tag vorübergehen, wo Sie der Lesung eines geistlichen Buches nicht eine halbe oder eine ganze Stunde widmen; es kann Ihnen dieses zum Ersatz für die Predigt dienen.

Das wären nun die Hauptmittel, sich recht mit Gott zu vereinigen. Was jene betrifft, die dazu dienen, uns recht mit dem Nächsten zu vereinen, so gibt es deren sehr viele; nur einige wenige will ich hier angeben.

Man muss den Nächsten in Gott betrachten, welcher will, dass wir denselben lieben und ihm Zuneigung beweisen sollen, das ist die Lehre des hl. Paulus welcher den Dienern befiehlt, Gott zu dienen in ihrem Herrn und ihren Herren in Gott (Eph. 6, 6 - 8.). In dieser Liebe zu dem Nächsten muss man sich üben, indem man ihm äußerlich Beweise des Wohlwollens gibt; geht einem das anfangs etwas gegen das Gemüt, so darf man es doch darum nicht unterlassen; denn dieses Widerstreben des niederen Menschen wird zuletzt durch Gewöhnung überwunden und durch wiederholte Handlungen in freundliche Zuneigung verwandelt. Auch das Gebet und die Betrachtung müssen diesem Zwecke dienstbar gemacht werden; haben wir um die Liebe Gottes gebeten, so müssen wir stets auch um die Liebe zum Nächsten bitten, und zwar besonders zu jenen, für welche wir keine natürliche Zuneigung empfinden.

Ich rate Ihnen, machen Sie sich mitunter die Mühe, die Spitäler zu besuchen, die Kranken zu trösten, ihre Gebrechen mit zartem Mitleid zu betrachten, für sie zu beten und ihnen zugleich kleine Liebesdienste zu erweisen. Bei allem diesem hüten Sie sich aber sorgfältig, dass Sie Ihrem Herrn Gemahl, Ihrer Dienerschaft und Ihren Verwandten nicht Anlass geben zur Klage über zu langes Verweilen in der Kirche, zu große Zurückgezogenheit und Vernachlässigung Ihrer häuslichen Obliegenheiten. Hüten Sie sich, wie es manchmal vorkommt, andere wegen ihres Benehmens zu hofmeistern, oder bei Unterhaltungen, bei welchen die Regeln der Gottseligkeit nicht so genau im Auge behalten werden, zu sehr Ihre Geringschätzung merken zu lassen; denn bei allem diesem muss die Liebe vorwalten und uns erleuchten, dass wir den Wünschen des Nächsten uns in allem anbequemen, was den Geboten Gottes nicht zuwider ist.

Sie sollen nicht allein für Ihre Person fromm sein und die Gottseligkeit lieben, sondern müssen dieselbe auch liebenswürdig, nutzbringend und angenehm machen für jedermann. Die Kranken werden Ihre Gottseligkeit lieben, wenn ihnen dieselbe liebreichen Trost bringt; Ihre Familie, wenn sie findet, dass Sie für ihr Wohl besorgter, bei häuslichen Unannehmlichkeiten sanftmütiger, bei Zurechtweisungen wohlwollender werden u. s. w.; Ihr Herr Gemahl, wenn er sieht, dass Sie mit zunehmender Gottseligkeit auch herzlicher gegen ihn werden und ihm umso mehr Aufmerksamkeit erweisen; Ihre Verwandten und Freunde, wenn sie bei Ihnen desto mehr Herzlichkeit, Gefälligkeit und bereitwilliges Entgegenkommen finden mit ihren Wünschen, die dem Willen Gottes nicht zuwider sind; kurz, Sie müssen soviel als möglich Ihre Gottseligkeit anziehend zu machen suchen.

Ich habe eine kleine Abhandlung über die Vollkommenheit des christlichen Lebens verfasst, von welcher ich Ihnen eine Abschrift schicke, die Sie gütigst auch der Frau von Puits-d'Orbe mitteilen wollen; nehmen Sie dieselbe freundlich auf sowie auch diese Zeilen, die aus einer Seele kommen, die von ganzem Herzen auf Ihr Seelenheil bedacht ist und nichts sehnlicher wünscht, als das Werk Gottes in Ihnen vollendet zu sehen. Ich bitte Sie dringend, in Ihre Gebete und Kommunionen mich einzuschließen, wie auch ich Sie versichere, dass ich, so lange ich lebe, Sie bei den meinigen bedenken und so stets bleiben werde

Ihr u. s. w.


 

23. Weitere Verhaltungsregeln.

An dieselbe.

Liebe Frau Schwester! In dem Briefe, den ich vor sechs Wochen an Sie richtete, habe ich auf alle Ihre Anfragen geantwortet. Ohne Zweifel haben Sie denselben erhalten, und ich kann mich daher jetzt kürzer fassen.

Gemäß Ihrem Vorschlage vom 26. September bin ich einverstanden, dass unsere gute Äbtissin (Die Äbtissin von Puits-d'Orbe.) die kleinen Regeln, welche unser Vater entworfen hat, einzuführen anfängt, nicht um dabei stehen zu bleiben, sondern um dadurch mit größerer Leichtigkeit den Weg zu größerer Vollkommenheit zu bahnen.

Nichts ist diesem Unternehmen hinderlicher als die Verschiedenartigkeit der Vorschläge, die gemacht werden, sowie besonders das Anraten einer so strengen Regel; denn das wirkt abschreckend auf den Geist unserer Schwester und auch auf den der übrigen. Man braucht Ihnen, dünkt mich, gar nicht zu sagen, wieweit sie im Ganzen noch zu reisen, sondern nur, welche Wegstrecke Sie von einem Tag zum anderen zurückzulegen haben. Wie unsere Schwester ohnehin schon auf die Vollendung der Reform bedacht ist, braucht man sie gar nicht zu drängen; das könnte sie nur stören. Im Gegenteile, man muss ihr nur Geduld und Ausdauer predigen, sonst wird sie alles übers Knie brechen wollen, und wenn eine Verzögerung eintritt, die Geduld verlieren und das ganze Unternehmen aufgeben. Und wirklich hat man ja Grund genug, zufrieden zu sein mit dem, was unser Herr bis jetzt durch sie gewirkt hat: man muss ihm danken dafür und ihn um seine weitere Hilfe bitten.

Was meine kleine Schwester (Eine jüngere Schwester der Frau Brulard.) anbelangt, so überlasse ich sie Ihnen und mache mir ihretwegen keine Sorge; nur wünschte ich, dass unser Vater (Der Präsident v. Crepy, Vater der Frau Brulard.) nicht besorge, sie möge zu fromm werden, wie er es immer bei Ihnen befürchtete. Ich bin überzeugt, dass bei ihr diese Besorgnis überflüssig ist. Mein Gott! der gute Vater! Ach, solche Herren sind eben ein wenig eifersüchtig auf ihr Reich und ihre Herrschaft, die ihnen bedroht scheint, wenn man etwas tut ohne ihre Autorität und ihren Befehl. Nun, man muss ihnen diese kleine Menschlichkeit zu gute halten. Sie wollen die Herren sein, und gehört es sich nicht wirklich so? Gewiss sind sie es, was die Dienste betrifft, die Sie ihnen schuldig sind; aber die guten Herren bedenken nicht, dass man in Sachen des Seelenheiles sich an die geistlichen Führer und Ärzte halten muss, und dass unbeschadet der Rechte, welche ihnen zustehen, Sie Ihr Heil wirken müssen mit Hilfe der Mittel, welche diejenigen geeignet finden, die da aufgestellt sind, die Seelen zu leiten.

Aber trotz alledem müssen Sie große Rücksicht auf ihre Wünsche nehmen, ihre kleinen Eigenheiten ertragen und so viel nachgeben, als es möglich ist, ohne unsere guten Absichten zu vereiteln. Eine solche Nachgiebigkeit wird unserem Herrn gefallen. Schon früher sagte ich Ihnen: Je weniger wir nach unserem Geschmack leben und je weniger wir unser Tun und Lassen nach eigenem Gutdünken einrichten, desto echter und vorzüglicher ist unsere Gottseligkeit. Manchmal tut es not, dass wir unseren Herrn verlassen, um aus Liebe zu ihm anderen den Willen zu tun.

Nein, ich kann mich nicht enthalten, meine liebe Tochter, zu Ihnen zu reden, gerade wie ich denke; ich weiß, Sie werden meine offenherzige Sprache nicht übel nehmen. Vielleicht -- was weiß ich? – haben Sie dem guten Vater und Ihrem guten Gemahl Veranlassung gegeben, sich um Ihre Andachtsübungen zu bekümmern und darüber aufgebracht zu sein. Sie waren vielleicht zu übereifrig und aufdringlich und haben mit Gewalt sie selbst auf Ihren Weg hinnötigen wollen. Wenn es so ist, so ist dies ohne Zweifel der Grund, warum sie nun so gereizt sind. Wir müssen soviel als möglich sorgen, dass unsere Frömmigkeit nicht lästig wird. Ich will Ihnen indessen sagen, was jetzt zu tun ist.

Können Sie zur Kommunion gehen, ohne Ihre beiden Obern zu beunruhigen, so tun Sie es, so oft Ihre Beichtväter dazu raten. Fürchten Sie aber die Herren zu beunruhigen, so begnügen Sie sich mit der geistlichen Kommunion. Glauben Sie mir, diese geistliche Abtötung, diese Entbehrung Gottes wird dem Herrn außerordentlich wohlgefällig sein und wird ihn desto inniger mit Ihrer Seele vereinigen. Man muss manchmal einen Schritt rückwärts tun, um einen desto besseren Anlauf nehmen zu können.

Ich habe oft die außerordentliche Entsagung des hl. Johannes des Täufers bewundert, der so lange in der Wüste ganz in der Nähe unseres Heilandes sich aufhielt, ohne sich Mühe zu geben, ihn zu sehen, zu hören und ihm nachzufolgen; und wie konnte er, nachdem er ihn gesehen und getauft hatte, ihn ziehen lassen, ohne sich an ihn persönlich anzuschließen, da er doch geistig so innig mit ihm vereinigt war? Er wusste indessen, dass er gerade durch den Verzicht auf den persönlichen Umgang dem Herrn am besten dienen konnte.

So werden auch Sie Gott nach Ihrem geringen Maße dienen, wenn Sie, um das Herz der beiden Ihnen von ihm gegebenen Vorgesetzten zu gewinnen, sich die Entbehrung seiner wirklichen Gegenwart gefallen lassen. Es wird mir ein sehr großer Trost sein, wenn ich überzeugt sein darf, dass diese Ratschläge, welche ich Ihnen erteile, Ihr Herz nicht in Unruhe versetzen. Glauben Sie mir, dieser Verzicht, diese Selbstverleugnung wird Ihnen äußerst nützlich sein. Nichtsdestoweniger werden Sie manchmal Gelegenheit finden, heimlich zu kommunizieren; vorausgesetzt nämlich, dass Sie auf die Wünsche der beiden Herren verständige Rücksicht nehmen und ihnen keine Veranlassung zur Ungeduld geben, erteile ich Ihnen keine andere Vorschrift in Betreff der Kommunion, als Ihre Beichtväter. Diese kennen den augenblicklichen Zustand Ihrer Seele und wissen zu beurteilen, was zu Ihrem Heile erforderlich ist.

Dasselbe gilt für Ihre Tochter; lassen Sie dieselbe mit der heiligen Kommunion bis Ostern warten, weil sie dieselbe vor dieser Zeit nicht empfangen kann, ohne bei ihrem guten Vater anzustoßen; Gott wird diesen Aufschub lohnen.

Sie werden, wie ich sehe, recht in der Entsagung und Selbstverleugnung geprüft, da Sie Gott nicht nach Ihrem Willen dienen können. Ich kenne eine Dame, eine der größten Seelen, die mir jemals vorgekommen sind, welche lange Zeit derart den Launen ihres Mannes unterworfen blieb, dass sie auf der Höhe ihrer Gottseligkeit und frommen Inbrunst den Hals entblößt tragen, mit Schmucksachen beladen erscheinen musste, und um nicht tausend Stürme in ihrem Hanse heraufzubeschwören, mit Ausnahme von Ostern, nur ganz im geheimen und ohne jemandes Vorwissen kommunizieren durfte. Auf diesem Wege hat sie es aber sehr weit gebracht; ich weiß es, da ich sehr oft ihr Beichtvater war.

Üben Sie also mit Freuden die Abtötung, und je mehr Sie verhindert sind, das Gute zu tun, welches Sie wünschen, desto eifriger verrichten Sie das Gute, das Sie nicht wünschen. Sie wünschen nicht diese Entsagungen, Sie möchten andere haben; üben Sie aber jene, die Sie nicht wünschen, denn diese sind nur umso verdienstlicher.

Die Psalmen Davids in der Übersetzung oder Nachdichtung von Desportes sind Ihnen keineswegs verboten, noch schädlich; sie sind im Gegenteile nützlich. Lesen Sie dieselben nur ganz unbedenklich; ich widerspreche nie jemand; aber ich weiß sehr wohl, dass diese Psalmen Ihnen durchaus nicht verboten sind und dass kein Grund vorhanden ist, Bedenken dagegen zu erheben. Es mag wohl sein, dass irgend ein guter Vater nicht haben will, dass seine geistlichen Kinder sie lesen; er mag seine Gründe dafür haben; aber daraus folgt nicht, dass andere nicht ebenso gute, vielleicht noch bessere haben können, sie den ihrigen anzuraten. Eines steht fest, dass Sie bei jedem passenden Anlass darin lesen können.

Ebenso können Sie ohne Skrupel das Kloster von Puits-d'Orbe besuchen, und ich habe durchaus keine Veranlassung, Ihnen eine Buße aufzuerlegen wegen des Skrupels, den Sie sich deswegen gemacht haben. Der Skrupel an sich ist Qual genug für diejenigen, die ihn unterhalten oder auszuhalten haben, und man braucht ihnen daher nicht noch weitere Bußen aufzuerlegen. Alcantara ist sehr gut für das Gebet.

Tun Sie recht weit Ihr Herz auf, um darin alle Arten von Kreuz, Entsagung und Selbstverleugnung aufzunehmen aus Liebe zu dem, der so viel davon auf sich genommen hat. Möge sein heiliger Name allezeit gepriesen sein und sein Reich sich befestigen von Ewigkeit zu Ewigkeit!

In ihm und durch ihn bin ich Ihnen mehr als Bruder und Diener.


 


 

24. Über Almosengeben und Jahresbeichte.

An dieselbe.

Den 8. Juni 1606.

Was das Almosen betrifft, so müssen Sie wissen, ob Ihr Herr Gemahl damit einverstanden ist, dass Sie Mildtätigkeit üben nach Maßgabe Ihres Vermögens und der Mittel Ihres Hauses. Und da es mir vorkommt, als hätten Sie mir diese Frage bejaht, so kann es nicht zweifelhaft sein: Sie dürfen nicht allein, sondern Sie müssen sogar Almosen geben. Wie viel, das können Sie selbst am besten beurteilen; es sind dabei Ihre Mittel und Ihr Rang zu berücksichtigen, und überdies muss Ihre Wohltätigkeit sich richten nach dem jedesmaligen Bedürfnisse der Armen. Zur Zeit der Hungersnot muss man, wenn das Haus gehörigen Vorrat hat, mit offenen Händen geben; zur Zeit des Überflusses braucht man weniger freigebig zu sein und darf eher auf Ersparnisse bedacht sein.

Was das Aufschreiben der Beichte angeht, so ist dies eine gleichgültige Sache; Sie persönlich, ich versichere Sie, haben es gar nicht nötig; denn ich erinnere mich, dass selbst Ihre Generalbeichte sehr gut und genau war, ohne dass Sie etwas ausgeschrieben hatten. Auch wollen manche von dem Schreiben gar nichts wissen und ziehen es vor, dass man sich auswendig anklage.

Jahresbeichten sind recht gut; sie führen uns unsere Armseligkeit vor Augen, lassen uns erkennen, ob wir vorwärts oder rückwärts gehen, und helfen uns mit größerer Lebhaftigkeit, unsere guten Vorsätze wieder auffrischen. Man muss aber dabei ohne Unruhe und Ängstlichkeit verfahren, und es muss einem dabei nicht sowohl um die Lossprechung, als um eine Ermutigung zu tun sein, weshalb man bei der Gewissenserforschung auch nicht so ins einzelne zu gehen, sondern nur die wichtigeren Punkte zu berücksichtigen braucht. Können Sie es so machen, so rate ich dazu; wenn nicht, so ist es mein Wunsch, dass Sie eine solche Jahresbeichte unterlassen.

Sie bitten mich noch, meine teure Schwester, um eine kleine Zusammenstellung der Tugenden, welche für eine verheiratete Frau besonders geeignet sind; indessen habe ich für jetzt nicht die nötige Zeit dazu; ich werde Ihnen aber später einmal darüber etwas schreiben; denn ich wünsche von ganzem Herzen, Ihnen zu dienen; und wiewohl mir bekannt ist, dass es Ihnen bei Ihrem Verkehr mit so vielen heiligen und gelehrten Seelen an guten Ratschlägen nicht fehlen kann, so werde ich Ihnen, da Sie auch meinen Rat begehren, darin zu Willen sein. -- Wie freut es mich, zu wissen, dass Ihr Herr Gemahl mehr und mehr annimmt von der Sanftmut und Freundlichkeit Ihres Umganges. Das ist eine der Tugenden der Ehefrauen, und gerade die, welche der hl. Paulus allein einschärft (1 Kor. 7, 34., Eph. 5, 23 - 24.) .

Ich bitte Sie, meine liebe Tochter, machen Sie nicht mit mir diese Umstände; denn ich bin Ihnen mit aller Aufrichtigkeit ergeben. Der Herr sei immerdar das Herz, die Seele und das Leben unserer Herzen. Amen.

Ihr u. s. w.


 

 

25. Trost für Kinderlose.

An eine Dame.

Den 13. Dezember 1621.

Das eine wie das andere ist ein guter Gedanke, meine teure Tochter. Nachdem Sie alles Gott geschenkt haben, dürfen Sie nichts in sich suchen, als ihn allein, der doch sicher die beste Gegengabe ist für das bisschen, das sie ihm geschenkt haben. O wie muss dieser Gedanke Ihren Mut stählen und Sie stärken in Ihrem kindlichen Vertrauen! Nicht minder gut ist der Gedanke, Ihre Unfruchtbarkeit sei eine Strafe für Ihre Sünden, wenn Sie auch nicht darüber nachgrübeln sollen, durch was für ein Vergehen Sie solches verschuldet haben; es wird Sie dieser Gedanke in der Demut bestärken. Glauben Sie, meine liebe Tochter, dass Sara, Rebekka, Rachel, Anna die Mutter Samuels, die hl. Anna, Mutter Unserer lieben Frau, und die hl. Elisabeth, solange sie unfruchtbar waren, Gott weniger wohlgefielen, als nachdem sie Kinder empfangen hatten? Man muss in Treuen den Weg des Herrn wandeln und den Frieden bewahren im Winter der Unfruchtbarkeit wie im Herbste der Fruchtbarkeit.

Unsere Schwestern sind über Erwarten voll Trost wegen des zu hoffenden Friedens. Sie müssen's noch mehr sein im Hinblick auf das Wort ihres himmlischen Bräutigams, der die Seinigen behütet wie seinen Augapfel. Der hl. Hieronymus spricht zu einer seiner geistlichen Töchter: „Der bedarf keines Bretterbodens, der auf der Erde wandelt; der bedarf keines Daches, über dem der Himmel sich wölbt.“ Wird der Gott, der Schnecken und Schildkröten, die seiner nicht gedenken und sein Lob nicht singen, Häuser gibt, seine Dienerinnen, welche zu seinem Lobe versammelt sind, ohne Klöster lassen? Meine Tochter, mehr und mehr bin ich

Ihr ganz ergebenster u. s. w.


 


 

26. Der Heilige drückt einer Dame seine Freude aus über ihr Streben nach Vollkommenheit und erteilt ihr Ratschläge für die Zeit der Schwangerschaft.

Werteste Frau! Ihr Brief vom 16. Mai, den ich aber erst am 27. Juni erhalten habe, gibt mir reichlichen Anlass, Gott zu preisen für das treue Festhalten Ihres Herzens an dem Verlangen nach Vervollkommnung des christlichen Lebens, worin er Sie erhält. Wie ernst es Ihnen damit ist, erkenne ich sehr deutlich an der heiligen Einfalt, mit welcher Sie Ihre Versuchungen und Kämpfe mir darstellen. Ich sehe wohl, dass der Herr Ihnen beisteht, da Sie Schritt für Schritt, Tag für Tag mehr und mehr Ihre gänzliche Befreiung erringen von den hauptsächlichsten Unvollkommenheiten und Schwächen, die Ihnen früher zu schaffen machten.

Ich zweifle nicht, dass Sie binnen ganz kurzer Zeit den vollständigen Sieg darüber werden gewonnen haben, da ich sehe, wie tapfer im Kampfe und wie voll zuversichtlicher Hoffnung Sie sind, zu siegen durch die Gnade unseres guten Gottes.

Der Trost, den Sie bei diesem Unternehmen finden, ist ohne Zweifel ein deutliches Vorzeichen, dass Sie glücklich zum Ziele gelangen werden. Bestärken Sie sich daher in diesem guten Vorsatze, der Sie zu ewigem Ruhm führen wird. In Ihrem Haushalt übersehen Sie nichts, was zu dessen gedeihlicher Führung erforderlich ist; fahren Sie fort, häufig zur Beichte und Kommunion zu gehen; lassen Sie keinen Tag vorübergehen, ohne etwas in einem geistlichen Buche zu lesen, wie wenig es auch sein mag; wenn es mit Aufmerksamkeit und Andacht geschieht, wird es Ihnen großen Gewinn bringen. Halten Sie abends Ihre Gewissenserforschung; gewöhnen Sie sich an die kurzen Gebete und Anmutungen, die man Stoßgebete nennt; des Morgens, wenn Sie vom Bette aufstehen, werfen Sie sich stets auf die Knie, um Ihrem himmlischen Vater, der seligsten Jungfrau und Ihrem Schutzengel Ihre Verehrung zu bezeigen, wäre es auch nur für drei Minuten. Sie dürfen es nie unterlassen; tragen Sie ein recht frommes Bild bei sich und küssen dasselbe häufig.

Recht lieb ist es mir, dass Ihr Sinn heiterer geworden ist als früher; ohne Zweifel, werteste Frau, wird Ihre Zufriedenheit von Tag zu Tag sich steigern; denn die Süßigkeit des Herrn wird sich mehr und mehr in Ihre Seele ergießen. Nie hat noch jemand die Gottseligleit verkostet, ohne davon Süßigkeit zu empfinden.

Ich bin versichert, dass dieser Trost und diese Freudigkeit des Geistes mit ihrem köstlichen Wohlgeruche über Ihr ganzes Verhalten sich verbreiten werden, besonders über das häusliche; ja gerade hier, wo der Schwerpunkt Ihres Pflichtenkreises ruht, muss man am meisten davon merken. Wenn Sie die Gottseligkeit lieben, so suchen Sie derselben überall Hochschätzung und Ehrerbietung zu erwerben; es werden aber alle dieselbe hochschätzen, wenn sie an Ihnen die guten und lieblichen Wirkungen derselben wahrnehmen.

Mein Gott, wie viele und schöne Gelegenheit haben Sie, sich um Ihr ganzes Haus verdient zu machen! Ohne Zweifel können Sie daraus ein wahres Paradies der Frömmigkeit machen, da Ihr Herr Gemahl Ihren guten Wünschen so freundlich entgegenkommt. Ach, wie glücklich werden Sie sein, wenn Sie recht der Maßhaltung in Ihren geistlichen Übungen sich befleißen, die ich Ihnen empfohlen habe, und dabei soviel als nur immer möglich Ihren häuslichen Beschäftigungen und den Wünschen Ihres Gemahls Rechnung tragen, der ja weder unbillig noch tyrannisch in seinen Forderungen ist. Ich habe wenige Frauen gekannt, denen es leichter gemacht worden ist, gottselig zu leben, als Ihnen, werteste Frau, weshalb Sie auch doppelt verpflichtet sind, rechte Fortschritte darin zu machen.

Sehr wünschte ich, dass Sie auf die heilige Betrachtung sich verlegen möchten; denn wie mir scheint sind Sie sehr beanlagt dafür. Ich sprach Ihnen davon während der letzten Fastenzeit; ich weiß nicht, ob Sie bereits Hand angelegt haben. Indessen möchte ich, dass Sie täglich wenigstens für die ersten Jahre nicht mehr als eine halbe Stunde darauf verwendeten. Es würde dies sehr viel dazu helfen, Ihnen den Sieg über Ihre Feinde zu verschaffen.

Ich habe sehr wenig Zeit zum Schreiben, und dennoch kann ich kein Ende finden; so angenehm ist es mir, mich wenigstens brieflich mit Ihnen zu unterhalten. Und ich bitte Sie, überzeugt zu sein, beste Frau, dass der einmal in mir erwachte Wunsch, Ihnen zu dienen und Sie zu ehren im Herrn, mit jedem Tage in meiner Seele wächst und zunimmt. Kann ich auch zu meiner Betrübnis nur sehr wenig für Sie tun, so unterlasse ich doch nicht, Sie in meinem schwachen und armseligen Gebete, zumal beim heiligen Messopfer, der Barmherzigkeit Gottes zu empfehlen. Ich schließe dabei stets auch Ihre Familie ein, die ich um Ihretwillen einzig liebe, wie Sie Gottes wegen.

Ich habe vernommen, dass Sie Aussicht haben, Mutter zu werden, und habe Gott dafür gedankt; er will die Zahl seiner Kinder vermehren, indem er die Zahl der Ihrigen wachsen lässt. Die Bäume tragen ihre Früchte für den Menschen, die Mutter ihre Kinder für Gott. Fruchtbarkeit ist daher als ein Gottessegen zu betrachten. Machen Sie daher sich Ihren Zustand in doppelter Weise zunutze, einmal, indem Sie die Frucht Ihres Leibes hundertmal des Tages Gott aufopfern, wie es, nach dem Zeugnisse des hl. Augustin, dessen Mutter zu tun pflegte, während sie mit ihm gesegnet war; dann indem Sie bei den Plagen und Leiden, die gewöhnlich mit der Schwangerschaft verbunden sind und die auch Ihnen nicht ausbleiben werden, Gott dafür preisen, dass Sie leiden dürfen, um ihm einen Diener oder eine Dienerin zu schenken, die mit Ihnen durch seine Gnade ihn ewiglich loben wird.

Schließlich sei Gott bei allein und überall Lob und Preis in Leid und Freude.

Ich verbleibe u. s. w.


 


 

27. Eine Mutter soll die Beschwerden der Schwangerschaft in Geduld tragen und sich nicht wundern, wenn ihr Aufschwung im Gebete erschwert ist.

Den 29. September

Meine teure Tochter! Ich bin nicht im geringsten verwundert darüber, dass Sie sich ein wenig entmutigt und erschlafft fühlen, da Sie guter Hoffnung sind; ist es doch eine unbestreitbare Tatsache, dass die Seele in ihrem niedrigen Teile von den Zuständigkeiten, von dem Befinden des Körpers in Mitleidenschaft gezogen wird; mit Absicht sage ich: ihrem niedrigen Teile nach, weil dieser in unmittelbarer Verbindung mit dem Körper steht und infolgedessen auch den Unbequemlichkeiten desselben unterworfen ist. Ein zarter Körper, beschwert durch die Last der Schwangerschaft, erschöpft durch die Mühe, ein Kind zu tragen, und von mannigfachen Schmerzen gequält, gestattet nicht, dass das Herz eine so lebhafte, so behende, so rasche Tätigkeit entfalten kann wie sonst; aber dies alles vermag die Akte des höheren Teiles der Seele in ihrem Werte nicht zu beeinträchtigen, vielmehr sind diese Gott ebenso wohlgefällig, als wenn dieselben in freudigst gehobener Stimmung vonstatten gingen; ja sicherlich noch mehr, weil sie mehr Mühe erfordern und größere Hindernisse dabei zu überwinden sind. Für die handelnde Person selbst jedoch sind sie freilich nicht so angenehm, weil das sensitive Leben dabei unberührt bleibt und wir folglich weniger Empfindung und Wohlgefühl dabei haben.

Man muss nicht ungerecht sein, meine teure Tochter, und nicht etwas von sich verlangen, was über unsere Kräfte ist. Wenn wir körperlich unpässlich sind, so dürfen wir von unserem Geiste nur verlangen, dass er sich gerne unterwirft, das Kreuz willig auf sich nimmt, und den eigenen Willen mit dem Wohlgefallen Gottes vereinigt, ein Vorgang, der gleichsam in dem höchsten Gipfel unserer Seele sich vollzieht. Was aber das äußere Handeln angeht, so muss man es so gut zu ordnen und so wohl zu vollbringen suchen, als man kann; man muss sich begnügen, darin seine Schuldigkeit zu tun, mag man sich auch wenig dazu aufgelegt fühlen, mag es auch noch so krankhaft und schwerfällig herauskommen. Um aber diese Mattigkeit, Schwerfälligkeit und Schläfrigkeit des Herzens zu heben und der göttlichen Liebe dienstbar zu machen, müssen wir der damit verbundenen heiligen Erniedrigung geständig sein, sie hinnehmen und lieben. Auf diese Weise werden Sie das Blei Ihrer Schwerfälligkeit in Gold verwandeln, und zwar in weit feineres Gold, als das Ihrer lebhaftesten Herzensfreude sein könnte. Haben Sie also Geduld mit sich selbst. Möge der höhere Teil ihrer Seele die Abspannung des niederen ertragen lernen, und mögen sie oftmals dem ewigen Ruhme unseres Schöpfers das kleine Geschöpf weihen, bei dessen Bildung er Ihnen eine Mitwirkung vergönnt hat.

Meine teure Tochter! Wir haben hier zu Annecy einen Kapuziner, der Maler ist. Wie Sie sich denken können, fertigt er nur Bilder für Gott und seinen Tempel; obwohl er nun eine eine so große Aufmerksamkeit auf seine Arbeit richtet, dass er dabei nicht beten kann, und gerade deswegen sein Geist nur noch mehr angestrengt und ermüdet wird, so widmet er sich doch gerne dieser Arbeit, weil sie zur Ehre Gottes gereicht und weil er hoffen darf, dass seine Gemälde manche Gläubige aneifern werden, Gott zu loben und seine Güte zu preisen.

Nun denn, meine Tochter, das Kind, das unter ihrem Herzen sich bildet, wird ein lebendiges Bild der göttlichen Majestät sein; während Ihre Seele, Ihre Energie und Ihre natürlichen Kräfte von diesem Werke von diesem Werke in Anspruch genommen werden, müssen Sie notwendig sich ermüdet und erschlafft fühlen, und können während dieser Zeit Ihre gewöhnlichen Übungen nicht so frisch und fröhlich verrichten wie sonst; ertragen Sie aber gerne diese Ermüdung und Schwerfälligkeit in Betracht der Ehre, die Gott von Ihrem Werke empfangen wird; denn dieses Ihr Bild wird in dem ewigen Tempel des himmlischen Jerusalems aufgestellt und ewiglich von Gott, von Engeln und Menschen, mit Freude betrachtet werden; die Heiligen werden seinetwegen Gott preisen und auch Sie selbst, wenn Sie es dort erblicken werden. Haben Sie also einstweilen Geduld, wenn Sie sich ein wenig matt und erschlafft fühlen, und halten sich mit dem höheren Teile Ihrer Seele an den heiligen Willen unseres Herrn, der nach seiner ewigen Weisheit es so gefügt hat.

Kurz, ich weiß nicht, was meine Seele nicht freut und wünscht für die Vervollkommnung der Ihrigen, welche ich, da Gott es also gewollt hat und will, in mein Herz geschlossen habe. Möge es seiner göttlichen Güte gefallen, unsere Seelen beide seines hochheiligen Wohlgefallens zu würdigen und Ihre ganze teure Familie mit seinen heiligen Segnungen zu erfüllen, besonders auch Ihren werten Herrn Gemahl, dem ich, wie Ihnen, unwandelbar bleiben werde

der ergebenste, gehorsamste Diener u. s. w.

 


 

28. Der Heilige gebietet einer Dame, in ihren Umständen das Fasten zu unterlassen.

Im Begriffe abzureisen, meine teure Tochter, bin ich sehr eilig; Sie werden mit diesen paar Zeilen gütigst vorlieb nehmen, als wären es ihrer viele. Ich bitte Sie, überzeugt zu sein, dass Ihre teure Seele nie mehr geliebt werden kann als von mir.

Aber was höre ich von Ihnen? Man sagt, Sie fasten trotz Ihrer Schwangerschaft und bringen Ihre Leibesfrucht um die Nahrung, welche die Mutter braucht, um ihr geben zu können, was ihr zukommt. Ich bitte Sie, lassen Sie das; befolgen Sie demütig die Vorschriften der Ärzte und reichen ohne Bedenken Ihrem Körper die nötige Nahrung im Hinblick auf das, was Sie unter dem Herzen tragen.

An Gelegenheit, die Abtötung des Herzens zu üben, wird es Ihnen gewiss nicht fehlen, und das ist das einzige Opfer, das Gott von Ihnen verlangt.

O mein Gott, teuerste Tochter, wie viele große Seelen im Dienste Gottes habe ich hier gefunden! Seine Güte sei dafür gepriesen! Und Sie sind mit denselben verbunden, da Sie nach dem gleichen Ziele streben. Leben Sie ganz in Gott, meine teuerste Tochter, und fahren fort zu beten für Ihren geringsten Diener

    u. s. w.

 


 

29. Man muss in allen Verhältnissen aus den sich darbietenden Veranlassungen zur Abtötung Nutzen ziehen und die Übungen der Frömmigkeit den Umständen anzupassen suchen.

An eine Dame in guter Hoffnung.

Vor allen Dingen, meine teure Tochter, muss man nach Gemütsruhe trachten nicht weil sie die Mutter der Zufriedenheit, sondern weil sie die Tochter der Liebe Gottes und der Verleugnung unseres Eigenwillens ist. Jeder Tag bietet Gelegenheit, sich in letzterer zu üben; denn wo wir auch sein mögen, nirgends fehlt es an Widerwärtigkeiten; und wenn kein anderer uns deren bereitet, so tun wir es selbst. Mein Gott, wie heilig und Gott wohlgefällig würden wir sein, teure Tochter, wenn wir jede Gelegenheit, uns abzutöten, welche unser Beruf uns darbietet, recht zu benutzen wüssten. gewiss haben wir viel mehr Anlässe dazu als die Klosterleute; zu bedauern ist, dass wir sie uns nicht so zunutze machen wie diese.

Nehmen Sie sich während Ihrer Schwangerschaft sorgfältig in Acht; tun Sie sich ja keinen Zwang an, um sich zu irgend einer Art von geistigen Übungen zu nötigen, sondern machen es ganz sachte. Ermüdet Sie das Knien, so setzen Sie sich; vermögen Sie nicht, während eines halbstündigen Gebetes sich gesammelt zu halten, so beten Sie eine Viertelstunde oder eine halbe Viertelstunde.

Ich bitte Sie, sich in die Gegenwart Gottes zu versetzen und vor seinem Angesichte Ihre Schmerzen zu ertragen.

Halten Sie Ihre Klagen nicht zurück; aber ich wünschte, dass Sie dieselben mit rechtem Kindersinn zu Gott erhöben, wie ein zartes Kind der Mutter sein Leid klagt. Geschieht es mit Ergebung, so darf man unbedenklich sich beklagen, Heilung suchen, auch den Platz wechseln oder sonst nach Trost sich umsehen; tun Sie das alles nur mit Liebe und Ergebung in den guten Willen Gottes.

Machen Sie sich ja keine Sorge, Sie möchten Ihre Tugendübungen nicht recht verrichten; denn, wie ich Ihnen sagte, diese sind dennoch sehr gut, wenn sie auch mit halbgelähmtem, schwerfälligem und sozusagen widerwilligem Herzen verrichtet werden.

Sie können Gott nicht mehr geben, als Sie haben; während der Dauer dieser Drangsal haben Sie aber ihm sonst nichts zu bieten. Gegenwärtig, meine Tochter, ist Ihr Geliebter Ihnen ein Myrrhenbüschlein (Hohelied. 1, 12. ); werden Sie nicht müde, dasselbe fest an Ihr Herz zu schließen. „Mein Geliebter ist mein und ich bin sein; stets wird er in meinem Herzen sein.” (Ebd. 6, 2.) Isaias nennt ihn den Mann der Schmerzen; er liebt die Schmerzen und diejenigen, welche damit beladen sind.

Quälen Sie sich nicht damit ab, viel tun zu wollen, sondern trachten Sie, das was Sie zu leiden haben mit Liebe zu leiden. Gott wird Ihnen gnädig sein, beste Frau, und wird Ihnen nach seiner Huld zu jenem mehr zurückgezogenen Leben verhelfen, von dem Sie mir schreiben. Mögen wir siech (krank), mögen wir lebend oder sterbend sein, wir sind des Herrn und mit seiner Gnade wird uns nichts von seiner heiligen Liebe trennen: nie wird unser Herz ein anderes Leben haben, als in ihm und für ihn; stets wird er der Gott unseres Herzens sein; ich werde nicht aufhören, ihn darum zu bitten und verbleibe in ihm von ganzem Herzen

Ihr u. s.. w.


 


 

30. Wie es unter solchen Umständen mit der Betrachtung zu halten ist.

An eine Dame.

Da Sie, meine teuerste Tochter, durch Ihren Zustand sehr gehindert sind, Ihre Betrachtung in der ausgedehnten und regelrechten Weise zu verrichten, wie Sie es gewohnt sind, so machen Sie dieselbe kurz und innig. Was dann noch mangelt, ersetzen Sie durch öftere Erhebung Ihres Herzens zu Gott; lesen Sie häufig, aber nicht zu viel auf einmal, in einem guten, geistlichen Buche; geben Sie beim Spazierengehen sich frommen Gedanken hin; beten Sie wenig, aber oft; opfern Sie Ihre Schwäche und Mattigkeit dem gekreuzigten Heiland auf und kehren nach Ihrer Entbindung ganz sachte zu Ihrer früheren Ordnung zurück. Halten Sie sich strenge an ein dazu geeignetes Buch und dessen Gedankenfolge, damit Sie, wenn die Stunde des Gebetes da ist, nicht ratlos dastehen, wie jemand, der zur Essenszeit nichts in Bereitschaft hat.

Kommt es vor, dass Ihnen das Buch fehlt, so halten Sie Ihre Betrachtung über irgend ein fruchtbares Geheimnis, das erste beste, was Ihnen in den Sinn kommt, wie z. B. über das Leiden und Sterben unseres Erlösers.


 


 

31. Gebet für gesegnete Frauen.

O ewiger Gott, Vater von unendlicher Güte, der du die Ehe angeordnet hast, um die Menschheit hienieden zu vermehren und die himmlische Stadt dort oben wieder zu bevölkern, – der du vorzugsweise unserem Geschlechte diese Bestimmung gegeben und sogar gewollt hast, dass die Fruchtbarkeit als ein Zeichen deines Segens für uns gelten soll: siehe hier liege ich auf den Knien vor dem Angesichte deiner anbetungswürdigen Majestät und sage dir Dank für die Empfängnis des Kindes, dem du nach deinem Wohlgefallen das Dasein in mir gegeben hast. Da es dir also gefallen hat, o Herr, so breite aus über mich die Arme deiner Vorsehung, bis das Werk vollendet ist, welches du begonnen hast; segne meine Schwangerschaft durch deine Vollkommenheit und trage mit mir durch deinen fortwährenden Beistand das Wesen, das du in mir erschaffen hast, bis zur Stunde seines Eintrittes in die Welt. Dann aber, o Gott meines Lebens, sende mir deine Hilfe, unterstütze meine Schwäche durch deine heilige Hand und nimm die Frucht meines Leibes in deine gnädige Obhut, bis sie, wie sie dein ist durch die Erschaffung, so auch dein ist durch die Erlösung, indem sie durch die Taufe in den Schoß deiner Braut, der Kirche, aufgenommen wird.

O Heiland meiner Seele, während deines Erdenlebens hast du die Kindlein so sehr geliebt, sie so oft auf deine Arme genommen: o so nimm auch dieses hin, nimm es auf in deine heilige Kindschaft, damit es dich zum Vater haben und anrufen dürfe, auf dass dein Name in ihm geheiligt werde und zu ihm kommen möge dein Reich. Mit dieser Bitte, o Erlöser der Welt, weihe, widme und heilige ich es von ganzem Herzen der Liebe deines Dienstes und dem Dienste deiner Liebe.

Dein gerechter Zorn hat die erste Mutter der Menschen mit ihrer ganzen sündigen Nachkommenschaft vielen Mühsalen und Schmerzen beim Gebären der Kinder unterworfen. Darum, o Herr, nehme ich auf mich alle Leiden, die durch deine Zulassung bei diesem Anlasse mich treffen werden; nur beschwöre ich dich bei deiner heiligen und freudenreichen Geburt von unbefleckter Mutter, sei mir armen und elenden Sünderin gnädig, wenn meine schmerzenreiche Stunde naht; siehe huldreich herab auf mein demütigstes Flehen, mit welchem ich voll Zuversicht auf deine Güte vor dir erscheine, und erteile mir und dem Kinde, das du mir schenken willst, den Segen deiner ewigen Liebe.

Und du, heiligste Mutter und Jungfrau, meine teure Herrin und einzige Gebieterin, du einzige Krone der Frauen, nimm auf meine Wünsche und mein Flehen unter deinen Schutz und in den mütterlichen Schoß deiner unvergleichlichen Güte, damit es deinem Sohne gefallen möge, sie barmherziglich zu erhören. Dir lege ich meine Bitte ans Herz, du Lieblichste unter allen erschaffenen Wesen, dich beschwöre ich bei deiner jungfräulichen Liebe zu dem heiligen Joseph, deinem Gemahle, bei dem unendlichen Verdienste der Geburt deines Sohnes, bei dem heiligen Schoße, der ihn getragen, und bei den heiligen Brüsten, die ihn gesäugt haben.

O ihr heiligen Engel Gottes, die ihr gesandt seid, mich und das Kind, das ich unter dem Herzen trage, zu beschirmen, behütet und leitet uns, damit wir durch euren Beistand endlich zu der Herrlichkeit gelangen, die ihr genießet, um dort mit euch zu loben und zu preisen unseren gemeinschaftlichen Herrn und Meister, der da regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.


 

32. Warnung vor übertriebener Liebe zu den Kindern.

An eine Dame.

Annecy, am Feste des hl. Dominicus, den 4. August 1621.

Geehrteste Frau! Jede Liebe kann zu groß werden, nur nicht die Liebe zu Gott; und wenn sie überhandnimmt, ist sie gefährlich. Sie regt die Seele auf, weil sie eine Leidenschaft, und zwar die stärkste der Leidenschaften ist; sie beunruhigt und verwirrt den Geist, weil sie eine Art von Geistesstörung ist; und wenn man ihr freie Bahn lässt, so bringt sie unseren ganzen Gemütszustand aus Rand und Band.

Muss man nun nicht annehmen, werteste Frau, dass es auch mit der mütterlichen Liebe zu den Kindern so weit kommen könne? Ja diese steigert sich umso leichter zu verderblicher Leidenschaft, da sie durch den Freibrief der natürlichen Neigung scheinbar gerechtfertigt wird und in der Güte eines Mutterherzens leichtlich Entschuldigung findet.

Wir sprechen oft von Ihnen, der gute Pater N. und ich, und zwar stets mit Hochachtung und Liebe; gleichwohl – Sie dürfen es nicht übel nehmen – wenn er mir erzählt von dem Jammer und den Klagen Ihres Herzens über die Krankheit der Frau v. N., so kann ich mich nicht enthalten, zu sagen, dass das zu weit geht. Sollten Sie aber finden, dass ich zu frei heraussage, was ich denke, sollten Sie finden, dass ich unrecht habe, wie werde ich dann Entschuldigung finden in Ihren Augen? In keinem Falle möchte ich etwas von Ihrem Wohlwollen einbüßen; denn dafür lege ich zu großen Wert darauf und schätze zu hoch den Geist und das Herz, die mich mit Ihrer Gewogenheit beehren.

Leben Sie für Gott, gnädige Frau, und für die heiligste Dreifaltigkeit, in welcher ich verbleibe

Ihr u. s. w.


 


 

33. Der Heilige erteilt einer Mutter Rat in Bezug auf die Heirat ihrer Tochter und beglückwünscht sie wegen der Tugenden ihres Mannes.

Für Frauen ist es nicht passend, nach fernen Orten zu wallfahren.

Nach dem 8. April 1611.

Es war mir eine große Freude, meine teure Schwester und Tochter, etwas ausführlichere Nachrichten als gewöhnlich von Ihnen zu erhalten. Wiewohl ich noch nicht die Zeit dazu fand, mit Frau v. Chantal so viel zu reden, um so eingehend, wie ich wünsche, mich über alle Ihre Angelegenheiten zu erkundigen, worüber Sie mit ihr wie mit einer wahren Freundin werden gesprochen haben, so hat sie mir doch wenigstens so viel gesagt, dass Sie getreulich in der Furcht Gottes wandeln. Es gereicht mir dies zu großem Troste, da ich Ihrer teuren Seele so viel Gutes wünsche.

Um übrigens in Kürze Ihr Schreiben zu beantworten, tat N. sehr wohl daran, bei den Karmeliterinnen einzutreten, denn es hatte den Anschein, dass es so zur Ehre Gottes gereichen werde; da sie aber nun auf Weisung der Oberin austritt, so muss sie annehmen, dass Gott mit ihrem Versuche zufrieden ist und haben will, dass sie ihm auf andere Art diene. Gewiss würde sie übel daran tun, wenn sie nach den ersten schmerzlichen Empfindungen, welche ihr der Austritt verursachte, sich nicht zufrieden geben und den festen Entschluss fassen würde, auch in einem anderen Stande ganz für Gott zu leben; denn es gibt ja mehrfache Wege zum Himmel. Lässt man nur von der Furcht Gottes sich leiten, so kommt wenig darauf an, welchen Weg man einschlägt, wenn auch für denjenigen, der die Wahl hat, der eine mehr Reiz haben mag wie der andere.

Was aber Sie angeht, meine teure Tochter, warum machen Sie sich Kummer wegen dieser Sache? Sie haben ein Werk der Liebe getan, indem sie diesem armen Mädchen eine so heilige Zufluchtsstätte eröffneten; wenn es nun Gott nicht gefällt, dass sie dableibt, so können Sie nichts dafür. Man muss sich der höchsten Vorsehung fügen, die nicht nach unserem Geschmack und nach unseren Ansichten sich zu richten braucht, sondern nach ihrer unendlichen Weisheit. Wenn N. brav und demütig ist, so wird Gott wohl ein Plätzchen für sie finden, wo sie seiner göttlichen Majestät dienen kann in Freude oder in Leid.

Wie dem aber auch sein mag, die guten Obern der Karmeliterinnen tun wohl, sich genau an ihre Konstitutionen zu halten und solche Persönlichkeiten znrückzuweisen, die für ihre Lebensweise nicht geeignet sind.

Meine teure Tochter, wenn Sie bei diesem Anlasse etwas ungehalten wurden, so soll Ihnen das zeigen, wie sehr Ihr Herz noch von der Eigenliebe eingenommen ist und wie sehr Sie auf der Hut sein müssen, dass dieselbe nicht vollends Herr darüber wird. O möge Gott nach seiner Güte solches verhüten; möge er verleihen, dass vielmehr seine heilige, himmlische Liebe immerdar herrsche in uns, über uns, gegen und für uns.

Was die Vermählung Ihrer Tochter anbetrifft, die ich so sehr liebe, so kann ich Ihnen nicht füglich raten, da ich den Charakter des Herrn nicht kenne, der sich um sie bewirbt. Es ist wohl wahr, wenn Ihr Herr Gemahl meint, er könne vielleicht alle seine Fehler, die Sie an ihm bemerken, ablegen; aber das kann man nur dann erwarten, wenn er von sonst gutem Charakter ist und wenn nur die Jugend oder böser Umgang ihn auf Abwege geführt haben. Taugt er aber von Grund auf nichts, wie es nur zu sehr den Anschein hat, so hieße es Gott versuchen, wollten Sie auf die ungewisse und zweifelhafte Hoffnung einer Besserung hin seinen Händen eine Tochter anvertrauen, namentlich wenn letztere noch so jung und selbst der Leitung bedürftig ist.

Zur Besserung des jungen Mannes würde sie wenig beitragen können; es wäre vielmehr zu befürchten, dass sie sich gegenseitig Veranlassung zum Verderben würden, und es würde sonach diese Verbindung mit der augenscheinlichsten Gefahr verknüpft sein. Übrigens ist ja Ihr Herr Gemahl ein überaus vernünftiger Mann und wird, wie er mir versichert, alle Umstände wohl in Erwägung ziehen. Sie werden dabei auch das Ihrige tun, und ich werde, nach Ihrem Wunsche, beten, es möge Gott gefallen, Ihr liebes Kind so zu führen, dass es in seiner Furcht lebe und zu hohen Jahren komme.

Ob Sie das junge Mädchen selten oder häufig auf den Ball führen, darauf kommt wenig an, da Sie ja mitgehen. Mit aller Umsicht müssen Sie darüber urteilen gemäß Ihren Beobachtungen und den Umständen. Da Sie indessen Ihre Tochter für die Ehe bestimmt haben und dieselbe Neigung zu diesem Berufe hat, so ist es unbedenklich, dieselbe, so viel als nötig, Bälle besuchen zu lassen, nur nicht zu oft (Durch diese Äußerung des Heiligen darf sich niemand zu der Meinung verleiten lassen, derselbe habe damit den Besuch der Bälle im allgemeinen als etwas Unbedenkliches und Ungefährliches darstellen wollen. Man darf nämlich nicht übersehen, dass er hier einen ganz konkreten Fall im Auge hat; dass sein Brief an eine fromme und gewissenhafte Mutter gerichtet ist, von der er sicher war, dass sie ihre Tochter nur in durchaus gewählte und gesittete Gesellschaft führen und dieselbe dabei niemals aus dem Auge lassen werde, ganz zu schweigen davon, dass zur Zeit des hl. Franz die unschickliche Ballkleidung sowie unanständige Tänze, wie solche jetzt an der Tagesordnung sind, noch unbekannte Dinge waren. Wiewohl aber die Bälle seiner Zeit verhältnismäßig harmlose Vergnügungen waren, so sagt doch der Heilige von den Bällen im allgemeinen, was die Ärzte von den Champignons sagen: „die besten taugen nichts“. O Philothea, diese ungebührlichen Vergnügungen sind in der Regel mit großen Gefahren verbunden. Sie verscheuchen den Geist der Gottseligkeit, lassen die Liebe erkalten, lähmen den Aufschwung der Seele und wecken in ihr tausenderlei böse Regungen. Nur mit der größten Vorsicht darf man dieselben genießen. Vgl. Philothea III, 33: ,,Über Bälle und gefährliche Lustbarkeiten.”).

Irre ich nicht, so ist das Mädchen lebhaft, kräftig entwickelt und von etwas feurigem Temperament. Es ist nun jetzt, wo ihr Geist sich zu entfalten beginnt, an der Zeit, auf sanfte und freundliche Weise Sinn und Begeisterung für wahren Ruhm und wahre Tugend in ihrem Gemüte zu wecken, nicht mit scharfen Reden und Scheltworten, sondern indem Sie bei jeder Gelegenheit mit vernünftigen und freundlichen Worten sie auf das Notwendige hinweisen, sie die guten Lehren wiederholen lassen und ihr den Umgang mit wohlgearteten und verständigen jungen Mädchen zu verschaffen suchen.

Frau v. N. hat mir gesagt, dass Ihr äußeres Auftreten, sowie der in Ihrem Hause herrschende Ton nichts zu wünschen übrig lasse. Sowohl sie als auch mein Bruder von Torens haben mir zu meiner Freude mitgeteilt, dass Ihr Herr Gemahl als tüchtiger, charakterfester und billigdenkender (gerecht denkender) Justizbeamter und fleißiger Arbeiter mehr und mehr Anerkennung und Ruf sich erwirbt, und in seinem ganzen Wandel sich als echter Ehrenmann und guter Christ bewährt.

Ich versichere Ihnen, meine teure Tochter, dass ich bei dieser Nachricht beinahe außer mir war vor Freude; denn gewiss, das ist ein großer, reicher Segen für Sie. Unter anderem hörte ich, dass er stets sein Tagwerk mit der Anhörung der heiligen Messe beginnt und bei gegebener Veranlassung einen ernsten und seiner Stellung angemessenen Eifer für die heilige katholische Religion an den Tag legt. Gott sei stets zu seiner Rechten, dass es damit nie anders, wohl aber immer noch besser werde. Da müssen Sie wohl sich recht glücklich fühlen, sich so mit geistlichem und zeitlichem Segen überhäuft zu sehen.

Die Wallfahrt nach Loreto ist für Frauen etwas weit. Ich rate Ihnen, dieselbe recht häufig in Gedanken zu machen und Ihre Gebete im Geiste mit denen jener großen Menge frommer Christen zu vereinen, die dorthin pilgern, um die Mutter Gottes an dem Orte zu verehren, wo ihr zuerst die unvergleichliche Ehre dieser Mutterschaft zuteil geworden ist. Da Sie aber durch kein Gelübde verpachtet sind, persönlich dahin zu wallfahren, so widerrate ich Ihnen dieses Unternehmen, bitte Sie aber, dafür umso mehr Eifer für die Verehrung der heiligen Jungfrau zu zeigen, deren Fürbitte so wirksam und heilbringend für die Seelen ist, dass ich für meinen Teil überzeugt bin, es sei uns von Gott keine kräftigere Stütze gegeben, um in der wahren Frömmigkeit fortzuschreiten. Auch rate ich Ihnen, sich gerne über diesen Gegenstand zu unterhalten, um bemerkenswerte Einzelheiten darüber zu erfahren. Der Name der heiligen Jungfrau sei immerdar hochgehalten und gepriesen. Amen.

Was Ihr Almosen betrifft, meine teure Tochter, so richten Sie dasselbe etwas reichlich ein; geben Sie mit vollen Händen, zugleich aber mit jener verständigen Besonnenheit, die ich Ihnen früher schriftlich oder mündlich anempfohlen habe. Wenn schon das, was wir in den Schoß der Erde werfen, uns durch deren Fruchtbarkeit mit Zinsen zurückerstattet wird, so seien Sie überzeugt, dass alles, was Sie in den Schoß Gottes niederlegen, Ihnen auf die eine oder die andere Art unendlich mehr eintragen wird; Gott wird nämlich schon in dieser Welt Sie belohnen, indem er Ihnen mehr Reichtum oder bessere Gesundheit oder größeres Glück verleiht.

Ihr u. s. w.


 


 

34. Wie eine christliche Mutter für die Erziehung ihrer Kinder sowie für das Seelenheil der eigenen Eltern zu sorgen hat.

Aus einem Briefe an Frau v. Chantal

vom 14. Oktober 1604.

Mit herzlicher Liebe bin ich sowohl unserem Celsus Benignus als auch Ihren übrigen Kindern zugetan. Da Gott Ihnen den Wunsch in das Herz gelegt hat, sie ganz seinem Dienste geweiht zu sehen, so müssen Sie auch deren Erziehung danach einrichten und in ungezwungener Weise ihrem Denken und Fühlen eine entsprechende Richtung zu geben suchen. Verschaffen Sie sich die Bekenntnisse des hl. Augustin und lesen mit Aufmerksamkeit von dem achten Buche an; Sie werden dort finden, mit welcher Sorgfalt die hl. Monika auf die Erziehung ihres Augustin bedacht war, sowie manches andere, was Ihnen sehr tröstlich sein wird.

