Ausgewählte Briefe
des Kirchenlehrers
Franz von Sales.
Deutsch von Dr. D. J. Becker.
Zweite, durchgesehene Auflage.
Mit
Approbation des hochw. Kapitelsvikariats von Freiburg.
Freiburg
im Breisgau. 1898.
Herder'sche Verlagshandlung.
Zweigniederlassungen in Wien, Straßburg, München und St.
Louis, Missouri.
Imprimi
permittitur.
Es ist erlaubt gedruckt zu werden.
In Übereinstimmung mit der katholischen Glaubens- und
Sittenlehre
=
Imprimatur.
Friburgi Brisgoviae die 10. Septembris 1898.
Freiburg im Breisgau am Tag des 10. Sept, 1898.
Fridericus Justus Knecht. Vic. Cap. (= Vicarius Capituli)
Druck von Strecker & Moser in Stuttgart.
Vorwort zur ersten Auflage.
Schriften des hl. Franz von Sales bedürfen keiner
Empfehlung mehr bei dem christlichen Volke, am wenigsten
im gegenwärtigen Augenblicke, nachdem Papst Pius IX.
noch im letzten Jahre seines denkwürdigen Pontifikates
auf Bitten zahlreicher Bischöfe, Gottesgelehrten und
Gläubigen aller Länder am 19. Juli 1877 dem großen
Meister der heiligen Wissenschaft den Ehrentitel eines
„Lehrers der Kirche" zuerkannt und diesen Beschluss
durch Breve vom 16. November vorigen Jahres dem
katholischen Erdkreis bekannt gegeben hat.
Wie
das päpstliche Breve hervorhebt, galt der ehrwürdige
Bischof von Genf schon zu seinen Lebzeiten als eine
Leuchte der Kirche.
Als
er im Jahre 1599 vor seiner Erhebung zum bischöflichen
Amte vor Papst Clemens VIII. erschien, umarmte ihn
dieser, entzückt von der hohen Weisheit seiner Rede, und
entließ ihn mit den Worten der Heiligen Schrift:
„Trinke, mein Sohn, von dem Wasser deiner Zisterne und
aus dem Brunnquell deines Herzens! Die Fülle dieses
Wassers möge sich ergießen in alle Lande, damit die
ganze Welt davon trinken und daran sich erquicken
könne.” Diese Worte haben eine glänzendere Erfüllung
gefunden, als es der Heilige Vater selber ahnen mochte.
Tausenden von Irrgläubigen zeigte Franz von Sales den
Weg zu der verlassenen Mutterkirche, zahllosen Gläubigen
war er ein Wegweiser zum Himmelreiche; Papst Paul V.
bediente sich seines Beirates, als er die schwierige
Streitfrage in Betreff der Gnadenlehre zu entscheiden
hatte. Nicht minder rühmte Alexander VII. in der
Kanonisations-Bulle des Heiligen vom 19. April 1665 die
hohe Weisheit seiner Schriften. Der gelehrte Papst
Benedikt XIV. fand in denselben eine vom Himmel
stammende Wissenschaft, die ihm bei vielen schwierigen
Entscheidungen maßgebend war; und noch auf der letzten
allgemeinen Kirchenversammlung zu Rom wurde Franz von
Sales allerseits als ein gewichtiger Zeuge des
kirchlichen Glaubensbewusstseins anerkannt, und fielen
seine lichtvollen Ausführungen über die Machtfülle des
Oberhauptes der Kirche schwer in die Waagschale der
Entscheidung. es fehlte nur noch, dass der Apostolische
Stuhl unserem Heiligen förmlich den Ehrentitel eines
„Kirchenlehrers” gab und so das allgemeine Urteil der
Kirche feierlich bestätigte, welches einer ihrer
treuesten Sohne, der berühmte Kanzelredner Bourdaloue,
bereits vor zweihundert Jahren in die folgenden
treffenden Worte zusammengefasst hat: „Die Kirchenväter
haben zur Verteidigung unserer Religion, die Theologen
zur Erklärung unserer Mysterien, die Geschichtsschreiber
zur Erhaltung der Überlieferungen der Kirche ihre Werke
geschrieben, alle ausgezeichnet in ihrer Art; aber was
die Bildung der Sitten der Gläubigen, was die Begründung
wahrer Gottseligkeit in den Seelen anlangt, hatte keiner
solche Gabe wie der Bischof von Genf. Seine Lehre ist
nicht eine irdische Speise, sondern ein Himmelsbrot,
welches gleich dem Manna mit der nämlichen Wesenheit
alle zu nähren imstande ist. Ohne die Hochachtung,
welche ich anderen Schriftstellern schulde, zu
verletzen, darf ich behaupten, dass nach den heiligen
Schriften kein Werk die Frömmigkeit in den Herzen der
Gläubigen so sehr gefördert hat als die Schriften des
heiligen Bischofs.”
In
besonders hohem Grade gilt dies von den Briefen des
Heiligen, von denen hier eine Auswahl geboten wird. Ein
ausgezeichneter Geschichtsforscher unseres Jahrhunderts
bezeichnet Briefsammlungen großer Männer mit Recht als
einen wahren Schatz, als eine Quelle der Belehrung und
Erquickung für die Nachwelt, die lebendiger als alles
andere in die Gemeinschaft mit tüchtigen
Persönlichkeiten einführt. Bieten nun schon die Briefe
weltlich hervorragender Männer ein so großes Interesse,
bei welchen nicht selten die hohe Geistesentwicklung
umso schmerzlicher die religiös-sittliche Bildung des
Charakters vermissen lässt, so muss es einen ungleich
höheren Reiz gewähren, durch die vorliegende
Briefsammlung in die geistige Gemeinschaft mit einem
Manne eingeführt zu werden, der mit den trefflichsten
Geistesgaben eine ebenso große Heiligkeit verband, den
die Geschichte der Literatur als einen der Neuschöpfer
der französischen Sprache rühmt, und den die Pariser
Akademie wegen der ungesuchten Anmut seines Stils als
mustergültig pries, während ihn zugleich die an
leuchtenden Vorbildern der Vollkommenheit so überreiche
Geschichte der Kirche unter ihren hervorragendsten und
zugleich liebenswürdigsten Heiligen nennt. Wirklich
dürfte es wohl kaum ein Menschenherz gegeben haben, in
welchem „die Gnade und Menschenfreundlichkeit Gottes,
die in unserem Heilande sichtbarlich aus Erden
erschienen ist”
(Tit. 3,4.), mit
so vollendeter Anmut sich kundgab als in dem Herzen des
hl. Franz. Wie aus dem Munde Jesu scheinen die Worte zu
kommen, die man ihn oft wiederholen hörte:
„Es
hat Gott gefallen, mein Herz so zu bilden; ich will
meinen Nächsten aus ganzer Seele lieben, aus ganzer
Seele. O wann werden wir in Milde, in Liebe gegen den
Nächsten aufgelöst sein? Ich habe mich ihm ganz ergeben
mit allem, was ich habe, mit allen meinen Neigungen, so
dass er sich meiner bedienen kann nach seinem Bedarf.”
(Akten des Kanonisations-Prozesses. Art. 27. Zeugnis der
hl. Franziska v. Chantal) Gerade diese seine hingebende
Nächstenliebe war es, die ihm jenes bewundernswerte
Verständnis des menschlichen Herzens, jenen seinen Takt,
jene fast mütterliche Zartheit in der Behandlung der
Wunden und Schwächen desselben verlieh, welche sich in
allen seinen Briefen ausspricht; sie war es, die den
hochgelehrten, den zu himmlischer Beschauung erhobenen
Kirchenfürsten befähigte, sich jeden Augenblick mit
unermüdlicher Freundlichkeit zu den ärmsten und
schwächsten unter seinen Mitmenschen herabzulassen und
mit ihm die Sprache des Kindes zu reden. „Keiner kannte
wie er die höchste Vollkommenheit,” sagt der große
Bischof Fenelon; „und doch machte er sich klein mit den
Kleinen und verachtete niemals das Geringste. Er wollte,
wie die Kirche am Feste des Heiligen von ihm rühmt,
allen alles sein, nicht um allen zu gefallen, sondern um
alle zu gewinnen, für Christus zu gewinnen und nicht für
sich.” Die Briefe des Heiligen sind ein bleibendes
Zeugnis für die Wahrheit dieser Schilderung; „ . . . sie
enthalten, wie das päpstliche Breve vom 16. November
1877 sich ausdrückt, eine überreiche Saat asketischer
Weisheit. Voll des Heiligen Geistes zeigt hier der
Heilige auch bereits den Weg zu dem Urborn aller Güte
und Milde, zu dem göttlichen Herzen Jesu nämlich, und
streut die ersten Keime zu dessen Verehrung aus, die in
ihrer gegenwärtigen wunderreichen Entfaltung und Blüte
bei der herben Trübsal unserer Zeiten der Kirche zu
großem Troste gereicht.” Ja, diese Briefe atmen ganz den
Geist des gütigen Herzens Jesu, und bei Lesung derselben
fühlt man sich manchmal unwillkürlich gedrungen, mit dem
hl. Vincenz von Paul auszurufen: „O Gott, wie gut musst
du sein, da der Bischof von Genf schon so gut ist!”
Es kann daher nicht wundernehmen, wenn
die Briefe einstimmig dem Meisterwerke des Heiligen, der
„Philothea” an die Seite gesetzt werden. Ja in gewisser
Hinsicht darf man vielleicht ersteren einen Vorrang
einräumen. Dort richtet der Kirchenlehrer sein Wort an
eine fingierte (frei erfundene) Persönlichkeit, die er „Philothea”
nennt, und
seine Weisungen und Ratschläge halten sich demzufolge in
einer gewissen Allgemeinheit; die Briefe dagegen führen
mitten in das frische, vielgestaltige Menschenleben. Da
ist alles bestimmt, klar und konkret; wirkliche,
lebendige, mit den Gefahren und Bedrängnissen des Lebens
ringende Menschenherzen sehen wir hier unter der
Behandlung dieses großen Seelenarztes, und da er in den
Briefen sein Wort an Personen aus den verschiedensten
Ständen und Lebenskreisen richtet, die in den
mannigartigsten Nöten zu seinem unerschöpflich gütigen
Herzen ihre Zuflucht nehmen, so findet darin jeder Rat
und Trost für alle nur denkbaren Lagen des Lebens. So
bilden die Briefe des Heiligen, wie einer der letzten
französischen Herausgeber derselben sich ausdrückt,
einen förmlichen Codex christlicher Moral und hoher
geistlicher Tugend. Mit gutem Grunde hebt daher das
mehrgedachte päpstliche Breve unter den Werken des neuen
Kirchenlehrers zu zwei verschiedenen Malen gerade dessen
Briefe rühmend hervor. Gewiss verdienen dieselben
demnach, auch in unserem Vaterlande mehr bekannt und
verbreitet zu werden, als dies bisher der Fall war.
Gegenwärtiger Bearbeitung diente zur Vorlage der dritte
Band der Gesamtausgabe der Werke des hl. Franz von
Sales, welche im Jahre 1861 zu Lyon und Paris im Verlag
der Gebrüder Perisse erschienen ist
(Einzelne Stücke wurden
auch den „Lettres (Briefen) de St. Francois de Sales a
des personnes vivant dans les monde, chez Jacques
Lecroffe, Paris et Lyon 1866“ entnommen.).
Um
das Ermüdende zu vermeiden, was sonst einer
Briefsammlung leicht anhaftet, habe ich unter Aufgabe
der chronologischen Reihenfolge, die ohnehin nicht
leicht durchzuführen wäre, da in den vorhandenen
Ausgaben viele Briefe ohne Datum sind, den Stoff nach
sachlichen Gesichtspunkten auf neun Bücher verteilt.
Durch diese Gruppierung, sowie durch das am Schlusse
beigefügte Sachregister hoffe ich den reichen Inhalt der
Sammlung erst recht für den Gebrauch erschlossen zu
haben.
Mögen die Briefe des heiligen Lehrers auch dir, mein
lieber Leser, so viel Trost, Freude und Segen bringen,
wie jenen Seelen, die sie zuerst aus seinen Händen
empfingen! Nimm sein Wort auf wie eine Botschaft und
Mahnung aus höherer Welt und befolge es, so wird dir
dieses Büchlein ein Leitstern werden zur seligen
Ewigkeit.
Niederheimbach am Rhein,
den 10. April 1878.
Damian Johann Becker,
Pfarrer.
Vorwort zur zweiten Auflage.
Die
Briefe des hl. Franz von Sales in der Auswahl,
Übersetzung und Einteilung, wie sie von uns geboten
wurden, haben beifällige Beurteilung und günstige
Aufnahme gefunden. Eine neue Auflage ist nötig geworden.
Dem Rate kompetenter Beurteiler folgend, geben wir die
Sammlung ohne wesentliche Änderungen. Nur einige wenige
Stücke, welche ohne erheblichen Fortschritt des
Gedankens bereits vorgetragene Lehren variierten, sind
weggeblieben; desgleichen ist ein Brief
(1. Aufl., IV. Buch, Nr.
11), welcher die
Frage der Gewalt des Papstes über das Zeitliche
behandelt, ausgefallen, weil derselbe, so lehrreich an
sich, doch in den Rahmen einer asketischen Bibliothek
weniger zu passen schien. Der Text ist einer
sorgfältigen Durchsicht unterzogen worden.
Niederheimdach, den 1. August 1898.
Der
Übersetzer.
Inhaltsverzeichnis.
Vorwort
zur ersten Auflage.
Vorwort
zur zweiten Auflage.
Erstes
Buch.
Briefe an
junge Damen.
1. An eine junge Dame
bei deren Eintritt in das Leben der großen Welt
2. An eine Dame, die wegen ihres Dienstes am Hofe einer
Fürstin einen Teil ihrer frommen Übungen unterlassen
musste
3. Worin besteht der Mut des Christen?
4. Ratschläge für eine junge Dame, die in der Welt lebt
5.Gefahr des eitlen, von Schmeicheleien umgebenen
Weltleben
6. Aufforderung an eine junge Dame, die Welt zu
verachten und ihre Lebhaftigkeit zu bekämpfen, die ihr
sonst gefährlich werden könne
7. Mahnung an eine Nichte, ihr Herz nicht allzusehr an
die Liebe zu ihren Eltern hinzugeben
8. Aufmunterung zur Standhaftigkeit in den guten
Vorsätzen
9. Man muss mit Zuversicht auf die Gnade der
Beharrlichkeit hoffen.
Soll man den Versuchungen ausweichen oder sie bekämpfen?
Die besten TrübsaIe sind jene, die uns demütigen.
10. Die Gabe des Gebetes lässt sich nicht
erzwingen,sondern ist ein Geschenk des Himmels.
Man muss sich indes mit Sorgfalt darauf vorbereiten.
Wie sich eine Jungfrau zu verhalten hat, wenn die Eltern
sich ihrem Wunsche, ins Kloster zu gehen, widersetzen
11. Ratschläge für Gebet und Betrachtung. Mahnung zur
Sanftmut im Umgang und zur Unterwerfung unter den Willen
Gottes
12. Der Heilige ermuntert eine seiner Nichten zur
Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes und zu eifrigem
Fortschritt in der heiligen Liebe
13. Mahnung zur Sanftmut
14. Mahnung zur Friedfertigkeit, Eintracht und Sanftmut
15. Man muss nicht unmöglichen Idealen nachjagen,
sondern in Demut eine erreichbare Vollkommenheit
erstreben
16. Wichtigkeit der Zeit in ihrer Beziehung zur
Ewigkeit. Man soll zufrieden sein mit dem Stande, zu
welchem man von Gott berufen ist, und nicht nach einem
höheren und vollkommeneren verlangen
17. Es ist eine Versuchung, Seelenführer in der Ferne zu
suchen, während man solche in der Nähe hat. Man soll
nicht zu viel gute Übungen auf einmal in Angriff nehmen
18. Gegen eine schwärmerische Verehrerin
19. Der Heilige drückt einer jungen Dame sein Bedauern
aus über ihr Erkalten in der Frömmigkeit, empfiehlt ihr
eine zurückgezogene Lebensweise und warnt vor einem
Prozess
20. Der Heilige gibt Fräulein van Traves den Rat, sich
nicht zu verheiraten und ihre häuslichen Leiden mutig zu
ertragen
21. An eine junge Dame, welche sich zu verheiraten
gedachte
22. Ratschläge wegen eines Gelübdes der Keuschheit
23. Welch ein Glück es ist, Gott ganz anzugehören
Zweites
Buch.
Briefe an
verheiratete Frauen.
1. Der Heilige beglückwünscht
eine junge Frau zu ihrer Vermählung und erteilt ihr
Ratschläge in Betreff der Pflichten ihres neuen Standes
2. Aufforderung an eine sehr glücklich vermählte junge
Frau, Recht auf ihr und der Ihrigen ewiges Heil Bedacht
zu nehmen
3. Der Heilige beglückwünscht Frau v. Chaillot zu ihrer
Vermählung und gibt Verhaltungsmaßregeln für ihren neuen
Stand
4.
Verhalten gegen Schwiegereltern
5. Aus
einem Briefe an seine Schwester, Frau v. Cornillon
6.
Überhäufung mit Arbeit gibt Anlass zur Ausübung vieler
Tugenden
7.
Vertrauen auf die göttliche Vorsehung und Fassung in dem
Wirrsal der häuslichen Arbeiten
8. Mittel gegen
die Ungeduld bei häuslichen Unannehmlichkeiten
9. Räumliche Entfernung hindert nicht die Vereinigung
der Kinder Gottes. Wie man sich in Gesellschaften zu
verhalten hat, wo von anderen Übles geredet wird.
Empfehlung der Sanftmut
10.
Man muss sich hüten vor Verzagtheit, Ängstlichkeit und
unnützen Wünschen
11. Geduld mit den eigenen Unvollkommenheiten. Wie man
den Kommuniontag zubringen soll. Verhalten den
Verleumdungen gegenüber
12. Der
Heilige mahnt eine Dame, ihr Herz von der Eitelkeit der
Welt loszureißen
13. Der Wille Gottes verleiht selbst den geringfügigsten
Handlungen einen hohen Wert. Es gilt, das ganz zu sein,
was wir nach unserem Berufe sein sollen
14. Man muss die Vollkommenheit seines Standes zu
gewinnen trachten. Ratschläge für die Beichte und
Kommunion
15. Wahl der
Beichtväter. Im Ehestand bedarf das Weib einer sehr
gediegenen Tugend. Worin eine Witwe ihr Glück suchen
soll
16. Die Philothea gerade für Verheiratete geschrieben.
Wie es eine Hausfrau mit ihren Andachtsübungen zu halten
hat
17. Glückwunsch zur Beendigung eines Prozesses.
Ratschläge für eine Anfängerin im geistlichen Leben
18. Der Heilige empfiehlt einer Dame fromme Übungen, wie
sie sich für ihren Stand eignen
19.
Tagesordnung für eine mit Arbeit überhäufte Dame
20. Lebensregeln für eine Nichte des Heiligen
21. An
die Frau Präsidentin Brulard, die sich unter die Leitung
des Heiligen begeben hatte, während er im Jahre 1604 zu
Dijon die Fastenpredigten hielt
22. Mittel, die christliche Vollkommenheit im Ehestande
zu erreichen
23. Weitere
Verhaltungsregeln
24.
Über Almosengeben und Jahresbeichte
25. Trost für
Kinderlose
26. Der Heilige drückt einer Dame seine Freude aus über
ihr Streben nach Vollkommenheit und erteilt ihr
Ratschläge für die Zeit der Schwangerschaft
27. Eine Mutter soll die Beschwerden der Schwangerschaft
in Geduld tragen und sich nicht wundern, wenn ihr
Aufschwung im Gebete erschwert ist
28. Der
Heilige gebietet einer Dame, in ihren Umständen das
Fasten zu unterlassen
29. Man muss in allen Verhältnissen aus den sich
darbietenden Veranlassungen zur Abtötung Nutzen ziehen
und die Übungen der Frömmigkeit den Umständen anzupassen
suchen
30. Wie es unter solchen Umständen mit der Betrachtung
zu halten ist
31. Gebet für
gesegnete Frauen
32. Warnung vor übertriebener Liebe zu den Kindern
33. Der Heilige erteilt einer Mutter Rat in Bezug auf
die Heirat ihrer Tochter und beglückwünscht sie wegen
der Tugenden ihres Mannes. Für Frauen ist es nicht
passend, nach fernen Orten zu wallfahren
34. Wie eine
christliche Mutter für die Erziehung ihrer Kinder sowie
für das Seelenheil der eigenen Eltern zu sorgen hat
35.
Die Wünsche für die Vervollkommnung unserer Angehörigen
müssen dem Willen Gottes sich unterordnen
Drittes
Buch.
Briefe an
Witwen.
1. Der
Heilige tröstet eine Dame wegen des Todes ihres Gatten und
empfiehlt ihr die Sorge für die Erziehung ihrer Kinder
2.
Pflichten einer Witwe in Bezug auf ihr Seelenheil
3.
Verhalten einer christlichen Witwe gegen Gott, gegen ihre
Familie und in ihrem Hauswesen. --- Wahre
Freiheit des Geistes
4. Mit
einem Bilde, auf welchem das Kind Jesus mit der
seligsten Jungfrau und der hl. Anna dargestellt war
5. Die
Demut ist die eigentliche Standestugend der Witwe;
worin sie
besteht und wie sie sich äußern muss. Es ist
sehr heilsam, das Leben und den Tod des Herrn zu
betrachten
6.
Pflichten einer Witwe gegen ihre Eltern und ihre Kinder
7. Welche
Unterstützung Kinder, die selbst Familie haben, ihren
Eltern schuldig sind .
Viertes
Buch.
Briefe an
Freunde weltlichen und geistlichen Standes.
1. An
einen Herrn, der an den Hof gehen wollte
2. Der
Heilige drückt einem Herrn seine Freude darüber
aus, dass
derselbe auch am Hofe in der Frömmigkeit beharrt
3. Wie man
seine Seele gegen die ansteckende Hoflust schützen soll
4. Wie man
in hoher, gebietender Stellung die
christliche Vollkommenheit üben soll
5. Wie
viel vornehme Leute durch ihr gutes Beispiel wirken
können
6. Mutiges
Festhalten an den Grundsätzen wahrer Frömmigkeit unter
den Gefahren
einer hohen Stellung nötigt selbst den Weltkindern
Bewunderung ab
7. Welche
Rücksichten man zu beobachten hat, um bei
Jagdvergnügungen Gott nicht zu beleidigen
8. Das
Duell und der verkehrte Ehrbegriff der Weltkinder
9. Brief
an eine Dame, deren Gatte ein Duell beabsichtigt hatte
10.
Außerhalb der Kirche ist das richtige Verständnis der
Heiligen Schrift nicht zu finden
11.
Ermunterung an einen Seelsorger, an der ihm
zugewiesenen Stelle mit treuem Eifer auszuharren
12. Eifer
und Wachsamkeit eines wahren Hirten der Kirche.
Christliches Opferleben
13. Vorzug
der christlichen Freundschaft vor derjenigen der
Weltkinder
14.
Beständigkeit der christlichen Freundschaft
Fünftes
Buch.
Briefe
über den Klosterberuf und das Ordensleben.
1. An
einen EdeImann, der beabsichtigte, sich von der Welt
zurückzuziehen
2. Über
den Beruf zum Ordensstande
3. Das
Kloster ein Krankenhaus für die Seelen
4. Fühlt
man Beruf zum
Ordensstande, so soll
man die von Gott gesetzten SeeIenführer zu Rate ziehen. Bleibt die
Einladung Gottes vernehmbar trotz aller äußeren
Widersprüche, so ist das
ein Zeichen des Berufes
5. Kloster
und Welt
6.
Ratschläge in Betreff der Berufswahl
7. Der
Heilige beglückwünscht Fräulein v. Frouville zu ihrer
Treue gegen die Gnade
8. An
Herrn v. Frouville, nachdem derselbe seiner Tochter, an
welche die beiden vorhergehenden Briefe gerichtet sind,
erlaubt hatte, in das Kloster zu gehen
9. Der
Heilige fordert eine junge Dame auf, der Eingebung
Gottes, sich ihm
zu weihen, Folge zu leisten
10. Der
Heilige ermahnt eine junge Dame, trotz aller
Schwierigkeiten mit Ruhe des Augenblicks zu harren, wo
es ihr verstattet sein werde, ihrem
Berufe zum Kloster zu folgen
11. An
eine junge Dame, deren Wunsch, sich dem
Ordensstande zu widmen, auf Hindernisse stieß
12. An
eine junge Dame, welche die Absicht, sich zu vermählen,
aufgegeben
hatte, um ins Kloster zu gehen
13. An
eine junge Dame, welche im Begriffe stand, ins Kloster
zu gehen
14. An ein
junges
Mädchen, welches eben in den Orden der Heimsuchung eingetreten
war
15.
Körperliche Abtötung oder Gehorsam?
16. Winke
des Heiligen für die Vorsteherinnen seiner
Genossenschaft
Sechstes
Buch.
Rat und
Trost bei äußeren und inneren Leiden.
1. Die
Widerwärtigkeiten dürfen keinen Unmut in uns erregen
2. Man
soll aus der Not eine Tugend machen
3. In
allen Stürmen des Lebens muss man der Vorsehung
vertrauen
4. Der
brennende Dornbusch
5. Leiden
sind der Anteil der Kinder Gottes hienieden
6. In der
Trübsal kann man Gott am besten Treue beweisen
7. Je mehr
wir aufwärts streben nach dem Berge der himmlischen
Verklärung, desto mehr wird unser Herz dem Drucke der
irdischen Plage entrückt
8. Starke
Tugenden wachsen nur unter dem Kreuze
9. Wenn
wir mit Christus leiden, werden wir auch mit ihm
verherrlicht werden
10. Man
soll sein Kreuz stets betrachten im Lichte des Kreuzes
Christi
11. Die
Betrachtung des Leidens Christi ist der beste Trost in
der Trübsal
12.
Grundsätze, um trotz
aller Widerwärtigkeiten auf dem Wege der Gottseligkeit
zu beharren
13. Nach
so kurzer Wanderung auf dem Kreuzwege dürfen wir nicht
schon Ruhe verlangen. Verhalten bei innerer
Verlassenheit
14. Je
größer das Kreuz, desto höher das Verdienst
15. Bei
dem Herrn sein in Trübsal ist besser als ferne von ihm
in Freude
16. Gott
zeigt sich uns mehr in der Trübsal als im Glück
17. Es ist
heilbringend und tröstlich, am Kreuze zu sterben
18. Das
Myrrhenopfer
19. „Weib,
warum weinest du?”
20.
Geistige Kälte darf uns nicht stutzig machen. Was heißt,
eine Magd des Herrn sein?
21. Leben
nach dem Geiste und Leben nach dem Fleische
22. Der
Kampf zwischen dem alten und neuen Menschen
23. Die
Eigenliebe stirbt nie, solange wir leben
24.
Eigenliebe und Stolz die Quellen aller Unruhe
25.
Mittel, um mitten in den Widerwärtigkeiten einen
ungetrübten Frieden des Herzens zu bewahren
26. Wir
sollen jeden Tag neu anfangen
27. Ohne
fühlbaren Glauben, Hoffnung und Liebe
28. Die
Versuchungen dürfen uns nicht schrecken
29. Man
muss die Versuchungen verachten
30. Ohne
Kampf kein Sieg
31.
Versuchungen gegen den Glauben soll man möglichst wenig
Beachtung schenken.
32. Wie
man die Versuchungen gegen den Glauben bekämpfen soll
33. Wie
man sich bei Versuchungen gegen die Reinigkeit zu
verhalten hat
34. Bei
allem guten Willen sind Unvollkommenheiten unvermeidlich
35. Die
Anfälle der Leidenschaften werden nie aufhören, da die
Eigenliebe nicht stirbt, solange wir leben
36. Gott
hat seine liebevollen Absichten dabei, wenn er
uns nicht mit einemmal von allen UnvoIlkommenheiten
befreit
37. Gott
schaut mit Liebe auf uns herab trotz unserer Sünden,
wenn wir
nur guten Willen haben
38. „Ach,
ich bin ganz zerrissen”
39. Bei
eintretenden Rückfällen darf man nicht mutlos werden
40. Wie
man nach einem Fehltritt sein Herz wieder zurechtbringen
soll
41. Es ist
nicht schlimm, wenn uns
bei der Beichte nicht alle kleinen Fehltritte einfallen
42.
Glückwunsch zur Genesung des Vaters. Gegen alle
Befürchtungen vor der Zukunft finden wir Schutz in den
Armen der göttlichen Vorsehung
43. Über
Traurigkeit und innere Unruhe
Siebentes
Buch.
Trostbriefe beim Tode teurer Angehöriger.
1. Auf
nichts und niemand in dieser vergänglichen Welt sollen
wir bauen; unsere
Hoffnung ist die heilige Ewigkeit
2.
Vorbereitung einer Mutter auf den Verlust eines in
Todesgefahr schwebenden Kindes
3. Trost
beim Verluste eines Kindes
4. An eine
Dame, deren Kind in zartem Alter gestorben war
5. Trost
beim Tode eines Kindes
6. Trost
beim Tode eines einzigen Sohnes. Hinweis
auf Maria am Fuße des Kreuzes
7. Trost
bei dem Tode eines Sohnes, der im
Dienste des Königs in Indien gestorben war
8. Beim
Tode eine Sohnes
9. Beim
Tode eine Vaters
10. An die
Äbtissin Angelika Arnauld zu Port Royal beim Tode ihres
Vaters
11. An
eine Cousine beim Tode ihres Vaters
12. An
eine Verwandte beim Hinscheiden ihres Vaters
13.
Benachrichtigung einer Cousine von dem Tode ihres
Gemahls
14. An
eine Tante beim Tode ihres Gatten
15. An
eine Dame beim Tode ihrer Schwester
16. An
eine Dame, deren Schwester eines plötzlichen Todes
gestorben war
17.
Rührende Ergebung des Heiligen bei dem Tode seiner
jugendlichen Schwester Johanna, die in den Armen der
Frau v. Chantal gestorben war
18.
Mitteilung des Heiligen über den Tod seiner Mutter, der
Gräfin v. Sales.
Achtes
Buch.
Trostbriefe an Kranke.
1. Der hl.
Franz von Sales als besonderer Freund der Kranken
2.
Krankheiten sollen sowohl von den Leidenden selbst
als von
deren Angehörigen zum Heil der Seele benutzt werden
3.
Krankheiten Angehöriger geben uns Anlass zur
Verdemütigung und Geduld
4. Bei
Krankheiten im Hause gilt es Liebe und Geduld zu üben
5.
Mahnung, die Krankheit zum Heil der Seele benutzen
6.
Gehorsam gegen den Arzt
7. Auch
demütigenden Kuren soll der Kranke sich mit Ergebung
unterwerfen
8.
Krankheiten können wie den Leib so die Seele reinigen
9.
Tröstlicher Hinweis auf den armen Hiob und den Heiland
am Kreuze
10. Bei
Kopfschmerzen gedenke man der Dornenkrönung des Erlösers
11.
Verhalten bei großen Leiden
12.
Schweigend leiden
13. Leiden
sind der sicherste, königliche Weg zum Himmel
14. Welche
Gebetsart für Kranke geeignet ist. Trost bei
schmerzlichen Operationen
15.
Unheilbare Übel soll man als bleibende Buße tragen
16. Leiden
sind Bausteine zu dem Tempel unserer ewigen Glorie.
Man soll
die Krankheit zu einem Gebete machen
17. Wie
Kranke es mit dem Gebete halten sollen
18.
Bejahrte Leute sollen das Kreuz ihrer Gebrechlichkeit
lieben, ihre Wünsche auf den Himmel richten und sich der
Sanftmut gegen ihre Umgebung befleißigen
19. Über
denselben Gegenstand
20. Über
den gleichen Gegenstand
21. Trost
für Genesende
22.
Vorbereitung auf den Tod
23.
Trostgedanken bei übermäßiger Furcht vor Tod und Gericht
24. Mittel
gegen übermäßige Todesfurcht
25.
Gedanken des hl. Franz v. Sales beim Herannahen des
Todes
Neuntes
Buch.
Festbriefe.
Zum
Weihnachtsfeste
Neujahr
Fest der
Erscheinung des Herrn
Mariä
Lichtmess
Fastenzeit
Ostern
Christi
Himmelfahrt
Pfingsten
Fest der
hochheiligen Dreifaltigkeit
Frohnleichnamsfest
Fest des
hl. Johannes des Täufers
Fest der
hl. Apostel Petrus und Paulus
Mariä
Heimsuchung
Mariä
Himmelfahrt
Mariä
Geburt
Allerheiligen und Allerseelen
Kirchweihfest
Register
Ausgewählte Briefe
des
Kirchenlehrers
Franz von Sales.
Erstes
Buch.
Briefe an
junge Damen.
1. An eine junge Dame bei deren Eintritt in das Leben
der großen Welt.
Meine liebe Tochter! Sie müssen fortan oftmals in den
Kreisen der Kinder dieser Welt verkehren, die nach ihrer
Gewohnheit sich über alles aufhalten werden, was in
Ihrem Verhalten ihren erbärmlichen Grundsätzen
zuwiderzulaufen scheint. Lassen Sie sich darüber in
keinen Streit mit ihnen ein und zeigen Sie keinerlei
Traurigkeit wegen dieser Angriffe; lachen Sie vielmehr
herzlich über ihr Gelächter, verachten Sie ihre
Verachtung, scherzen Sie über ihre Vorstellungen, treten
Sie mit leichtem Spott ihrem Gespötte entgegen; und ohne
auf dies alles zu achten, eilen Sie stets frohgemutet
zum Dienst Gottes und empfehlen zur Zeit des Gebetes
diese armen Geister der göttlichen Barmherzigkeit. Zu
bemitleiden sind sie doch wohl, da sie keine anständige
Unterhaltung kennen, als zu lachen und zu foppen über
Dinge, die doch aller Hochachtung und Ehrfurcht wert
sind.
Wie ich sehe, sind Sie bis zum Überfluss von den
Bequemlichkeiten des Lebens umgeben: hüten Sie sich,
dass Sie Ihr Herz nicht daran hängen.
Das unsägliche Unglück Salomons, des Weisesten der
Sterblichen, fing damit an, dass er Vergnügen fand an
dem großartigen Hofleben, dem Prunke und Pompe, wie
solcher doch seinem Range entsprach. Bedenken wir, dass
alles, was wir besitzen, uns in Wirklichkeit nicht den
mindesten Vorzug vor den übrigen Menschen verschafft;
dass vielmehr alles dieses nichts ist vor Gott und den
Engeln.
Gedenken Sie daran, meine geliebte Tochter, gerade da
dem Willen Gottes gemäß zu handeln, wo es Ihnen am
schwersten fällt. Es will nicht viel heißen,
gottgefällig zu handeln in Stücken, die uns selbst
gefallen; die kindliche Treue verlangt, dass wir ihm
auch da gefallen wollen, wo es uns missfällt, indem wir
stets im Auge behalten, was der große, vielgeliebte Sohn
von sich selbst sagte: „Ich bin nicht gekommen, um
meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der
mich gesandt hat.”(Joh. 6, 38) Auch Sie sind ja
Christin, nicht um Ihren Willen zu vollbringen, sondern
um den Willen dessen zu erfüllen, der Sie angenommen hat
als seine Tochter und Erbin für die Ewigkeit.
Sie gehen nun fort; auch ich gehe, ohne Hoffnung, Sie in
dieser Welt wieder zu sehen. Lassen Sie uns recht zu
Gott flehen, dass er uns die Gnade schenke, auf dieser
Pilgerfahrt also nach seinem Wohlgefallen zu leben, dass
wir, im himmlischen Vaterlande angelangt, uns freuen
dürfen, hienieden einander gekannt und von den
Geheimnissen der Ewigkeit unterhalten zu haben.
Ja, darum allein soll es uns freuen, in diesem Leben
einander nahe gestanden zu haben, weil es zur Ehre der
göttlichen Majestät und zu unserem Heile gereichte.
Bewahren Sie sich die heilige Fröhlichkeit des Herzens,
welche eine Kräftigung für den Geist und eine Erbauung
für den Nächsten ist. So ziehen Sie denn hin im Frieden,
meine geliebte Tochter, und Gott sei allezeit Ihr
Beschützer; immer halte er Sie an seiner Hand und
geleite Sie auf dem Wege seines heiligen Willens! Also
geschehe es, meine geliebte Tochter; ich verspreche
Ihnen, dass ich täglich für Ihre Seele, der die meinige
in unwandelbarer Liebe zugetan bleibt, diese heiligen
Wünsche erneuern werde. Gott sei allezeit Preis, Lob und
Dank! Amen.
2. An eine Dame, die wegen ihres Dienstes am Hofe einer
Fürstin einen Teil ihrer frommen Übungen unterlassen
musste.
Annecy, 27. Sept. 1607.
Es bedarf keinerlei Entschuldigungen oder
Förmlichkeiten, wenn Sie mir schreiben; denn Ihre Briefe
freuen mich sehr im Herrn, um dessentwillen ich Ihnen
aufrichtig gewogen bin.
Ich sehe, es fällt Ihnen umso schwerer, sich in das
Hofleben zu finden, da Sie sich aller der bequemen
Gelegenheiten zum Dienste Gottes beraubt sehen, die
Ihnen früher durch die Nähe des Jesuiten-Kollegiums
geboten waren. Es kann das nicht wundernehmen; Sie
dürfen inzwischen den Mut nicht verlieren. Denn steht
Ihnen auch nicht mehr so viel äußere Hilfe zu Gebote, so
wird doch der Heilige Geist, wenn Sie den Wunsch und das
Verlangen, Gott ganz anzugehören, in Ihrer Seele recht
fest und lebendig halten, Sie durch seinen geheimen
Beistand trösten und so alles, was Sie an frommen
Übungen unterlassen, ersetzen, da Sie es ja nur
unterlassen um seiner Ehre und seines Ruhmes willen.
Ich denke, die Kommunion wird Ihnen in der bisherigen
Weise gestattet sein; ich sehe wenigstens nicht ein, wie
man Ihnen das weigern konnte. Sie werden täglich eine
halbe Stunde für Ihre Betrachtung erübrigen können,
abgesehen von dem Gebete, welches Sie mit der Fürstin
dienstlich zu verrichten haben. Damit können Sie sich
billig zufrieden geben und den Ausfall der sonstigen
Übungen durch häufige und glühende Stoßgebete oder
Erhebungen des Herzens zu Gott ersetzen; und ebenso für
die Predigt sich entschädigen durch andächtiges und
aufmerksames Lesen guter Bücher.
Im übrigen wird Ihnen Ihre untergeordnete Stellung und
das Zusammenleben mit anderen tausendfache Gelegenheit
zu großer Abtötung und Verleugnung des Eigenwillens
geben; und das ist ein nicht geringes Mittel zur
Vervollkommnung, wenn Sie mit demütigem und sanftmütigem
Herzen davon Gebrauch machen. Die beiden Tugenden der
Demut und Sanftmut müssen Ihnen besonders lieb und wert
sein, da unser Heiland uns dieselben so nachdrücklich
empfohlen hat; als dritte Tugend empfehle ich Ihnen eine
große Reinheit des Herzens und als vierte eine große
Aufrichtigkeit im Reden, namentlich bei der Beichte.
Keine Gesellschaft, keine Dienstpflicht
kann Sie abhalten, oftmals mit dem Herrn, mit seinen
Engeln und Heiligen zu reden, oder die Straßen des
himmlischen Jerusalems zu durchwandern, oder den Worten
zu
lauschen, die
Jesus Christus und Ihr Schutzengel innerlich zu Ihrem
Herzen reden, oder Sie hindern, täglich im Geiste zu
kommunizieren. Tun Sie das alles mit Fröhlichkeit des
Herzens, und ich meinesteils will, um dem Vertrauen,
welches Sie in mich setzen, zu entsprechen, die
göttliche Majestät bitten, sie möge Ihr Herz erfüllen
mit den Gnadengaben ihres Heiligen Geistes und es mehr
und mehr sich ausschließlich zu eigen machen.
Ihr u. s. w.
3. Worin
besteht der Mut des Christen?
An eine junge
Dame.
Januar 1606.
Für eine so gute
Tochter, wie Sie sind, deren Herz, wie ich weiß,
unerschütterlich in seiner Freundschaft für mich
beharrt, nehme ich mir gerne die Zeit, zu antworten,
obwohl ich über die Maßen in Anspruch genommen bin von
all den Arbeiten, wie solche das Jubiläum seither für
mich mit sich brachte. Wahrlich, meine sehr geliebte
Tochter, die Entschlüsse, welche Sie mir mitteilen, sind
von der Art, dass ich sie nicht besser wünschen könnte.
Handeln Sie nur auch recht danach! Lassen Sie ja nicht
ab von der heiligen Demut und von der Liebe zur
Selbstverachtung. Sie wissen, dass ein Herz, welches
Gott lieben will, nur der Gottesliebe gehören darf. Wenn
aber dieser selbe Gott demselben eine andere Liebe geben
will, so ist's gut; will er es nicht, auch gut. Aber ich
denke wohl, unser gutes Kind wird seinem Herzen keinen
Zwang antun; ich würde dies bedauern wegen meiner Liebe
zu demselben; es wäre nicht wohlgetan.
Ach, meine teure
Tochter! Welche verkehrte Ausdrucksweise, Stolz und
Eitelkeit Mut zu nennen! Der Christ nennt es
Niedertracht und Feigheit, wie er umgekehrt die Geduld,
die Sanftmut, Bescheidenheit, Demut, die ergebungsvolle
und freudige Hinnahme der Hintansetzung und Verachtung
als wahren Mut bezeichnet. Von dieser Art war ja auch
der Heldenmut unseres Heerführers, seiner Mutter, seiner
Apostel und der tapfersten Streiter jener himmlischen
Heerschar, die auch mit diesem Mute Tyrannen überwunden,
Könige bezwungen und die ganze Welt für den Gehorsam
gegen den Gekreuzigten gewonnen haben. Halten Sie, meine
teure Tochter, allen diesen guten Mädchen gegenüber das
gleiche Benehmen ein, grüßen Sie dieselben und seien
aufmerksam gegen sie; gehen Sie ihnen nicht aus dem
Wege, suchen aber auch nicht gerade ihren Umgang, als
nur insoweit dieser Ihnen selbst erwünscht ist. Sprechen
Sie von all diesen Verhältnissen nur in liebreichster
Weise. Suchen Sie jene Seele, welche Sie besuchen
müssen, zu irgend einem hervorragenden Entschluss zu
bestimmen. Mit Absicht sagte ich „hervorragend”; denn
alle diese schwächlichen Entschlüsse, nichts Böses zu
tun, genügen nicht. Man muss auch so viel Gutes zu tun
trachten, als man vermag, und nicht allein das
eigentlich Böse meiden, sondern auch alles, was nicht
von und für Gott ist.
So Gott will,
werden wir uns vor Ostern sehen. Leben Sie ganz für den,
der für uns gestorben ist, und seien mit ihm ans Kreuz
geheftet.
In Ewigkeit sei
er gepriesen von Ihnen und mir, der ich für immer
verbleibe
Ihr u. s.w.
4. Ratschläge für eine junge Dame, die in der Welt lebt.
Dezember 1614.
Auf Ihr Schreiben, meine teure Tochter, antworte ich
folgendes:
1. Sagen Sie der lieben Marie, die mich so sehr
liebt, und die ich noch mehr liebe, sie solle ohne Scheu
von Gott reden überall, wo sie glaubt, dass es nützlich
sein könne, ohne sich etwas daraus zu machen, was die
Zuhörer von ihr denken oder sagen. Mit einem Worte, man
darf, wie ich ihr bereits gesagt habe, weder etwas sagen
oder tun, um deshalb gelobt zu werden, noch auch etwas
zu sagen oder zu tun unterlassen aus Besorgnis, deshalb
gelobt zu werden. Das ist noch keine Heuchelei, wenn
jemand nicht so gut handelt, als er spricht. Mein Gott,
was sollte sonst aus uns werden? Ich müsste dann den
Mund halten aus Furcht, in Heuchelei zu fallen. Spräche
ich nämlich von der Vollkommenheit, so würde daraus
folgen, dass ich mich auch für vollkommen hielte. Nein,
wahrlich, meine teure Tochter, wenn ich auch von der
Vollkommenheit rede, so halte ich mich darum noch nicht
für vollkommen, ebensowenig wie ich mich für einen
Italiener halte, wenn ich italienisch spreche. Ich
glaube nur die Sprache der Vollkommenheit zu haben, die
ich durch den Umgang mit solchen erlernt habe, welche
dieselbe redeten.
2. Sagen Sie ihr, sie möge nur in Gottes Namen
ihr Haar pudern, da es ja nicht in schlechter Absicht
geschieht; die Gedanken, die sie sich deswegen macht,
sind nicht der Beachtung wert; man darf seinen Geist
nicht in dergleichen Spinngeweben sich verfangen lassen.
Der Geist dieses Mädchens ist noch viel kraushaariger
als ihr Kopf, darum verwickelt sie sich so leicht. Man
muss nicht so engherzig sein, noch auch mit Fragen sich
befassen, aus welche unser Herr gar kein Gewicht legt.
Sagen Sie ihr, sie möge nur in gutem Glauben
voranschreiten an der Hand der schönen Einfalt und
Demut, und sich hüten vor allen Irrgängen der
Spitzfindigkeit im Reden und Denken. Sie mag nur dreist
ihren Kopf pudern; pudern ja doch auch die niedlichen
Fasanen ihr Gefieder, damit das Ungeziefer sich nicht
bei ihnen einnistet.
3. Sie soll keine Predigt und kein gutes Werk
versäumen aus dem Grunde, weil sie andere nicht gerne
zur Eile antreibt; tut sie letzteres, so geschehe es mit
aller Sanftmut und Ruhe. Ist sie bei der Tafel und kommt
das heiligste Sakrament vorüber, so mag sie es im Geiste
begleiten, wenn noch andere Leute bei ihr zu Tische
sind; ist niemand da, so mag sie es begleiten, wenn sie
ohne Hast es noch erreichen kann; alsdann soll sie ruhig
wieder zu ihrem Mahle zurückkehren. Unser Herr wollte
nicht einmal, dass Martha ihn mit Hast bediente.
4. Ich habe bereits gesagt, dass sie in Fällen,
wo es notwendig ist, mit Kraft und Entschiedenheit
auftreten könne, um die bewusste Person in Schranken zu
halten; dass aber die Kraft umso kräftiger sein werde,
wenn sie mit Ruhe gepaart ist und nicht Leidenschaft,
sondern die Vernunft aus ihr redet.
5. Die Gesellschaft der Zwölf kann nicht schlimm
sein, da die Übungen, die sie vornimmt, gut sind.
Indessen muss die gute Maria, die sonst von keinem
„Vielleicht”
etwas wissen will, sich sagen lassen, dass vielleicht
doch jene Gesellschaft keine wahre Genossenschaft ist;
denn da sie weder das Zeugnis irgend eines Prälaten noch
sonst einer glaubwürdigen Person ausweisen kann, so
haben wir keine Garantie dafür, dass sie rechtmäßig
konstituiert ist; das Statut (festgesetzte Regel)
sagt es zwar, führt aber weder den Auctor (Gewährsmann,
Urheber) noch Zeugen als Bürgschaft an. Was indessen
nichts schaden, wohl aber nützen kann, ist auf alle
Fälle als gut anzuerkennen.
6. Ob sie bei der Betrachtung Punkt für Punkt
vorgeht, wie wir angeraten, oder nach ihrer gewohnten
Weise verfährt, verschlägt wenig. Inzwischen erinnern
wir uns wohl, dass wir ihr angeraten haben, sie möge
vorher die Betrachtungspunkte auswählen und versuchen,
beim Beginn des Gebetes sich in dieselben zu versenken.
Gelingt ihr dieses, so ist das ein Zeichen, dass Gott,
wenigstens für jetzt, diese Methode von ihr befolgt
haben will. Fühlt sie sich jedoch nachgehends von der
gewohnten Gegenwart des Herrn angemutet, so mag sie sich
derselben überlassen, auch der Ansprache lauschen, gegen
welche ich, so wie ich sie in Ihrem Briefe dargestellt
finde, nichts einzuwenden habe. Dabei muss sie jedoch
auch zuweilen selber zu jenem erhabenen Wesen, das uns
alles ist, reden, da es dessen Wille ist, dass unser
Nichts auch etwas tue.
Da Sie übrigens meine
Bücher lesen, so habe ich weiter nichts hinzuzufügen,
als dass Sie einfach, rückhaltlos, ohne Ziererei
und mit Kindeseinfalt
sich in die Arme des himmlischen Vaters werfen und
von seiner Hand sich
führen lassen. – Es freut mich, dass meine Schriften
Ihrem Geiste zusagen, der kühn genug war, zu glauben,
dass er sich selbst genug sei. Freilich sind dies auch
die Bücher Ihres Vaters und kommen aus meinem Herzen,
dessen teure Tochter Sie sind nach dem Wohlgefallen
Gottes, dem Preis und Ehre sei in Ewigkeit.
5. Gefahr des eitlen, von Schmeicheleien umgebenen
WeltIeben.
An ein Bäschen (Base
= Cousine).
Meine teure, wahrhaft geliebte Tochter! Diese arme
Seele! Es wäre wirklich ein zu großes Wagnis, sie länger
zu lassen, wo sie ist. Denn das weltliche Leben, welches
dort an der Tagesordnung ist, ist dermaßen gefährlich,
dass es ein Wunder wäre, wenn die Seele aus diesem
Kampfe ohne Schädigung hervorginge. Ach, meine arme
Tochter, Sie haben recht, darüber zu staunen, dass ein
Geschöpf den Willen hat, Gott zu beleidigen, da dies
über alles Erstaunen hinausgeht; und doch kommt solches,
wie man leider alle Tage sehen kann, häufig genug vor.
Erbärmliche Schmeichler reden diesen armen, müßigen
Geschöpfen so lange von ihrer Schönheit und Anmut vor,
bis sie es glauben. Das ist dann ihr Verderben. Ihr
Äußeres kümmert sie dann so sehr, dass sie die Sorge für
das Innere aufgeben. Lassen Sie uns daher, meine
Tochter, in der Sache tun, was wir können, und dabei im
Frieden bleiben.
6. Aufforderung an eine junge Dame, die Welt zu
verachten und ihre Lebhaftigkeit zu bekämpfen, die
ihr sonst gefährlich werden könne.
Ich beantworte Ihr letztes Schreiben, meine gute
Tochter! Die Liebesergüsse beim Gebete sind gut, wenn
sie gute Wirkungen bei Ihnen zurücklassen, wenn
dieselben Sie nicht zu sich selbst, sondern zu Gott und
seinem heiligen Willen hinführen. Mit einem Wort: alle
inneren und äußeren Regungen sind allezeit gut, wenn Sie
dadurch in Ihrer Treue gegen den Willen Gottes gefestigt
werden. Lieben Sie also recht die himmlischen Begierden
und begehren Sie ebensowohl die himmlische Liebe. Ja mit
liebender Sehnsucht und mit sehnsüchtiger Liebe muss
unsere Seele sich dem zuwenden, was nie genug ersehnt
und geliebt werden kann.
Möge Gott uns die Gnade geben, meine Tochter, recht
vollständig die Welt zu verachten, welche so ungerecht
gegen uns ist und uns kreuzigt, wenn wir sie kreuzigen.
In der Einbildung ist es ziemlich leicht, den
Eitelkeiten und Bequemlichkeiten der Welt zu entsagen;
in Wirklichkeit ist dies weit schwieriger. Sie haben nun
reichlich Gelegenheit, diese Tugend bis zum Äußersten zu
üben, indem diese Beraubung noch dazu mit Schmach
verbunden ist und Ihnen widerfährt ohne Ihr Zutun und
doch mit Ihrem Willen, oder vielmehr richtiger gesagt in
Gott, mit Gott und für Gott.
Ich bin nicht zufrieden damit, was ich Ihnen kürzlich
auf Ihren ersten Brief bemerkte über diese weltförmige
Schlagfertigkeit im Reden und diese Lebhaftigkeit des
Geistes, von welcher Sie so leicht sich hinreißen
lassen.
Machen Sie sich es ein für allemal zum Grundsatze, sich
in dieser
Hinsicht abzutöten; machen Sie oft das Kreuz über ihren
Mund, damit er sich nur auftue nach Gottes Willen.
Wirklich, in der Geistreichigkeit liegt häufig eine
Gefahr zur Eitelkeit; und man trägt öfter im Geiste die
Nase hoch, als in Wirklichkeit; man kann ebenso
liebäugeln mit Worten als mit Blicken. Es ist in der Tat
nicht gut, auf den Fußspitzen zu gehen, weder geistig
noch körperlich; denn stolpert man, so tut man einen
desto schlimmeren Fall. Wohlan also, meine Tochter,
seien Sie recht darauf bedacht, vor und nach diese
Auswüchse an Ihrem Baume wegzuschneiden; halten Sie Ihr
Herz in aller Ruhe tief unten am Fuße des Kreuzes.
Fahren Sie fort, mir recht häufig und mit aller
Offenherzigkeit Nachrichten über dieses Herz zu geben,
welchem das meinige in großer Liebe zugetan ist um
dessentwillen, der aus Liebe gestorben ist, damit wir
durch seinen heiligen Tod leben sollten in seiner Liebe.
Es lebe Jesus!
7. Mahnung an
eine Nichte, ihr Herz nicht allzusehr an die Liebe
zu ihren Eltern hinzugeben.
So wärest Du also wieder, meine teure Tochter, bei
Deinem Herrn Vater, den Du betrachtest als ein
lebendiges Ebenbild des ewigen Vaters. Wegen dieser
Eigenschaft schuldet man ja jenen Ehrfurcht und
Gehorsam, durch die er uns das Leben gab.
Behalte ja Deine Seele in Deinen Händen, damit sie Dir
nicht entwische, weder zur Linken noch zur Rechten. Mit
anderen Worten, weder soll sie verweichlicht werden
durch die Zärtlichkeit der Eltern, noch auch entmutigt
durch das unwirsche Wesen oder durch die wechselnden
Launen Deiner Umgebung.
Ich glaube es wirklich gern, dass der Abschied von
Deiner Mutter Dich sehr ergriffen hat; denn letztere
schreibt mir ebenfalls, dass sie ihrerseits äußerst
niedergeschlagen war. Doch einstmals werden wir ja ewig
Zusammen sein dürfen, wenn es dem Ewigen gefällt, und
bis dahin lasset uns recht vereinigt bleiben in seiner
heiligen Liebe.
Ich bin erstaunt, dass Herr N. sich in die Meinung
verrannt hat, man dürfe nicht kommunizieren, ohne die
heilige Messe zu hören. Diese Behauptung ist gänzlich
grundlos, ja sie hat nicht einmal einen Schein von Grund
für sich. Da Du aber dessen ungeachtet Dich darin fügen
musst, so verrichte desto öfter die geistige Kommunion,
welche niemand Dir wehren kann.
Übrigens, meine liebe Nichte, will Gott Dich auf diese
Weise entwöhnen und Dir kräftigere oder vielmehr rauhere
Nahrung reichen: denn eine kräftigere Nahrung als die
heilige Kommunion gibt es weder im Himmel noch auf
Erden.
Die Verweigerung derselben, die für Deine nach seiner
heiligen Liebe verlangende Seele umso härter ist, weckt
ein umso heftigeres Verlangen danach.
Zu sehr in Anspruch genommen, um Dir mehr schreiben zu
können, liebe Nichte, bitte ich unseren Herrn, er möge
immerdar in Deinem Herzen sein. In ihm verbleibe ich
ganz
Dein u. s. w.
8.
Aufmunterung zur Standhaftigkeit in den guten
Vorsätzen.
Ich flehe Sie an, meine liebe Tochter, verlassen Sie
niemals die Fährte der heiligen Entschließungen, welche
Sie gefasst haben. Gott, der sie Ihrem Herzen eingegeben
hat, wird einst von demselben Rechenschaft darüber
verlangen.
Um dieselben aber wohl zu bewahren, halten Sie sich nahe
bei dem Heilande; denn nur in seinem Schatten gedeihen
und halten sich derartige Früchte.
Ich flehe zu ihm, er möge Sie halten mit seiner heiligen
Hand, auf dass Sie nimmermehr abirren von dem heiligen
und schmalen Wege, den er Ihnen gezeigt hat. Einer
starken Seele ist nichts unmöglich. Immerdar werde ich
Sie hochschätzen von ganzem Herzen, indem ich Ihnen
zugleich unablässig die Gnade, den Frieden und den Trost
unseres Heilandes wünsche, nach dessen Wohlgefallen ich
bin
Ihr u. s. w.
9. Man muss mit Zuversicht auf die Gnade der
Beharrlichkeit hoffen.
Soll man den Versuchungen ausweichen oder sie
bekämpfen? Die besten TrübsaIe sind jene, die uns
demütigen.
An eine junge Dame.
Mein Fräulein, ich werde sorgfältig das Briefchen mit
Ihrem Gelübde aufheben, und Gott wird über des letzteren
Festigkeit wachen. Er war der Urheber desselben und wird
sein Erhalter sein. Ich werde zu diesem Ende oftmals das
Gebet des hl. Augustin verrichten: „Ach, Herr, da ist
ein Küchlein unter den Fittichen deiner Gnade aus dem Ei
geschlüpft; entfernt es sich aus dem Schatten seiner
Mutter, so wird es dem Habicht zur Beute werden. Gib
also, dass es unter dem Schirme der Gnade lebe, der es
sein Dasein verdankt.” Aber sehen Sie, meine Schwester,
man darf nicht einmal dem Gedanken Raum geben, als werde
dieser Entschluss vielleicht nicht von Dauer sein; man
muss das für so sicher und ausgemacht ansehen, dass
darüber niemals ein Zweifel entstehen kann.
Ich bin Ihnen sehr
dankbar für das, was Sie zu Zweien Malen mir über Ihre
Neigungen eröffnet haben. Ich erwidere Ihnen darauf,
dass unsere Zuneigungen, wie unscheinbar sie auch sein
mögen, unsere Seele zerreißen, wenn sie zur Unzeit sich
geltend machen wollen. Sorgen Sie, dass Sie dieselben in
Ihrer Gewalt behalten, und unterschätzen Sie sie nicht;
denn sie wiegen schwer auf der Waage des Heiligtums.
Ihr Wunsch, sich von den Anlässen zu entfernen, an denen
Ihre Neigungen sich entzünden könnten, entspricht nicht
der uns gestellten Lebensaufgabe. Es würde dies dazu
führen, den Kampf aufzugeben. Letzterer ist aber
notwendig, ersteres daher unmöglich. Wo keine Gefahr der
Todsünde ist, soll man nicht die Flucht ergreifen,
sondern alle Feinde besiegen und ausharren im Kampfe
trotz mehrfacher Niederlagen.
Ja wahrlich, meine liebe Tochter, erwarten Sie alles von
mir, was Sie von einem guten Vater erwarten dürfen; denn
ich hege wirklich die Gefühle eines Vaters für Sie; Sie
werden es im Laufe der Zeit erfahren, wenn Gott mir
beisteht.
Wohlan also, meine gute Tochter, Sie sind jetzt
heimgesucht, wie es sein muss, um Gott recht zu dienen;
denn Trübsale ohne Erniedrigung blähen häufig das Herz
auf, anstatt es zu demütigen. Wie viel Gelegenheit hat
man dagegen, Geduld, Demut, Bescheidenheit und Sanftmut
des Herzens zu üben, wenn man Leid hat ohne Ehre, oder
wenn dasselbe geradezu in Unehre, Erniedrigung und
Zurücksetzung besteht.
Der glorwürdige hl. Paulus rühmt sich in heilig
triumphierender Demut, dass er mit seinen Genossen als
Auswurf und Auskehricht der Welt erachtet werde.
Sie haben, wie Sie mir sagen, noch ein sehr lebhaftes
Gefühl für Kränkungen. Aber, meine liebe Tochter, was
hat es mit diesem „Noch” für eine Bewandtnis? Haben Sie
denn schon viele dieser Feinde überwunden? . . . Sie
sollen aber darum doch gutes Mutes sein und der
zuversichtlichen Hoffnung leben, es in Zukunft besser zu
machen; wir sind ja erst Anfänger, haben aber doch das
Verlangen, recht zu handeln.
Um größere Inbrunst im Gebete zu erlangen, müssen Sie
großes Verlangen danach tragen. Lesen Sie auch fleißig
das Lob des Gebetes, wie solches in vielen Büchern, bei
Granada, im Anhang des Belintani und sonst sich findet;
denn der Appetit nach einem Gerichte macht, dass es
einem trefflich mundet.
Sie sind sehr
glücklich, meine Tochter, sich Gott geweiht zu haben.
Erinnern Sie sich daran, was der hl. Franziskus tat, als
sein Vater ihn von allem entblößt vor den Bischof von
Assisi brachte. „Endlich", rief er aus, „werde ich jetzt
in Wahrheit sagen: Vater unser, der du bist in den
Himmeln, und mit David ausrufen können: Mein Vater und
meine Mutter haben mich verlassen, aber der Herr hat
mich aufgenommen.” (Psalm 26, 10) Lassen Sie die
Umschweife, wenn Sie mir schreiben; denn sie sind
durchaus nicht nötig. Ohnehin bin ich von Herzen Ihrer
Seele gewogen, die Gott mit seinen reichsten Segnungen
begnadigen und sich ganz zu eigen machen wolle. Amen.
10. Die Gabe des Gebetes lässt sich nicht erzwingen,
sondern ist ein Geschenk des Himmels.
Man muss sich indes mit Sorgfalt darauf vorbereiten.
Wie sich eine Jungfrau zu verhalten hat, wenn die Eltern
sich ihrem Wunsche, ins Kloster zu gehen, widersetzen.
An eine junge Dame.
Mein Fräulein, Ihr Brief, den ich vor kurzem erhielt,
ist mir sehr wert, da er ein deutlicher Beweis Ihres
Vertrauens auf meine Zuneigung ist, welche Sie in der
Tat – zweifeln Sie nicht daran – ganz und gar gewonnen
haben. Ich bedauere nur, dass ich so wenig imstande bin,
Ihnen in den Schwierigkeiten, die Ihnen beim Gebete
begegnen, Rat zu erteilen. Übrigens weiß ich auch, dass
Sie sich an einem Orte und in einer Umgebung befinden,
wo es Ihnen daran nicht fehlen kann; aber die
christliche Liebe, die so gerne sich mitteilt, trieb Sie
an, sich mir gegenüber auszusprechen, um meine
Rückäußerung zu vernehmen. So werde ich Ihnen denn
einiges über diesen Gegenstand sagen.
Die Unruhe, mit welcher Sie dem betrachtenden Gebete
obliegen und die zugleich mit der heftigen Sucht
verbunden ist, einen Gegenstand zu finden, der Ihren
Geist zu fesseln und zu befriedigen imstande ist, ist
allein schon Hindernis genug, dass Sie nicht finden, was
Sie suchen. Hundertmal wird man mit Auge und Hand an
einem Gegenstände vorübertasten, wonach man zu hitzig
sucht.
Dieser unnütze und vergebliche Eifer kann nur ermüdend
aus Ihren Geist wirken; und daher rührt dann diese Kälte
und Erstarrung ihrer Seele. Zwar weiß ich nicht, welche
Mittel Sie dagegen gebrauchen sollen; aber ich glaube,
Sie würden schon viel gewinnen, wenn Sie den übergroßen
Eifer zu vermeiden wüssten, der einer der größten
Verräter ist, mit denen die Gottseligkeit und wahre
Tugend jemals zu tun haben können. Er stellt sich, als
wolle er uns für das Gute erwärmen, will aber in
Wirklichkeit uns nur kalt dagegen machen; er treibt uns
nur zum Laufen an, damit wir straucheln sollen. Deshalb
muss man allerwegen, besonders aber beim Gebete
demselben auf der Hut sein.
Damit Ihnen dieses um so leichter werde, erinnern Sie
sich, dass die Gnaden und Wohltaten des Gebetes nicht
Wasser von der Erde, sondern vom Himmel sind, und dass
folglich alle unsere Anstrengungen an sich nicht
imstande sind, uns dieselben zu erringen, wenngleich es
wahr bleibt, dass man sich Gebete mit großer, aber
zugleich demütiger und ruhiger Sorgfalt vorbereiten
muss.
Man hat nur das Herz dem Himmel offen zu halten und zu
harren auf den heiligen Tau von oben.
Vergessen Sie sodann niemals beim Beginn Ihrer
Betrachtung zu beherzigen, dass man sich in derselben
hauptsächlich aus zwei Gründen Gott naht und in seiner
Gegenwart erscheint.
Erstens, um Gott die Ehre und Huldigung darzubringen,
die wir ihm schuldig sind. Dieses kann aber geschehen,
ohne dass er zu uns oder wir zu ihm sprechen. Denn diese
Pflicht erfüllen wir durch die Anerkenntnis, dass er
unser Gott ist und wir seine geringen Geschöpfe, und
indem wir im Geiste vor ihm niedergeworfen bleiben und
seiner Befehle harren.
Wie viele Höflinge gibt es nicht, die hundertmal vor dem
Könige erscheinen, nicht um mit ihm zu reden oder etwas
aus seinem Munde zu hören, sondern nur um von ihm
gesehen zu werden und durch diese Beflissenheit an Tag
zu legen, dass sie seine Diener sind! So handelt man
auch in sehr guter, heiliger, reiner und folglich
äußerst vollkommener Absicht, wenn man vor Gott
hintritt, nur um zu zeigen und darzutun, dass man zu
seinem Dienste bereit und verpflichtet ist.
Der zweite Zweck, wegen dessen man vor Gott erscheint,
ist die Absicht, mit ihm zu reden und ihn mittels seiner
inneren Einsprechungen und Anregungen zu uns reden zu
hören. Gewöhnlich ist dieser Verkehr mit Gott mit dem
süßesten Wonnegefühl verbunden, da es ein hohes Glück
ist, mit einem so großen Herrn sprechen zu dürfen, und
vollends seine Antwort wie tausendfacher Balsamduft und
köstliches Salböl die Seele mit Entzücken überströmt.
Nun, meine liebe Tochter – Sie wollen ja, dass ich Sie
so nenne –, das eine dieser beiden Güter kann Ihnen
niemals bei dem Gebete entgehen. Sind wir imstande, mit
unserem Herrn zu sprechen, so tun wir es; preisen wir
ihn, flehen wir zu ihm und hören auf ihn; können wir
nicht sprechen, weil wir heiser sind, so bleiben wir
gleichwohl im Zimmer, um unsere Aufwartung zu machen: er
wird uns bemerken, unsere Geduld in Gnaden ansehen und
unser Stillschweigen huldreich aufnehmen. Ein andermal
wird er uns zu unserer größten Überraschung bei der Hand
nehmen und in vertrauter Zwiesprache mit uns unter den
schattigen Laubgängen seines Gebetsgartens hundertmal
auf und ab gehen. Täte er dies aber auch niemals, so
geben wir uns damit zufrieden, dass es unsere
Schuldigkeit ist, in seinem Gefolge zu sein, und dass es
schon eine hohe Gnade und eine übergroße Ehre ist, wenn
er uns überhaupt in seiner Gegenwart duldet.
Unter diesen Umständen
werden wir uns nicht übermäßig abmühen, zu ihm zu
sprechen, weil die andere Vergünstigung, in seiner Nähe
weilen zu dürfen, uns nicht weniger nützlich, ja
vielleicht bei weitem zuträglicher ist, mag es auch
unserem Geschmack nicht ganz so zusagen. Wenn Sie also
vor dem Herrn erscheinen, so sprechen Sie mit ihm, wenn
Sie können; können Sie es nicht, so bleiben Sie doch da,
machen Ihre Aufwartung und kümmern sich um weiter
nichts. Das ist mein Rat; ich weiß nicht, ob er gut ist;
aber ich mache mir keine Sorge deswegen, da Sie, wie
bereits bemerkt, an einem Orte sind, wo besserer Rat
Ihnen nicht fehlen kann.
Was die Besorgnis anlangt, das Verlangen, Karmelitin zu
werden, möchte sich infolge des weiten Termins, den Ihr
Vater für die Erfüllung desselben festsetzen will,
verlieren, so sagen Sie dem lieben Gott: „Herr, mein
ganzes Herz ist vor dir“ (Ps. 37, 10: „Herr, vor dir ist
all mein Sehnen, und mein Seufzen ist nicht verborgen
vor dir.“), und lassen ihn machen; er wird das Herz
Ihres Vaters lenken und es zu seiner Ehre und zu Ihrem
Heile wenden. Nähren Sie jedoch Ihr gutes Verlangen und
suchen es lebendig zu erhalten unter der Asche der Demut
und der Ergebung in den Willen Gottes.
Mein Gebet, um welches Sie bitten, fehlt Ihnen nicht;
ich könnte Ihrer nicht vergessen, zumal bei der heiligen
Messe. Ich hege das Vertrauen zu Ihrer Christenliebe,
dass ich auch in Ihrem Gebete nicht vergessen werde
(Vgl. Philothea II, 9 „Über die bei der Betrachtung sich
einstellende Geistesdürre”).
11. Ratschläge für Gebet und Betrachtung. Mahnung
zur Sanftmut im Umgang und zur Unterwerfung unter den
Willen Gottes.
An eine Dame von sehr lebhaftem Geiste.
Ich versichere Sie, meine teure Tochter, es ist dies die
erste freie Stunde, die ich habe; trotz meiner
tausenderlei Geschäfte stehle ich mir dieselbe ab, um
Ihnen einigermaßen ausführlich über den Gegenstand zu
schreiben, in Betreff dessen Sie im Interesse Ihrer
teuren Seele bei mir angefragt haben. Seien Sie
überzeugt, ich wünsche von Herzen, Ihnen so gut zu
raten, wie mir selbst.
O wie glücklich sind Sie, meine teure Tochter, dass Sie
von der Welt und ihren Eitelkeiten sich losgesagt haben!
Gewiss, wie ich in der kurzen Zeit, seit ich Sie
beobachte, Sie kennen gelernt habe, war Ihre Seele in
ganz vorzüglichem Maße für die himmlische Liebe
geschaffen und nicht für die irdische. Opfern Sie also
recht oft alle Ihre Gefühle Gott auf, indem Sie vor ihm
Ihren Entschluss erneuern, keinen einzigen Augenblick
Ihres Lebens mehr anders als zum Dienste der heiligen
Liebe Ihres himmlischen Bräutigams zu verwenden:
1. Verrichten Sie sorgfältig die Morgenandacht in
der Weise, wie sie in der Philothea angegeben ist (Philothea
II, 10), und wenn Sie auch bei der Raschheit Ihres
Geistes mit einem einzigen Blicke die sämtlichen Punkte
dieser Andacht überschauen, so verwenden Sie doch so
viele Zeit darauf, als man nötig hat, zweimal das
Vaterunser zu beten; alsdann beten Sie mündlich fünf
oder sechs Worte der Anbetung und schließen mit dem
Vaterunser und dem Glaubensbekenntnisse.
2.
Nach dem Morgengebete legen Sie sich ein Geheimnis aus
dem Leben oder Leiden unseres Herrn für die Betrachtung
zurecht, welche Sie anstellen, wenn es Gottes Wille ist.
Fühlt sich aber bei der Betrachtung Ihr Herz gefesselt
von der einfachen Gegenwart des Geliebten, so brauchen
Sie nicht weiter zu gehen, sondern bleiben nur in seiner
Gegenwart stehen. Sollten Sie aber, obwohl in der
Gegenwart Gottes, sich von derselben nicht angemutet
fühlen, so fahren Sie ruhig in der Betrachtung des
Stoffes fort, den Sie vorbereitet haben.
3. Verrichten Sie übrigens jeden Tag Ihre
Betrachtung, wenn nicht gerade unausweichliche Geschäfte
Sie daran hindern. Sie haben mir ja gesagt, dass die
fortgesetzte Übung dieser heiligen Gebetsweise bei Ihnen
eine fühlbare Zunahme der Geistessammlung, die
Unterlassung aber den Verlust derselben hervorruft.
4. Um indessen diese So nützliche Gebetsübung der
seltenen Lebhaftigkeit und raschen Auffassungsgabe Ihres
Geistes anzupassen, so wird es genügen, wenn Sie täglich
eine kleine halbe oder auch eine Viertelstunde dazu
verwenden. Wenn Sie außerdem noch während der Stunden
des Tages mittels häufiger Anmutungen und Stoßgebetlein
Ihr Herz vor Gottes Angesicht zurückführen, so wird das
übrig genug sein, um dasselbe mit dem göttlichen
Gegenstande seiner Liebe vereinigt zu halten. Um Zeit zu
gewinnen, könnten Sie die Betrachtung täglich auch
während der Messe halten.
5. Würden Sie infolge der Betrachtung oder wenn
Sie sonst sich in die Gegenwart Gottes versetzen,
Kopfweh oder sonstige Beschwerden empfinden, so dürfen
Sie Ihren Verstand nicht weiter anspannen, sondern nur
Herz und Willen in stillen, innigen Worten zu Gott reden
lassen. Damit wird Ihre Bemerkung erledigt sein, dass
anfänglich der Gedanke an Gottes Gegenwart Ihnen den
Kopf anstrenge, was Ihnen zuweilen sehr beschwerlich
sei.
6. Kommen Tränen, so lassen Sie denselben freien
Lauf; werden sie aber zu häufig und wird die Rührung zu
stark, so suchen Sie womöglich Ihren Geist zu erheben,
um friedsamer und ruhiger die Geheimnisse auf den
höheren Teil Ihrer Seele einwirken zu lassen. Nicht
sollen Sie Gewalt brauchen, um das Seufzen, Schluchzen
und Weinen zu unterdrücken, sondern sollen mit sanfter
Hand Ihrem Herzen eine andere Richtung zu geben suchen,
indem Sie dasselbe allmählich mittels süßer Anmutungen
zur reinen Liebe Ihres göttlichen Bräutigams erheben: „O
wie liebenswert bist du, Vielgeliebter! O wie erhaben in
deiner Güte, und wie schlägt dir mein Herz entgegen!”
oder auch mit anderen Worten, wie eben Gott Sie zieht.
7.
Sie sagen mir, dass Sie, solange Sie zu Hause waren,
sehr wenig gebetet haben, da Ihr Geist zu tätig und
beweglich sei und sich nicht zügeln lasse; und dennoch,
sage ich Ihnen, muss er gezügelt und seiner
Beweglichkeit ein Hemmschuh angelegt werden, damit
derselbe sich eine sanfte, ruhige und den Umständen
angemessene Art der Tätigkeit angewöhne. Glauben Sie ja
nicht, dass Ruhe und Besonnenheit die Gewandtheit in der
Arbeit beeinträchtigen; im Gegenteile verleihen diese
Tugenden allem, was man tut, ein besseres Gelingen.
Sie können nun die Sache folgendermaßen angreifen: Kommt
Ihnen etwa gemäß der Armseligkeit dieses Lebens das
Bedürfnis, zu essen, so müssen Sie sich schön zu Tische
setzen und ruhig sitzen bleiben, bis Sie mit allem
Anstande Ihren Leib erquickt haben. Oder Sie wollen
schlafen gehen, so kleiden Sie sich ganz ruhig aus; und
müssen Sie ausstehen, so tun Sie es in aller Ordnung,
ohne ungeordnete Bewegungen, ohne lautes Reden, ohne
Ihre Dienerinnen durcheinander zu jagen, und verfahren
ebenso bei allen sonstigen Anlässen, indem Sie Ihre
Naturanlage umbilden und allmählich an die heilige
Gelassenheit und Mäßigung gewöhnen. Denen, welche von
Natur schlaff und träge sind, rufen wir zu: Sputet euch,
die Zeit ist kostbar! Ihnen aber rufen wir zu: Langsam
voran, denn der Friede, die Ruhe und die Sanftmut des
Geistes sind kostbare Dinge, und nützlicher wendet man
die Zeit an, wenn man sie friedlich verwendet.
8. Was Ihre alte Versuchung angeht, meine teure
Tochter, so gebe ich Ihnen die feste Versicherung, dass
Sie Gott nach dem Willen seiner Vorsehung treu dienen,
wenn Sie mit aller Demut sich dem Ratschlusse des
Himmels fügen, welcher Ihnen den Stand angewiesen hat,
in welchem Sie sich befinden. Will man glücklich die
Überfahrt machen von diesem Leben zu dem künftigen, so
muss man in dem Schifflein bleiben, worin man ist, und
muss gerne und mit Freude darin bleiben. Mag man
vielleicht auch nicht durch Gottes Hand, sondern durch
die Hand der Menschen an seinen Platz gesetzt sein, wenn
man einmal da ist, so will auch Gott, dass man da sei,
und folglich muss man gerne und ohne Widerstreben da
bleiben.
O wie manche Geistliche gibt es, die, von schlimmen
Vorspiegelungen verlockt oder von ihren Eltern genötigt,
das Schifflein ihres Berufes bestiegen haben; sie machen
aus der Not eine Tugend, und bleiben aus Liebe da, wohin
Gewalt sie gebracht hat. Was sollte auch sonst aus ihnen
werden? Je weniger Wahl uns bleibt, desto mehr
Unterwürfigkeit unter den Willen des Himmels können wir
an den Tag legen. Möge also meine teure Tochter dem
Willen Gottes sich fügen und oftmals von ganzem Herzen
sprechen:
„Ja,
ewiger Vater, so will ich bleiben, weil es also dir
wohlgefällig ist.“
Ja, meine teure
Tochter, ich beschwöre Sie, mit aller Treue sich auf die
Ergebung in Ihre Verhältnisse einzuüben und an die
Forderungen Ihres Standes zu gewöhnen. Weiterhin, meine
Tochter, müssen Sie manchmal bei gegebener Veranlassung
die bewussten Personen, gegen welche Sie Abneigung
hegen, beim Namen rufen, und wenn Sie die unangenehmste
darunter vor sich haben, müssen Sie zuweilen bei Ihren
Vorhaltungen auch ein Wort der Hochachtung einfließen
lassen. Diese Mahnung ist von so großer Wichtigkeit für
die Vervollkommnung Ihrer Seele, dass ich sie gerne mit
meinem Blute schreiben möchte.
Wie wollen wir denn auch besser unsere Liebe gegen den
beweisen, der so viel für uns gelitten hat, als gerade
bei Abneigung, Widerwillen und Widerspruch?
Wir müssen unseren Kopf beugen unter die Dornenkrone der
Widerwärtigkeiten, unser Herz durchbohren lassen von der
Lanze des Widerspruches, müssen Galle und Essig trinken,
müssen mit einem Worte Wermut und Bitterkraut
verschlucken, da Gott es so will.
Kurz, meine teure Tochter, da Sie ehedem von ganzem
Herzen die Versuchung gehegt und gepflegt haben, so
müssen Sie jetzt von ganzem Herzen diese Ergebung hegen
und pflegen. Sollte Ihnen auch das Verhalten jener
Person die Erfüllung dieser Pflicht noch so sehr
erschweren, ändern Sie nichts, ohne vorher die Ewigkeit
ins Auge gefasst, Ihr Herz in Ruhe gebracht und, falls
die Sache dringend ist, bei einem würdigen Diener Gottes
oder auch bei mir, der ich Ihr Vater bin, im Falle die
Zeit es erlaubt, Rats erholt zu haben. Der Feind, wenn
er sieht, dass wir durch unsere Ergebung in den
göttlichen Willen über diese Versuchung Herr werden,
wird sicherlich alles in Bewegung setzen, um uns zu
verwirren.
9. Möge übrigens die hochheilige, göttliche Demut
immer und überall bei Ihnen leben und herrschen! Kleiden
Sie sich einfach, jedoch so, wie es die
Wohlanständigkeit und Schicklichkeit in Ihrem Stande
erfordert, in der Art, dass Sie die jungen Damen nicht
abschrecken, sondern zur Nachahmung anlocken. Ihre Worte
seien einfach, höflich und freundlich, Ihr Benehmen
weder zu gezwungen und zurückhaltend, noch auch zu frei
und zu aufdringlich, Ihre Miene immer offen und heiter,
kurz, in allen Stücken herrsche bei Ihnen Anmut und
Bescheidenheit, wie es sich ziemt für eine Tochter
Gottes.
Ich verbleibe u. s. w.
12. Der Heilige ermuntert eine seiner Nichten zur
Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes und zu
eifrigem Fortschritt in der heiligen Liebe.
Meine teure Nichte! Zwar habe ich erst kürzlich Dir
geschrieben; aber mein Herz, welches Dich zärtlich
liebt, kann es sich nicht versagen, Dir einen schwachen
Beweis davon zu geben, indem ich Dir so oft schreibe,
als ich kann.
Lebe ganz in unserem Herrn, meine liebe Tochter! Er sei
das Wasser, in welchem Dein Herz schwimmt; und gleichwie
der Seiltänzer auf der Leine stets die Balancierstange
in den Händen hat, um seinen Körper auf so gefährlichem
Pfade stets damit im Gleichgewicht zu erhalten, ebenso
musst auch Du das heilige Kreuz unseres Herrn fest in
Händen halten, um sicher zwischen den Gefahren hindurch
zu gehen, welche die verschiedenen Begegnisse sowie das
gesellschaftliche Leben Deinem Herzen bereiten; damit so
alle Regungen desselben ein Gegengewicht finden an dem
einzigen und liebenswürdigen Willen Desjenigen, dem Du
Dich ganz mit Herz und Sinn ergeben hast.
Hüte es wohl, dieses Herz, für welches das Herz Gottes
betrübt gewesen ist bis zum Tode und nach dem Tode mit
dem Eisen durchbohrt wurde, damit das deinige auflebe
nach dem Tode und voll Freude sei all sein Leben lang.
Töte es recht ab in seinen Freuden und suche es zu
erfreuen in seinen Abtötungen; wandle mutig von Tugend
zu Tugend, bis Du die höchste Stufe der göttlichen Liebe
erreicht hast. Freilich ganz erreichen wirst Du sie nie,
da diese heilige Liebe so wenig eine Grenze hat, als ihr
Gegenstand, der die höchste Güte selbst ist.
Nun, Gott befohlen, teure Nichte! Bleibe mir in
beständiger Liebe gewogen als einem Mann, der vor allen
in der Welt Dir wahre und echte Tröstungen wünscht; ja,
mein Kind, ich wünsche Dir die Fülle der göttlichen
Liebe, die da ewiglich sein und bleiben wird das einzige
Gut unserer Herzen, welche uns ja nur gegeben sind für
Den, der uns das seinige ganz geschenkt hat.
Ich bleibe von Herzen Dein ganz
ergebener Oheim.
13. Mahnung zur
Sanftmut.
An eine junge Dame.
Ich bitte Gott um seinen Segen für Ihr Herz, meine liebe
Tochter, und richte meinem Versprechen gemäß folgende
Worte an Sie.
Sie sollten jeden Morgen vor allem Gott bitten um jene
Sanftheit des Geistes, die er von den Seelen fordert,
die ihm dienen, und sollten den Vorsatz machen, sich
recht in dieser Tugend zu üben, namentlich den beiden
Personen gegenüber, gegen welche Sie die meisten
Verpflichtungen haben.