Was nun zunächst Celsus Benignus anlangt, so muss er den Dienst Gottes als eine Ehrensache betrachten lernen; man muss es zuwege bringen, dass seine jugendliche Seele mit edler, männlicher Begeisterung nach diesem Ehrendienste verlangt und alle Lust an rein weltlichem Ruhme verliert. Alles dies aber nur nach und nach. Je mehr er heranwächst, werden wir, so Gott will, auf die für die jedesmalige Altersstufe passende Behandlungsweise Bedacht nehmen.

Sorgen Sie, dass nicht allein er, sondern auch seine Schwestern soviel wie möglich allein schlafen oder doch nur bei Personen, denen Sie mit Recht ebenso wie sich selbst vertrauen können. Es ist unglaublich, wie notwendig dieses ist; die Erfahrung bestätigt es mir jeden Tag.

Wenn Franziska aus eigenem Antriebe den Schleier nehmen will, gut; sonst kann ich es nicht billigen, dass man auf ihren Entschluss einen bestimmenden Einfluss übe; es darf nur, wie auch bei den anderen, durch sanfte Anregung auf sie eingewirkt werden.

Wir müssen soviel als möglich nach Art der Engel durch freundliche Anregung, aber nicht durch Gewalt auf die Geister einzuwirken suchen. Inzwischen bin ich ganz damit einverstanden, dass Sie einige der Kinder in dem Kloster zu Puits-d' Orbe erziehen lassen, wo, wie ich hoffe, das gottselige Leben bald erblühen, wozu Sie, wie ich wünsche, manches beitragen können. Allen aber suchen Sie die Eitelkeit aus dem Herzen auszurotten, die ein angeborener Fehler des weiblichen Geschlechts ist.

Ich weiß, Sie besitzen die Briefe des hl. Hieronymus in französischer Sprache; sehen Sie sich den an, worin er von Pacatula spricht, sowie auch die übrigen; Sie werden darin manche nützliche Winke für die weibliche Erziehung finden. Aber auch da ist weise Maßhaltung nötig. Ich habe alles gesagt, wo ich Ihnen empfahl, sich auf sanfte Anregungen zu beschränken.

Ich sehe, dass Sie noch zweitausend Taler schuldig sind; beschleunigen Sie die Bezahlung soviel als möglich und hüten sich, soviel Sie vermögen, irgend jemand etwas schuldig zu bleiben.

Geben Sie kleine Almosen, aber mit großer Demut. Ich sehe gerne den Krankenbesuch, besonders bei Greisen und Frauen, auch bei jungen Leuten, wenn sie schwer krank sind. Gerne sehe ich es auch, wenn Sie die Armen, namentlich die Frauen, besuchen mit rechter Demut und Freundlichkeit.

Was Ihre fernere Anfrage betrifft, so bin ich damit einverstanden, dass Sie abwechselnd bei Ihrem Herrn Vater und Schwiegervater wohnen (Frau v. Chantal hatte im Jahre 1601 im Alter von 28 Jahren ihren vortrefflichen Gemahl durch den unglücklichen Schuss eines Jägers verloren.), und dass Sie sich um das Heil ihrer Seelen bemühen nach Art der Engel, wie ich eben bemerkt habe. Blieben Sie auch etwas länger in Dijon, so hätte das nichts zu sagen; ist doch dort Ihre erste Pflicht (Der Vater von Frau v Chantal, Benignus Fremiot, war Präsident des Parlamentes und Maire = Bürgermeister von Dijon.). Suchen Sie sich dem einen wie dem anderen Vater gegenüber mit jedem Tage angenehmer und untertäniger zu erzeigen und so im Geiste der Sanftmut für ihr Seelenheil zu wirken. Ohne Zweifel wird Dijon mehr für Ihren Winteraufenthalt sich eignen. Ich habe auch an Ihren Herrn Vater geschrieben; da er den Wunsch ausgesprochen hat, ich möchte ihm etwas zum Heile seiner Seele schreiben, so habe ich das mit aller Einfalt getan. Möglich, dass ich darin etwas zu weit gegangen bin (Siehe diesen Brief vom 7. Oktober 1604 im achten Buch Nr. 22.).

Mein Rat läuft auf zwei Punkte hinaus: Erstens, er möge eine Gewissenserforschung über sein ganzes Leben anstellen, um eine Generalbeichte abzulegen. Das ist ja etwas, was kein verständiger Mensch vor seinem Tode unterlassen sollte; dann möge er sich Mühe geben, sich nach und nach von den weltlichen Neigungen frei zu machen, wozu ich ihm dann geeignete Mittel empfahl.

Ich glaube ihm dieses in hinreichend deutlicher, aber bescheidener Weise vorgestellt zu haben, mit dem Hinzufügen, dass es keineswegs notwendig sei, die Bande, mit denen er an die weltlichen Geschäfte gefesselt ist, gewaltsam zu zerreißen, dass es vielmehr genüge, sie allmählich aufzuknüpfen und zu lösen. Er wird Ihnen, wie ich nicht zweifle, den Brief zeigen. Helfen Sie ihm, denselben zu verstehen und danach zu handeln.

Es ist für Sie eine heilige Liebespflicht, ihm zu einem seligen Ende behilflich zu sein, und Sie dürfen sich durch keine Rücksicht abhalten lassen, hierbei einen demütigen Eifer zu entfalten. Es ist der erste in der Reihe der Nächsten, den Sie nach Gottes Willen lieben sollen, und in ihm ist wieder die Seele das erste, was Sie zu lieben haben, und in dieser wieder das Gewissen, und in diesem wieder die Reinheit, und in der Reinheit der Anspruch auf die ewige Seligkeit.

Gleiches gilt von Ihrem Schwiegervater.

Vielleicht wird Ihr Herr Vater, da er mich nicht kennt, mir meine Freimütigkeit übel nehmen; machen Sie mich ihm bekannt, und ich bin versichert, dass er mich wegen meiner Freimütigkeit mehr lieben wird als wegen einer anderen Eigenschaft.

Gott sei in Ihrem Herzen, in Ihrem Geiste und in Ihrer Seele, meine teure Schwester, und ich verbleibe in seiner Liebe

Ihr u. s. w.


 

35. Die Wünsche für die Vervollkommnung unserer Angehörigen müssen dem Willen Gottes sich unterordnen.

An eine verheiratete Dame.

Was Ihr Verlangen angeht, die Ihrigen recht fortschreiten zu sehen in dem Dienste Gottes und der christlichen Vollkommenheit, so kann ich dasselbe nur äußerst löblich finden, und werde auch Ihrem Wunsche gemäß meine schwache Fürbitte mit Ihrem Gebete in diesem Anliegen vereinigen. Doch aber, beste Frau, muss ich offen gestehen, bei solchen Wünschen, die für unser Heil und unsere Vervollkommnung nur nebensächliche Bedeutung haben, hege ich immer die Besorgnis, dass sich etwas von Eigenliebe und Eigenwilligkeit mit einschleicht. Wenn wir z. B. uns so sehr jenen nicht gerade notwendigen Wünschen hingeben, so ist sehr zu befürchten, dass dadurch in unserem Herzen die nötigeren und nützlicheren, auf unser eigenes Wachstum in der Demut, in der Ergebung, in der Sanftmut des Herzens und anderen ähnlichen Tugenden abzielenden Wünsche in den Hintergrund gedrängt werden. Auch verfolgen wir leicht jene Wünsche mit solchem Eifer, dass wir in Unruhe und Ungeduld geraten und schließlich auch unser Verlangen nicht so vollkommen dem Willen Gottes unterwerfen, wie dies ersprießlich wäre.

Derartige Übelstände befürchte ich bei solchen Wünschen; ich bitte Sie daher, sich recht in Acht zu nehmen, um dieselben zu vermeiden. Verfolgen Sie Ihren Wunsch mit aller Ruhe und Sanftheit; werden Sie ja denen nicht lästig, die Sie so gerne auf den Weg der Vollkommenheit hinführen möchten, ja lassen Sie Ihren Wunsch gar nicht einmal merken; denn, glauben Sie mir, dadurch würden Sie Ihr Unternehmen, anstatt es zu fördern, nur hemmen und hindern. Sie müssen vielmehr ganz unmerklich durch Wort und Beispiel anregend auf sie einwirken und sie für Ihren Plan zu gewinnen suchen; ohne den Schein anzunehmen, als wollten Sie hofmeistern oder bekehren, trachten Sie allmählich die Keime heiliger Gedanken und höheren Strebens in die Herzen zu legen. Auf diesem Wege werden Sie weit mehr ausrichten als auf jedem anderen, besonders wenn Sie Ihr Wirken mit Gebet unterstützen.

 

       Inhaltsverzeichnis

  Erstes Buch: Briefe an junge Damen
    Zweites Buch: Briefe an verheiratete Frauen.
    Drittes Buch: Briefe an Witwen.
    Viertes Buch: Briefe an Freunde weltlichen und geistlichen Standes.
    Fünftes Buch: Briefe über den Klosterberuf und das Ordensleben.
    Sechstes Buch: Rat und Trost bei äußeren und inneren Leiden.
    Siebentes Buch: Trostbriefe beim Tode teurer Angehöriger.
    Achtes Buch: Trostbriefe an Kranke.
    Neuntes Buch: Festbriefe.

 


 


 

Drittes Buch.

Briefe an Witwen.

(Vgl. Philothea III, 40: „Lehren für Witwen”.)


1. Der Heilige tröstet eine Dame wegen des Todes ihres Gatten und empfiehlt ihr die Sorge für die Erziehung ihrer Kinder.

Sie können sich kaum denken, verehrte Frau, wie sehr ich an Ihrem Schmerze Anteil nehme. Aus verschiedenen Gründen hegte ich für den verstorbenen teuren Herrn eine besondere Zuneigung, welche hauptsächlich auf seine Tugend und Frömmigkeit gegründet war. Wie traurig, dass in einer Zeit, wo in so hohem Stande Seelen dieser Art so selten sind, ein für das gemeine Wohl so empfindlicher Verlust uns treffen musste!

Nichtsdestoweniger verehrteste Frau, müssen wir im Hinblick aus den allgemeinen Gang der menschlichen Dinge uns zu finden wissen in unsere Lage. Vergänglich ist unser Leben und dem Tode unterworfen; der Tod aber geht nicht immer den regelrechten Gang; er greift bald da, bald dort ohne Wahl und ohne Rücksicht die Guten unter den Bösen, die Jungen unter den Alten heraus.

O wie glücklich sind jene, die in steter Erwartung des Todes immer so zum Sterben vorbereitet sind, dass sie zu dem neuen, seligen Dasein aufleben können, wo es keinen Tod mehr gibt! Unser teurer Verstorbener gehörte zu dieser Zahl; ich weiß es wohl. Dieser Gedanke allein, verehrte Frau, reicht hin, uns zu trösten; denn in kurzer Zeit, früher oder später, binnen wenigen Jahren werden wir ihm nachfolgen; wir werden ihn wiedersehen, werden die in diesem Leben begonnenen Beziehungen der Freundschaft und Liebe wieder aufnehmen und brauchen keine Trennung mehr zu besorgen. Gedulden wir uns bis dahin und warten mutig ab, bis auch uns die Stunde zur Abreise schlägt und wir dahin gehen, wohin unsere Freunde bereits vorausgeeilt sind. Herzlich haben wir sie geliebt; wir wollen ihnen diese Liebe bewahren und wollen aus Liebe zu ihnen tun, worum Sie uns gebeten haben und was noch immer ihr Wunsch ist.

Ohne Zweifel, teure Frau, hat Ihr hingeschiedener Gatte im Augenblicke seines Todes nichts sehnlicher gewünscht, als dass Sie nicht auf lange Zeit sich in den Schmerz versenken möchten, welchen Ihnen seine Trennung verursacht, – dass Sie vielmehr aus Liebe zu ihm sich bestreben möchten, den leidenschaftlichen Schmerz zu mäßigen, welchen die Liebe zu ihm in Ihrem Herzen hervorruft. Jetzt aber, in dem Glück, das er genießt oder dem er doch mit Gewissheit entgegensieht, wünscht er Ihnen heiligen Trost, damit Sie Ihr Leid mäßigen und Ihre Augen für etwas Besseres als Tränen, Ihren Geist für eine höhere Beschäftigung als Trauer erhalten.

Er hat Ihnen teure Pfänder aus Ihrer Ehe zurückgelassen: schonen Sie Ihre Augen, um auf deren Erziehung zu sehen; schonen Sie Ihren Geist, um den der Kinder himmelwärts zu lenken. Tun Sie dies, verehrte Frau, um der Liebe des teuren Gatten willen. Denken Sie sich, er habe Sie bei seinem Scheiden darum gebeten und verlange auch jetzt noch von Ihnen diesen Liebesdienst. Sicherlich würde er es getan haben, wenn es ihm möglich gewesen wäre, und gewiss ist es noch gegenwärtig sein Wunsch. Noch länger Ihrem Schmerz zu leben, das mag wohl nach Ihrem Herzen sein, welches noch dieser Welt angehört, ist aber nicht nach seinem Herzen, welches in den Anschauungen der anderen Welt lebt.

Wahre Freundschaft macht sich eine Freude daraus, berechtigte Wünsche des Freundes zu erfüllen; nun denn, Ihrem Gatten zu Gefallen trösten Sie sich, beschwichtigen Sie Ihren Schmerz und fassen neuen Mut. Ist dieser Rat, den die aufrichtigste Teilnahme für Sie mir eingibt, Ihnen genehm, so befolgen Sie denselben. Beugen Sie sich unter die Hand Gottes, ergeben sich in seinen Ratschluss, blicken hin auf die Seele des teuren Verstorbenen, die von Ihnen eine wahrhaft christliche Fassung verlangt, und überlassen sich gänzlich der himmlischen Vorsehung des Erlösers Ihrer Seele, der mit seinem Schutze Ihnen beistehen und helfen und Sie endlich mit dem Vorangegangenen wieder vereinigen wird nicht als Gattin mit dem Gatten, sondern als Erbin des Himmels mit ihrem Miterben, als treue Liebende mit ihrem treuen Geliebten.

Ich schreibe dies, geehrte Frau, in aller Eile und fast außer Atem, indem ich Ihnen meine ergebensten Dienste anbiete, die Ihnen schon seit lange gewidmet sind und zu welchen die Verdienste und das Wohlwollen, die Ihr Gatte für mich gehabt, mich verpflichten.

Gott sei in Ihrem Herzen! Amen.


 

2. Pflichten einer Witwe in Bezug auf ihr Seelenheil.

An Frau v. Chantal.Annecy,

am Feste Kreuzerhöhung, den 3. Mai 1604.

(Dieser Brief vom 3. Mai 1604 ist der erste, den der heiIge Bischof von Genf an Frau v. Chantal richtete, nachdem er bei Gelegenheit seiner Fastenpredigten in Dijon deren Seelenleitung übernommen hatte. Es wird dem aufmerksamen Leser nicht entgehen, dass die Briefe an diese auserkorene Seele zu den herrlichsten Perlen der vorliegenden Sammlung gehören. Wahrhaft einzig in ihrer Art ist die große Wärme und Innigkeit des Gefühles, die sich darin ausspricht, verbunden mit der reinsten, fast eifersüchtigen Sorge für den steten Fortschritt jenes begnadigten Herzens. „Man sieht darin“, wie Bougaud in seinem „Leben der hl. Franciska“ bemerkt, „eine Heilige von einem Heiligen geleitet“.)

Verehrte Frau! Um Ihr Heil immer mehr zu sichern, werde ich mein Versprechen, Ihnen so oft als möglich zu schreiben, mit aller Treue halten. Je weiter ich mich äußerlich von Ihnen entfernt habe, desto enger fühle ich mich innerlich mit Ihnen verbunden und vereinigt, und nie werde ich aufhören, den lieben Gott zu bitten, es mög ihm gefallen, in uns sein heiliges Werk zu vollenden, das heißt, er möge unser Verlangen und unseren Vorsatz, zu der christlichen Vollkommenheit zu gelangen, mit Erfolg krönen, ein Verlangen, welches Sie als ein Werk des Heiligen Geistes, als einen Funken jenes göttlichen Feuers mit zarter Liebe in Ihrem Herzen pflegen müssen. In Rom sah ich einen Baum, der von der Hand des heiligen Dominicus gepflanzt ist. Jedermann geht ihn sehen und hält ihn wert aus Liebe zu dem Heiligen, der ihn gepflanzt hat. So sah ich auch in Ihrer Seele den Baum des Verlangens nach Heiligkeit, den der Herr gepflanzt hat. Ich liebe ihn zärtlich und betrachte ihn jetzt mit noch größerer Freude wie damals, als ich vor demselben stand. Tun Sie ein Gleiches und sprechen Sie mit mir: Gott schenke dir Wachstum und Gedeihen, o schöner, junger Baum! Gott lasse deine Frucht zur Reife kommen, du göttliches Himmels-Reis, und ist sie herangereift, so wehre seine Hand die Stürme von ihm ab, welche die Früchte zur Erde werfen, wo garstige Tiere sich darüber hermachen. Mit diesem Verlangen in Ihnen, verehrte Frau, muss es sein, wie mit den Orangenbäumen an der Küste von Genua, die fast das ganze Jahr hindurch zugleich mit Früchten, Blüten und Blättern bedeckt sind. Denn dieses Ihr Verlangen muss stets, je nach den sich darbietenden Gelegenheiten, Frucht bringen, muss jeden Tag sein Teil davon zeitigen und gleichwohl nicht aufhören, immer neue Anlässe und Hebel zur höheren Vervollkommnung herbeizuwünschen. Diese Wünsche sind die Blüten an dem Baume Ihres Entschlusses; das Blattwerk aber wird die häufige Anerkenntnis Ihrer Schwäche sein, welche Ihren guten Werken wie Ihren frommen Wünschen zum Schutze dient. Es ist dies die eine Säule Ihres heiligen Zeltes; die andere ist die Liebe zu Ihrer Witwenschaft, eine Liebe, die so heilig und aus so vielen Gründen begehrenswert ist, als es Sterne gibt am Himmelszelt, und ohne welche das Witwentum falsch und verächtlich ist.

Der heilige Paulus gebietet uns, die „Witwen zu ehren, die wahrhaft Witwen sind” (1 Tim., 5, 3.). Diejenigen aber, die ihre Witwenschaft nicht lieben, sind nur Scheinwitwen; ihr Herz ist noch in der Ehe. Das sind nicht die, von welchen geschrieben steht: „Segnen werde ich die Witwen mit meiner Segensfülle” (Ps. 131, 15.), und an einer anderen Stelle: „Gott ist der Schutzrichter und der Verteidiger der Witwen.” (Vgl. Ps. 76, 6 und 145, 9.) Gelobt sei Gott, der Ihnen diese heilige Liebe gegeben hat! Lassen Sie dieselbe in Ihrem Herzen alle Tage mehr und mehr erstarken; ganz von selbst wird Ihnen Trost daraus erwachsen, da das ganze Gebäude Ihres Glückes auf jenen beiden Säulen ruht. Untersuchen Sie mindestens einmal im Monat mittels einer Bertrachtng oder Erwägung nach Art derjenigen, von welchen ich Ihnen eine Abschrift übersende und die ich nicht ohne Nutzen auch anderen mir anvertrauten Seelen mitgeteilt habe, ob nicht eine jener beiden Säulen erschüttert ist. Sie brauchen sich indessen keineswegs an diese Betrachtung zu binden, denn ich schicke sie Ihnen nicht zu diesem Zwecke, sondern nur um Ihnen zu zeigen, worauf Sie bei der monatlichen Selbstprüfung Ihr Augenmerk zu richten haben, und damit Sie besser damit fertig werden. Sollten Sie aber vorziehen, sich jedesmal an jene Betrachtung zu halten, so wird auch das nicht ohne Nutzen für Sie sein. Ich sage mit Absicht: wenn Sie dies vorziehen sollten; denn nie und nirgends möchte ich Ihnen bei der Wahl der Mittel zur Vollkommenheit die heilige Freiheit des Geistes beschränken. Wenn nur die beiden Säulen erhalten und gefestigt werden, so kommt nicht viel darauf an, wie. Hüten Sie sich vor Skrupeln (Gewissenszweifel) und verlassen Sie sich ganz auf das, was ich Ihnen mündlich gesagt habe; denn ich habe es gesagt im Herrn. Halten Sie sich recht in der Gegenwart Gottes mit Hilfe der Mittel, die Ihnen zu Gebote stehen. Hüten Sie sich vor Hast und Unruhe, denn nichts ist hinderlicher auf dem Wege zur Vollkommenheit; legen Sie ganz sachte Ihr Herz in die Wunden des Heilandes, aber schleudern es nicht hinein; hegen Sie ein unbegrenztes Vertrauen zu seiner Barmherzigkeit und Güte, fest überzeugt, dass er Sie nie verlassen werde; unterlassen aber darum ja nicht, sich recht fest zu klammern an sein heiliges Kreuz. Nach der Liebe zu unserem Heilande empfehle ich Ihnen noch die Liebe zu seiner Braut, der Kirche, dieser so süßen lieblichen Taube, unter deren mütterlichen Flügeln immer neue Täublein hervorfliegen dem Bräutigam entgegen. Preisen Sie Gott hundertmal des Tages für die Gnade, ein Kind der Kirche zu sein nach dem Beispiele der Mutter Theresia, die dieses Wort in ihrer Todesstunde noch oftmals zu ihrem großen Troste wiederholt hat. Richten Sie Ihre Blicke auf den himmlischen Bräutigam wie auf seine Braut, und sprechen Sie zu ihm: „O wie schön ist deine Braut!” und zu dieser: „Ach wie göttlich ist doch dein Bräutigam!” Widmen Sie eine große Teilnahme allen Hirten und Predigern der Kirche und sehen Sie, wie sie über den ganzen Erdkreis zerstreut sind; es gibt ja kein Land der Welt, wo ihrer nicht einige sich befinden; beten Sie zu Gott für sie, damit Sie sich selber retten und mit Nutzen arbeiten an dem Heile der Seelen; dabei bitte ich Sie, auch mich nicht zu vergessen, da ich mit Gottes Hilfe gewillt bin, auch Ihrerseits niemals zu vergessen. Ich übersende Ihnen eine Schrift, welche eine für Christen aller Stände geeignete Anleitung zur Vollkommenheit enthält. Ich habe sie verfasst nicht für Sie, sondern für verschiedene andere, nichtsdestoweniger werden Sie zusehen, inwieweit Sie Nutzen daraus ziehen können. Ich bitte Sie, schreiben Sie mir, so oft Sie können und mit dem größtmöglichsten Vertrauen; denn bei meiner großen Teilnahme für Ihr Heil und Ihren Fortschritt lege ich großen Wert darauf, oftmals zu hören, wie es mit Ihnen steht. Empfehlen Sie mich dem Herrn; ich habe es mehr nötig als ein Mensch auf der Welt. Ich flehe zu ihm, er möge Ihnen und allen, die Ihnen angehören, seine heilige Liebe in Fülle geben.

Ich verbleibe für immer Ihr u. s. w.


 

3. Verhalten einer christlichen Witwe gegen Gott, gegen ihre Familie und in ihrem Hauswesen. – Wahre Freiheit des Geistes.

An dieselbe.

Den 14. Oktober 1604.

Verehrteste Frau ! Wollte Gott, es möchte mir gelingen, in diesem Briefe mich Ihnen so verständlich zu machen, wie ich es wünsche. Ich bin der festen Überzeugung, dass es mir dann wenigstens teilweise gelingen würde, Sie zu beruhigen.

Was Ihre täglichen Gebete betrifft, so ist folgendes mein Rat („Diese Tagesordnung”, sagt Bougaud a. a. O = am angegebenen Ort: I. Band, 7. Kapitel, „ist einer besonderen Berücksichtigung wert und verdient in allen ihren Einzelheiten mit größter Sorgfalt betrachtet zu werden. Sie war für eine junge Frau bestimmt, die in der vornehmen Welt geboren und erzogen, Mutter von vier Kindern und mit der Verwaltung eines großen Vermögens beschäftigt war. Derjenige, welcher diese Tagesordnung vorschrieb, war ein weiser, verständiger Führer, ein Feind alles Übermaßes und jeglicher Übertreibung.“).

Morgens verrichten Sie Ihre Betrachtung mit der Vorbereitung in der Art, wie ich es in der Schrift angegeben habe, die ich zu diesem Behufe beifüge. Fügen Sie das Pater Noster (Vater Unser), das Ave Maria, das Credo (Glaubensbekenntnis), das Veni creator spiritus (Komm, Schöpfer-Geist = lateinischer Hymnus aus dem 9. Jhdt.; Veni Sancte Spiritus = Pfingstsequenz) den Angelus Dei (Gebet Engel des Herrn) sowie ein Gebet zu den beiden hl. Johannes, zu dem hl. Franz von Assisi und zu dem hl. Franz von Paula hinzu, die Sie in dem Brevier finden werden; oder vielleicht haben Sie diese Gebete auch schon in dem Büchlein, das Sie mir zu senden beabsichtigen.

Begrüßen Sie dann alle Heiligen mit folgendem Gebet:

Heilige Maria und alle ihr Heiligen, flehet für uns zum Herrn, dass wir Hilfe und Rettung von dem verdienen, der da lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.”

Sancta Maria, et omnes sancti, intercedite pro nobis ad Dominum, ut nos mereamur ab eo adiuvari et salvari, qui vivit et regnat in saecula saeculorum. Amen.

Haben Sie so die Heiligen im Himmel begrüßt, so beten Sie noch ein Pater Noster und Ave Maria für die Abgestorbenen und ein zweites für die lebenden Christgläubigen. Auf diese Weise haben Sie dann die ganze Kirche heimgesucht, von der, wie die Heiligen Paulus und Johannes bezeugen, ein Teil im Himmel, der andere auf der Erde, und der dritte unter der Erde sich befindet. Sie werden damit ungefähr eine Stunde zu tun haben.

Wenn es möglich ist, hören Sie jeden Tag die heilige Messe in der Weise, wie ich es in meiner Schrift über die Betrachtung angegeben habe.

Ich wünsche, dass Sie entweder bei der heiligen Messe oder im Laufe des Tages den Rosenkranz mit so herzlicher Andacht beten wie nur möglich.

Eine nützliche Andachtsübung für den Lauf des Tages sind auch häufige Stoßgebete, namentlich beim Stundenschlag.

Des Abends vor dem Nachtessen empfehle ich Ihnen, sich für ein Weilchen zurückzuziehen und vor Gott zu sammeln, und dann fünf Pater Noster und Ave Maria zu den fünf Wunden unseres Herrn zu beten. Sie können dabei so verfahren, dass Ihre Seele an den fünf ersten Tagen der Woche je in einer der fünf Wunden unseres Herrn (insgesamt 7: 2 Hände, 2 Füsse, Dornenhaupt, offene Schulterwunde, durchbohrte Seite: Herz) – am sechsten Tage in den Dornen seiner Krone, und am siebenten in seiner durchbohrten Seite Wohnung nimmt; denn man muss die Woche ebenso endigen, wie man sie angefangen hat, das heißt man muss am Sonntage wieder zum göttlichen Herzen zurückkehren.

Eine oder anderthalb Stunden nach dem Nachtessen ziehen Sie sich zurück, beten das Pater Noster, das Ave, das Credo und dann das Confiteor (Schuldbekenntnis-Gebet) bis zu den Worten mea cuIpa (meine Schuld), halten sodann Ihre Gewissenserforschung, fahren hierauf mit dem mea cuIpa im Confiteor fort und schließen mit der Lauretanischen Litanei (Lobpreis und Bitte an Maria - genannt nach dem hl. Ort Loreto) oder auch der Reihe nach mit den Litaneien unseres Herrn, der seligsten Jungfrau, der Engel oder einer der vier übrigen, welche in dem Litaneienbuche sich vorfinden. Dieses Buch ist freilich selten; können Sie sich dasselbe nicht verschaffen, so lassen Sie es bei der Muttergottes-Litanei. Dieses Nachtgebet wird nahezu eine halbe Stunde in Anspruch nehmen.

Täglich eine geistliche Lesung von einer guten halben Stunde wird für gewöhnliche Tage genügen (Unter dem 21. November 1604 empfahl der Heilige Frau v. ChantaI für diese halbstündige tägliche Lesung die Schriften des Ludwig von Granada, welche er stets den Seelen anriet, die unter seiner Leitung standen; ferner die Schriften Gersons, womit die „Nachfolge Christi“ gemeint ist, als deren Verfasser man damals vielfach den genannten Gottesgelehrten ansah; dann das Leben Jesu von dem Kartäuser Ludolph von Sachsen, welches jahrhundertelang eines der gesuchtesten Bücher war, auch neuerdings wieder gedruckt, aber noch lange nicht nach Verdienst bekannt und gewürdigt ist; außerdem die Schriften der hl. Theresia; endlich empfahI er ihr noch wegen ihres Hanges zum Trübsinn ein Büchlein des Vaters Ribadeneira: ,Von der Traurigkeit“.).

An den Festtagen können Sie auch der Vesper (liturgisches Abendgebet) beiwohnen und das Offizium (Stundengebet) von der heiligen Mutter Gottes beten.

Finden Sie aber mehr Geschmack an Ihren früheren Gebeten, so bitte ich Sie, nichts daran zu ändern. Kommt es Ihnen einmal vor, dass Sie etwas von dem unterlassen, was ich Ihnen vorgeschrieben habe, so machen Sie sich deshalb keine Gewissensunruhe; denn folgendes ist die allgemeine Regel für unseren Gehorsam, und in großen Buchstaben setze ich sie hierher:

Alles muss man aus Liebe tun, nichts aus Zwang.

Den Gehorsam muss man aber mehr lieben als den Ungehorsam fürchten.

Ich lasse Ihnen den Geist der Freiheit, nicht jenen, der den Gehorsam verscheucht, denn das wäre die Freiheit des Fleisches, sondern jenen, welcher die Engherzigkeit, die Gewissensbeängstigung und jede Überstürzung ausschließt.

Wenn Sie den Gehorsam und die Unterwürfigkeit sehr lieben, so will ich, dass Sie bei gerechter Veranlassung oder um der Nächstenliebe willen Ihre Gebetsübungen aussetzen; Sie können dies dann als eine Handlung des Gehorsams ansehen und das Fehlende durch die Liebe ersetzen.

Ich möchte, dass Sie eine Übersetzung sämtlicher lateinischer Gebete hätten, deren Sie sich bedienen; nicht als wäre es mein Wunsch, Sie sollten dieselben in ihrer Muttersprache verrichten; lateinisch werden sie vielmehr ihre Andacht erhöhen; was ich wünsche, ist nur, dass Sie einigermaßen in das Verständnis dieser Gebete, auch in das der Litanei vom Namen Jesus, von der Mutter Gottes und der übrigen eingeführt werden. Bei allem dem aber verfahren Sie ohne Überstürzung, vielmehr im Geist der Sanftmut und Liebe.

Ihre Betrachtungen sollen Sie halten über das Leiden und den Tod unseres Herrn. Ich bin ganz einverstanden, dass Sie dabei die geistlichen Übungen von Tauler und die Betrachtungen des hl. Bonaventura, sowie jene von Capiglia zu Grunde legen; denn das Leben unseres Herrn bildet ja den ganzen Inhalt seiner Evangelien. Sie müssen indessen dabei die Methode befolgen, die Sie in der beifolgenden Anleitung vorgezeichnet finden.

Die Betrachtung der vier letzten Dinge des Menschen mag Ihnen auch zuweilen nützlich sein in der Voraussetzung, dass Sie jedesmal mit einem Akte des Vertrauens auf Gott schließen, so dass Sie sich nie den Tod oder die Hölle vorstellen, ohne auf das Kreuz zu blicken, damit Sie so, wenn das eine Sie in Furcht gesetzt hat, vertrauend zu dem anderen Ihre Zuflucht nehmen.

Die Dauer der Betrachtung soll drei Viertelstunden nicht überschreiten.

Auch habe ich gern geistliche Gesänge, aber sie müssen dann mit Andacht gesungen werden.

Was den Esel betrifft (Es kommt hier die Abtötung des Leibes zur Sprache, den Franz von Sales mit dem Humor der Heiligen als Lasttier bezeichnet.), so wird das Fasten am Freitag, sowie der Abbruch am Samstag Abend gut für ihn sein. Ich bin übrigens dafür, dass man denselben die ganze Woche hindurch kurz hält, nicht sowohl durch Entziehung der Nahrung (Mäßigkeit muss dabei natürlich beobachtet werden), als vielmehr dadurch, dass man sich dabei die Wahl der Speisen versagt. Nichtsdestoweniger billige ich es, dass man auch zuweilen dem Esel schmeichelt und demselben, wie auch St. Franziskus tat, Hafer reicht, um ihm Kraft zu rascherem Gang zu geben. Die Disziplin besitzt die wundersame Kraft, durch die Hiebe auf das Fleisch den Geist zu erwecken. Sie sollen dieselbe nur zweimal in der Woche anwenden (Es könnte auffallen, dass ein so milder, einsichtsvoller Führer, wie der hl. Franz war, einer Weltdame von kaum 33 Jahren, die eine zarte Konstitution besitzt, eine zweimalige Geißelung die Woche befiehlt und außerdem als Heilmittel gegen Versuchungen dreißig bis sechszig Geißelstreiche anrät (vgl.6.Buch Nr. 32.). Die gleiche Bußübung rät er indessen auch Frau Brulard, dem Präsidenten Favre, Herrn und Frau v. Blonai sowie deren 16-jähriger Tochter und vielen anderen Personen an. Ebenso verfuhren übrigens der hl. Karl Borromäus, der hl. Philipp Neri, der hl. Vincenz von Paul, Kardinal Bona, sowie alle ausgezeichneten Seelenführer des 16. und 17. Jahrhunderts, welche getreu den strengen Überlieferungen der alten gläubigen Zeit der Abtötung des Fleisches eine hohe Wichtigkeit beilegten. Freilich warnt auch der hl. Franz von Sales vor dem Übermaße. Vgl. Philothea III, 23.) .

Sie dürfen die häufige Kommunion nicht aufgeben, es sei denn, dass Ihr Beichtvater es befähle. Ein besonderer Trost ist es mir, an Festtagen zu wissen, dass wir dann zusammen kommunizieren.

Um nun auf den Geist der Freiheit zurückzukommen, welchen Sie bei Befolgung vorstehender Vorschriften müssen walten lassen, so ich Ihnen sagen, was es damit auf sich hat.

Jeder gute Mensch hält sich frei von schwersündlichen Handlungen und hütet sich vor aller Neigung dazu. Diese Freiheit ist notwendig zur Seligkeit, und von ihr rede ich hier nicht. Die Freiheit, die ich meine, ist die Freiheit der geliebten Kinder Gottes. Was versteht man darunter? Sie ist die Loslösung des christlichen Herzens von allen Dingen, um dem erkannten Willen Gottes zu folgen. Sie werden mich besser verstehen, wenn Gott mir die Gnade gibt, Ihnen die Merkmale, die Zeichen, die Wirkungen sowie die Anlässe näher anzugeben, bei welchen sie sich kundgibt.

Wir bitten Gott vor allem, sein Name möge geheiligt werden und sein Wille geschehen wie im Himmel so auf Erden (Matth. 6, 9 – 10.).

In allen diesen Worten spricht sich der Geist der Freiheit aus: Wenn nur der Name Gottes geheiligt wird, wenn seine Majestät in uns herrscht, wenn sein Wille geschieht, so kümmert der Geist sich um nichts weiteres.

Erstes Merkmal: Das Herz, welches diese Freiheit hat, hängt nicht am Glück, sondern nimmt die Trübsale mit all der Ruhe hin, welche die Schwäche des Fleisches irgend gestattet. Ich behaupte nicht, es liebe und wünsche nicht das Glück, sondern sage nur, dass es nicht abhängig ist davon.

Es verliert kaum jemals seine Freudigkeit, weil kein Verlust den traurig macht, dessen Herz an nichts gebunden ist. Ich behaupte nicht, es könne seine Freudigkeit niemals getrübt werden, sondern nur, dass dies in unerheblichen Maße geschehe.

Die Wirkungen dieser Freiheit äußern sich in einer großen Milde des Geistes und in einem freundlichen, bereitwilligen Eingehen auf fremde Wünsche und Eigenheiten, wo immer es ohne Sünde oder Gefahr zur Sünde geschehen kann. In dieser Gemütsverfassung fühlt man sich aufgelegt zu jeder Tugend sowie zu jedem Erweis der Nächstenliebe.

Wenn Sie z. B. eine der Betrachtung pedantisch ergebene Seele bei derselben stören, so werden Sie bemerken, dass dieselbe sich mit ärgerlicher Miene ängstlich und verwirrt von derselben losreißt. Eine Seele aber, welche die wahre Geistesfreiheit besitzt, verlässt ihre Betrachtung mit heiterem Angesicht und mit einem Herzen voll Freundlichkeit gegen den unwillkommenen Störer. Ihr gilt es ja gleich, ob sie Gott in der Betrachtung oder in der freundlichen Ertragung des Nächsten dient; beides ist Gottes Wille, letzteres aber für den Augenblick das Notwendigste.

Veranlassung, diese Freiheit zu betätigen, haben wir, so oft uns etwas widerfährt, was gegen unsere Neigung ist. Denn wer nicht von seinen Neigungen abhängig ist, wird nicht unwillig, wenn dieselben durchkreuzt werden.

Zwei Fehler bilden den Gegensatz zu dieser Freiheit, nämlich die Unbeständigkeit und die Engherzigkeit, oder die Ungebundenheit und der Sklavensinn. Die Unbeständigkeit des Geistes oder die Ungebundenheit ist ein gewisses Übermaß von Freiheitsliebe, infolgedessen man stets in seiner Tätigkeit oder im Berufe wechseln will ohne Grund und ohne zu wissen, ob es der Wille Gottes ist. Bei der geringsten Veranlassung wechselt man seine Übungen, seinen Entschluss, seine Lebensregel; wegen des geringsten Hindernisses wird man seiner Regel und seiner löblichen Gewohnheit untreu, und dadurch gerät das Herz in Zerfahrenheit, verliert sich selbst und wird gleich einem von allen Seiten offen stehenden Weinberge, dessen Früchte nicht dem Eigentümer, sondern allen Vorübergehenden preisgegeben sind.

Die Engherzigkeit oder Pedanterie dagegen ist ein gewisser Mangel an Freiheitssinn, infolgedessen die Seele von Betrübnis und Zorn erfasst wird, wenn sie nicht gerade das tun kann, was sie sich vorgesetzt hat, sollte sie auch selbst etwas weit Besseres tun können.

Hätte ich mir z. B. vorgenommen, täglich am Morgen die Betrachtung zu halten, so wird mir, wenn ich den Geist der Unbeständigkeit oder der Ungebundenheit habe, die geringste Veranlassung von der Welt Grund genug sein, die Betrachtung auf den Abend zu verschieben; wenn etwa ein Hund mich im Schlafe gestört hat, oder ein Brief zu schreiben ist, mit dem es sonst gar nicht zu eilen hat. Habe ich hingegen den Geist der Engherzigkeit oder der Pedanterie, so werde ich meine Betrachtung nicht darangeben, selbst wenn ein Kranker um diese Stunde meines Beistandes dringend bedürfte, oder wenn ich ein Schreiben von großer Wichtigkeit abzufertigen hätte, welches keinen Aufschub gestattet. Und so werde ich dann auch bei anderen Anlässen handeln.

Es erübrigt noch, dass ich Ihnen einige Beispiele anführe, welche Ihnen das Wesen dieser Freiheit besser veranschaulichen werden, als meine Worte dies vermögen. Doch muss ich Sie vorher noch auf zwei Regeln aufmerksam machen, ohne deren Beobachtung dieselbe Ihnen ein Stein des Anstoßes werden würde.

Man soll niemals seine frommen Übungen unterlassen oder von den allgemeinen Regeln der Tugend abweichen, als wenn man auf der anderen Seite den Willen Gottes erkennt. Der Wille Gottes gibt sich aber in doppelter Weise kund, entweder durch die Notwendigkeit oder durch die Nächstenliebe. Ich beabsichtige z. B. im Laufe der Fasten an einem kleinen Orte meiner Diözese zu predigen, werde aber krank oder erleide einen Beinbruch, so soll ich kein Bedauern darüber haben, noch auch mir Unruhe machen, weil ich nicht predige; denn da ist es eine ausgemachte Sache: Gott will, dass ich ihm mit Leiden diene und nicht mit Predigen. Oder ich werde zwar nicht krank, aber veranlasst, einen anderen Ort zu besuchen, wo die Einwohner, wenn ich nicht hinkomme, protestantisch werden, so ist der Wille Gottes so klar, dass ich ganz ruhig meinen ursprünglichen Plan aufgeben kann.

Die zweite Regel besteht darin, dass man jedes Ärgernis und jede Ungerechtigkeit vermeiden muss, wenn man im Dienste der Nächstenliebe der Freiheit sich bedienen will. Wüsste ich z. B., dass ich außerhalb meiner Diözese irgendwo mehr Nutzen stiften könnte, so dürfte ich mir doch die Freiheit dazu nicht nehmen; denn ich würde Ärgernis geben und eine Ungerechtigkeit begehen, weil ich die Pflicht habe, hier zu sein. -- Ebenso ist es auch ein Missbrauch der Freiheit, wenn verheiratete Frauen ohne einen rechtmäßigen Grund unter dem Vorwande der Andacht oder der Nächstenliebe ihre Ehegatten verlassen. Freiheit darf nämlich nie unserem Berufe Eintrag tun; soll vielmehr im Gegenteil einem jeden die rechte Berufsfreudigkeit verleihen, indem alle Welt weiß: es ist Gottes Wille, dass man in demselben ausharre.

Ich wünsche nun, dass Sie Ihr Augenmerk richten auf den Kardinal Borromäus, der in wenigen Tagen heilig gesprochen wird. Er hatte den pünktlichsten, festesten und strengsten Charakter, der sich denken lässt; seine Nahrung bestand nur aus Wasser und Brot, und seine ganze Lebensweise war so strenge, dass er während vierundzwanzig Jahren, solange er Erzbischof war, nur zweimal das Haus seiner Brüder, als sie krank waren, und nur zweimal seinen Garten betrat. Dessen ungeachtet speiste dieser ernste Mann häufig mit den Schweizern, seinen Nachbarn, um sie zu gewinnen, und ohne irgend Schwierigkeiten zu machen, trank er auf ihre Gesundheit, und tat Bescheid, wenn sie ihm zutranken, selbst dann, wenn er keinen Durst mehr hatte. Das ist ein Zug heiliger Freiheit in dem Herzen des Mannes, welcher der strengste seiner Zeit war. Ein ausgelassener Geist würde dabei zu weit gegangen sein, ein engherziger Geist sich schwerer Sünde gefürchtet haben; ein freier Geist macht mit aus Nächstenliebe.

Der Pater Ignatius von Loyola, welcher nächstens heilig gesprochen wird, aß am Mittwoch der Karwoche Fleisch, und zwar auf den einfachen Befehl seines Arztes hin, der es für dienlich hielt, um ein kleines Übel bei ihm zu beseitigen.

Ein engherziger Geist hätte sich erst drei Tage darum bitten lassen.

Spiridion, ein Bischof der alten Kirche, hatte zur Zeit der Fasten einen Pilger aufgenommen, der halbtot war vor Hunger. Da keine andere Speise vorhanden war, als gesalzenes Fleisch, so ließ er dieses kochen und dem Pilger auftragen. Trotz seiner Notlage wollte der Pilger nicht davon essen. Spiridion nun, obwohl selbst nicht in diesem Notstande, aß jetzt zuerst von dem Fleische aus Nächstenliebe, um durch sein Beispiel das Bedenken des Pilgers zu heben.

So äußerte sich die Freiheit aus Nächstenliebe bei einem heiligen Manne.

Aber noch an ein Beispiel will ich erinnern, das wie eine Sonne alles Angeführte in Schatten stellt; ich will Sie hinweisen auf einen Geist, der, wahrhaft frei und losgelöst von allen Nebenrücksichten, einzig und allein auf den Willen Gottes sieht. Oftmals habe ich darüber nachgedacht, welcher von all den Heiligen, deren Geschichte ich kenne, wohl die größte Abtötung geübt habe? Reifliche Erwägung führte mich auf den hl. Johannes den Täufer. Derselbe begab sich in die Wüste im Alter von fünf Jahren. Er wusste, dass sein und unser Heiland in seiner Nähe geboren sei und eine oder zwei bis drei Tagereisen entfernt von ihm lebe. Gott weiß, wie sehr das Herz des hl. Johannes, schon vom Mutterschoße an in Liebe zu seinem Erlöser entbrannt, sich sehnte nach dessen heiliger Gegenwart. Nichtsdestoweniger bleibt er 25 Jahre lang dort in der Wüste, ohne auch nur ein einziges Mal zu kommen, um den Heiland zu sehen, bleibt ruhig bei seinem Lehrberufe, ohne zu dem Herrn zu eilen, sondern wartet ab, bis dieser zu ihm kommt; auch selbst dann, nachdem er ihn getauft, folgt er ihm nicht nach, sondern bleibt zurück im Dienste seines Berufes. O Gott welche Abtötung des Geistes! So nahe dem Herrn, und ihn nicht zu sehen! So ganz in seiner Nähe, und doch nichts davon zu haben! Was liegt darin anders, als das vollständige Losgelöstsein des Geistes von allem, selbst von Gott, um den Willen Gottes zu tun und ihm zu dienen? das heißt Gott um Gottes Willen verlassen, Gott nicht lieben, um ihn desto besser und reiner zu lieben. Fast fühlt sich mein Geist erdrückt durch den Anblick solcher Seelengröße.

Ich vergaß zu bemerken, dass der Wille Gottes nicht allein in der Notwendigkeit und in den Anforderungen der Nächstenliebe, sondern auch in den Weisungen des Gehorsams sich ausspricht, so zwar, dass derjenige, welcher einen Befehl erhält, darin den Willen Gottes erblicken soll.

Wird es aber auch nicht zu viel, was ich schreibe? Aber mein Geist überholt mich im Eifer, Ihnen zu dienen.

Bleiben Sie eingedenk des Tages des seligen Königs Ludwig (An dem Wallfahrtsorte St. Claudius, wohin der hl. Franz von Sales mit seiner Mutter gekommen war, traf am 21. August auch Frau v. Chantal in Begleitung der Präsidentin Brulard ein und legte einige Tage später, am 25. August 1604, eine Generalbeichte und außerdem das Gelübde der Keuschheit und des Gehorsams ab. Dieser Tag blieb ihr lebenslang der wichtigste, weil sie an demselben, wie sie sich ausdrückte, dem Adler gleich ihre Jugend erneut hatte.), des Tages, an welchem Sie aufs neue die Krone des Königtums Ihrem eigenen Geiste abnahmen, um sie dem Könige Jesus zu Füßen zu legen, jenes Tages, an welchem Sie, sich eintauchend in das Meer der Buße, Ihre Jugend erneuten, dem Adler gleich; jenes Tages, an dem für Ihre Seele die Morgenröte des ewigen Tages angebrochen ist. Erinnern Sie sich, dass ich zu dem großen Entschlusse, den Sie damals aussprachen, mit Leib und Seele und mit ganzem Herzen Gott anzugehören, im Namen der Kirche, unserer Mutter, das „Amen” sprach, und dass zu gleicher Zeit aus dem Munde der seligsten Jungfrau und aller Heiligen und Seligen ein großes „Amen und Alleluja“ den Himmel durchhallte. Vergessen Sie nicht daran festzuhalten, dass alles Vergangene nichts ist und dass Sie alle Tage mit David sagen müssen: „Jetzt erst fange ich an, meinen Gott recht zu lieben.” (Ps. 76, 11.) Tun Sie recht viel für Gott und tun Sie nichts ohne Liebe. All Ihr Tun und Lassen sei dieser Liebe gewidmet, auch das Essen wie das Trinken.

Tragen Sie eine besondere Andacht zu dem hl. Ludwig und bewundern an ihm seine große Beständigkeit. Er bestieg den Thron mit zwölf Jahren, hatte neun Kinder, führte fortwährend Kriege, teils gegen Empörer, teils gegen die Feinde des Glaubens, regierte über vierzig Jahre, und am Ende, nach seinem Tode, konnte sein Beichtvater, ein heiliger Mann, die eidliche Versicherung abgeben, er habe ihn, obwohl er während seines ganzen Lebens sein Beichtvater gewesen, niemals in einer Todsünde befunden. Zwei Heereszüge unternahm er über Meer; beide endigten mit dem Verluste seines Heeres, und auf dem letzten starb er an der Pest, nachdem er lange Zeit die Pestkranken seines Heeres besucht, unterstützt, gepflegt, verbunden und geheilt hatte, und starb fröhlich und standhaft, einen Psalmvers auf den Lippen. Diesen Heiligen gebe ich Ihnen als Ihren besonderen Patron für das laufende Jahr; ihn halten Sie vor Augen gleich den anderen Heiligen, die ich oben erwähnt habe. Haben Sie in seiner Schule gute Fortschritte gemacht, so werde ich Ihnen, wenn Gott will, im nächsten Jahre einen anderen geben.

Ich glaube fast, ich werde mit diesem Briefe, der nur eine Antwort auf Ihre Anfragen sein sollte, an kein Ende kommen. Ich will ihn indessen schließen mit der Bitte um die Hilfe Ihres Gebetes, dessen ich so sehr bedarf. Ich bete nie, ohne Ihre Anliegen in meine Gebete einzuschließen. Ich verehre nie die Engel, ohne dem Ihrigen meine besondere Verehrung zu bezeigen. Tun Sie für mich ein Gleiches, ebenso Celsus Benignus, für den ich immer bete, wie für Ihre ganze kleine Gesellschaft. Seien Sie überzeugt, dass ich Sie bei der heiligen Messe nicht vergesse, ebensowenig wie Ihren verstorbenen Vater und Ihren seligen Gatten. Gott sei in Ihrem Herzen, Ihrem Geiste und Ihrer Seele, meine teure Schwester; in seinem Herzen verbleibe ich

Ihr u. s. w.


 

4. Mit einem Bilde, auf welchem das Kind Jesus mit der seligsten Jungfrau und der hl. Anna dargestellt war.

An dieselbe.

Den 29. Mai 1605.

Beifolgend, meine Tochter, erhalten Sie ein Bild, welches Ihre heilige Äbtissin darstellt, während sie noch im Kloster des Ehestandes war, und deren gute Mutter, die aus ihrer Witwenklause gekommen war, um sie heimzusuchen. Sehen Sie, wie die Tochter die Augen niederschlägt, weil sie die Augen des Kindes nicht sehen kann; die Mutter dagegen erhebt ihre Blicke, weil sie auf das Kindlein hinschaut. Die Jungfrauen erheben die Blicke nur, um nach den Augen des Bräutigams zu schauen; die Witwen aber schlagen sie nieder, wenn sie nicht gerade desselben Glückes teilhaftig sind. Ihre Äbtissin ist herrlich mit einer Krone auf dem Haupte geschmückt, während ihr Blick auf verschiedenen Blümlein ruht, mit denen die Stufen ihres Thrones bestreut sind. Die gute Großmutter hat neben sich auf der Erde einen Korb mit Früchten. Ich denke, es sind dies die Werke der Heiligkeit und der demütigen und niederen Tugenden, die sie ihrem kleinen Liebling schenken will, sobald sie ihn auf ihre Arme bekommt. Schon jetzt sehen Sie, wie der süße Jesus sich zu seiner Großmutter hinneigt und wendet, mag sie auch nur eine Witwe sein mit nachlässig geordnetem Haar und schlichter Kleidung. Er trägt die Weltkugel in seiner Hand, die aber etwas zur Linken geneigt ist, er weiß wohl, dass die Welt nichts ist für eine Witwe; mit der anderen Hand aber erteilt er ihr seinen heiligen Segen.

Halten Sie sich zu dieser Witwe, bringen aber auch, wie sie, ihren kleinen Korb mit; erheben Sie Ihre Augen und Hände zu dem Kinde; auch Ihnen wird seine Mutter, Ihre Äbtissin, dasselbe darreichen; er aber wird von Herzen gerne sich Ihnen zuneigen und Sie segnen mit seiner Glorie. O wie wünsche ich das, meine Tochter; dieser Wunsch erfüllt meine ganze Seele und wird ewiglich darin wohnen. Leben Sie freudig im Herrn und grüßen Sie demütigst in meinem Namen Ihre Frau Äbtissin und teure Herrin. Der süße Jesus ruhe in Ihrem Herzen und auch in dem meinigen! Möge er darin leben und herrschen in Ewigkeit ! Amen.


 

5. Die Demut ist die eigentliche Standestugend der Witwe; worin sie besteht und wie sie sich äußern muss.

Es ist sehr heilsam, das Leben und den Tod des Herrn zu betrachten.

An dieselbe.

Den 1. November 1605.

Mein Gott, wie sehr liegt mir der Dienst Ihrer Seele am Herzen. Sie können es kaum glauben, meine teure Schwester; und doch ist es in dem Maße der Fall, dass ich darin die Hand des Herrn erkennen muss. Mich deucht (dünkt = scheint), alle Welt zusammen könne mir nicht einen solchen Eifer einflößen, wenigstens habe ich niemals ihr gegenüber einen solchen wahrgenommen.

Es ist heute das Fest Allerheiligen. Während ich bei unseren feierlichen Frühmetten (Morgen-Messen) assistierte und sah, wie der Herr die Seligpreisungen mit der Armut im Geiste beginnt, die der hl. Augustin als die heilige und höchst wünschenswerte Tugend der Demut deutet, fiel mir Ihr Wunsch ein, ich möge Ihnen etwas über diese Tugend schicken. Ich glaube, dass ich es in meinem letzten Schreiben unterlassen habe, obwohl dasselbe recht weitläufig und vielleicht zu lang ausgefallen ist. Gott hat mir über den Gegenstand so viel eingegeben, Ihnen zu schreiben, dass, wenn ich nur Zeit dazu hätte, ich Ihnen glaube Wunderdinge sagen zu können.

Endlich, meine teure Schwester, erinnerte ich mich, dass die Lehrer die heilige Demut den Witwen als besondere Standestugend zuweisen. Die Jungfrauen, die Märtyrer, die Lehrer, die Seelenhirten haben eine besondere Tugend, die gleichsam der Orden ihrer Ritterschaft ist; aber sie alle müssen auch die Demut besitzen, denn „sie würden nicht erhöht werden, wenn sie sich nicht erniedrigten” (Luc. 14, 11. ). Allein ganz besonders gehört sich die Demut für die Witwen; denn worauf könnte auch die Witwe stolz sein? Sie hat nicht mehr ihre Unversehrtheit (die indessen durch eine recht große Witwen-Demut aufgewogen werden kann; es ist sicher weit besser, Witwe zu sein mit viel Öl in der Lampe und nichts anderes verlangen als Demut und himmlische Liebe, als Jungfrau mit gar keinem oder nur wenig Öl in derselben), noch auch besitzt sie das, was dem Weibe in den Augen der Welt den höchsten Wert verleiht. Sie hat ihren Gatten verloren, der ihre Ehre war und von dem sie ihren Namen trug, Was bleibt ihr also übrig zu rühmen, als Gott? O seliger Ruhm, o kostbare Krone! In dem Garten der Kirche sind die Witwen gleichsam die Veilchen, kleine Blümlein, die im Verborgenen blühen, auch nicht in blendenden Farben prunken, dagegen einen zwar nicht starken, aber wunderlieblichen WohIgeruch um sich her verbreiten. O welche schöne Blume ist die christliche Witwe, klein und unscheinbar in Demut! Sie prunkt nicht vor den Augen der Welt, sondern flieht dieselbe und schmückt sich nicht mehr, um die Blicke derselben auf sich zu ziehen. Und wozu sollte sie auch die Augen derer auf sich zu ziehen suchen, deren Herz sie nicht begehrt?

Der Apostel gebietet seinem geliebten Schüler, „die Witwen zu ehren, die wahrhaft Witwen sind” (1 Tim. 5, 3.). Welches aber sind diese echten Witwen, wenn nicht diejenigen, die es mit Herz und Seele sind, das heißt, deren Herz keinem Geschöpfe vermählt ist? Unser Heiland sagt heute nicht: selig, die reinen Leibes, sondern die reinen Herzens sind, und er preist nicht die Armen, sondern die Armen im Geiste. Die Witwen sind verehrungswürdig, wenn sie Witwen im Geiste und Herzen sind. Was heißt verwitwet sein anders, als verlassen und beraubt, das will sagen, elend, arm und verächtlich sein? Es sind demnach jene aus ihnen lobenswert, die elend und verächtlich im Geiste und Herzen sind, mit einem Worte, die demütig sind; ihr Schutz und Schirm ist der Herr.

Was ist denn aber Demut? Ist es das Bewusstsein dieses Elends und dieser Armut? Ja, sagt unser hl. Bernhard; aber das ist die Demut nur als rein menschliche Tugend; worin besteht nun aber die christliche Demut? In der Liebe zu jener Armut und Niedrigkeit, wie sie geübt wird im Hinblick auf die Erniedrigung unseres Heilandes. Erkennen Sie, dass Sie nichts weiter sind als eine arme, verächtliche Witwe? Lieben Sie diesen verächtlichen Stand, rühmen Sie sich, nichts zu sein; seien Sie froh darüber, denn gerade Ihr Elend zieht das Erbarmen des gütigen Gottes auf Sie hernieder.

Unter den Bettlern gelten diejenigen für die besten und ziehen am meisten die Blicke mildtätiger Menschen auf sich, die das elendste Aussehen und die größten und schrecklichsten Wunden an sich haben. Nun wohl; wir sind ja auch nichts als Bettler; die elendsten sind am besten daran, ihnen am ersten wendet Gott die Blicke seiner Barmherzigkeit zu.

Ich bitte Sie also, demütigen wir uns und weisen an der Pforte des Tempels der göttlichen Barmherzigkeit nur hin auf unsere Wunden und unser Elend; aber vergessen Sie nicht, es mit Freuden zu tun und einen Trost darin zu finden, so ganz vereinsamt und so ganz Witwe zu sein, damit der Herr zu Ihnen komme mit der Fülle seines Reiches. Seien Sie sanft und freundlich gegen jedermann, außer gegen jene, die Ihnen Ihren Ruhm, das heißt Ihr Elend und Ihre vollkommene Witwenschaft rauben wollen: „Ich rühme mich in meinen Schwachheiten,“ spricht der Apostel (2 Kor. 12, 9.); „es wäre mir besser, zu sterben, als meinen Ruhm zu verlieren.“ Sehen Sie, er würde lieber sterben, als seine Schwächen zu verlieren, die sein Ruhm sind.

Hüten Sie wohl Ihr Elend und Ihre Niedrigkeit, denn Gott sieht darauf herab, wie er ansah die Niedrigkeit der heiligsten Jungfrau: „Die Menschen sehen auf das Äußere, Gott aber sieht auf das Herz.” (1 Kön. 16, 7.) Sieht er in unserem Herzen unsere Niedrigkeit, so wird er uns große Gnaden erzeigen. Die Demut ist eine Bewahrerin der Keuschheit, weshalb die schöne Seele im Hohenliede die Lilie des Tales (Maiglöckchen) genannt wird (Hohel. 2, 1.) Halten Sie sich in freudiger Demut vor Gott; beobachten Sie aber auch ebenmäßig ein demütig-heiteres Verhalten vor der Welt. Freuen Sie sich darüber, wenn die Menschen sich nichts aus Ihnen machen; bezeigen dieselben Ihnen aber Achtung, so scherzen Sie darüber und lachen über ihr Urteil und über Ihr Elend, dem eine solche Wertschätzung widerfährt; sehen Sie sich aber von der Welt verachtet, so trösten Sie sich mit Freuden darüber in dem Gedanken, dass sie wenigstens hier einmal auf der rechten Fährte ist.

Was Ihr Äußeres anlangt, so tragen Sie die Demut nicht zur Schau, ohne dieselbe aber zu verleugnen. Werfen Sie sich ihr ganz in die Arme, aber stets mit heiterem Sinne. Ich sehe es gerne, wenn man sich hier und da selbst untergebenen oder stolzen Menschen gegenüber, bei Kranken oder Armen, bei den Seinigen zu Hause oder draußen zu niedrigen Dienstleistungen herablässt; aber immer muss es mit schlichter Einfachheit und Freudigkeit geschehen. Ich komme so oft darauf zurück, weil darin für Sie und für mich der Schlüssel zu diesem Geheimnisse liegt. Noch besser hätte ich sagen können, man solle derartige Erniedrigungen mit Liebe verrichten; denn die Liebe ist, wie Bernardus nach dem hl. Paulus sagt, voll Freude. Niedere Arbeiten und äußere Verdemütigungen sind nur die Schale, die Liebe aber bildet den Kern.

Fahren Sie mit der Kommunion und den frommen Übungen fort, wie ich es Ihnen geschrieben habe; halten Sie sich in diesem Jahre recht fest an der Betrachtung des Lebens und Sterbens unseres Heilandes; das ist die Pforte zum Himmel; wollen Sie in denselben eingehen, so müssen Sie Ihrer Seele eine Haltung angewöhnen, wie sie dahin passt. Seien Sie voll Mut und Ausdauer, und lassen sich nicht irre machen durch das Lärmen, das man erhebt, noch auch durch Versuchungen gegen den Glauben; unser Feind ist ein arger Schreier; machen Sie sich aber nichts daraus; denn, ich weiß es recht wohl, er kann Ihnen nichts anhaben. Lachen Sie ihn aus und lassen ihn machen, was er will. Lassen Sie sich auf keinen Streit mit ihm ein; schlagen Sie ihm ein Schnippchen; denn es hat damit nichts auf sich. Er hat den Heiligen viel um den Kopf herumgeschrien und einen heillosen Lärm gemacht; aber was ist's nun? Sie haben darum doch den Platz eingenommen, den er verloren hat, der Elende.

Ich wünsche, Sie sähen einmal das einundvierzigste Kapitel „des Weges zur Vollkommenheit” der seligen Mutter Theresia nach. Es wird Ihnen sehr das Verständnis des Wortes erleichtern, was ich Ihnen so oft gesagt habe: man soll nicht engherzig, sondern frei und frank (offen), unbefangen und nach alter Väter Art, ungezwungen und frischweg, grosso modo (im Großen und Ganzen) bei der Ausübung der Tugenden zu Werke gehen. Nichts fürchte ich so sehr als alles pedantische und trübselige Wesen. Nichts davon, meine teure Tochter; ich wünsche, dass Sie weit- und hochherzig einherwandeln auf dem Wege des Herrn, aber mit Demut, Sanftmut und ohne in Ungebundenheit zu geraten.

Ich empfehle mich dem kindlichen, aber durchdringenden Gebete unseres Celsus Benignus, und wenn Amata anfangen will, mir auch einige kleine fromme Wünsche zu schenken, so werden auch sie mir sehr wert sein. Täglich opfere ich Gott bei dem Opfer seines Sohnes Sie, Ihr Witwenherz und Ihre Kinder auf. Beten Sie aber auch für mich, teure Tochter, auf dass wir einst mit allen Heiligen im Himmel einander wiedersehen; mein Wunsch, Sie zu lieben und von Ihnen geliebt zu werden, ist ohne Grenzen wie die Ewigkeit. Der süße Jesus möge sie uns schenken in seiner Liebe und Güte! Amen.

Ich bin und bleibe in Ewigkeit in Jesus Christus Ihr ganz ergebener u. s. w.


 

6. Pflichten einer Witwe gegen ihre Eltern und ihre Kinder.

An die Gräfin v. Dalet.

Den 25. April 1621.

Gnädige Frau! Ich habe Ihnen über eine Angelegenheit zu schreiben, welche ich mich gewiss scheuen würde zu berühren, wenn ich nicht von Ihrer Frau Mutter dazu aufgefordert wäre; denn wie könnte ich es sonst wagen, mich in Fragen einzumischen, die zwischen Ihnen beiden schweben, und in Ihre Gewissensangelegenheiten mich einzudrängen, während ich doch weiß, dass Sie die einzige würdige Tochter einer so würdigen Mutter, voll Geist, Klugheit und Frömmigkeit sind? Da es aber notwendig ist, so will ich, gestützt auf die mir eingeräumte bevorrechtete Stellung, Ihnen vorerst eröffnen, verehrteste Frau, dass Ihre Frau Mutter mir alles mitgeteilt hat, was sie Ihnen teils in eigener Person, teils durch andere hervorragende Persönlichkeiten, neben denen meine Wenigkeit verschwinden muss, Ihnen vorgestellt hat, um Ihre kindliche Hilfe in der äußerst bedrängten Lage zu erlangen, in welche ihr Haus durch die Ihnen bekannten Umstände geraten ist. es ist ein unerträglicher Gedanke für sie, dasselbe unter der Last zusammenbrechen zu sehen, während Sie, und zwar Sie allein, es in der Hand haben, dasselbe zu retten.

Sie lässt Ihnen zu diesem Zwecke drei Vorschläge machen: entweder sollen Sie sich ganz in ein Kloster zurückziehen, damit die Gläubiger keine Bürgschaft mehr von Ihnen verlangen können und sie über das Vermögen Ihrer Kinder freie Verfügung bekommt; oder sollen sich unter den vorteilhaften Bedingungen, die Ihnen geboten sind, wieder verheiraten, oder endlich bei ihr Wohnung nehmen mit gemeinschaftlicher Haushaltung. Sie erwähnt in ihrem Briefe die Einwände, welche Sie gegen die beiden ersten Vorschläge erhoben haben; sie fuhrt nämlich an, dass Sie das Gelübde der Keuschheit abgelegt und zudem vier ganz kleine Kinder haben, worunter zwei Mädchen sind. In Bezug auf den dritten Vorschlag finde ich nichts in Ihrem Schreiben.

Was nun den ersten Punkt betrifft, so kann ich mein Urteil nicht dagegen abgeben, wenn das Gelübde, das Sie abgelegt haben, Ihnen zugleich die Verpflichtung auflegt, keine Dispens (Befreiung von einem rein kirchlichen Gesetz) zu verlangen. Freilich führt Ihre Mutter die große Übereilung dagegen an, mit welcher Sie die erforderliche Überlegung abgeschnitten hätten. Indessen hat in der Tat die Reinheit der Keuschheit einen so hohen Wert, dass derjenige, der sie gelobt hat, sich überaus glücklich schätzen muss, sie zu bewahren, und dass nur die liebevolle Rücksicht auf das öffentliche Wohl ein Abgehen davon rechtfertigen kann.

Was den zweiten Punkt angeht, so weiß ich nicht, ob es Ihnen rechtlich gestattet sein könnte, sich der Sorge für Ihre Kinder zu entziehen, die Ihnen Gott auferlegt, indem er Sie hat Mutter werden lassen. Besonders kommt dazu noch die große Jugend der Kinder in Betracht.

Was aber den dritten Punkt angeht, gnädige Frau, so erkläre ich, dass bei dieser großen Notlage Ihre Börse der Frau Mutter zur Verfügung stehen muss. O Gott, es ist dies die geringste Hingabe, welche man Vater und Mutter schuldig ist. Wohl glaube ich einen Grund zu erraten, welcher es vielleicht zu rechtfertigen vermag, wenn eine Tochter, die für ihre Kinder zu sorgen hat, ihre Einkünfte für sich behalten will; aber ich weiß nicht, ob derselbe bei Ihnen vorhanden ist, und wenn auch, so bin ich der Ansicht, dass der Grund ein sehr erheblich zwingender sein muss, wenn er geltend gemacht und wirklich berücksichtigt werden soll.

In der äußersten Not wird alles, selbst unter Feinden, gemeinsam; zwischen Freunden aber, namentlich aber zwischen Mutter und Tochter, darf man nicht auf die äußerste Not warten; dafür ist das Gebot Gottes viel zu dringend. In einem solchen Falle muss man Herz und Augen zu Gottes Vorsehung erheben, welche reichlich alles ersetzt, was wir hingeben auf sein heiliges Geheiß.

Ich gehe zu weit, verehrte Frau; ich hätte nichts weiter tun sollen, als Ihr wertes Gewissen in dieser Beziehung an jene zu verweisen, denen Sie es anvertraut haben.

Im übrigen ist Ihre Mutter damit einverstanden, dass Sie Ihre geistlichen Übungen wie bisher fortsetzen; nur möchte sie, dass Ihre Retraiten (Rückzug bzw. Einkehrtag für Exerzitien = geistliche Übungen) im Kloster zur hl. Maria auf die Hauptfeste des Jahres und auf drei Tage in der Fastenzeit eingeschränkt werden. Sie können sich damit auch zufrieden geben und das Fehlende durch geistliche Retraiten im eigenen Hause ersetzen.

O mein Gott, teure Frau, was sind wir nicht schuldig für Vater und Mutter zu tun, und wie liebevoll müssen wir das Übermaß, den Eifer, die Glut, ja ich möchte sagen das Ungestüm ihrer Liebe ertragen! Es ist etwas Erstaunenswertes um diese Mütter; es ist, als möchten sie ihre Kinder, namentlich das einzige, immer an ihrem Herzen tragen. Oftmals werden sie eifersüchtig; ist man in ihrer Abwesenheit vergnügt, so meinen sie gleich, man liebe sie nicht genug, und die Liebe zu ihnen dürfe kein anderes Maß haben als die Maßlosigkeit. Was will man da machen? Man muss Geduld haben und sein Möglichstes tun, um ihren Wünschen zu genügen. Gott verlangt nur gewisse Tage und Stunden, und gestattet, dass wir in seiner Gegenwart auch bei Vater und Mutter gegenwärtig sein dürfen; diese aber sind anspruchsvoller; sie verlangen viel mehr Tage, viel mehr Stunden und eine ungeteilte Gegenwart. Ach, Gott ist so gütig, dass er auf diese Schwäche eingeht und alles, was wir einer Mutter zuliebe tun, ansieht, als hätten wir es für ihn getan, vorausgesetzt, dass wir bei allen unseren Handlungen vornehmlich sein Wohlgefallen im Auge haben.

Übrigens haben Sie Moses und die Propheten, das heißt, so viele ausgezeichnete Diener Gottes: Hören Sie auf dieselben. Ich aber tue unrecht, Sie so lange aufzuhalten. Es macht mir aber ein besonderes Vergnügen, mich mit einer reinen und keuschen Seele zu unterhalten, die höchstens vielleicht durch ein Übermaß von Frömmigkeit Veranlassung zur Klage gibt. Ein seltener Vorwurf, so selten und liebenswürdig, dass ich nicht umhin kann, diejenige zu lieben und zu ehren, gegen welche derselbe erhoben wird, und für immer zu sein

Ihr u. s. w.


 

7. Welche Unterstützung Kinder, die selbst Familie haben, ihren Eltern schuldig sind.

An dieselbe.

Den 11. Mai 1621.

1. Unter den Augen Gottes, gnädige Frau, muss ich Ihnen diese Zeilen schreiben, weil sie Ihnen sagen sollen, was Sie unter den von Ihnen geschilderten Umständen zu seiner größeren Ehre zu tun haben. Nachdem ich den Heiligen Geist angerufen, erkläre ich, dass ich in allem, was Sie und Ihre Mutter mir sagen, keinen Grund zu entdecken vermag, der Sie berechtigen könnte, Ihr vor Gott abgelegtes Keuschheitsgelübde zu verletzen; die Erhaltung der Familie kann höchstens bei Fürsten in Betracht kommen, wenn es für das öffentliche Wohl erforderlich ist, dass sie nicht ohne Nachkommen bleiben. Ja wären Sie selbst eine Fürstin oder Ihr Bewerber ein Fürst, so müsste man Ihnen noch sagen: Begnügen Sie sich mit der Nachkommenschaft, die Sie haben, und zu ihm: Suchen Sie sich eine andere Gemahlin; kurzum, der Heilige Geist lässt es wiederholt und klärlich (klar und deutlich) in der Heiligen Schrift aussprechen, dass nichts in der Welt so schätzenswert ist als eine enthaltsame Seele (Eccli. 26, 20. = Ecclesiastes = alttestamentliches Buch der Prediger = Buch Kohelet vom Prediger Salomo). Daran halten Sie sich, da Gott Ihnen einmal den Gedanken eingegeben hat, es zu wollen, und die Gnade, es zu können.

    Der große Gott wird Ihr Gelübde, wird Ihren Leib und Ihre Seele segnen, die Sie seinem Namen geweiht haben.

2. Es ist durchaus wahr, dass sie rechtlich in keiner Weise verpflichtet sind, mit Ihrem Vermögen das Haus Ihres Herrn Vaters zu halten, da nach den bestehenden Gesetzen Ihr und Ihrer Kinder Vermögen getrennt und unabhängig ist von Ihrem elterlichen Hause, und letzteres nicht gerade in dringender Not sich befindet. Es ist dies umso zweifelloser, da Sie nichts von Ihrer Mitgift erhalten haben, indem dieselbe zwar versprochen, aber nicht gezahlt worden ist.

3. Ist es wirklich begründet, dass Sie Ihre Kinder, deren Vermögensstand und sich selbst zu Grunde richten würden, wenn Sie sich mit den Verpflichtungen Ihres väterlichen Hauses belasten wollten, ohne darum doch den Untergang des letzteren hintanhalten (aufhalten) zu können, so sind Sie im Gegenteile wenigstens durch die Liebe verpflichtet, es nicht zu tun; denn wozu soll es nutzen, zum Nachteile Ihrer Kinder ein Haus zu Grunde zu richten, ohne dadurch den Ruin eines anderen aufzuhalten, und da helfen zu wollen, wo keine Hilfe mehr möglich ist? Wenn Sie daher überzeugt sind, dass Ihre Hilfe Ihren Herrn Vater doch nicht retten könnte, so haben Sie die Pflicht, die Hilfe zu verweigern, insoweit Sie dadurch Ihre Kinder benachteiligen würden.

4. Können Sie aber Ihrem Herrn Vater helfen, gnädige Frau, ohne Ihre Kinder zu schädigen – und es scheint, als konnten Sie dies in der Tat, da Sie das einzige Kind sind und weitere Miterben nicht zu erwarten haben, so dass alles, was Sie von dem Besitzstand Ihrer Eltern retten, schließlich doch Ihren Kindern verbleiben muss – so bin ich der Meinung, dass Sie es tun müssen, da Sie in diesem Falle Ihre Mittel mit der einen Hand nur hingeben, um sie mit der anderen wieder zu nehmen.

5. Sollten Sie, um den Wünschen Ihrer Frau Mutter zu genügen, sich sogar einschränken müssen, so dünkt mich, vorausgesetzt, dass Ihren Kindern daraus nicht allzu bedeutende Verluste erwachsen, Sie müssten sich dazu verstehen schon wegen der Ehrerbietung und Liebe, die Sie ihr schulden.

6. Im Übrigen wäre es, denke ich, für Ihre Ruhe und für das enthaltsame Leben, zu welchem Sie sich entschlossen haben, dienlich, wenn Sie in Ihrem bescheidenen Haushalte für sich blieben unter der Bedingung jedoch, dass Sie Ihre Frau Mutter häufig besuchen. Wenn ich den Brief der letzteren richtig verstehe, so würde dieselbe auch nichts dagegen haben, wenn Sie den Schleier nähmen, vorausgesetzt, dass Sie Ihr Vermögen hergäben, um die Besitzungen Ihres elterlichen Hauses zu erhalten.

In der Tat, da Sie sich zu einer zweiten Ehe nicht entschließen wollen und auch nicht das Herz haben, wie diese Dame, ein großes Haus zu machen und Ihre Salons allen möglichen anständigen Gesellschaften zu öffnen, so erscheint es durchaus zweckmäßig, dass Sie für sich allein wohnen bleiben. Ein getrennter Aufenthalt ist ja das beste Mittel, die Herzen derjenigen in Einigkeit zu erhalten, deren Charakter und Lebensrichtung, wenn auch an sich gut, doch durchaus verschieden sind. Dieses, verehrteste Frau, ist, soweit ich Ihre Angelegenheiten übersehen kann, meine Ansicht. Hätte es Gott gefallen, mich in Lyon mit Ihnen zusammenzuführen, so wäre ich darüber sehr erfreut und imstande gewesen, Ihnen viel bestimmter und klarer meine Meinung zu sagen. Da dieses jedoch nicht der Fall war, so erwarte ich, falls Sie glauben, dass ich die Sachlage, über die Sie mir berichtet, nicht richtig aufgefasst habe, nähere Aufklärungen von Ihnen, um sodann demgemäß ein richtigeres Urteil abzugeben. Ich bitte Sie dringend, gnädige Frau, sich durch keinerlei Rücksicht abhalten zu lassen, mir mit aller Freimütigkeit zu schreiben, da ich für jetzt und allezeit ohne allen Vorbehalt Ihr wohlgeneigtester, ergebenster Diener bleibe, indem ich Ihnen die Fülle der Gnaden Gottes, namentlich aber einen unablässigen Fortschritt wünsche in der heiligen Sanftmut und Liebe, in der heiligen Demut und in der liebenswürdigen Einfalt. Ich kann nicht umhin, Ihnen zu gestehen, dass ich die Äußerung Ihres Schreibens, Ihr Haus sei ein ganz gewöhnliches und nichts mehr, überaus bescheiden gefunden habe. Es ist dies umso schätzenswerter in einer Zeit, wo die Kinder der Welt so viel Wesens machen mit ihren Familien, ihren adeligen Namen und ihrer hohen Abkunft. Bleiben Sie auf diesem Wege, meine teure Tochter, und rühmen Sie sich nur im Kreuze unseres Herrn, durch welches die Welt Ihnen und Sie der Welt gekreuzigt sind. Amen.

Schließlich nenne ich mich, gnädige Frau, von ganzem Herzen Ihren u. s. w.


 

       Inhaltsverzeichnis

  Erstes Buch: Briefe an junge Damen
    Zweites Buch: Briefe an verheiratete Frauen.
    Drittes Buch: Briefe an Witwen.
    Viertes Buch: Briefe an Freunde weltlichen und geistlichen Standes.
    Fünftes Buch: Briefe über den Klosterberuf und das Ordensleben.
    Sechstes Buch: Rat und Trost bei äußeren und inneren Leiden.
    Siebentes Buch: Trostbriefe beim Tode teurer Angehöriger.
    Achtes Buch: Trostbriefe an Kranke.
    Neuntes Buch: Festbriefe.


 



 

Viertes Buch.

Briefe an Freunde weltlichen

und geistlichen Standes.

 

1. An einen Herrn, der an den Hof gehen wollte.

Den 8. Dezember 1610.

Sie wollen also, mein Herr die Anker lichten, um die hohe See des Hoflebens zu gewinnen. Möge Gott Ihnen gnädig sein und seine heilige Hand Sie stets behüten.

Nicht so ängstlich wie manche andere, halte ich diese Laufbahn für gut angelegte Charaktere von männlichem Mute nicht gerade für die gefährlichste, da in diesem Strudel hauptsächlich nur zwei Klippen vermieden werden müssen, nämlich die Eitelkeit, welche schwache, träge, weibische und haltlose Geister zu Grunde richtet, und der Ehrgeiz, an welchem kühne und hochstrebende Herzen scheitern.

Es ist nämlich die Eitelkeit nichts als ein Mangel an Mut. Ohne die Kraft, wahres und gediegenes Lob zu verdienen, begnügt der Eitle sich damit, ein falsches und auf nichtigen Vorzügen beruhendes Lob einzuernten. Der Ehrgeiz ist ein Übermaß von Mut, wodurch wir uns verleiten lassen, ohne Sinn und Vernunft nach Ruhm und Auszeichnung zu haschen.

So bewirkt denn die Eitelkeit, dass man an den törichten Spielereien Gefallen findet, die nur bei Weibern und seichten Geistern Lob verdienen, die aber von ernsten Männern und erhabenen Geistern verachtet werden; während der Ehrgeiz die Ursache ist, dass man Auszeichnung verlangt, ehe man dieselbe verdient hat, dass man das Verdienst der Vorfahren in übertriebener Weise für sich selbst in Anspruch nimmt und mit ihren Leistungen selber sich brüsten will. Gegen alle diese Gefahren, mein Herr – Sie wünschen ja, dass ich offen zu Ihnen rede – ist das sicherste Schutzmittel, dass Sie fortfahren, Ihre Seele durch geistliche und göttliche Nahrung zu stärken; so werden Sie Kraft gewinnen wider die Eitelkeit, und Hilfe gegen den Ehrgeiz.

Halten Sie viel auf den häufigen Empfang der Kommunion, und glauben Sie mir, nichts wird mehr geeignet sein, Sie in der Tugend zu befestigen. Um ja recht an dieser Übung festzuhalten, begeben Sie sich unter die Leitung eines guten Beichtvaters, und bitten Sie ihn, dass er jedesmal Rechenschaft von Ihnen verlangt, wenn infolge irgendwelchen Umstandes die Kommunion über die gewöhnliche Zeit verschoben worden ist. Beichten Sie immer demütig und mit einem aufrichtigen und bestimmten Vorsatze der Besserung. Vergessen Sie niemals – darum aber muss ich Sie recht dringend bitten –, bevor Sie des Morgens Ihr Zimmer verlassen, Gott auf den Knien um seine Hilfe zu bitten, und bevor Sie zur Ruhe gehen, ihn um Verzeihung für Ihre Fehler anzuflehen.

Vor allem hüten Sie sich vor schlechten Büchern; um keinen Preis lassen Sie Ihren Geist durch gewisse Schriften verführen, die von Schwachköpfen wegen gewisser leerer Spitzfindigkeiten, die sie daraus einsaugen, bewundert werden; wie z. B. dieser niederträchtige Rabelais (Über die Schriften des Franz Rabelais (1483—1553) sagt ein neuer Literarhistoriker. „Sie enthalten ein buntes Gemisch von Vernunft und Wahnsinn, Weisheit und zügelloser Ausgelassenheit.“ Gewiss würde der Heilige vor der vielfach frivolen und in ganz materialistischer Weltanschauung sich bewegenden Belletristik unserer Tage noch nachdrücklicher gewarnt haben.) und andere Schriftsteller unserer Zeit, die sich ein Geschäft daraus machen, alles in Zweifel zu ziehen, alles in den Staub zu treten und alle Grundsätze der Vorzeit mit Spott zu übergießen. Halten Sie sich im Gegenteil an gediegene Bücher, besonders von christlichem und geistlichem und gediegenem Inhalte, um von Zeit zu Zeit sich daran zu erquicken.

Ich empfehle Ihnen eine freundliche und von Herzen kommende Höflichkeit, welche niemand beleidigt und jedermann verbindet, welche die Liebe mehr sucht als die Ehre, Reibereien und Stichelreden vermeidet, die niemand zurücksetzt und darum auch niemals Zurücksetzung erfährt, oder wenn dies jemals geschehen sollte, doch bald in desto ehrenvollerer Weise hervorgezogen wird.

Seien Sie recht auf Ihrer Hut, dass Sie sich nicht in Liebeshändel einlassen, und gestatten Sie Ihrer Neigung nicht, dem vernünftigen Urteil vorauszueilen, und lassen sich nicht durch äußere Liebenswürdigkeit blenden. Lässt man nämlich der Neigung einmal freien Lauf, so reißt dieselbe die Vernunft wie eine Sklavin mit sich fort, und es entstehen ganz ungebührliche Verbindungen, die nur bittere Reue zur baldigen Folge haben können. Ich wünsche, dass Sie gleich von vornherein in Wort und Tat grundsätzlich und offen Ihre Absicht kundgeben möchten, mit Verstand und Ausdauer ein christlich-tugendhaftes Leben zu führen.

Ich sage ein tugendhaftes Leben, damit niemand auch nur den Versuch wage, Sie zu Ausschweifungen zu verleiten.

Mit Verstand, damit Sie nicht durch übertriebenes äußerliches Gebaren ihrer Gesinnung Ausdruck geben, sondern in einer Ihrem Stande angemessenen Weise, und so, dass vernünftige Leute nichts daran zu tadeln finden.

Mit Ausdauer, weil die konsequente Kundgebung eines entschiedenen und unerschütterlichen Willens Ihre Entschließungen zu schützen vermag gegen die Angriffe und Nachstellungen jener Elenden, die nur darauf ausgehen, andere auf ihre Fährte zu locken.

Ich sage endlich, Sie sollen zu einem christlichen Leben sich bekennen, weil manche eine philosophische Tugend zur Schau tragen, während sie doch in der Tat gar nicht tugendhaft sind, es auch in keiner Weise sein können. Ihre ganze Tugend ist nur Scheinwesen, und sie vermögen durch den äußeren Anstand, den sie wahren, sowie durch ihre hohlen Redensarten nur denen Sand in die Augen zu streuen, die nicht näher mit ihnen umgehen und ihr böses Leben und ihren schlechten Charakter nicht kennen. Wir dagegen, die wir recht wohl wissen, dass wir nicht die Spur von Tugend haben können ohne die Gnade des Herrn, wir bedürfen der Frömmigkeit und der heiligen Gottseligkeit, um tugendhaft zu leben; sonst wird all unsere Tugend nur Einbildung und leerer Schein sein.

Im übrigen ist es unumgänglich notwendig, gleich von Anfang an entschieden zu zeigen, was man ist, und was man allezeit bleiben will.

Auch würde es von großer Wichtigkeit für Sie sein, könnten Sie gleichgesinnte Freunde gewinnen und an ihnen Halt und Stütze finden; denn es ist eine ausgemachte Sache, dass der Umgang mit solchen, die auf gutem Wege sind, sehr viel dazu beiträgt, uns die gleiche Richtung zu geben oder uns in derselben zu erhalten.

Ich denke, Sie werden bei den Jesuiten oder bei den Kapuzinern oder den Feuillantinern, vielleicht selbst außerhalb der Klöster, einige edle Seelen finden, welche sich freuen werden, Sie zuweilen zu sehen. Bei ihnen könnten Sie sich dann bisweilen erholen und wieder einmal geistlich aufatmen.

Aber nun müssen Sie mir gestatten, dass ich Sie noch auf einen Punkt besonders aufmerksam mache. Sehen Sie, mein Herr, ich besorge, Sie möchten wieder ans Spielen kommen; und ich befürchte es, weil dies für Sie ein sehr großes Übel wäre. In wenig Tagen würde es Ihr Gemüt zerstreuen und alle die Blüten Ihrer guten Vorsätze zum Welken bringen; das Spiel ist ein Zeitvertreib für Müßiggänger; diejenigen, welche mit großen Herren spielen, um Aufsehen zu erregen, und weil Sie glauben, dass dies das leichteste Mittel sei, sich in Aufnahme zu bringen und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, zeigen, dass sie kein wahres Verdienst besitzen; würden sie sonst wohl ihre Zuflucht bei den Mitteln derjenigen nehmen, die nichts haben als Geld und dies daran wagen wollen? – Überdies ist es wahrlich kein großes Lob, als Spieler bekannt zu sein, und wer mit Unglück spielt, wird ausgelacht. Ich erwähne gar nicht des Zornes, der Wut und der Verzweiflung, die das Spielen zur Folge hat und wovon kein Spieler verschont bleibt! – Besonders noch wünsche ich Ihnen ein tapferes Herz, damit sie Ihrem Körper nicht durch Verwöhnung im Essen und Schlafen schmeicheln oder ihn sonst verweichlichen. – Denn ein edles Herz hat immer nur eine gewisse Verachtung für derartige Verzärtelungen und sinnliche Reize.

Freilich sagt unser Herr (Matth. 11, 8.), dass diejenigen, so sich weichlich kleiden, in den Häusern der Könige sind; gerade deswegen will ich mit Ihnen davon sprechen. Unser Herr will damit nicht sagen, dass alle diejenigen, welche an den Höfen sind, sich weichlich kleiden müssen, sondern er sagt nur, dass diejenigen, die sich weichlich kleiden, sich in er Regel dort finden. Überdies spreche ich nicht von der äußeren Kleidung, sondern von der inneren; – denn was das Äußere angeht, so wissen Sie viel besser, was sich schickt, und es gebührt mir nicht, davon zu sprechen.

Ich will damit nur den Wunsch aussprechen, dass Sie Ihren Leib hie und da kasteien, indem Sie ihn einigen Abhärtungen und Strengheiten unterwerfen, alle Weichlichkeit verachten und sich versagen, was den Sinnen schmeichelt; denn es ist notwendig, dass der Geist sich bemüht, die Oberherrschaft und die Gewalt, welche er über die sinnlichen Begierden hat, zu behaupten.

Mein Gott, ich werde zu weitläufig; wenn ich aber im Drange der Geschäfte und nur mit Unterbrechungen schreiben kann, so kennen Sie ja mein Herz und werden mich entschuldigen; indessen ist es doch notwendig, dass ich noch folgendes sage.

Stellen Sie sich vor, Sie seien am Hofe des hl. Ludwig. Dieser heilige König – und unser gegenwärtiger König ist ja auch noch heilig in seiner Unschuld (Ludwig XIII. war damals neun Jahre alt.) – hatte es gerne, wenn seine Leute tapfer, mutig, hochherzig, unverdrossen, artig, zuvorkommend, offen und höflich waren; vor allem aber sah er darauf, dass sie gute Christen waren.

Und wenn Sie in seiner Nähe gewesen wären, so hätten Sie gesehen, wie er manchmal heiter zu lachen und kühn zu reden wusste, wenn es an der Zeit war, wie er gleich einem zweiten Salomon zur Aufrechterhaltung seiner königlichen Würde für einen prächtigen Hofstaat Sorge trug und im nächsten Augenblicke Arme in den Spitälern bediente und so die weltliche Tugend mit der christlichen, und die Majestät mit der Demut zu vereinigen verstand.

Mit einem Worte also – man muss danach streben, nicht weniger tapfer zu sein, weil man ein Christ ist, und nicht weniger christlich zu sein, um als tapfer zu gelten. Um dies zu erreichen, muss man sehr christlich, d. h. sehr gottselig, fromm und wo möglich geistlich gesinnt sein; denn wie der heilige Paulus sagt: „der Geistlichgesinnte unterscheidet alles” (1 Kor. 2, 15.), er weiß, zu welcher Zeit, in welcher Ordnung, in welcher Art jede Tugend in Ausübung zu bringen ist. – Rufen Sie sich öfter den guten Gedanken ins Gedächtnis, dass wir in dieser Welt, auf einer Reise zwischen Himmel und Hölle begriffen sind, dass der letzte Schritt über unseren ewigen Aufenthalt entschieden wird – dass wir nicht wissen, welcher dieser letzte sein wird. Um aber sicher zu sein, dass dieser letzte Schritt ein guter sei, müssen wir trachten, nur gute Schritte zu machen!

O heilige, grenzenlose Ewigkeit! Glückselig, wer deiner gedenkt! Ja, denn wäre es sonst nicht ein Kinderspiel von wenigen Tagen, was wir in dieser Welt treiben? Ein Nichts wäre es, wenn es nicht der Weg zur Ewigkeit wäre.

Gerade deshalb also müssen wir einen so hohen Wert legen auf die Zeit, die uns hienieden zugemessen ist, und auf unsere Beschäftigungen in derselben, damit wir dieselbe anwenden zur Eroberung des unvergänglichen Gutes.

Bleiben Sie mir immer in Liebe zugetan; denn ich gehöre Ihnen in unserem Herrn und wünsche Ihnen alles Glück für diese und besonders für die andere Welt. Gott segne Sie und halte seine heilige Hand über Sie.

Ich schließe, indem ich noch einmal auf meinen anfänglichen Gedanken zurückkomme. Sie wollen also unter Segel gehen, um die hohe See des Hoflebens zu gewinnen; wechseln Sie darin nicht den Lotsen, nicht die Segel, nicht den Anker, nicht den Wind, – behalten Sie allezeit Jesus Christus zum Lotsen, sein Kreuz zum Maste, an dem Sie Ihre guten Vorsätze in Gestalt des Segels aufspannen; Ihr Anker sei ein tiefes Vertrauen zu ihm, und so wünsche ich Ihnen glückliche Fahrt. Möge der günstige Wind himmlischer Einsprechungen mehr und mehr die Segel Ihres Schiffes blähen und Sie glücklich landen lassen in dem Hafen der glückseligen Ewigkeit, welches Ihnen unaufhörlich von ganzem Herzen wünscht

Ihr u. s. w.



 

2. Der Heilige drückt einem Herrn seine Freude darüber aus, dass derselbe auch am Hofe in der Frömmigkeit beharrt.

Annecy, 12. September 1614.

Nichts in der Welt kann mir zu größerem Ruhme gereichen, mein Sohn, als von einem solchen Sohne Vater genannt zu werden; nichts zu süßerem Troste, als zu sehen, wie sehr auch Sie sich in diesem Verhältnisse zu mir gefallen; – doch genug hiervon, da ich ohnehin mit Worten nicht auszusprechen vermag, was ich dabei empfinde. Es genügt mir, dass Gott mir diese Gnade gewährt hat, welche mir von Tag zu Tag teurer wird, da ich von allen Seiten höre, dass Sie, obschon mitten in der Welt, dennoch in Gott leben.

O Jesus, mein Gott, welches Glück, einen Sohn zu haben, der so wunderbar die Gesänge Sions mitten im irdischen Babylon zu singen versteht! Die Israeliten weigerten dies einst, weil sie nicht nur unter den Babyloniern, sondern sogar deren Gefangene und Sklaven waren (Ps. 136.); wer dagegen nicht in der Sklaverei des Hofes ist, kann mitten in dem Hofleben den Herrn anbeten und ihm heilig dienen.

Nein wahrlich, mein teuerster Sohn, wenngleich Sie auch Aufenthalt, Beschäftigung und Lebensweise gewechselt haben, so werden Sie doch, wie ich hoffe, niemals Ihr Herz, Ihr Herz nie seine Liebe, Ihre Liebe nie ihren Gegenstand wechseln, da Sie doch niemals eine würdigere Liebe für Ihr Herz, noch Ihr Herz einen würdigeren Gegenstand für seine Liebe wählen konnten, als jenen, welcher ewig glückselig macht. Möge daher die Mannigfaltigkeit der Gesichter am Hofe und in der Welt das Ihrige nicht ablenken von dem steten Aufblicke zu dem Himmel, nach dem Sie streben, und möge Ihr Mund stets rufen nach dem höchsten Gute, auf das Sie Ihre Hoffnung setzen. Sie können sich denken, mein lieber Sohn, welche unvergleichliche Freude es mir bereitet haben würde, Sie persönlich bei Gelegenheit dieser Ständeversammlung (von Burgund) zu sehen, und mit Ihnen zu sprechen mit dem neuen Vertrauen, welches diese Namen „Vater und Sohn” mir eingeflößt haben. Da jedoch Gott es nicht wollte, indem ich durch seine Zulassung hier zurückgehalten bin, so dürfen auch wir beide es nicht länger wüschen. – Sie werden also dort mein Josua sein, welcher persönlich für die Sache Gottes streitet, und ich, ich werde hier wie ein Moses meine Hände zum Himmel erheben, um über Sie die göttliche Barmherzigkeit herabzuflehen, dass Sie die Schwierigkeiten, welche sich Ihren guten Absichten entgegenstellen, siegreich überwinden. – Ich will nicht weiter in Sie dringen, mich auch für die Zukunft zu lieben; ich kann das Ihnen kürzer und eindringlicher sagen, wenn ich Sie bitte: Seien Sie denn mein wahrer von ganzem Herzen, mein Herr, wie ich immer sein werde

Ihr u. s. w.

 


 

3. Wie man seine Seele gegen die ansteckende Hoflust schützen soll.

An denselben.

Nach dem 12. September 1614

Mein Herr! Es ist nicht zu sagen, mit welchem Feuereifer meine Seele der Ihrigen die Vollkommenheit der göttlichen Liebe wünscht! Gott behüte Sie und befestige mehr und mehr in Ihnen diesen großen und erhabenen Entschluss, ihm Ihr ganzes Leben zu weihen, wozu er selbst Sie angeregt hat. Es ist billig und recht, dass diejenigen, welche leben, nicht sich selbst leben, sondern für denjenigen, welcher für sie am Kreuze gestorben ist. – Eine große Seele, mein Herr, gibt ihren besten Gedanken, Neigungen und Hoffnungen die Richtung auf die unendliche Ewigkeit; weil sie selber ewig ist, ist ihr alles zu niedrig, was nicht ewig, zu klein, was nicht unendlich ist; und vorüberschiffend an all den kleinlichen Genüssen oder vielmehr gemeinen Vergnügen, welche dieses elende Leben uns darbietet, hält sie ihre Blicke gerichtet auf die Unendlichkeit der ewigen Güter und Jahre.

Je mehr Sie erkennen, mein Herr, wie sehr die Hoflust verpestet ist, desto sorgfältiger gebrauchen Sie die nötigen Schutzmittel dagegen. Gehen Sie niemals des Morgens aus, ohne in Gottes Gegenwart Ihre guten Vorsätze erneuert und so Ihr Herz wie mit einem Umschlage verwahrt zu haben. Möchten Sie ferner des Abends, nachdem Sie Ihr kurzes Gebet verrichtet haben, noch etwa ein Dutzend Zeilen in einem Betrachtungsbuche lesen! Dies würde gewiss die Ansteckungsstoffe vertreiben, welche sich des Tages über um Ihre Seele angesammelt haben. Wenn Sie dann noch oft Ihr Herz durch die süße, gnadenreiche, in ihrer Wirkung unvergleichliche Arznei der Buße reinigen, so hoffe ich, dass Sie, einem herrlichen Lichtschmetterlinge gleich, in den Flammen wohnen können, ohne Ihre Flügel zu versehen. Glückselig die Mühe, sei sie auch noch so groß, die uns vor ewiger Qual bewahrt! Wie lieblich die Arbeit, deren Lohn unvergänglich ist!

Ich verbleibe, mein Herr, mit mehr als väterlicher Liebe Ihr u. s. w.

 

 

4. Wie man in hoher, gebietender Stellung die christliche Vollkommenheit üben soll.

An einen jungen Herrn.

Nun wohl, ich setze den Fall, Sie hätten so viel Widerwillen gegen die Tugend, als man nur immer haben kann. Dessenungeachtet versichere ich Sie, dass Sie Ihre Gemütsart ändern können, wofern Sie nur das, was ich Ihnen sagen werde, auch tun wollen. Es wird Ihnen dann gewiss nicht schwer fallen, so zu sein, wie Sie sein müssen, und sogar eine Ihrem Stande entsprechende Vollkommenheit sich zu erwerben. So bitte ich Sie also, mein Herr, sich oft vor Augen zu führen und im Geiste zu erwägen, was die weise Güte Gottes in Ihrer Seele und durch Sie bei anderen erreichen wollte, als Sie Ihnen so viel Vermögen, Einfluss und Ansehen verlieh. Fürsten und große Herren haben schon von Geburt an, was das gewöhnliche Volk sich erst mit Anwendung vieler Mühe verschaffen kann. Sollte Ihnen auch hie und da etwas fehlen, im Ganzen vermögen Sie doch alles in dem, der Ihnen so viel gegeben hat; Sie brauchen nur zu wollen, und Sie sind mächtig genug. Damit nun aber Ihr Wille der Richtschnur jedes guten Willens sich anpasse, müssen Sie nach der Vollkommenheit streben, nur das zu wollen, was Gott will. Nun verlangt aber Gott nichts anderes von einem Fürsten, als dass er alle seine Untertanen mit Furcht und Liebe regiert, aber auch selbst Gott liebt und fürchtet mit kindlicher Furcht und mit reiner, heiliger und herzlicher Liebe.

Oft ist die Nachsicht der Fürsten eine wahre Grausamkeit und ihre Gerechtigkeit eine große Barmherzigkeit. Von ihrem Beispiel hängt das Wohl des Volkes ab; folglich müssen sie alle mit Trajan sprechen: „Ich muss meinen Untertanen ein solcher Fürst sein, wie ich einen Fürsten zu haben wünschte, wenn ich Untertan wäre.” – Weil aber auch jeder Herr und jeder Edelmann ein kleiner Monarch in seinem Hause ist, so dürfen sie alle der Worte des Apostels nicht vergessen:

Ihr Herren, was recht und billig ist, das erzeiget den Knechten, eingedenk, dass auch ihr einen Herrn in den Himmeln habt, und Könige auf Erden, von denen ihr abhangt. (Kol. 4, 1.) Sie sollen also zu Hause nicht wie Löwen sich gebärden, sollen ihre Diener nicht aufbringen und ihre Knechte nicht unterdrücken, sondern ihr Mitleid soll mit Großmut und ihr Mut mit Huld und Gnade gepaart sein.

Dies ist ihre erste Ausgabe, durch welche sie lernen, ihrem Gotte und ihrem Könige gegenüber alle Pflichten ihrer Unterwürfigkeit zu erfüllen, und ihren Untergebenen gegenüber alle Obliegenheiten einer Gewalt, welche nur auf den Wegen der Gerechtigkeit und Güte wandeln darf.


 

5. Wie viel vornehme Leute durch ihr gutes Beispiel wirken können.

An einen Edelmann.

Was hindert Sie denn, heilig zu sein? Und was könnten Sie in dieser Beziehung wünschen, was Ihnen nicht erreichbar wäre? – Wahrlich, ein armer Mann kann wohl heilig sein; aber ein mächtiger Herr, wie Sie, kann nicht nur heilig sein, sondern auch so viele zu Heiligen machen, als er Zeugen seiner Handlungen hat!


 


 

6. Mutiges Festhalten an den Grundsätzen wahrer Frömmigkeit unter den Gefahren einer hohen Stellung nötigt selbst den Weltkindern Bewunderung ab.

An einen Hofherrn.

Den 31. Juli 1614. Mein Herr! Den Brief, in welchem Ew. (Eure) Hoheit geruhen, mich zu beschwören, Sie in Zukunft meinen Sohn zu nennen, habe ich erhalten, und meine Wenigkeit erlaubt sich dies umso eher, da es geschehen kann, ohne Ihrer Stellung irgendwie Eintrag zu tun. Wahrlich, das Missverhältnis zwischen einem so elenden Vater und einem so erhabenen Kinde wird merkwürdig genug sein. Indessen die weise Natur selbst hat eine ähnliche Absonderlichkeit in einer Pflanze aufzuweisen, welche die Baumgärtner gemeiniglich „Den Sohn vor dem Vater“ nennen, weil sie ihre Früchte vor den Blüten hervorbringt. Überdies werden Sie, wie ich annehme, nicht auf meine Persönlichkeit, sondern vielmehr auf die heilige Würde sehen, mit welcher dieselbe umgeben und welche die heiligste in der Kirche ist, deren lebendiges Glied zu sein Sie die unvergleichliche Ehre haben. Und zwar sind Sie nicht nur ein lebendiges Glied derselben, sondern auch ein Glied, das von der heiligen Liebe, die allein das Leben unseres Lebens ausmacht, entflammt ist, wie Ihre guten Wünsche dies bezeugen.

Nun wohl denn, mein Herr, ich nenne Sie in Zukunft meinen Sohn; aber da es Sie langweilen würde, die wiederholten Versicherungen der Hochachtung zu lesen, mit denen ich eigentlich nur mich dieses Ausdruckes der Liebe bedienen darf, so sage ich Ihnen ein für allemal, ich werde Sie meinen Sohn nennen aus zwei verschiedenen und doch übereinstimmenden Gründen, gleichwie Jakob zwei von seinen Kindern seine Söhne nannte. Bemerken Sie, mein Herr, er nannte seinen lieben Benjamin seinen Sohn mit einem so liebeerfüllten Herzen, dass man in der Folge alle von ihren Vätern vorzugsweise geliebten Kinder so genannt hat. Aber sein liebes Kind Joseph, der Vizekönig von Ägypten geworden war, nannte er seinen Sohn mit so ehrerbietiger Liebe, dass es wegen dieser tiefen Ehrfurcht sogar heißt, er sei vor ihm niedergefallen. Geschah es auch im Traume, so war es doch keine Täuschung, sondern Wahrheit, wenn dieser große Beherrscher Ägyptens in seiner Jugend geschaut hatte, wie sein Vater unter dem Bilde der Sonne sich tief vor ihm verneigte, was die Heilige Schrift als Anbetung bezeichnet. In dem gleichen Sinne versichere ich Ihnen, dass ich Sie meinen Sohn nenne; meine Liebe möchte Sie ihren Benjamin, meine Ehrerbietung ihren Joseph heißen. Auf diese Weise wird das Wort Sohn viel mehr Hochachtung und Ehrerbietung in sich schließen, als selbst die Anrede mit dem Namen „Herr“; aber eine so von Liebe durchdrungene Ehrerbietung, dass diese Mischung, indem sie sich in meiner Seele verbreitet, dieselbe mit einer Süßigkeit erfüllt, welche nicht nicht leicht ihresgleichen findet. Deswegen werde ich Sie auch in der Regel nicht mehr meinen Herrn Sohn, sondern schlechtweg meinen Sohn nennen, weil das erstere in dem letzteren schon vollkommen deutlich, ja viel vorzüglicher ausgedrückt ist.

Welche Freude für mich, teurer Sohn, wenn ich vernehme, dass Sie der hochherzige Jüngling sind, welcher inmitten der nichtigen Eitelkeiten des Hofes fest bleibt in seinem Entschlusse, das Herz Gottes zu befriedigen!

Vor allem, mein teurer Sohn, bleiben Sie dabei, öfter zu kommunizieren und die anderen Übungen vorzunehmen, zu welchen Gott Sie so oft innerlich angespornt hat! Die Welt glaubt Sie bereits verloren zu haben und hält Sie nicht mehr für den ihrigen. Hüten Sie sich, dass dieselbe Sie wieder gewinnt. Es hieße für Sie alles verlieren, ließen Sie sich von dieser Unglücklichen gewinnen, welche Gott dem Verderben überliefert hat und ewig überliefern wird. Die Welt wird Sie bewundern und trotz ihrer eigenen Schlechtigkeit mit Hochachtung zu Ihnen aufblicken, wenn sie sieht, wie Sie inmitten ihrer Paläste, ihrer Galerien, ihrer Kabinette sorgfältig die Regeln der Gottseligkeit beobachten, einer Gottseligkeit allerdings, welche weise, ernst, stark, unwandelbar, edel und vor allem anziehend sein muss.

So geschehe es, mein teurer Sohn! Möge Gott auf immer Ihr Höchstes, die Welt der Gegenstand Ihrer Verachtung bleiben, wie ich verbleibe Ihr Vater, der Sie liebt wie seinen Benjamin und Sie ehrt wie seinen Joseph.


 

7. Welche Rücksichten man zu beobachten hat, um bei Jagdvergnügungen Gott nicht zu beleidigen.

An eine Dame.

Annecy, 20. Juni 1620.

Sie sehen, meine teure Tochter, wie sehr ich auf Ihre Nachsicht baue. Seit Ihrer Abreise habe ich noch nicht an Sie geschrieben, weil es mir wirklich kaum möglich war; und ich entschuldige mich deshalb nicht bei Ihnen, weil Sie in Wahrheit immer mehr und mehr meine teure Tochter sind. Gott sei gelobt, dass Ihre Heimreise so gut vonstatten ging und dass Sie Ihren Herrn Gemahl so heiter angetroffen haben! Wahrlich, die himmlische Vorsehung des himmlischen Vaters behandelt die Kinder ihres Herzens mit Freundlichkeit und streut von Zeit zu Zeit süße Gunstbezeigungen unter die fruchtbringenden Bitterkeiten, durch welche erstere verdient werden müssen.

Herr Michel fragte mich, was ich an Herrn Legrand über die Jagd geschrieben habe; dies waren jedoch nur wenige Worte, meine teure Tochter; ich machte ihn nur darauf aufmerksam, dass man drei Vorschriften zu beobachten habe, um Gott nicht durch die Jagd zu beleidigen.

Erstens darf man seinem Nächsten keinen Schaden zufügen; denn es ist nicht zu rechtfertigen, dass man sich auf Kosten anderer Vergnügen macht; besonders muss man sich hüten, den armen Landmann zu schädigen, welcher ohnehin genug gequält und belastet ist, und dessen Arbeit und Stand wir durchaus nicht gering schätzen dürfen.

Zweitens darf man die Jagd durchaus nicht an einem gebotenen Festtage ausüben, an welchem wir verpflichtet sind, Gott zu dienen; vor allem muss man sich hüten, dieses Vergnügens halber die pflichtmäßige heilige Messe an Sonn- und Feiertagen zu versäumen.

Drittens hat man sich zu hüten, dass man nicht un- verhältnismäßige Kosten darauf verwendet, denn jedes Vergnügen wird tadelnswert, sobald man Verschwendung deswegen treibt. Des übrigen erinnere ich mich nicht mehr so recht. Überhaupt muss man bei allem Maß und Ziel halten.

Wohlan denn, meine teure Tochter, Gott sei stets in Ihrem Herzen und vereinige alle Neigungen desselben mit seiner heiligen Liebe. Amen.


 

 

8. Das Duell und der verkehrte Ehrbegriff der Weltkinder.

An eine Dame.

Ihr letzter Brief, meine teure Tochter, gereichte mir und Frau N. zu großem Troste. Ich habe nämlich keinen Anstand genommen, letzterer denselben mitzuteilen, da ich nichts darin fand, was eine so ausgezeichnete Seele, die Sie überdies in so heiliger Weise liebt, nicht hätte wissen dürfen. Leider kann ich Ihnen nicht viel schreiben, da ich noch einen Boten nach Burgund abzufertigen habe. Aber, in Gott teure Tochter, was sollen wir von diesen Männern sagen, die so großen Wert auf die Ehre vor dieser elenden Welt und so geringen auf die Seligkeit in der anderen legen? Ich kann Sie versichern, dass meine Seele aus das schmerzlichste erschüttert war bei dem Gedanken, wie nahe sich Ihr lieber Neffe an den Rand der ewigen Verdammnis gebracht hat, und dass Ihr Herr Gemahl dabei sein Geleitsmann war. Ach, welch sonderbarer Beweis von Freundschaft, sich gegenseitig zu den Pforten der Hölle das Geleit zu geben! In der Tat, man muss Mitleid mit ihnen haben und Gott bitten, dass er sie durch sein heiliges Licht erleuchte. Gewiss, nur mit innigstem Mitleid kann ich an sie denken, und sehnlich wünsche ich ihnen die Einsicht, dass Gott den Vorzug verdient; haben sie doch den Mut nicht gehabt, ihm denselben einzuräumen, aus Furcht vor dem Gerede der Toren. Damit jedoch Ihr Gemahl nicht in seiner Sünde und in der Exkommunikation verharre, füge ich einige Zeilen für ihn bei, dass er beichten und die Absolution erhalten kann (Teilnahme an einem Duell ist einer der den Bischöfen vorbehaltenen Fälle.). Ich bitte Gott, er möge ihm die dazu notwendige Reue verleihen. Nun wohl denn, bleiben Sie in Frieden. Legen Sie Ihr Herz und Ihre Wünsche in die Hand der himmlischen Vorsehung, und der Segen Gottes sei allezeit mit Ihnen. Amen.