Sie müssen es unternehmen, sich in diesem Stücke recht
beherrschen zu lernen, und müssen hundertmal des Tages
sich daran erinnern, indem sie zugleich diesen guten
Entschluss Gott anempfehlen. Denn ich sehe nicht, was
Sie sonderlich mehr zu tun hätten, um Ihre Seele recht
dem Willen Gottes zu unterwerfen, als dieselbe von Tag
zu Tag mehr zu sänftigen und dabei Ihr Vertrauen auf
seine Güte zu setzen. Sie werden glücklich sein, wenn
Sie so handeln: denn dann wird Gott inmitten Ihres
Herzens wohnen und dort herrschen in aller Ruhe.
Sollte es Ihnen aber begegnen, dass Sie sich wieder
einmal vergessen, so verlieren Sie mir ja den Mut nicht,
sondern fassen sich sogleich wieder und fahren ganz so
fort, als wären Sie nicht gestrauchelt.
Dieses Leben ist kurz; es ist uns nur gegeben, um das
jenseitige zu gewinnen. Sie werden es gut anwenden, wenn
Sie mit Sanftmut jenen beiden Personen begegnen, mit
welchen Gott Sie zusammengeführt hat. Beten Sie für
meine Seele, damit Gott dieselbe an sich ziehe.
14. Mahnung
zur Friedfertigkeit, Eintracht und Sanftmut.
An ein Schwesterpaar.
Sicherlich, liebe Tochter, bedarf es nur eines Briefes
für zwei Schwestern, die nur ein Herz und eine Seele
sind. Wie heilsam ist Euch das, so schon
zusammenzuhalten! Diese Einigung der Seelen ist jenem
kostbaren Salböl vergleichbar, welches nach dem Worte
des königlichen Sängers über den Hohepriester Aaron
ausgegossen ward (Vgl. Ps. 132, 2.); es waren darin
mehrere wohlriechende Flüssigkeiten also gemischt, dass
davon ein lieblicher Wohlgeruch ausströmte. Doch ich
will diesen Gedanken nicht weiter verfolgen.
Was Gott durch die Bande des Blutes und der Zuneigung
verbunden hat, ist unzertrennlich, solange derselbe Gott
in uns herrscht; und herrschen soll er ja in uns bis in
Ewigkeit. Wohlan also, meine lieben Töchter, fahret also
fort, so zu leben, freundlich und liebreich gegen alle,
demütig und mutvoll, rein und aufrichtig in allem.
Welchen besseren Wunsch konnte ich für Euch hegen?
Seid wie geistliche Bienlein, die nichts als Honig und
Wachs in ihre Zellen tragen. So möge auch Eure Wohnung
ganz erfüllt sein von Sanftmut, Frieden, Eintracht,
Demut und Frömmigkeit, die Ihr in Eurem Umgang bekundet.
Schließlich bitte ich Euch, zu glauben, dass keine
Entfernung des Ortes oder der Zeit jemals die zarte und
starke Zuneigung auslöschen wird, welche unser Heiland
mir zu Euren Seelen gegeben hat, welchen die meinige in
vollkommenster und unwandelbarer Liebe zugetan ist. Da
die Verschiedenheit Eurer Stellung es mit sich bringen
kann, dass ich Euch mitunter je besonders schreibe,
unbeschadet der Gleichheit Eurer Gesinnung, so werde ich
solches wohl ein andermal tun; für jetzt mag es genügen,
Euch zu sagen, meine lieben Töchter – und ich bitte, es
vorbehaltlos zu glauben –, dass ich bin
Euer u. s. w.
15. Man muss nicht unmöglichen Idealen nachjagen,
sondern in Demut eine erreichbare Vollkommenheit
erstreben.
An eine junge Dame.
Mein Fräulein, ich empfing durch meinen Bruder einen
Brief von Ihnen und und danke Gott, dass er Ihrem Geiste
einiges Licht gegeben hat. Wenn letzterer noch nicht
völlig zu sich gekommen ist, so darf man sich darüber
nicht wundern. Geistige wie leibliche Fieber lassen
gewöhnlich Nachwehen zurück, die dem Genesenden aus
verschiedenen Ursachen, sonderlich aber deswegen
nützlich sind, weil sie die Überbleibsel der bösen
Säfte, welche Ursache der Krankheit waren, bis auf die
letzte Spur verzehren, und weil sie als eine Erinnerung
an das frühere Übel uns in steter Furcht vor dem
Rückfall erhalten, in den wir sonst durch zu große
Freiheit und Unvorsichtigkeit verfallen könnten, wenn
jene Nachwehen mit ihrer Drohung uns nicht im Zaume
hielten und zur Vorsicht mahnten, bis unsere Gesundheit
vollends befestigt ist.
Nachdem Sie aber nun, meine gute Tochter, den
schrecklichen Weg, den Sie zu gehen hatten, zur Hälfte
zurückgelegt haben, sollten Sie jetzt, wie mich dünkt,
ein wenig Rast halten und einmal recht die Eitelkeit des
menschlichen Geistes betrachten, wie derselbe so sehr
geneigt ist, sich in sich selbst zu verwirren und zu
verwickeln.
Es ist mir nämlich gewiss, Sie werden leicht erkennen,
dass die inneren Kämpfe, welche Sie durchzumachen
hatten, durch eine Menge von Vorspiegelungen und
Wünschen verursacht wurden, welche aus einem ungestümen
Drange nach einer eingebildeten Vollkommenheit
hervorgingen; das heißt: Ihre Einbildungskraft hatte
Ihnen das Ideal einer absoluten Vollkommenheit
vorgespiegelt; Ihr Wille nahm sich vor, dasselbe zu
verwirklichen, aber, entsetzt vor der großen
Schwierigkeit oder vielmehr Unmöglichkeit, blieb er in
den Geburtswehen stecken. Aus diesem Grunde erschöpften
Sie sich in einer Menge unnützer Wünsche, die wie
Drohnen und Hornisse den Honig des Bienenstockes
verzehrten, während die wahren und guten Wünsche
vergebens nach Befriedigung schmachteten. Jetzt also
schöpfen Sie ein wenig Atem und suchen wieder zu sich zu
kommen; und durch die Betrachtung der Gefahren, denen
Sie entronnen sind, wehren Sie jene ab, welche
nachkommen können.
Halten Sie alle Wünsche für verdächtig, welche nach der
allgemeinen Ansicht wohldenkender Leute nicht
verwirklicht werden können; wie z. B. das Verlangen nach
einer gewissen christlichen Vollkommenheit, die man sich
wohl vorstellen, aber nicht ausüben kann, und die wohl
einzelne lehren, niemand aber im Leben betätigt (Vgl.
Philothea III, 37 : „Über unnütze und schädliche
Wünsche”).
Bedenken Sie, dass die Tugend der Geduld diejenige ist,
welche uns am meisten die Vollkommenheit sichert; und
wenn man dieselbe anderen gegenüber nötig hat, so muss
man sie auch gegen sich selbst üben. Diejenigen, welche
nach der reinen Liebe Gottes streben, müssen noch mehr
Geduld mit sich selbst als mit anderen haben. Wir müssen
unsere Unvollkommenheiten ertragen, um die
Vollkommenheit zu erlangen; ich sage: mit Geduld tragen,
aber nicht lieben oder hegen. Das ist ein Leiden, aus
dem die Demut ihre Nahrung zieht.
Man muss eingestehen, was wahr ist: wir sind arme Leute,
die nichts gut verrichten können; aber Gott, der
unendlich gut ist, begnügt sich mit unseren kleinen
Dienstleistungen und nimmt vorlieb mit der Zubereitung
unseres Herzens (Vgl. Ps. 9, 17: „Der Armen Sehnen
erhört der Herr, die Zubereitung ihres Herzens hört sein
Ohr“.).
Was ist nun aber unter dieser „Zubereitung unseres
Herzens" zu verstehen? Nach der Heiligen Schrift ist
Gott größer als unser Herz, unser Herz größer als die
ganze Welt, wenn es, von sich selbst absehend, in der
Betrachtung den Dienst zubereitet, den es Gott schuldet,
d. h. wenn es seine auf den Dienst und die Ehre Gottes,
die tätige Liebe zum Nächsten, die Abtötung der äußeren
und inneren Sinne, und andere Tugendübungen hinzielenden
Vorsätze fasst; in solchen Augenblicken tut es Wunder,
macht Zurüstungen und erhebt seine Handlungen auf einen
Grad wunderbarer Vollkommenheit. Diese ganze Zubereitung
steht inzwischen immer noch in keinem Verhältnis zu der
Größe Gottes, der unendlich größer ist als unser Herz;
dennoch überragt dieselbe an Größe und Bedeutung die
Welt, aber auch unsere Kräfte und Handlungen in deren
äußerlicher Ausgestaltung.
Eine Seele, welche die Größe Gottes betrachtet und seine
unendliche Güte und Würde, kann nicht genug bekommen,
hochherzige und wunderbare Zubereitungen für ihn zu
machen. Sie bereitet ihm eine abgetötete Sinnlichkeit
ohne Empörung, ein andachtvolles Gebet ohne Zerstreuung,
Sanftmut des Umgangs ohne Bitterkeit, Demut ohne jede
Anwandlung der Eitelkeit.
Das ist nun alles recht schön; es sind gute
Zubereitungen; ja man müsste von Rechts wegen noch mehr
tun, um Gott nach Pflicht zu dienen; aber schließlich
ist die Frage, wer Hand ans Werk legt. Denn wenn es auf
die Ausführung ankommt, werden wir kleinlaut und sehen
ein, dass alle diese Vollkommenheiten bei uns weder so
erhaben noch so vollendet sein können. Wohl kann man
sein Fleisch abtöten, aber nicht so vollständig, dass es
sich nicht mehr empörte; unsere Andacht wird oftmals
durch Zerstreuungen gestört bleiben, und so mit allem.
Soll man aber deswegen sich beunruhigen, verwirren,
aufregen, betrüben?
Nein, gewiss nicht.
Ist es also nötig, eine Welt von Wünschen in Bewegung zu
setzen, um zu jenen Merkmalen der Vollkommenheit zu
gelangen? Nein, durchaus nicht. Wohl dürfen wir zum
Zeichen unserer Dankbarkeit uns gewisse fromme Wünsche
gestatten. Ich darf wohl sagen: ach, warum bin ich nicht
so eifrig wie die Seraphim, um besser meinem Gott zu
dienen und mehr ihn zu loben? aber ich soll nicht mich
dabei aufhalten, in der Weise danach zu verlangen, als
müsste ich wirklich in dieser Welt schon eine so
ausgesuchte Vollkommenheit erreichen; soll nicht sagen,
ich will es, ich werde es versuchen, und wenn ich's
nicht erreiche, werde ich mich ärgern.
Ich will nicht sagen, man solle sich nicht nach dieser
Richtung hin auf den Weg begeben; sondern nur, man solle
nicht verlangen, das Ziel in einem Tage zu erreichen, an
dem einen Tage dieses sterblichen Lebens; denn dieses
Verlangen würde uns nur quälen und für nichts sein. Um
eine Reise glücklich zurückzulegen, muss man sich
bemühen, das zunächst vor uns liegende Stück Weges, den
ersten Tagemarsch gut abzumachen, nicht aber verlangen,
schon die letzte Tagreise anzutreten, während noch die
erste zurückzulegen bleibt.
Eins sage ich Ihnen, merken Sie sich es wohl: Wir halten
uns zuweilen so lange dabei auf, gute Engel sein zu
wollen, dass wir nachgerade nicht einmal mehr gute
Menschen sind. Unsere Unvollkommenheit wird uns
begleiten bis zum Grabe; wir können nicht gehen, ohne
die Erde zu berühren. Man muss sich auf derselben weder
niederlegen noch hinkriechen, darf aber ebensowenig
daran denken, zu fliegen, denn wir sind Küchlein, denen
die Flügel noch nicht gewachsen sind. Wir sterben
allmählich, und so müssen wir auch von zu Tag unsere
Unvollkommenheiten mehr und mehr mit uns hinwegsterben
lassen; Unvollkommenheiten, die uns teuer sein sollten,
insofern sie uns Armseligkeit zum Bewusstsein bringen,
in der Demut und Selbstverachtung uns üben, in Geduld
und Tätigkeit uns erhalten, und ungeachtet derer Gott
ansieht die Bereitwilligkeit unserer Herzen, die eine
vollkommene ist.
Ich weiß nicht, ob ich den wunden Fleck bei Ihnen
treffe; aber ich wollte Ihnen dieses sagen, weil ich
annehme, Ihr bisheriges Übel sei zum Teil daher
gekommen, dass Sie einen zu hohen Flug genommen haben.
Wo Sie nun sehen, dass Sie nur sehr wenig erreicht
haben, dass Ihre Kräfte unzureichend waren, um Ihre
Wünsche, Absichten und Ideen zu verwirklichen, so haben
Sie Herzeleid, Ungeduld, Unruhe und Verwirrung
empfunden; dann folgte Entmutigung, Abspannung,
Niedergeschlagenheit und Herzensschwäche; ist es so,
dann lassen Sie sich dadurch warnen für die Zukunft.
Bleiben wir am Lande, da das hohe Meer uns Schwindel und
Übelkeit verursacht. Bleiben wir mit der hl. Magdalena,
deren Fest nur heute feiern, bei den Füßen des Herrn;
üben wir gewisse kleine Tugenden, wie sie kleinen Leuten
geziemen. Kleiner Krämer, kleiner Korb. Halten wir uns
an die Tugenden, die man mehr nieder- als aufsteigend
übt, und denen man daher auch mit unseren schwachen
Kräften nachkommen kann: nämlich Geduld, Nachsicht mit
dem Nächsten, Gefälligkeit, Demut, Sanftmut,
Freundlichkeit, Ertragung unserer Unvollkommenheit und
ähnliche kleine Tugenden. Ich sage nicht, dass man
mittels des Gebetes nicht höher steigen solle, aber nur
Schritt für Schritt.
Ich empfehle Ihnen die heilige Einfalt; blicken Sie nur
vor sich und nicht, wie Sie mir geschrieben haben, auf
die Gefahren, die Sie in der Ferne sehen. Dieselben
kommen Ihnen vor wie feindliche Heersäulen und sind doch
nur alte Weidenstümpfe; und während Sie ängstlich darauf
hinblicken, könnten Sie leicht einen Fehltritt tun.
Haben wir den festen und allgemeinen Vorsatz, Gott zu
dienen von ganzem Herzen und all unser Leben lang, so
lassen Sie uns darüber hinaus nicht sorgen für den
folgenden Tag (Matth. 6, 34.), sondern sinnen nur
darauf, Gutes zu tun für heute. Wenn der morgige Tag
gekommen ist, wird er auch heute heißen, und dann wollen
wir auch an ihn denken. Man muss auch in dieser
Beziehung ein großes Vertrauen und große Ergebung in die
göttliche Vorsehung haben und nur für einen Tag das
nötige Manna sammeln, und nicht mehr. Zweifeln wir
nicht, Gott wird morgen anderes regnen lassen, ebenso
übermorgen und alle Tage unserer Pilgrimschaft.
Ich billige durchaus die Meinung des Pater N., dass Sie
einen geistlichen Führer haben müssen, unter dessen
Leitung Sie Ihre Seele allgemach (allmählich) in
Ordnung bringen können. Es wird nicht gerade ein Unglück
sein, wenn Sie keinen anderen haben, als den süßen
Jesus, welcher zwar nicht will, dass man die Führung
seiner Diener verachte, wenn man sie haben kann, aber
sie in jedem Betracht ersetzt, wenn sie uns fehlen
sollte. Nur in diesem äußersten Falle werden Sie es
erfahren, wenn derselbe bei Ihnen eintreten sollte.
Was ich Ihnen schrieb, sollte nicht Sie abhalten,
brieflich mit mir zu verkehren und mir Mitteilungen über
Ihre Seele zu machen, die ich so zärtlich liebe, sondern
sollte das übertriebene Vertrauen zu mir abkühlen, da
ich ja bei meinen unzulänglichen Kräften und Ihrer
Entfernung Ihnen nur sehr wenig nützlich sein kann, wie
sehr ich Ihnen auch in Jesu Christo zugetan und ergeben
bin. Schreiben Sie mir also mit Vertrauen, und zweifeln
Sie keineswegs, dass ich getreulich antworte.
Ich habe in diesem Briefe, der allein für Sie bestimmt
ist, alles zur Sprache gebracht, was Sie wünschen
können. Beten Sie recht für mich, ich bitte inständig
darum. Es ist unglaublich, wie sehr ich mich durch meine
große und schwere Bürde gedrückt und niedergebeugt
fühle; Sie schulden mir diesen Liebesdienst nach den
Gesetzen unserer Freundschaft. Auch suche ich ja
denselben zu erwidern, indem ich Ihrer fortwährend am
Altäre und in meinen schwachen Gebeten gedenke.
Gepriesen sei unser Herr! Ich bitte ihn, er möge Ihr
Herz, Seele und Leben sein, und verbleibe
Ihr Diener n. s. w.
16. Wichtigkeit der Zeit in ihrer Beziehung zur Ewigkeit.
Man soll zufrieden sein mit dem Stande, zu welchem man
von Gott berufen ist, und nicht nach einem höheren und
vollkommeneren verlangen.
An eine junge Dame.
Dieses Leben ist kurz, liebe Tochter, aber dennoch von
hohem Werte, da man mittels desselben das ewige Leben
gewinnen kann. Selig, wer es in dieser Weise zu
verwenden versteht! Aber auch Sie, meine teure Tochter,
haben alle Ursache, Gott dankbar zu preisen, da er mit
einer ganz besonderen Vorsehung Ihnen nicht bloß den
Willen gegeben hat, die Tage Ihres sterblichen Lebens
dem Streben nach dem Leben der Unsterblichkeit zu
weihen, sondern Ihnen auch den Ort, die Mittel und Wege
angewiesen hat, den Rest dieser hinschwindenden
Augenblicke so anzuwenden, dass Sie die hochheilige
Ewigkeit erringen.
Gestatten Sie sich niemals einen Zweifel darüber, liebe
Tochter: das wahre Licht des Himmels hat Ihnen Ihren Weg
gezeigt; es wird Ihnen auch fernerhin glücklich auf
demselben vorleuchten. Wohl gibt es ohne Zweifel
vortrefflichere Wege, aber nicht für Sie, und die
Trefflichkeit des Weges macht nicht auch den Wanderer
trefflich, dies hängt einzig von dessen Rüstigkeit und
Marschfertigkeit ab. Was immer Sie von dem
eingeschlagenen Wege wegzulocken sucht, müssen Sie als
eine umso gefährlichere Versuchung betrachten, je mehr
es den Schein des Guten für sich hat. Nichts ist der
göttlichen Majestät so wohlgefällig, als die
Beständigkeit; und durch die unscheinbarsten Tugenden,
wie etwa die Gastfreundlichkeit, wenn sie beharrlich
geübt werden bis zum Ende, gelangt man zu höherer
Vollkommenheit, als durch größere Tugenden, wenn man
nach Lust und Laune bald dieser bald jener sich widmet.
Bleiben Sie also ganz ruhig und sprechen: O wie viele
Wege gibt es, die zum Himmel führen! Glücklich, die auf
denselben wandeln; da aber dieser der meinige ist, so
will ich unbeirrt auf demselben fortwandeln in Frieden,
Einfalt und Demut. Ja, ohne Zweifel, meine liebe
Tochter, ein ungeteiltes Herz ist der vortrefflichste
Weg zur Vollkommenheit. Schätzen und loben Sie alles,
aber Ihr ganzes Sinnen und Trachten soll nur auf das
gerichtet sein, was zu dem Berufe gehört, den des
Himmels Vorsehung Ihnen angewiesen hat; einzig darauf
sollen Sie bedacht sein. Möge Gott ihm die Fülle seiner
heiligen Liebe geben, diesem Herzen, welches dem
meinigen teuer sein und bleiben wird in Ewigkeit. Amen.
Ihr ganz ergebener u. s. w.
17. Es ist eine
Versuchung, Seelenführer in der Ferne zu suchen,
während man solche in der Nähe hat. Man soll nicht zu
viel gute Übungen auf einmal in Angriff nehmen.
An eine junge Dame.
Mein Fräulein! Liebe Tochter in Jesu Christo! Ich habe
Ihren Brief erhalten, in welchem Sie versuchen, mir ein
Bild Ihres Seelenzustandes zu geben. Ich kann nicht
leugnen, dass es mir recht tröstlich ist, das Vertrauen
zu sehen, welches Sie in meine Zuneigung setzen.
Wirklich ist diese auch so groß und unwandelbar, als Sie
es nur wünschen mögen. Gott sei gelobt in allem und
überall! Doch möchte ich Ihnen zwei oder drei Wörtchen
sagen über den Gegenstand Ihres Schreibens.
Erstens bitte ich Sie, fest überzeugt zu sein, dass Ihre
Meinung, Sie könnten nur durch mich eine Erleichterung
von Gott erhalten, eine reine Versuchung desjenigen ist,
der unsere Blicke auf Entferntes hinlenkt, damit wir das
Naheliegende nicht zu unserem Heile gebrauchen.
Körperlich Kranke haben oft ein krankhaftes Verlangen
nach entfernten Ärzten, denen sie den Vorzug geben vor
denen, welche sie in der Nähe haben. Man darf nichts
Unmögliches verlangen und nicht auf schwierigen und
unsicheren Grund bauen.
Es ist nicht genug, zu glauben, dass Gott sich der
verschiedensten Werkzeuge bedienen kann, um uns zu
helfen, sondern man muss glauben, dass er jene nicht
dazu gebrauchen will, die er von uns entfernt, vielmehr
diejenigen verwenden will, die uns nahe sind. Solange
ich dort war, hatte ich keine Veranlassung, Ihrer
Meinung entgegenzutreten; jetzt dagegen ist dieselbe
ganz und gar unzeitig.
Weiterhin haben Sie, wie mir scheint, vollständig den
wunden Fleck bei Ihnen getroffen, wenn Sie mir sagen,
nach Ihrer Ansicht rühre das ganze Elend her von einer
Menge frommer Wünsche, die sich nicht verwirklichen
lassen. Zweifelsohne ist das eine Versuchung ähnlich der
vorigen, oder vielmehr ist diese gleichsam das ganze
Stück Tuch, jene nur ein Stahlen davon.
Das Vielerlei der Speisen, zumal wenn man viel davon
nimmt, beschwert immer den Magen und verdirbt ihn
vollends, wenn er schwach ist. Hat die Seele die bösen
Begierden verlassen, hat sie sich gereinigt von
schlimmen und weltlichen Neigungen, und geistlichen und
heiligen Dingen sich zugewandt, so wirft sie sich mit
solchem Heißhunger auf vielerlei fromme Wünsche und
Übungen, dass sie sich daran übernimmt und Beschwerden
zuzieht.
Heilmittel dagegen suchen Sie bei unserem Heilande und
bei den geistlichen Vätern, die in Ihrer Nähe sind.
Letztere können das Übel an Ort und Stelle untersuchen
und treffen daher auch am besten die anzuwendenden
Mittel. Gleichwohl will ich Ihnen unverhohlen sagen, was
ich von der Sache denke.
Machen Sie nicht Ernst daraus , einige jener frommen
Wünsche ins Werk zu setzen, so werden sie immer mehr
sich vervielfältigen und Ihren Geist derart überwuchern,
dass derselbe gar nicht mehr ein noch aus weiß. Es tut
daher Not, dass Sie zur Ausführung schreiten. Aber in
welcher Reihenfolge?
Den Anfang müssen Sie machen auf dem Gebiete äußerer,
greifbarer Handlungen, welches am meisten im Bereiche
unserer Gewalt steht. Haben Sie nicht z. B. den Wunsch,
Kranken aus Liebe zu unserem Heilande zu dienen oder
gewissen niedrigen und verächtlichen Dienstleistungen im
Hause aus Demut sich zu unterziehen? Solcher Art sind ja
die fundamentalen Wünsche, ohne welche alle übrigen
verdächtig und verächtlich sind und sein müssen.
Wohlan also, üben Sie sich wacker darin, derartigen
Wünschen durch die Tat Genüge zu leisten; an Gelegenheit
und Anlass dazu werden Sie keinen Mangel haben. Sie sind
dazu völlig imstande und sollen es folglich auch tun.
Vergebens werden Sie die Absicht hegen, Dinge zu
vollbringen, die entweder gar nicht im Bereiche der
Möglichkeit oder nur in weiter Ferne liegen, wenn Sie
diejenigen nicht vollbringen, die in Ihrer Macht stehen.
Vollziehen Sie daher treulich die niederen und
hausbackenen Werke der Nächstenliebe, der Demut und
ähnlicher Tugenden: und Sie werden sehen, Sie befinden
sich wohl dabei.
Magdalena muss erst die Füße des Herrn waschen, küssen
und abtrocknen, bevor es ihr vergönnt ist, von Herz zu
Herz mit ihm sich zu unterhalten in geheimnisvoller
Betrachtung; sie muss erst das Salböl über seinen Leib
ausgießen, ehe sie den Balsam ihrer Beschauung über
seine Gottheit ergießt.
Gut ist's, nach viel Gutem Verlangen zu tragen; aber man
muss Ordnung halten in seinen Wünschen und sie ins Werk
zu setzen suchen, einen jeden zu seiner Zeit und nach
Maßgabe unserer Kräfte (Vgl. Philothea III, 2: „Über die
Wahl der Tugenden”).
Am Weinstock und an den Bäumen sucht man zu hindern,
dass sie zu viel in die Blätter schießen, damit sie
nachher Feuchtigkeit und Saft genug haben, Früchte zu
tragen und nicht alle natürliche Kraft in Hervorbringung
zu üppigen Blätterwerks erschöpfen.
Ebenso ist es auch gut, dieses Überwuchern der Wünsche
zu verhindern, es möchte sonst unsere Seele sich in
derselben so gefallen, dass sie um die Verwirklichung
sich nicht weiter kümmerte; und doch ist in der Regel
die geringfügigste Ausführung nutzbringender als die
hochfliegendsten Wünsche nach Großtaten, die über unser
Vermögen sind, da ja Gott von uns mehr die Treue in den
kleinen Dingen verlangt, zu denen er uns die Kraft
gegeben hat, als die Begeisterung für große, die nicht
in unserer Macht stehen.
Stellt sich aber trotz dieser Heilmittel keine
Beruhigung ein, so gedulden Sie sich: warten Sie ab, bis
die Sonne sich erhebt, so werden diese Nebel zerstreut
werden; seien Sie gutes Mutes: diese Krankheit wird
nicht zum Tode sein, sondern damit Gott dadurch
verherrlicht werde! (Joh. 11, 4.) Machen Sie es wie
jene, welche die Seekrankheit haben; nachdem sie
vergebens auf dem ganzen Schiff sich herumgeschleppt
haben, um für ihren gequälten Körper und Geist
Erleichterung zu finden, kommen sie endlich und halten
sich an dem Mastbaum und klammern sich fest an denselben
an, um sich zu schützen gegen den Schwindel. Freilich
gewährt ihnen dies nur eine vorübergehende und
zweifelhafte Erleichterung.
Kommen Sie dagegen in Demut und umklammern den Fuß des
Kreuzes, so werden Sie dort, wenn ihnen nicht geholfen
wird, wenigstens die Geduld angenehmer und das Wirrsal
im Inneren weniger drückend finden als anderwärts.
Sagen wollte ich Ihnen diese wenigen Worte, mehr um
Ihnen meinen guten Willen zu zeigen, als dächte ich, ich
sei wirklich imstande, Ihnen in diesem Stück zu helfen.
Zweifeln Sie indes durchaus nicht, dass ich Sie dem
Vater des Lichtes empfehle; ich tue es mit größter
Bereitwilligkeit und Neigung, indem ich zu meinem Troste
mich überzeugt halte, dass Sie für mich getreulich ein
Gleiches tun, wie ich ja dessen wahrlich höchlich (hoch)
bedarf in einem Augenblicke, wo ich mich einschiffe nach
der stürmischsten und gefahrvollsten Stelle auf diesem
ganzen weiten Meere der Kirche.
18. Gegen eine schwärmerische Verehrerin.
An eine Dame.
Den 22. April 1618.
Teure Herzenstochter! Denken Sie nur, ich habe eine
Tochter, die mir schreibt, durch meine Entfernung sei
ihr das Leid nahe gebracht worden, und wenn sie ihren
Augen nicht Gewalt antäte, so würden sie so viele Tränen
vergießen, als der Himmel Regentropfen hat, um meine
Abreise zu beweinen, nebst anderen schönen Redensarten
ähnlicher Sorte. Sie geht aber noch weiter; sie sei
nicht ein Mensch, sondern eine Gottheit, welche auf die
Erde gesandt sei, um geliebt und bewundert zu werden; ja
was das Ärgste ist, sie sagt, sie möchte noch viel mehr
sagen, wenn sie es nur wagte.
Was sagen sie nun dazu, meine teure Tochter; scheint es
Ihnen nicht unrecht, also zu sprechen? Sind das nicht
maßlose Ausdrücke? Nein, es kann keine Entschuldigung
dafür geben, als nur die Liebe, die sie für mich hegt,
die, in sich gewiss heilig, nur in einer ganz weltlichen
Ausdrucksweise sich kundgibt.
Sagen Sie ihr übrigens, teure Tochter, dass man nie und
unter keinen Umständen einem elenden Geschöpfe die
Eigenschaft der Gottheit beimessen darf, und dass es ein
verkehrter Gedanke ist, wenn man meint, man könne in
seinem Lobe noch weiter gehen. Jedenfalls sei es
ungehörig, so etwas zu sagen, und man müsse sich noch
mehr hüten vor der Eitelkeit in Worten, als in Haar und
Kleidung; in Zukunft möge sie sich einer schlichten und
ungekräuselten Sprache befleißigen. Sagen Sie ihr das
aber in so sanfter, freundlicher und heiliger Weise,
dass sie diese Zurechtweisung gut aufnimmt und
herausfühlt, dieselbe komme aus einem mehr als
väterlichen Herzen, das Sie als meine Herzenstochter, in
welche ich mein ganzes Vertrauen setze, gewiss am besten
kennen müssen. Gott sei immer unsere Liebe, teure
Tochter, in ihm und für ihn leben Sie ewiglich. Amen.
19. Der Heilige drückt einer jungen Dame sein Bedauern
aus über ihr Erkalten in der Frömmigkeit, empfiehlt
ihr eine zurückgezogene Lebensweise und warnt vor einem
Prozess.
Den 9. Juni 1620.
Wird der gute Geist, den ich während einiger Monate,
solange Sie hier in der Stadt waren, bei Ihnen wahrnahm,
nicht in Ihr Herz wiederkehren, meine geliebte Tochter?
In der Tat, wenn ich sehe, dass derselbe verschwunden
ist, werde ich sehr besorgt, nicht gerade um Ihr Heil –
denn ich hoffe, dass Sie es immerhin wirken werden –
aber um Ihre Vollkommenheit, zu welcher Gott Sie beruft
und nie aufgehört hat, Sie zu berufen von Ihrer Jugend
an.
Wie konnte ich Ihnen, meine geliebte Tochter, raten, in
der Welt zu bleiben?
Ich weiß, Sie haben im Grunde des Herzens vortreffliche
Anlagen, legen aber daneben so hohen Wert auf Rang und
Ansehen im Leben, sowie auf natürliche und menschliche
Klugheit und Weisheit, dass ich, zumal bei Ihrer raschen
und feinsinnigen Auffassungsgabe, Sie nur mit
unendlicher Sorge in dem Weltgetriebe sehen könnte, wo
gerade solche gutgeartete, reichbegabte Naturen am
meisten in Gefahr sind, besonders wenn sie, wie dies bei
Ihnen der Fall ist, dazu noch eine unüberwindliche
Abneigung haben, sich unterzuordnen.
Da ist gar kein Zweifel, unter keinen Umständen dürfen
Sie in der Welt bleiben.
Aber wie könnte ich andererseits Ihnen anraten, ins
Kloster zu gehen, während Sie doch nicht allein keine
Neigung dazu haben, sondern im Gegenteil geradezu
Widerwillen gegen diese Lebensweise empfinden?
Wir müssen also eine Lebensweise ausfindig machen,
welche weder weltlich noch klösterlich ist, wo Sie weder
den Gefahren der Welt noch dem Zwang des Klosterlebens
ausgesetzt sind. Man wird es, denke ich, fertig bringen
können, dass Ihnen der Zutritt zu irgend einem Hause der
Heimsuchung gestattet werde, wo Sie sich öfters in der
klösterlichen Stille sammeln können, ohne deshalb
gebunden zu sein. Sie könnten vielmehr in der Nähe des
Klosters wohnen, bloß an einigen frommen Übungen
teilnehmen, welche geeignet wären, Sie auf dem rechten
Wege zu erhalten, und würden so mit aller Bequemlichkeit
Ihren Geist zufriedenstellen können, welcher einen so
merkwürdigen Abscheu hat gegen die Bande der
Unterwürfigkeit und des Gehorsams, dabei aber so schwer
Seelen findet, die ihm zusagen, so leicht die schwachen
Seiten an ihnen herausfindet und so empfindlich davon
berührt wird.
O wenn ich mir die glückliche Zeit vergegenwärtige, wo
Sie so ganz, wie ich's nur wünschen konnte, von sich
losgeschält, so begierig nach Abtötungen und der
Selbstverleugnung so zugetan waren, so kann ich nicht
anders, als hoffen, dieselbe werde noch wiederkehren.
Wo Sie Ihren Aufenthalt wählen wollen, bleibt Ihnen ganz
überlassen. Ich werde wohl, wie ich glaube, nach der
wahrscheinlich um Ostern erfolgenden Rückkehr von meiner
Romreise hier im Lande bleiben. Jedenfalls wählen Sie
einen geeigneten Ort, wo Sie den nötigen geistlichen
Beistand finden können.
Ihrem Wunsche gemäß werde ich mit Herrn N. in
Unterhandlung treten.
O Gott, wie lebhaft und unabänderlich wünsche ich, dass
Ihre Angelegenheiten ohne Prozess sich ordnen ließen!
Denn schließlich werden die Gerichtskosten so viel Geld
verschlingen, dass Sie daran genug hätten, um zu leben;
und weiß man überdies, wie am Ende die Sache ausgeht?
Was wissen Sie, wie die Richter über Ihre Angelegenheit
urteilen und entscheiden werden? Und dann werden Ihre
schönsten Lebenstage hingehen über dieser erbärmlichen
Beschäftigung, und es wird Ihnen wenig übrig bleiben für
die Hauptaufgabe Ihres Lebens; und Gott weiß, ob Sie
nach langer Unruhe Ihren zerstreuten Geist soweit werden
sammeln können, um ihn mit Gottes Güte zu vereinen.
Meine Tochter, wer auf der See lebt, stirbt auf der See;
ich habe selten Menschen, die sich in das Fahrwasser der
Prozesse begaben, anders als in den Verlegenheiten
sterben sehen, die ihre Rechtshändel ihnen zuzogen.
Sehen Sie wohl zu, ob Ihre Seele für derartige Geschäfte
taugt, ob das eine würdige Verwendung Ihrer Zeit ist.
Ziehen Sie Herrn Vincenz (Der hl. Vincenz von PauI.) zu
Rat, besprechen mit ihm diese ganze Angelegenheit und
entschließen sich rasch.
Verlangen Sie nicht, reich zu sein, meine geliebte
Tochter, am wenigsten, wenn Sie nur durch diese elenden
Rechtshändel es werden können. Lieber arm sein,
geliebteste Tochter, als reich sein auf Kosten Ihrer
Ruhe!
Sie sollten mutig zu einer Generalbeichte sich
entschließen, weil Sie anders Ihr Gewissen nicht
beruhigen können und weil ein gelehrter und tugendhafter
Geistlicher es Ihnen geraten hat. Für diesmal indessen
kann ich nicht mehr schreiben, gedrängt wie ich bin
durch meine viele Arbeit und die Abreise des
Überbringers. Gott sei inmitten Ihres Herzens. Amen.
20. Der Heilige gibt Fräulein van Traves den Rat,
sich nicht zu verheiraten und ihre häuslichen Leiden
mutig zu ertragen.
Den 18. April 1609.
Mein Fräulein, da ich Sie zu ehren, zu lieben und Ihnen
zu dienen lebenslänglich bereit bin, so habe ich mich
bei Ihrem lieben Bäschen (Base = Cousine), meiner
Schwester, erkundigt, wie es mit Ihrem Herzen steht, und
habe recht Tröstliches von ihr vernommen. Wie glücklich
werden Sie sein, meine liebe Tochter, wenn Sie dabei
bleiben, die Versprechungen zu verachten, welche die
Welt Ihnen macht. Denn in Wahrheit, sie sind nichts als
eitel Lug und Trug. Sehen wir nie auf das, was sie
verspricht, ohne zugleich daran zu denken, was sie
verborgen hält. Es ist wahr: ein guter Mann ist ein
vortrefflicher Halt im Leben; aber es gibt deren wenige,
und wenn man auch einen guten findet, so kommt man doch
mehr in Abhängigkeit, als man Stütze an ihm hat. Eine
große Sorge haben Sie schon um Ihre Familie, die Sie auf
dem Halse haben; aber diese Sorge würde sich nicht
vermindern, wenn Sie die Last einer zweiten, vielleicht
ebenso großen aus sich nähmen. Bleiben Sie so, ich bitte
Sie darum, und zeigen Sie durch Ihr Verhalten, dass der
Entschluss, nicht zu heiraten, so fest und
unerschütterlich ist, dass niemand mehr daran zweifelt.
Die Plage, unter der Sie jetzt leben, wird Ihnen als ein
kleines Martertum dienen, wenn Sie fortfahren, die
Mühsale, welche damit verbunden sind, mit denen des
Erlösers, Unserer lieben Frau (Maria) und der
Heiligen zu vereinigen, welche mitten unter ihren
vielfältigen und verschiedenartigen Beschwernissen
unverbrüchlich die Liebe und wahre Andacht zu der
heiligsten Einheit Gottes zu bewahren wussten, in
welcher, durch welche und für welche sie ihr Leben zu
einem überseligen Ende geführt haben. Möchten also auch
Sie, wie jene, Ihr Herz, Ihren Leib, Ihre Liebe und Ihr
ganzes Leben Gott erhalten und hinopfern!
Ich bin mit herzlicher Aufrichtigkeit u. s. w.
21. An eine junge Dame, welche sich zu verheiraten
gedachte.
Wenn Ihre gute Cousine Ihnen immer anlag mit dem Rate,
für sich zu bleiben, zur Pflege Ihres Herrn Vaters, um
später sich mit Seele und Leib dem Herrn weihen zu
können, so geben mehrfache Umstände in Ihren
Lebensverhältnissen ihr dazu gegründeten Anlass. Würde
daher Ihr Geist den beiden Berufsarten mit vollständiger
Gleichgültigkeit gegenübergestanden haben, so hätte ich
Ihnen unbedenklich gesagt, Sie möchten jenen Rat als den
würdigsten und geeignetsten befolgen, den man Ihnen zu
geben wüsste; denn das wäre er dann ohne alle Frage
gewesen.
Da jedoch Ihr Geist keineswegs in jener Gleichgültigkeit
der Berufsfrage gegenübersteht, sondern eine ganz
entschiedene Vorneigung für die Ehe hat, und da diese
Neigung, ungeachtet Sie zu Gott Ihre Zuflucht nahmen,
gleichwohl mit Entschiedenheit sich behauptet, so ist es
nicht ratsam, dass Sie einem so stark ausgeprägten Zuge
des Herzens aus irgend einer Rücksicht Gewalt antun.
Denn alle sonstigen Umstände, die an und für sich mehr
als ausreichend wären, um mich zu dem Schlusse der
lieben Cousine hinzuführen, fallen gar nicht ins Gewicht
gegenüber einer so entschiedenen Vorneigung für den
Ehestand. Wirklich, wäre dieselbe nur matt und schwach,
so würde wenig darauf zu geben sein; nun sie aber so
stark und nachhaltig ist, muss sie maßgebend für Ihre
Entscheidung sein.
Ist also der Mann, den man Ihnen vorgeschlagen hat, eine
sonst angemessene Partie für Sie, ist es ein braver
Mensch, von mitleidigem Charakter, so dürfte es sich
empfehlen, denselben zu nehmen. Ich sage, wenn er ein
mitleidiges Herz hat, weil Ihr Körpergebrechen solches
fordert, wie er umgekehrt von Ihnen fordern darf, dass
Sie dieses Gebrechen durch große Sanftmut, aufrichtige
Liebe und anspruchloseste Demut auszugleichen trachten,
mit einem Worte, dass wahre Tugend und Vollkommenheit
des Geistes die Mängel des Körpers bedecken.
Ich bin sehr eilig, meine liebe Tochter, und kann Ihnen
nicht viel weiter sagen. Ich schließe also mit der
Zusicherung, dass ich Sie immer dem Herrn empfehlen
will, auf dass er Ihr Leben zu seiner Ehre lenken möge.
Der Ehestand ist ein Stand, der weit mehr Tugend und
Standhaftigkeit verlangt als irgend ein anderer; er ist
eine unaufhörliche Übung in der Abtötung und wird es für
Sie vielleicht noch mehr als gewöhnlich sein. Sie müssen
daher mit besonderer Sorgfalt sich darauf vorbereiten,
damit Sie aus dieser Thymianstaude, ungeachtet der
natürlichen Bitterkeit ihres Saftes, den Honig eines
heiligen Wandels zu ziehen imstande seien. Möge immer
der süße Jesus Ihnen Zucker und Honig sein und Ihnen
Ihren Beruf leicht machen; möge er immerdar leben und
regieren in unseren Herzen!