 

9. Brief an eine Dame, deren Gatte ein Duell beabsichtigt hatte.

Ich gestehe Ihnen, meine teure Tochter, es empört mich, wenn ich sehe, wie gute Katholiken, die sonst noch etwas für Gott übrig haben, doch so wenig um ihr ewiges Heil besorgt sind, dass sie sich so leichtsinnig der Gefahr aussetzen, niemals zur Anschauung Gottes zu gelangen, und stattdessen auf ewig die Schrecken der Hölle zu sehen und zu fühlen. Ich kann wahrlich nicht begreifen, wie man einen solchen traurigen Mut haben kann, vollends um solcher Kleinigkeiten willen, wegen eines reinen Nichts. Die Liebe, welche ich zu meinen Freunden und besonders zu Ihrem lieben Gatten habe, lässt mich nur mit Schaudern daran denken, dass sie sich in solcher Gefahr befinden; und was mich am meisten quält, ist die geringe Reue, die sie allem Anschein nach trotz der großen Beleidigung Gottes, deren sie sich schuldig gemacht, empfinden, da sie ja nichts tun, um sich in Zukunft davor zu bewahren. Was gäbe ich darum, dass solche Vorfälle sich nicht mehr wiederholten! Indessen sage ich dieses nicht, um Sie zu beunruhigen. Wir müssen hoffen, dass Gott uns alle miteinander zur Besserung führen wird, wenn wir in der rechten Weise darum bitten. Sorgen Sie nur, dass Ihr werter Gemahl beichtet; denn obwohl ich nicht glaube, dass er exkommuniziert ist, so befindet er sich doch nichtsdestoweniger in einer schrecklichen Todsünde, von der er sich unverzüglich reinigen muss.

    Die Exkommunikation nämlich zieht man sich nur durch die äußere Tat, die Sündenschuld aber schon durch den bloßen Willen zu.


 

10. Außerhalb der Kirche ist das richtige Verständnis der Heiligen Schrift nicht zu finden.

An einen Edelmann.

Den 2. Juli 1619.

Es ist vollkommen richtig, mein Herr, dass die Heilige Schrift in großer Klarheit die für Ihr Seelenheil notwendige Lehre enthält. Das Gegenteil dürfen Sie nie annehmen.

Nicht weniger steht es fest, dass es eine sehr geeignete Methode der Schriftauslegung ist, wenn man die einzelnen Stellen unter sich vergleicht und so unter Berücksichtigung analoger Glaubenswahrheiten den wahren Sinn zu gewinnen sucht; auch dies habe ich oft genug erklärt. Aber nichtsdestoweniger spreche ich es als meine feste, unerschütterliche Überzeugung aus, dass trotz dieser bewunderungswerten und anmutigen Klarheit der Heiligen Schrift in Betreff der zum Heile notwendigen Wahrheiten der menschliche Geist nicht immer ihren wahren Sinn findet, sondern vielmehr irren kann, und nicht selten gerade bei der Auslegung der an sich klarsten und für die Feststellung des Glaubens wichtigsten Stellen in Wirklichkeit irre geht.

Beweis dafür ist die Tatsache, dass die lutherische Irrlehre und die Schriften der Calviner, wie schon die Väter der angeblichen Reformation, sich in Betreff des Inhaltes der Einsetzungsworte der Eucharistie miteinander in einem unlöslichen Widerspruche befinden. Und obwohl beide Parteien sich rühmen, den Sinn jener Worte unter Bezugnahme auf die übrigen verwandten Schriftstellen und in voller Übereinstimmung mit dem ganzen Geiste des Glaubens eingehend und treulich geprüft zu haben, so verharren doch beide bei einer vollständig entgegengesetzten Auslegung dieser so hochwichtigen Worte. Wohl ist daher die Schrift an sich klar in ihren Ausdrücken, aber der Geist des Menschen ist verfinstert und vermag, der Eule gleich, diese Klarheit nicht zu schauen.

Die vorerwähnte Methode ist vortrefflich; aber der menschliche Geist versteht nicht, sie richtig anzuwenden. Das vermag einzig der Geist Gottes, mein Herr, der allein den wahren Sinn gibt; er gibt ihn aber nur seiner Kirche, die eine Säule und Grundfeste der Wahrheit ist, nur der Kirche, durch deren Diener dieser göttliche Geist die Wahrheit, d. h. den wahren Sinn seines Wortes, bewahrt und erhält; der Kirche, der allein der unfehlbare Beistand des Geistes der Wahrheit zur Seite steht, um gehörig, richtig und untrüglich den wahren Sinn des göttlichen Wortes festzustellen, so dass der, welcher den wahren Sinn dieses himmlischen Wortes, außerhalb der Kirche, der Bewahrerin desselben, sucht, ihn niemals findet. Ja, wer ihn ohne ihre Vermittlung finden will, schließt statt der Wahrheit nur ein Trugbild in seine Arme, und statt der sicheren Klarheit des heiligen Wortes folgt er den Irrlichtern jenes falschen Engels, der die Gestalt eines Lichtengels anzunehmen weiß.

So machten es schon vor alten Zeiten sämtliche Häretiker. Alle gaben vor, die Schrift besser zu verstehen und die Kirche zu reformieren, während sie die Wahrheit außerhalb des Schoßes der Braut suchten, welcher der himmlische Bräutigam als einer treuen Bewahrerin und makellosen Hüterin sie anvertraut hat, um sie an seine teuren, echten Kinder auszuteilen.

Das wäre es nun, mein Herr, was ich Ihnen im wesentlichen zu sagen habe; es steht dies auch nicht im entferntesten im Widerspruch mit der Lehre der heiligen Väter, welche Herr v. Mornay (Philipp v. Mornay bekleidete unter Heinrich IV. hohe Staatsämter, zog sich aber nach der Rückkehr des Königs zur katholischen Kirche in das Privatleben zurück und schrieb u. a. ein großes Werk über das Abendmahl, welches unter den Protestanten vielen Beifall fand und in Verbindung mit dem sonstigen Eifer des Verfassers für die protestantische Sache demselben unter seinen Parteigenossen den Namen des „Hugenotten-Papstes” eintrug. Er starb am 11. November 1623.) in dem Werke anführt, das Sie so gütig waren, mir gestern Abend zu übersenden. Ich stelle Ihnen dasselbe heute Morgen wieder dankend zurück mit der Versicherung, dass ich unablässig eine günstige Gelegenheit herbeiwünsche, Ihnen beweisen zu können, wie sehr ich bin

Ihr u. s. w.


 

11. Ermunterung an einen Seelsorger, an der ihm zugewiesenen Stelle mit treuem Eifer auszuharren.

Sales, den 15. September 1607.

Verzeihen Sie gütigst, mein lieber Herr Bruder, dass ich so spät Ihren ersten Brief, den Sie an mich gerichtet haben, beantworte; ich werde nicht mehr so säumig sein, wenn Sie mir wieder die Freude machen, zu schreiben. Aber ich war so mit den Vorbereitungen zu meiner Abreise beschäftigt, dass mir kein Augenblick frei blieb, um Ihnen zu antworten. Unter diesen Umständen verspreche ich mir von Ihrer Liebe, dass sie mir diese Verzögerung nicht übel deuten werden.

Ich bleibe dabei: Sie müssen Gott dienen, wo Sie sind, et facere quod facis (Und tun, was Sie tun.). Nicht als wollte ich Ihnen, mein lieber Bruder, wehren, in Ihren frommen Übungen sowie in der Läuterung Ihres Herzens stets voranzuschreiten, sondern fac quod facis, et melius quam facis (Tun Sie, was Sie tun, und zwar noch besser als Sie es gegenwärtig tun.), denn ich weiß wohl, dass Gott in der Person des Abraham allen Gläubigen befahl: Ambula coram me, et esto perfectus (Wandle vor mir und sei vollkommen: 1 Mos. 17, 1.), und ferner: Beati qui ambulant in viis Domini (Glückselig, die da wandeln auf den Wegen des Herrn: Ps. 127, 1.), und unsere Väter: euntes ibant, et in corde suo ascensionem disponebant, ut irent de virtute in virtutem (Sie wandelten ihren Weg und in ihrem Herzen richteten sie Aufsteige her, um von Tugend zu Tugend sich zu erheben: Ps. 83, 6. 8.). Fahren Sie also mit frischem Mute fort, diesen Weinberg zu bebauen, indem Sie Ihre geringe Arbeit dem geistigen Wohle der Seelen widmen, quas servavit sibi Dominus, ne flecterent genua ante Baal in medio populi polluta labia habentis (Welche sich der Herr bewahrt hat, damit sie nicht ihr Knie beugen vor Baal inmitten eines Volkes, dessen Lippen befleckt sind: vgl. 4 Kön. 19, 10 und Js. 6, 5.). Wundern Sie sich nicht, wenn noch keine Früchte sich zeigen; quia si patienter opus Domini feceris, labor tuus non erit inanis in Domino (Wenn du das Werk des Herrn mit Geduld verrichtest, so wird deine Arbeit nicht vergeblich sein im Herrn: Kor. 15, 58.). Ach, mein Herr, Gott hat uns genährt mit der süßen Milch so vieler Tröstungen, damit wir, herangewachsen, uns beeilen, zu helfen an der Wiedererbauung der Mauern Jerusalems, entweder indem wir Steine herbeitragen, oder den Mörtel rühren, oder mit dem Hammer arbeiten. Auf mein Wort: Bleiben Sie, wo Sie sind; tun Sie getreulich und in guter Absicht alles, was Sie füglich tun können, und Sie werden sehen, dass si credideris, videbis gloriam Dei (Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes schauen: Joh. 11, 40.). Sie werden wohltun, wenn Sie jeden Gedanken, Ihre Stelle zu wechseln, für eine Versuchung halten; denn solange Ihr Geist auswärts umherschweift, wird er sich niemals angelegen sein lassen, da, wo Sie sind, nützlich zu wirken. Übrigens will ich das alles in jenem Vertrauen, welches Sie mir in Ihrem Briefe entgegenbringen, sowie mit der aufrichtigsten Freundschaft gesagt haben, welche ich für Sie hege in visceribus eius, cuius viscera pro amore nostro transfixa sunt (Im Herzen desjenigen, dessen Herz durchbohrt wurde aus Liebe zu uns.). Ihn auch flehe ich an, dass er mehr und mehr den Eifer für seine Ehre in Ihnen entflammen wolle, und ich verbleibe von ganzem Herzen

Ihr u. s. w.


 


 

12. Eifer und Wachsamkeit eines wahren Hirten der Kirche.

Christliches Opferleben.

An Frau von Chantal.

Anfang August 1606.

Ach Gott, meine gute Tochter, wie sehr gereichen mit Ihre Briefe zum Troste,

und wie lebhaft spricht sich darin Ihr Herz und Ihr Vertrauen zu mir aus, und zwar in einer so lauteren Reinheit, dass ich darin die Hand Gottes erkennen muss. Ich sah in den vergangenen Tagen erschreckliche, mit zehn bis zwölf Ruten (1 Rute = 1 Yard = 3 Fuß = 91,44 cm) dickem Eise bedeckte Berge. Die Bewohner der benachbarten Täler erzählten mir, ein Hirte, der hinüberging, eine verirrte Kuh zu suchen, sei in einen zwölf Ruten tiefen Gletscherspalt gestürzt und im Eise umgekommen. O mein Gott, seufzte ich, der Eifer dieses Hirten beim Aufsuchen seiner Kuh war so glühend, dass selbst dieses Eis ihn nicht abzukühlen vermochte! Und ich, warum doch bin ich so träge beim Aufsuchen meiner Schafe? Wahrlich dieser Gedanke ergriff mich tief, und mein sonst so erstarrtes Herz taute einigermaßen auf.

Es war ein wundersamer Anblick: die Täler mit Häusern übersät, die Berge starrend von Eis bis auf den Grund. Ja, geringe Witwen und arme Bäuerinnen bringen Frucht tiefen Talesgrund, und Bischöfe, so hoch in Kirche Gottes erhoben, starren in eisiger Kälte! Ach, gibt es denn keine Sonne, die mächtig genug ist, die Eisrinde zu schmelzen, welche mein Herz umschließt? Gleichzeitig brachte man mir die Beschreibung von dem Leben und Tode einer heiligen Bäuerin meiner Diözese, welche im Juni gestorben ist. Was glauben Sie wohl, was für Gedanken mir dabei kamen? Ich werde Ihnen eines Tages einen Auszug aus der Lebensgeschichte zusenden. Es ist, ohne zu übertreiben, ungemein viel Rührendes in dieser einfachen Geschichte einer verheirateten Frau, welche mich mit ihrer Freundschaft beehrt und oft in ihren Gebeten dem lieben Gott empfohlen hat.

Soeben, meine teure Tochter, redete ich zu dem Herrn für Sie bei der heiligen Messe; indessen habe ich es wirklich nicht gewagt, von ihm durchaus Ihre Erlösung zu erbitten; denn wenn es ihm gefällt, das Opfer, das ihm dargebracht werden soll, zu enthäuten, so steht mir der Wunsch nicht zu, er möge es nicht tun. Aber ich habe ihn angefleht und beschworen bei jener äußersten Verlassenheit, welche ihm den blutigen Schweiß und am Kreuze den Angstruf auspresste: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!” (Matth. 27, 46.) er möge Sie immerdar beschützen, wie er bisheran getan, ohne dass Sie wissen, von welcher Seite er Ihnen seine Hand zur Stütze reicht. Gewiss, Sie tun wohl daran, wenn Sie einfach unseren gekreuzigten Heiland betrachten und ihm Ihre Liebe und vollkommene Ergebung beteuern, mag Ihnen dieselbe auch noch so trocken, unempfindlich und kalt vorkommen, anstatt sich damit aufzuhalten, Ihr Leid zu betrachten und zu untersuchen, wäre es selbst, um mir dasselbe zu klagen. Kurz, wir gehören ja ganz Gott an, ungeteilt, ohne Vorbehalt und ohne irgendwelche Ausnahme, und verlangen nichts mehr auf Erden als die Ehre, sein Eigentum zu sein. Nähmen wir in unserem Herzen auch nur das geringste Fäserchen (Faser) einer Zuneigung wahr, welche nicht für ihn und nicht von ihm wäre, o Gott, wir würden es unverzüglich ausreißen. Verbleiben wir also im Frieden und sprechen mit dem großen Liebhaber des Kreuzes: „Im übrigen falle niemand mir lästig, denn ich trage in meinem Herzen die Wundmale meines Jesus.” (Gal. 6, 17.) Ja, meine vielgeliebte Tochter, wüssten wir nur ein einziges Fleckchen in unseren Herzen, welches nicht bezeichnet wäre mit dem Stempel des Gekreuzigten, wir würden es keinen Augenblick länger darin dulden. Weshalb also sich beunruhigen? „Meine Seele, hoffe auf den Herrn! Warum bist du traurig und warum verwirrst du mich? ist doch der Herr mein Gott, und mein Herz gänzlich sein Eigentum.” (Ps. 42, 5.) Ja, meine geliebte Tochter, beten Sie für denjenigen, der Ihnen unaufhörlich tausend Segnungen wünscht, vor allem aber die vollkommene göttliche Liebe, welche die Segnung aller Segnungen ist.


 

 

13. Vorzug der christlichen Freundschaft vor derjenigen der Weltkinder.

(Vgl. Philothea III, 19: „Über die wahre Freundschaft”.)

An einen Geistlichen.

September 1617.

Da es noch immer sehr dahinsteht, ob es zu der ersehnten Reise, welche uns, mein lieber Herr Bruder, auf mehrere Monate zusammenführen sollte, kommen wird, so bedaure ich nichts so sehr, als den Aufschub des Glückes, womit unsere Herzen erfreut worden wären, hätten wir uns einmal nach Wunsch über unsere heiligen Bestrebungen unterhalten können; aber die ganze Welt und alle ihre Angelegenheiten sind so sehr den Gesetzen der Unbeständigkeit unterworfen, dass auch wir diese Unbequemlichkeit uns gefallen lassen müssen; wenn nur unsere Herzen ausrufen können: Non movebor in aeternum.“ (Ich werde nicht wanken in Ewigkeit: Ps. 27, 7.) Nein, nichts wird unsere Liebe zum Kreuze und die Einigung unserer Herzen, die der Gekreuzigte gestiftet bat, zum Wanken bringen. Aber gerade dies ist die Zeit, den Vorzug unserer Freundschaft vor jener der Weltkinder zu beweisen und sie in ihrer ganzen Herrlichkeit leben und herrschen zu lassen trotz Abwesenheit und Trennung, da ja ihr Urheber weder an Ort noch Zeit gebunden ist. Gewiss, mein lieber Bruder, die heiligen Freundschaften, welche in Gott gegründet sind, sind unabhängig von allem, was außerhalb Gottes ist. -- Wenn ich übrigens wirklich ein Theophilus wäre, wie Ihr großer Prälat mich mehr infolge seiner eigenen großen Herzensgüte als in Kenntnis meiner Schwächen nennt, wie sehr müsste ich Ihnen dann gefallen, geliebter Bruder! Können Sie mich aber noch nicht lieben, weil ich es bin, so helfen Sie durch Ihre Liebe, dass ich es werde, indem Sie unseren großen Androphilus bitten, dass er mich durch sein Gebet zu seinem Theophilus mache. In wenig Tagen hoffe ich auf kurze Zeit bei ihm, unserem gemeinsamen Phönix, mich der heiligen Ruhe hingeben zu können, um den Duft des Zimtholzes einzuatmen, in dessen Flammen er sterben will, um desto seliger in dem Feuer der heiligen Liebe wieder aufzuleben, deren herrliche Eigenschaften er schildert in einer Schrift, mit der er eben beschäftigt ist.

Wer aber konnte Ihnen sagen, unsere guten Schwestern von der Heimsuchung seien mit ihren Niederlassungen und Bauten auf Hindernisse gestoßen? O mein teurer Bruder! Dominus refugium factum est nobis (Ps. 39, 1.): Der Herr ist die Zuflucht ihrer Seelen; sind sie nicht überglücklich? Noch gestern sagte mir unsere gute Mutter mitten in ihrer heftigen Krankheit: „Wenn die Schwestern unserer Genossenschaft recht demütig und ihrem Gotte treu sind, so wird das Herz Jesu, ihres gekreuzigten Bräutigams, ihr Obdach und ihr Aufenthalt in dieser Welt und sein himmlischer Palast ihre Wohnung in der Ewigkeit sein.”

Ich muss es Ihrem so sehr geliebten Herzen im Vertrauen mitteilen, dass es mich mit unbeschreiblicher Freude erfüllt, wenn ich die Fassung dieser teuren Mutter und ihre gänzliche Losschälung von allen irdischen Dingen sehe, welche sie bei all diesen kleinen Widerwärtigkeiten beweist. Nur Ihrem Herzen allein vertraue ich dieses an; denn ich habe mir vorgenommen, nichts über diejenige zu sagen, welche die Stimme des Gottes Abrahams vernommen hat: Egredere de terra tua, et de cognatione tua, et de domo patris tui, et veni in terram quam monstrabo tibi. (Ziehe aus aus deinem Lande und aus deiner Verwandtschaft und aus dem Hause deines Vaters, und komme in ein Land, das ich dir zeigen werde: 1 Mos. 12, 1.) Wahrlich, sie tut das, und mehr als das. So bleibt mir also nichts anderes übrig, als sie Ihrem Gebete zu empfehlen, weil die häufigen Anfälle ihrer Krankheit uns ebenso häufig Anlass zu Befürchtungen geben, obwohl ich nicht aufhöre zu hoffen, der Gott unserer Väter werde seinen frommen Samen vervielfältigen wie die Sterne des Himmels und die Sandkörner am Ufer des Meeres.

Aber, mein Gott, ich sage zu viel über einen Gegenstand, über den ich eigentlich nicht sprechen wollte; indessen, es ist nur für Sie; und Ihnen kann ich ja alles anvertrauen, weil Sie ein Herz haben, welches unvergleichlich ist in seiner Liebe für den, der mit innigster Verehrung Sie versichert, dass er mit unbegrenzter Liebe verbleibt

Ihr u. s. w.



 

14. Beständigkeit der christlichen Freundschaft.

An einen befreundeten Geistlichen.

(Nebst einem Porträt des Heiligen.)

Geliebtester Bruder! Sie richten an mich die Frage: Wird Ihr Herz mir immer und unter allen Umständen treu und gewogen bleiben? Meine Antwort ist folgende: O mein teurer Bruder, drei einander innig befreundete Männer, alle drei Heilige, alle drei Kirchenlehrer, alle drei große Meister der Moraltheologie, die hll. Ambrosius, Hieronymus und Augustinus, hatten den Wahlspruch: Amicitia, quae desinere potuit, nunquam vera fuit. (Eine Freundschaft, die ein Ende nehmen konnte, war niemals echt.) Da haben Sie, teurer Bruder, das heilige Orakel, welches Ihnen die unwandelbare, ewige Dauer unserer Freundschaft verkündigt, da sie eine heilige und ungeheuchelte, auf die Wahrheit und nicht auf die Eitelkeit gegründete, aus der Gemeinsamkeit geistlicher Güter und nicht auf vergänglichen Interessen und dem Austausch zeitlicher Güter beruhende Freundschaft ist. In rechter Weise lieben und doch aufhören können, Sie zu lieben, das wären zwei miteinander unverträgliche Dinge.

Die Freundschaft der Weltkinder trägt auch die Natur der Welt an sich; die Welt vergeht, und vergänglich sind ihre Freundschaften. Aber die unsrige ist von Gott, in Gott und für Gott: Ipse autem idem ipse est, et anni eius non deficient.

Mundus perit et concupiscentia eius; Christus non perit, nec dilectio eius. (Gott ist ewig der nämliche, und seine Jahre nehmen nicht ab. Die Welt vergeht mit ihrer Lust; Christus aber vergeht nicht und ebensowenig seine Liebe: vgl. Ps. 101, 28. - 1 Joh. 2, 1 7. - 1 Kor. 13, 8.) Der Schluss ergibt sich von selbst.

In den Briefen Ihrer teuren Schwester spricht sich immer so viel Liebe für mich aus, dass ich wirklich nicht imstande bin, nach Gebühr dafür zu danken. Gleiches gilt von Ihnen, und bitte ich Sie daher, für sich selbst wie für die Schwester den Ausdruck meines innigsten Dankes zu genehmigen für so viel Freude, die Sie mir machen.

Da haben Sie denn auch das Bild dieses irdischen Menschen; Sie sehen, wie wenig ich imstande bin, Ihnen irgend einen Wunsch zu versagen.

Man sagt mir, ich sei auf keinem Bild gut getroffen; doch ich denke, es liegt wenig daran. In imagine pertransit homo, sed et frustra conturbatur.

(Wie ein Schattenbild geht der Mensch vorüber, und umsonst stürzt er sich in Unruhe: Ps. 38, 7.) Ich habe es geliehen, um es Ihnen zum Geschenk zu machen; ich habe selbst keines für mich. Ach, wenn nur das Bild unseres Schöpfers in vollem Glanze aus meinem Geiste hervorleuchtete, mit welcher Freude könnten Sie es dann betrachten! O Jesus, tuo Iumine tuo redemptos sanguine sana, refove, perfice, tibi conformes effice. Amen (O Jesus, mit deinem Lichte heile, erquicke, vollende uns und mache uns dir gleichförmig, der du uns durch dein Blut erkauft hast. Amen.)


 

       Inhaltsverzeichnis

  Erstes Buch: Briefe an junge Damen
    Zweites Buch: Briefe an verheiratete Frauen.
    Drittes Buch: Briefe an Witwen.
    Viertes Buch: Briefe an Freunde weltlichen und geistlichen Standes.
    Fünftes Buch: Briefe über den Klosterberuf und das Ordensleben.
    Sechstes Buch: Rat und Trost bei äußeren und inneren Leiden.
    Siebentes Buch: Trostbriefe beim Tode teurer Angehöriger.
    Achtes Buch: Trostbriefe an Kranke.
    Neuntes Buch: Festbriefe.


 



 

Fünftes Buch.

Briefe über den Klosterberuf und das Ordensleben.

 

1. An einen EdeImann, der beabsichtigte, sich von der Welt zurückzuziehen.

Danken Sie Gott, mein Herr, für das Glück, dass er Ihnen in den Sinn gegeben hat, die breite Heerstraße zu verlassen, welche Leute Ihres Alters und Standes sonst gewöhnlich einschlagen, und auf welcher sie meist in tausend Laster und Schwierigkeiten und schließlich nur allzu oft in die ewige Verdammnis geraten. Damit indessen der Ruf Gottes nicht vergebens an Sie ergangen sei, und damit Sie noch mehr Licht empfangen über den Stand, den Sie zu wählen haben, um nach aller Möglichkeit der unendlichen Barmherzigkeit zu entsprechen, die Sie zu Ihrer vollkommenen Liebe hinführen will, rate ich Ihnen für die Nächsten drei Monate folgende Übungen vorzunehmen.

Fürs erste versagen Sie sich einige Bequemlichkeiten, die Sie sich sonst wohl gestatten könnten, ohne Gott zu beleidigen. Stehen Sie täglich um sechs Uhr auf, mögen Sie nun gut oder schlecht geschlafen haben; nur im Falle wirklicher Krankheit dürfen und müssen Sie auf Ihren Zustand gebührende Rücksicht nehmen. Um an den Freitagen ein übriges zu tun, erheben Sie sich schon um fünf Uhr. Auf diese Weise werden Sie zugleich mehr Zeit für das Gebet und die Lesung gewinnen.

Gewöhnen Sie sich ferner, jeden Tag vor oder nach der Betrachtung mit ausgespannten Armen fünfzehn Vaterunser und Ave Maria zu beten.

Außerdem verzichten Sie auf die Freuden der Tafel, indem Sie von den Speisen, die auf den Tisch kommen, gerade diejenigen wählen, die Ihnen am wenigsten zusagen, wofern sie nur der Gesundheit nicht nachteilig sind, und sich dafür diejenigen versagen, welche Ihnen die liebsten sind.

Auch möchte ich, dass Sie einige Male in der Woche unausgekleidet schliefen (schlafen).

Diese kleinen und unbedeutenden Abtötungen haben einen doppelten Zweck: einmal wird dadurch Ihr Geist desto eher das nötige Licht empfangen, um Ihre Wahl zu treffen; und es ist merkwürdig, wie bei übrigens guter und kräftiger Gesundheit die Kasteiung des Körpers den Geist zu erheben vermag. Dann aber ist es zugleich eine Probe, inwieweit Sie sich einer harten Lebensweise unterwerfen können und inwieweit eine solche Ihnen widerstrebt. Ein solcher Versuch ist notwendig, um die in Ihrem Herzen rege gewordene Neigung, sich von der Welt zurückzuziehen, zu erproben. Wenn Sie in dem Wenigen, was ich Ihnen zumute, getreu gewesen sind, wird man beurteilen können, wie Sie sich stellen werden zu dem Vielen, was im Kloster gefordert wird.

Bitten Sie den Herrn inständigst um Erleuchtung und wiederholen Sie oft das Wort des hl. Paulus: „Herr, was willst du, dass ich tun soll? – Domine, quid me vis facere? (Apg. 9, 6.) und das Gebet Davids: Doce me facere voluntatem tuam, quia Deus meus es tu (Lehre mich deinen Willen vollbringen; denn mein Gott bist du: Ps. 142, 10.); besonders wenn Sie in der Nacht aufwachen, so benutzen Sie die Zeit, um allein mit Gott sich über Ihre Berufswahl zu unterhalten; beteuern Sie häufig vor seiner Majestät, dass Sie alles ihm anheimgeben, jeden Augenblick Ihres Lebens ihm zur Verfügung stellen wollen: er möge darüber bestimmen nach seinem Wohlgefallen.

Unterlassen Sie nie das Morgen- und Abendgebet, und ziehen sich womöglich vor dem Nachtessen etwas zurück, um Ihr Herz zu Gott zu erheben.

Zur Erholung wählen Sie anstrengende Übungen, wie Reiten, Springen und dergleichen; vermeiden aber weichliche Unterhaltungen, wie Kartenspiel und Tanz. Tut es Ihnen bisweilen leid um das Lob, das Ihnen die Geschicklichkeit in derartigen Dingen eintrug, ach, so sprechen Sie: Was nutzt mir alles dieses für die Ewigkeit?

Kommunizieren Sie jeden Sonntag und flehen immer dabei um die Ihnen nötige Erleuchtung; an den bevorstehenden Festtagen können Sie als besondere Übung die Kirchen der Kapuziner, der Zisterzienser und der Kartäuser besuchen. Möge Ihnen Gott seinen Frieden, seine Gnade, sein Licht und seinen heiligen Trost verleihen!

Fühlen Sie den Zug zum Klosterleben in sich erstarken und drängt Sie Ihr Herz dazu, so sprechen Sie darüber mit Ihrem Beichtvater. Ist aber Ihr Entschluss gefasst, so suchen Sie den Großvater allmählich auf die Trennung von Ihnen vorzubereiten, damit nicht das Kloster, sondern Sie allein Unwille und Tadel zu tragen haben. „Wie gut ist Gott gegen sein Israel, wie gut gegen die, so rechten Herzens sind!” (Ps. 72, 1.)
 

Betrachtungen für eine Person, welche Beruf zum Kloster in sich fühlt.

Erwägen Sie zunächst, dass unser Herr, obwohl er seine Geschöpfe zu jeglicher Art von Dienst und Gehorsam hätte verpflichten können, dies dennoch nicht tun wollte, sondern sich begnügte, von uns die Befolgung seiner Gebote zu fordern. Hätte er befohlen, dass wir unser ganzes Leben lang fasteten, dass wir samt und sonders das Leben von Einsiedlern, Kartäusern oder Kapuzinern führten, so würde selbst das wie nichts gewesen sein gegen die großen Verpflichtungen, die wir gegen ihn haben. Nichtsdestoweniger will er zufrieden sein, wenn mir nur seine Gebote beobachten.

Erwägen Sie zweitens, wenn er uns auch zu einem höheren Dienste nicht verpflichtet hat, als wir ihm leisten durch Befolgung seiner Gebote, so hat er uns doch eingeladen und angeraten, ein ganz vollkommenes Leben zu führen und allen Eitelkeiten und Lüsten der Welt gänzlich zu entsagen.

Erwägen Sie drittens: mögen Sie in Befolgung der Räte unseres Herrn eine mehr eingeschränkte Lebensweise wählen oder auf dem gewöhnlichen Lebenswege sich halten, indem Sie einfach die Gebote Gottes erfüllen, auf alle Fälle werden Sie mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Ziehen wir uns von der Welt zurück, so wird es uns Mühe kosten, unsere Begierden stets im Zaume zu halten, uns selbst zu verleugnen, dem Eigenwillen zu entsagen und in vollkommener Unterwerfung unter die Gesetze des Gehorsams, der Keuschheit und der Armut zu leben. Bleiben wir aber auf dem gewöhnlichen Wege, so müssen wir uns unaufhörlich damit abplagen, die uns umgebende Welt zu bekämpfen, den zahllosen Gelegenheiten zur Sünde zu widerstehen, um bei so vielen Stürmen mit unserem Schifflein nicht zu scheitern.

Erwägen Sie viertens, dass wir, wenn wir fern von der Welt Gott treu dienen, uns in diesem wie im künftigen Leben tausendfältigen Trostes zu erfreuen haben.

In dem einen Gedanken, alles für Gott verlassen zu haben, liegt allein mehr Befriedigung, als tausend Welten zu bieten vermögen. Unter der Leitung des Gehorsams zu stehen, hinter den Schranken der Satzungen geborgen und gegen so viele Fallstricke gesichert zu sein, ist ein unbeschreiblich süßes Gefühl; nicht zu reden von dem Frieden und der Ruhe, die man im Kloster findet, von der Wonne, Tag und Nacht nur mit Gebet und anderen göttlichen Dingen beschäftigt zu sein, und von ähnlichen Freuden, wie sie das Ordensleben bietet. Was aber andererseits das gewöhnliche Leben angeht, so hat auch dieses seine Vorzüge: die Freiheit, die Gelegenheit, Gott in der mannigfaltigsten Weise zu dienen, die Bequemlichkeit, nur an die Gebote Gottes gebunden zu sein, und was dergleichen mehr ist.

Endlich aber sprechen Sie zu Gott: O mein Herr, in welchem Stande soll ich dir dienen? Ach, meine Seele, treu wirst du bleiben, wohin dein Gott dich auch ruft. Aber welcher Weg wird der beste für dich sein? Prüfen Sie dann Ihre Seele, ob sie nicht nach der einen Seite sich mehr hinneigt als nach der anderen. Haben Sie eine solche Vorneigung bei sich gefunden, so fassen Sie immer noch keinen Entschluss, sondern warten ab, bis man Ihnen sagt, dass es Zeit dazu ist.

Fernere Erwägungen.

Denken Sie sich den hl. Joseph, wie er mit der ihrer Niederkunft nahen heiligen Jungfrau in Bethlehem ankommt, wie er von Haus zu Haus um ein Unterkommen bittet, aber niemand findet, der sie aufnehmen will. O Gott, wie verachtet und verschmäht doch die Welt solche himmlische und heilige Leute, und wie bereitwillig nehmen die heiligen Seelen diese schnöde Behandlung hin!

Ohne sich dagegen aufzuwerfen, ohne auf Grund ihres hohen Ranges eine Gegenvorstellung zu machen, ertragen sie mit unvergleichlicher Sanftmut jede Abweisung, jede Härte. Ach, wie bin ich dagegen so erbärmlich: der geringste Verstoß gegen die Ehrerbietung, welcher in Wirklichkeit oder in meiner Einbildung mich trifft, bringt mich in Unruhe und Aufregung und reizt mein Selbstgefühl und meinen Stolz; überall dränge ich mich mit aller Gewalt an die Spitze. Ach, wann werde ich die Tugend erringen, mich selbst und alle Eitelkeit zu verachten?

Betrachten Sie, wie der hl. Joseph und unsere liebe Frau den Eingang zu der Grotte betreten, die mitunter den Reisenden als Stallung diente, jetzt aber Zeugin der Geburt des Erlösers werden soll. Wo bleiben da die stolzen Paläste, welche der Ehrgeiz der Welt als Wohnungen für erbärmliche und nichtswürdige Sünder erbaut? O welche Verachtung irdischer Große hat uns der göttliche Heiland gelehrt! Wie glücklich sind jene, welche heilige Einfachheit und Beschränkung zu lieben verstehen! O ich Elender! Paläste verlange ich, und bin damit noch nicht zufrieden, und vor mir liegt mein Erlöser unter einem durchlöcherten Dache auf Heu kärglich und elend gebettet!

Betrachten Sie das neugeborene Kindlein, wie es, in ärmliche Lumpen gehüllt, zitternd vor Frost in der Krippe liegt. Ach, wie ist alles zum Erbarmen; so gering und so niedrig bei seiner Geburt! Wie sind wir dagegen so verzärtelt, so abhängig von unseren Bequemlichkeiten, so begierig nach Sinnengenuss! Es ist dringend notwendig, in uns die Verachtung der Welt und den Wunsch zu erwecken, für unseren Heiland Verachtung, Unbequemlichkeit, Armut und Entbehrung zu leiden.

Sind Sie noch manchmal bei vorübergehenden Unpässlichkeiten etwas wunderlich, so wird mit der Zeit sich auch das machen. Der menschliche Geist macht, ohne dass wir es merken, so viele Winkelzüge, dass wir uns nicht wundern können, wenn ihm so etwas nicht schmecken will. Je weniger man aber sich diesem Missbehagen überlässt, desto besser ist es.

 

2. Über den Beruf zum Ordensstande.

Der echte Beruf ist nichts anderes als der feste und standhafte Wille des Berufenen, Gott auf die Weise und an den Orten zu dienen, wozu seine göttliche Majestät uns berufen hat. Dies ist das beste Merkmal, woran man erkennen kann, ob ein Beruf echt ist. Es ist durchaus nicht erforderlich, dass eine solche Seele von vornherein allen Anforderungen ihres Berufes genüge mit einer von jedem Widerwillen, von jeder Unlust und Schwierigkeit freien Festigkeit und Standhaftigkeit; noch weniger braucht es eine Festigkeit und Standhaftigkeit von der Art zu sein, dass sie jeden Fehler ausschlösse oder dass niemals ein zweifelndes Schwanken einträte in Betreff der Mittel und Wege, die man einschlagen will, um zur Vollkommenheit zu gelangen; müssen doch alle Menschen derartiges an sich erfahren, sind doch alle den wechselnden, schwankenden Stimmungen unterworfen, ohne dass man aber auf diese Regungen und Zufälligkeiten hin sich ein festes Urteil bilden könnte; wenn nur der Wille fest bei dem Entschlusse beharrt, von dem einmal umfassten Gute nie wieder zu lassen, sollte auch eine gewisse Unlust sich einstellen und die erste Begeisterung nachlassen.

Es braucht daher, um ein Zeichen wahren Berufes zu haben, keineswegs eine fühlbare Standhaftigkeit vorhanden zu sein, sondern nur eine solche, die wirklich zum Handeln führt. Um zu erfahren, ob es Gottes Wille ist, dass man sich dem Ordensstande widme, darf man nicht darauf warten, bis Gott in sinnlich vernehmbarer Weise zu uns redet oder einen Engel vom Himmel sendet, um uns seinen Willen kundzugeben; es bedarf eben keiner besonderen Offenbarung über diese Frage. Auch braucht man nicht zehn oder zwölf Doktoren der Sorbonne (Die bis in die neuere Zeit hochberühmte Universität von Paris.), um zu prüfen, ob die Eingebung eine gute oder böse ist, und ob man derselben Folge leisten soll oder nicht; sondern man hat nur die erste Anregung recht aufzunehmen und derselben zu entsprechen, und soll nachher sich nichts daraus machen, wenn auch die anfängliche Lust und Begeisterung sich abkühlen sollte.

Denn wenn man stets festen Willens bleibt, ein Gut zu erstreben, welches Gott uns vorhält, so wird er auch nicht verfehlen, es uns zu seiner Ehre erreichen zu lassen. Mag der äußere Anstoß zu dem Berufe herkommen, woher er will, er ist genügend, wenn man nur zugleich eine Inspiration oder einen Antrieb im Herzen empfunden hat, das Gut zu erstreben, zu welchem man sich berufen fühlt, und wenn man nur mit Festigkeit und Standhaftigkeit bei diesem Streben beharrt trotz alles sich etwa einstellenden Widerwillens und inneren Sträubens.

Hier muss man nun liebreich den Seelen zu Hilfe kommen und sie belehren, dass man sich nicht wundern darf über einen derartigen Wechsel und Wandel der Stimmung; man muss sie anfeuern, trotzdem fest zu bleiben und sich wegen dieser Gemütsstimmungen keinen Kummer zu machen, noch auch denselben besondere Beachtung zu schenken. Vielmehr sollen sie sich zufrieden geben mit jenem standhaften Willen, der ja trotz alledem die Hinneigung zu dem anfänglichen Entschlusse nicht verloren hat; und sollen nur darauf bedacht sein, diese Neigung recht in sich zu bestärken und der ersten Anregung wohl zu entsprechen, ohne Rücksicht darauf, von welcher Seite sie kommen mag. Gott hat ja mehrfache Mittel, seine Diener und Dienerinnen zu seinem Dienste zu berufen; bald bedient er sich dazu der Predigt, bald der Lesung guter Bücher, bald der Leiden, Unglücksfälle, Trübsale und Widerwärtigkeiten, die uns treffen; bald ist es die Welt, die uns Anlass gibt, uns über sie zu ärgern und uns von ihr abzuwenden. Alle diese Anlässe haben Gott große Diener und Dienerinnen zugeführt.

Andere kommen ins Kloster wegen natürlicher Gebrechen des Körpers, weil sie hinkend, schielend oder sonst hässlich sind; andere werden von ihren Eltern hineingebracht, welche durch diese Entlastung ihre übrigen Kinder emporbringen wollen. Gleichwohl zeigt Gott sehr häufig die Größe seiner Milde und Erbarmung gerade dadurch, dass er, ungeachtet jener durchaus nicht zu billigenden Beweggründe, aus solchen Personen große Diener seiner göttlichen Majestät macht.

Kurz, er ladet zu seinem Festmahle die Lahmen und Blinden, um uns zu zeigen, dass leibliche Augen und Beine uns nichts helfen können auf dem Wege zum Paradiese. Schon manche, die auf diese Weise ins Kloster gekommen sind, haben viel Frucht gebracht und treu in ihrem Berufe ausgeharrt; während andere, die recht berufen waren, trotzdem nicht ausharrten, sondern nach kurzem Verweilen alles im Stich ließen. Ein Beispiel davon haben wir an Judas, an dessen wahrem Berufe wir nicht zweifeln können, da der Herr selbst ihn gleich den übrigen auserwählt und berufen hatte; und er konnte doch bei seiner Wahl sich nicht täuschen, weil er die Gabe der Unterscheidung der Geister besaß.

So viel steht fest, wenn Gott nach seiner Weisheit und Vorsicht jemand beruft, so übernimmt er auch die Verpflichtung, einem solchen alle jene Hilfe zu gewähren, die erforderlich ist, um ihn in seinem Berufe vollkommen zu machen. Beruft er einen zum Christentum, so macht er sich anheischig (verpflichtet sich / geht daran), ihm alles zu gewähren, was ihn zu einem guten Christen machen kann. Ebenso, wenn er jemand zum priesterlichen oder zum bischöflichen Amte oder zum Ordensstande beruft, verpflichtet er sich zugleich, ihm alle Hilfsmittel zu gewähren, um in seinem Berufe vollkommen zu werden.

Dessenungeachtet dürfen wir nicht glauben, wir seien es, die ihn hierzu verpflichten, indem wir den Priester- oder Ordensstand ergreifen. Den Herrn kann man sich nur in ähnlicher Weise verpflichten, wie wenn jemand aus freien Stücken sich eine Verpflichtung auferlegt; wir können es nur, indem wir auf seine unendliche Güte und Barmherzigkeit rechnen. Wenn ich demnach mich dem Ordensstande widme, so ist der Herr schuldig, mir alles an die Hand zu geben, was ich nötig habe, um eine gute Ordensperson zu werden; es ist dies aber keineswegs eine Pflicht für ihn, sondern er ist dazu nur durch seine Barmherzigkeit und gütige Vorsehung verbunden. Wirklich lässt es die göttliche Majestät in solchen Fällen niemals an ihrer besonderen Fürsorge fehlen.

Und damit wir umso fester daran glauben, hat sie sich in der Art dazu verpflichtet, dass niemals der Wahn entstehen kann, an ihr liege die Schuld, wenn wir in einem solchen Stande unser Ziel nicht erreichen. Ja, Gott gewährt sogar manchmal die nämliche Stütze und Hilfe jenen, die er nicht berufen hat; so groß ist seine Barmherzigkeit und Freigebigkeit.

Erfüllt er nun zwar auch alle nötigen Vorbedingungen, dass wir vollkommen werden können in dem Stande, wozu er uns berufen hat, so ist doch damit nicht gesagt, dass er sie alle auf einmal erfüllt, so dass die von ihm Berufenen schon gleich beim Eintritt vollkommen in ihrem Berufe wären; denn dann würde man die Orden nicht als Spitäler bezeichnen können, wie das im Altertum geschah, wo man die Mönche in griechischer Sprache Therapeuten, d. h. Ärzte, nannte, weil sie gleichsam in Spitälern sich befinden, wo einer den anderen heilen soll. Man darf also nicht glauben, durch den Eintritt in den Orden werde man mit einem Schlage in einen vollkommenen Menschen umgewandelt; wohl aber geht man ins Kloster, um dort nach der Vollkommenheit zu streben.

Es sind daher keineswegs immer die Kopfhänger, die Tränenreichen, die Seufzenden, die am meisten Beruf haben; noch auch solche, die unserem Herrgott die Füße abbeten (Ni ceux qui mangent plus de crucifix.), fast in der Kirche wohnen bleiben und stets in den Krankenhäusern sind; noch auch jene, die mit großem Eifer anfangen. Weder auf die Tränen, noch auf die Seufzer noch überhaupt auf das äußerliche Gebaren darf man achten, um die wahrhaft Berufenen herauszufinden. Diejenigen vielmehr sind es, die den festen und standhaften Willen haben, geheilt zu werden, und die daher gewissenhaft bemüht sind, die Gesundheit der Seele zu erlangen. Auch darf man es nicht für ein Zeichen wahren Berufes halten, wenn einer in seinem Übereifer es sich an seinem Berufe nicht genügen lässt und sich mit hochfliegenden Wünschen trägt, die in der Regel ohne allen Erfolg nur den Nimbus (Ruf) einer größeren Heiligkeit des Lebens um ihn verbreiten sollen; denn während man seine Zeit damit verliert, meist nichtigen Phantasiegebilden nachzujagen, unterlässt man das, was uns zur Vollkommenheit in dem Stande führen könnte, den man einmal ergriffen hat.


 

3. Das Kloster ein Krankenhaus für die Seelen.

An eine Nonne.

Den 9. September 1619.

Teure Tochter! Seit ich einen Einblick in Ihr Herz gewonnen habe, liebe ich dasselbe und empfehle es Gott von ganzer Seele, indem ich zugleich Sie dringend bitte, ja recht Sorge für dasselbe zu tragen. Trachten Sie, meine Tochter, es in Frieden zu erhalten und stets gleich gut aufgelegt zu sein. Ich sage nicht: Halten Sie es im Frieden, sondern nur: Trachten Sie danach; es sei dies Ihre Hauptsorge. Hüten Sie sich übrigens auch, um deswillen in Verwirrung zu geraten, wenn es Ihnen nicht gelingen will, immer auf der Stelle über jede üble Laune Herr zu werden.

Wissen Sie, was das Kloster ist? es ist eine richtige Korrektionsanstalt, wo jede Seele lernen muss, sich bearbeiten, abhobeln und feilen zu lassen, damit sie wohl zugerichtet und geglättet desto inniger und unzertrennlicher mit Gottes Willen vereint und verbunden werden könne. das unzweideutigste Zeichen der Vollkommenheit ist es, wenn jemand gerne zurechtgewiesen sein will. Denn solches ist die Hauptfrucht der Demut, die uns erkennen lässt, dass wir dessen bedürfen.

Das Kloster ist ein Hospital für kranke Seelen, die geheilt sein wollen und zu diesem Ende sich gerne Aderlaß, Lanzette, Wundmesser, Sonde, Eisen und Feuer sowie die bittersten Arzneien gefallen lassen. Dem entsprechend nannte man in der ersten Zeit der Kirche die Ordensleute mit einem Namen, der so viel bedeutete als „Arzt” (θεραπεύτης = Therapeut).

O meine Tochter, seien wir recht auf unsere Heilung bedacht und nehmen keine Rücksicht auf alle Einwendungen, welche die Eigenliebe dagegen erheben will. Fassen Sie vielmehr mit sanfter, liebenswürdiger Festigkeit den Entschluss: Entweder sterben oder gesund werden! Und da ich den Tod der Seele nicht mag, so will ich ihre Genesung; und um zu genesen, will ich mir jede Kur und jede Züchtigung gefallen lassen, ja ich will sogar die Ärzte bitten, mir keine schmerzliche Behandlung zu ersparen, die meiner Heilung dienlich sein kann.

Noch sagt man von Ihnen, meine Tochter, Sie litten an Gespensterfurcht. Gottes allwaltender Geist ist an allen Orten, und ohne seinen Willen und seine Zulassung regt sich kein Geist. Wie ein Küchlein (Küken) sind Sie geborgen unter seinen Flügeln: was fürchten Sie also? In meiner Jugend litt ich ebenfalls an dieser Einbildung; und um mich davon frei zu machen, zwang ich mich allmählich, allein, das Herz gewaffnet mit dem Vertrauen aus Gott, an Orte zu gehen, wo meine Einbildungskraft mir Furcht einflößte; und so habe ich mich schließlich derart gestärkt, dass die Finsternis und Einsamkeit der Nacht meine Freude ist gerade wegen der Allgegenwart Gottes, deren man in nächtlichem Alleinsein mehr nach Wunsch genießen kann.

Auch sind Sie ja von Gottes Engeln umgeben wie von einer Schutzwache. „Die Wahrheit Gottes”, spricht der Psalmist, „umgibt dich und deckt dich mit ihrem Schilde; darum habe keine Furcht vor dem nächtlichen Schrecken.” (Ps. 90, 5.) Diese Zuversicht werden Sie in demselben Maße sich aneignen, wie die Gnade Gottes in Ihnen wächst, denn die Gnade erzeugt das Vertrauen, und „das Vertrauen lässt uns nicht zu Schanden werden“ (Röm. 5, 5.).

Gott sei immerdar in Ihrem Herzen, teure Tochter; er herrsche darin in alle Ewigkeit! In seiner Liebe verbleibe ich

Ihr u. s. w.


 

4. Fühlt man Beruf zum Ordensstande, so soll man die von Gott gesetzten SeeIenführer zu Rate ziehen.

Bleibt die Einladung Gottes vernehmbar trotz aller äußeren Widersprüche, so ist das ein Zeichen des Berufes.

An eine junge Dame.

Annecy, den 3. Juli 1613.

Mein Fräulein! Sie sind der Meinung, Ihr Vertrauen, sich von der Welt zurückzuziehen, sei nicht nach Gottes Willen, da dasselbe dem Willen derer entgegen ist, die das Recht haben, Ihnen zu befehlen, und die Pflicht, Sie zu leiten. Freilich, wenn diejenigen nicht einverstanden sind, denen Gott das Recht gab und die Pflicht auferlegte, Ihre Seele zu führen und in göttlichen Dingen Ihnen zu befehlen, so haben Sie gewiss recht; denn wenn Sie diesen gehorchen, können Sie nicht irre gehen, wenn sie auch sich täuschen und Sie übel beraten können, indem sie andere Rücksichten und nicht einzig Ihr Heil und Ihren geistlichen Fortschritt im Auge behalten. Meinen Sie aber jene, die der Herr uns in häuslichen und zeitlichen Angelegenheiten zu Führern gegeben hat, so irren Sie, wenn Sie sich ihnen anvertrauen in Dingen, in welchen ihnen keine Autorität über Sie zusteht. Müsste man in solchen Fällen auf die Meinung der Eltern, auf Fleisch und Blut hören, so würden sich wenige finden, die den Weg der Vollkommenheit beträten. So viel über den ersten Punkt.

Ich sage zweitens: Da Sie nicht allein das Verlangen hatten, die Welt zu verlassen, sondern letzteres auch jetzt noch immer gerne täten, wenn diejenigen es zuließen, die Sie bisher zurückhielten, so ist dies ein offenbares Zeichen, dass Gott Sie im Kloster haben will, da er ja ungeachtet all dieser Widersprüche seine innere Einsprechung fortdauern lässt und Ihr Herz, berührt von diesem Magnet, wiewohl durch irdische Hindernisse gewaltsam abgelenkt, dennoch immer seine Richtung nach dem leuchtenden Stern einhält. Denn was würde Ihr Herz sprechen, wenn es ihm nicht verwehrt wäre? Würde es Ihnen nicht sagen: Fliehen wir aus dem Weltgetümmel? Die göttliche Einsprechung ist also noch vorhanden. Aber weil es ihm verwehrt ist, kann oder vermag es nicht zu reden. Geben Sie ihm die Freiheit wieder, ehe es reden kann; aber deutlicher könnte es am Ende doch nicht reden. Ja, dieses geheime Wort, welches leise in Ihrem Herzen spricht: „es drängt, es verlangt mich fort aus der Welt“, es ist wahrhaft Gottes Stimme.

Es ist unrecht von Ihnen – verzeihen Sie meine offenherzige, freimütige Sprache –, wirklich unrecht, wenn Sie die Hindernisse, welche der Ausführung dieser Einsprechung in den Weg treten, als den Willen Gottes, und die Macht derer, die Sie daran hindern, als Gottes Macht bezeichnen.

Drittens geht mein Gutachten dahin, dass bei Ihnen das Für und Wider in dieser Frage vor Gott sich keineswegs die Waage hält. Denn das Verlangen nach dem Kloster, welches er Ihnen gegeben hat, behauptet sich fortwährend in Ihrem Herzen, wenngleich es an seiner Befriedigung sich gehindert sieht. Das Zünglein der Waage in Ihrem Geiste neigt sich sichtlich nach dieser Seite hin, obgleich man gewaltsam die andere Waagschale niederdrückt, um ein richtiges Abwägen zu hintertreiben.

Sollte viertens Ihr anfängliches Verlangen sich mit einer gewissen Übertriebenheit geltend gemacht haben, so muss es gemäßigt, nicht aber gänzlich über Bord geworfen werden. Man hat mir zu verstehen gegeben, Sie hätten die Hälfte Ihres Vermögens oder doch den Kaufpreis dieses nunmehr Gott geweihten Hauses angeboten. Es dürfte dies wohl zu viel gewesen sein in Betracht des Umstandes, dass Sie eine Schwester mit zahlreicher Familie haben, welcher Sie nach den Regeln einer wohlgeordneten Nächstenliebe doch eher Ihr Vermögen zuwenden müssten. Wohlan also, vermeiden Sie jene Übertreibung, und bringen Sie einen Teil Ihrer Einkünfte ins Kloster mit, so viel als zu einem bescheidenen Leben erforderlich ist, und überlassen alles andere, wenn Sie wollen, oder behalten sich auch vor, für Ihren Todesfall selbst über den obgemeldeten Teil zu Gunsten derer zu verfügen, denen Sie Gutes tun wollen. Auf diese Weise meiden Sie die Ausschreitung und bleiben bei Ihrem Entschlüsse; und alles geht dann freudig und leicht und heilig vonstatten.

Kurz, fassen Sie sich ein Herz und treffen rasch eine gute Entscheidung. Ist es auch nicht gerade Sünde, länger in diesem schwächlichen Schwanken zu bleiben, so geht Ihnen doch zweifelsohne viel Zeit verloren, die Ihnen viel Fortschritt und höchst begehrenswerte Tröstungen einbringen könnte.

Ich wollte Ihnen in aller Vertraulichkeit Aufschluss geben über meine Ansicht in dieser Frage, in der Hoffnung, Sie würden die Güte haben, solches nicht übel zu deuten. Möge Ihnen Gott die heiligen Segnungen erteilen, die ich Ihnen wünsche, und namentlich jene sanfte Willfährigkeit, die er von Ihrem Herzen begehrt. Um seinetwillen verbleibe ich

Ihr aufrichtig ergebener u. s. w.


 


5. Kloster und Welt.

An die Schwestern von der Heimsuchung zu Annecy.

Grenoble, den 1. April 1616.

Wäre es meinem Geiste wohl möglich, die Kinder seines Herzens zu vergessen? Nein, meine teuren Töchter, meine Herzensfreude und meine Krone, Ihr wisst es wohl, ich bin dessen versichert; und Euer Herz wird Euch wohl bereits an meiner Statt die Frage beantwortet haben, weshalb ich Euch bis jetzt nicht geschrieben habe. Es ist nur darum unterblieben, weil ich mir wohl bewusst war, wenn ich an unsere einzige, gute Mutter schrieb, so seien meine Worte ebensowohl an Euch gerichtet, weil Ihr ja mit ihr ein Herz eine Seele seid, und überdies die heilige Liebe, welche wir zu Euch tragen, mit so großen Buchstaben, däucht (dünkt) mir, uns ins Herz geschrieben ist, dass man schwer von Annecy bis hierher unsere Gedanken darin lesen könnte.

Ich befinde mich hier etwas mehr im Weltgetümmel als zu Hause bei Euch; und je mehr ich sehe von dieser erbärmlichen Welt, desto mehr ist sie mir zuwider; und ich glaube, ich könnte nicht in ihr leben, wenn der Gedanke, einigen guten Seelen zur Förderung ihres Heiles dienen zu können, es mir nicht einigermaßen erträglich machte.

Ach Gott, meine teuren Kinder, wie viel glücklicher schätze ich die Bienen, die ihren Stock nur verlassen, um den Honig zu sammeln, dessen Bereitung ihre einzige Sorge ist, und deren ganzer klösterlicher Haushalt in wohlgeordneter Geschäftigkeit sich einzig verlegt auf die Herstellung von duftendem Wachs und Honig!

Wie viel glücklicher sind sie nicht als diese Wespen und Fliegen, die in ihrer Ungebundenheit umherschweifen und lieber bei unreinen als anständigen Gegenständen verweilen, die nur zu leben scheinen, um die übrigen Geschöpfe zu belästigen und zu peinigen, während sie selbst in ewiger Unruhe und unnützer Geschäftigkeit sich aufreiben.

Allenthalben streifen sie umher, alles suchen sie ab, an allem nagen und naschen sie, solange ihr Sommer und Herbst andauert; ist aber der Winter gekommen, so stehen sie da ohne Obdach, ohne Vorrat, ohne Lebensmittel; dagegen haben unsere keuschen Bienen nur mit den schönen, wohlriechenden, süßen Blumen zu tun, an denen sich Gesicht, Geruch und Geschmack erlaben nach Herzenslust; sie besitzen, abgesehen von dem Adel ihrer Tätigkeit, noch dazu eine traute Heimstätte, ein freundliches Obdach und ein sorgloses Leben mitten unter den Errungenschaften ihrer überstandenen Arbeit.

So finden auch diese liebenden Seelen, die dem Heilande in unserem Evangelium folgen bis zu jener Höhe in der Wüste (Der Heilige schrieb diesen Brief am vierten Fastensonntag, wo das Evangelium von der wunderbaren Speisung der Fünftausend verlesen wird: Joh. 6.), dort ein köstlicheres Mahl auf dem blumigen Rasen, als es jemals den Gästen geboten wurde, die an des Assuerus (siehe: Esther 2, 18) prunkendem Mahle teilnahmen, wo der Überfluss den Genuss erstickte, und die übergroße Menge der Speisen wie der Menschen keine rechte Freude aufkommen ließ.

Seid heiteren Sinnes bei Euren heiligen Beschäftigungen, meine Töchter! Ist Nebelwetter, senken sich Trockenheit und Verödung des Geistes auf Euch nieder, so beschäftigt Euch drinnen im Herzen mit Übungen der heiligen Demut und Selbsterniedrigung; ist das Wetter schön, klar und sonnig, so eilet hinaus und macht Eure geistlichen Honigfahrten nach dem Kalvarien- und Ölberge, nach Sion und dem Tabor. Von der Anhöhe in der Wüste, wo der Heiland heute die Schar seiner Jünger speist, schwingt Euch auf bis zu des Himmels ewigen Bergen und betrachtet die unendlichen Wonnen, die Euch dort zubereitet sind.

Ach wie glücklich sind meine vielgeliebten Töchter, dass sie einige Jahre der falschen Weltfreiheit geopfert haben, um immerdar jener ersehnten Knechtschaft zu genießen, die keiner anderen Freiheit beraubt ist als nur jener, die uns hindert, wahrhaft frei zu sein.

Gott segne Euch, meine lieben Kinder; er lasse Euch von Tag zu Tag fortschreiten in der Liebe zu seiner heiligen Ewigkeit, in welcher wir seiner unendlichen Hulderweise uns zu erfreuen hoffen, zum Lohne für diese geringe aber wahrhafte Treue, welche wir in dieser kurzen Spanne Zeit, die wir das Leben nennen, ihm mit Hilfe seiner Gnade bewahren wollen. Die Liebe des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes sei allezeit in Euren Herzen und das Mutterherz Unserer Iieben Frau sei für immer unsere Zuflucht! Amen.

Mit der Hilfe Gottes konnte ich Euch, fast ohne zu atmen, in einem Zuge diese vier Wörtchen schreiben, meine teuren Töchter, die Ihr wie die Blumen zu einem Strauße zusammengefügt, die Freude jener Mutter der Blume Jesses (Der hl. Maria, „die Blume, die aus der Wurzel des Jesse aufgeblüht ist". Jesse = Vater von David. Jesse-Baum, siehe: Jes. 11,1) seid, welche selbst die Blüte der Mütter ist. Ach, Herr, möget Ihr ein Wohlgeruch der Lieblichkeit sein! Amen.

Es lebe Jesus indem ich bin

Euer u. s. w.


 


6. Ratschläge in Betreff der Berufswahl.

An Fräulein von Frouville in Paris.

Den 31. Mai 1620.

Wohlan, meine teure Tochter, im Namen Gottes, es ist die Wahrheit, der Herr will es, dass Sie mit rückhaltlosem Vertrauen über mich verfügen in allen Dingen, welche sich auf das Heil Ihrer Seele beziehen, die deshalb durch seine himmlische Liebe mir so überaus lieb und wert geworden ist.

So sind Sie denn also glücklich aus dieser verdrießlichen Geschichte heraus, meine liebe Tochter, und haben Ihre ganze Freiheit wieder. Gottes ewige Vorsehung war es, die sie Ihnen wiedergab; Sie wissen es; preisen Sie also aus tiefstem Herzensgrund diese göttliche Güte! Ich will sie mit Ihnen preisen und in diesem Sinne das heilige Opfer feiern, welches ich auf ihren heiligen Altären darbringe. Einen größeren Dank vermag ich ja der göttlichen Majestät nicht darzubringen, als indem ich ihr denjenigen aufopfere, für den und durch den ihr alles wohlgefällig wird im Himmel und auf Erden.

Doch, meine Tochter, was fangen wir jetzt an mit der Freiheit, die wir nun wieder haben? Ohne Bedenken wollen wir sie ganz dem zum Opfer bringen, von dem wir sie haben. Denn der Entschluss steht ja unerschütterlich fest, dass wir ohne Vorbehalt, ohne auch nur einen einzigen Augenblick unseres Lebens auszunehmen, einzig für den leben wollen, der am Kreuze sterben wollte, um uns das wahre Leben zu geben.

Wie aber soll das geschehen? In welcher Lebensstellung, in welchem Stande?

In Ihrem gegenwärtigen Stande zu verbleiben, wäre scheinbar das leichteste, aber in Wahrheit das schwierigste. Diese Parsiser Welt, wie sie übrigens mehr oder weniger in ganz Frankreich ist, würde Ihnen nicht gestatten, jenen Mittelstandpunkt zu behaupten. Man würde nicht aufhören, mit Gewalt Sie über die Schranken hinauszulocken, welche Sie durch Ihren Entschluss sich gezogen haben; und sich versprechen wollen, ein solcher Entschluss werde stets so fest bleiben, dass er durchaus nicht erschüttert oder gar über den Haufen geworfen werden könne, hieße sich ein wahres Wunder versprechen bei so jugendlichem Alter, bei so vielen äußeren Vorzügen, unter so schlauen Anwälten und Geschäftsführern, mit welchen die Welt und ihre Klugheit Sie umstellen wird, die ohne Erbarmen und ohne Unterlass bald von dieser, bald von jener Seite Ihre Ruhe bestürmen, und am Ende durch ihre Zudringlichkeit, List und Täuschungen auch ihren Zweck erreichen und Ihren Widerstand brechen werden.

Ich sehe wohl, ich brauche über diesen Punkt keine weiteren Worte zu verlieren; Sie gestehen selbst zu, dass ich recht habe, und dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist. Es bleibt also nur noch in Betracht zu ziehen entweder der Ehe- oder der Ordensstand.

Indessen, meine geliebteste Tochter, bedürfte es keiner außerordentlichen Erleuchtung, um Ihnen raten zu können, für welchen dieser beiden Stände Sie sich entscheiden sollen. Denn nach Ihrer klaren Darstellung und gemäß dem Urteile, welches ich mir aus Ihren vertrauten mündlichen Mitteilungen über Ihre Seele gebildet habe, rührt Ihre antipathische Stimmung gegen den Ehestand von zwei Ursachen her, von denen eine allein schon genügen würde, Sie zu dem Entschlusse zu führen, nicht in diesen Stand einzutreten, nämlich eine starke Abneigung, ein förmlicher Ekel, ein äußerst heftiger Widerwille dagegen.

O meine Tochter, das ist übergenug, wir brauchen nicht weiter darüber zu reden. Ach, selbst jene Seelen, welche eine entschiedene Vorneigung zum Ehestande haben und es noch so glücklich damit treffen, finden dennoch in demselben so zahlreiche Anlässe, Geduld und Abtötung zu üben, dass sie kaum die Bürde zu tragen vermögen. Wie werden erst Sie dieselbe tragen können, wenn Sie mit so gänzlich widerstrebendem Herzen in diesen Stand eintreten? Im ersteren Falle sah ich hundertmal, dass Eheleute Erleichterung fanden in ihren Beschwerden, in dem letzteren niemals.

Als einst die Apostel den Herrn von der Unauflösbarkeit des Ehebundes hatten reden hören, sprachen sie zu ihm: „Herr, wenn es also steht, dann ist nicht gut heiraten.” Und unser Heiland, ihrer Meinung beipflichtend, sprach: „Nicht alle fassen dieses Wort; wer es fassen kann, der fasse es.” (Matth. 19, 3 f.) Meine liebe Tochter, auch ich, nachdem ich Sie über diesen Gegenstand habe sprechen hören und Ihre brieflichen Mitteilungen darüber gesehen habe, sage Ihnen: Fürwahr, meine Tochter, da es so steht, so ist es nicht gut für Sie, zu heiraten. Mögen auch nicht alle dieses Wort fassen, ergreifen und sich aneignen, mögen nicht alle das Glück desselben verstehen und sich zunutze machen, so können doch Sie, meine geliebte Tochter, so bequem es haben, mit aller Leichtigkeit dieses Glück erreichen und jenen Rat fassen und verkosten.

Ich spreche dies übrigens mit umso größerer Zuversicht aus, da ich in der Ehe für Sie noch viel größere Gefahren erblicke als für andere, wegen des anspruchsvollen Wesens, welches sich bei Ihnen bemerklich macht. Es würde dasselbe in Ihrem Herzen ein unablässiges Verlangen nach hohen Dingen hervorrufen, und Sie würden fortwährend gleichsam in einem Meere von Eitelkeit schwimmen.

Steht nun auch in dieser Beziehung Ihr Entschluss ohne alles weitere Bedenken fest, so ist doch der weitere Schritt ungleich schwerer, Ihnen nämlich zu sagen:

Gehen Sie also ins Kloster! Aber nichtsdestoweniger muss es Ihnen mit aller Entschiedenheit gesagt werden, da weder die öffentliche Sitte noch der Geschmack, wie sie in Frankreich einmal sind, weder die Ansichten Ihrer Eltern, noch Ihr jugendliches Alter, noch Ihre Gestalt Ihnen gestatten würden, zu bleiben wie Sie sind. Ich rufe Ihnen also mit aller Gewalt zu: Meine Tochter, treten Sie in den Ordensstand! Indem ich Ihnen aber dieses sage, empfinde ich in der Gewalt, mit welcher Ihnen mein Wort gegenübertritt, eine geheimnisvolle Süßigkeit, welche diese Gewalt nicht ferner gewaltsam, sondern lieblich und wohltuend erscheinen lässt. So nötigten auch die Engel den guten Lot, sein Weib und seine Kinder, fassten sie bei der Hand und zogen sie mit Gewalt aus der Stadt heraus (1 Mos. 19, 15 - 17.); aber Lot findet keine Gewalttätigkeit in diesem Zwang, sondern sagt, er sehe wohl, dass er Gnade vor ihnen gefunden habe. Und unser Heiland gebietet in der Parabel (Erzählung) seinem Diener: „Nötige sie herein zu kommen.“ (Luk. 14, 23.) Und keiner von den Hereingenötigten spricht: Lass mich, du tust mir wehe. So fühle auch ich mich gedrungen und gezwungen, meiner Tochter zu sagen: Treten Sie in den Ordensstand; aber dieser Zwang verdrießt mein Herz in keiner Weise.

O meine Tochter, lassen Sie uns ein Wort vertraut miteinander reden. Glauben Sie, Gott sehe bei einer Berufung zum Ordensstande oder vielmehr zu der vollkommenen Gottseligkeit immer nur auf die natürlichen Anlagen und Herzensneigungen derer, die er beruft? Sicherlich nicht, meine Tochter.

Das Ordensleben ist nicht ein natürliches Leben, es ist etwas Übernatürliches; die Gnade ist nötig dazu, sie ist die Seele desselben. Freilich zieht die höchste Vorsehung manchmal die Natur zum Dienste der Gnade heran; aber das ist noch lange nicht immer, ja selbst nicht einmal besonders häufig der Fall.

Rief nicht der hl. Paulus klagend aus: „Das Gute, was ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, was ich nicht will, steckt in mir" (Röm. 7, 15.), d. h. in meinem Fleische wohnt nicht das Gute; es zu wollen, steht bei mir, aber nicht finde ich in mir die Kraft, es zu vollbringen. Ach, ich armer, elender Mensch, der ich bin, wer wird mich befreien von dem Leibe dieses Todes? Die Gnade Gottes durch Jesus Christus! (Röm. 7, 24. 25.) Mit anderen Worten: Gott sei Dank durch Jesus Christus! Ich diene dem Gesetze Gottes in und mit meinem Geiste, und doch zugleich dem Gesetze der Sünde in und mit meinem Fleische. Der so sprechen konnte, sage ich, zeigte doch wohl, dass seine Natur keineswegs der Gnade dienstbar sein, und dass seine Neigungen gar nicht den göttlichen Einsprechungen sich fügen mochten, und dessenungeachtet war er einer der vollkommensten Diener, welche Gott jemals auf dieser Welt hatte; und war am Ende so glücklich, mit aller Wahrheit sagen zu können: „Ich lebe, doch nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal. 2, 20.), nachdem die Gnade sich seine Natur unterworfen, die höheren Einsprechungen seine Neigungen bezwungen hatten.

Meine Tochter, die Besorgnis, unvernünftigen Obern unter die Hände zu kommen, sowie die übrigen Bedenken, welche Sie mir gegenüber so offen aussprechen, werden alle wie Nebel verschwinden vor dem Angesicht unseres gekreuzigten Erlösers, den Sie an Ihr Herz schließen werden; Ihr weltlicher Edelmut wird seine Stärke verwandeln und sich veredeln zu dem Mute der Heiligen und Engel. Sie werden Sie Albernheit weltlicher Unterhaltungen erkennen und werden sie lächerlich finden. Lieben werden Sie das Wort vom Kreuze, welches den Heiden eine Torheit, den Juden ein Ärgernis war, und welches uns, den Erlösten, höchste Weisheit und Gottes Kraft und Tugend ist. (1 Kor. 1, 23. 24.)

Doch, meine Tochter, könnte mein so entschiedener und anscheinend so strenger Rat eine bedeutende Milderung finden. Sie sind reich; der zwanzigste oder vielleicht hundertste Teil Ihres Vermögens würde ausreichen zur Stiftung eines Klosters, wo Sie dann um Ihrer Wohltat willen die vollkommenste Gelegenheit fänden, ferne von dem Andrange der Welt, ein klostermäßiges Leben zu führen, bis Gewöhnung, Betrachtung und höhere Einsprechung Ihrem Herzen den Mut gäben, Ihrem Entschlusse die Krone aufzusetzen und vollends Klosterfrau zu werden. In dieser Weise würden Sie Ihre Natur ganz fein hinters Licht führen und Ihr Herz recht schlau erwischen. So wahr der Heiland lebt, dem ich geweiht bin, dieser Rat hat nichts anderes im Auge als Ihr Seelenheil, und verfolgt keinerlei Nebenabsichten weder rechts noch links, als einzig Ihren Frieden und Ihre Ruhe. Inzwischen beten Sie zu Gott, meine liebe Tochter, verdemütigen Sie sich, geben Sie Ihrem Leben die Richtung zur Ewigkeit, veredeln Sie Ihre Absichten, läutern Sie Ihre Bestrebungen, denken Sie oft daran, dass ein kleiner Gewinn an Liebe Gottes alle Beachtung verdient, indem dadurch unsere Glorie für die ganze Ewigkeit vermehrt wird. Kurz, Ihr Geist und alles, was Gott getan hat, um Sie zu sich zu führen, sowie tausend andere Erwägungen fordern Sie auf zu einem nicht gewöhnlichen christlichen Edelsinn. Ich rate Ihnen, haben Sie Vertrauen zu der guten Mutter von der Heimsuchung (Der hl. Franziska v. Chantal, welche damals in Paris war.), wie zu mir selbst; sie wird Ihnen getreulich zu Dienste sein. Für immer und ohne Vorbehalt

Ihr ergebenster u. s. w.

 

 

7. Der Heilige beglückwünscht Fräulein v. Frouville zu ihrer Treue gegen die Gnade.

Annecy, 9. August 1620.

Liebe Tochter! Eine unvergleichliche Wonne ist es für mich, des Heiligen Geistes himmlische Wirkung zu erblicken in Ihrem mutigen und hochherzigen Entschlusse, sich aus der Welt zurückzuziehen. O wie weise haben Sie gehandelt, indem Sie der übernatürlichen Weisheit gefolgt sind, meine liebe Tochter! So liest man auch in dem Evangelium des damaligen Festes (Mariä Heimsuchung, 2. Juli.), dass Maria eilends sich aufmachte in das Gebirge von Judäa (Luk. 1, 39.). Diese Schnellbereitheit, den Willen Gottes zu erfüllen, ist ein wirksames Mittel, große und mächtige Gnaden herniederzuziehen zur Fortsetzung und Vollendung eines jeden guten Werkes. Sie sehen, meine liebe Tochter, nachdem die heftige Erschütterung überstanden ist, wovon Ihr Herz ergriffen wurde, als es mit Gewalt sich losriss von seinen Empfindungen, Liebhabereien und Neigungen, um dem höheren Zug folgen, fühlen Sie sich jetzt vollständig getröstet und beruhigt in dem seligen Haine, dem Ihre Seele zugeflogen ist, um darin für immer das Lob Ihres Schöpfers und Erlösers zu singen (Fräulein v. Frouville war bei den Schwestern von der Heimsuchung in Paris eingetreten.). Erheben Sie übrigens, geliebte Tochter, oftmals Ihre Gedanken zu jener ewigen Tröstung, welche Ihnen im Himmel für Ihre Tat zuteil werden wird. Freilich ist es nichts, was Sie taten, und ich sehe wohl, dass auch Sie kein Aufhebens davon machen. Wirklich ist es gar nichts im Vergleich zu dem, was Sie Gott schulden, und zu jenem unsterblichen Lohne, den er für Sie bereit hält. Denn was ist all der Quark (Topfen), den wir um Gottes willen verachten und verlassen? Was anderes als armselige, augenblickliche Freiheiten, bei welchen man mehr allerlei Rücksichten unterworfen ist als in der Sklaverei selbst; eine unaufhörliche Unruhe; eitle Ansprüche an das Leben, die heute so, morgen anders sich gestalten, nie befriedigt werden können und unserem Geiste tausend Sorgen und unnütze Mühseligkeiten verursacht hätten – und das alles für ein paar elende, ungewisse, kurze und böse Tage!

Aber gleichwohl war es also der Wille Gottes, dass wer diese Nichtigkeiten und eitlen Vergnügungen kurzer Augenblicke hingibt, dafür eine Glorie ewiger Glückseligkeit eintauscht, in welcher schon der eine Gedanke, den Willen gehabt zu haben, Gott von ganzem Herzen zu lieben und wirklich eine kleine Stufe höher in der himmlischen Liebe gestiegen zu sein, uns in einen Abgrund von Freude versenken wird.

In Wahrheit, meine liebe Tochter, ich würde mich wohl gehütet haben, Ihnen zu sagen: Treten Sie Ihre Gefühle, Ihre Bedenken, Ihre Befürchtungen und Abneigungen mit Füßen, wenn ich nicht zu der Güte des himmlischen Bräutigams das Vertrauen gehegt hätte, er werde Ihnen Mut und Kraft geben, die Sache der höheren Eingebung und der Vernunft durchzufechten gegen das Sträuben der Natur.

Aber jetzt, meine liebe Tochter, muss ich Ihnen sagen, Sie sind nun ganz glimpflich dahin gekommen, dass Sie der Welt völlig abgestorben und die Welt in Ihnen erstorben ist. Das ist aber erst ein Teil des Opfers; zwei weitere Dinge bleiben noch zu tun übrig. Einerseits nämlich haben Sie das Opferlamm noch zu enthäuten, d. h. Ihr Herz seiner selbst zu entkleiden, indem Sie alle jene kleinen Eindrücke abstreifen, welche die Natur und Welt bei Ihnen zurückließen; andererseits Ihre Eigenliebe zu Asche zu verbrennen, indem Sie Ihre liebe Seele ganz in den Flammen der himmlischen Liebe aufgehen lassen.

Indessen, meine innigst geliebte Tochter, ist das nicht das Werk eines Tages; doch wird derjenige, der Ihnen die Gnade zu dem ersten Schritte gegeben hat, Ihnen auch helfen, die beiden noch übrigen zu tun; entweder werden Sie, an der Hand seiner ganz väterlichen Liebe, unmerklich dahin gelangen, oder wenn Sie es schmerzlich empfinden, wird er Ihnen jenen Starkmut, ja jene Freudigkeit verleihen, welche er dem Heiligen, dessen Fest wir heute feiern, auf seinem glühenden Roste ins Herz senkte (Am 10. August begeht die Kirche das Fest des hl Laurentius.). Seien Sie daher ohne Sorge, „der Ihnen das Wollen gegeben hat, wird Ihnen auch das Vollbringen schenken“ (Phil. 2, 13.). „Seien Sie nur in Wenigem getreu, so will er Sie über Vieles setzen.“ (Matth. 25, 21.)

Sie versprechen mir, meine liebe Tochter, wofern man Ihnen es erlaubt, mir alle Begegnisse Ihrer glücklichen Zurückgezogenheit mitzuteilen, und ich verspreche Ihnen, dass man Ihnen diese Erlaubnis nicht versagen wird und dass ich mit liebevollster Teilnahme Ihre Mitteilungen entgegennehmen werde. Gott sei für immer gelobt, gepriesen und verherrlicht, meine liebe Tochter, und ich verbleibe in ihm und für ihn mit vorzüglicher Ergebenheit

Ihr u. s. w.

P.s.: Der gute Kartäuser-Onkel wird gewiss recht erfreut sein, wenn er erfährt, dass Sie im Kloster sind.

 


 

8. An Herrn v. Frouville, nachdem derselbe seiner Tochter, an welche die beiden vorhergehenden Briefe gerichtet sind, erlaubt hatte, in das Kloster zu gehen.

Den 9. August 1620.

Mein Herr! Da ich weiß, ein wie großer Entschluss es für Sie war, Ihre Einwilligung zu geben zu dem Weggang Ihrer vielgeliebten Tochter, Fräulein v. Frouville, so kann ich nicht umhin, mich von ganzem Herzen darüber zu freuen als über eine Handlung, an der Gott sein Wohlgefallen hat und wegen deren die Engel und Heiligen der göttlichen Vorsehung sonderlich Lob sagen werden.

Ich weiß nämlich sehr wohl, dass diese Tochter Ihnen über die Maßen teuer war, und dass Sie es nicht über sich gebracht hätten, sie dem Willen Gottes hinzugeben, wenn Sie nicht vorerst sich selbst vollkommen dem Gehorsam gegen denselben überantwortet hätten, welcher das höchste Glück ist, das man nur wünschen mag.

Eine frohe Ahnung sagt mir indessen, dass wegen dieses heiligen Opfers, welches Sie Gott so edelmütig gebracht haben, seine höchste, innigste Güte Sie mit denselben Segnungen beglücken wird, welche Sie bei ähnlichem Anlasse dem großen Patriarchen Abraham gewährt hat (1 Mos. 22, 17. 18.).

Darin besteht denn auch der Wunsch, den ich für Sie hege und für Ihr ganzes Haus, dass der Herr seinen reichsten Segen über Sie ausgieße und dass er Ihre Nachkommenschaft vor allen Widerwärtigkeiten in Gnaden beschirme.

Mit untertänigstem Gruße an Ew. Hochwohlgeboren und Ihre Gesellschaftterin, Fräulein v. Interville, verbleibe

Ihr u. s.. w.


 


 

9. Der Heilige fordert eine junge Dame auf, der Eingebung Gottes, sich ihm zu weihen, Folge zu leisten.

1619.

Mein Fräulein! Dem Versprechen, welches Sie von mir forderten, komme ich getreulich nach. Ich bitte Gott, er möge Ihnen seine heilige Kraft verleihen, um mutig alle Bande zu zerreißen, welche Ihr Herz hindern, seinen himmlischen Lockungen zu folgen. Mein Gott, es ist wahrhaftig jammerschade, eine liebenswürdige Biene in den hässlichen Geweben einer Spinne verstrickt zu sehen. Wenn nun ein günstiger Wind dieses garstige Netz und dieses ärgerliche Gespinst zerreißt, warum sollte die liebe Biene diese Gelegenheit nicht benutzen, um sich aus diesen Fallstricken zu befreien und hinzueilen, süßen Honig zu bereiten?

Sie sehen, meine liebe Tochter, wie ich denke; zeigen Sie nun auch dem Herrn, der Sie einladet, wie Sie denken. Ich kann nicht anders, ich muss Ihre Seele lieben, da ich weiß, wie gut sie ist, und muss ihr die höchst begehrenswerte Liebe zur edelmütigen Vervollkommnung wünschen, eingedenk der Tränen, die Ihre Augen vergossen, als ich scheidend von Ihnen Ihr Herz für Gott begehrte, und Sie, um Gott noch mehr anzugehören, allem den Abschied gaben, was nicht für Gott ist. Ich versichere Sie indessen, meine teure Tochter, dass ich von ganzem Herzen verbleibe Ihr Diener im Herrn.



 

10. Der Heilige ermahnt eine junge Dame, trotz aller Schwierigkeiten mit Ruhe des Augenblicks zu harren, wo es ihr verstattet sein werde, ihrem Berufe zum Kloster zu folgen.

Den 14. Dezember 1606.

Mein Fräulein! Es ist stets ein großer Trost für mich, zu wissen, dass Ihr Herz in der Liebe zu unserem Heilande voranschreitet, wie H. v. N. mir solches versicherte, wiewohl er nur im allgemeinen darüber sprach und des Näheren nur Ihres Verlangens Erwähnung tat, Klosterfrau zu werden. Dieses Verlangen ist ohne Zweifel ein gutes; aber Sie dürfen demselben nicht gestatten, Sie zu beunruhigen, da Sie für den Augenblick dasselbe noch nicht verwirklichen können. Will unser Heiland, dass es dazu komme, so wird er Ihnen auch den Weg dazu bahnen auf eine Weise, die ihm bekannt ist, die wir aber noch nicht kennen.

Einstweilen suchen Sie in der rechten Art die Aufgabe zu lösen, welche Ihnen für jetzt obliegt; das heißt: fahren Sie fort, in aller Ruhe Ihre geistlichen Übungen zu verrichten; übergeben Sie hundertmal des Tages Geist und Herz in die Hände Gottes, indem Sie ihm mit allem Vertrauen Ihr Leid empfehlen. Sehen Sie zu, was für Gelegenheiten sich Ihnen täglich darbieten, der göttlichen Majestät zu dienen, sei es, indem Sie Ihren eigenen, sei es, indem Sie den Fortschritt des Nächsten fördern, und benutzen diese Anlässe getreulich; denn sehen Sie, meine Tochter, Sie können gar viel gewinnen, wenn Sie Gott recht lieben und seine Ehre.

Ich weiß, es ist ein großer Kummer für Sie, dass Ihr Vater seine Hand von Ihnen abgezogen hat; wiederholen Sie indessen häufig mit Herz und Mund das Wort des Propheten: „Mein Vater und meine Mutter haben mich verlassen; der Herr aber hat mich aufgenommen.” (Ps. 26, 10.) Freilich ist es ein Kreuz für ein Mädchen, sich so von aller Menschenhilfe entblößt zu sehen; aber es ist ein hochheiliges Kreuz , das geeignetste, um noch vollständiger die Liebe Gottes zu gewinnen. Diese beseligende Liebe Gottes muss uns hohen Mut einflößen und ein großes Vertrauen auf die Versicherung, die wir haben, dass der himmlische Bräutigam immerdar den Seelen nahe ist, die auf ihn hoffen.

Um Sie in diesen Gesinnungen zu bestärken, schicke ich Ihnen ein Kreuzchen, in dessen Mitte eine Reliquie der heiligen Märtyrin Thekla gefasst ist. Der Anblick desselben wird Ihnen Mut machen, recht viel für unseren Heiland zu leiden.

Es soll dasselbe nicht eine Gegengabe für Ihr schönes Geschenk, sondern einzig eine Erinnerung sein an die herzliche Liebe, welche ich in unserem Herrn für Ihre Seele hege. Empfehlen Sie mich ihm oft als Ihren zuverlässigen und geringen Diener in unserem heiligen Kreuze u. s. w.


 

11. An eine junge Dame, deren Wunsch, sich dem Ordensstande zu widmen, auf Hindernisse stieß.

Mein Fräulein! Sie müssen sich gänzlich in die Hand unseres guten Gottes ergeben. Haben Sie Ihre geringe Pflicht getan, um zur Ausführung Ihres Planes zu gelangen, so wird er alles mit großem Wohlgefallen aufnehmen, was Sie tun, wäre es auch sonst weit geringer an Wert. Kurz, Sie müssen mutig alles aufbieten, um sich den Eintritt in das Kloster zu ermöglichen, da Ihnen Gott so viel Verlangen danach gibt. Wenn Sie aber trotz aller Bemühungen nicht dazu kommen, so können Sie dem Herrn nicht besser gefallen, als wenn Sie ihm Ihren guten Willen zum Opfer bringen, in Ruhe, Demut und Gottseligkeit verbleiben und in voller Unterwürfigkeit und Hingabe an seinen göttlichen Willen und Ratschluss, der sich Ihnen deutlich genug zu erkennen gibt, wenn Sie alles nur mögliche getan haben, aber dennoch nicht zur Erfüllung Ihres Wunsches gelangen können. Unser guter Gott will nämlich zuweilen unseren Mut und unsere Liebe prüfen, indem er uns solche Güter vorenthält, die uns wünschenswert scheinen und wirklich auch sehr heilsam für die Seele sind.

Sieht er dann unser eifriges Streben und zugleich unsere demütige und ruhige Ergebung, wenn unser Wunsch und Streben erfolglos ist, so gibt er uns durch diese Vorenthaltung viel größeren Segen, als wenn wir zu dem ersehnten Stande gelangt wären; denn immer und überall liebt er diejenigen, welche mit gutem, schlichtem Herzen bei allen Anlässen und Begegnissen zu ihm sprechen können: Herr, dein Wille geschehe!

 

12. An eine junge Dame, welche die Absicht, sich zu vermählen, aufgegeben hatte, um ins Kloster zu gehen.

Aus dem Munde der lieben Cousine habe ich vernommen, aus wie mannigfache Art unser Herr Ihr Herz versucht und dessen Stärke erprobt hat, meine teure Tochter. Wohlan, es gilt, sich ein Herz fassen und heiligen Mut haben unter all diesen Stürmen. Gesegnet sei der Sturm, von wannen (woher) er auch wehen mag, wenn er nur uns landen lässt in gutem Hafen!

Meine geliebte Tochter, die Bedingungen, auf welche hin wir uns Gott ergeben müssen, bestehen darin, dass er mit uns, mit unseren Angelegenheiten und Plänen schalte und walte nach seinem Willen, und dass er unseren Willen breche und vernichte ganz nach seinem Wohlgefallen. O wie glücklich sind jene, die Gott führt nach seinem Gefallen und die er in die Bahn seines heiligen Willens lenkt durch Leid und Freud! Gleichwohl aber haben die wahren Diener Gottes immer den Weg der Widerwärtigkeiten höher geschätzt, weil er dem unseres göttlichen Meisters ähnlicher ist, der unser Heil und die Herrlichkeit seines Namens nur durch Kreuz und Schmach erringen wollte.

Aber, meine teure Tochter, erkennen Sie auch recht in Ihrem Herzen, was Sie mir schreiben, dass nämlich Gott auf dornenvollen Wegen Sie zu dem Stande hinführt, der Ihnen vordem leichter erreichbar war? Erkännten Sie es, so würden Sie über alle Maßen diesen Beruf lieben, den Gott für Sie erwählt hat, und würden ihn umso mehr liebgewinnen, weil er ihn nicht allein für Sie ausgesucht hat, sondern Sie auch selbst dazu hinführt auf einem Wege, auf welchem er alle seine lieben und großen Diener geführt hat. Flehen Sie ihn an, dass dieser gute Sinn, den er Ihnen gibt, nicht verloren gehe, sondern zur vollen Reife gedeihe. Was mich betrifft, so segne ich Ihre liebe Seele, welche unser Heiland für sich begehrt, und hege für Sie alle die heilige Liebe, die sich nur aussprechen lässt. Auch der lieben Cousine zarte und herzliche Liebe besitzen Sie ganz.

Der Bräutigam von Kana in Galiläa richtet sein Hochzeitsmahl zu und meint, er sei der Bräutigam. Aber er ist unendlich glücklicher; denn der Heiland tritt an seine Stelle, und indem er sein Wasser in köstlichen Wein verwandelt, wird er selbst Bräutigam und macht die Seele jenes ersten Bräutigams zu seiner Braut. Mag es nämlich der hl. Johannes der Evangelist oder ein anderer gewesen sein, der Heiland nahm ihn nicht etwa am Vorabende, sondern am Hochzeitstage selbst mit fort zu seiner Nachfolge; er entführt mit sich seine keusche Seele und macht ihn zu seinem Jünger. Und die Braut, wahrnehmend, dass der Heiland mehrere Bräute haben könne, wollte ebenfalls zu ihrer Zahl gehören, und statt einer einzigen Hochzeit mit mangelndem Weine haben wir jetzt deren zwei so herrliche; denn die Seelen beider Brautleute haben sich Jesu Christo anvermählt. (Die Frage, wer der Bräutigam bei der Hochzeit zu Kana war, hat die fromme Sage viel beschäftigt. Im Morgenlande dachte man an Simon von Kana; im Abendlande behauptete seit dem fünften Jahrhundert die Legende ein großes Ansehen, Johannes der Evangelist sei der Bräutigam - der Maria von Magdalum - gewesen und jungfräulich unmittelbar vor dem Brautmahle hinweg dem Herrn nachgefolgt. Man sieht, wie überaus sinnig der hl. Franz diese Sage in dem obigen Briefe verwertet hat.)

Also versteht man dieses Evangelium; und es kam mir in den Sinn, Ihnen diesen Gedanken zu sagen: Glücklich jene, die so ihr Wasser in Wein verwandeln; aber es geschieht dies nur durch die Vermittlung der hl. Maria. Ich flehe sie an, sie möge immerdar Sie unter ihren süßen und mütterlichen Schutz nehmen.

Ich bin in ihr u. s. w.


 

13. An eine junge Dame, welche im Begriffe stand, ins Kloster zu gehen.

Welche Freude für mein Herz, teure Tochter, schon gleich im Anfang bei Ihnen diese frische Entschlossenheit zu sehen! Wundern Sie sich nicht über diese Tränen; denn sind sie auch nicht gut, so haben sie doch guten Grund.

Handelte es sich bei unserem Entschlusse um etwas Geringfügiges, und könnte man denselben widerrufen, so würden diese Entsagungen und großen Entschließungen, die wir gefasst haben, uns nicht so tief ins Herz einschneiden. David weinte so sehr über den Tod des Saul, obwohl dieser sein größter Feind war; weinen auch wir ein wenig über diese Welt, die da hinstirbt, ja die bereits für uns gestorben ist und der wir für immer absterben wollen.

O meine gute Tochter! Wie lieb ist es mir, Sie mit diesen Wehen ein wenig geplagt zu sehen. Nein, noch nie ist in einer Seele Jesus Christus geboren worden ohne Schmerzen; dieses Vorrecht gewährte er allein seiner jungfräulichen Mutter, der er dafür desto größere Wehen bei seinem Tode zu leiden gab. Aber, meine Tochter, Sie werden sehen, dass Ihnen, wenn diese Nachwehen des Herzens vorüber sind, tausendfache Tröstungen zuteil werden. Was mich betrifft, glauben Sie nicht, dass mir Ihr Leid nahe geht? O gewiss, ich versichere Sie; aber es ist ein süßes und wohltuendes Mitleid, was ich empfinde, weil ich sehe, dass Ihr Schmerz der Vorbote vieler Gnaden ist, mit denen Sie Gott überhäufen wird, wenn Sie standhaft und treu bei diesem Unternehmen beharren, welches das würdigste, edelste und nutzbringendste ist, dem Sie jemals sich widmen können.

Frisch voran also, meine teure Tochter! Seien Sie immer recht offenherzig; auf mich können Sie unter allen Umständen zählen; vertrauen Sie mir ohne Furcht, ohne Bedenken und ohne Rückhalt; denn Gott, der es also gewollt hat, wird mich unterstützen mit seiner heiligen Hand, damit ich Ihnen recht dienen kann.

Derselbe Gott weiß, dass er bei Ihrer Abreise mir in den Sinn gab, Ihnen zu sagen, Sie sollten den Moschus und die wohlriechenden Essenzen beseitigen; ich hielt mich indessen zurück, gemäß meiner sanften Methode, die derartiges der inneren Anregung überlässt, wie solche gewöhnlich durch die geistigen Übungen in den Seelen hervorgerufen wird, welche sich gänzlich seiner Güte weihen (Vgl. Philothea III, 23.). Denn wahrlich, ich bin ein überaus großer Freund der Einfalt; in der Regel überlasse ich das Rebmesser, womit diese unnützen Schösslinge (Pflanzen-Triebe) weggeschnitten werden, der Hand Gottes; da ist er nun, meine teure Tochter, und will mit einem Schnitt jene Pülverchen und dieses Flittergold von Ihnen hinwegschneiden. Seine Barmherzigkeit sei gepriesen! groß erweist sich dieselbe an Ihnen, ich sehe es wohl.

Ja, schenken Sie diese Pülverchen und diese Goldflitter irgend einer Weltdame, zu der Sie aber Vertrauen genug haben, um ihr über den Grund dieser kleinen Entsagung Aufschluss geben zu können. Fürchten Sie nicht, Anstoß damit zu geben; im Gegenteile wird es eine Erbauung für jene Dame sein, wenn sie, wie ich voraussetze, von guter Gesinnung ist. Sie tun wohl daran, meine teure Tochter, all diesen Dingen zu entsagen; glauben Sie mir, derartige kleine Opfer werden Gott sehr wohlgefällig sein.

Da ich einmal begonnen habe, Ihnen ohne Rückhalt meine Seele offenzulegen, so muss ich Ihnen auch noch dieses sagen: Niemals mochte ich gezwirnte Strümpfe, niemals auch waschlederne oder parfümierte Handschuhe tragen, seit ich mich Gott geweiht habe. Ebensowenig wollte ich von Flittergold oder Puder etwas wissen. Es liegt darin eine zu große Verzärtelung und Eitelkeit. O Gott, was ist das für ein Herz, was Sie mir schenken, und wie rüstig schreiten Sie aus!

Ach, meine teure Tochter, es ist gewiss wahr, für immer und unwiderruflich der Welt und ihren Freundschaften zu entsagen, ihnen für ewig Lebewohl zu sagen, das kann ohne großes Herzeleid nicht abgehen; und wer sollte nicht zucken bei den Einschnitten jenes Messers, welches die Seele von dem Geiste, das fleischliche Herz von dem göttlichen Herzen und das eigene Ich von sich selbst losschneidet? Aber Gott sei gelobt, diese Schnitte sind geschehen; alles ist vorüber. Nie wieder wird das Getrennte miteinander verbunden werden, wenn derjenige mit seiner Gnade hilft, mit dem wir unzertrennlich vereinigt werden wollten, indem wir von jedem anderen Dinge uns für immer losgesagt haben.

Verzichten Sie durchaus auf den Balsam teilnehmender Worte für Ihre wunde Seele; es sind dies mir Kinderpossen, die ich einem weniger ergebenen Herzen allenfalls gestatten würde; aber zu dem Ihrigen, meine Tochter, sage ich entschieden: lassen Sie diese Kindereien und Possen; ist es auch nicht gerade sündhaft, so ist es doch Zeitverschwendung und läuft auf Aberglauben hinaus, darin Trost zu suchen.

O Gott, meine Tochter, zu allen jenen weltlichen Gesellschaften, in welchen Sie zu erscheinen haben, müssen Sie eine sanfte Heiterkeit mitbringen. Damit aber ein gegenseitiger Austausch von Neuigkeiten stattfinde, erzählen Sie den Damen von der anderen Welt, aus der Sie kommen, während diese Ihnen erzählen werden von der Welt, aus der sie kommen; würden Sie mit ihnen reden, wie es bei ihnen zu Lande der Brauch ist, so würde ihnen das ja nichts besonders Neues sein.

Es war einen Monat nach meiner Bischofsweihe; ich kam von meiner Generalbeichte, aus der Gesellschaft der Engel und der Heiligen, in welcher ich meine neuen Entschlüsse gefasst hatte; ich redete wie ein weltfremder Mensch und ich erachte dies für große Gnade. Ist auch unter dem Drange der Geschäfte die aufwallende Begeisterung des Herzens einer mehr nüchternen Stimmung gewichen, so sind doch durch die Gnade Gottes die Entschlüsse mir geblieben.

Fassen Sie sich kurz, wo Sie nichts für Ihre Seele gewinnen können; der große Gott möge mehr und mehr vergrößern das Reich seiner heiligen Liebe in uns.

In ihm verbleibe ich mit ganz vorzüglicher Geneigtheit

Ihr u. s. w.

Hätte ich mehr Zeit, so würde ich Ihnen noch mehr schreiben, denn ich werde nicht müde der süßen Unterhaltung von Gott und seiner Liebe zu unseren Seelen. Bitten Sie recht den kleinen neugeborenen Jesus um seine heilige Nacktheit für Ihr Herz, damit es von allein entblößt einzig und allein ihm angehöre.

     

     

14. An ein junges Mädchen, welches eben in den Orden der Heimsuchung eingetreten war.

    Annecy, den 6. März 1622.

Nirgendwo anders, meine teure Tochter, glaube ich Sie suchen zu dürfen, als auf dem Kalvarienberge, wo die Wohnstätte für die Herzen ist, die der himmlische Bräutigam mit seinen göttlichen Liebeserweisen begnadigt.

O wie glücklich sind Sie, teure Tochter, dass Sie mit solcher Liebe und Treue diesen Wohnsitz erwählt haben, um daselbst Jesum den Gekreuzigten in diesem Leben anzubeten.

Aber sehen Sie, wer auf diesem Hügel wohnen will, muss aller irdischen Gewohnheiten und Neigungen entkleidet sein, wie auch unser König, als er dort anlangte, seiner Kleider beraubt ward, die, so heilig sie waren, entweiht worden wären, wenn die Henkersknechte sie ihm bereits im Hause des Pilatus abgenommen hätten.

Hüten Sie sich wohl, liebe Tochter, bei dem Festmahle des Kreuzes, das da tausend und tausendmal köstlicher ist als jedes weltliche Hochzeitsmahl, zu erscheinen ohne das weiße Kleid, ohne die reine, lautere Absicht, einzig dem Lamme gefallen zu wollen. O meine Tochter, wie ist des Himmels Ewigkeit so lieblich, und sind der Erde Augenblicke so armselig! Trachten Sie unablässig nach dieser Ewigkeit und verachten kühn die hinfälligen Augenblicke dieses sterblichen Lebens.

Lassen Sie sich nicht zu Besorgnissen hinreißen, weder wegen früherer Fehler, noch wegen künftiger Schwierigkeiten, die Ihnen auf dem Kreuzwege des Ordenslebens begegnen werden. Denken Sie nicht: wie werde ich die Welt und die Dinge der Welt vergessen können? „denn Ihr himmlischer Vater weiß, dass Sie dieses Vergessens bedürfen" (1 Matth. 6, 32.) und er wird es Ihnen geben, wenn Sie nur mit kindlichem Vertrauen sich innig und ganz in seine Arme werfen.

Unsere Mutter, Ihre Oberin, schreibt mir, dass Sie sehr gute natürliche Neigungen haben. Liebe Tochter, das sind glückliche Anlagen, von welchen Sie werden Rechenschaft ablegen müssen; seien Sie darauf bedacht dieselben recht zum Dienste dessen zu verwenden, der sie Ihnen gegeben hat. Pfropfen (aufsetzen) Sie auf diesen Wildling das Edelreis der ewigen Liebe, welche Gott bereitwillig Ihnen geben wird, wenn Sie durch vollkommene Verleugnung Ihrer selbst sich zu deren Ausnahme befähigen wollen. Alles sonstige habe ich der Mutter gesagt. Ihnen habe ich nichts weiter zu bemerken, als dass ich nach Gottes Willen von ganzem Herzen bin

Ihr u. s. w.


 

 

15. Körperliche Abtötung oder Gehorsam?

An eine Schwester von der Heimsuchung.

Den 11. Januar 1620.

Ich habe Kenntnis genommen von den Einflüsterungen, womit der Feind Ihres Fortschrittes Ihr Herz behelligt, meine Tochter, und nehme andererseits die Gnade wahr, welche der heilige Geist Gottes Ihnen verleiht, um unbeirrt und tapfer den Weg weiter zu verfolgen, auf welchen er Sie geführt hat. Meine teure Tochter, der Böse macht sich gar nichts daraus, dass man seinen Leib zerfetzt, wenn man dabei nur immer seinem eigenen Willen folgt. Er fürchtet nicht die Strengheiten, wohl aber den Gehorsam. Was kann es auch für eine größere Strengheit geben, als seinen Willen stets unter dem Joche der Unterwürfigkeit und des Gehorsams zu halten?

Bleiben Sie im Frieden; Sie haben Vorliebe für diese freiwilligen Bußwerke, wenn Werke der Eigenliebe überhaupt den Namen von Bußwerken verdienen.

Als Sie nach vielem Gebet und langen Erwägungen das heilige Kleid nahmen, fand man doch für gut, dass Sie in die Schule des Gehorsams und der Verleugnung des Eigenwillens eintreten und nicht länger Ihrem eigenen Urteil und sich selbst überlassen bleiben sollten.

Lassen Sie sich also nicht irre machen, sondern bleiben, wo der Herr Sie hingestellt hat. Es ist wahr, Sie finden da viele Abtötung des Herzens, wenn Sie sehen, wie weit Sie noch zurück sind und wie oft Sie Tadel und Zurechtweisung verdienen; aber ist es nicht gerade die Abtötung des Herzens, die Sie suchen, und die Selbstverachtung, mit der Sie vertraut werden müssen?

Aber Sie wenden mir ein, Sie können nicht nach Ihrem Wunsche Buße tun.

O meine teure Tochter, sagen Sie selbst, welche bessere Buße könnte ein sündiges Herz wohl wirken, als wenn es sich zur unablässigen Kreuzigung und Verleugnung des eigenen Willens versteht? Doch was brauche ich mehr zu sagen? Gott selber wird Sie mit derselben Hand der Barmherzigkeit aufrecht halten, mit welcher er Sie diesem Berufe zugeführt hat, und der Feind wird keinen Sieg über Sie erringen. Sie aber müssen gleich der ersten Tochter dieser Erde durch die Versuchung geprüft werden und durch Beharrlichkeit die herrliche Krone erringen.

Ihr ganz ergebener u. s. w.


 

 

16. Winke des Heiligen für die Vorsteherinnen seiner Genossenschaft.

Da Ihr, meine Töchter, Gottes Stelle versehet in der Leitung der Seelen, so müsst Ihr eifrig darauf Bedacht nehmen, in seinem Sinne zu handeln, seine Wege einzuschlagen und nicht die Eurigen, indem Ihr kräftig den Zug seiner Gnade in jeder Seele unterstützt und sie anleitet, demselben zu folgen in aller Demut und Unterwürfigkeit, nicht nach ihrer Weise, sondern nach Gottes Weise, die Ihr besser erkennen werdet als sie, solange die Eigenliebe noch nicht gänzlich in ihnen ertötet ist; denn diese ist wetterwendisch und sucht häufig den Zug der Gnade eigenem Sinn und eigener Neigung unterzuordnen.

Traget zu diesem Ende stets das Feuer auf Euren Lippen und auf Eurer Zunge, welches Euer liebeglühender Bräutigam auf die Erde gebracht hat in die Herzen der Seinigen, um damit den ganzen äußeren Menschen zu verzehren und einen neuen inneren Menschen herzustellen, der ganz Reinheit, Liebe, Einfalt und Kraft ist, um die Prüfungen und Heimsuchungen recht zu bestehen, die er in seiner Liebe über sie verhängt, um sie noch mehr zu reinigen, zu vervollkommnen und zu heiligen. Um ihnen nun Mut dazu zu machen, zeiget ihnen, dass es mit geistlichen Rosenstauden sich anders verhält als mit den Rosensträuchern im Garten. Bei diesen bleiben die Dornen, und die Rosen vergehen; bei jenen dagegen vergehen die Dornen, und die Rosen bleiben. Zeiget ihnen, dass ihnen das Herz nur gegeben ist, um Kinder Gottes zu sein, um ihn zu lieben, ihn zu preisen und in diesem sterblichen Leben ihm treu zu dienen, und dass er sie zusammengeführt hat, damit sie mit höherem Mute, mit größerer Kühnheit, Unerschrockenheit und Ausdauer große und schwierige Dinge beginnen und vollenden möchten.

Denn sollen Eure Häuser fortan eine Pflanzschule für viele andere werden, so müssen große und vollendete Tugenden, mannhafte, starke und edelmütige Frömmigkeit, Verleugnung der Eigenliebe, Liebe zur Verachtung, Abtötung der Sinne und die echte Art der Seelenführung in denselben Wurzel fassen. Beseitigt werden muss alle Verzärtelung und Weichlichkeit, welche die Ruhe stört, und stets mit Entschuldigung und Nachgiebigkeit gegen Laune und Neigung bei der Hand ist. Dazu wird der stete Wechsel dienlich sein, wie er in Eurem Orden beobachtet wird, wo niemand dieselbe Zelle, den nämlichen Platz, die frühere Bedienstung das Jahr hindurch beibehält, damit alle frei werden von der Anhänglichkeit an dieses oder jenes Amt, sowie von der Unvollkommenheit, in eitler Eifersucht es anderen gleichtun zu wollen, damit sie gesichert werden vor dem Gelüsten, alles fertig bringen zu wollen, was andere leisten, und sich nur auf das beschränken, was die Obern ihnen aufgeben. Lehret sie wandeln in dem einzigen, schlichten Bestreben, der göttlichen Majestät zu dienen mit dem nämlichen Willen, nach demselben Plane, in derselben Richtung, auf dass unser Herr und seine heiligste Mutter Ehre davon gewinnen.

Sollte aber die eine oder andere sich sträuben gegen eine derartige Leitung, so könnt Ihr, um sie gefügiger zu machen, sie fühlen lassen, wie groß ihre Unwissenheit und Unvernunft ist, dass sie sich von den anmaßlichen Einfällen und Blendwerken der verderbten Natur irreführen lässt, und könnt ihr zeigen, wie sehr der menschliche Geist Gott entgegen ist, der seine Geheimnisse nur den Demütigen offenbar macht; dass im Orden keine Nachfrage ist nach Philosophen und Schöngeistern, sondern nach Gnade und Tugend, und auch dies nicht, um darüber geistreiche Erörterungen anzustellen, sondern um sie in aller Demut praktisch auszuüben. Ihr könnt ihnen zu diesem Ende Aufgaben stellen, die schwer zu vollbringen und zu begreifen sind, um sie zu demütigen und sie allmählich von sich selbst frei zu machen und zu einer demütigen und rückhaltlosen Unterwerfung unter die Anordnung der Obern hinzuführen, die indessen ihrerseits ebenfalls großer Umsicht bedürfen, um hier nach Zeit, Umständen und Persönlichkeiten stets das Rechte zu treffen.

Denn das ist gewiss eine harte Sache, bei jeder Gelegenheit das eigene Selbst ausrotten und ertöten zu sehen; allein eine sanfte und liebreiche Mutter besitzt das Geschick, solche bittere Pillen mit der Milch einer heiligen Freundschaft einzugeben, und versteht es, ihren Töchtern jederzeit ein Herz voll Liebe und einen Blick voll Freundlichkeit entgegenzubringen, so dass sie, einer wohlwollenden und herzlichen Aufnahme sicher, stets mit Freuden zu ihr ihre Zuflucht nehmen und so sich drehen und wenden lassen wie Wachs, das bei dem Feuer solch glühender Liebe doch sicher weich werden muss. Ich sage nicht, dass Ihr den Schwestern schmeicheln sollt; sondern Ihr sollt sanft, herzlich und zugänglich für sie sein, sollt ihnen mit einer aufrichtigen, mütterlichen, mit einer rechten Hirtenliebe zugetan, sollt allen alles sein, sollt aller Mutter, aller Zuflucht, aller Freude sein. Das sind die einzigen Anforderungen an Euch, die genügen; und ohne sie genügt nichts.

Haltet recht die Waage unter Euren Töchtern und lasset Euch nicht durch natürliche Vorzüge verleiten, ungerecht zu werden in Verteilung Eurer Gunst und Neigung. Wie viele äußerlich abstoßende Personen gibt es nicht, die doch sehr wohlgefällig sind in den Augen Gottes! Schönheit, Anmut, Wohlredenheit (geschickte Rhetorik) lassen häufig andere äußerst anziehend erscheinen, die noch nach ihren Neigungen leben. Christliche Liebe sieht aber auf wahre Tugend und innere Schönheit und ist voll Herzlichkeit gegen alle, ohne jedwede Parteilichkeit.

Wundert Euch nicht, wenn Ihr Euch in Eurem Regiment bekrittelt seht. Ihr müsst mit Sanftmut alles anhören, sodann es Gott vortragen und Euch mit Euren Assistentinnen darüber beraten, dann aber tun, was für zweckdienlich erachtet wurde, mit dem heiligen Vertrauen, dass die göttliche Vorsehung alles zu ihrer Verherrlichung lenken werde. Dabei müsst Ihr aber mit einer solchen Gelassenheit verfahren, dass Eure Untergebenen keinen Anlass finden, die Achtung zu verlieren, die sie Eurem Amte schulden, noch auch auf den Gedanken geraten, Ihr bedürftet ihrer, um zu regieren, sondern überzeugt sind, es geschehe dies nur, um der Regel der Bescheidenheit und Demut, sowie der Vorschrift der Konstitutionen zu genügen. Denn seht, soviel als möglich muss man Sorge tragen, dass die Achtung der Untergebenen gegen uns nicht der Liebe, noch die Liebe der Achtung Eintrag tun; und sollte je eine Schwester Euch nicht mit der gehörigen Ehrfurcht und Achtung begegnen, so verweiset es ihr unter vier Augen; sie muss Eure Würde ehren und mit den übrigen in Gemeinschaft dahin wirken lernen, dass das Amt in Ehren gehalten wird, durch welches die gesamte Genossenschaft zu einem Leibe und einem Geiste verbunden ist.

Haltet strenge auf die genaue Beobachtung der Regel sowie auf Wohlanständigkeit in euren Häusern und bei deren Bewohnern. Sorget, dass den heiligen Orten und Dingen eine große Ehrfurcht erwiesen wird. Hadert nicht um ein bisschen mehr oder weniger an zeitlichem Gut; denn so stimmt es mehr zu der Sanftmut, die der Herr seine Kinder gelehrt hat. Gottes Geist ist edelmütig; was man bei einem solchen Streite gewinnen könnte, würde man an Achtung verlieren; und schließlich ist auch der Friede eine heilige Ware, die es wert ist, dass man sie selbst um teuren Preis erkauft. Bewahret die Sanftmut, sowie den Gleichmut und die Freundlichkeit des Herzens bei allem Andrang und Gewirr der Geschäfte. Jedermann erwartet von Euch ein gutes Beispiel, welches unzertrennlich ist von einer anspruchslosen Herzlichkeit; denn wie die Lampe von dem Öle, so nährt sich von dieser Tugend das Licht des guten Beispiels, und es gibt nichts, was in dem Maße erbaut, als diese demütige Herzlichkeit.