Ich bin in ihm u. s. w.
22. Ratschläge wegen eines Gelübdes der Keuschheit.
An eine junge Dame.
Annecy, 18. Mai 1608.
Mein Fräulein! Ich bin der Ansicht, das Verlangen, Gott
Ihre Keuschheit zu geloben, habe sich nicht in Ihrer
Seele gebildet, ohne dass Sie vorher lange die
Wichtigkeit eines solchen Gelöbnisses bei sich erwogen
haben. Ich bin daher einverstanden, dass Sie dasselbe
ablegen, und zwar just am nächsten Pfingstfeste. (Im
Jahre 1608 am 25. Mai.) Um indessen die Sache gut zu
machen, nehmen Sie sich die Zeit, an den drei
vorhergehenden Tagen sich Gelübdeablegung recht durch
Gebet vorzubereiten, zu welchem Sie den Stoff folgenden
Betrachtungen entnehmen können.
Erwägen Sie, wie wohlgefällig die Tugend der Keuschheit
Gott und den Engeln ist, der gewollt hat, dass dieselbe
ewiglich im Himmel geübt werde, wo es weder irgend eine
Art fleischlicher Lust noch eine Ehe gibt. Muss es nicht
ein beseligendes Gefühl für Sie sein, hinieden (hier
auf rden) schon ein Leben zu beginnen, welches Sie
dort oben ewig fortführen sollen ? Preisen Sie also den
Herrn, der Ihnen diesen heiligen Gedanken eingegeben
hat.
Erwägen Sie, wie edel diese Tugend ist, die unsere
Seelen weiß erhält wie die Lilie und rein wie die Sonne;
die auch unserem Leibe eine heilige Weihe erteilt und
uns die Möglichkeit gewährt, seiner göttlichen Majestät
ganz anzugehören, mit Leib und Seele, mit ganzem Herzen
und allen Gefühlen desselben!
Liegt nicht ein hohes Genügen darin, zu unserem Herrn
sprechen zu können: „Mein Herz und mein Fleisch jauchzen
auf vor Freude” (Ps. 83, 3.) ob deiner Güte; aus Liebe
zu dieser verzichte ich auf jede irdische Liebe; um sie
zu erfreuen, entsage ich jeder anderen Freude? Welch ein
Glück, dem Leibe keinerlei sinnliche Lust zu lassen, um
das Herz desto vollständiger seinem Gott schenken zu
können!
Erwägen Sie, wie die seligste Jungfrau als die Erste
Gott ihre Jungfrauschaft angelobte, und nach ihr so
viele Jungfrauen und Jünglinge. Und mit welcher
Inbrunst, mit welcher Liebe, mit welcher Begeisterung
geschah diese Hinopferung! O Gott, es lässt sich nicht
sagen. Demütigen Sie sich tief vor dem himmlischen Chor
der Jungfrauen und flehen Sie an in demütiger Bitte,
dass Sie in ihre Gemeinschaft aufgenommen werden, nicht
als vermöchten Sie ihre erhabene Reinheit zu erreichen,
sondern um als ihre unwürdige Magd angenommen zu werden,
indem Sie so nahe wie möglich ihren Fußstapfen folgen.
Flehen Sie zu ihnen, dass sie mit Ihnen Ihr Gelübde
Jesus Christus, dem Könige der Jungfrauen, aufopfern,
und dass sie das Opfer Ihrer Keuschheit wohlgefällig
machen durch das Verdienst der ihrigen. Besonders aber
empfehlen Sie Ihr Vorhaben Unserer lieben Frau und dann
Ihrem Schutzengel, damit er fortan mit besonderer
Sorgfalt Ihr Herz und Ihren Leib bewahre vor jeder
Befleckung, die Ihrem Gelübde zuwider wäre.
Kommt dann der Pfingsttag, so bieten Sie, wenn der
Priester die heilige Hostie erhebt, mit ihm Gott dem
ewigen Vater den kostbaren Leib seinem lieben Sohnes
Jesus und damit zugleich auch Ihren Leib zum Opfer dar,
mit dem Gelöbnis, denselben in Keuschheit zu bewahren
alle Tage Ihres Lebens; zu diesem Ende könnten Sie sich
folgender Worte bedienen:
Ewiger Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, ich N.,
dein unwürdiges Geschöpf, erscheine hier vor deiner
göttlichen Majestät und vor deinem ganzen himmlischen
Hofe und verspreche und gelobe, alle Tage meines
sterblichen Lebens, die mir nach deinem Willen
beschieden sind, mit Hilfe der Huld und Gnade deines
Heiligen Geistes, gänzliche Keuschheit und
Enthaltsamkeit zu beobachten und zu bewahren. Möge es
dir gefallen, dieses mein unwiderrufliches Gelübde als
ein dir angenehmes Opfer anzunehmen; und da es dir
gefallen hat, mir den inneren Antrieb dazu zu geben, so
verleihe mir auch die Kraft, dasselbe zu deiner Ehre zu
vollenden bis in Ewigkeit.
Einzelne bringen dieses Gelübde zu Papier oder lassen es
ausschreiben und unterzeichnen es dann. Sie übergeben es
so ihrem geistlichen Vater, damit dieser gleichsam die
Stelle eines Schirmherrn und Paten dabei übernehme.
Es mag dies vielleicht nützlich sein, nötig ist es
nicht.
Sie nehmen nun darauf die Kommunion und können alsdann
in Wahrheit den Heiland Ihren Bräutigam nennen.
Sprechen Sie indessen darüber noch mit Ihrem
Beichtvater; würde er abraten, so müssten Sie sich darin
fügen, da er einen Einblick in Ihren gegenwärtigen
Seelenzustand hat und daher besser beurteilen kann, was
Ihnen frommt (nützt / hilft), als ich.
Haben Sie aber das Gelübde abgelegt, meine gute Tochter,
so dürfen Sie fortan nie jemand gestatten, um Liebe oder
Ehe bei Ihnen zu werben, müssen vielmehr eine große
Ehrfurcht vor Ihrem Leibe hegen, nicht wie vor dem
Ihrigen, sondern wie vor einem heiligen Leibe, vor einer
hochheiligen Reliquie. Und gleichwie man es nicht wagt,
einen Kelch, nachdem derselbe von dem Bischofe geweiht
ist, zu berühren oder zu profanem Zweck zu gebrauchen,
so dürfen auch Sie, nachdem der Heilige Geist durch
dieses Gelübde Ihr Herz und Ihren Leib geweiht hat,
denselben nur mit großer Ehrfurcht behandeln.
Übrigens will ich die ganze Angelegenheit Gott
empfehlen, der weiß, wie herzlich ich Ihnen zugetan bin
um seinetwillen. Am Pfingstfeste will ich ihm Ihr Herz
aufopfern samt allem, was daraus zu seiner Ehre
hervorgehen wird. Möge immerdar Jesus Ihre Liebe und
seine heilige Mutter Ihre Führerin sein!
Amen.
Ihr Diener in Jesus Christus u. s. w.
23. Welch ein Glück es ist, Gott ganz anzugehören.
An eine junge Dame.
Vorabend von Mariä Geburt, September 1619.
Meine teure Tochter! Ich sage Ihnen von ganzem Herzen
Lebewohl. Mögen Sie allezeit Gott angehören in diesem
sterblichen Leben, indem Sie Ihm treu dienen und die
Last des Kreuzes ihm nachtragen, und in dem ewigen
Leben, indem Sie ihm ewiglich Lob singen mit dem ganzen
himmlischen Hofe. Ein hohes Glück ist es für unsere
Seelen, Gott anzugehören, und das allerhöchste, ihm
allein anzugehören.
Wer nur Gott angehört, ist niemals betrübt, außer wenn
er Gott beleidigt hat; aber seine Traurigkeit geht über
in eine tiefe, aber ruhige und friedliche Demut und
Ergebung, worauf er sich an der göttlichen Güte mittels
eines sanften und friedlichen Vertrauens wieder
aufrichtet, ohne weiteren Ärger oder Verdruss.
Wer nur Gott gehört, sucht ihn allein, und weil er den
Herrn nicht minder in der Trübsal als im Glücke findet,
so bleibt er auch bei Widerwärtigkeiten im Frieden.
Wer nur Gott gehört, denkt häufig an ihn bei allen
Beschäftigungen dieses Lebens. Wer nur Gott gehört, will
haben, dass jeder wisse, dass er Gott dienen will, und
versucht sich gerne in den Übungen, die geeignet sind,
ihn in diesem Streben zu erhalten.
Leben Sie also ganz für Gott, meine teure Tochter, und
gehören ihm ausschließlich an: verlangen Sie nichts
weiter, als ihm zu gefallen und seinen Geschöpfen in
ihm, für ihn und nach seinem Willen. Könnte ich Ihnen
wohl einen größeren Segen wünschen? Mit diesem Wunsche
also, meine teure Tochter, den ich immerdar für Ihre
Seele hegen werde, sage ich Ihnen Lebewohl; und indem
ich Sie bitte, mich oft der Barmherzigkeit Gottes zu
empfehlen, verbleibe ich
Ihr u. s. w.
Zweites Buch.
Briefe an verheiratete Frauen.
1. Der Heilige beglückwünscht eine junge Frau zu
ihrer Vermählung und erteilt ihr Ratschläge in Betreff
der Pflichten ihres neuen Standes.
Gott sei gelobt und gepriesen wegen der Veränderung des
Standes, zu der Sie sich in seinem Namen entschlossen
haben, meine geliebte Tochter. Ich nenne Sie noch immer:
meine geliebte Tochter; denn diese Veränderung ändert in
nichts die wahrhaft väterliche Zuneigung, die ich Ihnen
gewidmet habe. Sie werden sehen, wenn Ihre Seele sich
recht vollkommen der Vorsehung und dem Willen unseres
Herrn übergibt, so werden Sie in Ihrem neuen Berufe gute
Fortschritte machen, viel Trost haben und endlich recht
heilig werden. das war es, was Ihrer Seele fehlte, dass
Sie aus Ihrem Lebenswege gerade diesem so wohlgesinnten
Manne begegnet sind.
Mit Unrecht machen Sie sich Gewissensbisse darüber, das
Fasten zu brechen, da der Arzt es verlangt.
Hinsichtlich der Kommunion richten Sie sich nach der
Anordnung Ihres Beichtvaters. Sie müssen darin seinen
Ansichten sich fügen und Sie werden nichts dabei
verlieren; denn was Ihnen so durch Entbehrung des
Sakramentes entgeht, das bringen Sie ein durch
Unterwerfung und Gehorsam. Andere Vorschriften für Ihr
Leben werde ich Ihnen nicht geben als diejenigen, welche
Sie in meinem Buche finden (In der Philothea.); aber
wenn Gott es fügt, dass ich Sie sehe, oder wenn Ihnen
irgend eine Schwierigkeit aufstößt, so werde ich gern
darüber Bescheid geben.
Es ist durchaus nicht notwendig, dass Sie mir Ihre
Beichte schreiben; nur wenn Sie über einen besonderen
Punkt mit meinem Herzen, welches Ihnen ganz zugetan ist,
sich benehmen möchten, mögen Sie es tun.
Seien Sie recht sanft, leben Sie nicht nach Lust und
Laune, sondern gemäß der Vernunft und Gottseligkeit.
Lieben Sie Ihren Gatten zärtlich als ein Geschenk aus
Gottes eigener Hand.
Seien Sie recht demütig gegen jedermann; Sie müssen eine
große Sorgfalt darauf verwenden, Ihre Seele in Ruhe und
Frieden zu erhalten und die bösen Neigungen, die Sie
haben, durch die Übung der entgegengesetzten Tugenden zu
überwinden, indem Sie den Vorsatz fassen, in der
Ausübung dieser Tugenden noch eifriger, aufmerksamer und
tätiger zu werden. Merken Sie sich das Wort, was ich
Ihnen jetzt sagen will: Ihr Fehler besteht darin, dass
Sie mehr das Laster fürchten, als die Tugend lieben.
Vermöchten Sie es, Ihre Seele ein wenig ernstlicher für
die Übung der Sanftmut und wahren Demut zu gewinnen,
meine liebe Tochter, so wäre das recht brav von Ihnen;
aber dann müssen Sie oft daran denken. Versäumen Sie
nicht die Morgenandacht (Vgl. Philothea II, 10.) und
halten unverbrüchlich fest an dieser Übung. Gott wird es
Ihnen lohnen mit tausendfachem Troste. Vergessen Sie zu
dem Ende nicht, Ihr Herz oft zu Gott und Ihre Gedanken
zur Ewigkeit zu erheben. Lesen Sie alle Tage ein wenig,
im Namen Gottes bitte ich Sie darum; tun Sie es mir
zuliebe, der Sie alle Tage Gott anempfiehlt und seine
unendliche Güte anfleht, dass sie Ihnen immerdar nahe
bleibe mit ihrem Segen.
Ihr u. s. w.
2. Aufforderung an eine sehr glücklich vermählte junge
Frau, Recht auf ihr und der Ihrigen ewiges Heil
Bedacht zu nehmen.
Lyon, am Vorabend Unser lieben Frau 1612.
Gnädige Frau! Die Hoffnung, welche ich seit einem Jahre
immer hegte, nach Frankreich zu kommen, hat mich
abgehalten, Sie brieflich an meine unveränderliche
Dienstwilligkeit gegen Sie zu erinnern. Immer glaubte
ich, irgend eine glückliche Fügung werde es mir
ermöglichen, Ihnen persönlich diese Versicherung geben
zu können. Da ich aber auf dieses Glück jetzt beinahe
nicht mehr zu hoffen wage und der würdige Überbringer
dieses mir eine so sichere Gelegenheit bietet, so freue
ich mich dessen mit Ihnen, meine liebe Tochter – denn
diese Anrede ist herzlicher – von ganzem Herzen.
Ich freue mich und preise unsern Herrn wegen Ihrer
ebenso standesgemäßen als glücklichen Heirat. Dieselbe
wird Ihnen als Fundament dienen, um darauf den Bau eines
glücklichen und angenehmen Lebens in dieser Welt
aufzurichten, und in der heiligen Furcht Gottes, in
welcher Sie durch seine Gnade schon von der Wiege auf
erzogen worden sind, glücklich durch diese Sterblichkeit
hindurchzugehen. Denn von allen Seiten höre ich, dass
Ihr Herr Gemahl einer der bravsten und vollendetsten
Kavaliere Frankreichs ist, und dass Ihre Verbindung
nicht allein durch heilige Freundschaft, in welcher sie
immer inniger werden muss, geknüpft, sondern auch
bereits mit Fruchtbarkeit gesegnet ist, so dass Sie, wie
N. mir versichert, Ihrer Entbindung nahe sind.
Allen diesen Hulderweisungen des Himmels müssen Sie zu
entsprechen trachten, meine geliebte Tochter. Sie sind
Ihnen ohne Zweifel nur dazu gegeben, damit Sie dieselben
zur Ehre dessen, der Sie also begnadigt, und zu Ihrem
Seelenheile gebrauchen. Ich hege den festen Glauben,
meine liebe Tochter, Sie werden mit allem Mute dieser
Aufgabe sich widmen; Sie werden es tun in der festen
Überzeugung, dass das Glück Ihres Hauses und Ihr
persönliches Heil in diesem vergänglichen Leben, sowie
die Hoffnung auf das ewige Leben in jener Welt davon
abhängt.
Wohlan also, erneuern Sie in diesem neuen Stande der
Ehe, in welchem Sie sich nunmehr befinden, recht oft die
Entschlüsse, welche wir so oft gefasst haben, in welche
Lage uns Gott auch bringen werde, heilig und tugendhaft
zu leben.
Und wenn es Ihnen angenehm ist, fahren Sie fort, mich
mit Ihrem kindlichen Wohlwollen zu beehren, meine liebe
Tochter, wie ich meinerseits Ihnen die Versicherung
gebe, dass ich nie die heilige Messe feiere, ohne mit
einem Herzen voll väterlicher Zuneigung Sie und Ihren
Herrn Gemahl ganz besonders Gott anzuempfehlen.
Ich bin und bleibe immer Ihr und Ihres Gatten sehr
ergebener u. s. w.
3. Der Heilige beglückwünscht Frau v. Chaillot zu
ihrer Vermählung und gibt Verhaltungsmaßregeln für ihren
neuen Stand.
Am Feste des hl. Johannes des Evangelisten,
27. Dezember 1617.
Werteste Frau! Die Zeichen wahrer Tugend und
Frömmigkeit, welche ich an Ihrer Seele wahrgenommen
habe, die Hochachtung, welche ich für Ihr Verdienst
hege, werden mir nie gestatten, von der aufrichtigen
Wertschätzung und Liebe zu lassen, welche ich für Sie
empfinde. Obwohl ich mir daher gemäß den Festsetzungen
des vergangenen Jahres hätte vorstellen können, dass Sie
nicht mehr hier seien, konnte mein Herz anfangs nicht
umhin, Sie immer noch bei Ihrer Frau Mutter zu suchen,
und wenn ich jetzt im Geiste in Ihrer neuen Heimat bei
Ihnen vorspreche, so geschieht es zunächst, um mich mit
Ihnen Ihrer so glücklichen Verehelichung zu freuen. Viel
Gutes habe ich darüber gehört: wie Ihr Herr Gemahl so
tugendhaft ist, ein wie schönes Verhältnis zwischen
Ihnen beiden besteht und wie Ihre Herzen durch das Band
einer heiligen und unverbrüchlichen Freundschaft
verbunden sind, mit einem Worte, wie Sie alle Ursache
haben, Gott zu preisen, dass Sie es durch die Fürsorge
Ihres Herrn Vaters und Ihrer Frau Mutter so gut
getroffen haben.
Indem ich sodann mich erinnere, dass Sie ein wenig meine
geistliche Tochter gewesen sind, bitte ich Sie, recht
gemäß der Gnade zu leben, die der Herr Ihnen erwiesen
hat, und mit aller Treue dem Lichte zu folgen, welches
er mittels so vieler guten Lehren Ihnen vom Himmel
gesandt hat.
Seien Sie darauf bedacht, beste Frau, alle Tage in
rechter Demut zu leben, auf dass Gott Sie segne und Ihr
ganzes Haus. Es steht fest: „den Stolzen widersteht
Gott, den Demütigen gibt er seine Gnade“ (Jac. 4, 6.).
Nichts wird Ihnen so viel Ehre einbringen, als die
Demut; denn „Gott erhöht die Demütigen“ (Luc. 1, 52.).
Jegliche Segnung wird dieselbe auf Sie herabziehen.
Weiter seien Sie bedacht, ja die Zeit gut anzuwenden.
Nichts, was uns so viel Achtung, Ehre und Glück
einbringt, als wenn man sich keinerlei Müßiggang
gestattet.
Ich sage Ihnen nichts von der heiligen Gottseligkeit,
die zu aller Zeit und an allen Orten zu wünschen ist;
Sie wissen es ja: in Lust und und Freude lehrt sie unser
Herz Maß halten, in Widerwärtigkeiten ist sie unsere
Zuflucht und Erquickung; und was auch über uns kommen
mag, sie lässt uns Gott lobpreisen, der besser ist als
alles, was man wünschen mag. Sie macht die Jugend
verständiger und liebenswürdiger, und das Alter
erträglicher und freundlicher.
Sie wollen auch nachsehen, was ich in der „Anleitung zum
gottseligen Leben” bemerkt habe über die Sanftmut und
Freundlichkeit, wie solche in der Ehe gepflegt werden
muss (Philothea III, 38.); und um die Lehren, welche Sie
dort finden, gut befolgen zu lernen, müssen Sie gleich
ans Werk gehen und die Beobachtung derselben fortan zum
Gegenstand Ihres morgendlichen Vorsatzes und Ihrer
abendlichen Gewissenserforschung machen (Vgl.
ebendasselbe. II, 10.). In Ihren Gebeten denken Sie,
bitte, auch bisweilen ein wenig meiner, der ich Ihnen
und Ihrem geehrten Herrn Gemahl von ganzem Herzen und
aus allen Kräften tausendfältigen Segen wünsche, indem
ich verbleibe
Ihr ergebenster u. s. w.
4.
Verhalten gegen Schwiegereltern.
An eine Verwandte.
10. November 1616.
Ihr Schreiben, meine teure Tochter, beantworte ich spät,
und dennoch fehlt mir auch jetzt noch fast die nötige
Zeit dazu.
So haben Sie also jetzt eine Haushaltung zu führen;
dagegen hilft nun nichts mehr: Sie müssen das sein, was
Sie sind, eine Hausfrau, da Sie Mann und Kinder haben;
und Sie müssen es gern und mit Liebe zu Gott sein, so
aus Liebe zu Gott, wie ich es in der „Philothea“ klar
genug auseinandergesetzt, ohne sich aber dabei mehr zu
beunruhigen und abzuhasten, als durchaus notwendig ist (Philotea
III, 10.).
Ich verhehle mir inzwischen nicht, meine teure Tochter,
dass es seine Schwierigkeiten hat, einem Hauswesen
vorzustehen, wo noch Vater und Mutter im Hause sind.
Denn niemals ist mir noch ein Vater und noch viel
weniger eine Mutter vorgekommen, welche das Regiment
gänzlich der Tochter überlassen hätten, so zuträglich
dies auch mitunter wäre. Mein Rat ist nun, dass Sie mit
möglichster Sanftmut und Umsicht tun, was Ihres Amtes
ist, ohne je den Frieden mit den Eltern zu brechen.
Besser, es geht in der Wirtschaft etwas weniger gut, als
dass diejenigen unzufrieden werden, gegen die man so
viele Verpflichtungen hat.
Übrigens liegt Ihnen, wenn ich mich nicht irre, Ihrer
ganzen Gemütsart nach alle Streitsucht ferne. Der Friede
ist mehr wert als ein Gewinn. Was Sie mit Liebe
erreichen können, mag geschehen; was nur mit Streit
durchgesetzt werden könnte, muss unterbleiben, wenn man
mit Personen zu tun hat, denen man so viel Verehrung
schuldet. Es ist mir nicht zweifelhaft, dass hie und da
Abneigung und Widerspruch sich in Ihrem Herzen regen
wird, aber, meine teure Tochter, das sind ebenso viele
Gelegenheiten, die wahre Tugend der Sanftmut zu
betätigen. Denn wir müssen in guter, heiliger und
liebreicher Art tun, was wir jedem schuldig sind, selbst
wenn es gegen unseren Wunsch und Geschmack ist.
Das ist es, meine Tochter, was ich vorläufig Ihnen sagen
kann. Nur bitte ich Sie noch inständig, von meiner
vollkommenen und wahrhaft väterlichen Zuneigung
überzeugt zu sein, da es ja Gott gefallen hat, Ihnen ein
so rückhaltloses und kindliches Vertrauen zu mir
einzuflößen. Fahren Sie fort, meine teure Tochter, mir
von Herzen gut zu sein.
Verlegen Sie sich recht ans das betrachtende Gebet,
legen Sie oftmals Ihr Herz in Gottes Hand, lassen Sie
Ihre Seele Ruhe finden in seiner Güte und stellen Ihre
Sorge wegen der Reise Ihres teuren Gatten oder wegen
Ihrer sonstigen Angelegenheiten unter seine Obhut. Alles
übrige überlassen Sie dem Herrn, der nach Maßgabe seiner
Vorsehung früher oder später dafür sorgen wird.
Kurz, suchen Sie für immer ganz Gott anzugehören, meine
Tochter, wie ich in ihm verbleibe
Ihr ganz ergebener u. s. w.
5.
Aus einem Briefe an seine Schwester, Frau v.
Cornillon.
Ich habe gehört, dass mein Bruder und Du von Tag zu Tag
mehr und mehr zu leiden haben von den Launen Deines
Herrn Schwiegervaters. Meine Tochter! wenn Du dieses
Kreuz recht zu nehmen weißt, wirst Du glücklich sein;
denn Gott wird zum Lohn dafür Dir tausendfache Segnungen
schenken, nicht bloß im anderen, sondern sogar schon in
diesem Leben; aber es gilt mutig auszudauern in Sanftmut
und Geduld.
6.
Überhäufung mit Arbeit gibt Anlass zur Ausübung
vieler Tugenden.
An eine Dame.
Es fällt mir ein, dass Sie wegen Überbürdung mit so
vielfältigen Geschäften klagten. Ich sage Ihnen aber:
das ist gerade die schönste Gelegenheit, sich wahre und
kernhafte Tugenden zu erwerben. Wer so von allen Seiten
in Anspruch genommen ist, hat ein fortwährendes
Martyrium. Gleichwie nämlich die Fliegen dem Reisenden
im Sommer mehr Verdruss und Beschwerde verursachen, als
die Reise selbst, so ist auch die Menge und
Verschiedenartigkeit der Arbeiten beschwerlicher als die
Last, welche man an sich damit hat.
Sie haben Geduld nötig, und hoffentlich wird Gott Sie
Ihnen geben, wenn Sie ihn inständig darum bitten und
sich Mühe geben, sich mit aller Treue darin zu üben.
Jeden Morgen müssen Sie diesem Gegenstande Ihre
Aufmerksamkeit zuwenden, indem Sie in einem Punkte Ihrer
Betrachtung jene Tugend ins Auge fassen und sich fest
vornehmen, sich den Tag hindurch ebenso oft wieder in
Geduld fassen zu wollen, als Sie merken, dass Ihnen
dieselbe ausgehen will. Lassen Sie keine noch so
geringfügige Gelegenheit vorübergehen, gegen männiglich
(ausnahmslos jeder) die Sanftmut des Herzens zu
üben.
Hoffen Sie ja nicht auf ein Gelingen Ihrer
Unternehmungen vermöge eigener Tüchtigkeit, sondern
einzig durch Gottes Beistand; der Gedanke an seine
Fürsorge sei stets Ihre Beruhigung; Sie sehen ja, er
macht es immer aufs beste für wenn Sie Ihrerseits nur
mit sanfter Besessenheit das Ihrige tun. Ich sage: mit
sanfter Beflissenheit; denn hastiger Fleiß ist störend
für Herz und Hand, und ist nicht sowohl Fleiß, als
Überstürzung und Wirrnis (Philothea III, 10.).
Ach Gott, liebe Frau, wie bald werden wir in der
Ewigkeit sein; dort werden wir einsehen, wie wenig es
mit allen Angelegenheiten dieser Welt auf sich hat, und
wie wenig daran lag, ob sie gelangen oder nicht. Und
doch machen wir uns jetzt Sorge darum, als wären es
wunders wie (besonders außergewöhnliche) wichtige
Dinge. Da wir noch kleine Kinder waren, mit welcher
Geschäftigkeit schleppten wir da Ziegelstücke, Hölzer
und Lehm zusammen, um Häuschen und Hütten zu bauen! Und
würde uns jemand dieselben zerstört haben, wir wären
darüber bis zu Tränen betrübt worden; jetzt wissen wir
recht wohl, dass an dem ganzen Plunder blutwenig (sehr
wenig) gelegen war. Geradeso wird es einst im Himmel
sein, und wir werden einsehen, dass alle unsere
Bekümmernisse um die Welt reine Kindereien waren.
Ganz beseitigen möchte ich aber die Sorge um diese
Lappalien darum doch nicht; denn Gott hat dieselben zu
unserer Übung uns angewiesen; wohl aber möchte ich
dieser Sorge die Beimischung von Hitze und Ungestüm
benehmen. Treiben wir immerhin unsere Kindereien, da wir
nun einmal Kinder sind. Hüten wir uns nur dabei vor
innerer Erkaltung, und kommt einer daher und zertrümmert
unsere Häuschen und durchkreuzt unsere Pläne, so machen
wir uns nicht viel Kummer deswegen. Kommt der Abend, wo
wir zur Ruhe gehen, nahet der Tod heran, so ist es ja
doch nichts mit all diesen Häuschen; da heißt es
eingehen in das Haus unseres Vaters. Besorgen Sie also
in Treuen Ihre Geschäfte; seien aber durchdrungen davon,
dass es kein so hochwichtiges Geschäft gibt, als das
Geschäft Ihres Heiles, und dass nichts so notwendig zum
Heile ist, als Ihre Seele auf den Weg zu der wahren
Gottseligkeit zu führen.
Haben sie Geduld mit allen, vor allem mit sich selbst;
das heißt: Machen Sie sich keine Sorge wegen Ihrer
Unvollkommenheiten und suchen mit immer frischem Mute
sich wieder über dieselben zu erheben. Ich bin zufrieden
mit Ihnen, wenn Sie alle Tage aufs Neue anfangen; ein
besseres Mittel, den Weg zum Himmel glücklich
zurückzulegen, gibt es nicht, als wenn man immer wieder
anfängt und niemals sich der Meinung hingibt, als habe
man getan.
Empfehlen Sie mich der Barmherzigkeit Gottes, welche ich
anflehe, Ihnen den Überfluss seiner heiligen Liebe zu
schenken. Amen. Ich verbleibe Ihr
u. s. w.
7. Vertrauen auf die göttliche Vorsehung und Fassung
in dem Wirrsal der häuslichen Arbeiten.
An eine Dame.
Werteste Frau! Stets wird es ein ganz besonderer Trost
für mich sein, wenn ich das Glück habe, Briefe von Ihnen
zu empfangen. Denn in Wahrheit hege ich Hochachtung und
die vollkommenste Liebe für Sie, da mir der Herr
gestattet hat, einen Blick in Ihr Herz zu tun und das
heilige Verlangen desselben wahrzunehmen, in
unwandelbarer Liebe für jene göttliche Güte zu erglühen,
neben welcher uns nichts gut, nichts liebenswert
erscheinen kann.
Glauben Sie mir aber, teuerste Tochter -- ich kann es
meinem Herzen nicht wehren, Sie mit diesem herzlichen
Namen zu nennen – glauben Sie es mir, wenn meine Wünsche
Erhörung finden, so werden Sie in dieser heiligen Liebe
unablässige Fortschritte machen; denn ich werde niemals
vergessen, Gott darum zu bitten und manchmal in dieser
Meinung das heilige Opfer darbringen. Doch ich muss
Ihnen etwas auf Ihren Brief sagen.
Sie sehen, wie freundlich sich die göttliche Vorsehung
gegen Sie erzeigt und wie sie ihre Hilfe nur aufschiebt,
um das Vertrauen in Ihrem Herzen erstarken zu lassen.
Das Kind wird niemals zu Grunde gehen, welches bleibt
auf den Armen eines Vaters, der allmächtig ist. Gibt
Gott uns nicht allemal, worum wir ihn bitten, so tut er
es nur, damit wir desto länger bei ihm bleiben und desto
mehr in ihn dringen und mit liebender Gewalt ihn
nötigen, wie er solches bei den Pilgern von Emmaus zu
erkennen gab, mit denen er bei der Neige des Tages, erst
spät und auf ihr Drängen, Einkehr nahm. Kurz, er ist die
Huld und Güte selbst; denn sobald wir unter seinen
Willen uns demütigen, geht er ein auf den unsrigen.
Bestreben Sie sich also, meine Tochter, mehr und mehr
Ihr Vertrauen zu dieser heiligen Vorsehung zu kräftigen,
beten Sie häufig dieselbe an in stiller Einkehr des
Herzens und vertiefen sich in deren Anschauung, wie
solches in meiner Anleitung angegeben ist (Vgl.
Philothea II, 2.).
Ich preise Gott, dass Sie sich tapfer halten, ungeachtet
Ihrer unablässigen Haushaltungssorgen, bei welchen Ihre
Liebe sich bewähren muss wie des Kriegers Mut in der
Schlacht.
Frau v. Chantal ist hier mit ihrer kleinen Schar. Am 28.
April werden sie ihren öffentlichen Chordienst beginnen.
Sie haben weit mehr Gunst bei dem Herrn Kardinal
gefunden, als ich nach den ersten Anzeichen erwarten
durfte
(Kardinal v. Marquemont in Lyon, wo im Jahr 1615 ein
Kloster von der Heimsuchung errichtet wurde.).
Ich werde nicht ermangeln, der Versammlung, besonders
dem Herzen der Frau v. Chantal eine besondere Liebe zu
Ihnen einzuflößen, indem ich Ihnen die Versicherung
gebe, dass ich sehnlichst wünsche, Sie mit jener reinen
Liebe erfüllt zu sehen, welche uns für immer Gott
wohlgefällig macht und allen Geschöpfen, die ihm dienen.
Amen.
Ich verbleibe auf immer Ihr u. s. w.
8. Mittel
gegen die Ungeduld bei häuslichen
Unannehmlichkeiten.
An eine Dame.
Meine geliebte Tochter! Sie werden immer, so oft es mir
möglich ist, Briefe von mir erhalten; aber jetzt
schreibe ich Ihnen besonders gerne, weil Herr Moyron,
der Überbringer dieser Zeilen, mein nächster Nachbar in
dieser Stadt, mein inniger Freund und Verwandter ist und
Sie bei dessen Rückkehr mir mit vollster Sicherheit
schreiben können. Ich habe ihn gebeten, das Bild der
Mutter Theresia, falls es fertig ist, abzunehmen, zu
bezahlen und es mir mitzubringen.
Es will mir indessen scheinen, meine Tochter, als hätte
ich Ihnen in meinem letzten Schreiben nicht deutlich
genug gesagt, was hinsichtlich Ihrer kleinen, aber
häufig wiederkehrenden Ungeduld bei häuslichen
Vorkommnissen mein Wunsch ist. Ich sage Ihnen also: Sie
haben eine besondere Achtsamkeit nötig, um dabei ruhig
zu bleiben. Wenn Sie des Morgens aufgestanden sind, wenn
Sie vom Gebete sich erheben, wenn Sie aus der Messe oder
von der Kommunion nach Hause kommen, kurz immer, so oft
Sie zu Ihren häuslichen Geschäften zurückkehren, müssen
Sie darauf achten, recht sanft anzufangen, müssen dann
von Zeit zu Zeit wieder nach Ihrem Herzen sehen, ob es
noch sanft ist. Treffen Sie es anders, so müssen Sie es
vor allen Dingen besänftigen; finden Sie es aber in
Ordnung, so preisen Sie Gott dafür und lassen es so den
Geschäften sich widmen, die vor Hand sind, achten aber
mit besonderer Sorgfalt darauf, dass diese gute Stimmung
sich nicht wieder verliert.
Sehen Sie, meine Tochter, wer oft Honig genießt, findet
saure Speisen noch saurer, bittere noch bitterer, und es
schmeckt ihm nicht mehr die derbe Hausmannskost. Ebenso
findet Ihre Seele, da sie häufig mit geistlichen Übungen
sich befasst, die dem Geiste süß und angenehm sind, die
äußerlichen, körperlichen und mechanischen
Beschäftigungen sehr herb und unangenehm und wird daher
leicht ungeduldig dabei. Sie müssen daher, meine liebe
Tochter, bei diesen Verrichtungen nicht sowohl auf die
Beschäftigung selbst, als vielmehr auf den Willen Gottes
sehen, der sie von Ihnen fordert.
Rufen Sie oftmals die einzige, schöne Taube des
himmlischen Bräutigams an (Die seligste Jungfrau, welche
in dem Hohenliede so genannt wird.), damit Sie durch
deren Fürsprache ein rechtes Taubenherz bekommen und
eine Taube seien nicht bloß im Aufschwunge des Gebetes,
sondern auch eine Taube im Neste und gegen alle, die in
Ihrer Umgebung sind. Möge Gott allezeit inmitten Ihres
Herzens sein, meine gute, meine liebe Tochter, und Ihnen
helfen, ein Geist mit ihm zu werden.
Ich grüße durch Ihre Vermittlung die gute Mutter und
sämtliche Schwestern des Karmelitenklosters und lasse
sie bitten um die Hilfe ihres Gebetes. Wüsste ich, dass
unsere liebe Schwester Jakobine da wäre, so würde ich
sie und ihre kleine Franziska auch grüßen, wie ich Ihrer
Magdalena, die auch die meinige ist, meinen Gruß sende.
Es lebe Jesus!
9. Räumliche Entfernung hindert nicht die Vereinigung
der Kinder Gottes.
Wie man sich in Gesellschaften zu verhalten hat, wo
von anderen Übles geredet wird. Empfehlung der Sanftmut.
An eine Dame.
Glauben Sie ja nicht, meine Tochter, dass räumliche
Entfernung imstande sei, Seelen zu trennen, welche Gott
verbunden hat durch die Bande seiner Liebe.
Die Kinder der Welt sind allerdings sämtlich voneinander
getrennt, weil das eine sein Herz da, das andere dort
hat; die Kinder Gottes dagegen, deren Herz da ist, wo
ihr Schatz ist, und die alle nur den einen und
unendlichen Schatz, nämlich denselben Gott haben,
bleiben folgerichtig immer miteinander vereinigt und
verbunden. Mit diesem Gedanken müssen wir uns trösten
angesichts der Notwendigkeit, dieser Stadt ferne zu
bleiben. Ohnehin werde ich bald abreisen müssen, um in
mein Amt zurückzukehren. Oftmals werden wir uns treffen
am Fuße des heiligen Kreuzes, wenn wir den
Versprechungen nachkommen, die wir uns dieserhalb
gegeben haben. Auch ist ja das der einzige Ort, wo
Zusammenkünfte von Nutzen sind (Vgl. die schönen Worte,
welche der gottselige Eleazar, Graf v. Arian an seine
Gemahlin schrieb, Philothea II, 12.).
Übrigens, meine teure Tochter, will ich Ihnen von
vornherein sagen, dass Sie Ihren Geist auf alle mögliche
Art müssen zu stärken suchen gegen die ungegründete
Ängstlichkeit, von welcher derselbe gewöhnlich aufgeregt
und gequält wird. Richten Sie zu diesem Ende zunächst
Ihre frommen Übungen so ein, dass deren Dauer weder Ihre
eigene Seele ermüdet, noch auch jenen beschwerlich
fällt, mit denen Sie nach Gottes Fügung leben müssen.
Eine halbe Viertelstunde und noch weniger reicht aus für
die Morgenandacht, drei Viertel- oder allenfalls eine
ganze Stunde für die Messe; unter Tags einige
Herzerhebungen zu Gott, die keine Zeit wegnehmen,
sondern das Werk eines Augenblickes sind, und endlich
noch, abgesehen von dem gewöhnlichen Gebete vor und nach
Tisch, wodurch Ihr Herz sich wieder mit Gott vereinigt,
die Gewissenserforschung am Abend, ehe Sie sich zur Ruhe
begeben.
Mit einem Worte, ich wollte, Sie wären eine rechte
Philothea und nichts mehr, das heißt ich wünschte, Sie
wären so, wie ich es in meiner „Anleitung” für Sie und
ihresgleichen angegeben habe.
Was das gesellschaftliche Leben angeht, so lassen Sie
sich durch nichts anfechten, was da gesprochen oder
getan wird: ist es gut, so gibt es Ihnen Anlass, Gott zu
preisen; ist es aber böse, so haben Sie Gelegenheit,
Gott dadurch zu dienen, dass Sie Ihr Herz davon
abwenden, ohne sich dabei erstaunt oder ärgerlich zu
stellen; denn Sie können ja nichts dafür und haben auch
nicht Einfluss genug, um jene, die zu üblem Gerede
geneigt sind, davon abzuhalten; ja diese Leute werden es
noch ärger treiben, wenn man Miene macht, sie daran zu
hindern. Richten Sie hiernach Ihr Verhalten ein, so
werden Sie mitten unter dem Zischeln der Schlangen ganz
ohne Schuld und gleich einer lieblichen Erdbeere
unberührt bleiben von dem Gifte der bösen Zungen rings
um Sie her.
Ich kann gar nicht begreifen, wie Sie Ihr Herz einer so
maßlosen Traurigkeit überlassen können; Sind Sie doch
eine Tochter Gottes, schon so lange aufgenommen in den
Schoß seines Erbarmens und seiner Liebe geweiht: so
müssen Sie sich also ermannen und alle die traurigen und
trübseligen Gedanken von sich schütteln, die der Feind
bloß deshalb Ihnen anhängt, um Sie zu ermüden und zu
quälen.
Achten Sie wohl darauf, gegen Ihren lieben Gatten wie
gegen jeden anderen sich der demütigen Sanftmut zu
befleißigen, die Sie ihnen schuldig sind; denn das ist
die Tugend der Tugenden, die unser Herr uns so sehr
empfohlen hat. Geschieht es Ihnen aber, dass Sie dagegen
fehlen, so geraten Sie deshalb nicht außer Fassung,
sondern erheben sich mit allem Vertrauen, um wieder auf
dem Weg des Friedens und der Sanftmut weiter zu wandeln
wie zuvor.
Ich sende Ihnen eine kurze Anweisung, sich des Morgens
und den Tag über mit dem Herrn zu vereinigen. Das wäre
es nun, meine Tochter, was ich für den Augenblick Ihnen
zum Troste glaube sagen zu sollen. Es erübrigt mir nur
noch die Bitte, Sie wollen sich nicht darauf verlegen,
Umstände mit nur zu machen, da ich meinerseits weder
Zeit noch Lust habe, dergleichen mit Ihnen zu machen.
Schreiben Sie mir ohne alle Umschweife, wenn Sie Lust
dazu haben; denn es wird mir jederzeit zu großer
Befriedigung gereichen, Nachrichten über Ihre Seele zu
empfangen, welche der meinigen so teuer ist, wie ich
denn in Wahrheit verbleibe
Ihr u. s. w.
10. Man muss sich hüten vor Verzagtheit,
Ängstlichkeit und unnützen Wünschen.
An eine Dame.
Den 20. Januar 1609.