Nehmet gerne fremden Rat an, wenn derselbe nicht dem Grundsatze zuwiderläuft, den wir ein für allemal zur Richtschnur unseres Verhaltens gemacht haben, nämlich bei allem vom Geiste freundlicher Sanftmut uns leiten zu lassen und bei den Seelen mehr an das Innere als an das Äußere zu denken; denn „es ist ja auch alle Schönheit der Töchter des Königs von innen“ (Ps. 44, 1).

Die Oberinnen müssen diese zu pflegen suchen, wenn ihre Tochter selbst nicht darauf bedacht sind, und müssen stets in Sorge sein, die letzteren möchten auf dem Wege einschlafen und aus Nachlässigkeit ihre Lampen erlöschen

lassen; denn ohne Zweifel würde der Herr in diesem Falle ihnen, wie den törichten Jungfrauen, die Einlass begehrten zu dem Hochzeitsmahle, zurufen: „Wahrhaftig, ich kenne euch nicht.“ (Matth. 25, 12.)

Wendet mir nicht ein, Ihr seid schwach; die Liebe, die das hochzeitliche Kleid ist, deckt alles zu. Personen Eures Standes sind ein lebendiger Antrieb für alle, die sie kennen, in heiliger Weise ihre Mängel zu tragen und ihnen eine besondere Teilnahme und Liebe zu widmen, wenn nur ersichtlich ist, dass sie mit Ergebung und freundlichem Sinn ihr Kreuz tragen.

Ich empfehle Euch Gott, um seine Gnade für Eure Amtsführung zu gewinnen, auf dass er durch Eure Hände sich die Seelen zurichte mit Hammer, mit Meißel oder Pinsel; dass er sie alle forme nach seinem Wohlgefallen und Euch zu diesem Ende verleihe ein starkes, festes, mannhaftes Vaterherz, ohne dass Ihr dabei einbüßet die Zärtlichkeit der Mutter, die ihren Kindern auch Süßigkeiten gönnt gemäß der Ordnung Gottes, der da alles lenkt mit lieblicher Kraft und mit kräftiger Lieblichkeit.


 

       Inhaltsverzeichnis

  Erstes Buch: Briefe an junge Damen
    Zweites Buch: Briefe an verheiratete Frauen.
    Drittes Buch: Briefe an Witwen.
    Viertes Buch: Briefe an Freunde weltlichen und geistlichen Standes.
    Fünftes Buch: Briefe über den Klosterberuf und das Ordensleben.
    Sechstes Buch: Rat und Trost bei äußeren und inneren Leiden.
    Siebentes Buch: Trostbriefe beim Tode teurer Angehöriger.
    Achtes Buch: Trostbriefe an Kranke.
    Neuntes Buch: Festbriefe.

 



 

Sechstes Buch.

Rat und Trost bei äußeren und inneren Leiden.


1. Die Widerwärtigkeiten dürfen keinen Unmut in uns erregen.

An eine Dame.

Auf Mittel und Wege denken, wie Sie den Widerwärtigkeiten, von welchen Ihr Haus betroffen wurde, begegnen können, das sollen Sie; nur muss es mit dem Vorbehalt geschehen, dass Sie mit heiligem Gleichmute den Ausgang abwarten wollen, den Gott für den besten halten wird.

Aber in die Klage auszubrechen, Sie seien eine arme, unglückliche Frau, mein Gott, liebe Tochter,davor hüten Sie sich auf alle Weise. Abgesehen davon, dass solche Worte im Munde einer Dienerin Gottes unschicklich sind, gehen sie hervor aus einem allzusehr niedergeschlagenen Herzen und verraten nicht bloß Ungeduld, sondern sogar eine gewisse Verbitterung.

Sehen Sie, meine teure Tochter, verlegen Sie sich einmal besonders auf die Übung der Sanftmut und Ergebung in Gottes Willen, nicht bloß bei außergewöhnlichen Fällen, sondern vornehmlich bei den Plackereien (Mühen) des täglichen Lebens. Denken Sie daran des Morgens und des Nachmittags, bei Ihrer Danksagung, vor dem Essen wie nach dem Essen und am Abend, und setzen sich dieses eine Zeitlang zu Ihrer bestimmten täglichen Aufgabe.

Gehen Sie aber mit ruhigem, heiterem Sinne an die Lösung dieser Aufgabe. Sollte ein Rückfall eintreten, so verdemütigen Sie sich und fangen wieder von neuem an.

Gute Nacht, liebe Frau Gevatterin und Tochter; Ihr Herz gehört Gott an; freuen Sie sich, so gut angekommen zu sein. Von ganzem Herzen verbleibe ich

Ihr u. s. w.

     


 

2. Man soll aus der Not eine Tugend machen.

An eine Tante.

Den 20. Mai 1618.

Liebe Tante! Mit inniger Teilnahme denke ich fortwährend an die betrübte Stimmung, in welche Ihr Herz durch die Ereignisse der jüngsten Tage versetzt sein muss. Weiß ich zwar auch, dass die vielen Widerwärtigkeiten der letzten Jahre Sie bereits gewissermaßen an das Leiden gewöhnt, Ihre Seele gestählt und Ihren Mut angefeuert haben, mögen Sie auch infolgedessen nicht mehr so außerordentlich empfindlich sein für die unvermeidlichen Schläge dieses sterblichen Lebens, so besorge ich gleichwohl, es möge das viele Kreuz am Ende doch Sie außer Fassung bringen.

Aber trotz alledem, verehrteste Frau, lebe ich in der besten Hoffnung, dass Sie nach all diesen Erfahrungen, in welchen Ihnen die Eitelkeit des gegenwärtigen und die Wahrheit des künftigen Lebens so deutlich zu Gemüte geführt wurde, dass Sie nach all diesen Beteuerungen fest und unwiderruflich sich der Führung der göttlichen Vorsehung überlassen zu wollen, einen vollkommenen Trost finden werden am Fuße des Kreuzes Christi, wo der Tod für uns besser geworden ist als das Leben; und ich bin versichert, der trügerische Reiz des Weltlebens wird nicht imstande gewesen sein, Sie von den Entschließungen abzubringen, welche Sie nach den damaligen Ereignissen mit Gottes Gnade gefasst haben.

Kurzum, beste Tante, man muss sich der Notwendigkeit fügen und Gewinn daraus zu ziehen suchen für unser ewiges Heil, welches ja auf keinem anderen Wege zu erlangen ist als auf dem Wege des Kreuzes, der Dornen, der Trübsale. Und in der Tat ist für diejenigen, die unserem Herzen teuer sind, wenig oder vielmehr recht viel daran gelegen, dass ihr Aufenthalt nur kurz sei in dem Elende dieses vielgeplagten Lebens. Und was uns selbst betrifft, so würde ihr Hinscheiden uns nicht so tief erschüttern, wenn wir stets von der großen Wahrheit durchdrungen wären, dass all unser Sehnen für Gott einzig und allein auf die Ewigkeit gerichtet sein soll.

Teure Tante und, wenn ich reden darf, wie mein Herz verlangt, vielgeliebte Tochter! Lassen Sie sich nicht niederwerfen durch den andringenden Strom der Widerwärtigkeiten; umklammern Sie vielmehr die Füße des Herrn und sagen ihm, Sie seien sein Eigentum, er möge über Sie und über alles, was nach seinem Willen Ihnen angehört, schalten und walten nach seinem Wohlgefallen; nur möge er Ihnen und den Ihrigen die hochheilige Ewigkeit seiner Liebe sicherstellen. Diese kurzen Augenblicke sind nicht wert, dass man sie beachtet, als nur insofern sie jenem Glück uns entgegenführen.

Ich verbleibe Ihr u. s. w.

 

 

3. In allen Stürmen des Lebens muss man der Vorsehung vertrauen.

An eine Dame.

Den 7. Januar 1614.

Geliebteste Schwester! Soeben habe ich die beiden Briefe erhalten, welche Sie Herrn v. Tavernay anvertraut hatten, nebst einem dritten, in welchem Sie sich näher aussprechen über die Ursache Ihres Kummers, der umso drückender für Sie sein muss, da so viele kaum zu beseitigende Verdrießlichkeiten zusammentreffen. Und doch, geliebte Schwester, wären die düsteren Nebel noch so dicht, die Sonne wird sie zerstreuen. Jedenfalls wird Gott, der Sie bis jetzt geführt hat, Ihnen auch in Zukunft seine leitende Hand nicht entziehen; aber dann müssen Sie vollständig rückhaltlos sich in die Arme seiner Vorsehung werfen; und dazu ist gerade jetzt der rechte Augenblick gekommen.

Auf Gott vertrauen, so lange friedlich und freundlich die Sonne des Glückes lächelt, das bringt fast jeder fertig; aber auch dann sich ihm überlassen, wenn Sturm und Wetter toben, das ist nur Sache seiner Kinder; sie allein übergeben sich ihm ganz und ohne Vorbehalt. Tun Sie das, meine teure Schwester, so werden Sie eines Tages mit Staunen das Wunder sehen, wie alle die Schreckbilder vor Ihren Augen verschwinden, welche gegenwärtig Sie beunruhigen. Gottes Majestät erwartet diesen Beweis des Vertrauens von Ihnen, da er Sie an sich gezogen hat, um Sie auf außerordentliche Weise zu seinem Eigentum zu machen.

Von diesem Menschen, dem Sie teilweise glauben die Schuld beimessen zu müssen, sprechen Sie wenig und mit gewissenhafter Zurückhaltung. Ergießen Sie sich durchaus nicht in Klagen, reden überhaupt nur selten von der Sache und nicht mehr, als Sie mit voller Sicherheit davon wissen. Haben Sie aber Verdacht, so dürfen Sie denselben, insoweit derselbe zweifelhaft ist, auch nur in zweifelndem Tone äußern.

Ich schreibe Ihnen in aller Eile; es ist heute der unruhigste Tag, den ich seit langer Zeit gehabt habe. So Gott will, schreibe ich bald mehr und fahre für jetzt fort, um Ruhe und Trost für Sie zu beten. Suchen Sie, soviel Sie können, die Gemüter Ihrer Verwandten durch freundliches, verständiges Entgegenkommen zu besänftigen. Ach, in solchen Fällen macht großmütiges Hinwegsehen über erfahrene Kränkungen in einer Stunde mehr Unheil gut als Empfindlichkeit in einem ganzen Jahre. Freilich kommt alles auf den lieben Gott an; ihn muss man daher auch um seine Hilfe anflehen. Gott sei immerdar in Ihrem Herzen, teure Schwerer. Mit vollkommenster Hochschätzung

    Ihr u. s. w.


 

4. Der brennende Dornbusch.

An eine Dame.

Den 11. September 1610.

Geehrteste Frau! Es gereicht mir zu großem Troste, wahrzunehmen, wie gütig Sie meine Versuche aufnehmen, Ihrer Seele zu dienen, zu der ich mich mit zarter und mächtiger Liebe hingezogen fühle, weil ich sie mit mannigfacher Himmelsgnade bezeichnet sehe. Darum wünsche ich ihr auch je mehr und mehr ein rechtes Wachstum in der heiligen Liebe Gottes, welche der Segen aller Segen ist.

Sie werden wissen, meine teure Tochter, dass das Feuer, welches Moses auf dem Berge sah, jene heilige Liebe vorstellte. Gleichwie nun diese Flammen ihre Nahrung von den Dornen empfingen, so gedeiht auch die göttliche Liebe weit besser unter Widerwärtigkeiten als unter Vergnügungen. Sie können also daraus abnehmen, dass der Herr Ihren Fortgang in seiner Liebe wünscht, da er Ihnen eine fast stets schwankende Gesundheit und mehrfache andere Plagen gegeben hat.

Ach Gott, meine teure Tochter, wie süß ist es, unsern Herrn zu betrachten, wie er am Kreuze mit Dornen und im Himmel mit Herrlichkeit gekrönt ist! Dieser Anblick ermutigt uns, alle Widerwärtigkeiten mit Liebe hinzunehmen, da wir wohl wissen: mittels der Dornenkrone gelangen wir zur Krone der Seligkeit. Schließen Sie sich nur immer recht eng und innig an den Heiland an, und es wird Ihnen kein Übel zustoßen, welches sich nicht in Glück verwandelte.

Ihr ergebenster u. s. w.


 


 

5. Leiden sind der Anteil der Kinder Gottes hienieden.

An eine Oberin.

Meine teure Tochter! Gewiss, wenn es sein könnte, möchte ich alle Tage Nachricht haben über Ihre Seele, alle Tage Ihnen Kunde geben von der meinigen; denn ich kann mir denken, dass Sie selten ohne Trübsal sind.

Teuerste Tochter! Sie wissen recht wohl, dass Gott seinen Kindern ihr Erbteil aufbehält für das künftige Leben, und dass er in dem gegenwärtigen den liebsten aus ihnen in der Regel nur die Ehre zukommen lässt, viel zu leiden und ihr Kreuz ihm nachzutragen. Ich weiß, Ihr Herz ist festgegründet in dieser Wahrheit; wiewohl ich daher auf der einen Seite meinem Herzen nicht wehren kann, Mitleid mit Ihnen zu haben, da Sie ja in Wahrheit meine Tochter sind, so rühme ich mich doch auf der anderen Seite im Kreuze unseres Herrn, da Sie so glücklich sind, daran Anteil zu nehmen, und werde niemals aufhören, den Heiligen Geist anzuflehen, er möge immer tiefer Sie einführen in den Geist seines reinsten Gehorsams und seiner heiligsten Liebe.

Mit unwandelbarer Ergebenheit verbleibe ich

Ihr u.s.w.


 

6. In der Trübsal kann man Gott am besten Treue beweisen.

An eine Dame.

Am Feste der unschuldigen Kinder 1612.

Ich zweifle nicht, meine teure Tochter, dass Sie infolge verschiedener widriger Begegnisse recht niedergebeugt sein werden; teilweise sind mir ja die Anlässe bekannt, die Ihnen Sorge und Kummer bereiten mögen. Wann aber und womit können wir besser die echte Treue beweisen, die wir unserem Herrn schulden, als in Trübsal und Verfolgung, als zur Zeit der Widerwärtigkeiten ?

Es ist einmal nicht anders; das Leben auf Erden reicht uns mehr Wermut als Honig; doch der, um dessentwillen wir entschlossen sind, trotz aller Widersacher in der heiligen Geduld zu beharren, wird uns den Trost seines Heiligen Geistes senden zur rechten Zeit. „Hütet euch,“ spricht der Apostel, „das Vertrauen sinken zu lassen. Gestärkt durch selbes werdet ihr mit ausdauernder Tapferkeit auch den heißesten Kampf der Trübsale überstehen.” (Vgl. Hebr. 10, 35.)

Es hat mich wirklich betrübt, von dem kleinen Streit zu hören, der zwischen den beiden Vettern ausgebrochen ist wegen des Stückleins Brot, welches der arme Herr v. N. hinterlassen hat. Aber so geht es bei den Menschenkindern.

Doch ich bin sehr eilig. Möge Gott uns die Gnade verleihen, gut und heilig das nahende neue Jahr anzufangen und zu vollenden! Möchten wir in demselben den hehren (glorreichen) Namen Jesus heiligen und dasselbe einzig verwenden zu der heiligen Sorge für unser Heil! Ich verbleibe für immer

Ihr u. s. w.


 


 

7. Je mehr wir aufwärts streben nach dem Berge der himmlischen Verklärung, desto mehr wird unser Herz dem Drucke der irdischen Plage entrückt.

An eine seiner Schwestern.

Meine liebe Schwester! Es ist nicht mehr wie billig, dass ich Dir schreibe, um Dir guten Abend zu wünschen und Dich aufs neue zu versichern, dass ich nicht aufhöre, Dir und meinem Herrn Bruder tausendfachen Himmelssegen, namentlich aber die Gnade zu wünschen, mehr und mehr in das Bild unseres Erlösers verklärt zu werden (Vermutlich ist dieser Brief am Feste der Verklärung Christi geschrieben.). O wie schön ist sein Antlitz, wie strahlen seine Augen so süß und in wunderbarer Freundlichkeit, und wie gut ist es, bei ihm zu weilen auf dem Berge seiner Glorie! Ja, dort, liebe Schwester, müssen wir dem Wünschen und Sehnen unseres Herzens Hütten bauen, nicht hier auf Erden, wo es doch nur eitle Schönheit und schöne Eitelkeit gibt. Nun, dank der Gnade des Erlösers, sind wir wenigstens auf dem Wege zur Höhe des Tabor (hl. Berg), da wir den festen Entschluss haben, der göttlichen Güte mit Ernst und Liebe zu dienen; es gilt daher, sich zu heiliger Hoffnung zu ermutigen. Nur immer aufwärts, liebe Schwester, nur aufwärts gestiegen, ohne uns durch die himmlische Erscheinung des Herrn ermatten zu lassen! Mehr und mehr erheben wir uns über den Nebel irdischer und niedriger Neigungen, immer kräftiger werde unser Streben nach der Glückseligleit, die uns bereitet ist.

Ich beschwöre Dich, liebe Tochter, recht für mich zu beten, auf dass der Herr von jetzt an mich erhalte auf den Pfaden seines Willens, damit ich ihm diene in aller Aufrichtigkeit und Treue. Siehe, liebe Tochter, ich verlange entweder zu sterben oder Gott zu lieben; entweder den Tod oder die Liebe! Denn das Leben ohne diese Liebe ist viel schlimmer als der Tod. Mein Gott, teure Tochter, wie glücklich sind wir, wenn wir so recht jenes höchste Gut lieben, welches so viel Huld und Segnungen für uns in Bereitschaft hält.

Geben wir uns nur recht vollständig dem Herrn hin, meine Tochter, mitten unter all der Plage und den Wechselfällen der uns umgebenden Welt. Wie wollen wir besser unsere Treue beweisen als bei Widerwärtigkeiten! Ach, liebe Tochter, die Einsamkeit hat ihre Stürme, die Welt hat ihre Plage; überall muss man guten Mut haben, da überall des Himmels Hilfe denen nahe ist, die auf Gott vertrauen und mit Demut und Sanftmut ihn um seinen väterlichen Beistand anrufen.

Sei recht auf Deiner Hut, dass Deine Sorge nicht in Verwirrung und Unruhe ausartet. Mag auch Dein Schifflein mitten im Sturm und Wogendrang der Geschäfte und Sorgen dahinschwanken, richte nur immer Deinen Blick zum Himmel empor und sprich zu unserem Heilande: O Gott, zu dir fahre und steure ich; sei du mein Führer und Leitstern! Und dann lass mich getröstet sein, wenn wir in den Hafen werden eingelaufen sein, wo solche Seligkeit unserer wartet, dass wir darüber alle Mühen und Gefahren unserer Fahrt vergessen werden. An dieses Ziel gelangen werden wir trotz all dieser Stürme, wenn wir nur geraden Herzens, reiner Absicht, festen Mutes den Blick auf Gott gerichtet halten und auf ihn unser ganzes Vertrauen setzen.

Sollte auch die Heftigkeit des Sturmes uns mitunter ein bisschen Unruhe im Magen und Schwindel im Kopfe verursachen, so wundern wir uns nicht darüber; suchen wir aber sobald wie möglich wieder zu Atem zu kommen und uns anzueifern, später uns tapferer zu halten. Ich bin versichert, Du wandelst stets an der Hand unserer heiligen Entschließungen. Lass Dich daher durch diese kleinen Versuchungen zur Unruhe und zum Ärger, wie sie die Menge Deiner häuslichen Geschäfte mit sich bringt, nicht außer Fassung bringen; nein, meine teure Tochter; denn das soll Dir Anlass bieten, die teuersten und liebenswürdigsten Tugenden zu üben, die unser Heiland uns empfohlen hat. Glaube mir, die wahre Tugend gedeiht nicht bei äußerer Ruhe, ebensowenig wie gute Fische in den stehenden Wassern der Sümpfe. Es lebe Jesus!


 

8. Starke Tugenden wachsen nur unter dem Kreuze.

An eine Witwe.

Teure Mutter! Ich nehme mitleidigen Anteil an den vielen bitteren Schmerzen, welche Sie auszustehen haben, empfinde aber dessenungeachtet reichen Trost dabei, weil Sie leiden im Geiste der Ergebung. Liebe Mutter, die Tugenden, welche unter glücklichen Umständen wachsen, sind gewöhnlich hinfällig und gebrechlich; die dagegen in der Trübsal entstehen, sind stark und kräftig, wie man ja auch sagt, dass die besten Weine wachsen im öden Felsgestein.

Ich bitte Gott, er möge immerdar sein inmitten Ihres Herzens, damit dasselbe nicht erschüttert werde durch alle diese Stöße. Möge er, indem er Sie teilnehmen lässt an seinem Kreuze, Ihnen auch von seiner heiligen Dulderkraft sowie von jener Liebe mitteilen, welche der Trübsal so unschätzbaren Wert verleiht.

Nie werde ich aufhören, die Hilfe des ewigen Vaters über eine Tochter herabzuflehen, welche ich ehre und liebe wie meine Mutter.

Ich verbleibe, meine teure Mutter, im Herrn

Ihr u. s. w.


 

9. Wenn wir mit Christus leiden, werden wir auch mit ihm verherrlicht werden.

An die Äbtissin Angelica Arnauld von Port-Royal.

(Später ließ die genannte Äbtissin mit dem von ihr geleiteten Pariser Zisterzienserinnen-Kloster sich in die unseligen jansenistischen Irrungen hereinziehen.)

Den 22. September 1619.

Diesen Nachmittag war Ihr lieber Bruder bei mir, gefasst und voll Mut wie immer, wenn ihm auch Tränen in den Augen standen wegen der Erkrankung unserer Schwestern Katharina von Genua und Maria.

O meine Tochter, Gott helfe mir; aber beinahe wäre ich in die Klage des alten Propheten ausgebrochen: „Ach, wie, mein Herr, strafst du denn auch diese Töchter, die um deiner Liebe willen mir Speise und Nahrung reichten?”

(Elias bei der Leiche des Sohnes der Witwe von Sarepta: 3 Kön. 17, 20.)

Doch nein, meine vielgeliebte Tochter, lieber will ich mit jenem anderen Propheten sprechen: „Ich schweige unter deiner Rute und tue den Mund nicht auf, weil du es getan." (Ps. 38, 16.) Mit einem Worte, es wird immer wahr bleiben: Wer teilhaben will an Christus, dem Verherrlichten, wird zuerst teilnehmen müssen mit Christus, dem Gekreuzigten (Röm. 8, 17.).

Wohlan also, meine Tochter, seien Sie hohen Mutes und setzen Ihre Hoffnung auf Gott, auf seine Vorsehung, auf die Ewigkeit. Amen.


 

10. Man soll sein Kreuz stets betrachten im Lichte des Kreuzes Christi.

An eine Dame.

Werteste Frau! Hat Gott Ihnen mehr Kraft und Starkmut verliehen, um Ihre Widerwärtigkeiten zu ertragen, so sei seine Güte dafür gepriesen, die allezeit bereit ist, den Seelen beizustehen, die auf sie hoffen. Hoffen Sie also immer auf den Herrn, liebe Frau, und um ein Recht darauf zu haben, bleiben Sie stets sein Eigentum und opfern oftmals Ihr Herz seiner Liebe auf demselben Altare des Kreuzes, auf welchem er das seinige aus Liebe zu Ihnen geopfert hat.

Das Kreuz ist die königliche Pforte zu dem Tempel der Heiligkeit. Wer diese auf einem anderen Wege sucht, findet niemals eine Spur davon.

Beste Frau, ich werde Ihnen nicht sagen, Sie möchten Ihre Widerwärtigkeiten nicht beachten; Ihr schlagfertiger Geist würde mir entgegnen, dieselben machen sich Ihnen nur allzu fühlbar durch den herben Schmerz, den sie Ihnen verursachen. Wohl aber sage ich Ihnen: Sie sollen Ihr Kreuz nicht anders betrachten als im Lichte des Kreuzes Christi; es wird das Ihrige Ihnen dann entweder winzig klein oder doch so annehmlich vorkommen, dass Ihnen das damit verbundene Leiden lieber ist als alle Genüsse und Freuden ferne davon.

Da fällt mir das äußere Kreuz ein, welches Sie an Ihrem Herzen trugen, als ich zuletzt die Freude hatte, Sie zu sehen: lieben Sie recht Ihr Kreuz, teure Frau; denn es ist ganz von Gold, wenn Sie es mit den Augen der Liebe betrachten. Sehen Sie freilich auf der einen Seite die Liebe Ihres Herzens tot und gekreuzigt unter Nägeln und Dornen, so finden Sie auf der anderen eine Fülle herrlicher Edelsteine, aus denen die Krone der Glorie gebildet wird, die Ihnen beschieden ist, wenn Sie jetzt mit rechter Liebe die Dornenkrone tragen wollen mit Ihrem Könige, der so vieles leiden wollte, um einzugehen in seine Herrlichkeit.

Sie sehen wohl, wie mein Herz sich erweitert, indem ich mit Ihnen rede, wie es übersprudelt von Liebe zu Ihrer Seele. Mögen Sie mir auch häufig vor Gott Ihre Liebe beweisen, indem Sie sein Erbarmen über mich herabflehen, der ich in Wahrheit verbleibe Ihr u. s. w.


 

11. Die Betrachtung des Leidens Christi ist der beste Trost in der Trübsal.

An eine Dame.

Es ist die Wahrheit, teure Tochter, nichts vermag in dieser Welt uns eine größere Beruhigung zu gewähren, als die häufige Betrachtung unseres Herrn in all den Trübsalen, die er von seiner Geburt bis zu seinem Tode zu erdulden hatte.

Da sehen wir so viel Verachtung, Verleumdung, Armut, Entbehrung, Erniedrigung, Schmerz und Qual, Entblößung, Unbilden und Bitterkeiten aller Art, dass wir begreifen werden: im Vergleiche damit können wir nur mit Unrecht die kleinen Unannehmlickeiten, die uns zustoßen, Trübsal, Leiden und Widerwärtigkeiten nennen; nur mit Unrecht glauben, für solche Kleinigkeiten der Geduld zu bedürfen. Nur ein einziges Tröpflein Bescheidenheit reicht hin, uns alles, was uns vorkommt, in der rechten Weise ertragen zu helfen.

Der Zustand Ihrer Seele ist mir genau bekannt, und es ist mir, mit, als sehe ich sie fortwährend vor mir mit all den kleinen Regungen der Traurigkeit, der Bestürzung und Unruhe, welche nur deshalb so verwirrend auf dieselbe einwirken können, weil in Ihrem Willen das Fundament der Liebe zum Kreuze und zur Erniedrigung nicht tief genug gelegt ist. Meine teure Tochter, ein Herz, welches Jesus Christus den Gekreuzigten recht ernstlich verehrt und liebt, liebt auch den Tod, das Leiden, die Marter, die Anspeiung, die Beschimpfung, die Entbehrung, den Hunger und Durst, sowie die Schmach, die er erduldet; ist es ihr aber vergönnt, selber ein klein wenig Anteil daran zu nehmen, so jubelt sie deshalb auf vor Freude und umfasst mit inniger Liebe dieses ihr Glück.

Sie müssen daher täglich, nicht beim eigentlichen Gebete, sondern beim Spaziergange sich unseren Herrn in den Mühsalen unserer Erlösung vorstellen, müssen beherzigen, welches Glück für Sie darin liegt, daran teilnehmen zu dürfen und zu sehen, bei welchen Anlässen dieses Glück Ihnen begegnen kann, das heißt, auf welche Widersprüche Sie mit Ihren Wünschen stoßen werden, namentlich mit jenen, welche Sie als ganz besonders gut und berechtigt ansehen. Alsdann rufen Sie, durchdrungen von großer Liebe zu dem Kreuz und Leiden des Erlösers, mit dem hl. Andreas aus: „O süßes, von meinem Heiland so heiß geliebtes Kreuz, wann wirst du mich auf deine Arme nehmen!”

Bemerken Sie wohl, meine teure Tochter, dass es eine übergroße Verweichlichung verrät, wenn wir einen Zustand Armut nennen wollen, in welchem wir weder Hunger, noch Kälte, noch Schmach zu leiden, sondern bei Verfolgung unserer Ziele nur mit einigen Unbequemlichkeiten zu kämpfen haben. Wenn wir uns wiedersehen, so erinnern Sie mich daran, dass ich Ihnen etwas sage über diese Verzärtelung und Verweichlichung Ihres lieben Herzens. Denn für Ihre Ruhe und Ihren Frieden ist es vor allen Dingen nötig, dass Sie von dieser Schwäche geheilt werden und einen rechten Begriff von der Ewigkeit bekommen. Wer sich diese recht oft vorstellt, der macht sich nur wenig mehr daraus, was ihm in den drei, vier Augenblicken des sterblichen Lebens widerfährt.

Nachdem Sie die halbe Adventszeit hindurch das Fasten durchgeführt haben, mögen Sie nun auch damit fortfahren bis zu Ende. Auch können Sie zwei Tage nacheinander kommunizieren, wenn ein Fest einfällt. Gehen Sie mit rechter Andacht, auch nach dem Frühstück, zur heiligen Messe; so ist's alter Brauch in der Christenheit. Auf solche Kleinigkeiten achtet unser Herr nicht. Die Ehrfurcht liegt im Herzen, und Ihr Geist darf bei solchen kleinlichen Bedenken sich nicht aufhalten. Leben Sie wohl, meine teure Tochter, und zählen Sie stets ganz auf mich, wie ich mich in aller Wahrheit als den Ihrigen bekenne. Gott segne Sie. Amen.



 

12. Grundsätze, um trotz aller Widerwärtigkeiten auf dem Wege der Gottseligkeit zu beharren.

An eine Dame.

Annecy, den 26. April 1622.

Möge der Heilige Geist mir eingeben, was ich Ihnen schreiben soll, werteste Frau, oder vielmehr, wenn Sie wollen, teuerste Tochter! Um auf dem Wege der Gottseligkeit zu beharren, braucht man nur seinem Geiste gewisse treffliche Grundwahrheiten nachdrücklich einzuprägen.

Die erste Wahrheit, von der ich Sie durchdrungen wünsche, ist der Grundsatz des hl. Paulus: „Denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Besten.“ (Röm. 8, 28.) Und wirklich, da es in Gottes Macht steht, das Böse zum Guten zu lenken, für wen sollte er es denn tun, wenn nicht für diejenigen, die sich ohne Rückhalt ihm geschenkt haben? Ja sogar die Sünden, vor denen uns Gott in seiner Güte bewahren wolle, werden durch seine göttliche Vorsehung zum Besten derer gewandt, die ihm angehören. Niemals würde David zu dieser tiefen Demut gelangt sein, wenn er nicht gesündigt hätte; und Magdalena wurde ihren Heiland nicht so innig geliebt haben, wenn er ihr nicht so viele Sünde vergeben hätte; er hätte sie ihr aber nicht vergeben können, wenn sie dieselben nicht begangen hätte.

Sie sehen, teure Tochter, was dieser kunstreiche Meister des Erbarmens vermag; er verwandelt unsere Armseligkeiten in Gnaden und bereitet aus dem Schlangengifte unserer Missetaten eine heilende Arznei für unsere Seele.

Sagen Sie mir nun, ich bitte Sie, was wird er nicht erst alles aus den Trübsalen, Mühseligkeiten und Verfolgungen machen, die man uns bereitet? Stößt Ihnen also jemals wieder etwas Betrübendes zu, mag es kommen, woher es will, so geben Sie Ihrer Seele die Versicherung, wenn sie Gott recht liebe, werde sich alles zum Besten lenken. Vermögen Sie auch nicht abzusehen, durch welche Verkettung der Umstände dies geschehen soll, so halten Sie nur desto mehr fest an der Überzeugung, dass es geschehen wird. Legt Gott Ihnen den Kot der Schmach auf die Augen (Wie der Herr tat bei der Heilung des Blinden: Joh. 9, 6 - 11.), so geschieht es nur, um Ihnen schönere Aussichten zu eröffnen und Sie vor aller Augen zu Ehren zu bringen. Lässt Gott Sie fallen, wie er den hl. Paulus zu Boden stürzte, so will er Sie nur zu höherer Herrlichkeit emporheben.

Der zweite Grundsatz ist: Gott ist Ihr Vater. Sonst würde er Ihnen nicht befehlen, zu beten: „Vater unser, der du bist im Himmel.” Was haben Sie aber als Kind eines solchen Vaters zu fürchten, ohne dessen Willen nicht einmal ein Haar von Ihrem Haupte fällt? (Luk. 21, 18.) Wunder muss es nehmen, dass wir als Kinder eines solchen Vaters noch eine andere Sorge kennen als die, ihn recht zu lieben und ihm mit aller Treue zu dienen. Sorgen Sie daher für Ihre eigene Person und für Ihre Familie nur, insoweit Gott es will, und nicht mehr; denn dann werden Sie sehen, dass er die Sorge für Sie übernimmt. „Denke an mich," sprach er zu der hl. Katharina von Siena, deren Fest wir heute feiern, „und ich werde an dich denken.” „O ewiger Vater,” spricht der Weise, „deine Vorsehung regiert alles.” (Weish. 14, 3.)

Der dritte Grundsatz, an den Sie sich halten sollen, ist der, den der Herr seine Apostel gelehrt hat: „Woran hat es euch gemangelt?” Sehen Sie, liebe Tochter, unser Heiland hatte seine Apostel da und dorthin geschickt ohne Geld, ohne Stab, ohne Schuhe, ohne Reisetasche, bloß mit einem Leibrock angetan, und sprach dann nachher zu ihnen: „Als ich euch also fortgeschickt habe, hat es euch an etwas gemangelt?” Und sie erwiderten: „Nein!” (Luk. 22, 35.) Nun denn, meine Tochter, wann immer Sie in Trübsal waren, selbst zur Zeit, als Sie noch nicht so viel Vertrauen auf Gott hatten, sind Sie etwa zugrunde gegangen in der Trübsal? Sie müssen sagen: Nein. Warum sollte Ihnen also den weiteren Widerwärtigkeiten gegenüber der Mut sinken? Gott hat Sie bisher nicht verlassen; wie sollte er jetzt Sie verlassen, da Sie mehr als je ihm angehören ?

Machen Sie sich keine Sorge wegen eines künftigen Übels auf dieser Welt; denn vielleicht kommt es gar nicht, und sollte es auch kommen, so wird auf alle Fälle Gott Sie stärken. Er befahl dem hl. Petrus, über die Wasserwogen hin zu wandeln; als dieser aber den Wind und den Sturm sah, geriet er in Furcht, und die Furcht bewirkte, dass er zu sinken begann. Da rief er seinen Meister um Hilfe an, und dieser sprach zu ihm: „Kleingläubiger warum hast du gezweifelt?” Alsdann streckte er die Hand aus und brachte ihn in Sicherheit (Matth. 14, 28 - 31.). Heißt also Gott auch Sie wandeln auf den Fluten der Trübsal, so zweifeln Sie nicht, zagen Sie nicht; Gott ist mit Ihnen; seien Sie guten Mutes, Sie werden gerettet werden.

Der vierte Grundsatz ist der Gedanke an die Ewigkeit. Es liegt wenig daran, was ich während dieser vergänglichen Augenblicke bin, wenn ich nur ewig in der Herrlichkeit meines Gottes bin. Meine Tochter, wir gehen der Ewigkeit entgegen, fast stehen wir schon mit einem Fuße auf der Schwelle derselben. Wenn sie nur eine glückliche für uns ist, was liegt dann daran, ob diese flüchtigen Augenblicke voll Leid für uns waren? Ist es möglich zu wissen, dass unsere Leiden, die nur drei oder vier Tage dauern, uns so viel himmlische Tröstung verschaffen, und sie dennoch nicht ertragen zu wollen?

Was nicht kann für ewig sein,

Ist nur alles leerer Schein.”

Der fünfte Grundsatz ist der Wahlspruch des Apostels: „Es sei ferne von mir, mich zu rühmen, außer im Kreuze meines Jesus.“ (Gal. 6, 14.)

Pflanzen Sie Jesus Christus den Gekreuzigten in Ihr Herz, und alles Kreuz dieser Welt wird Ihnen wie Rosen erscheinen. Wer mit den Dornen der Krone unseres Herrn verwundet ist, empfindet kaum noch einen anderen Stich.

Alles, was ich Ihnen hier sage, finden Sie auch in dem dritten, vierten oder fünften und im letzten Buche meiner Schrift „Über die Liebe Gottes”. Manches hierher Gehörige finden Sie auch in Granadas trefflicher „Lenkerin der Sünder”. Ich muss nun schließen; man drängt mich. Schreiben Sie mir mit allem Vertrauen und bemerken es mir, wenn Sie glauben, dass ich etwas für Ihr Herz tun kann. Von Herzen gern will ich helfen, soviel ich kann; denn ich bin und bleibe Ihr aufrichtig ergebener u. s. w.

 


13. Nach so kurzer Wanderung auf dem Kreuzwege dürfen wir nicht schon Ruhe verlangen. Verhalten bei innerer Verlassenheit.

An Frau von Chantal.

Den 18. Februar 1605.

Ich preise Gott für die Standhaftigkeit, mit welcher Sie Ihre Trübsale ertragen. Freilich will es mir scheinen, als ob Sie noch nicht ganz frei seien von aller Ungeduld und Hast, wodurch die Hauptwirkung der Geduld vereitelt wird.

In eurer Geduld”, spricht der Sohn Gottes, „werdet Ihr eure Seelen besitzen.” (Luk. 21, 19.) Das also ist die Wirkung der Geduld, uns den Besitz unserer Seelen zu sichern, und je vollkommener die Geduld ist, desto vollständiger und ausgiebiger kommen wir in den Besitz der Seele. Die Geduld aber wird umso vollkommener, je weniger Hast und Unruhe ihr beigemischt ist. Möge also Gott Sie befreien von diesen beiden Unzuträglichkeiten, und alsbald werden Sie auch freie Hand bekommen über Ihre Seele.

Nur Mut, meine teure Schwester, ich bitte Sie! Erst drei Jahre haben Sie die Beschwerden der Pilgerschaft ertragen, und schon wollen Sie Ruhe haben!

Aber bedenken Sie zwei Dinge: einmal dass die Kinder Israels vierzig Jahre in der Wüste zubringen mussten, bevor sie das Land erreichten, das ihnen als Wohnstätte verheißen war; und doch wären sechs Wochen vollkommen ausreichend gewesen, die ganze Reise mit Bequemlichkeit zurückzulegen.

Man durfte nicht fragen, warum Gott sie so weite Umwege machen ließ und weshalb er sie auf so rauhen Wegen führte, und alle, die darüber murrten, starben vor der Ankunft. Dann aber zweitens bedenken Sie, dass Moses, der größte Freund Gottes aus der ganzen Volksschar, an den Grenzen des Landes der Ruhe starb, wo sein Blick in die Gefilde desselben hinüberschaute, ohne dass ihm der Genuss ihrer Segnungen vergönnt war.

Wollte Gott, wir möchten wenig darauf achten, auf was für einem Wege wir dahinwallen, möchten vielmehr unsere Blicke fest auf den richten, der unser Führer ist, und auf das selige Land, zu welchem er uns hingeleitet. Was kann uns daran liegen, ob unser Weg durch Wüsteneien oder durch lachende Gefilde führt, wenn nur Gott mit uns ist und wir in das Paradies gelangen? Folgen Sie mir, ich bitte Sie, und setzen sich soviel wie möglich über Ihr Leid hinweg; und sollte es sich Ihnen dennoch fühlbar machen, so sehen Sie es wenigstens nicht an; denn der Anblick würde in Ihrem Herzen eine Furcht hervorrufen, welche schlimmer wäre als das Leid selber. Verbindet man doch denen die Augen, gegen welche man einen schweren Schlag mit dem Schwerte führen will.

Es scheint mir, als beschäftigen Sie sich etwas zu viel mit der Betrachtung Ihres Leides.

Wenn Sie mir aber sagen, es sei eine harte Sache, zu wollen und nicht zu können, so will ich Ihnen nicht entgegnen, man möge dann wollen, was man kann, sondern gebe Ihnen zu bedenken, dass es vor Gott schon ein großes Können ist, wollen zu können. Gehen Sie aber weiter und denken an die große Verlassenheit unseres göttlichen Meisters im Ölgarten; sehen Sie, wie der teure Sohn, nachdem er seinen gütigen Vater um Trost gebeten, aber dann wahrgenommen hatte, dass dieser ihm solchen nicht wolle zuteil werden lassen, nicht weiter daran denkt, sich nicht ferner darum bemüht, nicht mehr danach verlangt, sondern vielmehr, gleich als hätte er nie nach Trost begehrt, beherzt und mutig das Werk unserer Erlösung vollbringt.

Haben Sie also den Vater um Trost gebeten, und gefällt es ihm nicht, Sie zu erhören, so denken Sie nicht ferner daran, sondern nehmen Ihren Mut zusammen, um das Werk Ihres Heiles am Kreuze zu vollenden, gleich als sollten Sie nie wieder herabsteigen von dem Kreuze, und als sollte nie mehr ein freundlicher Sonnenstrahl die dunklen Wolken über Ihrem Haupte durchbrechen. Was wollen Sie? Man muss Gott erkennen und mit ihm reden im Rollen des Donners und beim Brausen des Sturmwindes; man muss ihn auch wahrzunehmen wissen im Gestrüppe, inmitten des lodernden Dornbusches.

Um aber dazu imstande zu sein, muss man freilich die Schuhe ablegen und allen eigenen Wünschen und Neigungen vollständig entsagen. Doch hat die göttliche Güte Sie nicht zu der Laufbahn berufen, in welcher Sie sich befinden, ohne Ihnen zu allem diesem die nötige Kraft zu verleihen. Gottes Sache ist es, das angefangene Werk zu vollenden. Allerdings wird es etwas lang damit, aber der Stoff fordert es so. Also Geduld!

Kurz, um der Ehre Gottes willen ergeben Sie sich gänzlich in seinen Willen und glauben ja nicht, ihm auf andere Weise besser dienen zu können. Man dient ihm niemals gut, wenn man ihm anders dient, als er will.

Nun ist es aber sein Wille, dass Sie ihm dienen sollen ohne Geschmack, ohne Gefühl, mit Widerwillen und inneren Kämpfen. Dieser Dienst sagt Ihnen nicht zu, wohl aber ihm; er ist nicht nach Ihrem Sinn, wohl aber nach dem seinigen.

Stellen Sie sich vor, Sie sollten nie von Ihren Beängstigungen befreit werden; was würden Sie dann tun? Sie würden zu Gott sprechen: Ich bin dein; sind dir meine Leiden angenehm, so vermehre ihre Zahl und Dauer. Ich vertraue zu Gott, Sie würden so sprechen, und dann nicht weiter daran denken, oder doch wenigstens sich nicht ferner deswegen beunruhigen. Tun Sie das gleiche jetzt und gewöhnen sich so an Ihre Plage, als sollten Sie immer mit ihr zusammenleben. Sie werden sehen, wenn Sie selbst nicht mehr an eine Befreiung davon denken, so wird Gott daran denken, und wenn Sie sich nicht mehr deswegen abmühen, wird Gott Ihnen zu Hilfe eilen.

Doch genug hiervon, bis Gott mir Gelegenheit geben wird, mich nach Wunsch des Näheren darüber auszusprechen, und wollen wir uns recht darauf freuen, wenn wir einander mit Gottes Hilfe einmal persönlich wiedersehen.

Nur ja recht fest geblieben! Nichts möge Sie zum Wanken bringen. Noch ist es Nacht; aber der Tag bricht an; nicht lange wird's mehr dauern. Inzwischen aber lassen Sie uns die Worte Davids befolgen: „Des Nachts erhebet eure Hände zum Heiligtume und lobet den Herrn.” (Ps. 132, 2.) Preisen wir ihn von ganzem Herzen und flehen ihn an, uns Lotse, Schiff und Hafen zu sein.

 

 

14. Je größer das Kreuz, desto höher das Verdienst.

Aus einem Briefe an Frau von Chantal.

La Roche, den 19. Februar 1603.

Sie sagen mir, Sie hätten noch immer Ihr schweres Kreuz zu tragen; es drücke dasselbe Sie aber weniger nieder, weil Sie sich kräftiger fühlen. O Heiland der Welt, das ist ja vortrefflich! Man muss sein Kreuz tragen; je schwerer es ist, desto besser wird es uns bekommen. Möge uns also Gott nur immer schwereres auferlegen, wenn es ihm nur gefällt, uns auch große Kraft zu verleihen, es zu tragen! Also nur immer Mut: „Wenn du Vertrauen hast, wirst du die Herrlichkeit Gottes schauen.” (Joh. 11, 40.)


 

15. Bei dem Herrn sein in Trübsal ist besser als ferne von ihm in Freude.

An dieselbe.

Den 6. August 1606.

Sie sagen mir, dass Sie anfangen, Hand ans Werk zu legen: ach, mein Gott, das ist ein großer Trost für mich. Fahren Sie nur fort und legen immer ein bisschen Hand an; spinnen Sie täglich nur ein klein wenig, sei es bei Tage, im Lichte innerer Freudigkeit und Erleuchtung, sei es bei Nacht beim trüben Lampenschein, in Schwäche und Trockenheit.

Um deswillen lobt der Weise das starke Weib und rühmt von ihr: „Ihre Finger handhabten die Spindel.” (Spr. 31, 19.) Wie gerne möchte ich Ihnen über dieses Wort noch etwas sagen. Der Spinnrocken (stabförmiges Gerät, an dem beim Spinnen die noch unversponnenen Fasern befestigt bzw. umwickelt werden) ist gleichsam die Gesamtheit Ihrer Wünsche. Spinnen Sie täglich etwas davon ab, ziehen Sie den Faden Ihrer Vorsätze heraus in die Ausführung, und Sie werden damit zu Ende kommen. Aber hüten Sie sich vor Übereilung; sonst wird Ihr Faden sich in Knoten verwickeln und Ihre Spindel durcheinander geraten. Nur immer vorwärts! Geht es auch nur langsamen Schrittes, so werden wir doch einen weiten Weg zurücklegen.

Ihre Schwächen schaden Ihnen viel, sagen Sie; denn Sie finden sich dadurch gehindert an der Einkehr in sich selbst und an der Vereinigung mit Gott. Das ist ganz gewiss nicht wohl gesprochen. Gott belässt uns in solchem Elende zu seinem Ruhme und zu unserem größten Nutzen. Nach seiner Absicht soll unser Elend der Thron seiner Barmherzigkeit und unsere Schwäche der Ehrensitz seiner Allmacht werden. Worin anders beruhte die Stärke, die Gott dem Samson verliehen hatte, als in dessen Haare, dem schwächsten Teile seines Körpers? Möge ich nie wieder solche Reden hören von einer Tochter, die Gott nach dessen göttlichem Willen, und nicht nach eigenem Geschmack und wechselnder Laune dienen will. „Mag er auch mich töten,” spricht Job, „so will ich dennoch auf ihn hoffen.” (Hiob. 13, 15.) Nein, meine Tochter, solche Schwachheiten hindern Sie nicht, in sich selbst einzukehren; dieselben hindern Sie nur, Gefallen an sich zu finden.

Wir begehren stets bald dies, bald das, und obwohl wir unseren süßen Jesus im Herzen haben, sind wir gleichwohl nicht zufrieden; und doch, was können wir mehr wünschen? Nur eins ist notwendig, nämlich bei ihm zu sein.

Sie wissen wohl, weine liebe Tochter, dass die Hirten bei der Geburt unseres Herrn erhabene, göttliche Gesänge himmlischer Heerscharen vernahmen; die Heilige Schrift berichtet es; nicht aber steht geschrieben, dass die seligste Jungfrau und der hl. Joseph, die doch dem Kinde am nächsten waren, die Stimme der Engel gehört oder das wunderbare Himmelslicht geschaut hätten.

Im Gegenteil, anstatt des Gesanges der Engel vernahmen Sie das Weinen des Kindes, und bei dem schwachen Scheine einer erborgten Lampe sahen sie, wie die Augen des göttlichen Kindes mit Tränen gefüllt und seine Glieder starr waren vor Kälte. Nun sagen Sie mir einmal aufrichtig, hätten Sie nicht auch vorgezogen, in dem düsteren, von dem Geschrei des kleinen Säuglings wiederhallenden Stalle zu verweilen, als draußen mit den Hirten zu jubeln vor Freude über den Zauber der himmlischen Klänge und über die Schönheit jenes wunderbaren Lichtes?

Ja, Herr,” so sprach Petrus bei der Verklärung, deren Andenken die Kirche heute am 6. August feiert, „hier ist gut sein.” (Matth. 17, 4.) Und doch war Ihre Äbtissin (Die hl. Maria.) nicht mit dort, sondern nur auf dem Kalvarienberg, wo sie nichts sah als Tod, Nägel, Dornen, Ohnmacht, Finsternis, Überantwortung und Verlassenheit.

Das ist genug gesagt, meine Tochter, ja mehr als ich sagen wollte über einen Gegenstand, der bereits so oft zwischen uns besprochen worden ist. Ich bitte Sie also: nichts mehr davon! Lieben Sie den gekreuzigten Gott in der Finsternis und sprechen: „Hier ist gut sein, hier lasst uns drei Hütten bauen,“ dem Herrn eine, Maria eine und Johannes eine. Drei Kreuze dabei, nicht mehr; stellen Sie sich unter das des Sohnes oder unter das der Mutter, Ihrer Äbtissin, oder das des Jüngers, überall werden Sie wohl aufgenommen werden mit allen Töchtern Ihres Ordens, die da rings umherstehen.

Um der Ehre Gottes willen beschwöre ich sie, meine Tochter, fürchten Sie doch Gott nicht; er will Ihnen ja nichts Böses zufügen: lieben Sie ihn vielmehr von ganzem Herzen; er hat ja nur Gutes für Sie im Sinne. Gehen Sie ruhig Ihres Weges unter dem Schirm unserer Entschlüsse und weisen Sie das Nachgrübeln über Ihr Leid ab wie eine grausame Anfechtung.

Was soll ich sagen, um diese Flut von Gedanken in Ihrem Herzen einzudämmen? Geben Sie sich keine Mühe, dasselbe heilen zu wollen; denn diese Bemühung macht es erst recht krank. Quälen Sie sich nicht damit ab, Ihre Versuchungen zu überwinden; denn diese Anstrengung würde dieselben nur verstärken. Verachten Sie dieselben vielmehr und halten sich nicht dabei auf. Werfen Sie sich in Gedanken an die Brust des gekreuzigten Heilandes, küssen seine Seite und sprechen zu hundert Malen: Hier ist meine Hoffnung, hier der lebendige Quell meines Glückes, hier das Herz meiner Seele, die Seele meines Herzens; nichts wird mich jemals von seiner Liebe scheiden (Röm. 8, 35.).

Ich halte ihn und will ihn nimmer lassen (Hohel. 3, 2.), bis er mich an den Ort der Sicherheit gebracht hat. Wiederholen Sie oftmals: Was begehre ich auf Erden und was verlange ich im Himmel außer dir, o mein Jesus? Du bist meines Herzens Gott und das Erbe, nach dem ich verlange in Ewigkeit (Ps. 72, 26.). Was fürchten Sie, meine Tochter? Hören Sie doch, wie der Herr dem Abraham und auch Ihnen zuruft: „Fürchte dich nicht; ich will dein Schutz sein!“ (1 Mos. 15, 4.) Was suchen Sie anders auf Erden als Gott, und den haben Sie ja. Bleiben Sie standhaft in Ihrem Entschlusse! Verlassen Sie nicht das Schifflein, in welchem ich Sie eingeschifft habe; mag dann Sturm lind Orkan kommen, Jesus lebt, Sie werden nicht zu Grunde gehen. Mag er auch schlafen: zur rechten Zeit und Stunde wird er erwachen und Ihnen die Ruhe zurückgeben. Unser hl. Petrus, so erzählt die Schrift (Matth. 8, 23 - 26.), als er sah, dass der Sturm überhand nahm, bekam Furcht; und sobald er sich fürchtete, fing er an zu sinken und kam in Gefahr zu ertrinken, so dass er ausrief: „Herr, rette mich!” Der Heiland aber nahm ihn bei der Hand und sprach zu ihm: „Kleingläubiger, warum zweifelst du?” Betrachten Sie diesen heiligen Apostel; trockenen Fußes wandelt er auf dem Wasser; weder Wind noch Wellen können ihn zum Sinken bringen; aber die Furcht vor Wind und Wellen wäre sein Untergang, wenn sein Meister ihn nicht rettete.

Überhaupt ist die Furcht ein größeres Übel als das Übel selbst. O du Kleingläubige, was fürchtest du? Nein, fürchten Sie nicht; auch Sie wandeln über das Meer dahin zwischen Wind und Welle, aber auch bei Ihnen ist Jesus. Was ist da zu fürchten? Wandelt Sie aber doch Furcht an, so rufen Sie laut: Herr, rette mich! Er wird Ihnen die Hand reichen; halten Sie dieselbe fest und wandeln weiter in Freuden. Kurzum, grübeln Sie nicht über Ihr Leid, geben Sie den Anfechtungen keine Antwort, sondern gehen frisch voran. Nein, Gott kann Sie nicht sinken lassen, solange Sie, um ihn nicht zu verlieren, Ihren Vorsätzen treu bleiben. Mag auch die Welt in Trümmer gehen, mag alles aufgehen in Finsternis, Rauch und Getöse: Gott ist ja bei uns. Wenn aber Gott im Wolkendunkel wohnt auf dem rauchenden, Donner und Blitze sprühenden Berge Sinai (2 Mos. 19, 16 - 20.), wird es uns denn nicht wohl sein bei ihm?

Leben Sie wohl, liebe Tochter, leben Sie ganz in Gott und fürchten den Tod nicht; der gütige Jesus ist ganz unser; seien wir ganz sein. Nur Mut, meine Tochter!

Ganz der Ihrige u. s. w.


 

16. Gott zeigt sich uns mehr in der Trübsal als im Glück.

An dieselbe.

Am Feste Kreuzerhöhung, den 14. September 1606.

Haben Sie keine Sorge um mich wegen alles dessen, was Sie mir schreiben. Denn, sehen Sie, mit Ihren Angelegenheiten geht es mir wie einst dem Patriarchen Abraham. Er schlief an einem grauenhaften Orte bei tiefer Finsternis. Da kam ein großer Schrecken über ihn, aber es währte nur kurze Zeit. Denn alsbald leuchtete Feuershelligkeit vor ihm auf, und er vernahm die Stimme Gottes, der ihm seinen Segen verhieß (1 Mos. 15, 12.). Meine Seele durchlebt und empfindet mit Ihnen alle Ihre Finsternisse und Anfechtungen; der Bericht Ihrer Leiden erregt mein inniges Mitgefühl; aber ich sehe deutlich, das Ende wird ein glückliches sein. Denn unser gütiger Gott lässt uns rechte Fortschritte wachen in seiner Schule, und Sie sind ja jetzt eine aufmerksamere Schülerin als zu anderen Zeiten. Schreiben Sie mir nur offenherzig von Ihren Leiden und Freuden und machen sich meinetwegen gar keine Sorge; denn mein Herz ist wie gemacht dafür.

Mut, meine Tochter, nur vorwärts, vorwärts durch die düsteren Schluchten, voran, das Kreuz in den Armen in Demut und Geduld!