Werteste Frau ! Ohne Zweifel würden Sie mündlich sich
besser und unbefangener aussprechen können als
schriftlich; allein solange bis Gott ersteres möglich
macht, müssen wir uns mit der Art der Mitteilung
behelfen, die uns zu Gebote steht. Sehen Sie, alle diese
Erschlaffung, Schwäche und Betäubung der Sinne muss
notwendig eine gewisse Niedergeschlagenheit hervorrufen;
solange indessen Ihr Wille fest und Sie im tiefsten
Grunde Ihrer Seele entschlossen bleiben, Gott ganz
anzugehören, so ist nichts zu fürchten; denn jene
Zustände sind nur natürliche Unvollkommenheiten und
eigentlich mehr Krankheiten als Sünden oder Fehler des
Herzens. Nichtsdestoweniger muss man suchen, sich
aufzuraffen und soviel als möglich seinen Geist zu
Energie und Tätigkeit anzuregen trachten.
O meine Tochter! Sicher ist der Tod schrecklich; aber
dafür ist auch das Leben, das ihm folgt und welches
Gottes Barmherzigkeit uns verleihen wird, über die Maßen
wünschenswert. Man darf sich daher auch niemals der
Mutlosigkeit überlassen; mögen wir auch elend sein, so
sind wir es doch lange nicht in dem Maße, wie Gott
barmherzig ist gegen diejenigen, die den Willen haben,
ihn zu lieben und die auf ihn ihre Hoffnung setzen. Als
der selige Kardinal Borromäus sich dem Tode nahe fühlte,
ließ er sich das Bild des toten Heilandes bringen, um
sich sein Sterben durch das Andenken an den Tod seines
Erlösers zu erleichtern. Das allerbeste Mittel gegen
ihre Furcht vor dem Tode ist der Gedanke an den, der
unser Leben ist, so dass Sie nie an den einen denken
dürfen, ohne den Gedanken an den anderen damit zu
verbinden.
Mein Gott, beste Tochter, untersuchen Sie nicht, ob das,
was sie tun, wenig oder viel, gut oder übel ist,
vorausgesetzt, dass Sie nichts entschieden Sündhaftes
tun und in gutem Glauben die Absicht haben, den Willen
Gottes zu tun. Soviel Sie können, suchen Sie das, was
sie tun, auf vollkommene Weise zu tun; ist es aber
geschehen, so denken sie nicht weiter zurück, sondern
vielmehr daran, was demnächst zu geschehen hat. Wandern
sie Sie schlicht und recht den Weg des Herrn und quälen
Sie sich nicht mit Grillen. Wir müssen unsere Fehler
hassen, aber dieser Abscheu muss ein ruhiger und
gelassener, nicht aber ein ärgerlicher und verstörter
sein; wir müssen mit Geduld den Anblick unserer Fehler
ertragen, um daraus den Vorteil einer heiligen
Selbsterniedrigung zu ziehen; tun Sie das nicht, so
werden Ihre Unvollkommenheiten, die Sie so gründlich
untersuchen, Sie noch gründlicher verwirren und werden
auf diese Weise sich behaupten, da nichts geeigneter
ist, unsere Mängel zu erhalten, als der ängstliche und
hastige Eifer, sie zu beseitigen.
Es ist eine große Versuchung, bei Widerwärtigkeiten sich
dem Überdrusse an der Welt zu überlassen, während man
doch in derselben leben muss. Die göttliche Vorsehung
versteht es eben besser wie wir. Wir wähnen, es würde
uns besser gehen, wenn wir eine andere Natur hätten;
jawohl, wenn wir damit zugleich selbst innerlich
umgewandelt wären. Mein Gott, ich bin ein geschworener
Feind solcher unnützer, gefährlicher und übler Wünsche;
denn gesetzt auch, es wäre das, was wir wünschen, an
sich gut, so ist doch der Wunsch übel, weil Gott für uns
nicht jene Art des Glückes will, sondern eine andere,
für welche wir, seinem Willen gemäß, die Befähigung
erringen sollen. Gott will aus dem Dornbusch zu uns
reden wie mit Moses, und wir wollen, dass er zu uns rede
in dem sanften Säuseln eines kühlen Windes, wie er mit
Elias getan hat. Seine Güte behüte Sie, meine Tochter;
seien Sie aber standhaft, mutig und voll Freude in dem
Gedanken, dass er Ihnen den Willen gibt, ganz ihm
anzugehören.
Von ganzem Herzen verbleibe ich Ihr u. s. w.
11. Geduld mit den eigenen Unvollkommenheiten.
Wie man den Kommuniontag zubringen soll. Verhalten
den Verleumdungen gegenüber.
An eine Dame.
Meine teure Frau Schwester! Ich sehe wohl, Ihr Herz
brennt vor Verlangen nach immer höherer Vollkommenheit.
Ich lobe diesem Verlangen; denn dasselbe ist, wie ich
wohl weiß, Ihnen nicht ein Hemmnis, sondern im Gegenteil
ein steter Sporn, dieselbe zu erringen.
Ihr Leben ist, so klagen Sie mir, mit tausend
Unvollkommenheiten behaftet.
Es mag sein, meine Tochter, aber sind Sie nicht
stündlich bemüht, dieselben in sich zu ertöten? Es ist
sicher, solange wir hienieden die Last dieses
hinfälligen Leibes mit uns umhertragen, wird uns immer
irgendwas fehlen.
Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen schon gesagt habe: wir
müssen mit jedermann Geduld haben, vor allem aber mit
uns selbst; sind wir doch uns selbst mehr zur Last als
sonst wer immer, seit uns der Unterschied fühlbar
geworden ist zwischen dem alten und dem neuen Adam,
zwischen dem inneren und dem äußeren Menschen.
Sie haben also bei der Betrachtung immer das Buch in der
Hand, sonst bringen Sie nichts zustande. Was liegt
daran? Ob Sie das Buch wieder und wieder zur Hand nehmen
oder nicht, was kann das zu bedeuten haben? Wenn ich
Ihnen sagte, Sie sollen nur eine halbe Stunde dazu
verwenden, so war das nur für den Anfang, um Ihre
Einbildungskraft nicht zu sehr anzustrengen; jetzt aber
können Sie unbedenklich eine Stunde der Betrachtung
widmen.
Am Tage, wo Sie zur Kommunion waren, können Sie
unbedenklich erlaubte Arbeiten und Geschäfte jeder Art
verrichten; bedenklicher würde es sein, nichts zu tun.
Glauben Sie wohl, die ersten Christen, welche täglich
kommunizierten, hätten deswegen die Hände in den Schoß
gelegt ? Und der hl. Paulus, welcher regelmäßig das
Messopfer feierte, erwarb gleichwohl mit seiner Hände
Arbeit den Lebensunterhalt.
Nur zwei Dinge sind es, vor denen man sich am
Kommuniontage hüten muss, nämlich vor der Sünde und vor
selbstgesuchten sinnlichen und sonstigen Ergötzungen.
Vergnügungen, die pflichtmäßig oder unausweichlich sind,
oder zu denen man aus anstandsmäßiger Höflichkeit sich
herbeilässt, sind an einem solchen Tage nicht allein
nicht verboten, sondern im Gegenteil sogar angeraten;
nur muss man sich dabei einer sanften und heiligen
Sittsamkeit befleißigen.
So würde ich mich an einem solchen Tage nicht abhalten
lassen, zu einem ehrbaren Feste, in eine anständige
Gesellschaft zu gehen, falls ich eingeladen wäre,
wiewohl ich ohnedies nicht hingehen würde. Ähnlich
verhält es sich mit Eheleuten, die an diesem Tage ihre
Pflicht zwar leisten dürfen, ja müssen, sie aber nicht
verlangen könnten, ohne eine gewisse Unschicklichkeit zu
begehen, die aber gleichwohl keine Todsünde sein würde.
Mit Absicht führe ich gerade dieses Beispiel an.
Sie fragen mich, ob diejenigen, welche der
Vollkommenheit nachstreben, so viel die Welt sehen
dürften? Die Vollkommenheit, werteste Frau, besteht
nicht darin, die Welt nicht zu sehen, wohl aber darin,
dass man an ihr keinen Geschmack findet und sie nicht
genießen will. Eine Gefahr liegt allerdings darin, was
wir sehen; denn das Sehen macht, dass man es leicht lieb
gewinnt; wer indessen in seinen Grundsätzen recht fest
steht, dem schadet der Anblick nichts. Kurz, meine
Schwester, die Vollkommenheit des Lebens besteht in der
Vollkommenheit der Liebe; denn das Leben unserer Seele
ist die Liebe. Die ersten Christen lebten in der Welt
dem Leibe nach, freilich nicht dem Herzen nach, und
waren trotzdem sehr vollkommen. Meine teure Schwester,
ich möchte keinerlei Verstellung bei Ihnen, nichts, was
diesen Namen verdient; Aufrichtigkeit und Geradheit
sollen unsere Lieblingstugenden sein.
Aber, sagen Sie, es ärgern mich die unrichtigen Urteile,
die man über mich fällt; ich tue nichts, was taugt, und
man macht doch viel Aufhebens davon. Sie verlangen nun
von mir ein Rezept dagegen. Hier haben Sie es, meine
Tochter, so wie ich es von den Heiligen gelernt habe:
Wenn die Welt uns verachtet, so freuen wir uns darüber,
denn sie hat recht, da wir wirklich verächtlich sind;
wenn sie uns hochachtet, so verachten wir ihre
Hochachtung und ihr Urteil, da sie mit Blindheit
geschlagen ist. Scheren Sie sich wenig darum, was die
Welt denkt: machen Sie sich keine Sorge deswegen,
verachten Sie ihre Achtung und ihre Missachtung und
lassen sie reden, was sie will, gut oder schlimm. Ich
billige es demnach nicht, dass man sich verstelle, um
anderen eine schlimme Meinung von sich beizubringen; es
ist dies immerhin Verstellung und heißt, den Nächsten
täuschen; im Gegenteil wünschte ich, dass wir bei
unseren Handlungen einzig auf den Herrn hinschauen, ohne
danach umzusehen, was die Welt davon denkt, oder was sie
für ein Gesicht dazu macht. Bei anderen eine gute
Meinung von sich erwecken zu wollen, davor mag man sich
allerdings hüten, nicht aber darf man sich in schlechten
Ruf zu bringen suchen oder gar eigens in dieser Absicht
Fehler begehen. Mit einem Worte, es muss Ihnen
gleichgültig, ja sozusagen verächtlich vorkommen, was
die Welt über Sie urteilt; machen Sie sich gar nichts
daraus. Dass man, wenn die Welt gut von uns denkt, sagt,
sie überschätze uns, das ist gut; denn die Welt ist eine
Marktschreierin, sie übertreibt immer im Guten wie im
Schlimmen.
Aber, was sagen Sie mir? Sie seien eifersüchtig auf
andere, die ich Ihnen vorziehe? Und, was das Schlimmste
ist, Sie sagen, Sie wüssten das wohl. Wie können Sie das
wohl wissen, meine teure Schwester, inwiefern gebe ich
anderen einen Vorzug? Nein, glauben Sie es mir, Sie sind
mir wert, ja sehr wert; und ich weiß wohl, dass Sie
andere nicht vorzögen, wenn sie es auch verdienten; aber
ich will Ihnen folgendes im Vertrauen sagen.
Unsere Schwestern auf dem Lande haben mehr Beistand
notwendig als Sie in der Stadt, wo Sie an frommen
Übungen, gutem Rate und allen geistlichen Hilfsmitteln
Überfluss haben, während jene niemand haben, der ihnen
hilft.
Und, was unsere Schwester von N. angeht, sehen Sie denn
nicht, wie verlassen sie dasteht, da sie sich nicht
entschließen kann, sich denjenigen anzuvertrauen, welche
unser Herr Vater ihr vorschlägt, während dieser Herr
Vater von denen nichts wissen will, welche wir
vorschlagen? Wie er mir nämlich schreibt, kann er die
Wahl des Herrn Bardot nicht billigen. Schulde ich nun
dieser armen Kreuzschwester nicht mehr Mitleid als
Ihnen, die Sie, Gott sei Dank, alles so nach Wunsch
haben.
12. Der
Heilige mahnt eine Dame, ihr Herz von der Eitelkeit
der Welt loszureißen.
Den 17. Dezember 1622.
Auf meiner Reise nach Avignon hatte ich das Glück,
werteste Tochter, unsere gute Mutter hier zu finden;
auch bei meiner Rückkehr traf ich sie noch. Sie können
sich leicht denken, dass beide Mal oft von Ihnen die
Rede war, und dass es überaus tröstlich für mich war, zu
wissen, dass Sie nach wie vor in der Furcht Gottes leben
und von dem Verlangen beseelt sind, in der Gottseligkeit
voranzuschreiten. Sie wissen, meine liebe Tochter, wie
leicht ich zufriedenzustellen bin und wie gerne ich
alles Gute hoffe von den Seelen, die ich liebe. Bereits
von Ihrer Kindheit an hatte ich eine wahre Leidenschaft
für Ihr Heil und hegte ich das größte Vertrauen, Gott
werde Sie nicht von seiner Hand lassen, wenn Sie nur
seiner Leitung sich hingeben wollten. Tun Sie dieses,
ich beschwöre Sie, meine Tochter, und reißen Sie von Tag
zu Tag mehr Ihr Herz los von aller Anhänglichkeit an die
Eitelkeiten der Welt. Skrupulös (gewissenhaft
ängstlich) bin ich so wenig als Sie selbst;
Anhänglichkeit an die Eitelkeiten der Welt nenne ich
daher auch nur die freiwillig unterhaltene Hinneigung zu
Dingen, die in Wirklichkeit uns abziehen von jenen
Gedanken und Erwägungen, welche um der hochheiligen
Einigkeit willen unser Herz erfüllen müssen.
Die gute Mutter hat mir gesagt, wie tröstlich es für sie
ist, Sie an der Seite eines so trefflichen Gatten zu
sehen, der Ihnen so mit ganzer Liebe zugetan ist. Es ist
dies eine rechte Förderung in der Tugend für Sie; ziehen
Sie ja recht Nutzen daraus. Mag auch Ihr jugendliches
Alter, Ihre Konstitution und Ihre kräftige Gesundheit
Ihnen ein langes Leben versprechen, so vergessen Sie
nicht, dass Sie darum doch bald sterben können, und dass
Sie bei Ihrem Ende nichts mehr wünschen werden, als die
Hulderweisungen der göttlichen Güte wohl in acht
genommen und benutzt zu haben. Inzwischen verbleibe ich
ganz und für immer
Ihr ergebender u. s.. w.
13. Der Wille Gottes verleiht selbst den geringfügigsten
Handlungen einen hohen Wert.
An eine Dame.
Liebe Frau Schwester! Im Begriffe, Ihnen zu schreiben,
weiß ich Ihnen nichts Besseres zu sagen, als den Rat:
Gehen Sie immer frohen Mutes weiter auf dem ganz
himmlischen Wege, auf welchen Gott Sie geführt hat! All
mein Leben lang werde ich ihn preisen für die Gnaden,
die er für Sie bereitet hat; aus Erkenntlichkeit dafür
halten Sie Ihrerseits sich ebenfalls zu großen Opfern
bereit und fassen sich ein Herz, trotz aller
Schwierigkeiten, die sich Ihnen entgegenstellen, mutig
alles zu vollbringen, was er – wie Sie wissen – von
Ihnen verlangt.
Sehen Sie durchaus nicht auf die Beschaffenheit Ihrer
Verrichtungen an sich, sondern einzig darauf, dass
dieselben trotz ihrer Unscheinbarkeit einen Ehrenplatz
haben in der Ordnung der göttlichen Vorsehung und
gefordert sind durch seine Weisheit. Genug, dass sie
Gott wohlgefällig und als solche von uns erkannt sind;
wie dürften sie uns da mißfällig sein?
Seien Sie darauf bedacht, von Tag zu Tag eine größere
Reinheit des Herzens zu gewinnen. Diese Reinheit des
Herzens besteht aber darin, dass wir alle Dinge schätzen
und wägen nach der Waage des Heiligtums, die eben nichts
anderes als der Wille Gottes ist.
Ich bitte Sie, lieben Sie nichts zu leidenschaftlich,
selbst nicht einmal die Tugenden, da man diese zuweilen
verliert, wenn man die Grenzen der Mäßigung
überschreitet. Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen,
aber ich glaube es; ich rede von den heißen, ungestümen
Wünschen Ihres Herzens.
Zwar hat die Rose nicht die weiße Farbe, welche der
Lilie eigentümlich ist, aber sie ist doch eine schöne
Blume, und die Granatblüte ist noch herrlicher von Farbe
und noch lieblicher von Geruch. Seien wir, was wir sind,
und seien es ganz, um dem Meister Ehre zu machen, dessen
Werk wir sind. Man spottete über den Maler, der anstatt
eines Pferdes einen richtigen Ochsen dargestellt hatte;
die Darstellung an sich war schön, aber sie machte dem
Meister trotzdem wenig Ehre, der eine andere Figur hatte
malen wollen und nur durch Zufall die Gestalt des Ochsen
herausgebracht hatte.
Seien wir das, was Gott will, wenn wir ihm nur ganz
ergeben sind, und seien wir nicht, was wir gegen seine
Absicht sein möchten; denn wären wir auch die
vorzüglichsten Geschöpfe des Himmels, wozu könnte es uns
nützen, wenn wir dem göttlichen Willen nicht nach
Gefallen sind?
Vielleicht spreche ich diesen Gedanken zu häufig aus;
aber für die Folge werde ich nicht mehr so oft darauf
zurückkommen, weil durch Gottes Hilfe diese Lehre
bereits feste Wurzeln bei Ihnen geschlagen hat (Vgl.
Philothea I, 3.).
Tun Sie mir die Liebe, mich von dem Gegenstande Ihrer
Betrachtungen für dieses Jahr in Kenntnis zu setzen.
Ebensowohl werde ich mich darüber freuen, wie über die
Früchte, welche dieselben bei Ihnen hervorbringen. Seien
Sie froh im Herrn, meine liebe Tochter, und halten Sie
Ihr Herz in Frieden.
Mit freundlichen Grüßen an Ihren Herrn Gemahl verbleibe
ich für immer
Ihr u. s. w.
14. Man muss die Vollkommenheit seines Standes zu
gewinnen trachten. Ratschläge für die Beichte und
Kommunion.
An eine Dame.
Meine liebe Frau Schwester! Das Vertrauen, welches Sie
zu mir haben, gereicht mir stets zum Troste, und ich bin
recht betrübt darüber, dass ich nicht so häufig
brieflich mit Ihnen verkehren kann, wie ich es wünschte;
aber unser Herr, der Sie lieb hat, bietet Ihnen
reichlich Ersatz dafür in dem Beistande, den Sie dort
finden.
Ich möchte es billigen, wenn Sie bei der Betrachtung
vorerst ganz einfach zu Werke gehen wollten, indem Sie
Ihren Geist durch Lesung und Verteilung der zu
betrachtenden Punkte vorbereiten, ohne Ihrer
Einbildungskraft einen weiteren Spielraum zu lassen als
nötig ist, den Geist gesammelt zu halten.
Allerdings weiß ich recht gut, wenn man durch gutes
Glück von ungefähr Gott begegnet, so tut man wohl, bei
ihm verweilen und ihn zu betrachten; aber, meine
Tochter, zu denken, man werde ihm immer so unverhofft
und ohne Vorbereitung begegnen, das wäre nach meiner
Ansicht gar nicht einmal gut für uns, die wir noch
Neulinge sind und mehr nötig haben, die Tugenden des
Gekreuzigten eine nach anderen im besonderen zu
betrachten, als sie im Ganzen und Großen zu bewundern.
Versagt uns aber Gott, nachdem wir diese demütige
Vorbereitung vollbracht haben, dennoch Befriedigung und
Süßigkeit, so müssen wir eben in Geduld ausharren bei
trockenem Brote und unsere Pflicht erfüllen ohne
sofortige Belohnung.
Es freut mich zu wissen, dass Sie zu dem guten Pater
Gentil beichten gehen; ich kenne ihn genau seinem Rufe
nach und weiß, ein wie guter und sorglicher Diener
Gottes er ist; Sie werden daher wohl tun, auch fernhin
ihm zu beichten und die guten Ratschläge zu befolgen,
die er Ihnen je nach Bedürfnis erteilen wird.
Ich möchte nicht, beste Frau, dass Sie Ihre Tochter zu
einer so häufigen Kommunion veranlassten, da sie den
Wert dieser großen Gnade nicht recht zu schätzen weiß.
Es ist leichter, die Kommunion von dem Genusse
gewöhnlicher Speisen zu unterscheiden, als den
Unterschied zwischen seltener und häufiger Kommunion
recht zu erfassen. Wenn die junge Seele recht beachtet,
dass der häufige Empfang der heiligen Kommunion einen
hohen Grad von Reinheit und Inbrunst voraussetzt, und
wenn sie wirklich nach diesem Schmuck des Herzens
trachtet, dann allerdings bin ich damit einverstanden,
dass man sie oft, das heißt alle vierzehn Tage gehen
lasse. Hat dieselbe aber nur ein Verlangen nach der
Kommunion, nicht aber danach, die kleinen jugendlichen
Unvollkommenheiten durch Abtötung zu bekämpfen, dann
dürfte es genügen, sie alle acht Tage beichten und alle
Monate kommunizieren zu lassen. Gewiss, meine Tochter,
ist die Kommunion das vorzüglichste Hilfsmittel zur
Vollkommenheit; aber dann muss man beim Empfang
derselben auch das Verlangen und Bestreben haben, alles
das aus dem Herzen zu entfernen, was dem missfallen
könnte, den wir darin aufnehmen wollten.
Bleiben Sie dabei, in all den kleinen, täglichen
Widerwärtigkeiten, die Ihnen vorkommen, sich recht
selbst zu überwinden; dahin müssen alle Ihre Wünsche
gerichtet sein. Seien Sie überzeugt, dass Gott für jetzt
nichts anderes von Ihnen verlangt. Kümmern Sie sich
daher um anderes nicht; streuen Sie nicht die Saat Ihrer
Wünsche aus in fremde Gärten, sondern pflegen nur den
Ihrigen recht sorgsam. Wünschen Sie nicht, das nicht zu
sein, was Sie sind, sondern wünschen Sie das recht zu
sein, was Sie sind; Ihr Sinnen und Trachten sei dahin
gerichtet, die berufsmäßige Vollkommenheit zu erlangen,
und jedes Kreuz, das Sie dabei finden, sei es groß oder
klein, auf sich zu nehmen. Glauben Sie mir, eine große,
aber nur wenig verstandene Wahrheit der Seelenführung
liegt in dem Worte: „Jeder liebt nach seinem Geschmack;
wenige lieben nach ihrer Pflicht und nach dem Geschmacke
unseres Herrn.“ Was hilft es uns, Schlösser in die Luft
zu bauen, da wir doch auf Erden wohnen müssen? (De quoi
sert-il de bâtir des châteaux en Espagne, puisqu'il nous
faut habiter en France?) Das ist meine alte Lehre, und
Sie verstehen, wie ich es meine; sagen Sie mir nun auch,
meine Tochter, ob Sie recht danach verfahren?
Ich bitte Sie, halten Sie Ordnung in Ihren Übungen und
nehmen dabei alle mögliche Rücksicht auf die Neigung
Ihres Eheherrn. Stellt Ihnen der Feind die Welt wieder
vor Augen und lockt Sie, zu ihr zurückzukehren, so
lachen sie über diese freche Zumutung, lachen Sie
darüber wie über eine Ungezogenheit. Auf solche
Versuchungen gehört sich keine andere Antwort als jene
unseres Herrn: „Weiche von mir, Satan; du sollst den
Herrn, deinen Gott, nicht versuchen!“ (Matth. 4, 7. 10.)
Meine teure Tochter, wir befinden uns auf dem Wege der
Heiligen; schreiten wir mutig vorwärts, ungeachtet aller
Schwierigkeiten.
Ich denke, nunmehr genügend mich über alle Fragen
ausgesprochen zu haben, über welche sie von mir
Belehrung wünschten, wie ich denn kein größeres
Verlangen habe, als Ihnen in dieser Hinsicht zu dienen.
Wohl wünschte ich, Sie zu besuchen, aber bisher konnte
diesem Wunsche nicht stattgegeben werden. Gott wird
vielleicht eine geeignetere Gelegenheit herbeiführen; ja
ich bitte ihn darum, wenn es zu seiner Ehre gereicht,
für die ich gerne zu allem bereit bin.
Möge er immer in unseren Seelen leben und herrschen! Mit
diesem Wunsche verbleibe ich, meine geliebte Frau,
Tochter und Schwester,
Ihr u. s. w.
15. Wahl der
Beichtväter.
Im Ehestand bedarf das Weib einer sehr gediegenen
Tugend.
Worin eine Witwe ihr Glück suchen soll.
Meine teure Schwester und Tochter! Ich beantworte nur
die beiden Briefe von Ihnen, welche der Überbringer
dieses mir gebracht hat; der dritte, den Sie an Frau v.
Chantal für mich abgesandt haben, ist nämlich noch nicht
in meine Hände gelangt. Sehr freut es mich, dass Sie der
Ängstlichkeit sich entschlagen, und dass Ihnen die
heilige Kommunion so viel Nutzen bringt. Machen Sie also
nur so voran, meine Tochter. Da indessen Ihr Herr Gemahl
sich darüber Unruhe macht, dass Sie nach N. gehen, so
bestehen Sie ja nicht länger darauf; denn da Sie keiner
besonderen Ratschläge bedürfen, so werden Ihnen fast
alle Beichtväter genügen, auch derjenige Ihrer Pfarre,
nämlich Herr X, oder auch gelegentlich der Beichtvater
der guten Karmeliterschwestern. Sie wissen ja mit allen
Beichtvätern gut zurechtzukommen; Sie haben daher in
dieser Beziehung ganz freie Hand; bleiben Sie nur, meine
teure Tochter, Ihrem Manne gegenüber stets recht sanft
und unterwürfig.
Sie haben recht, der bösen Gedanken wegen sich nicht zu
beunruhigen, solange Ihre Absichten und Ihr Wille gut
sind, denn darauf sieht Gott. Ja, meine Tochter, halten
Sie sich an das, was ich Ihnen gesagt habe; mögen auch
tausend spitzfindige Scheingründe für die gegenteilige
Ansicht geltend gemacht werden, so gründet sich doch
meine Entscheidung auf die festesten Grundsätze, welche
von der Kirche selbst und ihren Lehrern gebilligt sind.
Ich füge aber noch hinzu, meine Entscheidung ist in dem
Grade zuverlässig, dass die entgegengesetzte Lehre als
ein großer Irrtum gelten muss. Dienen Sie also Gott
gemäß dieser Anweisung, und er wird Sie segnen; hören
Sie niemals aus widersprechende Behauptungen und seien
überzeugt, dass ich meiner Sache durchaus sicher sein
muss, wenn ich so entschieden mich ausdrücke.
Ich danke der guten Mutter Priorin und trage sie samt
allen ihren Schwestern mit großer Ehrerbietung in meiner
Seele. Aber, meine Tochter, ich habe noch weitere
Anliegen in Betreff der Andacht zu der ehrwürdigen
Mutter Theresia; ich möchte nämlich, da, wie ich höre,
die guten Schwestern ein nach dem Leben gefertigtes
Gemälde der Heiligen besitzen, Sie ließen mir eine Kopie
desselben als Brustbild malen. Einer unserer Pfarrer,
der binnen acht Tagen nach dort reist, könnte dasselbe
bei seiner Rückkehr abholen und mir mitbringen. Nicht
jeder meiner Töchter gegenüber möchte ich mir eine
solche Bitte erlauben, aber mit Ihnen tue ich ganz nach
meinem Herzen.
Ihre liebe verwitwete Schwester will ich dem Heiligen
Geiste empfehlen, damit durch dessen Eingebung ihre Wahl
auf einen Bräutigam falle, der ihr immer zum Troste
gereiche; es ist der heilige Bräutigam unserer Seelen,
den ich im Auge habe. Sollte es aber Gott gefallen, sie
noch einmal in die Mühsal eines vollständigen Haushaltes
hereinzuziehen, um sie in der Unterwürfigkeit zu üben,
so müsste man auch dafür seine Majestät preisen, die
ohne Zweifel alles so fügt, wie es jedem der Seinen am
ersprießlichsten ist.
Ach, meine Tochter, wie wohlgefällig in den Augen Gottes
sind die Tugenden einer Hausfrau! Wie stark und gediegen
müssen dieselben sein, damit sie bei diesem Berufe die
Probe halten. Aber, o mein Gott! Wie angenehm ist es
auch für eine Witwe, dass sie nur mehr ein Herz zu
befriedigen hat! Doch es wird Gottes höchste Güte die
Sonne sein, welche Ihrer guten Schwester vorleuchtet und
zeigt, welchen Weg sie einschlagen soll. Wofür sie aber
auch sich entscheiden mag, ich hoffe, sie wird Gott treu
dienen, und mein stetes Gebet für sie wird sie auf ihrem
Lebenswege begleiten. Ich empfehle mich dem Gebete
unserer kleinen Tochter N. und N. Wirklich ist erstere
etwas mehr als andere meine Tochter, und es ist mir, als
wäre sie ganz mein, meine innigst geliebte Tochter in
dem, der, um uns zu den Seinigen zu machen, sich uns
ganz zu eigen gab.
Ich verbleibe in ihm, meine teure Tochter,
Ihr u. s. w.
P.S.: Mit aller Sorgfalt richten Sie, soviel nur
möglich, Ihr Bestreben darauf, im Kreise der Ihrigen, d.
h. in Ihrem Haushalte, mit aller Sanftmut aufzutreten;
ich sage nicht, dass Sie schwach und gleichgültig sein
sollen, sondern freundlich und sanft. Daran müssen Sie
denken beim Ein- und Ausgang, darauf achten am Morgen,
am Mittag und zu jeder Stunde. Eine Zeitlang muss das
Ihre Hauptsorge sein, wogegen alles übrige mehr in den
Hintergrund treten soll.
16. Die Philothea gerade für Verheiratete geschrieben.
Wie es eine Hausfrau mit ihren Andachtsübungen zu
halten hat.
An eine Dame.
Paris, 4. September 1619.
Liebe Tochter! Da die „Anleitung zu einem gottseligen
Leben” gerade für Seelen Ihres Standes verfasst ist, so
bitte ich Sie, dieselbe fleißig zu lesen und so genau
als möglich zu befolgen. Sie werden darin alle Anweisung
finden, deren Sie bedürfen. Nur füge ich noch eigens
hinzu, dass Sie lernen müssen, sich bei Ihren
Andachtsübungen kurz zu fassen, da Sie nicht immer die
nötige Zeit haben, um nach Lust und Behagen sich darin
zu ergehen.
Des Morgens wird eine halbe Viertelstunde ausreichend
sein. Können Sie die heilige Messe hören, so tun Sie es;
können Sie es nicht, so verrichten Sie zu Hause eine
halbstündige Andacht, indem Sie sich im Geiste mit der
heiligen Kirche vereinigen bei der Anbetung jenes
heiligen Opfers und des Erlösers unserer Seelen, der
darin sich zu erkennen gibt. Besonders tragen Sie Sorge,
stets andächtig zu beten und auch äußerlich vor Gottes
Angesicht in ehrerbietiger Haltung zu erscheinen, damit
der Nächste sehe, dass Sie zu dessen göttlicher Majestät
reden. Seien Sie demütig und freundlich gegen jedermann;
denn dann wird Gott Sie erhöhen am Tage seiner
Heimsuchung (1 Petr. 5, 6: „Demütigt euch unter die
mächtige Hand Gottes, auf dass er euch erhöhe zur Zeit
seiner Heimsuchung.“).
Beten Sie oft für die Seelen, welche vom wahren Glauben
abgeirrt sind, und preisen Sie oftmals Gott für die
Gnade, durch die er Sie in demselben erhalten hat.
Alles vergeht, meine geliebte Tochter; nach den wenigen
Tagen dieses sterblichen Lebens, die uns noch übrig
sind, wird die endlose Ewigkeit anbrechen. Wenig liegt
daran, ob wir hienieden viel Bequemlichkeiten oder
Unbequemlichkeiten haben, wenn wir nur die ganze
Ewigkeit hindurch selig sind.
Diese heilige Ewigkeit, die unserer wartet, sei Ihr
Trost; und Ihre Freude, eine Christin zu sein, eine
Tochter Jesu Christi, wiedergeboren in seinem Blute;
denn darin allein liegt unser Ruhm, dass dieser
göttliche Erlöser für uns gestorben ist.
Wiewohl ich nun weggehe, ohne, wie es scheint, hoffen zu
dürfen, dass ich jemals auf Erden Sie wiedersehe, so
wird doch die Zuneigung, welche Gott mir für Ihre Seele
ins Herz gelegt hat, niemals im mindesten erkalten,
sondern fest, beständig und unwandelbar bleiben, und es
wird mein unablässiger Wunsch sein, dass Sie heilig in
dieser Welt leben und überglücklich in der anderen.
In der Erwartung, durch Gottes Barmherzigkeit Sie einst
wiederzusehen, werde ich verbleiben, meine teure
Tochter,
Ihr u. s. w.
17. Glückwunsch zur Beendigung eines Prozesses.
Ratschläge für eine Anfängerin im geistlichen Leben.
An eine Dame.
Den 21. August 1621.
Immer wartete ich auf die Ankunft dieses guten Mädchens,
um Ihnen vertraulicher zu schreiben, meine teure
Tochter; denn ich wusste ja, dass sie bald kommen würde.
Ich schrieb auf Ihren Wunsch an den Herrn, indem ich
mich freute, Ihnen selbst auch in Betreff Ihrer
häuslichen Angelegenheiten einen kleinen Dienst leisten
zu können; umso lieber tat ich es, da die Schlichtung
dieser Angelegenheit auch für das Heil Ihrer Seele
zuträglich ist, um derentwillen mir alles am Herzen
liegt, was Sie angeht.
O was ist das für ein Glück, keinen Prozess zu haben.
Ich bin betrübt darüber, dass man zu Cambery fast von
nichts anderem mehr spricht als von dieser Geschichte,
und dass man davon spricht mit solcher Hitze und
Leidenschaftlichkeit. Tröstlich ist es mir aber, dass
Sie versucht haben, die Streitsache beizulegen, von
welcher Sie mir schreiben, und dass Sie davon reden mit
jener Achtung, die man auch dem Gegner schuldig ist, und
dass Ihr Herr Gemahl sich so nachgiebig zeigt, um die
Sache zu schlichten. Gott sei gelobt für die Freude, die
er Ihnen durch sein Entgegenkommen bereitet hat, und
fahren Sie ja fort, ihm dafür dankbar zu sein. Darin
besteht ja die wahre Glückseligkeit dieses zeitlichen
Lebens, seine Befriedigung zu finden in dieser
Genügsamkeit; wer damit sich nicht zufrieden gibt, wird
niemals zufrieden sein; oder wie Ihr Buch – so nennen
Sie es ja – sagt: „Wem das Genügende nicht genügt, dem
wird nie etwas genügen” (Franz v. Sales, Abhandlung von
der Liebe Gottes VIII, 8. ). Lieben Sie übrigens dieses
arme Buch, meine teure Tochter, und da Gott in demselben
Trost für Sie niedergelegt hat, so bitten Sie seine
heilige Güte, er möge Ihnen auch den rechten Sinn geben,
denselben zu verkosten und nutzbar zu machen für Ihre
liebe Seele zur Bestärkung derselben in der reinen
himmlischen Liebe, für welche sie geschaffen ist.
Übrigens, meine teure Tochter, muss fortan diese große
Furcht, welche Sie bisher so grausam geängstigt hat,
aufhören; denn Sie haben alle die Gewissheit, welche in
dieser Welt erreichbar ist, Ihre Sünden ganz vollständig
durch das heilige Sakrament der Buße gesühnt zu haben.
Nein, es darf in keiner Weise in Zweifel gezogen werden,
dass Sie die Umstände Ihrer Fehler hinreichend angegeben
haben; denn sämtliche Theologen sind darin
einverstanden, dass es keineswegs erforderlich ist,
sämtliche Nebenumstände und Vorbereitungen zur Sünde
anzugeben.
Wer sagt, ich habe einen Menschen getötet, braucht nicht
hinzuzufügen, dass er sein Schwert gezogen, noch dass er
dadurch den Eltern viel Kummer gemacht, den Umstehenden
Ärgernis gegeben oder einen Auflauf in der Straße
verursacht habe, die der Schauplatz seiner Bluttat
gewesen ist; denn ohne es zu sagen, versteht sich das
von selbst. Es genügt, einfach zu sagen, dass er einen
Menschen getötet habe, aus Zorn oder mit Hinterlist und
aus Rache, ob es ein Laie oder eine Gott geweihte Person
war, und das weitere Urteil dem Beichtvater
anheimzustellen.
Wer da sagt, er habe ein Haus angezündet, braucht nicht
bis aufs Kleinste anzugeben, was darin war, sondern es
genügt die Bemerkung, ob Leute darin waren oder nicht.
O meine teure Tochter, bleiben Sie ganz im Frieden; Ihre
Beichten waren mehr als gut. Seien Sie fortan nur auf
den Fortschritt in der Tugend bedacht und gedenken Ihrer
früheren Sünden nur noch, um sich ruhig vor Gott zu
verdemütigen und seine Barmherzigkeit zu preisen, die
Ihnen dieselben mittels der heiligen Sakramente vergeben
hat.
„Die
Anleitung zu dem gottseligen Leben“ (d.h. die „Philothea“.)
ist durchaus geeignet und gut für Sie, meine Tochter;
Sie wundern sich, dass Sie nicht mit einem Mal so sind,
wie es da gefordert wird; und doch, meine teure Tochter,
schärft Ihnen eben dieses Büchlein ein, dass es nicht
die Arbeit eines Tages, sondern des ganzen Lebens ist,
Ihren Wandel nach seinen Vorschriften einzurichten, und
dass es uns durchaus nicht befremden darf, wenn bei
diesem Unternehmen uns noch Unvollkommenheiten vorkommen
(Philothea IV, 2; V, 17.). Meine Tochter, die
Gottseligkeit ist nicht etwas, was man nur so mit den
Händen zu greifen braucht; sie kostet saure Mühe und
Arbeit; doch das Gelingen beruht wesentlich auf dem
Vertrauen auf Gott; da heißt es sachte und vorsichtig
weiter schreiten.
Gewiss ist es wahr, dass der Gehorsam Ihnen sehr
nützlich sein wird, und da Sie verlangen, dass gerade
ich Ihnen im Gehorsam befehlen soll, so empfangen Sie
denn hier einige Vorschriften:
1. Einmal des Tages werfen Sie sich vor Gott zur
Erde nieder, erheben die Augen zum Himmel, beten Gott
an, indem Sie das Kreuzzeichen machen, und erheben sich
sodann wieder.
2. Täglich verrichten Sie einen Akt der
Verdemütigung, indem Sie einem Ihrer Diener oder Mägde
guten Tag oder guten Abend sagen, wobei Sie dann aber
diese Person innerlich anerkennen als ebenbürtige
Teilhaberin an der Erlösung, welche ihr durch den Herrn
zuteil geworden ist.
3. So oft Sie nur können, reden Sie Ihre Zofe mit
den Worten an: „meine Liebe".
4. Täglich lesen Sie wenigstens eine Seite in
einem geistlichen Buche.
5. Niemals klagen Sie sich in der Beichte in
Betreff dieser kleinen Vorschriften an, selbst wenn Sie
sie gar nicht beobachten, da dieselben Sie weder unter
schwerer noch unter lässlicher Sünde verpflichten; geben
Sie mir vielmehr nur von Zeit zu Zeit Nachricht, ob Sie
dieselben befolgen.
Es wird Ihnen dienlich sein, wenn Sie sich gewöhnen,
einmal des Tages meine Seele mit der Ihrigen durch ein
kurzem Stoßgebet der Barmherzigkeit Gottes zu empfehlen;
vom Tische aufstehend können Sie etwa beten:
O Gott, sei uns gnädig und nimm uns auf in die Arme
deiner Barmherzigkeit.
Meine Tochter, alles dieses sind nur Kleinigkeiten, aber
von Nutzen für Sie, und mit der Zeit können wir etwas
anderes oder größeres vornehmen. Werden Sie nur nicht
müde, meine teure Tochter; man muss Ihrem lebhaften und
regsamen Geiste wie bei Kindern immer neue Beschäftigung
geben: machen Sie nur so voran, und Gott wird Sie groß
werden lassen. Schreiben Sie mir, wann es Ihnen gut
dünkt. Doch ich muss schließen, meine teure Tochter;
Gott sei immerdar inmitten Ihrer lieben Seele, und von
ganzem Herzen verbleibe ich mit aufrichtig väterlicher
Zuneigung
Ihr u. s. w.
18. Der Heilige empfiehlt einer Dame fromme Übungen,
wie sie sich für ihren Stand eignen.
Werteste Frau! Mit rechter Freude habe ich aus Ihrem
Briefe ersehen, dass der Herr Sie die Anfänge der
Seelenruhe hat verkosten lassen, mit welcher wir vermöge
seiner Gnade von nun an fortfahren müssen, ihm zu dienen
unter dem Druck der vielfältigen Geschäfte, welche unser
Beruf von uns fordert. Ich hege die allerbesten
Hoffnungen für Sie, da ich in Ihrem Herzen eine wie mir
scheint tief gegründete Entschlossenheit wahrgenommen
habe, der göttlichen Majestät zu dienen, die mich zu der
Hoffnung berechtigt, dass Sie mit beharrlicher Treue den
Übungen der heiligen Gottseligkeit sich widmen werden.
Sollte dabei auch mancher Fehler aus Schwachheit
mitunterlaufen, so dürfen Sie darüber sich nicht
wundern; während sie einerseits die Gott damit zugefügte
Beleidigung verabscheuen, müssen Sie andererseits eine
gewisse heitere Demut besitzen, der es Freude macht, die
eigene Armseligkeit wahrzunehmen und zu erkennen.
In Kürze will ich Ihnen die Übungen angeben, welche für
Sie passend sind. Genaueres darüber werden Sie in der
Schrift finden, welche ich jetzt abfasse. Die
Vorbereitung zu dem ganzen Tagewerk hat ganz kurz des
Morgens zu geschehen, die Betrachtung von beiläufig
einstündiger Dauer vor Tisch, ganz nach Ihrer
Gelegenheit; vor dem Nachtessen ziehen Sie sich noch auf
eine kleine Weile zurück, um entweder im Anschluss an
Ihre Morgenbetrachtung, oder auch über einen anderen
Gegenstand ein Dutzend recht lebendiger Anmutungen zu
Gott zu machen.
Unter Tags bei Ihren Arbeiten werfen Sie, so oft Sie
können, einen prüfenden Blick in Ihr Inneres, um zu
sehen, ob Ihr Eifer sich nicht zu weit eingelassen hat,
ob derselbe nicht aus dem Geleise gekommen ist und ob
Sie noch immer sich halten an der Hand des Herrn. Finden
Sie, dass Sie aufgeregt sind, so beschwichtigen Sie Ihre
Seele und bringen sie zur Ruhe. Stellen Sie sich Unsere
liebe Frau vor, wie sie mit einer Hand ruhig ihre Arbeit
besorgt, während sie mit der anderen das göttliche Kind
an der Hand oder auf dem Arme hält und bei allen ihren
Verrichtungen stets auf dasselbe die größte Rücksicht
nimmt.
Zur Zeit des Friedens und der Ruhe machen Sie häufig
Akte der Sanftmut; durch dieses Mittel werden Sie Ihr
Herz allmählich an jene Tugend gewöhnen.
Machen Sie sich nicht die Mühe, sich mit den kleinen
Versuchungen, welche Ihnen vorkommen, in Streit
einzulassen ; wenden Sie in solchen Fällen ganz einfach
Ihr Herz Christus dem Gekreuzigten zu; gehen Sie etwa
hin und küssen mit Liebe die Wunde seiner Seite oder die
seiner Füße.
Machen Sie sich keine besondere Sorge um viel mündliches
Gebet; lassen Sie vielmehr stets, wenn Ihr Herz beim
Gebete sich zur Betrachtung hingezogen fühlt, demselben
freien Lauf. Sollten Sie auch weiter nichts leisten, als
die Betrachtung nebst dem Vaterunser, dem Englischen
Gruße und dem Glaubensbekenntnisse, so können Sie sich
damit zufrieden geben. Froh gemutet widme ich mich dem
Dienste Ihrer Seele, welche fortan mir teuer sein wird
wie meine eigene. Möge Gott für immer Herr über unsere
Herzen sein, wie ich in ihm verbleibe
Ihr u. s. w.
19.
Tagesordnung für eine mit Arbeit überhäufte Dame.
Den 29. September 1612.
Werteste Frau und Tochter! Die würdige Überbringerin
dieser Zeilen wird Ihnen sagen, unter welcher Überlast
von Geschäften ich Ihnen schreibe. Sie werden mich daher
entschuldigen, wenn ich nicht so ausführlich werde, wie
ich möchte. Die Dauer Ihrer Gebete muss sich richten
nach der größeren oder geringeren Menge Ihrer Geschäfte;
und da es einmal dem Herrn gefallen hat, Sie in
Lebensverhältnisse zu versetzen, wo Sie jeden Augenblick
Störungen ausgesetzt, so müssen sich daran gewöhnen, es
mit ihren Gebeten kurz zu machen, müssen aber dafür sich
dieselben so sehr zur strengen Regel machen, dass Sie
dieselben niemals unterlassen ohne die dringendste
Notwendigkeit. Es ist mein Wunsch, dass Sie morgens nach
dem Ausstehen Ihre Knie vor Gott beugen, um ihn
anzubeten, das Kreuzzeichen machen und ihn um seinen
Segen bitten für das ganze Tagewerk. Dieses Morgengebet
braucht nicht länger als ein oder zwei Vaterunser lang
zu dauern. Wenn Sie Messe haben, so mögen Sie dieselbe
mit Andacht und Ehrerbietung anhören und dabei, wie es
in der „Philothea” angegeben ist, Ihren Rosenkranz
beten. Des Abends gegen die Zeit des Nachtessens hin
könnten Sie recht wohl ein Vaterunser lang sich vor dem
Herrn niederwerfen und einige herzliche Gebete
verrichten; denn es gibt kein Geschäft, welches Sie
derart in Anspruch nähme, dass Sie nicht auf ein paar
Augenblicke sich demselben entziehen könnten. Des Abends
vor dem Schlafengehen können Sie über der Arbeit, wo Sie
auch sein mögen, einen kurzen Rückblick werfen über Ihr
Tagewerk, und bevor Sie zur Ruhe gehen, sich ein
Weilchen auf Ihre Knie niederwerfen, der begangenen
Fehler wegen Gott um Verzeihung bitten, ihn um seinen
Schutz und Segen anflehen, was alles binnen der Dauer
eines Ave Maria geschehen kann.
Vor allem aber verlange ich, dass Sie häufig während des
Tages Ihr Herz zu Gott erheben und ihm einige Worte
treuer Liebe sagen.
Was Ihre Trübsale angeht, meine teure Tochter, so werden
Sie leicht zu unterscheiden wissen, wo Abhilfe möglich
ist und wo nicht. Wo zu helfen ist, sehe man mit aller
Ruhe sich nach den geeigneten Mitteln um; wo aber nicht
zu helfen ist, muss man sein Kreuz tragen, wie es der
Herr uns zu unserer Abtötung und Prüfung auferlegt, um
uns ganz zu seinem Eigentum zu machen.
Hüten Sie sich, sich in Klagen zu ergehen; nötigen Sie
vielmehr Ihr Herz, in Ruhe zu leiden. Sollte Ihnen
dennoch eine Äußerung der Ungeduld entschlüpfen, so
tragen Sie, sobald Sie es merken, Sorge, Ihr Herz wieder
zu beruhigen und zu besänftigen. Glauben Sie es mir,
meine teure Tochter, Gott liebt die Seelen, die da mit
den Wogen und Stürmen der Welt zu ringen haben, wenn sie
nur die Mühsale von seiner Hand annehmen und gleich
tapferen Kriegern treu zu ihrer Fahne stehen mitten in
allen Stürmen und Kämpfen. Wenn es mir möglich ist,
werde ich der liebenswürdigen Schwester noch einiges
über diesen Gegenstand mündlich für Sie sagen. Ich muss
fort, um einen hitzigen Streit zu vermitteln, dessen
Ausbruch verhindert werden muss.
Von ganzem Herzen bin ich Ihr u. s. w.
20. Lebensregeln für eine Nichte des Heiligen.
Den 5. März 1616.
Glaube ja nicht, ich bitte Dich, meine liebste Nichte
und Tochter, ich habe Dich vergessen oder aus Mangel an
Zuneigung so Iange gezögert, Dir zu schreiben. Im
Gegenteil hat das löbliche Verlangen, Gott recht
treulich zu dienen, welches ich in Deiner Seele
wahrgenommen, den sehnlichsten Wunsch in der meinigen
hervorgerufen, Dir nach bestem Vermögen beizustehen und
zu helfen, gar nichts zu sagen von der Verpflichtung,
die ich ohnehin gegen Dich habe, und von der herzlichen
Zuneigung, die ich infolge meiner guten Meinung von Dir
von Deiner zartesten Jugend an für Dich hegte.
Wohlan, meine liebe Nichte, es gilt also jetzt, dieses
geliebte Herz mit aller Sorgfalt zu bilden und nichts zu
unterlassen, was zu dessen Wohlfahrt dienlich sein kann.
Obwohl nun dies zu jeder Zeit geschehen kann, so ist
doch das Alter, in welchem Du Dich jetzt befindest, ganz
besonders dazu geeignet. Ach, es ist eine seltene Gnade,
meine liebe Tochter, in die Dienste des großen Gottes zu
treten, während man noch so jung und für alle Eindrücke
empfänglich ist!
Und wie lieblich ist ein solches Opfer, bei welchem man
mit den ersten Früchten des Baumes zugleich die Blüten
darbringt!
Halte stets fest in Deinem Herzen die Entschlüsse,
welche Gott Dir eingab, als Du vor ihm zu meinen Füßen
knietest; wenn Du dieselben während dieses ganzen
sterblichen Lebens bewahrest, werden sie ihrerseits Dich
bewahren zum ewigen Leben. Um dieselben aber nicht bloß
zu bewahren, sondern auch zu glücklichem Wachstum zu
bringen, bedarfst Du keiner weiteren Anweisungen als
jener, welche ich in meiner „Anleitung“, welche Du
besitzest, der Philothea gegeben habe. Dennoch will ich,
um Dir den Willen zu tun, in wenigen Worten des Näheren
angeben, was ich vorzugsweise von Dir begehre:
1. Beichte alle vierzehn Tage, um das göttliche
Sakrament der Kommunion zu empfangen; tritt aber nie
anders zu diesen himmlischen Geheimnissen hinzu als mit
dem erneuten Entschlusse, mehr und mehr Deine
Unvollkommenheiten abzulegen und in einer immer größeren
Reinheit und Vollkommenheit des Herzens zu leben. Ich
will Dir übrigens nicht wehren, auch mit acht Tagen zu
kommunizieren, wenn Du Dich in der nötigen frommen
Stimmung dazu befindest, namentlich wenn sich
herausstellt, dass Deine üblen Neigungen und die
Unvollkommenheiten Deines Wandels durch den Genuss
dieses heiligen Geheimnisses allmählich sich mindern.
Mit der Bestimmung von vierzehn zu vierzehn Tagen wollte
ich nur andeuten, dass Du niemals länger warten sollest.
2. Mache Deine geistlichen Übungen kurz und mit
Inbrunst, damit Deine Natur nicht aus Furcht vor der
langen Dauer derselben sich dagegen sträubt, sondern
vielmehr nach und nach mit diesen Handlungen der
Frömmigkeit vertraut werde. So musst Du z. B.
unverbrüchlich daran festhalten, jeden Morgen die
Morgenandacht zu verrichten, wie sie in der „Anleitung“
vorgeschrieben ist (Philothea II, 10.). Um es aber kurz
zu machen, kannst Du während des Ankleidens Gott mit
einem Stoßgebete danken, dass er Dich während der Nacht
beschützt hat. Nach den zweiten und dritten Teil kannst
Du in dieser Art abmachen, nicht nur während des
Anziehens, sondern auch schon im Bett oder sonst,
gleichviel wo oder was Du dabei vornimmst. Dann aber
wirf Dich, sobald du kannst, auf Deine Knie nieder und
bete den vierten Teil, indem Du mit dem Herzenserguss
beginnst:
„Siehe
an, o Herr, dieses arme und elende Herz.” Ebenso magst
Du es halten mit dem Nachtgebete, wenn Du Dich des
Abends zurückziehst; Du kannst es überall vornehmen, wo
Du Dich gerade befindest; nur musst Du beim dritten und
vierten Punkte niederknien, insofern Du nicht etwa durch
Krankheit daran gehindert bist.
In der Kirche höre die Messe in einer Haltung, wie sie
einer wahren Tochter Gottes geziemt, und verlasse lieber
die Kirche, ehe Du Dir eine weniger ehrerbietige Haltung
gestattest.
3. Gewöhne Dich an häufige Stoßgebete und
Erhebungen des Herzens zu Gott.
4. Achte darauf, gegen jedermann sanft und
freundlich zu sein, namentlich im eigenen Hause.
5. Das Almosen, welches in Deinem Hause gereicht
wird, gib wenn möglich immer persönlich; denn es ist
eine wesentliche Steigerung der Tugend, das Almosen mit
eigener Hand zu reichen, wenn es füglich geschehen kann.
6. Besuche gerne die Kranken in eurem Orte; denn
es ist dies eines jener Werke, auf welche der Herr sehen
wird am Tage des Gerichtes.
7. Lies jeden Tag eine oder zwei Seiten in einem
geistlichen Buche, um den Geschmack an der Gottseligkeit
in Dir zu erhalten; an Festtagen magst Du eine größere
Lesung halten, und kann dies Dir zugleich dir die
Predigt ersetzen.
8. Fahre fort, Deinen Schwiegervater recht in
Ehren zu halten, Gott will es so, indem er dir denselben
in dieser Welt zum zweiten Vater gegeben hat. Liebe
Deinen Gatten von Herzen, suche mit sanftem und
schlichtem Wohlwollen nach Möglichkeit alle seine
Wünsche zu befriedigen, und sei zugleich wacker bemüht,
die Unvollkommenheiten eines jeden zu ertragen,
besonders aber jene Deiner Hausgenossen.
Für den Augenblick weiß ich Dir sonst nichts weiter zu
sagen, als dass Du mir bei unserem Wiedersehen berichten
sollst, wie Du Dich auf dem eben vorgezeichneten Wege
der Gottseligkeit gehalten hast. Sollte noch etwas zu
bemerken sein, so werde ich es nachtragen. So halte Dich
denn recht munter, meine teure Nichte und Tochter, in
Gott und für Gott und sei überzeugt, dass ich mit
vollkommenster Gewogenheit für immer verbleibe
Dein u. s. w.
21. An
die Frau Präsidentin Brulard, die sich unter die
Leitung des Heiligen begeben hatte, während er im Jahre
1604 zu Dijon die Fastenpredigten hielt.
Nach dem Oktober 1604.
Verehrteste Frau! Mit großer Befriedigung habe ich Ihren
Brief erhalten und gelesen; sehr wünsche ich, dass meine
Zeilen Sie gleichfalls befriedigen und insbesondere
Ihnen ein Heilmittel sein möchten gegen die
Beunruhigungen, welche seit unserer Trennung in Ihrem
Herzen sich erhoben haben. Möge Gott mir dazu das
Richtige eingeben.
Ich erinnere mich sehr wohl, Ihnen einmal gesagt zu
haben, dass ich in Ihrer Generalbeichte alle Zeichen
einer wahren, guten und gründlichen Beichte gefunden
habe, und dass ich nie eine gehört habe, die mich
vollständiger befriedigt hätte. Dies ist die volle
Wahrheit, meine teure Schwester, und glauben Sie, dass
ich in solchen Dingen es mit meinen Worten sehr genau
nehme.
Sollten Sie etwas zu sagen unterlassen haben, so
forschen Sie nach, ob es wissentlich und freiwillig
geschehen ist; denn in diesem Falle müssen Sie
zweifelsohne Ihre Beichte wiederholen, wenn das, was Sie
ausgelassen haben, eine Todsünde war oder wenn Sie
damals dachten, dass es eine solche sei; war es aber nur
eine lässliche Sünde oder haben Sie es nur aus
Vergesslichkeit oder Schwäche des Gedächtnisses
ausgelassen, so seien Sie unbesorgt, meine liebe
Schwester; denn auf Gefahr meiner Seele, Sie sind in
diesem Falle durchaus nicht verpflichtet, Ihre Beichte
zu wiederholen; es genügt vielmehr, wenn Sie Ihrem
gewöhnlichen Beichtvater das Vergessene sagen – dafür
stehe ich ein.
Fürchten Sie ebensowenig, nicht genug Fleiß auf Ihre
Generalbeichte verwendet zu haben; denn ich versichere
Ihnen abermals hoch und teuer, wenn Sie nicht
absichtlich etwas ausgelassen haben, so brauchen Sie in
keinem Falle die Beichte zu wiederholen, da sie in
Wahrheit eine sehr genügende war. Seien Sie darüber ganz
beruhigt. Wenn Sie mit dem Pater Rektor darüber
sprechen, wird er Ihnen dasselbe sagen; denn das ist die
Lehre der Kirche, unserer Mutter.
Sämtliche Vorschriften der Rosenkranz-Bruderschaft und
des dritten Ordens verpflichten in keiner Weise, weder
unter schwerer noch unter lässlicher Sünde, weder direkt
noch indirekt, und wenn Sie dieselben nicht beobachten,
so sündigen Sie ebensowenig, als wenn Sie sonst etwas
Gutes zu tun unterlassen. Machen Sie sich also
dieserhalb keine Sorge, sondern dienen Gott in
Fröhlichkeit und in Freiheit des Geistes.
Sie fragen mich um ein Mittel, die Gottseligleit und den
Frieden des Geistes zu erlangen?
Meine teure Schwester, es ist keine Kleinigkeit, was Sie
von mir verlangen; aber ich will versuchen, Ihnen etwas
darüber zu sagen, da ich Ihnen dieses schuldig bin; aber
prägen Sie sich wohl ein, was ich Ihnen sagen werde.
Die Tugend der Gottseligkeit ist nichts anderes als eine
allgemeine Geneigtheit und Fertigkeit des Geistes, das
zu tun, was er als Gott wohlgefällig erkennt.
Es ist jene Erweiterung des Herzens, von welcher David
sagte: „Ich laufe den Weg deiner Gebote, wenn Du weit
machst mein Herz.” (Ps. 118, 32.) Diejenigen, welche
schlechthin rechtschaffene Leute sind, gehen auf dem
Wege Gottes; die Gottseligen dagegen laufen, und wenn
sie recht gottselig sind, so fliegen sie (Vgl. Philothea
I, 1.). Jetzt will ich Ihnen einige Regeln angeben,
welche man beobachten muss, um wahrhaft gottselig zu
sein.
Vor allen Dingen muss man die allgemeinen Gebote Gottes
und der Kirche beobachten, welche für alle
Christgläubigen gegeben sind; ohnedies, das weiß jeder,
kann es keinerlei Gottseligkeit auf der Welt geben.
Außer den allgemeinen Geboten muss man sorgfältig die
besonderen Pflichten erfüllen, welche jedem durch seinen
Beruf auferlegt sind. Wer das nicht täte, ob er auch
Tote erweckte, wäre nichtsdestoweniger in der Sünde und
verdammt, wenn er so stürbe. So ist es z.B. den
Bischöfen befohlen, ihre Schafe zu besuchen, zu
belehren, auf den rechten Weg zu führen und zu trösten.
Wenn ich nun die ganze Woche im Gebete bliebe, wenn ich
mein ganzes Leben hindurch fastete, jene Pflicht aber
verabsäumte, so würde ich verloren gehen. Wenn eine
verheiratete Person Wunder wirkte, aber die Pflicht der
Ehe nicht leistete (1 Kor. 7, 3 - 5.) oder sich um ihre
Kinder nicht kümmerte, „so wäre sie schlimmer als ein
Ungläubiger”, spricht der hl. Paulus (1 Tim. 5, 8.). Und
so auch in anderen Fällen (Vgl. Philothea I, 3.).
Dies sind nun zwei Arten von Geboten, welche als die
Grundlage jeglicher Gottseligkeit sorgfältig beobachtet
werden müssen; aber gleichwohl besteht die Tugend der
Gottseligkeit nicht in ihrer schlechthinigen Befolgung,
sondern vielmehr in ihrer eifrigen, bereitwilligen
Befolgung. Um nun diesen Pflichteifer zu erlangen, muss
man mehrere Erwägungen anstellen.
Die erste ist: Gott will es so; und es ist auch nicht
mehr als vernünftig, dass wir seinen Willen tun; denn
dazu sind wir ja auf der Welt. Ach, alle Tage bitten wir
ihn, sein Wille möge geschehen, und wenn es darauf
ankommt, ihn zu tun, wird es uns so schwer! Wir opfern
uns Gott auf, wir sagen alle Augenblicke zu ihm: Herr,
ich bin dein, hier ist mein Herz, und wenn er uns beim
Wort nehmen will, sind wir so feige!Wie können wir aber
sagen, dass wir sein sind, wenn wir unseren Willen nicht
dem seinigen unterwerfen wollen?
Zweitens haben wir die Beschaffenheit der Gebote zu
erwägen. Sie sind süß, anmutig und leicht, nicht bloß
die allgemeinen, sondern auch die besonderen, wie sie
unser Beruf mit sich bringt. Was ist es denn, was sie
Ihnen lästig macht? Nichts fürwahr, als Ihr Eigenwille,
der um jeden Preis in Ihnen herrschen will und der
manches nur deshalb verwirft, weil es ihm befohlen ist,
während er es vielleicht begehren würde, wenn es ihm
nicht befohlen wäre.
Aus hunderttausend köstlichen Flüchten suchte sich Eva
die eine heraus, die ihr verboten war; wäre sie ihr
erlaubt gewesen, sie hätte ohne Zweifel nicht davon
gegessen. Mit einem Worte, wir wollen wohl Gott dienen,
aber nach unserem Willen und nicht nach dem seinigen.
Saul hatte den Befehl, alles, was ihm in Amalek vorkäme,
zu verderben und zu zerstören; er zerstörte alles; nur
was er Kostbares fand, behielt er zurück und brachte
davon ein Opfer; aber Gott erklärte, dass er kein Opfer
gegen den Gehorsam wolle (1 Kön. 15.). Gott hat mir
befohlen, den Seelen zu dienen, ich aber wollte in der
Beschauung bleiben; das beschauliche Leben ist gut, es
darf aber den Gehorsam nicht beeinträchtigen. Es steht
uns nicht die Wahl zu nach unserem eigenen Willen. Wir
müssen wollen, was Gott will; und wenn Gott will, dass
ich ihm in einer Sache diene, so soll ich ihm nicht in
einer anderen dienen wollen; Gott will, dass Saul ihm
als König und Heerführer diene, und Saul will ihm als
Priester dienen; letzteres ist ja ohne Frage an sich
vorzüglicher als ersteres; aber trotzdem gibt Gott sich
damit nicht zufrieden; er verlangt Gehorsam.
Ein anderes Beispiel: Gott hatte den Kindern Israels
eine überaus köstliche Speise, das Manna, gegeben, aber
siehe da, sie mögen es nicht, sondern verlangen nach dem
Knoblauch und den Zwiebeln Ägyptens. So ist es mit
unserer verdorbenen Natur; sie will stets, dass ihr
Wille geschehe und nicht der Wille Gottes. Je mehr wir
nun von unserem Eigenwillen aufgegeben haben, desto
leichter wird es uns, Gottes Willen zu vollbringen.
Man sollte doch bedenken, dass es keinen Beruf gibt, der
nicht seine Beschwerden, seine Bitterkeiten und seine
Widerwärtigkeiten hätte. Statt dessen möchte fast jeder,
der sich nicht gänzlich an den Willen Gottes hingegeben
hat, seine Stellung gegen jene der anderen vertauschen.
Wer Bischof ist, möchte es lieber nicht sein, wer
verheiratet ist, möchte es lieber nicht sein, und wer es
nicht ist, möchte es sein. Woher anders kommt diese
allgemeine Unruhe der Geister, als von jenem gewissen
Missvergnügen, welches der Zwang uns verursacht, und von
einer Verderbtheit des Geistes, infolge deren wir uns
einbilden, dass jeder andere besser daran sei als wir.
Aber da kommt alles auf eins heraus: wer nicht
vollständig den Eigenwillen aufgegeben hat, der mag sich
drehen und wenden, wie er will, er wird niemals Ruhe
haben. Wer das Fieber hat, findet keine Lage gut; kaum
ist er eine Viertelstunde in einem Bette, so möchte er
in einem anderen sein; das Bett kann nichts dafür, es
ist das Fieber, das ihn überall quält; wer das Fieber
des Eigenwillens nicht hat, ist mit allem zufrieden,
wenn nur Gott damit gedient ist.
Es kümmert ihn nicht, wozu Gott ihn verwendet, wenn er
nur seinen göttlichen Willen tut; alles übrige gilt ihm
gleich.
Doch das ist noch nicht genug; man muss nicht allein den
Willen Gottes tun wollen, sondern, um gottselig zu sein,
ihn auch mit Fröhlichkeit tun. Wenn ich nicht Bischof
wäre, und doch wüsste, was ich weiß, so möchte ich es
vielleicht nicht sein; aber da ich es bin, so bin ich
nicht nur verpflichtet zu tun, was dieser mühevolle
Beruf von mir verlangt, sondern es auch mit Freuden zu
tun, und es muss mir so recht und angenehm sein. Das
meint der hl. Paulus mit dem Worte: „Wozu ein jeder
berufen ist, dabei verbleibe er vor Gott.“ (1 Kor. 7,
24.)
Wir sollen nicht das Kreuz der anderen tragen, sondern
das unsrige, und damit jeder das seinige trage, will
unser Herr, dass jedweder sich selbst, d.h. seinem
eigenen Willen entsage.
Ich hätte gern dies und das, ich möchte lieber da- und
dorthin: das sind Versuchungen. Unser Herr weiß wohl,
was er tut; tun wir nur, was er will; bleiben wir da,
wohin er uns gesetzt hat.
Doch, meine gute Tochter, gestatten Sie mir, zu Ihnen zu
reden, wie es mir ums Herz ist; ich bin Ihnen ja mit
herzlicher Liebe gewogen; Sie wünschten von mir eine
kleine Anweisung für ihr Verhalten.
Abgesehen von den Erwägungen, die ich Ihnen bereits als
notwendig empfohlen habe, machen Sie
1. täglich entweder vormittags oder auch eine
oder zwei Stunden vor dem Nachtessen eine Betrachtung
über das Leben und den Tod unseres Herrn und bedienen
sich zu diesem Zwecke der Schriften des Kapuziners
Bellintani oder des Jesuiten Bruno. Ihre Betrachtung
soll nur eine starke halbe Stunde dauern, und nicht
länger (Ungefähr dieselbe Tagesordnung schrieb der hl.
Franz von Sales fast allen frommen Personen vor, welche
unter seiner Leitung standen. Der Frau Präsidentin
Brulard, die sich viel in der vornehmen Welt bewegen
musste, empfahl er anfangs nur eine halbstündige
Betrachtung. Einige Zeit später, als Frau Brulard
Fortschritte im geistlichen Leben gemacht hatte, riet er
ihr, eine Stunde der Betrachtung zu widmen. (VgI. den
folgenden Brief.) Personen, die sehr beschäftigt oder in
abhängiger Stellung und nicht Herr über ihre Zeit waren,
gestattet er nicht, das Gebet zu unterlassen, sondern
nur dessen Dauer abzukürzen (vgl. S. 4, 23, 134 und 40),
und empfahl dann, den Mangel durch desto häufigere
Stoßgebete zu ersetzen.); am Schlusse derselben fügen
Sie immer noch eine Erwägung bei über den Gehorsam, den
unser Heiland gegen seinen himmlischen Vater geübt hat.
Sie werden finden, dass er alles, was er tat, getan hat,
um seinem himmlischen Vater sich willfährig zu erzeigen.
Tun Sie dabei Ihr möglichstes, um eine große Liebe zu
dem Willen Gottes zu erlangen.
2. Haben Sie irgend eine Berufspflicht zu
erfüllen, die Ihnen lästig fällt, so erinnern Sie sich,
bevor Sie sich dazu anschicken, dass die Heiligen ganz
andere, viel größere und unangenehmere Dinge heiteren
Sinnes vollbracht haben. Die einen haben den Martertod
gelitten, die anderen die
Verachtung der Welt ertragen. Der hl.Franziskus und so
viele Ordensleute unserer Zeit haben Aussätzige und mit
ekeIhaften Geschwüren bedeckte Kranke tausendmal geküsst
und wieder geküsst; andere haben sich in die Wüste,
wieder andere mit den Soldaten auf die Galeeren
verbannt, und dies alles, um etwas Gott Wohlgefälliges
zu tun. Und was tun wir, was auch nur entfernt an so
Schwieriges hinanreichte?
3. Denken sie oft daran, dass alles, was wir tun,
wahren Wert nur hat durch die Übereinstimmung mit dem
göttlichen Willen. Wenn ich esse oder trinke, und es
tue, weil es der Wille Gottes so ist, so bin ich Gott
wohlgefälliger, als wenn ich den Tod litte ohne diese
Absicht.
4. Ich wünsche, dass sie öfter den Tag hindurch
Gott anflehen, er möge Ihnen die Liebe zu Ihrem Berufe
verleihen, und dass Sie mit dem hl. Paulus bei seiner
Bekehrung sprechen: „Herr, was willst du, das ich tun
soll?“ (Apg. 9, 6.)
Willst du, dass ich dir diene in dem niedrigsten Amte
deines Hauses? Ach, ich werde mich dabei überglücklich
schätzen; wenn ich nur dir dienen darf, so kümmert es
mich nicht womit. Und indem Sie dann insbesondere auf
das eingehen, was Sie ungern tun, sprechen Sie: Willst
du, dass ich dies oder jenes tue? Ach, Herr, ich bin es
freilich nicht wert; aber ich will es sehr gerne tun.
So üben Sie die rechte Art der Verdemütigung; und, o
mein Gott! welch einen Schatz werden Sie gewinnen! Einen
viel reicheren, ohne Zweifel, als Sie nur zu ermessen
vermögen.
5. Ich wünschte, dass Sie erwägen, wie viele
Heilige im Alten wie im Neuen Bunde in Ihrem Stande und
Berufe gelebt haben, und wie sie alle mit großer
Willigkeit und Selbstverleugnung sich den Anforderungen
desselben gefügt haben. Das Beispiel der Sara, Rebekka,
der hl. Anna, Elisabeth, Monika, Paula und hundert
anderer möge Sie aneifern, während Sie zugleich sich
ihrer Fürbitte empfehlen.
Man muss lieben, was Gott liebt: er liebt aber unseren
Beruf; also wollen auch wir denselben lieben und nicht
unsere Zeit damit verlieren, an den der anderen zu
denken. Tun wir, was unseres Berufes ist; jeder hat an
seinem Kreuz genug; suchen Sie mit dem Dienste der
Martha jenen der Magdalena sinnig zu verbinden; widmen
Sie sich fleißig den Pflichten Ihres Berufes, kehren
aber auch oftmals bei sich selbst ein, lassen im Geiste
sich nieder zu den Füßen unseres Herrn, indem Sie
sprechen: Mein Herr, mag ich gehen oder rasten, ich bin
ganz dein und du bist mein! Du bist der erste Bräutigam
meiner Seele, und was immer ich tue, alles ist für dich,
auch dieses und das.
Sie werden von der Gebetsanleitung Mitteilung erhalten,
welche ich der Frau von Puits-d'Orbe schicke (Die
Äbtissin von Puits-d'Orbe war eine Schwester der Frau
Brulard. Eine treffliche Anleitung zu dem betrachtenden
Gebete findet sich auch in der Philothea II, 2 – 9.);
schreiben Sie sich dieselbe ab und machen Gebrauch
davon; ich wünsche es.
Da Sie des Morgens eine halbe Stunde dem betrachtenden
Gebete widmen, so dünkt mir, Sie tun wohl, wenn Sie
täglich sich mit einer Messe begnügen, und dann im Laufe
des Tages während einer halben Stunde in irgend einem
geistlichen Buche, etwa von Granada oder irgend einem
anderen guten Schriftsteller lesen.
Abends halten Sie Ihre Gewissenserforschung und den Tag
hindurch verrichten Sie Stoßgebete. Lesen Sie fleißig
den „Geistlichen Kampf” (Von Scupoli.), den ich Ihnen
recht anempfehle. An Sonn- und Feiertagen können Sie,
außer der Messe, der Vesper (Abendgebet,
letzteres jedoch ohne Verpflichtung) und der Predigt
beiwohnen.
Vergessen Sie nicht, alle acht Tage und wenn Sie sonst
eine große Gewissensbeschwerde verspüren zur Beichte zu
gehen. Was die Kommunion anlangt, so überschreiten Sie
für jetzt, wenn die Wünsche Ihres Herrn Gemahls dagegen
sind, nicht die Grenzen, die wir zu St. Claudius
festgesetzt haben. Halten Sie daran fest und
kommunizieren auf geistliche Weise; Gott wird den guten
Willen Ihres Herzens an Zahlungs statt annehmen.
Vergessen Sie niemals, was ich Ihnen so oft gesagt habe.
Machen Sie Ihrer Gottseligkeit Ehre; machen Sie dieselbe
liebenswürdig in den Augen aller, die Sie kennen,
besonders aber Ihrer Familie; sorgen Sie, dass jedermann
nur Gutes davon sagen kann. Mein Gott, wie glücklich
sind Sie, einen so vernünftigen und nachgiebigen Mann zu
haben! Sie müssen Gott recht dafür preisen.
Stößt Ihnen eine Widerwärtigkeit zu, so ergeben Sie sich
ganz unserem Herrn und trösten sich in der Überzeugung,
dass seine Hulderweisungen nur für die Guten sind oder
für jene, die auf dem Wege sind, es zu werden.
Inzwischen seien Sie überzeugt, dass meine Seele ganz
die Ihrige ist. Gott weiß es, ob ich Sie oder Ihre ganze
Familie jemals in meinem schwachen Gebete vergesse; ich
habe Sie aufs innigste in meine Seele eingezeichnet.
Gott sei Ihr Herz und Ihr Leben!
22. Mittel, die christliche Vollkommenheit im Ehestande
zu erreichen.
An dieselbe.
Werteste Frau! Ich kann Ihnen nicht auf einmal
mitteilen, was ich Ihnen versprochen habe; denn ich habe
nicht freie Zeit genug, um alles zusammenzustellen, was
ich Ihnen über den Gegenstand, über welchen Sie von mir
eine Belehrung wünschen, zu sagen habe. Ich werde also
den Stoff auf mehrere Briefe verteilen; abgesehen davon,
dass es für mich bequemer ist, können auch so meine
Ratschläge eher bei Ihnen in Fleisch und Blut übergehen.
Sie haben ein so großes Verlangen nach der christlichen
Vollkommenheit; hochherziger kann dasselbe nicht sein;
nähren Sie es und lassen es täglich wachsen. Es gibt
verschiedene Wege zur Vollkommenheit, je nach der
Verschiedenheit des Berufes. Ordensleute, Witwen,
Verehelichte, alle sollen nach der Vollkommenheit
streben, aber nicht durch die gleichen Mittel. Für Sie
verehrteste Frau, die Sie verheiratet sind, bestehen die
Mittel darin, dass Sie sich recht hineinleben in Gott,
in Ihren Nächsten und in den gesamten darauf bezüglichen
Pflichtenkreis. Das Hauptmittel, sich in Gott
einzuleben, muss der Empfang der Sakramente und das
Gebet sein.
Was den Empfang der Sakramente anlangt, so dürfen Sie
keinesfalls einen Monat vorübergehen lassen, ohne zu
kommunizieren; mit der Zeit werden Sie sogar, falls Sie
entsprechende Fortschritte im Dienste Gottes machen, mit
Bewilligung Ihrer geistlichen Väter öfter kommunizieren
können.
Zur Beichte rate ich Ihnen noch öfter zu gehen,
namentlich wenn Sie, wie das im Anfange des geistlichen
Lebens nicht selten vorkommt, einen kleinen Fehltritt
begangen haben sollten, wodurch Ihr Gewissen sich
beschwert fühlt. Sollten Sie aber in solchen Fällen
nicht immer die nötige Zeit oder Gelegenheit zur Beichte
finden, so werden Reue und Zerknirschung den Mangel
ersetzen.
Was das Gebet betrifft, so müssen Sie dasselbe sehr
fleißig üben, zumal die Betrachtung, zu welcher Sie, wie
mir scheint, ziemlich befähigt sind. Halten Sie also
täglich eine Betrachtung von der Dauer einer kleinen
Stunde, entweder morgens, ehe Sie ausgehen, oder abends
vor dem Nachtessen. Tun Sie es aber nicht nach dem
Mittags- oder Abendtisch; es würde das Ihrer Gesundheit
nachteilig sein.
Um aber mit Nutzen die Betrachtung anzustellen, müssen
Sie zuvor mit dem Gegenstande vertraut sein, über
welchen Sie betrachten wollen, damit Sie schon beim
Beginn des Gebetes Ihren Stoff in Bereitschaft haben. Zu
diesem Ende halten Sie sich Schriftsteller, welche das
Leben und den Tod unseres Herrn in einzelnen Lesestücken
zur Betrachtung vorlegen, wie Granada, Bellintani,
Capiglia und Bruno; suchen Sie sich darin, was Ihnen für
Ihre Betrachtung geeignet scheint, und lesen es so
aufmerksam durch, dass es zur Zeit des Gebetes Ihrem
Geiste gegenwärtig ist und Sie es alsdann nur geistig zu
verarbeiten brauchen, wobei Sie stets die Methode
befolgen wollen, welche ich Ihnen für die Betrachtung
ausgeschrieben habe, die ich Ihnen am Gründonnerstag
gab.
Außerdem verrichten Sie häufig Stoßgebete zu unserem
Herrn, so oft wie möglich, zu allen Stunden und in jeder
Gesellschaft, und schauen so allezeit Gott in Ihrem
Herzen und Ihr Herz in Gott.
Lesen Sie gerne die Schriften, welche Granada über das
Gebet und die Betrachtung verfasst hat; nirgendwo werden
Sie eine bessere und anregendere Belehrung darüber
finden. Ich wünsche, Sie ließen keinen Tag vorübergehen,
wo Sie der Lesung eines geistlichen Buches nicht eine
halbe oder eine ganze Stunde widmen; es kann Ihnen
dieses zum Ersatz für die Predigt dienen.
Das wären nun die Hauptmittel, sich recht mit Gott zu
vereinigen. Was jene betrifft, die dazu dienen, uns
recht mit dem Nächsten zu vereinen, so gibt es deren
sehr viele; nur einige wenige will ich hier angeben.
Man muss den Nächsten in Gott betrachten, welcher will,
dass wir denselben lieben und ihm Zuneigung beweisen
sollen, das ist die Lehre des hl. Paulus welcher den
Dienern befiehlt, Gott zu dienen in ihrem Herrn und
ihren Herren in Gott (Eph. 6, 6 - 8.). In dieser Liebe
zu dem Nächsten muss man sich üben, indem man ihm
äußerlich Beweise des Wohlwollens gibt; geht einem das
anfangs etwas gegen das Gemüt, so darf man es doch darum
nicht unterlassen; denn dieses Widerstreben des niederen
Menschen wird zuletzt durch Gewöhnung überwunden und
durch wiederholte Handlungen in freundliche Zuneigung
verwandelt. Auch das Gebet und die Betrachtung müssen
diesem Zwecke dienstbar gemacht werden; haben wir um die
Liebe Gottes gebeten, so müssen wir stets auch um die
Liebe zum Nächsten bitten, und zwar besonders zu jenen,
für welche wir keine natürliche Zuneigung empfinden.
Ich rate Ihnen, machen Sie sich mitunter die Mühe, die
Spitäler zu besuchen, die Kranken zu trösten, ihre
Gebrechen mit zartem Mitleid zu betrachten, für sie zu
beten und ihnen zugleich kleine Liebesdienste zu
erweisen. Bei allem diesem hüten Sie sich aber
sorgfältig, dass Sie Ihrem Herrn Gemahl, Ihrer
Dienerschaft und Ihren Verwandten nicht Anlass geben zur
Klage über zu langes Verweilen in der Kirche, zu große
Zurückgezogenheit und Vernachlässigung Ihrer häuslichen
Obliegenheiten. Hüten Sie sich, wie es manchmal
vorkommt, andere wegen ihres Benehmens zu hofmeistern,
oder bei Unterhaltungen, bei welchen die Regeln der
Gottseligkeit nicht so genau im Auge behalten werden, zu
sehr Ihre Geringschätzung merken zu lassen; denn bei
allem diesem muss die Liebe vorwalten und uns
erleuchten, dass wir den Wünschen des Nächsten uns in
allem anbequemen, was den Geboten Gottes nicht zuwider
ist.
Sie sollen nicht allein für Ihre Person fromm sein und
die Gottseligkeit lieben, sondern müssen dieselbe auch
liebenswürdig, nutzbringend und angenehm machen für
jedermann. Die Kranken werden Ihre Gottseligkeit lieben,
wenn ihnen dieselbe liebreichen Trost bringt; Ihre
Familie, wenn sie findet, dass Sie für ihr Wohl
besorgter, bei häuslichen Unannehmlichkeiten
sanftmütiger, bei Zurechtweisungen wohlwollender werden
u. s. w.; Ihr Herr Gemahl, wenn er sieht, dass Sie mit
zunehmender Gottseligkeit auch herzlicher gegen ihn
werden und ihm umso mehr Aufmerksamkeit erweisen; Ihre
Verwandten und Freunde, wenn sie bei Ihnen desto mehr
Herzlichkeit, Gefälligkeit und bereitwilliges
Entgegenkommen finden mit ihren Wünschen, die dem Willen
Gottes nicht zuwider sind; kurz, Sie müssen soviel als
möglich Ihre Gottseligkeit anziehend zu machen suchen.
Ich habe eine kleine Abhandlung über die Vollkommenheit
des christlichen Lebens verfasst, von welcher ich Ihnen
eine Abschrift schicke, die Sie gütigst auch der Frau
von Puits-d'Orbe mitteilen wollen; nehmen Sie dieselbe
freundlich auf sowie auch diese Zeilen, die aus einer
Seele kommen, die von ganzem Herzen auf Ihr Seelenheil
bedacht ist und nichts sehnlicher wünscht, als das Werk
Gottes in Ihnen vollendet zu sehen. Ich bitte Sie
dringend, in Ihre Gebete und Kommunionen mich
einzuschließen, wie auch ich Sie versichere, dass ich,
so lange ich lebe, Sie bei den meinigen bedenken und so
stets bleiben werde
Ihr u. s. w.
23. Weitere
Verhaltungsregeln.
An dieselbe.