Was kommt darauf an, ob Gott zu uns redet aus Dornen oder aus Blumen? Allerdings erinnere ich mich nicht, dass er jemals unter Blumen gesprochen, wohl aber, dass er oftmals in der Wüste und auf Dorngestrüpp geredet hat.

Also auf, meine Tochter, rüstig weiter gewandert, sei das Wetter auch schlecht und finster die Nacht! Auf alle Fälle aber schreiben Sie mir immer recht aufrichtig. Das ist meine Hauptforderung, dass Sie ganz offenherzig gegen mich sind; denn darauf kommt alles an; schließen Sie Ihre Augen vor jeder Rücksicht auf meine Ruhe; glauben Sie mir, ich werde dieselbe um Ihretwillen nie verlieren, solange ich Ihr Herz standhaft sehe in dem Streben, Gott zu dienen; und gewiss nie, wenn es seiner Güte gefällt, nein, niemals werde ich Sie wanken sehen.

Seien Sie also ganz unbesorgt.

Nur Mut, meine teure Tochter, es geht vorwärts mit Gottes Hilfe! Glauben Sie mir, das trübe Wetter ist günstiger für unsere Reise, als wenn die Sonne sengende Strahlen auf unser Haupt herabsendete. Dieser Tage beobachtete ich die Bienen, welche sich still in ihren Zellen hielten, weil das Wetter rauh war.

Von Zeit zu Zeit kamen sie heraus an das Flugloch und schauten auf, ob es sich nicht aufklärte; gleichwohl eilte es ihnen nicht mit dem Ausfliegen, sondern sie nährten sich einstweilen mit ihrem Honigvorrat. O Gott, nur Mut! Das Licht ist nicht in unserer Gewalt, noch irgend ein Trost als der, den wir in unserem guten Willen finden; solange dieser unter der Obhut der heiligen Entschlüsse, die wir gefasst haben, geborgen und unser Herz mit dem erhabenen Insiegel (Zeichen eines Siegels) der himmlischen Kanzler verwahrt ist, haben wir nichts zu fürchten.

Von meiner Person nur zwei Worte. Seit einigen Tagen fühlte ich mich halb krank (Bei der Bereisung seines SprengeIs besuchte der heilige Bischof selbst die unzugänglichsten Alpenhöhen, wo noch menschliche Niederlassungen sich fanden. Auf einer dieser Höhen, zu Unserer lieben Frau von Nancy auf der Cluse = hl. Ort Nancy-sur-Cluses, angelangt, waren seine Füße von der mühseligen Wanderung ganz wund und blutig, so dass er 10 Tage später noch kaum sich aufrecht halten konnte. Gleichwohl gönnte er sich nur einen Ruhetag und setzte dann seine Visitationsreise noch bis zum 21. Oktober fort.). Ein Ruhetag hat mich wieder hergestellt. Von Herzen bin ich gesund, Gott sei Dank, und ich hoffe, es soll, wie Sie wünschen, immer besser mit mir werden.

Mein Gott, mit welcher Freude lese ich in Ihrem Briefe die Versicherung, dass Sie die Vollkommenheit für meine Seele fast mehr noch wünschen als für die eigene. Ja, so gehört es sich für eine echte geistliche Tochter. Aber lassen Sie Ihrer Einbildungskraft nur freien Lauf, so weit Sie wollen, dennoch wird sie nicht entfernt den Grad erreichen, in welchem ich die Liebe Gottes für Sie ersehne.

Überbringer dieses wird sofort abgehen, und ich habe sogleich eine Ansprache zu halten an unsere Büßer vom Kreuze; es erübrigt mir daher noch ein Augenblick, um Ihnen den Segen zu geben. Ich erteile Ihnen denselben also im Namen Jesu Christi des Gekreuzigten, dessen Kreuz unser Ruhm und unser Trost sei, meine Tochter. Möge dasselbe hoch ausgerichtet stehen in unserer Mitte, möge es aufgepflanzt sein über unseren Häuptern wie über dem des ersten Adam (Gemäß einer alten, durch Origenes, Tertullian, Athanasius, Basilius, Chrysostomus, Epiphanius, Ambrosius und Hieronymus bezeugten Tradition soll Adam auf dem Kalvarienberge begraben sein; wenigstens sei das Haupt desselben nach der Sündfluth = Sintflut dorthin verbracht worden.

In tiefsinniger Weise sind in dieser Überlieferung der Urheber und der Überwinder der Sünde und des Todes einander nahe gerückt.).

Möge unser Herz und unsere Seele voll davon sein, wie der Geist des hl. Paulus, der nichts anderes wusste, als dies eine! (Vgl. 1 Kor. 2, 3.) Mut, meine Tochter! Gott ist mit uns. Amen. Für immer verbleibe ich der Ihrige, wie Gott es weiß, der es so gewollt und durch die Hand seiner sonderlichen, allmächtigen Vorsehung es also gefügt hat.

 

 

17. Es ist heilbringend und tröstlich, am Kreuze zu sterben.

    An dieselbe.

Den 7. Juli 1607.

O mein Gott, wie sehr verlange ich nach Trost für Sie, teure Tochter! Versteht sich, wenn es seiner göttlichen Majestät so wohlgefällig ist; denn wäre es sein Wille, dass Sie unter dem Kreuze bleiben, so bin ich's zufrieden. Und sind Sie es nicht ebenfalls, meine geliebte Tochter? Ja, ohne allen Zweifel. Ist Gottes Kreuz nicht allezeit süß und reich an Trost? Gewiss, wofern man an demselben stirbt, wie der Heiland tat. Wohlan also, teure Tochter, lassen Sie uns an demselben sterben, wenn's so dienlich ist. Werden wir nicht mutlos wegen der Stürme, die bisweilen unser Herz verwirren und die Meeresstille trüben. Töten wir uns ab bis hinab auf den tiefsten Grund unserer Seele; wenn nur der Geist unseres teuern Glaubens uns treu bleibt, so lassen wir nur sonst alles drunter und drüber gehen; wir sind sicher geborgen. Mag alles in uns ersterben, was liegt daran, wenn nur Gott in unserem Herzen lebt? Vorwärts, vorwärts, teure Tochter, wir sind auf gutem Wege! Nicht rechts noch links geblickt; der Pfad, auf dem wir wandeln, ist der beste für uns. Verlieren wir keine Zeit damit, zu betrachten, wie schön doch andere Lebenswege sind; grüßen wir nur die Wanderer, die dort vorüberziehen, und rufen wir ihnen zu: Geleit euch Gott, auf Wiedersehen in der Herberge!


 

 

18. Das Myrrhenopfer.

An dieselbe.

Den 11. Januar 1619.

(Der schöne Gedanke des Briefes ist dem Ideenkreise des Dreikönigsfestes entnommen, welches die Kirche am 6. Januar feiert.)

O meine teuerste Mutter! Haben Sie nur wenig Gold und Weihrauch zum Opfer für unseren Herrn, so dürfte es Ihnen doch wohl nicht an Myrrhe fehlen. Ich sehe, auch diese ist ihm sehr willkommen, gleich als ob die Frucht des Lebens bei ihrer Geburt wie bei ihrem Tode eingemacht zu werden begehrte in die Myrrhe der Bitterkeit. Mit einem Worte: Wohl ist Jesus schön in seiner Herrlichkeit, wohl ist er über die Maßen gütig zu aller Zeit; doch will es mir scheinen, als ob er es in noch höherem Grade am Kreuze sei. Ja, gekreuzigt ist er Ihr Bräutigam für die gegenwärtige Zeit, teure Mutter, in Zukunft wird er es sein in seiner Herrlichkeit. Ich bin recht in Sorge wegen Ihrer Trübsal, wenngleich ich Näheres noch nicht weiß; aber ich sehe aus den wenigen Worten, die Sie mir schreiben, dass Sie es lebhaft empfinden.

Seien Sie aber guten Mutes! Bleibt nur Ihr Herz dem Herrn treu, so wird er Ihnen nicht mehr aufladen, als Sie tragen können (1 Kor. 10, 13.); er wird vielmehr uns unsere Last tragen helfen, wenn er sieht, dass wir dieselbe willig auf unsere Schultern nehmen. Gott segne Sie und sämtliche Schwestern!


 

19. „Weib, warum weinest du?”

An dieselbe.

Den 21. Juli 1615.

Teure Tochter! Im Evangelium des hl. Johannes im 20. Hauptstück finden wir Magdalena im Gespräch mit unserem Herrn. Sich ferne von ihm wähnend, weint sie und befragt sich bei ihm, und ist so beklommenen Herzens, dass sie, obwohl ihn sehend, ihn doch nicht sieht.

Hinweg also mit aller Beängstigung und Mut gefasst! Wir haben unseren süßen Jesus bei uns; wir sind nicht getrennt von ihm; wenigstens hoffe ich dies mit aller Zuversicht. „Warum also weinest Du, o Weib?” (Joh. 20, 15.) Nein, da gilt es, nicht mehr Weib zu sein, sondern ein männlich starkes Herz zu haben; und wofern nur unsere Seele festhält an dem Entschlusse, zu leben und zu sterben in dem Dienste Gottes, so darf uns keine Finsternis, keine Schwäche, kein Hindernis zurückschrecken. Kein Hindernis, sage ich; Magdalena wollte den Herrn umarmen; aber der gütige Meister richtet eine Schranke vor sich auf. „Nein,” sprach er, „rühre mich nicht an; denn noch bin ich nicht zu meinem Vater aufgefahren.“ (Joh. 20, 17.) Dort oben wird es keine Schranke mehr geben; hienieden muss man sie sich gefallen lassen. Es genüge uns, dass Gott unser Gott, und unser Herz seine Wohnstätte ist.

Soll ich Ihnen noch einen Gedanken sagen, der mir letzthin kam in der Morgenstunde, die ich für meine arme Seele verwende? Es war bei der Betrachtung der Bitte des Vaterunsers: „Geheiliget werde dein Name.” O Gott, sprach ich, wer gibt mir das Glück, dass ich einst den Namen Jesus auch ins tiefste Herz derjenigen eingegraben sehe, welche diesen Namenszug äußerlich an ihrer Brust trägt? (Francisca v. Chantal hatte sich im Jahre 1606 den heiligen Namen mit glühendem Eisen auf das Herz gebrannt. Übrigens erklärte der hl. Franz von Sales, wenn Frau v. Chantal ihn deshalb um Rat gefragt hätte, würde er es ihr nicht erlaubt haben.) Ich erinnerte mich dann auch an die Paläste zu Paris, an deren Vorderseite die Namen der Fürsten geschrieben stehen, denen sie zugehören, und freute mich dann in dem Glauben, dass Ihres Herzens Aufschrift auf Jesus Christus lautet. Möge er ewig in demselben wohnen!

Beten Sie recht für mich, der ich mit väterlicher Liebe verbleibe Ihr u. s. w.


 

20. Geistige Kälte darf uns nicht stutzig machen.

Was heißt, eine Magd des Herrn sein?

An eine Dame.

Die Erkaltung Ihres Gemütes, teure Tochter, darf Sie durchaus nicht stutzig machen. Nur müssen Sie, ungeachtet dieser Kälte, ruhig in dem Geleise Ihrer kleinen Übungen fortfahren.

Ach, meine teure Tochter, sagen Sie an, ist der süße Jesus nicht im Herzen des kalten Winters geboren worden? Warum also sollte er nicht auch in einem frostigen Herzen bleiben wollen? Natürlich meine ich damit eine Kälte, die nicht etwa in einem Ablassen von unseren guten Entschließungen besteht, sondern nur in einer gewissen Mattheit und Schwerfälligkeit des Geistes, infolge deren wir uns nur mühselig fortschleppen auf dem von uns eingeschlagenen Wege, den wir nie zu verlassen entschlossen sind, bis wir im Hafen sind. Nicht wahr, meine teure Tochter, so meinen Sie es ja auch?

Leben Sie nur ganz für Gott, und um der Liebe willen, die er zu Ihnen getragen hat, ertragen Sie sich selbst samt allem Ihrem Elende.

Eine gute Magd des Herrn sein heißt ja auch nicht, immer in Trost, immer in Süßigkeit schwimmen, immer ohne jedweden Widerwillen und Ekel gegen das Gute sein; sonst wären weder der hl. Paulus, noch die hl. Angela, noch die hl. Katharina von Siena rechte Diener Gottes gewesen. Eine Magd Gottes sein heißt, sich liebreich gegen den Nächsten erzeigen, heißt in dem höheren Teile des Geistes mit unwandelbarer Treue an dem Vorsatze festhalten, dem Willen Gottes zu folgen, heißt mit tiefster Demut und Einfalt auf Gott vertrauen, und ebenso oft sich wieder erheben, als man gefallen ist, sich selber samt all seiner Niedrigkeit ertragen und Geduld haben mit anderen und deren Unvollkommenheiten.

Im übrigen wissen Sie, wie sehr mein Herz Ihnen gewogen ist. Gott sei stets unser ein und alles.

In ihm verbleibe ich Ihr u. s. w.



 

21. Leben nach dem Geiste und Leben nach dem Fleische.

An eine Schwester von der Heimsuchung.

Es ist gewiss nicht mehr wie billig, dass ich Ihnen ein paar Zeilen schreibe; und ich tue es mit Freuden. Wollte Gott, ich hätte den Geist, der zu Ihrer Tröstung nötig ist! Nach dem Geiste leben, geliebte Tochter, heißt denken, reden und handeln gemäß den Tugenden, die des Geistes sind, und nicht gemäß den Eindrücken und Empfindungen, die des Fleisches sind. Letztere soll man beherrschen und in Unterwürfigkeit bringen, nicht aber von ihnen sein Verhalten bestimmen lassen; jenen geistigen Tugenden dagegen muss man dienstbar sein und alles übrige ihnen unterwerfen.

Welches sind nun diese Tugenden des Geistes, meine Tochter? Es ist der Glaube, der uns mit Wahrheiten bekannt macht, welche ganz und gar über den Sinnenbereich hinausliegen; es ist die Hoffnung, welche uns das Streben nach unsichtbaren Gütern einflößt; es ist die Liebe, welche uns Gott über alles, den Nächsten aber wie uns selbst lieben heißt, nicht mit einer sinnlichen, natürlichen, selbstsüchtigen, sondern mit einer reinen, echten und unwandelbaren Liebe, die in Gott gegründet ist.

Sehen Sie, meine Tochter, der auf das Fleisch sich stützende Sinn des Menschen ist oft schuld, dass wir uns nicht vollkommen genug in die Hand Gottes hingeben, irregeführt von dem Wahne, weil wir nichts wert sind, so könne Gott auch so wenig Rücksicht auf uns nehmen, wie die Menschen, die von irdischer Weisheit geleitet unnütze Leute verachten. Im Gegenteil bleibt der auf dem Glauben gestützte Geist voll Mut ungeachtet aller Schwierigkeiten, wohl wissend, dass Gott die Elenden liebt, erträgt und unterstützt, wenn sie nur auf ihn hoffen.

Menschlicher Sinn will sich in alles einmischen, was vorgeht; und er ist so von sich eingenommen, dass er meint, nichts sei in der Ordnung, wo er nicht seine Hand mit im Spiel hat. Der Geist dagegen schließt sich an Gott an und spricht oftmals aus, dass alles ihm nichts gilt, was nicht von Gott ist; und so wie er aus Nächstenliebe Anteil nimmt an Mitteilungen, die ihm gemacht werden, so verzichtet er aus Selbstverleugnung und Demut gerne darauf, Dinge zu erfahren, die ihm verheimlicht werden.

Nach dem Geiste leben, heißt nach dem Geiste lieben; nach dem Fleische leben, heißt nach dem Fleische lieben; denn die Liebe ist das Leben der Seele, wie die Seele das Leben des Leibes ist.

Da ist eine Schwester von freundlicher, angenehmer Erscheinung, und ich liebe sie zärtlich; sie ist mir sehr zugetan und voller Zuvorkommenheit gegen mich; dieserhalb liebe ich sie auch. Wer sieht da nicht, dass ich liebe nach den Sinnen und nach dem Fleische? Denn die Tiere, welche keinen Geist, sondern nur Fleisch und Sinnentätigkeit haben, lieben ebenfalls ihre Wohltäter sowie jene, die ihnen gut und freundlich sind.

Eine andere Schwester ist ungebildet und von herbem, ungeschliffenem Wesen, aber trotzdem sehr fromm und selbst auch bemüht, ihr rauhes und ungehobeltes Wesen abzulegen, und nicht weil ich Freude an ihr habe, nicht aus irgend einem Interesse, sondern nur nach Gottes Willen liebe ich sie, suche mich ihr anzunähern, ihr gefällig und freundlich zu sein. Das ist eine Liebe nach dem Geiste; das Fleisch hat keinen Teil daran.

Es mangelt mir das Selbstvertrauen, und aus diesem Grunde wünschte ich, demgemäß leben zu können: wer sieht nicht, dass dieses keineswegs nach dem Geiste ist? Gewiss nicht, teure Tochter; denn so lebte ich ja schon, als ich noch ganz jung war und vom Geiste noch nichts hatte. Wenn ich dagegen, obwohl von Natur zaghaft und schüchtern, dennoch mir Mühe gebe, diese Scheu zu überwinden und mehr und mehr allen Anforderungen meines durch den von Gott kommenden Gehorsam mir auferlegten Amtes zu genügen, wer sieht nicht ein, dass dies nach dem Geiste leben heißt? Teure Tochter, nach dem Geiste leben heißt in seinen Handlungen, Reden und Gedanken vollbringen, was Gott von uns verlangt.

Wenn ich die Gedanken mit erwähne, so meine ich damit nur die freiwilligen Gedanken. – Ich bin nicht gut aufgelegt und will daher nicht sprechen –, so macht es etwa ein Kutscher oder ein Papagei.

Ich bin traurig gestimmt; weil aber die Nächstenliebe es fordert, dass ich rede, so tue ich es –, so machen es geistliche Leute.

Ich sehe mich zurückgesetzt, und werde ärgerlich darüber --, so machen's wohl Pfauen und Affen.

Ich fühle mich zurückgesetzt und freue mich dessen –, also taten die Apostel.

Nach dem Geiste leben heißt also tun, was Glaube, Hoffnung und Liebe uns lehren, in zeitlichen wie in geistlichen Dingen.

Leben Sie ganz nach dem Geiste, teuerste Tochter; bleiben Sie ganz im Frieden; seien Sie ganz versichert, Gott wird Ihnen beistehen. Werfen Sie sich bei jedem Vorkommnis in die Arme seiner Barmherzigkeit und Vatergüte.

Gott sei stets Ihr Alles! Und ich bin in ihm ganz der Ihrige, wie Sie wohl wissen.

Ihrem Herrn Vater geht es wohl, sowie allen, die Ihnen angehören dem Blute nach; möge es auch also sein mit allem, was Ihnen angehört dem Geiste nach! Amen.

 

 

22. Der Kampf zwischen dem alten und neuen Menschen.

An die Mutter von Chatel in L y o n.

(Mitten unter den glänzenden Festen und Gesellschaften des französischen Gesandten in Deutschland fühlte dessen zwanzigjährige Tochter Marie Peronne v. Chatel, reich, schön und voll Lebenslust, begeistert für Musik und Dichtkunst, wegen der schönen Lieder und Balladen, die sie dichtete, wegen ihres lieblichen Gesanges und ihrer geistreichen Unterhaltungsgabe in den hohen Gesellschaftskreisen viel umworben geehrt, plötzlich von einem Strahle der Gnade erleuchtet Überdruss an den Freuden der Welt. Im Jahre 1608 schloss sie sich unter den Ersten der ehrwürdigen Francisca v. Chantal an. Harten Kampf hatte es gekostet, bis die Weltlust allen Zauber für sie verloren hatte; noch länger aber dauerte der in dem obigen Briefe so anschaulich geschilderte Kampf, bis in ihrem Herzen der neue nach Gott geschaffene Mensch vollends den Sieg errungen hatte. Sie starb in großer Heiligkeit als eine der ersten Zierden des Ordens von der Heimsuchung im Jahre 1637.

Vgl. Bougaud, Leben der hl. Francisca v. Chantal.)

Am Feste der hll. Simon und Judas,

den 28. Oktober 1615.

Gewiss, meine teure Tochter, Sie machen mir eine große Freude, indem Sie mich Ihren Vater nennen; denn ich habe in Wahrheit eine väterliche Liebe für Ihr Herz. Allerdings zeigt sich dasselbe immer noch ein wenig schwach bei den gewöhnlichen, leichten Widerwärtigkeiten, die vorkommen, ohne dass ich aber darum aufhöre, es zu lieben. Denn kommt es demselben auch manchmal vor, als müsste es beim kleinsten Wort oder Tadel die Fassung verlieren, so hat es sie doch wirklich bis dahin noch nicht verloren, dieses arme Herz; denn Gott hat es gehalten mit starker Hand und nach seiner Barmherzigkeit hat er sein armes Geschöpf noch niemals verlassen. O meine teure Tochter, er wird es auch nimmermehr verlassen; seien wir auch verwirrt und geängstigt durch diese zudringlichen Versuchungen zum Ärger und Unwillen, so wollen wir trotzdem doch niemals brechen mit Gott, mit der seligsten Jungfrau, mit unserer Genossenschaft, welche ja ihm angehört, noch mit unseren Regeln, die der Ausdruck seines Willens sind.

Sie haben vollkommen recht, meine arme liebe Tochter Maria, wenn Sie sagen, Sie fühlten zwei verschiedene Menschen in Ihrem Inneren. Der eine ist eine gewisse Maria, die wie weiland (einst) Petrus ein wenig reizbar und empfindlich ist und leicht ärgerlich und unwillig wird, wenn man ihr zu nahe kommt; das ist die Maria, die eine Tochter Evas und folglich böser Gemütsart ist. Der andere Mensch ist eine gewisse Maria, welche den besten Willen hat, ganz Gott anzugehören, und um ihm zu gehören gewillt ist, die einfältigste Demut und die demütigste Sanftmut gegen den Nächsten zu üben; sie ist es auch, die so gerne dem hl. Petrus nachfolgen möchte, der nach seiner Bekehrung durch den Herrn so herzensgut war; das ist die Maria, welche die Tochter der glorwürdigen Jungfrau Maria und demnach von guter Gesinnung ist.

Die beiden Töchter dieser so verschiedenen Mütter liegen nun einander beständig in den Haaren, und die eine, welche nichts taugt, ist so bösartig, dass die gute zuweilen alle Mühe hat, sich ihrer zu erwehren, und in solchen Augenblicken will es der armen guten vorkommen, als sei sie unterlegen und als sei die Böse tapferer. Aber gewiss, meine arme liebe Maria, es ist nicht so; die schlimme ist nicht tapferer als Sie, wohl aber verkehrter, verschlagener und hartnäckiger; und wenn Sie sich ans Weinen geben, so ist's ihr eben recht, weil das immer verlorene Zeit ist. Die Böse ist schon zufrieden, wenn sie Sie dahin bringt, die Zeit zu verlieren, wenn sie es denn einmal nicht fertig bringt, dass Sie die Ewigkeit verlieren.

Meine liebe Tochter, ermannen Sie sich und fassen Mut; waffnen Sie sich mit jener Geduld, die wir mit uns selbst haben müssen; wecken Sie oft Ihr Herz auf, damit es auf seiner Hut ist und sich nicht überrumpeln lässt. Lassen Sie den Feind nicht aus den Augen; auch wenn Sie einmal rasten, so vergessen Sie seiner nicht; denn das böse Mädchen ist überall hinter Ihnen her, und wenn Sie seiner nicht gedenken, so sinnt es auf etwas Böses wider Sie. Macht es aber einen plötzlichen Überfall auf Sie und kommen Sie dann auch ein wenig ins Wanken und Weichen, so lassen Sie sich dies nicht verdrießen, sondern rufen den Herrn und seine heilige Mutter zu Hilfe; diese werden Ihnen die Hand zum Beistande reichen, und sollten Sie auch eine zeitlang im Gedränge bleiben, so geschieht dies nur, damit Sie aufs Neue nach Beistand sich umsehen und umso stärker um Hilfe rufen.

Zu schämen brauchen Sie sich wegen dieser inneren Kämpfe durchaus nicht, teure Tochter; so wenig als der hl. Paulus, der bekennt, er fühle zwei Menschen in sich, der eine aufrührerisch, der andere gehorsam gegen Gott (Vgl. Röm. 7, 15 f.). Lieben Sie recht die Einfalt, hüten Sie sich vor allem Ärger, demütigen Sie sich, ohne den Mut sinken zu lassen, ermutigen Sie sich, ohne vermessen zu werden; bedenken Sie, wenn der Herr und seine liebe Mutter Sie in das Gedränge der Haushaltungsgeschäfte versetzt haben, so wissen und sehen sie auch, wie sehr Sie dadurch bedrängt sind, hören aber darum nicht auf, Sie zu lieben, wenn Sie nur recht voll Demut und Vertrauen bleiben. Daraus aber, meine Tochter, machen Sie sich nichts, wenn Sie ein wenig beschmutzt oder bestaubt werden; es ist doch besser, staubig als grindig (schmutzig) zu sein, und wenn es Sie zur Verdemütigung führt, wird alles sich zum Guten wenden. Beten Sie recht zu Gott für mich, meine teure, vielgeliebte Tochter! Gott sei immerdar Ihre Liebe und Ihr Hort (Schutz / Zufluchtsort)! Amen.


 

23. Die Eigenliebe stirbt nie, solange wir leben.

An eine Schwester von der Heimsuchung.

Indem ich mir den Inhalt Ihres Briefes vergegenwärtige, teure Tochter, in welchem Sie mir mit so vieler Aufrichtigkeit Ihre Unvollkommenheiten und Leiden schildern, wünschte ich sehr Ihrem Verlangen entsprechen und Ihnen ein geeignetes Heilmittel an die Hand geben zu können. Allein ich habe weder die Zeit dazu, noch auch, dünkt mir, ist ein wirkliches Bedürfnis dazu für Sie vorhanden. Denn, meine teure Tochter, für die meisten Seelenleiden, von denen Sie mir schreiben, gibt es gewöhnlich keine andere Arznei als den heilenden Einfluss der Zeit und der Regel, nach welcher Sie leben; gibt es ja selbst auch körperliche Krankheiten, deren Heilung einzig durch ein geregeltes Leben bewirkt werden kann.

Die Eigenliebe, die Selbstüberschätzung, die falsche Freiheit des Geistes (Über die wahre Freiheit des Geistes vgl. S. 170 – 177.) sind ein Unkraut, dessen Wurzeln man nie ganz aus dem Herzen des Menschen ausreuten (ausjäten) kann. Das einzige, was man tun kann, ist, achtzugeben, dass es nicht Frucht treiben, d. h. uns zur Sünde verleiten kann. Denn ihren ersten Regungen, ihrem ersten Aufwallen und Drängen wird man nie sich ganz entziehen können, solange man in diesem sterblichen Leben ist, wiewohl man allerdings imstande ist, jene Regungen zu zügeln, sie einzudämmen und zu sänftigen durch die Übung der entgegengesetzten Tugenden, namentlich aber der Liebe zu Gott.

Man muss also Geduld haben und allmählich seine bösen Gewohnheiten zu bessern und abzulegen suchen und jeden Anlass benutzen, um seine Abneigungen zu bekämpfen und seine Liebhabereien und Launen zu überwinden. Denn im Grunde, teure Tochter, ist dieses Leben ein beständiger Kampf, und keiner kann sagen: Ich habe gar keine Anfechtung.

Ruhe dürfen mir erst im Himmel erwarten, wo die SIegespalme unser harrt. Auf Erden ist man in einem unaufhörlichen Kampf begriffen zwischen Furcht und Hoffnung, wobei letztere stets die Oberhand behalten muss im Hinblick auf die Allmacht dessen, der uns beisteht. Ermüden Sie daher nicht, unablässig an Ihrer Besserung und Vervollkommnung zu arbeiten. Vergessen Sie nicht, dass es eine dreifache Liebe gibt, eine Liebe zu Gott, zu sich selbst und zu dem Nächsten. Ihre Regel gibt Ihnen Anleitung, die Liebe in allen diesen Beziehungen zu üben.

Übergeben Sie oftmals des Tages Ihr ganzes Herz mit all seinen Sorgen dem Herrn und stimmen mit großem Vertrauen auf Gott ein in die Worte Davids:

Dein bin ich, o Herr, rette mich !”  (Ps.118, 94.)

Haben Sie ein offenes Auge für Ihre ungeordneten Neigungen, um dieselben auszurotten. Wundern Sie sich niemals darüber, wenn Sie sich mit allerlei Armseligkeit und bösen Stimmungen behaftet sehen. Ach, lassen Sie sich bei der Behandlung Ihres Herzens einzig von dem Bestreben leiten, dasselbe zu vervollkommnen. Tragen Sie unermüdlich Sorge, dasselbe mit liebreichster Sanftmut wieder aufzurichten, wenn es gestrauchelt ist.

Namentlich aber suchen Sie mit allen Kräften dahin zu arbeiten, dass der höhere Teil Ihrer Seele erstarkt. Ihr ganzes Leben und Streben sei daher nicht etwa von frommen Gefühlen und Tröstungen, sondern vielmehr von jenen Entschlüssen, Vorsätzen und von jener Begeisterung getragen, welche der Glaube, die Regel, die Stimme der Oberin und der Vernunft Ihnen einflößen.

Seien Sie nicht zärtlich gegen sich selbst. Zärtliche Mütter verwöhnen ihre Kinder. Hüten Sie sich vor weinerlichem und jammerhaftem Wesen; wundern Sie sich nicht über diese heftigen Anfälle von Versuchungen, deren Sie sich kaum erwehren können und die Ihnen so schwer fällt zu offenbaren. Nein, meine Tochter, wundern Sie sich durchaus nicht darüber; Gott lässt sie zu, um Sie wahrhaft demütig zu machen und in Ihren eigenen Augen recht verwerflich und niedrig erscheinen zu lassen. Diese Anfechtungen muss man bekämpfen durch Stoßgebete zu Gott, durch Erhebung des Geistes von dem Geschöpfe zu dem Schöpfer, verbunden mit einem unablässigen Verlangen nach der heiligen Demut und Einfalt des Herzens.

Seien Sie gut gegen den Nächsten und unbeirrt durch die Zornausbrüche, zu denen Sie noch manchmal sich versucht fühlen, sprechen Sie eintretenden Falles zu dem Heilande: „Ich will meine Nebenmenschen lieben, Herr Gott, himmlischer Vater, weil du sie liebst; du hast mir sie zu Brüdern und Schwestern gegeben, und es ist dein Wille, dass ich sie liebe, wie du sie liebst.“ Vor allem aber lieben Sie die teuren Schwestern, mit welchen die Hand der göttlichen Vorsehung Sie durch ein himmlisches Band vereinigt hat; ertragen Sie dieselben und begegnen ihnen immer mit herzlichster Freundlichkeit und Liebe, meine teure Tochter. Seien Sie überzeugt, ich fühle mich von einem ganz besonderen Eifer für Ihren Fortschritt beseelt; Gott hat mir es so zur Pflicht gemacht.


 

24. Eigenliebe und Stolz die Quellen aller Unruhe.

An Rosa Bourgeois, Äbtissin von Puits-d'Orbe.

Nach dem 18. April 1604.

Jene große Unruhe samt den übrigen Beunruhigungen, von denen Sie befallen wurden und die Ihnen so viel Kümmernis verursacht haben, setzen mich keineswegs in Erstaunen. Gut, dass es nichts Schlimmeres ist. Lassen Sie sich daher ja nicht verwirren, meine vielgeliebte Tochter. Muss man denn von jeder Strömung sich fortreißen lassen und sich selbst abquälen? Lassen Sie den Feind draußen vor der Pforte wüten, lassen Sie ihn klopfen und poltern, schreien, heulen und es so arg treiben, als er mag; wir sind sicher, dass er nur durch die Pforte unserer Einwilligung den Eintritt in unsere Seele finden kann. Halten Sie also dieselbe nur fest zu und sehen öfter nach, ob sie noch gut verschlossen ist. Um weiteres kümmern Sie sich nicht; denn Sie haben nichts zu fürchten.

Sie ersuchen mich, Ihnen eine kleine Belehrung über den Frieden der Seele und über die Demut zu schicken. Gerne möchte ich diesem Verlangen entsprechen, meine teure Tochter; aber ich weiß nicht, ob ich bei so wenig Zeit dazu imstande sein werde, indem ich Ihnen, wie Sie sehen, nur mit drei oder vier Worten antworten kann. Gewiss geschah es zufolge göttlicher Anregung, dass Sie in Betreff des Friedens der Seele und in Betreff der Demut zugleich sich befragen; denn wirklich kann der eine nicht ohne die andere bestehen.

Nichts stört den Frieden unserer Seele als die Eigenliebe und übertriebene Selbstschätzung (Näheres über diesen Gegenstand in der Abhandlung des heiligen Lehrers „Über den Frieden der Seele“.). Fühlen wir im Herzen keine Zärtlichkeit und Rührung, empfinden wir im Gebete weder Geschmack noch Gefühl, bei der Betrachtung keine innere Süßigkeit, so geben wir uns gleich der Traurigkeit hin. Fällt es uns schwer, recht zu handeln, stellt sich unseren guten Absichten eine Schwierigkeit entgegen, so sind wir voll Hast und Unruhe, alle diese Hemmnisse zu überwinden und uns ihrer zu entledigen. Woher das? Gewiss nur, weil an diesen Tröstungen, Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten unser Herz hängt. Wir möchten beten unter einem Tau von Orangenblütenwasser, und möchten die Tugend üben, wie man Zucker isst; wir schauen aber nicht hin auf Jesus, der zur Erde niedergesunken Blut schwitzt vor Todesangst wegen jenes äußersten Kampfes, den er in seinem Inneren zwischen den Neigungen des niederen Teiles seiner Seele und den Entschlüssen des höheren durchzukämpfen hat.

Die Eigenliebe ist also die eine Quelle unserer Unruhe; die andere ist die übertriebene Selbstschätzung. Woher kommt es, dass wir, sobald uns irgend eine Unvollkommenheit oder Sünde vorfällt, in Staunen, Unruhe und Ungeduld darüber geraten? Offenbar daher, weil wir uns die rechte Entschiedenheit und Festigkeit im Guten zutrauen. Werden wir nun durch Erfahrung gewahr, dass es nichts damit ist, liegen wir mit der Nase am Boden, so werden wir verwirrt, ärgerlich und unruhig infolge dieser Enttäuschung. Wüssten wir recht, was an uns ist, so würden wir nicht über unseren Fall, wohl aber darüber erstaunen, wie es möglich ist, dass wir uns aufrecht halten können. Das ist die zweite Quelle unserer Unruhe. Wir möchten nur Trost und verwundern uns, wenn wir unsere Armseligkeit, unser Nichts, unsere Schwäche wahrnehmen und gleichsam mit Händen greifen können.

Tun wir dagegen dreieierlei, und wir werden den Frieden haben: Achten wir recht darauf, bei allem Tun und Lassen rein nur Gottes Ehre und seine Verherrlichung zu beabsichtigen; tun wir das Wenige was wir vermögen, in dieser Meinung, gemäß dem Rate unseres geistlichen Vaters, und überlassen Gott die Sorge für alles Übrige. Wer Gott zum Ziele aller seiner Handlungen hat, wer tut, was er kann, was sollte der sich quälen? weshalb sich verwirren? was hat er zu fürchten? Nein, nein, Gott ist für jene, die er liebt, nicht so schrecklich; er ist mit Wenigem zufrieden; denn er weiß wohl, dass wir nicht viel haben.

Wissen Sie, teure Tochter, dass unser Herr in der Heiligen Schrift „der Friedensfürst“ genannt wird und dass er darum auch, wo er vollkommen Herr ist, alles im Frieden erhält. Freilich bleibt es wahr, bevor er den Frieden irgendwo herstellt, führt er erst Krieg, indem er Herz und Seele von ihren liebsten Gewohnheiten und innigsten Neigungen, von übermäßiger Selbstliebe, Selbstvertrauen, von aller Selbstgefälligkeit und ähnlichen Neigungen losreißt. Wenn nun der Herr uns von diesen Lieblingsneigungen losschält, so ist es, als ob einem bei lebendigem Leibe das Herz geschunden würde; es gibt bittere Schmerzen; kaum kann man sich enthalten, sich aus allen Kräften zur Wehr zu setzen; denn diese Trennung ist äußerst empfindlich.

Aber auch dieses unwillkürliche Sträuben des Geistes raubt uns nicht den Frieden, wenn wir nämlich, obwohl von Traurigkeit niedergebeugt, dennoch unseren Willen dem des Herrn unterwerfen und ihn gleichsam an die göttliche Leitung festnageln, auch keine unserer dienstlichen Obliegenheiten unterlassen, sondern sie beherzt vollziehen. Der Heiland gab uns darin das beste Beispiel am Ölberge. Gänzlich niedergedrückt von innerer und äußerer Bitterkeit, ergab sich sein ganzes Herz in aller Sanftmut dem Vater und dessen göttlichen Willen, indem er sprach: „Doch geschehe dein Wille, nicht der meinige” (Luk. 22, 42.); und ungeachtet seiner Todesangst unterließ er nicht, dreimal nach seinen Jüngern zu sehen und ihnen heilsame Mahnung zu geben. Das heißt recht ein Friedensfürst sein, wenn man Frieden hat mitten im Kriege und Gelassenheit mitten in der Trübsal.

Aus dem Gesagten möchte ich nun, dass Sie nachstehende Folgerungen zögen: Erstens: Wir glauben nicht selten den Frieden verloren zu haben, weil wir Bitterkeit fühlen, haben ihn aber in Wahrheit doch nicht verloren, wie wir daraus abnehmen können, dass wir trotz der Bitterkeit fortfahren, uns selbst zu verleugnen, einzig auf den Willen Gottes zu sehen und die Obliegenheiten unseres Amtes pünktlich wahrzunehmen.

Zweitens ist es ein Wunder, dass es nicht ohne tiefes inneres Weh hergeht, wenn Gott dem alten Menschen sozusagen die letzte Haut abzieht, „um ihn in den neuen Menschen umzugestalten, der nach Gott geschaffen ist” (Eph. 4, 24.). Wir dürfen daher uns ja nicht verwirren lassen ob solcher Wahrnehmung, noch auch wähnen, wir seien bei Gott in Ungnade gefallen.

Drittens: Alle Gedanken, die uns Unruhe und Aufregung des Geistes verursachen, kommen nicht von Gott, welcher ja der Fürst des Friedens ist; es sind also Versuchungen des bösen Feindes, die man zurückweisen und nicht beachten soll.

Überhaupt muss man immer und unter allen Umständen den Frieden bewahren. Trifft uns inneres oder äußeres Kreuz, so nehme man es auf sich in Frieden; begegnet uns ein Glück, so nehme man es hin in Frieden, ohne deshalb zu jauchzen. Gilt es, das Böse zu fliehen, so geschehe es in Frieden, ohne alle Verwirrung; sonst könnten wir auf der Flucht hinfallen und so in die Mörderhände des Feindes geraten. Gilt es, Gutes zu tun, so geschehe auch dieses in Frieden; denn sonst würden wir durch Überstürzung mancherlei Fehler dabei begehen. So soll alles und jedes, selbst bis auf die Buße, in Frieden vollbracht werden. „Siehe,” so spricht der Büßer, „selbst meine bitterste Bitterkeit ist im Frieden.” (Js. 38, 17.)

Lesen Sie zu dem, was ich Ihnen hier gesagt habe, meine gute Tochter, noch die Kapitel 15, 16 und 17 des „geistlichen Kampfes" (Von ScupoIi.), so werden Sie für den Augenblick befriedigt sein. Hätte ich meine Papiere hier, so würde ich Ihnen eine Abhandlung schicken, welche ich über den in Rede stehenden Gegenstand in Paris verfasst habe für eine geistliche Tochter, welche einer dortigen ausgezeichneten religiösen Genossenschaft angehört und für sich und andere daraus Rats erholen wollte. Finde ich den Aufsatz, so sende ich Ihnen denselben mit erster Gelegenheit (Diese Abhandlung „Über die Traurigkeit und Unruhe“ findet der Leser S. 363 ff.).

Was die Demut anlangt, so will ich darüber nichts sagen, sondern Sie nur auf das verweisen, was ich Ihrer lieben Schwester von N. in diesem Betreff geschrieben habe. Lesen Sie mit rechter Aufmerksamkeit, was die Mutter Theresia darüber sagt in dem „Weg der Vollkommenheit”. Die Demut bewirkt, dass wir uns unserer Fehler wegen nicht verwirren, indem wir uns an die Fehler anderer erinnern. Denn warum sollten wir vollkommener sein als diese? Ebenso hilft sie aber auch, dass uns die Unvollkommenheiten anderer nicht verwirren, indem wir uns der eigenen erinnern; denn wie könnten wir es befremdlich finden, dass andere mit Unvollkommenheiten behaftet sind, da wir ja deren selbst genug haben? Die Demut macht unser Herz sanft gegen Vollkommene wie Unvollkommene; gegen erstere flößt sie uns Hochachtung, gegen letztere Mitleid ein. Die Demut macht, dass wir Leiden mit Sanftmut hinnehmen, wohl wissend, dass wir sie verdienen; und Gutes mit Ehrfurcht empfangen, wohl wissend, dass wir dessen nicht wert sind. Was Ihr äußeres Verhalten angeht, so wäre ich einverstanden, wenn Sie jeden Tag irgend einen Akt der Verdemütigung verrichteten, in Wort oder Tat. Ich meine damit natürlich Worte, die Ihnen vom Herzen kommen, z. B. Worte, womit Sie sich vor Ihren Untergebenen verdemütigen, Handlungen, wie z. B. eine niedere Arbeit oder eine geringe Dienstleistung im Hause oder sonst.

Ich flehe den Heiligen Geist an, dass er Sie befreie von aller grundlosen Traurigkeit und Beunruhigung, und dass er in Ihrem Herzen ruhen möge, damit dasselbe Ruhe finden möge in ihm. Amen.


 

25. Mittel, um mitten in den Widerwärtigkeiten einen ungetrübten Frieden des Herzens zu bewahren.

An einen Freund.

Wünschest Du, dass nichts Dein Leben trübe, so trage kein Verlangen nach Ansehen und Ruhm vor der Welt.

Hänge Dein Herz nicht an menschliche Tröstungen und Freundschaften.

Liebe nicht das Erdenleben und verachte alles, was Deinen natürlichen Neigungen schmeichelt, Ertrage starkmütig körperliche Leiden und die heftigsten Krankheiten mit Ergebung in den Willen Gottes.

Kümmere Dich nicht um das Urteil der Menschen.

Schweige zu allem still und Du wirst den Frieden des Herzens haben; denn für Dich wie für mich gibt es kein anderes Geheimmittel, zum Frieden zu gelangen, als dass wir ruhig alles Gerede der Menschen über uns ergehen lassen.

Mache Dir keine Unruhe darüber, was die Welt von Dir sagen wird; stelle alles dem Gerichte Gottes anheim, und Deine Geduld wird alsdann zu Gerichte sitzen über jene, die jetzt Dich richten. Beim Ringelrennen (beliebtes Reiterspiel aus dem Mittelalter, bei dem es darauf ankommt, im scharfen Anreiten mit der Lanzenspitze einen aufgehängten Ring zu treffen oder abzustreifen) achtet man nicht auf die Zuschauermenge, sondern einzig auf das Ziel, um den Preis zu gewinnen. Bedenke nur für wen Du Dich abplagst, so werden jene, die Dir in den Weg treten möchten, Dir wenig mehr zur Plage sein.

Dein ergebenster Freund u. s. w.


 

26. Wir sollen jeden Tag neu anfangen.

Aus einem Briefe an Frau von Chantal.

Februar 1615.

Nur zu leicht vergessen wir den Grundsatz der Heiligen, welche uns die Mahnung geben, jeden Tag müsse es uns so sein, als träten wir den Weg zur Vollkommenheit erst an. Dächten wir recht daran, so würde es uns nicht mehr so sehr befremden, wenn wir immer noch Schwächen in unserem Herzen begegnen, und wenn es immer noch manche Verkehrtheit abzulegen gibt.

Nie wird man fertig; immer wieder muss man aufs Neue anfangen, und zwar anfangen mit unverdrossenem Herzen. „Wenn der Mensch vollendet hat,” sagt die Schrift, „dann fängt er erst an.” (Eccli. 18, 6.) Was wir bisher getan haben, ist gut; was wir aber nunmehr beginnen wollen, soll besser sein; sind wir damit fertig, so beginnen wir abermals mit einer neuen Aufgabe, die noch höher ist; alsdann wieder mit einer anderen, und fahren so fort, bis wir aus dieser Welt hinwegziehen, um ein neues Leben zu beginnen, welches kein Ende haben wird.


 

27. Ohne fühlbaren Glauben, Hoffnung und Liebe.

An Frau von Chantal.

Den 28. März 1612.

Was Ihnen so viel Sorge macht, ist weiter nichts als eine Art Unempfindlichkeit, durch welche Ihnen nicht bloß der Genuss an den Tröstungen und Einsprechungen, sondern auch an dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe entzogen ist. Wohl besitzen Sie diese Tugenden noch, und zwar in hohem Grade; aber Sie haben keinen Genuss davon, sondern sind gleich einem Kinde, das einen Vormund hat, der ihm die Verwaltung aller seiner Güter abnimmt. Verbleibt demselben in Wirklichkeit auch alles, so hat es doch keine Gewalt darüber und scheint nichts zu besitzen, nichts zu haben als sein Leben; wie der hl. Paulus sagt: „Obzwar es auch Herr ist von allem, so ist es doch in dieser Hinsicht nicht verschieden von dem Knechte.” (Gal. 4, 1.) So will auch Gott nicht, dass Sie die Verwaltung Ihres Glaubens, Ihrer Hoffnung, Ihrer Liebe führen, noch auch dass Sie Genuss davon haben, als nur um eben davon zu leben und im Notfalle daran einen Rückhalt zu besitzen.

Ach, meine teure Tochter, welch ein Glück für uns, von dem himmlischen Vormund so eingeschränkt und kurz gehalten zu werden! Gewiss können wir unter solchen Umständen nichts Besseres tun, als die liebevolle Vorsehung Gottes anbeten und uns ganz in ihre Arme und in ihren Schoß werfen. Nein, Herr, ich verlange nicht ferner Genuss von meinem Glauben, meiner Hoffnung und meiner Liebe, als nur um in Wahrheit, wenn auch ohne Geschmack und Gefühl, sagen zu können: Lieber wollte ich sterben, als Glaube, Hoffnung und Liebe darangeben. Ach Herr, wenn es dir gefällt, dass ich ohne alle Freude sein soll bei der Ausübung der Tugenden, die ich deiner Gnade verdanke, so willige ich von ganzem Herzen ein, mögen auch alle Gefühle meines Herzens sich dagegen sträuben!

Der Heiland will uns so vollkommen zu eigen haben, dass uns nichts mehr abhält, uns gänzlich und ohne allen Vorbehalt seiner Vorsehung zu überlassen. Nun wohl, meine teure Tochter, bleiben wir so während dieser Finsternis der Passion. Mit Recht sage ich „inmitten dieser Finsternis“; denn Sie mögen sich die schmerzhafte Mutter und den hl. Johannes am Fuße des Kreuzes vorstellen in jener wunderbaren und schrecklichen Finsternis, die da entstand; sie hörten den Herrn nicht mehr, sie sahen ihn nicht mehr, sie empfanden nichts mehr als Bitterkeit und Jammer; und wiewohl sie den Glauben bewahrten, so war derselbe doch auch von Finsternis umnachtet, da sie auch teilnehmen sollten an der Verlassenheit des Herrn. Wie glücklich sind wir, Knechte des großen Gottes zu sein, der für uns die Knechtsgestalt angenommen hat!


 

28. Die Versuchungen dürfen uns nicht schrecken.

An Frau von Chantal.

Am Vorabend von Laurentius,

9. August 1607.

Noch immer haben gewisse Wünsche Gewalt über unser Herz, die dahin gehen, es möchten unsere Pläne nirgendwo auf Widerstand stoßen; es soll niemals Finsternis eintreten, sondern immer sonniger Mittag bei uns bleiben. Man möchte bei seinen frommen Übungen nur Trost empfinden, ohne Unlust, ohne Widerwillen, ohne Wechsel und Wandel. Befällt uns aber irgend eine innere Versuchung, so möchten jene Wünsche, nicht zufrieden damit, dass wir nicht einwilligen, sogar verlangen, dass wir die Versuchung gar nicht einmal empfinden sollen. Sie begehren, wir sollen die August-Fliegen nicht einmal vor unseren Augen vorüberschwärmen sehen. Das heißt eine zu bequeme Vollkommenheit verlangen; derartigen Wünschen soll man so wenig Raum geben als möglich.

Ich wünsche Ihnen einen starken und hochherzigen Mut, einen Mut, der, solange er mit voller Entschlossenheit, ohne allen Vorbehalt ausrufen kann: es lebe Jesus, nicht weiter fragt nach süß oder sauer, nach Licht oder Finsternis. Nur kühn voran, meine Tochter, auf dem Pfade dieser echten, starken und unbeugsamen Liebe zu Gott; jene Schreckbilder der Versuchungen mögen dann nur kommen; sie mögen uns in den Weg treten, so oft sie wollen.

Ha,” so rief der hl. Antonius ihnen zu, „ich merke euch wohl, aber ich würdige euch keines Blickes!” Nein, meine Tochter, schauen wir nur auf unseren Heiland, der hinter diesem feindlichen Ansturm unser harrt; rufen wir ihn zu Hilfe; nur um uns dazu zu vermögen, lässt er es zu, dass jene Trugbilder uns in Furcht setzen.

Gestern Abend hatten wir hier ein Ungewitter mit schrecklichem Donner und Blitz, und es freute mich zu sehen, wie unsere jungen Leute, besonders mein Bruder und unser Croisy alle Augenblicke mit dem Kreuzzeichen und dem Namen Jesus sich segneten. Ach, sprach ich zu ihnen, ohne diese Schrecken hätten wir den Herrn nicht so oft angerufen! Wirklich brachte diese Wahrnehmung mir besonderen Trost, und ich fühlte mich in die heiterste Stimmung versetzt, wenngleich ich erbeben musste bei der Heftigkeit der Donnerschläge.

Nur Mut, meine Tochter! Haben wir denn nicht allen Grund zu glauben, dass der Heiland uns lieb hat? Gewiss, wir haben es; warum denn aber sich Kummer machen wegen der Versuchungen?


 

29. Man muss die Versuchungen verachten.

An Frau von Chantal.

Den 16. März 1606.

Meine teure Tochter, gegen alle diese neuen Angriffe und Versuchungen zum Unglauben oder zum Zweifel halten Sie sich fest verschanzt hinter den Ratschlägen, die Sie bisher empfangen haben; so haben Sie nichts zu fürchten. Hüten Sie sich, mit dem Feinde sich in WortgeplankeI oder in Unterhandlungen einzulassen; ebensowenig sollen Sie um seinetwillen traurig oder unruhig werden; dann wird er bald von Ihnen ablassen.

Ungerne sehe ich bei Ihnen einen so großen Schrecken und Abscheu gegen jene Einflüsterungen, und zweifle nicht, dass derselbe Ihnen nachteilig ist und nur dem Feinde in die Hände arbeitet, der Ihnen wenigstens Plage und Unruhe machen will, da er, wie dies, so Gott will, nie geschehen wird, Ihnen sonst nichts anhaben kann. Haben Sie nur Mut, meine Tochter; machen Sie sich wegen alles dessen, was Ihnen so vorkommt, keine Gedanken; es muss Ihnen genug sein, dass bei diesen Anfällen Gott nicht beleidigt worden ist. Legen Sie gegen alle jene Versuche, den Frieden Ihres Herzens zu trüben, die größtmögliche Geringschätzung an Tag; Verachtung ist das beste Mittel dagegen.

Nein, ich bange durchaus nicht für die Säulen unseres heiligen Zeltes (Anspielung auf das von Säulen getragene heilige Zelt des Alten Bundes. Jene Säulen sind hier dem heiligen Lehrer ein Bild der frommen Entschließungen, auf welchen das Heiligtum ihres gottgeweihten Lebens ruhte.); denn Gott ist ihr Schützer. Nichtsdestoweniger hat es mir Gedanken gemacht, was doch die Welt zu dem kühnen, verwegenen Gedanken verleitet haben mag, dieselben erschüttern zu können; denn ich meine doch, wir machen derselben ein hinreichend böses Gesicht, um ihr den Mut zu nehmen, sich an uns reiben zu wollen.


 

30. Ohne Kampf kein Sieg.

Aus einem Briefe an eine Dame.

Ein Soldat muss im Kriege schon viel gewonnen haben, wenn er des Friedens froh ist. Niemals werden wir wahrhafte Sanftmut und Nächstenliebe erlangen, außer wir erringen dieselben im Kampfe gegen Widerwillen, Abneigung und Ekel. Der wahre Friede besteht nicht darin, dass man keinen Kampf hat, sondern dass man überwindet. Wer besiegt ist, kämpft nicht weiter, hat aber doch den wahren Frieden nicht. Wohlan, demütigen wir uns recht, da wir noch so wenig Herr über uns selbst sind und die Ruhe und Bequemlichkeit so sehr suchen.


 

31. Versuchungen gegen den Glauben soll man möglichst wenig Beachtung schenken.

An Frau von Chantal.

Am Feste des hl. Augustin, 30. August 1605.

Ihre Versuchungen gegen den Glauben sind also wieder gekommen und bedrängen Sie, obwohl Sie ihnen kein Gehör schenken. So ist's recht, meine Tochter, dass Sie sich gar nicht mit jenen Versuchungen einlassen; aber Sie denken zu viel daran, Sie fürchten sich zu sehr vor denselben, Sie sind zu bange davor; sonst könnten sie Ihnen kein Leid zufügen. Sie sind zu empfindlich diesen Versuchungen gegenüber. Der Glaube ist Ihnen teuer, und Sie wünschten, es möchte auch nicht ein Gedanke sich in Ihnen dagegen regen; sobald nun ein solcher sich zeigt, werden Sie traurig und unruhig. Sie sind allzu eifersüchtig auf diese Reinheit des Glaubens und meinen, alles und jedes beeinträchtige dieselbe. Nein, nein, meine Tochter, lassen Sie den Wind wehen und halten Sie das Rauschen der Blätter nicht für Waffengeklirr.

Unlängst stand ich in der Nähe eines Bienenstockes, und einzelne dieser Tierchen flogen mir ins Gesicht. Ich erhob die Hand, sie wegzutreiben; aber ein Landmann rief mir zu: „Nicht doch! Fürchten Sie sich nicht und rühren sie nicht an; sie tun Ihnen gewiss nichts; wenn Sie sie aber anrühren, so stechen sie.”

Ich glaubte ihm, und keine einzige hat mich gestochen. Glauben Sie mir nur, seien Sie nur ohne Furcht wegen dieser Versuchungen; rühren Sie sie nicht an, und sie werden Ihnen kein Leid zufügen. Gehen Sie ruhig Ihres Weges und halten sich nicht dabei auf.


 

32. Wie man die Versuchungen gegen den Glauben bekämpfen soll.

An Frau von Chantal.

Den 14. Oktober 1604.

Sie ersuchen mich um Rat und Hilfe gegen die Plage, die ihnen der böse Feind mit seinen Versuchungen gegen den Glauben der Kirche antut, wenn ich Sie nämlich richtig verstehe. Ich will Ihnen darüber sagen, was Gott mir eingibt.

Bei dieser Versuchung muss man sich verhalten wie bei den fleischlichen Versuchungen; nicht streiten, durchaus nicht, sondern es machen wie die Kinder Israels, welche die Gebeine des Osterlammes nicht zu zerbrechen versuchten, sondern sie ins Feuer warfen. Man muss durchaus keine Antwort geben, muss vielmehr tun, als hörte man gar nicht, was der Feind sagt. Mag er draußen vor der Türe bellen, so viel er will; man muss nicht einmal rufen: Wer ist da?