Liebe Frau Schwester! In dem Briefe, den ich vor sechs
Wochen an Sie richtete, habe ich auf alle Ihre Anfragen
geantwortet. Ohne Zweifel haben Sie denselben erhalten,
und ich kann mich daher jetzt kürzer fassen.
Gemäß Ihrem Vorschlage vom 26. September bin ich
einverstanden, dass unsere gute Äbtissin (Die Äbtissin
von Puits-d'Orbe.) die kleinen Regeln, welche unser
Vater entworfen hat, einzuführen anfängt, nicht um dabei
stehen zu bleiben, sondern um dadurch mit größerer
Leichtigkeit den Weg zu größerer Vollkommenheit zu
bahnen.
Nichts ist diesem Unternehmen hinderlicher als die
Verschiedenartigkeit der Vorschläge, die gemacht werden,
sowie besonders das Anraten einer so strengen Regel;
denn das wirkt abschreckend auf den Geist unserer
Schwester und auch auf den der übrigen. Man braucht
Ihnen, dünkt mich, gar nicht zu sagen, wieweit sie im
Ganzen noch zu reisen, sondern nur, welche Wegstrecke
Sie von einem Tag zum anderen zurückzulegen haben. Wie
unsere Schwester ohnehin schon auf die Vollendung der
Reform bedacht ist, braucht man sie gar nicht zu
drängen; das könnte sie nur stören. Im Gegenteile, man
muss ihr nur Geduld und Ausdauer predigen, sonst wird
sie alles übers Knie brechen wollen, und wenn eine
Verzögerung eintritt, die Geduld verlieren und das ganze
Unternehmen aufgeben. Und wirklich hat man ja Grund
genug, zufrieden zu sein mit dem, was unser Herr bis
jetzt durch sie gewirkt hat: man muss ihm danken dafür
und ihn um seine weitere Hilfe bitten.
Was meine kleine Schwester (Eine jüngere Schwester der
Frau Brulard.) anbelangt, so überlasse ich sie Ihnen und
mache mir ihretwegen keine Sorge; nur wünschte ich, dass
unser Vater (Der Präsident v. Crepy, Vater der Frau
Brulard.) nicht besorge, sie möge zu fromm werden, wie
er es immer bei Ihnen befürchtete. Ich bin überzeugt,
dass bei ihr diese Besorgnis überflüssig ist. Mein Gott!
der gute Vater! Ach, solche Herren sind eben ein wenig
eifersüchtig auf ihr Reich und ihre Herrschaft, die
ihnen bedroht scheint, wenn man etwas tut ohne ihre
Autorität und ihren Befehl. Nun, man muss ihnen diese
kleine Menschlichkeit zu gute halten. Sie wollen die
Herren sein, und gehört es sich nicht wirklich so?
Gewiss sind sie es, was die Dienste betrifft, die Sie
ihnen schuldig sind; aber die guten Herren bedenken
nicht, dass man in Sachen des Seelenheiles sich an die
geistlichen Führer und Ärzte halten muss, und dass
unbeschadet der Rechte, welche ihnen zustehen, Sie Ihr
Heil wirken müssen mit Hilfe der Mittel, welche
diejenigen geeignet finden, die da aufgestellt sind, die
Seelen zu leiten.
Aber trotz alledem müssen Sie große Rücksicht auf ihre
Wünsche nehmen, ihre kleinen Eigenheiten ertragen und so
viel nachgeben, als es möglich ist, ohne unsere guten
Absichten zu vereiteln. Eine solche Nachgiebigkeit wird
unserem Herrn gefallen. Schon früher sagte ich Ihnen: Je
weniger wir nach unserem Geschmack leben und je weniger
wir unser Tun und Lassen nach eigenem Gutdünken
einrichten, desto echter und vorzüglicher ist unsere
Gottseligkeit. Manchmal tut es not, dass wir unseren
Herrn verlassen, um aus Liebe zu ihm anderen den Willen
zu tun.
Nein, ich kann mich nicht enthalten, meine liebe
Tochter, zu Ihnen zu reden, gerade wie ich denke; ich
weiß, Sie werden meine offenherzige Sprache nicht übel
nehmen. Vielleicht -- was weiß ich? – haben Sie dem
guten Vater und Ihrem guten Gemahl Veranlassung gegeben,
sich um Ihre Andachtsübungen zu bekümmern und darüber
aufgebracht zu sein. Sie waren vielleicht zu übereifrig
und aufdringlich und haben mit Gewalt sie selbst auf
Ihren Weg hinnötigen wollen. Wenn es so ist, so ist dies
ohne Zweifel der Grund, warum sie nun so gereizt sind.
Wir müssen soviel als möglich sorgen, dass unsere
Frömmigkeit nicht lästig wird. Ich will Ihnen indessen
sagen, was jetzt zu tun ist.
Können Sie zur Kommunion gehen, ohne Ihre beiden Obern
zu beunruhigen, so tun Sie es, so oft Ihre Beichtväter
dazu raten. Fürchten Sie aber die Herren zu beunruhigen,
so begnügen Sie sich mit der geistlichen Kommunion.
Glauben Sie mir, diese geistliche Abtötung, diese
Entbehrung Gottes wird dem Herrn außerordentlich
wohlgefällig sein und wird ihn desto inniger mit Ihrer
Seele vereinigen. Man muss manchmal einen Schritt
rückwärts tun, um einen desto besseren Anlauf nehmen zu
können.
Ich habe oft die außerordentliche Entsagung des hl.
Johannes des Täufers bewundert, der so lange in der
Wüste ganz in der Nähe unseres Heilandes sich aufhielt,
ohne sich Mühe zu geben, ihn zu sehen, zu hören und ihm
nachzufolgen; und wie konnte er, nachdem er ihn gesehen
und getauft hatte, ihn ziehen lassen, ohne sich an ihn
persönlich anzuschließen, da er doch geistig so innig
mit ihm vereinigt war? Er wusste indessen, dass er
gerade durch den Verzicht auf den persönlichen Umgang
dem Herrn am besten dienen konnte.
So werden auch Sie Gott nach Ihrem geringen Maße dienen,
wenn Sie, um das Herz der beiden Ihnen von ihm gegebenen
Vorgesetzten zu gewinnen, sich die Entbehrung seiner
wirklichen Gegenwart gefallen lassen. Es wird mir ein
sehr großer Trost sein, wenn ich überzeugt sein darf,
dass diese Ratschläge, welche ich Ihnen erteile, Ihr
Herz nicht in Unruhe versetzen. Glauben Sie mir, dieser
Verzicht, diese Selbstverleugnung wird Ihnen äußerst
nützlich sein. Nichtsdestoweniger werden Sie manchmal
Gelegenheit finden, heimlich zu kommunizieren;
vorausgesetzt nämlich, dass Sie auf die Wünsche der
beiden Herren verständige Rücksicht nehmen und ihnen
keine Veranlassung zur Ungeduld geben, erteile ich Ihnen
keine andere Vorschrift in Betreff der Kommunion, als
Ihre Beichtväter. Diese kennen den augenblicklichen
Zustand Ihrer Seele und wissen zu beurteilen, was zu
Ihrem Heile erforderlich ist.
Dasselbe gilt für Ihre Tochter; lassen Sie dieselbe mit
der heiligen Kommunion bis Ostern warten, weil sie
dieselbe vor dieser Zeit nicht empfangen kann, ohne bei
ihrem guten Vater anzustoßen; Gott wird diesen Aufschub
lohnen.
Sie werden, wie ich sehe, recht in der Entsagung und
Selbstverleugnung geprüft, da Sie Gott nicht nach Ihrem
Willen dienen können. Ich kenne eine Dame, eine der
größten Seelen, die mir jemals vorgekommen sind, welche
lange Zeit derart den Launen ihres Mannes unterworfen
blieb, dass sie auf der Höhe ihrer Gottseligkeit und
frommen Inbrunst den Hals entblößt tragen, mit
Schmucksachen beladen erscheinen musste, und um nicht
tausend Stürme in ihrem Hanse heraufzubeschwören, mit
Ausnahme von Ostern, nur ganz im geheimen und ohne
jemandes Vorwissen kommunizieren durfte. Auf diesem Wege
hat sie es aber sehr weit gebracht; ich weiß es, da ich
sehr oft ihr Beichtvater war.
Üben Sie also mit Freuden die Abtötung, und je mehr Sie
verhindert sind, das Gute zu tun, welches Sie wünschen,
desto eifriger verrichten Sie das Gute, das Sie nicht
wünschen. Sie wünschen nicht diese Entsagungen, Sie
möchten andere haben; üben Sie aber jene, die Sie nicht
wünschen, denn diese sind nur umso verdienstlicher.
Die Psalmen Davids in der Übersetzung oder Nachdichtung
von Desportes sind Ihnen keineswegs verboten, noch
schädlich; sie sind im Gegenteile nützlich. Lesen Sie
dieselben nur ganz unbedenklich; ich widerspreche nie
jemand; aber ich weiß sehr wohl, dass diese Psalmen
Ihnen durchaus nicht verboten sind und dass kein Grund
vorhanden ist, Bedenken dagegen zu erheben. Es mag wohl
sein, dass irgend ein guter Vater nicht haben will, dass
seine geistlichen Kinder sie lesen; er mag seine Gründe
dafür haben; aber daraus folgt nicht, dass andere nicht
ebenso gute, vielleicht noch bessere haben können, sie
den ihrigen anzuraten. Eines steht fest, dass Sie bei
jedem passenden Anlass darin lesen können.
Ebenso können Sie ohne Skrupel das Kloster von
Puits-d'Orbe besuchen, und ich habe durchaus keine
Veranlassung, Ihnen eine Buße aufzuerlegen wegen des
Skrupels, den Sie sich deswegen gemacht haben. Der
Skrupel an sich ist Qual genug für diejenigen, die ihn
unterhalten oder auszuhalten haben, und man braucht
ihnen daher nicht noch weitere Bußen aufzuerlegen.
Alcantara ist sehr gut für das Gebet.
Tun Sie recht weit Ihr Herz auf, um darin alle Arten von
Kreuz, Entsagung und Selbstverleugnung aufzunehmen aus
Liebe zu dem, der so viel davon auf sich genommen hat.
Möge sein heiliger Name allezeit gepriesen sein und sein
Reich sich befestigen von Ewigkeit zu Ewigkeit!
In ihm und durch ihn bin ich Ihnen mehr als Bruder und
Diener.
24. Über Almosengeben und Jahresbeichte.
An dieselbe.
Den 8. Juni 1606.
Was das Almosen betrifft, so müssen Sie wissen, ob Ihr
Herr Gemahl damit einverstanden ist, dass Sie
Mildtätigkeit üben nach Maßgabe Ihres Vermögens und der
Mittel Ihres Hauses. Und da es mir vorkommt, als hätten
Sie mir diese Frage bejaht, so kann es nicht zweifelhaft
sein: Sie dürfen nicht allein, sondern Sie müssen sogar
Almosen geben. Wie viel, das können Sie selbst am besten
beurteilen; es sind dabei Ihre Mittel und Ihr Rang zu
berücksichtigen, und überdies muss Ihre Wohltätigkeit
sich richten nach dem jedesmaligen Bedürfnisse der
Armen. Zur Zeit der Hungersnot muss man, wenn das Haus
gehörigen Vorrat hat, mit offenen Händen geben; zur Zeit
des Überflusses braucht man weniger freigebig zu sein
und darf eher auf Ersparnisse bedacht sein.
Was das Aufschreiben der Beichte angeht, so ist dies
eine gleichgültige Sache; Sie persönlich, ich versichere
Sie, haben es gar nicht nötig; denn ich erinnere mich,
dass selbst Ihre Generalbeichte sehr gut und genau war,
ohne dass Sie etwas ausgeschrieben hatten. Auch wollen
manche von dem Schreiben gar nichts wissen und ziehen es
vor, dass man sich auswendig anklage.
Jahresbeichten sind recht gut; sie führen uns unsere
Armseligkeit vor Augen, lassen uns erkennen, ob wir
vorwärts oder rückwärts gehen, und helfen uns mit
größerer Lebhaftigkeit, unsere guten Vorsätze wieder
auffrischen. Man muss aber dabei ohne Unruhe und
Ängstlichkeit verfahren, und es muss einem dabei nicht
sowohl um die Lossprechung, als um eine Ermutigung zu
tun sein, weshalb man bei der Gewissenserforschung auch
nicht so ins einzelne zu gehen, sondern nur die
wichtigeren Punkte zu berücksichtigen braucht. Können
Sie es so machen, so rate ich dazu; wenn nicht, so ist
es mein Wunsch, dass Sie eine solche Jahresbeichte
unterlassen.
Sie bitten mich noch, meine teure Schwester, um eine
kleine Zusammenstellung der Tugenden, welche für eine
verheiratete Frau besonders geeignet sind; indessen habe
ich für jetzt nicht die nötige Zeit dazu; ich werde
Ihnen aber später einmal darüber etwas schreiben; denn
ich wünsche von ganzem Herzen, Ihnen zu dienen; und
wiewohl mir bekannt ist, dass es Ihnen bei Ihrem Verkehr
mit so vielen heiligen und gelehrten Seelen an guten
Ratschlägen nicht fehlen kann, so werde ich Ihnen, da
Sie auch meinen Rat begehren, darin zu Willen sein. --
Wie freut es mich, zu wissen, dass Ihr Herr Gemahl mehr
und mehr annimmt von der Sanftmut und Freundlichkeit
Ihres Umganges. Das ist eine der Tugenden der Ehefrauen,
und gerade die, welche der hl. Paulus allein einschärft
(1 Kor. 7, 34., Eph. 5, 23 - 24.) .
Ich bitte Sie, meine liebe Tochter, machen Sie nicht mit
mir diese Umstände; denn ich bin Ihnen mit aller
Aufrichtigkeit ergeben. Der Herr sei immerdar das Herz,
die Seele und das Leben unserer Herzen. Amen.
Ihr u. s. w.
25. Trost für
Kinderlose.
An eine Dame.
Den 13. Dezember 1621.
Das eine wie das andere ist ein guter Gedanke, meine
teure Tochter. Nachdem Sie alles Gott geschenkt haben,
dürfen Sie nichts in sich suchen, als ihn allein, der
doch sicher die beste Gegengabe ist für das bisschen,
das sie ihm geschenkt haben. O wie muss dieser Gedanke
Ihren Mut stählen und Sie stärken in Ihrem kindlichen
Vertrauen! Nicht minder gut ist der Gedanke, Ihre
Unfruchtbarkeit sei eine Strafe für Ihre Sünden, wenn
Sie auch nicht darüber nachgrübeln sollen, durch was für
ein Vergehen Sie solches verschuldet haben; es wird Sie
dieser Gedanke in der Demut bestärken. Glauben Sie,
meine liebe Tochter, dass Sara, Rebekka, Rachel, Anna
die Mutter Samuels, die hl. Anna, Mutter Unserer lieben
Frau, und die hl. Elisabeth, solange sie unfruchtbar
waren, Gott weniger wohlgefielen, als nachdem sie Kinder
empfangen hatten? Man muss in Treuen den Weg des Herrn
wandeln und den Frieden bewahren im Winter der
Unfruchtbarkeit wie im Herbste der Fruchtbarkeit.
Unsere Schwestern sind über Erwarten voll Trost wegen
des zu hoffenden Friedens. Sie müssen's noch mehr sein
im Hinblick auf das Wort ihres himmlischen Bräutigams,
der die Seinigen behütet wie seinen Augapfel. Der hl.
Hieronymus spricht zu einer seiner geistlichen Töchter:
„Der bedarf keines Bretterbodens, der auf der Erde
wandelt; der bedarf keines Daches, über dem der Himmel
sich wölbt.“ Wird der Gott, der Schnecken und
Schildkröten, die seiner nicht gedenken und sein Lob
nicht singen, Häuser gibt, seine Dienerinnen, welche zu
seinem Lobe versammelt sind, ohne Klöster lassen? Meine
Tochter, mehr und mehr bin ich
Ihr ganz ergebenster u. s. w.
26. Der Heilige drückt einer Dame seine Freude aus
über ihr Streben nach Vollkommenheit und erteilt ihr
Ratschläge für die Zeit der Schwangerschaft.
Werteste Frau! Ihr Brief vom 16. Mai, den ich aber erst
am 27. Juni erhalten habe, gibt mir reichlichen Anlass,
Gott zu preisen für das treue Festhalten Ihres Herzens
an dem Verlangen nach Vervollkommnung des christlichen
Lebens, worin er Sie erhält. Wie ernst es Ihnen damit
ist, erkenne ich sehr deutlich an der heiligen Einfalt,
mit welcher Sie Ihre Versuchungen und Kämpfe mir
darstellen. Ich sehe wohl, dass der Herr Ihnen beisteht,
da Sie Schritt für Schritt, Tag für Tag mehr und mehr
Ihre gänzliche Befreiung erringen von den
hauptsächlichsten Unvollkommenheiten und Schwächen, die
Ihnen früher zu schaffen machten.
Ich zweifle nicht, dass Sie binnen ganz kurzer Zeit den
vollständigen Sieg darüber werden gewonnen haben, da ich
sehe, wie tapfer im Kampfe und wie voll zuversichtlicher
Hoffnung Sie sind, zu siegen durch die Gnade unseres
guten Gottes.
Der Trost, den Sie bei diesem Unternehmen finden, ist
ohne Zweifel ein deutliches Vorzeichen, dass Sie
glücklich zum Ziele gelangen werden. Bestärken Sie sich
daher in diesem guten Vorsatze, der Sie zu ewigem Ruhm
führen wird. In Ihrem Haushalt übersehen Sie nichts, was
zu dessen gedeihlicher Führung erforderlich ist; fahren
Sie fort, häufig zur Beichte und Kommunion zu gehen;
lassen Sie keinen Tag vorübergehen, ohne etwas in einem
geistlichen Buche zu lesen, wie wenig es auch sein mag;
wenn es mit Aufmerksamkeit und Andacht geschieht, wird
es Ihnen großen Gewinn bringen. Halten Sie abends Ihre
Gewissenserforschung; gewöhnen Sie sich an die kurzen
Gebete und Anmutungen, die man Stoßgebete nennt; des
Morgens, wenn Sie vom Bette aufstehen, werfen Sie sich
stets auf die Knie, um Ihrem himmlischen Vater, der
seligsten Jungfrau und Ihrem Schutzengel Ihre Verehrung
zu bezeigen, wäre es auch nur für drei Minuten. Sie
dürfen es nie unterlassen; tragen Sie ein recht frommes
Bild bei sich und küssen dasselbe häufig.
Recht lieb ist es mir, dass Ihr Sinn heiterer geworden
ist als früher; ohne Zweifel, werteste Frau, wird Ihre
Zufriedenheit von Tag zu Tag sich steigern; denn die
Süßigkeit des Herrn wird sich mehr und mehr in Ihre
Seele ergießen. Nie hat noch jemand die Gottseligleit
verkostet, ohne davon Süßigkeit zu empfinden.
Ich bin versichert, dass dieser Trost und diese
Freudigkeit des Geistes mit ihrem köstlichen Wohlgeruche
über Ihr ganzes Verhalten sich verbreiten werden,
besonders über das häusliche; ja gerade hier, wo der
Schwerpunkt Ihres Pflichtenkreises ruht, muss man am
meisten davon merken. Wenn Sie die Gottseligkeit lieben,
so suchen Sie derselben überall Hochschätzung und
Ehrerbietung zu erwerben; es werden aber alle dieselbe
hochschätzen, wenn sie an Ihnen die guten und lieblichen
Wirkungen derselben wahrnehmen.
Mein Gott, wie viele und schöne Gelegenheit haben Sie,
sich um Ihr ganzes Haus verdient zu machen! Ohne Zweifel
können Sie daraus ein wahres Paradies der Frömmigkeit
machen, da Ihr Herr Gemahl Ihren guten Wünschen so
freundlich entgegenkommt. Ach, wie glücklich werden Sie
sein, wenn Sie recht der Maßhaltung in Ihren geistlichen
Übungen sich befleißen, die ich Ihnen empfohlen habe,
und dabei soviel als nur immer möglich Ihren häuslichen
Beschäftigungen und den Wünschen Ihres Gemahls Rechnung
tragen, der ja weder unbillig noch tyrannisch in seinen
Forderungen ist. Ich habe wenige Frauen gekannt, denen
es leichter gemacht worden ist, gottselig zu leben, als
Ihnen, werteste Frau, weshalb Sie auch doppelt
verpflichtet sind, rechte Fortschritte darin zu machen.
Sehr wünschte ich, dass Sie auf die heilige Betrachtung
sich verlegen möchten; denn wie mir scheint sind Sie
sehr beanlagt dafür. Ich sprach Ihnen davon während der
letzten Fastenzeit; ich weiß nicht, ob Sie bereits Hand
angelegt haben. Indessen möchte ich, dass Sie täglich
wenigstens für die ersten Jahre nicht mehr als eine
halbe Stunde darauf verwendeten. Es würde dies sehr viel
dazu helfen, Ihnen den Sieg über Ihre Feinde zu
verschaffen.
Ich habe sehr wenig Zeit zum Schreiben, und dennoch kann
ich kein Ende finden; so angenehm ist es mir, mich
wenigstens brieflich mit Ihnen zu unterhalten. Und ich
bitte Sie, überzeugt zu sein, beste Frau, dass der
einmal in mir erwachte Wunsch, Ihnen zu dienen und Sie
zu ehren im Herrn, mit jedem Tage in meiner Seele wächst
und zunimmt. Kann ich auch zu meiner Betrübnis nur sehr
wenig für Sie tun, so unterlasse ich doch nicht, Sie in
meinem schwachen und armseligen Gebete, zumal beim
heiligen Messopfer, der Barmherzigkeit Gottes zu
empfehlen. Ich schließe dabei stets auch Ihre Familie
ein, die ich um Ihretwillen einzig liebe, wie Sie Gottes
wegen.
Ich habe vernommen, dass Sie Aussicht haben, Mutter zu
werden, und habe Gott dafür gedankt; er will die Zahl
seiner Kinder vermehren, indem er die Zahl der Ihrigen
wachsen lässt. Die Bäume tragen ihre Früchte für den
Menschen, die Mutter ihre Kinder für Gott. Fruchtbarkeit
ist daher als ein Gottessegen zu betrachten. Machen Sie
daher sich Ihren Zustand in doppelter Weise zunutze,
einmal, indem Sie die Frucht Ihres Leibes hundertmal des
Tages Gott aufopfern, wie es, nach dem Zeugnisse des hl.
Augustin, dessen Mutter zu tun pflegte, während sie mit
ihm gesegnet war; dann indem Sie bei den Plagen und
Leiden, die gewöhnlich mit der Schwangerschaft verbunden
sind und die auch Ihnen nicht ausbleiben werden, Gott
dafür preisen, dass Sie leiden dürfen, um ihm einen
Diener oder eine Dienerin zu schenken, die mit Ihnen
durch seine Gnade ihn ewiglich loben wird.
Schließlich sei Gott bei allein und überall Lob und
Preis in Leid und Freude.
Ich verbleibe u. s. w.
27. Eine Mutter soll die Beschwerden der Schwangerschaft
in Geduld tragen und sich nicht wundern, wenn ihr
Aufschwung im Gebete erschwert ist.
Den 29. September
Meine teure Tochter! Ich bin nicht im geringsten
verwundert darüber, dass Sie sich ein wenig entmutigt
und erschlafft fühlen, da Sie guter Hoffnung sind; ist
es doch eine unbestreitbare Tatsache, dass die Seele in
ihrem niedrigen Teile von den Zuständigkeiten, von dem
Befinden des Körpers in Mitleidenschaft gezogen wird;
mit Absicht sage ich: ihrem niedrigen Teile nach, weil
dieser in unmittelbarer Verbindung mit dem Körper steht
und infolgedessen auch den Unbequemlichkeiten desselben
unterworfen ist. Ein zarter Körper, beschwert durch die
Last der Schwangerschaft, erschöpft durch die Mühe, ein
Kind zu tragen, und von mannigfachen Schmerzen gequält,
gestattet nicht, dass das Herz eine so lebhafte, so
behende, so rasche Tätigkeit entfalten kann wie sonst;
aber dies alles vermag die Akte des höheren Teiles der
Seele in ihrem Werte nicht zu beeinträchtigen, vielmehr
sind diese Gott ebenso wohlgefällig, als wenn dieselben
in freudigst gehobener Stimmung vonstatten gingen; ja
sicherlich noch mehr, weil sie mehr Mühe erfordern und
größere Hindernisse dabei zu überwinden sind. Für die
handelnde Person selbst jedoch sind sie freilich nicht
so angenehm, weil das sensitive Leben dabei unberührt
bleibt und wir folglich weniger Empfindung und
Wohlgefühl dabei haben.
Man muss nicht ungerecht sein, meine teure Tochter, und
nicht etwas von sich verlangen, was über unsere Kräfte
ist. Wenn wir körperlich unpässlich sind, so dürfen wir
von unserem Geiste nur verlangen, dass er sich gerne
unterwirft, das Kreuz willig auf sich nimmt, und den
eigenen Willen mit dem Wohlgefallen Gottes vereinigt,
ein Vorgang, der gleichsam in dem höchsten Gipfel
unserer Seele sich vollzieht. Was aber das äußere
Handeln angeht, so muss man es so gut zu ordnen und so
wohl zu vollbringen suchen, als man kann; man muss sich
begnügen, darin seine Schuldigkeit zu tun, mag man sich
auch wenig dazu aufgelegt fühlen, mag es auch noch so
krankhaft und schwerfällig herauskommen. Um aber diese
Mattigkeit, Schwerfälligkeit und Schläfrigkeit des
Herzens zu heben und der göttlichen Liebe dienstbar zu
machen, müssen wir der damit verbundenen heiligen
Erniedrigung geständig sein, sie hinnehmen und lieben.
Auf diese Weise werden Sie das Blei Ihrer
Schwerfälligkeit in Gold verwandeln, und zwar in weit
feineres Gold, als das Ihrer lebhaftesten Herzensfreude
sein könnte. Haben Sie also Geduld mit sich selbst. Möge
der höhere Teil ihrer Seele die Abspannung des niederen
ertragen lernen, und mögen sie oftmals dem ewigen Ruhme
unseres Schöpfers das kleine Geschöpf weihen, bei dessen
Bildung er Ihnen eine Mitwirkung vergönnt hat.
Meine teure Tochter! Wir haben hier zu Annecy einen
Kapuziner, der Maler ist. Wie Sie sich denken können,
fertigt er nur Bilder für Gott und seinen Tempel; obwohl
er nun eine eine so große Aufmerksamkeit auf seine
Arbeit richtet, dass er dabei nicht beten kann, und
gerade deswegen sein Geist nur noch mehr angestrengt und
ermüdet wird, so widmet er sich doch gerne dieser
Arbeit, weil sie zur Ehre Gottes gereicht und weil er
hoffen darf, dass seine Gemälde manche Gläubige aneifern
werden, Gott zu loben und seine Güte zu preisen.
Nun denn, meine Tochter, das Kind, das unter ihrem
Herzen sich bildet, wird ein lebendiges Bild der
göttlichen Majestät sein; während Ihre Seele, Ihre
Energie und Ihre natürlichen Kräfte von diesem Werke von
diesem Werke in Anspruch genommen werden, müssen Sie
notwendig sich ermüdet und erschlafft fühlen, und können
während dieser Zeit Ihre gewöhnlichen Übungen nicht so
frisch und fröhlich verrichten wie sonst; ertragen Sie
aber gerne diese Ermüdung und Schwerfälligkeit in
Betracht der Ehre, die Gott von Ihrem Werke empfangen
wird; denn dieses Ihr Bild wird in dem ewigen Tempel des
himmlischen Jerusalems aufgestellt und ewiglich von
Gott, von Engeln und Menschen, mit Freude betrachtet
werden; die Heiligen werden seinetwegen Gott preisen und
auch Sie selbst, wenn Sie es dort erblicken werden.
Haben Sie also einstweilen Geduld, wenn Sie sich ein
wenig matt und erschlafft fühlen, und halten sich mit
dem höheren Teile Ihrer Seele an den heiligen Willen
unseres Herrn, der nach seiner ewigen Weisheit es so
gefügt hat.
Kurz, ich weiß nicht, was meine Seele nicht freut und
wünscht für die Vervollkommnung der Ihrigen, welche ich,
da Gott es also gewollt hat und will, in mein Herz
geschlossen habe. Möge es seiner göttlichen Güte
gefallen, unsere Seelen beide seines hochheiligen
Wohlgefallens zu würdigen und Ihre ganze teure Familie
mit seinen heiligen Segnungen zu erfüllen, besonders
auch Ihren werten Herrn Gemahl, dem ich, wie Ihnen,
unwandelbar bleiben werde
der ergebenste, gehorsamste Diener u. s. w.
28. Der
Heilige gebietet einer Dame, in ihren Umständen das
Fasten zu unterlassen.
Im Begriffe abzureisen, meine teure Tochter, bin ich
sehr eilig; Sie werden mit diesen paar Zeilen gütigst
vorlieb nehmen, als wären es ihrer viele. Ich bitte Sie,
überzeugt zu sein, dass Ihre teure Seele nie mehr
geliebt werden kann als von mir.
Aber was höre ich von Ihnen? Man sagt, Sie fasten trotz
Ihrer Schwangerschaft und bringen Ihre Leibesfrucht um
die Nahrung, welche die Mutter braucht, um ihr geben zu
können, was ihr zukommt. Ich bitte Sie, lassen Sie das;
befolgen Sie demütig die Vorschriften der Ärzte und
reichen ohne Bedenken Ihrem Körper die nötige Nahrung im
Hinblick auf das, was Sie unter dem Herzen tragen.
An Gelegenheit, die Abtötung des Herzens zu üben, wird
es Ihnen gewiss nicht fehlen, und das ist das einzige
Opfer, das Gott von Ihnen verlangt.
O mein Gott, teuerste Tochter, wie viele große Seelen im
Dienste Gottes habe ich hier gefunden! Seine Güte sei
dafür gepriesen! Und Sie sind mit denselben verbunden,
da Sie nach dem gleichen Ziele streben. Leben Sie ganz
in Gott, meine teuerste Tochter, und fahren fort zu
beten für Ihren geringsten Diener
u. s. w.
29. Man muss in allen Verhältnissen aus den sich
darbietenden Veranlassungen zur Abtötung Nutzen
ziehen und die Übungen der Frömmigkeit den Umständen
anzupassen suchen.
An eine Dame in guter Hoffnung.
Vor allen Dingen, meine teure Tochter, muss man nach
Gemütsruhe trachten nicht weil sie die Mutter der
Zufriedenheit, sondern weil sie die Tochter der Liebe
Gottes und der Verleugnung unseres Eigenwillens ist.
Jeder Tag bietet Gelegenheit, sich in letzterer zu üben;
denn wo wir auch sein mögen, nirgends fehlt es an
Widerwärtigkeiten; und wenn kein anderer uns deren
bereitet, so tun wir es selbst. Mein Gott, wie heilig
und Gott wohlgefällig würden wir sein, teure Tochter,
wenn wir jede Gelegenheit, uns abzutöten, welche unser
Beruf uns darbietet, recht zu benutzen wüssten. gewiss
haben wir viel mehr Anlässe dazu als die Klosterleute;
zu bedauern ist, dass wir sie uns nicht so zunutze
machen wie diese.
Nehmen Sie sich während Ihrer Schwangerschaft sorgfältig
in Acht; tun Sie sich ja keinen Zwang an, um sich zu
irgend einer Art von geistigen Übungen zu nötigen,
sondern machen es ganz sachte. Ermüdet Sie das Knien, so
setzen Sie sich; vermögen Sie nicht, während eines
halbstündigen Gebetes sich gesammelt zu halten, so beten
Sie eine Viertelstunde oder eine halbe Viertelstunde.
Ich bitte Sie, sich in die Gegenwart Gottes zu versetzen
und vor seinem Angesichte Ihre Schmerzen zu ertragen.
Halten Sie Ihre Klagen nicht zurück; aber ich wünschte,
dass Sie dieselben mit rechtem Kindersinn zu Gott
erhöben, wie ein zartes Kind der Mutter sein Leid klagt.
Geschieht es mit Ergebung, so darf man unbedenklich sich
beklagen, Heilung suchen, auch den Platz wechseln oder
sonst nach Trost sich umsehen; tun Sie das alles nur mit
Liebe und Ergebung in den guten Willen Gottes.
Machen Sie sich ja keine Sorge, Sie möchten Ihre
Tugendübungen nicht recht verrichten; denn, wie ich
Ihnen sagte, diese sind dennoch sehr gut, wenn sie auch
mit halbgelähmtem, schwerfälligem und sozusagen
widerwilligem Herzen verrichtet werden.
Sie können Gott nicht mehr geben, als Sie haben; während
der Dauer dieser Drangsal haben Sie aber ihm sonst
nichts zu bieten. Gegenwärtig, meine Tochter, ist Ihr
Geliebter Ihnen ein Myrrhenbüschlein (Hohelied. 1, 12.
); werden Sie nicht müde, dasselbe fest an Ihr Herz zu
schließen. „Mein Geliebter ist mein und ich bin sein;
stets wird er in meinem Herzen sein.” (Ebd. 6, 2.)
Isaias nennt ihn den Mann der Schmerzen; er liebt die
Schmerzen und diejenigen, welche damit beladen sind.
Quälen Sie sich nicht damit ab, viel tun zu wollen,
sondern trachten Sie, das was Sie zu leiden haben mit
Liebe zu leiden. Gott wird Ihnen gnädig sein, beste
Frau, und wird Ihnen nach seiner Huld zu jenem mehr
zurückgezogenen Leben verhelfen, von dem Sie mir
schreiben. Mögen wir siech (krank), mögen wir
lebend oder sterbend sein, wir sind des Herrn und mit
seiner Gnade wird uns nichts von seiner heiligen Liebe
trennen: nie wird unser Herz ein anderes Leben haben,
als in ihm und für ihn; stets wird er der Gott unseres
Herzens sein; ich werde nicht aufhören, ihn darum zu
bitten und verbleibe in ihm von ganzem Herzen
Ihr u. s.. w.
30. Wie es unter solchen Umständen mit der Betrachtung
zu halten ist.
An eine Dame.
Da Sie, meine teuerste Tochter, durch Ihren Zustand sehr
gehindert sind, Ihre Betrachtung in der ausgedehnten und
regelrechten Weise zu verrichten, wie Sie es gewohnt
sind, so machen Sie dieselbe kurz und innig. Was dann
noch mangelt, ersetzen Sie durch öftere Erhebung Ihres
Herzens zu Gott; lesen Sie häufig, aber nicht zu viel
auf einmal, in einem guten, geistlichen Buche; geben Sie
beim Spazierengehen sich frommen Gedanken hin; beten Sie
wenig, aber oft; opfern Sie Ihre Schwäche und Mattigkeit
dem gekreuzigten Heiland auf und kehren nach Ihrer
Entbindung ganz sachte zu Ihrer früheren Ordnung zurück.
Halten Sie sich strenge an ein dazu geeignetes Buch und
dessen Gedankenfolge, damit Sie, wenn die Stunde des
Gebetes da ist, nicht ratlos dastehen, wie jemand, der
zur Essenszeit nichts in Bereitschaft hat.
Kommt es vor, dass Ihnen das Buch fehlt, so halten Sie
Ihre Betrachtung über irgend ein fruchtbares Geheimnis,
das erste beste, was Ihnen in den Sinn kommt, wie z. B.
über das Leiden und Sterben unseres Erlösers.
31. Gebet
für gesegnete Frauen.
O ewiger Gott, Vater von unendlicher Güte, der du die
Ehe angeordnet hast, um die Menschheit hienieden zu
vermehren und die himmlische Stadt dort oben wieder zu
bevölkern, – der du vorzugsweise unserem Geschlechte
diese Bestimmung gegeben und sogar gewollt hast, dass
die Fruchtbarkeit als ein Zeichen deines Segens für uns
gelten soll: siehe hier liege ich auf den Knien vor dem
Angesichte deiner anbetungswürdigen Majestät und sage
dir Dank für die Empfängnis des Kindes, dem du nach
deinem Wohlgefallen das Dasein in mir gegeben hast. Da
es dir also gefallen hat, o Herr, so breite aus über
mich die Arme deiner Vorsehung, bis das Werk vollendet
ist, welches du begonnen hast; segne meine
Schwangerschaft durch deine Vollkommenheit und trage mit
mir durch deinen fortwährenden Beistand das Wesen, das
du in mir erschaffen hast, bis zur Stunde seines
Eintrittes in die Welt. Dann aber, o Gott meines Lebens,
sende mir deine Hilfe, unterstütze meine Schwäche durch
deine heilige Hand und nimm die Frucht meines Leibes in
deine gnädige Obhut, bis sie, wie sie dein ist durch die
Erschaffung, so auch dein ist durch die Erlösung, indem
sie durch die Taufe in den Schoß deiner Braut, der
Kirche, aufgenommen wird.
O Heiland meiner Seele, während deines Erdenlebens hast
du die Kindlein so sehr geliebt, sie so oft auf deine
Arme genommen: o so nimm auch dieses hin, nimm es auf in
deine heilige Kindschaft, damit es dich zum Vater haben
und anrufen dürfe, auf dass dein Name in ihm geheiligt
werde und zu ihm kommen möge dein Reich. Mit dieser
Bitte, o Erlöser der Welt, weihe, widme und heilige ich
es von ganzem Herzen der Liebe deines Dienstes und dem
Dienste deiner Liebe.
Dein gerechter Zorn hat die erste Mutter der Menschen
mit ihrer ganzen sündigen Nachkommenschaft vielen
Mühsalen und Schmerzen beim Gebären der Kinder
unterworfen. Darum, o Herr, nehme ich auf mich alle
Leiden, die durch deine Zulassung bei diesem Anlasse
mich treffen werden; nur beschwöre ich dich bei deiner
heiligen und freudenreichen Geburt von unbefleckter
Mutter, sei mir armen und elenden Sünderin gnädig, wenn
meine schmerzenreiche Stunde naht; siehe huldreich herab
auf mein demütigstes Flehen, mit welchem ich voll
Zuversicht auf deine Güte vor dir erscheine, und erteile
mir und dem Kinde, das du mir schenken willst, den Segen
deiner ewigen Liebe.
Und du, heiligste Mutter und Jungfrau, meine teure
Herrin und einzige Gebieterin, du einzige Krone der
Frauen, nimm auf meine Wünsche und mein Flehen unter
deinen Schutz und in den mütterlichen Schoß deiner
unvergleichlichen Güte, damit es deinem Sohne gefallen
möge, sie barmherziglich zu erhören. Dir lege ich meine
Bitte ans Herz, du Lieblichste unter allen erschaffenen
Wesen, dich beschwöre ich bei deiner jungfräulichen
Liebe zu dem heiligen Joseph, deinem Gemahle, bei dem
unendlichen Verdienste der Geburt deines Sohnes, bei dem
heiligen Schoße, der ihn getragen, und bei den heiligen
Brüsten, die ihn gesäugt haben.
O ihr heiligen Engel Gottes, die ihr gesandt seid, mich
und das Kind, das ich unter dem Herzen trage, zu
beschirmen, behütet und leitet uns, damit wir durch
euren Beistand endlich zu der Herrlichkeit gelangen, die
ihr genießet, um dort mit euch zu loben und zu preisen
unseren gemeinschaftlichen Herrn und Meister, der da
regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
32. Warnung vor übertriebener Liebe zu den Kindern.
An eine Dame.
Annecy, am Feste des hl. Dominicus, den 4. August 1621.
Geehrteste Frau! Jede Liebe kann zu groß werden, nur
nicht die Liebe zu Gott; und wenn sie überhandnimmt, ist
sie gefährlich. Sie regt die Seele auf, weil sie eine
Leidenschaft, und zwar die stärkste der Leidenschaften
ist; sie beunruhigt und verwirrt den Geist, weil sie
eine Art von Geistesstörung ist; und wenn man ihr freie
Bahn lässt, so bringt sie unseren ganzen Gemütszustand
aus Rand und Band.
Muss man nun nicht annehmen, werteste Frau, dass es auch
mit der mütterlichen Liebe zu den Kindern so weit kommen
könne? Ja diese steigert sich umso leichter zu
verderblicher Leidenschaft, da sie durch den Freibrief
der natürlichen Neigung scheinbar gerechtfertigt wird
und in der Güte eines Mutterherzens leichtlich
Entschuldigung findet.
Wir sprechen oft von Ihnen, der gute Pater N. und ich,
und zwar stets mit Hochachtung und Liebe; gleichwohl –
Sie dürfen es nicht übel nehmen – wenn er mir erzählt
von dem Jammer und den Klagen Ihres Herzens über die
Krankheit der Frau v. N., so kann ich mich nicht
enthalten, zu sagen, dass das zu weit geht. Sollten Sie
aber finden, dass ich zu frei heraussage, was ich denke,
sollten Sie finden, dass ich unrecht habe, wie werde ich
dann Entschuldigung finden in Ihren Augen? In keinem
Falle möchte ich etwas von Ihrem Wohlwollen einbüßen;
denn dafür lege ich zu großen Wert darauf und schätze zu
hoch den Geist und das Herz, die mich mit Ihrer
Gewogenheit beehren.
Leben Sie für Gott, gnädige Frau, und für die heiligste
Dreifaltigkeit, in welcher ich verbleibe
Ihr u. s. w.
33. Der Heilige erteilt einer Mutter Rat in Bezug auf
die Heirat ihrer Tochter und beglückwünscht sie
wegen der Tugenden ihres Mannes.
Für Frauen ist es nicht passend, nach fernen Orten zu
wallfahren.
Nach dem 8. April 1611.