Das ist wohl gut,” werden Sie einwenden, „aber er wird mir lästig, und sein Lärmen ist so arg, dass die drinnen sich nicht verstehen, wenn sie miteinander plaudern.” Das gilt gleich; nur Geduld; man muss dann vor Gott sich niederwerfen und dort zu seinen Füßen bleiben; er erkennt an dieser demütigen Haltung schon, dass Sie sein sind und seine Hilfe wollen, wenn Sie auch nicht reden können. Halten Sie aber vor allem die Tür fest verschlossen und öffnen ja nicht, weder um zu sehen, wer da ist, noch um den Zudringlichen zu verjagen.

Er wird zuletzt des Schreiens schon müde werden und Sie in Frieden lassen.

Ja, es wäre bald Zeit dazu,” entgegnen Sie. Ich bitte Sie, suchen Sie sich das in spanischer Sprache von Pater Ribadeneira verfasste Werk „Von der Trübsal" zu verschaffen; der Pater Rektor (von Villars) wird Ihnen sagen, wo es in französischer Übersetzung zu haben ist; lesen Sie fleißig in diesem Buche.

Nur Mut, bald wird die Stunde der Erlösung schlagen. Wenn nur der Feind nicht eindringt, so hat es nichts zu sagen. Es ist sogar ein gutes Zeichen, wenn er an der Türe pocht und wütet; denn man sieht daran, dass er nicht hat, was er will. Hätte er es, so würde er nicht mehr schreien, sondern eintreten und sich zur Ruhe setzen. Merken Sie sich das, um gegen ungegründete Gewissensbedenken geschützt zu sein.

Nebst diesem Mittel empfehle ich Ihnen noch ein anderes. Die Versuchungen gegen den Glauben gehen geradeswegs auf den Verstand los, um ihn zum Streiten, zum Nachsinnen, zum Grübeln zu verleiten. Wissen Sie, was Sie tun sollen, während der Feind sich anschickt, Ihren Verstand zu erstürmen? Gehen Sie durch die Tür des Willens hinaus und feuern eine tüchtige Ladung auf ihn ab. Das heißt: Wenn sich eine Versuchung gegen den Glauben Ihnen naht und Ihnen zuflüstert: „aber wie ist dies möglich? es spricht doch dieses und jenes dagegen,” so lassen Sie sich ja nicht in einen Wortstreit mit dem Feinde ein, sondern stürzen mit aller Macht heiliger Entrüstung auf ihn los und schleudern ihm innerlich, und wenn's sein muss, auch äußerlich mit lauter Stimme folgende oder ähnliche flammende Worte entgegen: „Ha, elender Verräter! Du bist abgefallen von der Gemeinschaft der Engel und willst, dass ich jene der Heiligen verlasse! Treuloser, falscher Betrüger, du hast dem ersten Weibe den Apfel des Verderbens geboten und willst nun, dass auch ich davon koste! Weiche von mir, Satan; es steht geschrieben: du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen (Matth. 9, 7 – 10.). Ich lasse mich auf keinen Streit, auf keinen Wortwechsel mit dir ein. Eva wollte mit dir rechten (streiten), und kam zum Falle; Eva tat es, und ward verführt. Es lebe Jesus, an den ich glaube! Es lebe die Kirche, an der ich festhalte!”

Auch an Jesus und an den Heiligen Geist müssen Sie sich mit heißem Flehen wenden, wie er es Ihnen eingeben wird; und sogar auch an die Kirche: „O Mutter der Kinder Gottes, niemals will ich von dir mich trennen; in deinem Schoße will ich leben und sterben.”

Ich weiß nicht, ob ich mich deutlich genug ausdrücke; ich meine es so: man soll durch kräftige Willensäußerung und nicht mit Vernunftbeweisen, mit inbrünstigen Anmutungen, aber nicht mit Argumenten sich wehren. Es ist wahr, der arme Wille ist in solchen Zeiten der Versuchung ganz trocken; nun desto besser: seine Schläge werden dann den Feind umso schrecklicher treffen, und wenn er sieht, dass er, statt Sie in Ihrem Fortschritte aufzuhalten, Ihnen vielmehr Anlass zu tausend tugendsamen Anmutungen, besonders zur Beteuerung des Glaubens gibt, wird er Sie schließlich in Ruhe lassen.

Drittens wird es mitunter gut sein, sich fünfzig oder sechzig oder auch, je nach Ihrem körperlichen Befinden, dreißig Schläge mit der Bußgeißel zu geben. Es ist merkwürdig, wie trefflich dieses Rezept bei einer mir bekannten Seele gewirkt hat. Es ist leicht zu begreifen, dass der äußere Schmerz einerseits die Gedanken von der inneren Qual und Drangsal ablenkt und andererseits Gott zum Erbarmen bewegt; abgesehen davon, dass der böse Feind, wenn er sieht, wie wir auf das Fleisch, seinen Parteigänger und Verbündeten, losschlagen, in Furcht gerät und die Flucht ergreift. Doch dürfen Sie dieses dritte Mittel nur mit vernünftiger Maßhaltung anwenden und müssen erst einige Tage beobachten, welchen Erfolg Sie damit erzielen (Vgl. S. 170.).

Schließlich sind übrigens diese Versuchungen nur Widerwärtigkeiten wie andere auch, und man muss sich bei dem Ausspruche der Heiligen Schrift beruhigen: „Selig der Mann, der die Versuchung aushält; denn nachdem er bewährt befunden worden, wird er die Krone des ewigen Lebens empfangen.” (Jak. 1, 12.) Wissen Sie, dass ich wenige Personen gekannt habe, die ohne diese Prüfung Fortschritte machten; man muss also Geduld haben. Nach den Stürmen wird Gott Ruhe senden.



 

33. Wie man sich bei Versuchungen gegen die Reinigkeit zu verhalten hat.

Annecy, den 13. Dezember 1615.

Ich habe die Versuchung erfahren. Ach, meine Tochter, man muss deren haben. Versuchungen dieser Art mögen wohl mitunter das Herz mit Beschämung erfüllen, sind aber niemals imstande, dasselbe niederzuwerfen, wenn es nur ein wenig wachsam und mutig ist. Verdemütigen Sie sich recht tief, aber wundern Sie sich nicht. Die Lilien, welche unter den Dornen wachsen, sind die weißesten, und in der Nähe von Gewässern bekommen die Rosen den feinsten, angenehmsten Wohlgeruch. „Wer nicht versucht ward, was weiß der?” (Eccli., 34, 9.)

Kommt die Versuchung von der Sinnlichkeit her, wie Sie es anzudeuten scheinen, so wechseln Sie, wenn die Anreizung sich Ihnen aufdrängt, Ihre äußere Beschäftigung; oder, falls dies nicht wohl angeht, ändern Sie wenigstens Ort und Stellung. Durch so eine Veränderung wird es vergehen.

Kommt die Versuchung von der Einbildung, so ist es gut, zu singen, Gesellschaft aufzusuchen, mit den geistlichen Übungen abzuwechseln, das heißt: von der einen zu der anderen überzugehen; auch eine Ortsveränderung wird heilsame Wirkung tun.

Vor allen Dingen aber wundern Sie sich nicht darüber; erneuern vielmehr öfter Ihre Gelöbnisse und verdemütigen sich vor Gott. Sie dürfen Ihrem Herzen mit aller Zuversicht den Sieg versprechen durch die Fürbitte der seligsten Jungfrau.

Empfinden Sie aber wegen irgend etwas Ängstlichkeit im Gewissen, so sprechen Sie sich offen und mutig darüber aus, wenn Sie zur Beichte gehen.

Ich hoffe jedoch zu Gott, Sie werden bei Ihrem edlen Gemüte sich frei erhalten von allem, was Sie ängstlich machen könnte.

Auch wäre ich einverstanden, wollten Sie einmal in der Woche das härene (aus Tierhaaren gefertigte) Bußkleid tragen, wenn anders dies nicht die Folge hat, wie dies zuweilen der Fall ist, Sie für andere, wichtige Übungen träger zu machen (Vgl. übrigens Philothea III, 23.).


 

34. Bei allem guten Willen sind Unvollkommenheiten unvermeidlich.

An eine Dame.

Den 14. Juli 1615.

O meine Tochter, glauben Sie mir, mein Herz harrt mit ebenso heißer Sehnsucht auf den Tag des Trostes für Sie wie das Ihrige. Harren Sie nur aus, meine liebe Schwester, „harren Sie wartend” (Ps. 39, 2: Exspectans exspectavi Dominum = wartend habe ich auf den Herrn geharrt.), sage ich, um mich der Worte der Heiligen Schrift zu bedienen. Wartend harren heißt nicht unruhig werden über dem Harren; es gibt ja so manche, die harrend nicht warten können, sondern der Ungeduld und Überstürzung zur Beute werden.

Wäre ich so innig und fest mit Gott verbunden, wie ich gänzlich von der Welt losgeschält und geschieden bin, gütiger Heiland, wie glücklich wäre ich dann, und wie zufrieden Sie, meine Tochter! Ich rede hier jedoch nur von dem Inneren und von meiner Gesinnung im allgemeinen; denn in meinem Äußeren, und was das schlimmste ist, in meinem Betragen finden sich noch mancherlei jener Richtung entgegenstehende Unvollkommenheiten, und „das Gute, was ich will, tue ich nicht” (Röm. 7, 15.); aber es ist mir klar bewusst, dass ich in aller Wahrheit und ohne Heuchelei es will, dass ich es will mit unwandelbarer Festigkeit.

Aber wie ist es denn möglich, dass auf dem Boden eines solchen Willens bei mir dennoch so viele Unvollkommenheiten zum Vorschein kommen und entstehen können? Gewiss kommt das nicht von meinem Willen, noch durch meinen Willen, wenn auch in und auf meinem Willen. Es geht damit, dünkt mir, wie mit der Mistel, die auf dem Baume entsteht und in demselben wurzelt, ohne jedoch von dem Baume oder durch den Baum ihren Ursprung zu haben.


 

35. Die Anfälle der Leidenschaften werden nie aufhören, da die Eigenliebe nicht stirbt, solange wir leben.

An eine Oberin von der Heimsuchung.

O ich finde in Ihrem Schreiben, teure Tochter, recht viel Ursache, Gott zu preisen, dass er Ihre Seele, wenn auch nicht dem Gefühle, so doch der Tat nach in dem heiligen Gleichmut erhält.

Das will alles nichts bedeuten, was Sie mir von Ihren kleinen Anfällen sagen. Solche kleine Ausbrüche der Leidenschaften sind unvermeidlich in diesem sterblichen Leben; darum rief der große Apostel zum Himmel: ,,Ach, ich armer Mensch, der ich bin! ich fühle zwei Menschen in mir, den alten und den neuen; zwei Gesetze, das Gesetz der Sinne und das Gesetz des Geistes; zwei Tätigkeiten, die der Natur und die der Gnade; ach, wer wird mich von diesem Leibe des Todes befreien?” (Röm. 7, 22.) Meine Tochter, die Eigenliebe stirbt erst mit unserem Körper. Immer machen sich ihre offenen Angriffe oder ihre geheimen Nachstellungen uns fühlbar, solange wir in diesem Elende sind; es genügt schon, wenn unsererseits keine frei gewollte, überlegte und bewusstermaßen unterhaltene Einwilligung vorhanden war.

Begegnet es uns also, dass wir die Gesetze des heiligen Gleichmutes in gleichgültigen Dingen, oder infolge eines plötzlichen Ausbruchs der Eigenliebe oder der Leidenschaft verletzen, so werfen wir uns gleich, sobald wir können, vor Gott auf die Knie und rufen mit einem vertrauenden, demutsvollen Herzen zu ihm empor: „Erbarmen, o Herr! denn ich bin krank.” (Ps. 6, 3.) Erheben wir uns dann im Frieden, knüpfen den Faden des Gleichmuts wieder an und fahren dann fort in unserer Beschäftigung.

Man soll weder die Saiten zerreißen, noch die Laute wegwerfen, wenn man wahrnimmt, dass sie verstimmt ist; vielmehr muss man hinhorchen, woher der Misston kommt, und vorsichtig die betreffende Saite anziehen oder abspannen, je nachdem die Kunst dies erheischt (erfordert).


 

36. Gott hat seine liebevollen Absichten dabei, wenn er uns nicht mit einem Mal von allen UnvoIlkommenheiten befreit.

An eine verheiratete Dame.

Geehrte Frau! Ihr Schreiben vom 20. Januar machte mir große Freude, da ich ungeachtet Ihres Elends, welches Sie mir beschreiben, Spuren eines Fortschrittes in dem geistlichen Leben wahrzunehmen glaube.

Sie klagen darüber, dass trotz Ihres Verlangens nach der Vollkommenheit und reinen Liebe Gottes immer noch mehrfache Unvollkommenheiten und Fehler in Ihr Leben sich einschleichen. Ich erwidere: Solange wir hienieden leben, ist es nicht möglich, uns selbst ganz los zu werden. Wir müssen uns tragen, bis Gott uns in den Himmel trägt; solange wir aber uns tragen, tragen wir eben etwas, was nicht viel wert ist. Wir müssen also Geduld haben und nicht denken, dass wir uns in einem Tage von so vielen Gewohnheiten heilen können, die wir infolge der großen Unbekümmertheit um unsere geistige Gesundheit angenommen haben.

Wohl hat Gott Einzelne plötzlich gesund gemacht, ohne eine Spur ihrer früheren Krankheiten zurückzulassen; diese Gnade erwies er z. B. der Magdalena, die er in einem Augenblicke aus einer Pfütze fauler Gewässer in einen Quell des Wassers der Vollkommenheit verwandelte, dessen Klarheit nie wieder sich trübte. Derselbe Gott hat aber auch mehreren seiner geliebten Jünger längere Zeit nach ihrer Bekehrung viele Spuren ihrer bösen Neigungen belassen, zu ihrem größeren Nutzen. Ein Beweis dafür ist der hl. Petrus, der nach seiner ersten Berufung noch mehrfach in Unvollkommenheiten verfiel und einmal, bei der Verleugnung, gänzlich und schmachvoll zu Fall kam.

Salomon sagt: „Ein unverschämtes Tier ist die Magd, die plötzlich zur Herrin wird.” (Spr. 30, 21 – 23.) So wäre auch die Seele, welche lange Zeit ihren eigenen Leidenschaften gefröhnt hat, in großer Gefahr, übermütig und stolz zu werden, wenn sie in einem Augenblicke vollkommen Herr darüber würde.

Vor und nach, Schritt für Schritt müssen wir diese Herrschaft erringen, zu deren Erreichung die Heiligen mehrere Jahrzehnte gebraucht haben. Sie müssen sich bequemen, Geduld mit jedermann zu haben, vor allem aber mit sich selber.

Nur Mut, ich bitte Sie! Gewöhnen Sie allmählich Ihren Willen daran, dem Willen Gottes zu folgen, wohin derselbe Sie auch führen mag. Sorgen Sie, dass es ein rechter Sporn für Sie wird, wenn Ihr Gewissen Ihnen sagt: Gott will es; so wird allmählich der heftige Widerstand, auf den Sie in Ihrem Herzen stoßen, schwächer werden und bald ganz aufhören. Ganz besonders aber müssen Sie kämpfen, um jede Äußerung des inneren Widerwillens zu hindern oder doch zu mildern. Einige lassen, wenn sie erzürnt oder unzufrieden sind, ihren Unwillen nur merken, indem Sie sagen: Mein Gott, was soll das heißen? Andere brechen in hitzigere Worte aus und legen dadurch nicht bloß einfache Unzufriedenheit an Tag, sondern einen gewissen Stolz und Ärger. Ich meine nun, diese Äußerungen muss man vor und nach zu beseitigen suchen, indem man täglich ihnen etwas Abbruch tut.


 

37. Gott schaut mit Liebe auf uns herab trotz unserer Sünden, wenn wir nur guten Willen haben.

An eine Oberin von der Heimsuchung.

Annecy, den 18. Februar 1618.

O liebe Mutter Gottes! Ob wohl der Herr unserer gedenkt, ob er mit Liebe uns anschaut? Ja, meine teure Tochter, er denkt an Sie, und nicht bloß an Sie, sondern sogar an das geringste Haar Ihres Hauptes (Matth. 10, 30.); das ist ein Glaubenssatz, und man darf mitnichten daran zweifeln. Aber ich weiß auch recht wohl, dass Sie nicht daran zweifeln, sondern mit jenem Ausdrucke nur die Verödung, Trockenheit und Unempfindlichkeit bezeichnen wollen, in welcher sich der niedere Teil Ihrer Seele zur Zeit befindet. „Wahrlich, Gott ist an diesem Orte, und ich wusste es nicht" (1 Mos. 22, 16.), sprach Jakob; das will sagen: ich merkte es nicht, ich empfand es nicht, es kam mir nicht so vor. Ich habe hierüber gesprochen in dem Buche von der Liebe Gottes, wo ich von der Abtötung des Willens und von der Entsagung handelte; in welchem Kapitel, entsinne ich mich nicht mehr (Vgl. Buch IX, Kap. 3 und 12 – 16.). Und dass Gott mit Liebe auf Sie herabblickt, daran können Sie vernünftigerweise nicht zweifeln; sieht er doch selbst die größten Sünder der Welt mit liebreichen Blicken an, wenn sie nur ein leises Verlangen haben, sich zu bekehren. Und nun sagen Sie mir, teure Tochter, haben Sie nicht die Absicht, Gott auzugehören? Wünschten Sie nicht, ihm recht treu zu dienen? Und wer flößt Ihnen diesen Willen und diese Absicht ein? Tut es nicht er selbst mit seinem Blick der Liebe? Sie brauchen nicht zu forschen, ob Ihr Herz ihm gefällt; wohl aber, ob sein Herz Ihnen gefällt; betrachten Sie aber sein Herz, so muss es Ihnen notwendig gefallen, so gütig, so freundlich, so voll Herablassung und Liebe ist es gegen die erbärmlichsten Geschöpfe, wenn diese nur ihre Erbärmlichkeit anerkennen; so gnadenreich gegen die Elenden, so gut gegen die Büßenden! Ja, wer sollte es nicht lieben, dieses königliche Herz, welches so voll väterlicher Liebe und mütterlicher Zärtlichkeit für uns ist?

Ganz richtig sagen Sie, beste Tochter, jene Versuchungen rührten daher, dass Ihr Herz ohne Zärtlichkeit gegen Gott sei. Gewiss, hätten Sie diese Zärtlichkeit, so hätten Sie auch Trost und wären nicht länger in Sorge. Aber, meine Tochter, die Liebe Gottes besteht nicht in Trost oder zärtlichen Gefühlen, sonst hätte der Heiland auch keine Liebe zu seinem Vater gehabt, als er betrübt war bis zum Tode und in die schmerzlichen Worte ausbrach: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matth. 26, 38; 27, 46.) Und doch war es gerade in jenem Augenblicke, wo er den höchsten Akt der Liebe übte, den man sich vorstellen kann.

Mit einem Worte, wir möchten immer ein wenig Trost, immer ein bisschen Zuckerbrot haben, das heißt, wir möchten immer das tröstliche Gefühl der Liebe und Zärtlichkeit besitzen; ebenso wäre es uns sehr erwünscht, ohne alle Unvollkommenheit zu sein; aber man muss sich darein finden, dass man menschliche Natur und nicht die Natur der Engel hat.

Unsere Unvollkommenheiten dürfen uns nicht gefallen; wir sollen vielmehr mit dem großen Apostel sprechen: „O ich Armseliger, wer wird mich von diesem Leibes des Todes befreien?“ (Röm. 7, 24.) Aber wir sollten uns nicht wundern darüber, noch auch den Mut verlieren. Dieselben sollen unseren Stolz beugen, uns zur Demut und zum Misstrauen gegen uns selbst führen, nicht aber zur Mutlosigkeit oder Niedergeschlagenheit, und noch viel weniger zum Zweifel an der Liebe Gottes gegen uns. Auch Gott liebt nicht unsere Unvollkommenheiten und lässlichen Sünden; sondern uns liebt er ungeachtet derselben. Gleichwie nämlich eine Mutter, wiewohl ihr die Schwäche und Kränklichkeit ihres Kindes missfällt, dennoch voll Liebe, ja selbst voll zärtlicher, mitleidiger Liebe für dasselbe ist, so liebt auch Gott, so wenig er auch unsere Unvollkommenheiten und lässlichen Sünden liebt, doch uns selbst mit solcher Zärtlichkeit, dass David mit Recht zu dem Herrn sprechen konnte: „Erbarme dich meiner, o Herr, denn ich bin schwach!” (Ps. 6, 3.)

Nun wohl, meine teure Tochter, genug davon! Leben Sie getrost: des Herrn Auge ruht auf Ihnen; er betrachtet Sie mit Liebe, und zwar mit umso zarterer Liebe, je schwächer Sie sind. Gestatten Sie niemals Ihrem Geiste, sich freiwillig bei Gedanken aufzuhalten, die dem widersprechen. Kommen dieselben dennoch, so würdigen Sie sie keines Blickes, wenden vielmehr Ihre Augen weg von ihrer Bosheit und richten sie auf Gott mit mutiger Demut; reden Sie mit ihm von seiner unaussprechlichen Güte, mit der er unsere arme, elende, niedere Menschennatur liebt ungeachtet ihrer Gebrechen.

Beten Sie für meine Seele, teure Tochter, und empfehlen Sie mich Ihren lieben Novizen, die ich ja sämtlich kenne, besonders Schwester Colin.

Ich verbleibe gänzlich der Ihrige im Herrn, der immerdar lebe in unserem Herzen!


 

38. „Ach, ich bin ganz zerrissen”.

An eine Dame.

Teuerste Tochter! Ich habe Kenntnis genommen von dem kleinen Fehltritt, welcher Ihnen in den letzten Tagen begegnet ist, während Ihr Herz sich hin und her gezogen fühlte einerseits von dem Streben, Ihren eigenen Neigungen zu entsagen, und andererseits von dem Wunsche, Ihrem besonderen Geschmack zu folgen.

Nun, meine Tochter, Sie werden sehen, das Schlimmste, was Sie verbrochen haben, ist dies, dass Sie sich Ihrer Schwäche wegen beunruhigt haben. Wären Sie nach dem ersten Fehltritte ganz ruhig geblieben und hätten wieder ganz sachte Ihr Herz in Ihre Hände genommen, so würden Sie nicht das zweite Mal gestrauchelt sein.

Übrigens müssen Sie trotz alledem jetzt wieder Mut fassen und sich, so sehr Sie können, in Ihren heiligen Entschließungen, besonders in dem Vorsatze zu befestigen suchen, sich nicht wieder beunruhigen oder doch wenigstens wieder beschwichtigen zu wollen, sobald Ihnen die eingetretene Unruhe zum Bewusstsein kommt.

Das Wort: „Ich bin ganz zerrissen” war hier nicht an der Stelle; denn, meine Tochter, dem Nächsten gegenüber müssen wir immer von wohlwollendem Mitleid, uns selbst gegenüber von der Demut uns leiten lassen und dürfen nicht leicht denken, der Nächste habe es zu gut und wir zu schlecht.

Ach, es wird immer etwas für uns zu tun geben, immer ein Feind zu bekämpfen bleiben. Wundern Sie sich nicht darüber; sondern wenn diese bösen Neigungen anfangen, Sie zu beunruhigen, richten Sie im Geiste Ihren Blick auf den Heiland am Kreuze. Ach, Herr, du bist wir Honig und Zucker; sänftige mein Herz durch die Milde deines Herzens. Machen Sie sich eine kleine Zerstreuung und rüsten sich dann zum Kampfe; alsdann kehren Sie wieder zum Fuße des Kreuzes zurück und rufen den Herrn an, so wird Gott Ihnen beistehen.

Es lebe Jesus, in welchem ich verbleibe

Ihr u. s. w.


 

39. Bei eintretenden Rückfällen darf man nicht mutlos werden.

An eine Dame.

Wohlan, meine teure Tochter, was soll ich Ihnen sagen über den Rückfall in unser Elend? Was anderes, als dass man angesichts des Feindes wieder zu den Waffen eilen, wieder Mut fassen und tapferer kämpfen soll als je zuvor? Gemäß Ihrem Briefe finde ich übrigens die Sache nicht besonders schlimm. Mein Gott, hüten Sie sich ja vor jeder Entmutigung; Gottes Güte lässt Sie nicht in solche Fehler fallen, um Sie zu verlassen, sondern um Sie zu demütigen und Sie dahin zu bringen, dass Sie sich desto fester und treuer halten an der Hand seiner Barmherzigkeit.

Bleiben Sie in Frieden, meine Tochter; sagen Sie oftmals dem Heilande, dass Sie das sein wollen, was er auf Ihnen machen will, und dass Sie leiden wollen, was er Ihnen auferlegen will. Bekämpfen Sie treulich Ihren Hang zur Ungeduld und suchen sich bei jeder Gelegenheit, ja auch ohne besonderen Anlass, auf die heilige Freundlichkeit und Zuvorkommenheit gegen Personen einzuüben, die Ihnen besonders missliebig sind; und Gott wird Ihre gute Absicht segnen.

Gute Nacht, teure Tochter, Gott sei Ihre einzige Liebe!

In ihm verbleibe ich von ganzem Herzen

Ihr u. s. w.


 

40. Wie man nach einem Fehltritt sein Herz wieder zurechtbringen soll.

An eine Dame.

Den 25. Mai 1612. (In Eil'.)

Werteste Frau! Halten Sie es für tröstlich, an mich zu schreiben, so tun Sie es mit allem Vertrauen. Ich wünsche es allen Ernstes. Zwei Dinge müssen wir miteinander zu verbinden wissen: den größten Eifer, den Übungen des Gebetes wie der Tugenden aufs pünktlichste obzuliegen, und den Grundsatz, durchaus nicht in Verwirrung, Unruhe oder Bestürzung zu geraten, wenn wir dabei Fehler begehen. Ersteres ist durch die Treue gefordert, die in unserem Herzen nie wanken, sondern von Stunde zu Stunde wachsen soll; das andere durch unsere Schwäche, die wir in diesem sterblichen Leben niemals abzulegen vermögen.

Teure Tochter! Sind wir in einen Fehler geraten, so erforschen wir sofort unser Herz und fragen es, ob der Entschluss, Gott zu dienen, in ihm noch fest und lebendig ist? Ich hoffe, es wird diese Frage bejahen und entschlossen sein, tausendmal lieber den Tod zu leiden, als sich von jenem Vorsatze loszusagen.

Fragen wir es dann weiter: Warum strauchelst du denn jetzt? warum bist du so matt? so wird es antworten: Es hat mich überrascht, ich weiß nicht wie; aber es liegt mir jetzt so schwer in den Gliedern.

Ach, meine Tochter, da muss man ihm doch vergeben; es fehlt ja nicht aus Treulosigkeit, sondern aus Schwäche. Man muss es also mit aller Ruhe und Sanftmut zurechtweisen, darf es aber ja nicht noch mehr reizen und verwirren. „Wohlan, mein Herz,“ so sollen wir zu ihm sprechen, „fasse Mut, mein Freund, lass uns getrost weiter wandern und vorsichtiger sein! Helfen wir einander wieder auf und vertrauen wir auf unseren Gott!” Ach, meine teure Tochter, wir müssen unsere Seele liebevoll behandeln und sie nicht anschnauzen, solange wir nicht sehen, dass sie tückischen Verrat übt.

Sehen Sie, wenn wir so verfahren, üben wir heilige Demut. Was wir für unser Heil tun, ist für den Dienst Gottes getan; denn unser Heiland selbst hat in dieser Welt nur für unser Heil gewirkt. Verlangen Sie keinen Kampf; aber erwarten Sie ihn festen Fußes. Der Herr sei Ihre Stärke.

In ihm verbleibe ich u. s. w.



 

41. Es ist nicht schlimm, wenn uns bei der Beichte nicht alle kleinen Fehltritte einfallen.

An seine Nichte Frau von Valbonne.

Annecy, den 15. Mai 1617.

Gott segne Sie, teure Nichte und Tochter, da Sie nach wie vor so eifrig darauf bedacht sind, die besten Empfindungen Ihres Herzens für ihn zu bewahren!

Wie glücklich werden Sie sein, wenn Sie in diesem Streben beharren bis zum Ende dieses armseligen Lebens! Dann wird dieses Ende der glückselige Anfang einer schönen und hochheiligen Ewigkeit sein.

Machen Sie sich keine Unruhe deswegen, dass Sie nicht alle Ihre kleinen Fehltritte bemerken, um sie beichten zu können. Nein, meine Tochter; denn so wie Sie oftmals fallen, ohne es zu merken, so heißt es auch an der Stelle, auf welche Sie sich berufen, nicht: der Gerechte sieht oder fühlt, dass er siebenmal des Tages fällt, sondern: „er fällt siebenmal, steht aber auch wieder auf” (Spr. 24, 15.), ohne diesem Aufstehen besondere Beachtung zu schenken. Machen Sie sich also keine Sorge deswegen, sondern gehen hin und sagen demütig und aufrichtig, was Sie bemerkt haben; und was Ihnen entgangen ist, überlassen Sie ruhig der süßen Barmherzigkeit dessen, der denen, die da ohne Bosheit fallen, „seine Hand unterhält, damit sie sich nicht verletzen” (Ps. 36, 24.), und sie so schnell und sanft wieder aufrichtet, dass sie nicht merken, dass sie gefallen, da Gottes Hand sie im Fallen aufgefangen, noch dass sie wieder aufgestanden, da er sie so schnell aufgerichtet, dass sie es gar nicht wahrnahmen.

Leben Sie wohl, liebe Tochter und Nichte, hüten Sie recht Ihre vielgeliebte Seele und schlagen nicht hoch an diese vergänglichen Jahre, als nur um damit die hochheilige Ewigkeit zu erringen.


 

42. Glückwunsch zur Genesung des Vaters.

Gegen alle Befürchtungen vor der Zukunft finden wir Schutz in den Armen der göttlichen Vorsehung.

An eine Dame.

Den 16. Januar 1619.

Ich denke, meine Tochter, Ihr Herz ist so sehr versichert von meiner unwandelbaren Ergebenheit für Sie, dass es fortan keinem Zweifel mehr darüber Raum geben wird: was Gott tut, ist wohlgetan. Hat es auch lange gedauert, bis ich Ihnen schrieb, so bitte ich Sie, die Ursache davon lediglich in der unerträglichen Geschäftslast zu suchen, infolge deren man mehr tun muss, als man kann und will, und nicht tun kann, was man gerne möchte, wiewohl man es nicht kann.

Wohl habe ich letzthin befürchtet, die Krankheit Ihres Herrn Vaters werde Ihnen viele Sorge machen; aber jetzt, wo er Gott sei Dank alle Tage gesunder und kräftiger wird, bin ich dieserhalb wieder ganz beruhigt.

O Gott, meine Tochter, wie sehr verdient die Wahrheit beherzigt zu werden, dass das irdische Leben uns nur gegeben ist, um das ewige zu gewinnen! Weil wir kein Verständnis für diese Wahrheit haben, geben wir unser Herz hin an die Dinge dieser Welt, in welcher wir nur Durchreisende sind; und wenn es dann heißt, sie verlassen, dann sind wir betroffen und bestürzt.

Glauben Sie mir, beste Tochter, um glücklich zu leben auf dieser Pilgerfahrt, muss uns stets die Hoffnung auf die Heimkehr in das Vaterland vor Augen schweben, wo wir bleiben werden in Ewigkeit. Auch müssen wir fest daran glauben, wie es ja auch wirklich ist, dass Gott, der uns zu sich ruft, darauf achtet, wie wir diesem Rufe Folge leisten, und dass er uns nichts zustoßen lässt, was nicht zu unserem Besten dient; er weiß, wer wir sind, und auf gefährlichen Wegen wird er uns seine väterliche Hand reichen, damit wir nicht aufgehalten werden.

Um aber diese Gnade recht schätzen zu können, muss man ein rückhaltloses Vertrauen zu der göttlichen Leitung haben.

Gehen Sie den Schicksalen des Lebens nicht mit Angst, sondern mit zuversichtlicher Hoffnung entgegen, dass Gott in demselben Maße, wie dieselben eintreffen, auch für Abhilfe sorgen wird; er hat Sie auch bis dahin behütet; halten Sie sich nur ja recht fest an der Hand seiner Vorsehung, so wird er bei aller Gefährde Ihnen beistehen; und wo sie nicht weiter können, wird er Sie tragen. Was sollen Sie fürchten, teure Tochter, da Sie Gott angehören, der uns so nachdrücklich versichert hat, dass denen, die ihn lieben, alles zum Besten gereicht? (Röm. 8, 28.) Machen Sie sich gar keine Gedanken darüber, was der morgige Tag Ihnen bringen wird; denn derselbe ewige Vater, welcher heute Sorge für Sie trägt, wir es auch morgen und allezeit tun; entweder wird er Ihnen kein Kreuz schicken, oder wenn er es kommen lässt, wird er Ihnen unüberwindlichen Starkmut geben, dasselbe zu tragen.

Bleiben Sie also im Frieden, teure Tochter; machen Sie Ihre Einbildung frei von allen Schreckbildern, die Sie beunruhigen; sprechen Sie oftmals zu unserem Heilande: „O Gott, du bist mein Gott, und ich vertraue auf dich; du bist meine Hilfe und meine Zuflucht, nichts werde ich fürchten (Vgl. Ps. 17, 3; 24, 1.);

denn du bist nicht allein bei mir, sondern bist in mir, und ich in dir.” Was könnte das Kind fürchten in den Armen eines solchen Vaters? Seien Sie ganz ein Kind, meine liebe Tochter; Sie wissen, das Kind macht sich nicht viel Gedanken; es weiß, dass andere für es sorgen; es hat immer Mut genug, wenn es nur bei dem Vater ist. Machen Sie's gerade so, meine teure Tochter, und Sie werden im Frieden sein.


 

43. Über Traurigkeit und innere Unruhe.

(Oeuvres complètes de St. François de Sales. Lyon et Paris 1861.

Tome II, p. 829 – 834. Die Abhandlung war von dem Heiligen zunächst für die Vorsteherin einer klösterlichen Genossenschaft in Paris verfasst. Siehe S. 328.

Vgl. Philothea IV, 11. 12.)

Art. I. Traurigkeit und Unruhe stehen zu einander in Wechselwirkung.

Traurigkeit erzeugt Unruhe, und Unruhe die Traurigkeit. Beide sind daher nur in Gemeinschaft zu besprechen, und was gut ist gegen die eine, ist auch ein Heilmittel für die andere.

Um Sie zu überzeugen, dass wirklich die Traurigkeit und die Unruhe sich wechselseitig hervorrufen, müssen Sie wissen, dass die Traurigkeit nichts anderes ist als ein Schmerz des Geistes wegen eines Übels, welches wir gegen unseren Willen in uns empfinden, sei das Übel nun ein äußeres, wie Armut, Krankheit, Verunglimpfung, Verachtung; oder sei es inneres, wie Unwissenheit, Trockenheit, böse Neigungen, Sünde, Unvollkommenheit oder Widerwillen gegen das Gute.

Empfindet nun die Seele ein solches Übel in sich, so wird sie zunächst missmutig über die Anwesenheit desselben, und das ist dann die Gemütsstimmung, die man Traurigkeit nennt. Zweitens entsteht in ihr sodann der Wunsch und das Verlangen, des Übels entledigt zu sein, und sie sinnt auf Mittel, sich frei davon zu machen, – soweit ist alles gut und löblich. Drittens aber kann das Ringen der Seele nach Befreiung von dem Übel aus Liebe zu Gott oder aus Eigenliebe hervorgehen; im ersteren Falle wird sie mit Geduld, Demut und Gelassenheit sich nach der geeigneten Mitteln umsehen und nicht sowohl von sich selbst und von der eigenen Beflissenheit Hilfe erwarten, als vielmehr von der Barmherzigkeit Gottes; im letzteren Falle aber wird sie mit solcher Hast nach Mitteln zu ihrer Befreiung suchen, als ob sie das Gelingen mehr von sich selbst als von Gott erwartete. Ich will nicht gerade sagen, dass dies ihre wirkliche Gesinnung ist, aber sie benimmt sich doch so, wie wenn alles auf sie ankäme. Daher kommt es dann auch, dass sie, wenn sie nicht sogleich beim ersten Versuche die Befreiung von dem Übel erreicht, so großer Beunruhigung und Ungeduld anheimfällt. So ist denn die Unruhe da, und alsbald stellt sich viertens eine große Traurigkeit ein. Da nämlich die Unruhe das Übel nicht zu beseitigen vermag, im Gegenteil dasselbe nur verschlimmert, so verfällt man in maßlose Beängstigungen, fühlt sich von aller Kraft verlassen und dermaßen verwirrt im Geiste, dass es einem vorkommt, als gebe es gar keine Rettung mehr. So gerät man in einen Abgrund von Traurigkeit, wo jede Hoffnung verschwindet und alle Bedachtnahme auf Lebensbesserung aufhört.

Sie sehen also, wie die Traurigkeit, obwohl an sich in ihren Anfängen noch nicht böse, die Unruhe erzeugt, und wie dann die Unruhe hinwiederum eine neue Art von Traurigkeit hervorruft, die durch und durch gefährlich ist.

Art. II. Über die Unruhe im besonderen.

Über die Unruhe brauche ich nur wenig zu sagen; einmal, weil die Heilmittel für dieselbe fast die nämlichen sind, die ich gegen die Traurigkeit verordne, dann auch, weil ich sie auf das 14., 15. und 16. Kapitel des „Geistlichen Kampfes” (Scupoli wird von dem heiligen Lehrer öfters empfohlen.) verweisen kann.

Ich kann mich also auf drei, vier Worte beschränken.

1. Die Unruhe, die Mutter der bösen Traurigkeit, ist, abgesehen von der Sünde, das größte Übel, welches einer Seele zustoßen kann; denn es gibt keinen Fehler, welcher dem Fortschritt in der Tugend und der Beseitigung des Lasters so hinderlich wäre als die Unruhe. Gleichwie nämlich Unruhen im Staate denselben vollständig zu Grunde richten und ihm die Bekämpfung äußerer Feinde unmöglich machen, so büßt auch unser Herz, wenn es in sich selbst verwirrt ist, die Kraft ein, sich Tugenden zu erwerben und sich gehörig gegen einen Feind zu verteidigen, der, wie man zu sagen pflegt, es liebt, im Trüben zu fischen.

2. Die Unruhe entspringt aus einem heftigen und ungeregelten Verlangen, von einem Übel frei zu werden, wovon sich Seele oder Leib gequält fühlt; aber gleichwohl führt diese Unruhe nicht allein die Befreiung nicht herbei, sondern kann im Gegenteile dieselbe nur verzögern. Was ist schuld, dass die Vögel und das Wild, wenn sie ins Netz geraten sind, darin gefangen bleiben? Was anders als die Ängstlichkeit und Hast, womit sie umherflattern und sich abmühen, rasch zu entkommen, wodurch sie dann nur desto mehr sich verwickeln und hemmen? Will einer zwischen Dornhecken und Sträuchern in Hast und Eile vorwärts kommen, so bleibt er erst recht hängen und zerreißt sich; macht er aber hübsch sachte und biegt vorsichtig rechts und links die Dornen zur Seite, so kommt er rascher vom Fleck und verletzt sich nicht. – Suchen wir einen Gegenstand mit zu großer Hast, so tasten wir nicht selten daran vorbei, ohne ihn zu bemerken, und was übereilt geschieht, wird niemals gut getan.

3. Sind wir daher in das Garn dieser oder jener Unvollkommenheit geraten, so ist Unruhe nicht das Mittel, daraus zu entkommen; im Gegenteil, wir verwickeln uns dadurch nur immer mehr. Vielmehr müssen wir uns dann zu fassen und ein ruhiges Urteil zu gewinnen suchen und alsdann ganz sachte wieder alles in Ordnung bringen. Ich will nicht sagen, es solle uns nichts daran gelegen sein, sondern wir sollen ohne Hast, Verwirrung und Unruhe dabei verfahren und um dieses Ziel zu erreichen das 14., 15. und 16. Kapitel des „Geistlichen Kampfes” lesen und wieder lesen. Vor allem muss man, wie der „Geistliche Kampf” sich ausdrückt, einen Turmwart aufstellen, der uns sofort Meldung macht, falls unter was immer für einem Vorwande uns etwas nahen will, was Verwirrung oder Hast in unserem Herzen erregen könnte. Diese Wache, welche die Seele immer im Auge behält, mag vorbedeutet sein durch den Berg Sion binnen der Stadt Jerusalem, deren Name soviel heißt als „Schauplatz des Friedens“, gleichwie Sion gemäß der Auslegung einiger „Wachen oder „Warte“ bedeutet. Diese Schildwache aber soll nichts anderes sein als eine sehr sorgfältige Bedachtnahme auf die Bewahrung der inneren Ruhe, und zwar muss diese Vorsorge beim Beginn aller unserer Geschäfte erneuert werden am Abend, am Morgen wie am Mittag.

4. Der Herr wollte nicht, dass sein Tempel von dem zwar sehr heiligen, aber kriegerischen König David erbaut werde; auch sollte beim Bau desselben weder ein Hammer noch irgend ein Eisen gehört werden (3 Kön. 6, 7.). Salomo, der Friedensfürst, sollte das Heiligtum errichten. Das soll uns ein Zeichen sein, dass auch unsere geistige Auferbauung nach Gottes Willen nur in tiefem Frieden und heiliger Stille vor sich gehen soll; und alle Tage soll man um diese teuren Güter zu Gott bitten, wie auch König David lehrt, indem er spricht. „Flehet um das, was Jerusalem zum Frieden dient." (Ps. 121, 6.) Auch unser Erlöser entließ stets die Büßenden im Frieden; sein Wort war: „Gehe hin in Frieden.” (Vgl. z. B. Mark. 5, 34.)

Art. III. Über die Traurigkeit im besonderen.

1. Nach des hl. Paulus Lehre kann es eine gute und eine böse Traurigkeit geben. Die Betrübnis nach Gottes Willen wirkt Buße zur Seligkeit; die Betrübnis der Welt bewirkt den Tod (2 Kor. 7, 10.).

2. Der Feind bedient sich der Traurigkeit, um den Guten mit seinen Versuchungen beizukommen. Sowie er nämlich darauf aus ist, den Bösen Freude am Bösen zu machen, so ist er bemüht, den Guten das Gute zu verleiden. Gleichwie er nun zum Bösen nur verlocken kann durch die Annehmlichkeit, die er dabei in Aussicht stellt, so kann er auch von dem Guten uns nur abwendig machen, indem er dasselbe im unangenehmsten Lichte erscheinen lässt. Aber auch abgesehen davon ist Traurigkeit und Trübsinn das Element des bösen Feindes, da er selber voll Trauer und Trübseligkeit ist und ewiglich bleiben wird. Am liebsten wäre es ihm daher, wenn alle wären wie er.

3. Die Traurigkeit ist fast in allen Fällen vom Übel. Denn nach den Geisteslehrern wachsen an dem Baume der Traurigkeit acht Äste, nämlich Barmherzigkeit, Bußsinn, Gram, Untätigkeit, Gereiztheit, Eifersucht, Neid und Ungeduld. Nur die beiden erstgenannten aber sind gut in jeder Hinsicht; weshalb auch der Weise spricht: „Viele hat schon die Traurigkeit getötet, und niemals bringt sie Nutzen.” (EccIi. 30, 25.) Nur zwei gute Bächlein entquellen derselben gegen sechs andere, die überaus böse sind.

Art. IV. Kennzeichen der guten und der bösen Traurigkeit.

Die schlimme Traurigkeit verwirrt den Geist und stürzt die Seele in Aufregung und Unruhe. Es klagt daher der König David nicht allein über Betrübnis, indem er spricht: „Warum bist du traurig, meine Seele?” sondern auch über Verwirrung und Beunruhigung, da er hinzufügt: „Und warum verwirrst du mich?” (Ps. 42, 2.) Die gute Traurigkeit hingegen belässt den Geist in tiefem Frieden und sanfter Ruhe. Nachdem daher der Herr seinen Aposteln vorausgesagt hatte: „Ihr werdet Trauer haben”, fügt er bei: „Euer Herz beunruhige sich nicht und fürchte sich nicht.“ (Joh. 16, 20. 27. 33.) „Siehe, meine bitterste Bitterkeit ist im Frieden.” (Jes. 38, 17.)

Die böse Traurigkeit fährt unerwartet nieder wie ein Hagelwetter, schreckbar und mit großem Ungestüm, urplötzlich und ohne dass man sagen kann, von wannen (wann) es kommt. Denn sie hat weder Grund noch Ursache, und erst wenn sie da ist, sucht sie allenthalben nach Vorwänden, um sich zu rechtfertigen. Die gute Trauer dagegen schwebt leise zur Seele nieder wie ein sanfter Regen, der die Hitze der Tröstungen kühlt; immerhin hat sie vorher auch ihre Veranlassungen.

Die schlimme Traurigkeit macht mutlos und wirkt einschläfernd, betäubend und lähmend auf den Geist; sie macht, dass man die Arbeit aus den Händen sinken lässt, wie der Psalmist sagt, und gleich Hagar das Kind unter den Baum legt und hingeht, um zu weinen (1 Mos. 21, 15 – 16.). Die gute Traurigkeit flößt Kraft und Mut ein; kein gutes Vorhaben wird von ihr preisgegeben oder behindert. Das zeigte sich an der Traurigkeit unseres Heilandes; diese war so überaus groß, dass sie nie ihresgleichen hatte; aber gleichwohl hielt sie ihn nicht ab, zu beten und um seine Apostel sich anzunehmen. Auch Unsere liebe Frau, da sie ihr Kind verloren hatte, war über die Maßen betrübt; aber dessenungeachtet suchte sie es auf mit allem Fleiße. Ein Gleiches tat auch Magdalena, und ließ es nicht bei unnützem Jammern und Weinen bewenden.

Die böse Traurigkeit verdunkelt den Verstand, macht die Seele ratlos und raubt ihr alle Besonnenheit uns Urteilskraft. Es zeigte sich dies bei jenen Unglücklichen, von denen der Psalmist sagt: „Sie waren wirr und wankend wie ein Trunkener, und alle ihre Weisheit war verschlungen.“ (Ps. 106, 27.) In seiner Bestürzung streckt man rat- und planlos die Hände nach Rettung aus, wie im Finstern tappend. Die gute Trauer dagegen verleiht einen klaren Blick, gießt helles Licht auf unsere Pfade; sie gibt, um mit dem Psalmensänger zu reden, die rechte Einsicht.

Die schlimme Betrübnis hindert, ja verleidet das Gebet und flößt Misstrauen ein gegen die Güte Gottes; die gute dagegen kommt von Gott, gibt neue Zuversicht und größeres Vertrauen zu Gott und treibt an zum Gebete und zur Anrufung seiner Barmherzigkeit. „Not und Bedrängnis verwirrten mich; aber deine Satzungen (Vorschriften) waren meine Betrachtung.” (Ps. 118, 143.)

Wer unter der Herrschaft der bösen Traurigkeit steht, wird von zahllosen leeren Schreckbildern und grundlosen Befürchtungen gequält; es peinigt ihn die Angst und Besorgnis, von Gott verlassen, in dessen Ungnade zu sein; es ist ihm, als dürfe er Gott nicht mehr unter die Augen kommen und ihn um Vergebung anflehen; alles scheint sich gegen ihn und sein Heil verschworen zu haben; er kommt sich vor wie Kain, der meinte, alle, die ihn begegneten, würden ihn töten wollen. Gegen ihn, ihn ganz allein, so meint er, sei Gott hartherzig und ewig unerbittlich, alle übrigen Menschen seien glücklich im Vergleich zu ihm. Es kommt dies von einem geheimen Stolze her, der ihm einredet, er musste frömmer und besser sein als andere und an Vollkommenheit alle übertreffen. Kurzum, wenn solche Leute der Sache auf den Grund gehen wollen, so werden sie finden, dass sie nur deshalb aus ihrem Fehler so viel machen, weil sie aus sich selber so viel machen.

Die gute Traurigkeit dagegen denkt so: Ich bin eine elende, verächtliche und niedrige Kreatur; darum wird Gott sein Erbarmen an mir erweisen; denn die Kraft wird in der Schwäche vollendet. Keineswegs aber wundert sie sich über ihre Armseligkeit und Erbärmlichkeit.

Übrigens liegt der tiefste Grund dieses Unterschiedes zwischen der guten und schlimmen Traurigkeit darin, dass erstere den Heiligen Geist zum Urheber hat. Da er unser einziger Tröster ist, so ist von keiner seiner Tätigkeiten die Liebe ausgeschlossen. Mit einem Worte, da es das wahre Gut ist, so zeigt er sich auch als solches in allem seinem Wirken. „Früchte des Geistes sind aber nach dem hl. Paulus Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Langmut.” (Gal. 5, 22.)

Im Gegenteil bringt der böse Geist, der Urheber der schlimmen Traurigkeit – von der natürlichen Missgestimmtheit, derentwegen man eher eines Arztes als eines Theologen bedarf, rede ich hier nicht –, mit sich Trostlosigkeit, Finsternis und Ratlosigkeit; seine Früchte können nur sein: Hass, Niedergeschlagenheit, Unruhe, Ärger, Ingrimm (Zorn) und gänzliche Selbstaufgabe. Die genannten Kennzeichen der bösen Traurigkeit sind genau die nämlichen auch bei der bösen Ängstlichkeit.

Art. V. Heilmittel für die böse Traurigkeit.

1. Geduld. Man nehme die traurigen Tugenden hin mit Geduld als gerechte Strafe für so manche törichte Freude und Ausgelassenheit. Sieht dann der böse Feind, dass wir Gewinn daraus ziehen, so wird er uns nicht mehr so zusetzen. Freilich soll man diese Geduld nicht üben, um von seinem Druck befreit zu werden, sondern vielmehr weil Gott es so will. Beugen nur uns aber unter den Willen Gottes, so werden wir gleichwohl Hilfe dadurch finden.

2. Gegenwehr. Man muss mit aller Entschiedenheit dem Hang zur Traurigkeit widerstehen und die Anwandlungen derselben kräftig zurückweisen. Kommt uns auch alles trübselig vor, was wir in solchen Zeiten tun, so dürfen wir darum doch nicht die Hände in den Schoß legen. Das ist es gerade, was der Feind mit der Traurigkeit beabsichtigt, uns der guten Werke überdrüssig zu machen. Sieht er dann aber, dass er nichts ausrichtet, dass vielmehr unsere Werke nur an innerer Güte gewinnen, indem wir dabei so viele Schwierigkeiten zu überwinden haben, so wird er aufhören, uns fernerhin zu behelligen.

3. Geistliche Gesänge. Nicht übel ist es auch, womöglich sich zu helfen durch Gesang frommer Lieder. Schon oft wurde der Einwirkung des Teufels Schranken gesetzt durch dieses Mittel; man sieht dies an Saul, dessen gewalttätiger Sinn durch den Klang der Psalmen gesänftigt ward.

4. Beschäftigung mit äußerlichen Verrichtungen gleichgültiger Art.

Desgleichen ist es gut, sich äußerlichen Beschäftigungen zu widmen und mit denselben so oft zu wechseln als möglich. Es dient dies dazu, die Aufmerksamkeit von den trübseligen Gedanken abzulenken und die Lebensgeister anzuregen und zu wecken, da ja die Traurigkeit am ehesten in Zeiten seelischer Herabstimmung sich einstellt.

5. Äußere fromme Übungen. Ratsam ist ferner, häufig, wenn auch ohne Geschmack, äußere Akte der Inbrunst zu verrichten, das Kreuz zu umklammern, das Kruzifix ans Herz zu drücken, dessen Hände und Füße zu küssen, die Blicke gen Himmel zu erheben und dabei mit frommem Vertrauen zu seufzen: „Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein.” (Hohel. 1, 16.) „Mein Geliebter ist mir ein Myrrhenbüschlein, das weilet an meinem Busen.” (Hohel. 1, 12.)

    Nach dir schmachten meine Augen, o Gott; sie rufen: Wann wirst du mich trösten? (Ps. 118, 82.) „Wenn Gott für mich ist, wer vermag dann wider mich zu sein?” (Röm. 8, 31.) „Was wird mich trennen von der Liebe meines Gottes?” (Ebd. 8, 35.) und dergleichen.

6. Die Disziplin. Mäßiger Gebrauch der Bußgeißel ist mitunter von guter Wirkung. Die freiwillige äußere Peinigung wird nämlich durch inneren Trost der Seele belohnt, und wenn man dem Leibe äußere Schmerzen verursacht, empfindet man weniger den Andrang der inneren Qualen, die der Psalmist im Auge

hatte, da er sprach: „Ich aber, wenn sie hart mir zusetzten, legte das Haarkleid an.” (Ps. 34, 13.) Die gleiche Erfahrung mag er auch an jener anderen Stelle im Auge haben, wo er sagt: „Deine Rute und dein Stock, sie haben mir Trost gebracht.” (Ps. 22, 5. Vgl. über die Disziplin S. 171.)

7. Gebet. Das Hauptheilmittel ist das Gebet gemäß der Lehre des hl. Jakobus: „Ist jemand traurig unter euch, so bete er.”(Jak. 5, 13.) Ich meine damit nicht, man solle in solchen Zeiten längere Betrachtungen anstellen, sondern man solle wieder und wieder mit seinen Bitten sich an Gott wenden, soll nicht aufhören, seine göttliche Güte zu bestürmen mit Worten voll unbegrenzten Vertrauens. Ganz anders verfährt man in Zeiten Freude, wo Trübsinn uns ferne liegt und unser Herz eher das Bedürfnis haben mag, durch Furcht im Zaume gehalten zu werden; da mag man etwa beten: „Gerechter, erschrecklicher Gott! Zittern muss ich vor deiner allerhöchsten Majestät!” In Zeiten der Traurigkeit dagegen taugen nur ermutigende Worte; da muss man etwa so sprechen: „O Gott der Barmherzigkeit, wie gut und liebreich bist du! Du bist meine Liebe, meine Freude, meine Hoffnung, du der teure Bräutigam meiner Seele.” So muss man fortbeten, ungeachtet der Traurigkeit, der man weder Gehör noch Glauben schenken darf, wenn sie uns solche Worte der Liebe und des Vertrauens verwehren will. Scheinen dieselben auch anfangs ohne Wirkung zu bleiben, so muss man sich dadurch nicht irre machen lassen, sondern getrost den Erfolg abwarten, der unfehlbar nach kurzem Bemühen sich zeigen wird.

8. Die heilige Kommunion. Die Kommunion in dieser Absicht zu empfangen, ist ein überaus zweckdienliches Mittel; denn sie führt ja den Gott alles Trostes in unser Herz ein.

9. Beratung eines weisen Seelenführers. Eins der wirksamsten Heilmittel besteht schließlich darin, dass man mit rückhaltloser Offenheit sein Herz vor einer erfahrenen geistlichen Person ausschüttet und mit demütiger Aufrichtigkeit Rechenschaft ablegt über alle Gefühle, Stimmungen und Anwandlungen, die im Gefolge der Traurigkeit sich eingestellt, sowie über die Anhaltspunkte, welche diese Regungen in uns gefunden haben.

Beachten Sie wohl, die erste Bedingung, welche der böse Feind einer Seele auferlegt, die er verführen und ins Unglück stürzen will, ist Beobachtung des Stillschweigens, gerade so wie es die Empörer bei ihren Verschwörungen und Umsturzplänen machen; vor allem verlangen sie, dass ihre Unternehmungen und Anschläge geheim bleiben. Gott hingegen macht zur ersten Bedingung eine vernünft