Es war mir eine große Freude, meine teure Schwester und
Tochter, etwas ausführlichere Nachrichten als gewöhnlich
von Ihnen zu erhalten. Wiewohl ich noch nicht die Zeit
dazu fand, mit Frau v. Chantal so viel zu reden, um so
eingehend, wie ich wünsche, mich über alle Ihre
Angelegenheiten zu erkundigen, worüber Sie mit ihr wie
mit einer wahren Freundin werden gesprochen haben, so
hat sie mir doch wenigstens so viel gesagt, dass Sie
getreulich in der Furcht Gottes wandeln. Es gereicht mir
dies zu großem Troste, da ich Ihrer teuren Seele so viel
Gutes wünsche.
Um übrigens in Kürze Ihr Schreiben zu beantworten, tat
N. sehr wohl daran, bei den Karmeliterinnen einzutreten,
denn es hatte den Anschein, dass es so zur Ehre Gottes
gereichen werde; da sie aber nun auf Weisung der Oberin
austritt, so muss sie annehmen, dass Gott mit ihrem
Versuche zufrieden ist und haben will, dass sie ihm auf
andere Art diene. Gewiss würde sie übel daran tun, wenn
sie nach den ersten schmerzlichen Empfindungen, welche
ihr der Austritt verursachte, sich nicht zufrieden geben
und den festen Entschluss fassen würde, auch in einem
anderen Stande ganz für Gott zu leben; denn es gibt ja
mehrfache Wege zum Himmel. Lässt man nur von der Furcht
Gottes sich leiten, so kommt wenig darauf an, welchen
Weg man einschlägt, wenn auch für denjenigen, der die
Wahl hat, der eine mehr Reiz haben mag wie der andere.
Was aber Sie angeht, meine teure Tochter, warum machen
Sie sich Kummer wegen dieser Sache? Sie haben ein Werk
der Liebe getan, indem sie diesem armen Mädchen eine so
heilige Zufluchtsstätte eröffneten; wenn es nun Gott
nicht gefällt, dass sie dableibt, so können Sie nichts
dafür. Man muss sich der höchsten Vorsehung fügen, die
nicht nach unserem Geschmack und nach unseren Ansichten
sich zu richten braucht, sondern nach ihrer unendlichen
Weisheit. Wenn N. brav und demütig ist, so wird Gott
wohl ein Plätzchen für sie finden, wo sie seiner
göttlichen Majestät dienen kann in Freude oder in Leid.
Wie dem aber auch sein mag, die guten Obern der
Karmeliterinnen tun wohl, sich genau an ihre
Konstitutionen zu halten und solche Persönlichkeiten
znrückzuweisen, die für ihre Lebensweise nicht geeignet
sind.
Meine teure Tochter, wenn Sie bei diesem Anlasse etwas
ungehalten wurden, so soll Ihnen das zeigen, wie sehr
Ihr Herz noch von der Eigenliebe eingenommen ist und wie
sehr Sie auf der Hut sein müssen, dass dieselbe nicht
vollends Herr darüber wird. O möge Gott nach seiner Güte
solches verhüten; möge er verleihen, dass vielmehr seine
heilige, himmlische Liebe immerdar herrsche in uns, über
uns, gegen und für uns.
Was die Vermählung Ihrer Tochter anbetrifft, die ich so
sehr liebe, so kann ich Ihnen nicht füglich raten, da
ich den Charakter des Herrn nicht kenne, der sich um sie
bewirbt. Es ist wohl wahr, wenn Ihr Herr Gemahl meint,
er könne vielleicht alle seine Fehler, die Sie an ihm
bemerken, ablegen; aber das kann man nur dann erwarten,
wenn er von sonst gutem Charakter ist und wenn nur die
Jugend oder böser Umgang ihn auf Abwege geführt haben.
Taugt er aber von Grund auf nichts, wie es nur zu sehr
den Anschein hat, so hieße es Gott versuchen, wollten
Sie auf die ungewisse und zweifelhafte Hoffnung einer
Besserung hin seinen Händen eine Tochter anvertrauen,
namentlich wenn letztere noch so jung und selbst der
Leitung bedürftig ist.
Zur Besserung des jungen Mannes würde sie wenig
beitragen können; es wäre vielmehr zu befürchten, dass
sie sich gegenseitig Veranlassung zum Verderben würden,
und es würde sonach diese Verbindung mit der
augenscheinlichsten Gefahr verknüpft sein. Übrigens ist
ja Ihr Herr Gemahl ein überaus vernünftiger Mann und
wird, wie er mir versichert, alle Umstände wohl in
Erwägung ziehen. Sie werden dabei auch das Ihrige tun,
und ich werde, nach Ihrem Wunsche, beten, es möge Gott
gefallen, Ihr liebes Kind so zu führen, dass es in
seiner Furcht lebe und zu hohen Jahren komme.
Ob Sie das junge Mädchen selten oder häufig auf den Ball
führen, darauf kommt wenig an, da Sie ja mitgehen. Mit
aller Umsicht müssen Sie darüber urteilen gemäß Ihren
Beobachtungen und den Umständen. Da Sie indessen Ihre
Tochter für die Ehe bestimmt haben und dieselbe Neigung
zu diesem Berufe hat, so ist es unbedenklich, dieselbe,
so viel als nötig, Bälle besuchen zu lassen, nur nicht
zu oft (Durch diese Äußerung des Heiligen darf sich
niemand zu der Meinung verleiten lassen, derselbe habe
damit den Besuch der Bälle im allgemeinen als etwas
Unbedenkliches und Ungefährliches darstellen wollen. Man
darf nämlich nicht übersehen, dass er hier einen ganz
konkreten Fall im Auge hat; dass sein Brief an eine
fromme und gewissenhafte Mutter gerichtet ist, von der
er sicher war, dass sie ihre Tochter nur in durchaus
gewählte und gesittete Gesellschaft führen und dieselbe
dabei niemals aus dem Auge lassen werde, ganz zu
schweigen davon, dass zur Zeit des hl. Franz die
unschickliche Ballkleidung sowie unanständige Tänze, wie
solche jetzt an der Tagesordnung sind, noch unbekannte
Dinge waren. Wiewohl aber die Bälle seiner Zeit
verhältnismäßig harmlose Vergnügungen waren, so sagt
doch der Heilige von den Bällen im allgemeinen, was die
Ärzte von den Champignons sagen: „die besten taugen
nichts“. O Philothea, diese ungebührlichen Vergnügungen
sind in der Regel mit großen Gefahren verbunden. Sie
verscheuchen den Geist der Gottseligkeit, lassen die
Liebe erkalten, lähmen den Aufschwung der Seele und
wecken in ihr tausenderlei böse Regungen. Nur mit der
größten Vorsicht darf man dieselben genießen. Vgl.
Philothea III, 33: ,,Über Bälle und gefährliche
Lustbarkeiten.”).
Irre ich nicht, so ist das Mädchen lebhaft, kräftig
entwickelt und von etwas feurigem Temperament. Es ist
nun jetzt, wo ihr Geist sich zu entfalten beginnt, an
der Zeit, auf sanfte und freundliche Weise Sinn und
Begeisterung für wahren Ruhm und wahre Tugend in ihrem
Gemüte zu wecken, nicht mit scharfen Reden und
Scheltworten, sondern indem Sie bei jeder Gelegenheit
mit vernünftigen und freundlichen Worten sie auf das
Notwendige hinweisen, sie die guten Lehren wiederholen
lassen und ihr den Umgang mit wohlgearteten und
verständigen jungen Mädchen zu verschaffen suchen.
Frau v. N. hat mir gesagt, dass Ihr äußeres Auftreten,
sowie der in Ihrem Hause herrschende Ton nichts zu
wünschen übrig lasse. Sowohl sie als auch mein Bruder
von Torens haben mir zu meiner Freude mitgeteilt, dass
Ihr Herr Gemahl als tüchtiger, charakterfester und
billigdenkender (gerecht denkender) Justizbeamter
und fleißiger Arbeiter mehr und mehr Anerkennung und Ruf
sich erwirbt, und in seinem ganzen Wandel sich als
echter Ehrenmann und guter Christ bewährt.
Ich versichere Ihnen, meine teure Tochter, dass ich bei
dieser Nachricht beinahe außer mir war vor Freude; denn
gewiss, das ist ein großer, reicher Segen für Sie. Unter
anderem hörte ich, dass er stets sein Tagwerk mit der
Anhörung der heiligen Messe beginnt und bei gegebener
Veranlassung einen ernsten und seiner Stellung
angemessenen Eifer für die heilige katholische Religion
an den Tag legt. Gott sei stets zu seiner Rechten, dass
es damit nie anders, wohl aber immer noch besser werde.
Da müssen Sie wohl sich recht glücklich fühlen, sich so
mit geistlichem und zeitlichem Segen überhäuft zu sehen.
Die Wallfahrt nach Loreto ist für Frauen etwas weit. Ich
rate Ihnen, dieselbe recht häufig in Gedanken zu machen
und Ihre Gebete im Geiste mit denen jener großen Menge
frommer Christen zu vereinen, die dorthin pilgern, um
die Mutter Gottes an dem Orte zu verehren, wo ihr zuerst
die unvergleichliche Ehre dieser Mutterschaft zuteil
geworden ist. Da Sie aber durch kein Gelübde verpachtet
sind, persönlich dahin zu wallfahren, so widerrate ich
Ihnen dieses Unternehmen, bitte Sie aber, dafür umso
mehr Eifer für die Verehrung der heiligen Jungfrau zu
zeigen, deren Fürbitte so wirksam und heilbringend für
die Seelen ist, dass ich für meinen Teil überzeugt bin,
es sei uns von Gott keine kräftigere Stütze gegeben, um
in der wahren Frömmigkeit fortzuschreiten. Auch rate ich
Ihnen, sich gerne über diesen Gegenstand zu unterhalten,
um bemerkenswerte Einzelheiten darüber zu erfahren. Der
Name der heiligen Jungfrau sei immerdar hochgehalten und
gepriesen. Amen.
Was Ihr Almosen betrifft, meine teure Tochter, so
richten Sie dasselbe etwas reichlich ein; geben Sie mit
vollen Händen, zugleich aber mit jener verständigen
Besonnenheit, die ich Ihnen früher schriftlich oder
mündlich anempfohlen habe. Wenn schon das, was wir in
den Schoß der Erde werfen, uns durch deren Fruchtbarkeit
mit Zinsen zurückerstattet wird, so seien Sie überzeugt,
dass alles, was Sie in den Schoß Gottes niederlegen,
Ihnen auf die eine oder die andere Art unendlich mehr
eintragen wird; Gott wird nämlich schon in dieser Welt
Sie belohnen, indem er Ihnen mehr Reichtum oder bessere
Gesundheit oder größeres Glück verleiht.
Ihr u. s. w.
34. Wie
eine christliche Mutter für die Erziehung ihrer
Kinder sowie für das Seelenheil der eigenen Eltern zu
sorgen hat.
Aus einem Briefe an Frau v. Chantal
vom 14. Oktober 1604.
Mit herzlicher Liebe bin ich sowohl unserem Celsus
Benignus als auch Ihren übrigen Kindern zugetan. Da Gott
Ihnen den Wunsch in das Herz gelegt hat, sie ganz seinem
Dienste geweiht zu sehen, so müssen Sie auch deren
Erziehung danach einrichten und in ungezwungener Weise
ihrem Denken und Fühlen eine entsprechende Richtung zu
geben suchen. Verschaffen Sie sich die Bekenntnisse des
hl. Augustin und lesen mit Aufmerksamkeit von dem achten
Buche an; Sie werden dort finden, mit welcher Sorgfalt
die hl. Monika auf die Erziehung ihres Augustin bedacht
war, sowie manches andere, was Ihnen sehr tröstlich sein
wird.
Was nun zunächst Celsus Benignus anlangt, so muss er den
Dienst Gottes als eine Ehrensache betrachten lernen; man
muss es zuwege bringen, dass seine jugendliche Seele mit
edler, männlicher Begeisterung nach diesem Ehrendienste
verlangt und alle Lust an rein weltlichem Ruhme
verliert. Alles dies aber nur nach und nach. Je mehr er
heranwächst, werden wir, so Gott will, auf die für die
jedesmalige Altersstufe passende Behandlungsweise
Bedacht nehmen.
Sorgen Sie, dass nicht allein er, sondern auch seine
Schwestern soviel wie möglich allein schlafen oder doch
nur bei Personen, denen Sie mit Recht ebenso wie sich
selbst vertrauen können. Es ist unglaublich, wie
notwendig dieses ist; die Erfahrung bestätigt es mir
jeden Tag.
Wenn Franziska aus eigenem Antriebe den Schleier nehmen
will, gut; sonst kann ich es nicht billigen, dass man
auf ihren Entschluss einen bestimmenden Einfluss übe; es
darf nur, wie auch bei den anderen, durch sanfte
Anregung auf sie eingewirkt werden.
Wir müssen soviel als möglich nach Art der Engel durch
freundliche Anregung, aber nicht durch Gewalt auf die
Geister einzuwirken suchen. Inzwischen bin ich ganz
damit einverstanden, dass Sie einige der Kinder in dem
Kloster zu Puits-d' Orbe erziehen lassen, wo, wie ich
hoffe, das gottselige Leben bald erblühen, wozu Sie, wie
ich wünsche, manches beitragen können. Allen aber suchen
Sie die Eitelkeit aus dem Herzen auszurotten, die ein
angeborener Fehler des weiblichen Geschlechts ist.
Ich weiß, Sie besitzen die Briefe des hl. Hieronymus in
französischer Sprache; sehen Sie sich den an, worin er
von Pacatula spricht, sowie auch die übrigen; Sie werden
darin manche nützliche Winke für die weibliche Erziehung
finden. Aber auch da ist weise Maßhaltung nötig. Ich
habe alles gesagt, wo ich Ihnen empfahl, sich auf sanfte
Anregungen zu beschränken.
Ich sehe, dass Sie noch zweitausend Taler schuldig sind;
beschleunigen Sie die Bezahlung soviel als möglich und
hüten sich, soviel Sie vermögen, irgend jemand etwas
schuldig zu bleiben.
Geben Sie kleine Almosen, aber mit großer Demut. Ich
sehe gerne den Krankenbesuch, besonders bei Greisen und
Frauen, auch bei jungen Leuten, wenn sie schwer krank
sind. Gerne sehe ich es auch, wenn Sie die Armen,
namentlich die Frauen, besuchen mit rechter Demut und
Freundlichkeit.
Was Ihre fernere Anfrage betrifft, so bin ich damit
einverstanden, dass Sie abwechselnd bei Ihrem Herrn
Vater und Schwiegervater wohnen (Frau v. Chantal hatte
im Jahre 1601 im Alter von 28 Jahren ihren
vortrefflichen Gemahl durch den unglücklichen Schuss
eines Jägers verloren.), und dass Sie sich um das Heil
ihrer Seelen bemühen nach Art der Engel, wie ich eben
bemerkt habe. Blieben Sie auch etwas länger in Dijon, so
hätte das nichts zu sagen; ist doch dort Ihre erste
Pflicht (Der Vater von Frau v Chantal, Benignus Fremiot,
war Präsident des Parlamentes und Maire =
Bürgermeister von Dijon.). Suchen Sie sich dem einen
wie dem anderen Vater gegenüber mit jedem Tage
angenehmer und untertäniger zu erzeigen und so im Geiste
der Sanftmut für ihr Seelenheil zu wirken. Ohne Zweifel
wird Dijon mehr für Ihren Winteraufenthalt sich eignen.
Ich habe auch an Ihren Herrn Vater geschrieben; da er
den Wunsch ausgesprochen hat, ich möchte ihm etwas zum
Heile seiner Seele schreiben, so habe ich das mit aller
Einfalt getan. Möglich, dass ich darin etwas zu weit
gegangen bin (Siehe diesen Brief vom 7. Oktober 1604 im
achten Buch Nr. 22.).
Mein Rat läuft auf zwei Punkte hinaus: Erstens, er möge
eine Gewissenserforschung über sein ganzes Leben
anstellen, um eine Generalbeichte abzulegen. Das ist ja
etwas, was kein verständiger Mensch vor seinem Tode
unterlassen sollte; dann möge er sich Mühe geben, sich
nach und nach von den weltlichen Neigungen frei zu
machen, wozu ich ihm dann geeignete Mittel empfahl.
Ich glaube ihm dieses in hinreichend deutlicher, aber
bescheidener Weise vorgestellt zu haben, mit dem
Hinzufügen, dass es keineswegs notwendig sei, die Bande,
mit denen er an die weltlichen Geschäfte gefesselt ist,
gewaltsam zu zerreißen, dass es vielmehr genüge, sie
allmählich aufzuknüpfen und zu lösen. Er wird Ihnen, wie
ich nicht zweifle, den Brief zeigen. Helfen Sie ihm,
denselben zu verstehen und danach zu handeln.
Es ist für Sie eine heilige Liebespflicht, ihm zu einem
seligen Ende behilflich zu sein, und Sie dürfen sich
durch keine Rücksicht abhalten lassen, hierbei einen
demütigen Eifer zu entfalten. Es ist der erste in der
Reihe der Nächsten, den Sie nach Gottes Willen lieben
sollen, und in ihm ist wieder die Seele das erste, was
Sie zu lieben haben, und in dieser wieder das Gewissen,
und in diesem wieder die Reinheit, und in der Reinheit
der Anspruch auf die ewige Seligkeit.
Gleiches gilt von Ihrem Schwiegervater.
Vielleicht wird Ihr Herr Vater, da er mich nicht kennt,
mir meine Freimütigkeit übel nehmen; machen Sie mich ihm
bekannt, und ich bin versichert, dass er mich wegen
meiner Freimütigkeit mehr lieben wird als wegen einer
anderen Eigenschaft.
Gott sei in Ihrem Herzen, in Ihrem Geiste und in Ihrer
Seele, meine teure Schwester, und ich verbleibe in
seiner Liebe
Ihr u. s. w.
35. Die Wünsche für die Vervollkommnung unserer
Angehörigen müssen dem Willen Gottes sich unterordnen.
An eine verheiratete Dame.
Was Ihr Verlangen angeht, die Ihrigen recht
fortschreiten zu sehen in dem Dienste Gottes und der
christlichen Vollkommenheit, so kann ich dasselbe nur
äußerst löblich finden, und werde auch Ihrem Wunsche
gemäß meine schwache Fürbitte mit Ihrem Gebete in diesem
Anliegen vereinigen. Doch aber, beste Frau, muss ich
offen gestehen, bei solchen Wünschen, die für unser Heil
und unsere Vervollkommnung nur nebensächliche Bedeutung
haben, hege ich immer die Besorgnis, dass sich etwas von
Eigenliebe und Eigenwilligkeit mit einschleicht. Wenn
wir z. B. uns so sehr jenen nicht gerade notwendigen
Wünschen hingeben, so ist sehr zu befürchten, dass
dadurch in unserem Herzen die nötigeren und
nützlicheren, auf unser eigenes Wachstum in der Demut,
in der Ergebung, in der Sanftmut des Herzens und anderen
ähnlichen Tugenden abzielenden Wünsche in den
Hintergrund gedrängt werden. Auch verfolgen wir leicht
jene Wünsche mit solchem Eifer, dass wir in Unruhe und
Ungeduld geraten und schließlich auch unser Verlangen
nicht so vollkommen dem Willen Gottes unterwerfen, wie
dies ersprießlich wäre.
Derartige Übelstände befürchte ich bei solchen Wünschen;
ich bitte Sie daher, sich recht in Acht zu nehmen, um
dieselben zu vermeiden. Verfolgen Sie Ihren Wunsch mit
aller Ruhe und Sanftheit; werden Sie ja denen nicht
lästig, die Sie so gerne auf den Weg der Vollkommenheit
hinführen möchten, ja lassen Sie Ihren Wunsch gar nicht
einmal merken; denn, glauben Sie mir, dadurch würden Sie
Ihr Unternehmen, anstatt es zu fördern, nur hemmen und
hindern. Sie müssen vielmehr ganz unmerklich durch Wort
und Beispiel anregend auf sie einwirken und sie für
Ihren Plan zu gewinnen suchen; ohne den Schein
anzunehmen, als wollten Sie hofmeistern oder bekehren,
trachten Sie allmählich die Keime heiliger Gedanken und
höheren Strebens in die Herzen zu legen. Auf diesem Wege
werden Sie weit mehr ausrichten als auf jedem anderen,
besonders wenn Sie Ihr Wirken mit Gebet unterstützen.
Drittes Buch.
Briefe an Witwen.
(Vgl.
Philothea III, 40: „Lehren für Witwen”.)
1. Der Heilige tröstet eine Dame wegen des Todes
ihres Gatten und empfiehlt ihr die Sorge für die
Erziehung ihrer Kinder.
Sie können sich kaum denken, verehrte Frau, wie sehr ich
an Ihrem Schmerze Anteil nehme. Aus verschiedenen
Gründen hegte ich für den verstorbenen teuren Herrn eine
besondere Zuneigung, welche hauptsächlich auf seine
Tugend und Frömmigkeit gegründet war. Wie traurig, dass
in einer Zeit, wo in so hohem Stande Seelen dieser Art
so selten sind, ein für das gemeine Wohl so
empfindlicher Verlust uns treffen musste!
Nichtsdestoweniger verehrteste Frau, müssen wir im
Hinblick aus den allgemeinen Gang der menschlichen Dinge
uns zu finden wissen in unsere Lage. Vergänglich ist
unser Leben und dem Tode unterworfen; der Tod aber geht
nicht immer den regelrechten Gang; er greift bald da,
bald dort ohne Wahl und ohne Rücksicht die Guten unter
den Bösen, die Jungen unter den Alten heraus.
O wie glücklich sind jene, die in steter Erwartung des
Todes immer so zum Sterben vorbereitet sind, dass sie zu
dem neuen, seligen Dasein aufleben können, wo es keinen
Tod mehr gibt! Unser teurer Verstorbener gehörte zu
dieser Zahl; ich weiß es wohl. Dieser Gedanke allein,
verehrte Frau, reicht hin, uns zu trösten; denn in
kurzer Zeit, früher oder später, binnen wenigen Jahren
werden wir ihm nachfolgen; wir werden ihn wiedersehen,
werden die in diesem Leben begonnenen Beziehungen der
Freundschaft und Liebe wieder aufnehmen und brauchen
keine Trennung mehr zu besorgen. Gedulden wir uns bis
dahin und warten mutig ab, bis auch uns die Stunde zur
Abreise schlägt und wir dahin gehen, wohin unsere
Freunde bereits vorausgeeilt sind. Herzlich haben wir
sie geliebt; wir wollen ihnen diese Liebe bewahren und
wollen aus Liebe zu ihnen tun, worum Sie uns gebeten
haben und was noch immer ihr Wunsch ist.
Ohne Zweifel, teure Frau, hat Ihr hingeschiedener Gatte
im Augenblicke seines Todes nichts sehnlicher gewünscht,
als dass Sie nicht auf lange Zeit sich in den Schmerz
versenken möchten, welchen Ihnen seine Trennung
verursacht, – dass Sie vielmehr aus Liebe zu ihm sich
bestreben möchten, den leidenschaftlichen Schmerz zu
mäßigen, welchen die Liebe zu ihm in Ihrem Herzen
hervorruft. Jetzt aber, in dem Glück, das er genießt
oder dem er doch mit Gewissheit entgegensieht, wünscht
er Ihnen heiligen Trost, damit Sie Ihr Leid mäßigen und
Ihre Augen für etwas Besseres als Tränen, Ihren Geist
für eine höhere Beschäftigung als Trauer erhalten.
Er hat Ihnen teure Pfänder aus Ihrer Ehe zurückgelassen:
schonen Sie Ihre Augen, um auf deren Erziehung zu sehen;
schonen Sie Ihren Geist, um den der Kinder himmelwärts
zu lenken. Tun Sie dies, verehrte Frau, um der Liebe des
teuren Gatten willen. Denken Sie sich, er habe Sie bei
seinem Scheiden darum gebeten und verlange auch jetzt
noch von Ihnen diesen Liebesdienst. Sicherlich würde er
es getan haben, wenn es ihm möglich gewesen wäre, und
gewiss ist es noch gegenwärtig sein Wunsch. Noch länger
Ihrem Schmerz zu leben, das mag wohl nach Ihrem Herzen
sein, welches noch dieser Welt angehört, ist aber nicht
nach seinem Herzen, welches in den Anschauungen der
anderen Welt lebt.
Wahre Freundschaft macht sich eine Freude daraus,
berechtigte Wünsche des Freundes zu erfüllen; nun denn,
Ihrem Gatten zu Gefallen trösten Sie sich,
beschwichtigen Sie Ihren Schmerz und fassen neuen Mut.
Ist dieser Rat, den die aufrichtigste Teilnahme für Sie
mir eingibt, Ihnen genehm, so befolgen Sie denselben.
Beugen Sie sich unter die Hand Gottes, ergeben sich in
seinen Ratschluss, blicken hin auf die Seele des teuren
Verstorbenen, die von Ihnen eine wahrhaft christliche
Fassung verlangt, und überlassen sich gänzlich der
himmlischen Vorsehung des Erlösers Ihrer Seele, der mit
seinem Schutze Ihnen beistehen und helfen und Sie
endlich mit dem Vorangegangenen wieder vereinigen wird
nicht als Gattin mit dem Gatten, sondern als Erbin des
Himmels mit ihrem Miterben, als treue Liebende mit ihrem
treuen Geliebten.
Ich schreibe dies, geehrte Frau, in aller Eile und fast
außer Atem, indem ich Ihnen meine ergebensten Dienste
anbiete, die Ihnen schon seit lange gewidmet sind und zu
welchen die Verdienste und das Wohlwollen, die Ihr Gatte
für mich gehabt, mich verpflichten.
Gott sei in Ihrem Herzen! Amen.
2. Pflichten einer Witwe in Bezug auf ihr Seelenheil.
An Frau v. Chantal.Annecy,
am Feste Kreuzerhöhung, den 3. Mai 1604.
(Dieser Brief vom 3. Mai 1604 ist der erste, den der
heiIge Bischof von Genf an Frau v. Chantal richtete,
nachdem er bei Gelegenheit seiner Fastenpredigten in
Dijon deren Seelenleitung übernommen hatte. Es wird dem
aufmerksamen Leser nicht entgehen, dass die Briefe an
diese auserkorene Seele zu den herrlichsten Perlen der
vorliegenden Sammlung gehören. Wahrhaft einzig in ihrer
Art ist die große Wärme und Innigkeit des Gefühles, die
sich darin ausspricht, verbunden mit der reinsten, fast
eifersüchtigen Sorge für den steten Fortschritt jenes
begnadigten Herzens. „Man sieht darin“, wie Bougaud in
seinem „Leben der hl. Franciska“ bemerkt, „eine Heilige
von einem Heiligen geleitet“.)
Verehrte Frau! Um Ihr Heil immer mehr zu sichern, werde
ich mein Versprechen, Ihnen so oft als möglich zu
schreiben, mit aller Treue halten. Je weiter ich mich
äußerlich von Ihnen entfernt habe, desto enger fühle ich
mich innerlich mit Ihnen verbunden und vereinigt, und
nie werde ich aufhören, den lieben Gott zu bitten, es
mög ihm gefallen, in uns sein heiliges Werk zu
vollenden, das heißt, er möge unser Verlangen und
unseren Vorsatz, zu der christlichen Vollkommenheit zu
gelangen, mit Erfolg krönen, ein Verlangen, welches Sie
als ein Werk des Heiligen Geistes, als einen Funken
jenes göttlichen Feuers mit zarter Liebe in Ihrem Herzen
pflegen müssen. In Rom sah ich einen Baum, der von der
Hand des heiligen Dominicus gepflanzt ist. Jedermann
geht ihn sehen und hält ihn wert aus Liebe zu dem
Heiligen, der ihn gepflanzt hat. So sah ich auch in
Ihrer Seele den Baum des Verlangens nach Heiligkeit, den
der Herr gepflanzt hat. Ich liebe ihn zärtlich und
betrachte ihn jetzt mit noch größerer Freude wie damals,
als ich vor demselben stand. Tun Sie ein Gleiches und
sprechen Sie mit mir: Gott schenke dir Wachstum und
Gedeihen, o schöner, junger Baum! Gott lasse deine
Frucht zur Reife kommen, du göttliches Himmels-Reis, und
ist sie herangereift, so wehre seine Hand die Stürme von
ihm ab, welche die Früchte zur Erde werfen, wo garstige
Tiere sich darüber hermachen. Mit diesem Verlangen in
Ihnen, verehrte Frau, muss es sein, wie mit den
Orangenbäumen an der Küste von Genua, die fast das ganze
Jahr hindurch zugleich mit Früchten, Blüten und Blättern
bedeckt sind. Denn dieses Ihr Verlangen muss stets, je
nach den sich darbietenden Gelegenheiten, Frucht
bringen, muss jeden Tag sein Teil davon zeitigen und
gleichwohl nicht aufhören, immer neue Anlässe und Hebel
zur höheren Vervollkommnung herbeizuwünschen. Diese
Wünsche sind die Blüten an dem Baume Ihres Entschlusses;
das Blattwerk aber wird die häufige Anerkenntnis Ihrer
Schwäche sein, welche Ihren guten Werken wie Ihren
frommen Wünschen zum Schutze dient. Es ist dies die eine
Säule Ihres heiligen Zeltes; die andere ist die Liebe zu
Ihrer Witwenschaft, eine Liebe, die so heilig und aus so
vielen Gründen begehrenswert ist, als es Sterne gibt am
Himmelszelt, und ohne welche das Witwentum falsch und
verächtlich ist.
Der heilige Paulus gebietet uns, die „Witwen zu ehren,
die wahrhaft Witwen sind” (1 Tim., 5, 3.). Diejenigen
aber, die ihre Witwenschaft nicht lieben, sind nur
Scheinwitwen; ihr Herz ist noch in der Ehe. Das sind
nicht die, von welchen geschrieben steht: „Segnen werde
ich die Witwen mit meiner Segensfülle” (Ps. 131, 15.),
und an einer anderen Stelle: „Gott ist der Schutzrichter
und der Verteidiger der Witwen.” (Vgl. Ps. 76, 6 und
145, 9.) Gelobt sei Gott, der Ihnen diese heilige Liebe
gegeben hat! Lassen Sie dieselbe in Ihrem Herzen alle
Tage mehr und mehr erstarken; ganz von selbst wird Ihnen
Trost daraus erwachsen, da das ganze Gebäude Ihres
Glückes auf jenen beiden Säulen ruht. Untersuchen Sie
mindestens einmal im Monat mittels einer Bertrachtng
oder Erwägung nach Art derjenigen, von welchen ich Ihnen
eine Abschrift übersende und die ich nicht ohne Nutzen
auch anderen mir anvertrauten Seelen mitgeteilt habe, ob
nicht eine jener beiden Säulen erschüttert ist. Sie
brauchen sich indessen keineswegs an diese Betrachtung
zu binden, denn ich schicke sie Ihnen nicht zu diesem
Zwecke, sondern nur um Ihnen zu zeigen, worauf Sie bei
der monatlichen Selbstprüfung Ihr Augenmerk zu richten
haben, und damit Sie besser damit fertig werden. Sollten
Sie aber vorziehen, sich jedesmal an jene Betrachtung zu
halten, so wird auch das nicht ohne Nutzen für Sie sein.
Ich sage mit Absicht: wenn Sie dies vorziehen sollten;
denn nie und nirgends möchte ich Ihnen bei der Wahl der
Mittel zur Vollkommenheit die heilige Freiheit des
Geistes beschränken. Wenn nur die beiden Säulen erhalten
und gefestigt werden, so kommt nicht viel darauf an,
wie. Hüten Sie sich vor Skrupeln (Gewissenszweifel)
und verlassen Sie sich ganz auf das, was ich Ihnen
mündlich gesagt habe; denn ich habe es gesagt im Herrn.
Halten Sie sich recht in der Gegenwart Gottes mit Hilfe
der Mittel, die Ihnen zu Gebote stehen. Hüten Sie sich
vor Hast und Unruhe, denn nichts ist hinderlicher auf
dem Wege zur Vollkommenheit; legen Sie ganz sachte Ihr
Herz in die Wunden des Heilandes, aber schleudern es
nicht hinein; hegen Sie ein unbegrenztes Vertrauen zu
seiner Barmherzigkeit und Güte, fest überzeugt, dass er
Sie nie verlassen werde; unterlassen aber darum ja
nicht, sich recht fest zu klammern an sein heiliges
Kreuz. Nach der Liebe zu unserem Heilande empfehle ich
Ihnen noch die Liebe zu seiner Braut, der Kirche, dieser
so süßen lieblichen Taube, unter deren mütterlichen
Flügeln immer neue Täublein hervorfliegen dem Bräutigam
entgegen. Preisen Sie Gott hundertmal des Tages für die
Gnade, ein Kind der Kirche zu sein nach dem Beispiele
der Mutter Theresia, die dieses Wort in ihrer
Todesstunde noch oftmals zu ihrem großen Troste
wiederholt hat. Richten Sie Ihre Blicke auf den
himmlischen Bräutigam wie auf seine Braut, und sprechen
Sie zu ihm: „O wie schön ist deine Braut!” und zu
dieser: „Ach wie göttlich ist doch dein Bräutigam!”
Widmen Sie eine große Teilnahme allen Hirten und
Predigern der Kirche und sehen Sie, wie sie über den
ganzen Erdkreis zerstreut sind; es gibt ja kein Land der
Welt, wo ihrer nicht einige sich befinden; beten Sie zu
Gott für sie, damit Sie sich selber retten und mit
Nutzen arbeiten an dem Heile der Seelen; dabei bitte ich
Sie, auch mich nicht zu vergessen, da ich mit Gottes
Hilfe gewillt bin, auch Ihrerseits niemals zu vergessen.
Ich übersende Ihnen eine Schrift, welche eine für
Christen aller Stände geeignete Anleitung zur
Vollkommenheit enthält. Ich habe sie verfasst nicht für
Sie, sondern für verschiedene andere, nichtsdestoweniger
werden Sie zusehen, inwieweit Sie Nutzen daraus ziehen
können. Ich bitte Sie, schreiben Sie mir, so oft Sie
können und mit dem größtmöglichsten Vertrauen; denn bei
meiner großen Teilnahme für Ihr Heil und Ihren
Fortschritt lege ich großen Wert darauf, oftmals zu
hören, wie es mit Ihnen steht. Empfehlen Sie mich dem
Herrn; ich habe es mehr nötig als ein Mensch auf der
Welt. Ich flehe zu ihm, er möge Ihnen und allen, die
Ihnen angehören, seine heilige Liebe in Fülle geben.
Ich verbleibe für immer Ihr u. s. w.
3. Verhalten einer christlichen Witwe gegen Gott,
gegen ihre Familie und in ihrem Hauswesen. – Wahre
Freiheit des Geistes.
An dieselbe.
Den 14. Oktober 1604.
Verehrteste Frau ! Wollte Gott, es möchte mir gelingen,
in diesem Briefe mich Ihnen so verständlich zu machen,
wie ich es wünsche. Ich bin der festen Überzeugung, dass
es mir dann wenigstens teilweise gelingen würde, Sie zu
beruhigen.
Was Ihre täglichen Gebete betrifft, so ist folgendes
mein Rat („Diese Tagesordnung”, sagt Bougaud a. a. O =
am angegebenen Ort: I. Band, 7. Kapitel, „ist einer
besonderen Berücksichtigung wert und verdient in allen
ihren Einzelheiten mit größter Sorgfalt betrachtet zu
werden. Sie war für eine junge Frau bestimmt, die in der
vornehmen Welt geboren und erzogen, Mutter von vier
Kindern und mit der Verwaltung eines großen Vermögens
beschäftigt war. Derjenige, welcher diese Tagesordnung
vorschrieb, war ein weiser, verständiger Führer, ein
Feind alles Übermaßes und jeglicher Übertreibung.“).
Morgens verrichten Sie Ihre Betrachtung mit der
Vorbereitung in der Art, wie ich es in der Schrift
angegeben habe, die ich zu diesem Behufe beifüge. Fügen
Sie das Pater Noster (Vater Unser), das Ave
Maria, das Credo (Glaubensbekenntnis), das Veni
creator spiritus (Komm, Schöpfer-Geist = lateinischer
Hymnus aus dem 9. Jhdt.; Veni Sancte Spiritus =
Pfingstsequenz) den Angelus Dei (Gebet Engel des
Herrn) sowie ein Gebet zu den beiden hl. Johannes,
zu dem hl. Franz von Assisi und zu dem hl. Franz von
Paula hinzu, die Sie in dem Brevier finden werden; oder
vielleicht haben Sie diese Gebete auch schon in dem
Büchlein, das Sie mir zu senden beabsichtigen.
Begrüßen Sie dann alle Heiligen mit folgendem Gebet:
„Heilige
Maria und alle ihr Heiligen, flehet für uns zum Herrn,
dass wir Hilfe und Rettung von dem verdienen, der da
lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.”
Sancta Maria, et omnes sancti, intercedite pro nobis ad
Dominum, ut nos mereamur ab eo adiuvari et salvari, qui
vivit et regnat in saecula saeculorum. Amen.
Haben Sie so die Heiligen im Himmel begrüßt, so beten
Sie noch ein Pater Noster und Ave Maria für die
Abgestorbenen und ein zweites für die lebenden
Christgläubigen. Auf diese Weise haben Sie dann die
ganze Kirche heimgesucht, von der, wie die Heiligen
Paulus und Johannes bezeugen, ein Teil im Himmel, der
andere auf der Erde, und der dritte unter der Erde sich
befindet. Sie werden damit ungefähr eine Stunde zu tun
haben.
Wenn es möglich ist, hören Sie jeden Tag die heilige
Messe in der Weise, wie ich es in meiner Schrift über
die Betrachtung angegeben habe.
Ich wünsche, dass Sie entweder bei der heiligen Messe
oder im Laufe des Tages den Rosenkranz mit so herzlicher
Andacht beten wie nur möglich.
Eine nützliche Andachtsübung für den Lauf des Tages sind
auch häufige Stoßgebete, namentlich beim Stundenschlag.
Des Abends vor dem Nachtessen empfehle ich Ihnen, sich
für ein Weilchen zurückzuziehen und vor Gott zu sammeln,
und dann fünf Pater Noster und Ave Maria zu den fünf
Wunden unseres Herrn zu beten. Sie können dabei so
verfahren, dass Ihre Seele an den fünf ersten Tagen der
Woche je in einer der fünf Wunden unseres Herrn (insgesamt
7: 2 Hände, 2 Füsse, Dornenhaupt, offene Schulterwunde,
durchbohrte Seite: Herz) – am sechsten Tage in den
Dornen seiner Krone, und am siebenten in seiner
durchbohrten Seite Wohnung nimmt; denn man muss die
Woche ebenso endigen, wie man sie angefangen hat, das
heißt man muss am Sonntage wieder zum göttlichen Herzen
zurückkehren.
Eine oder anderthalb Stunden nach dem Nachtessen ziehen
Sie sich zurück, beten das Pater Noster, das Ave, das
Credo und dann das Confiteor (Schuldbekenntnis-Gebet)
bis zu den Worten mea cuIpa (meine Schuld),
halten sodann Ihre Gewissenserforschung, fahren hierauf
mit dem mea cuIpa im Confiteor fort und schließen mit
der Lauretanischen Litanei (Lobpreis und Bitte an
Maria - genannt nach dem hl. Ort Loreto) oder auch
der Reihe nach mit den Litaneien unseres Herrn, der
seligsten Jungfrau, der Engel oder einer der vier
übrigen, welche in dem Litaneienbuche sich vorfinden.
Dieses Buch ist freilich selten; können Sie sich
dasselbe nicht verschaffen, so lassen Sie es bei der
Muttergottes-Litanei. Dieses Nachtgebet wird nahezu eine
halbe Stunde in Anspruch nehmen.
Täglich eine geistliche Lesung von einer guten halben
Stunde wird für gewöhnliche Tage genügen (Unter dem 21.
November 1604 empfahl der Heilige Frau v. ChantaI für
diese halbstündige tägliche Lesung die Schriften des
Ludwig von Granada, welche er stets den Seelen anriet,
die unter seiner Leitung standen; ferner die Schriften
Gersons, womit die „Nachfolge Christi“ gemeint ist, als
deren Verfasser man damals vielfach den genannten
Gottesgelehrten ansah; dann das Leben Jesu von dem
Kartäuser Ludolph von Sachsen, welches jahrhundertelang
eines der gesuchtesten Bücher war, auch neuerdings
wieder gedruckt, aber noch lange nicht nach Verdienst
bekannt und gewürdigt ist; außerdem die Schriften der
hl. Theresia; endlich empfahI er ihr noch wegen ihres
Hanges zum Trübsinn ein Büchlein des Vaters Ribadeneira:
,Von der Traurigkeit“.).
An den Festtagen können Sie auch der Vesper (liturgisches
Abendgebet) beiwohnen und das Offizium (Stundengebet)
von der heiligen Mutter Gottes beten.
Finden Sie aber mehr Geschmack an Ihren früheren
Gebeten, so bitte ich Sie, nichts daran zu ändern. Kommt
es Ihnen einmal vor, dass Sie etwas von dem unterlassen,
was ich Ihnen vorgeschrieben habe, so machen Sie sich
deshalb keine Gewissensunruhe; denn folgendes ist die
allgemeine Regel für unseren Gehorsam, und in großen
Buchstaben setze ich sie hierher:
Alles muss man aus Liebe tun, nichts aus Zwang.
Den Gehorsam muss man aber mehr lieben als den
Ungehorsam fürchten.
Ich lasse Ihnen den Geist der Freiheit, nicht jenen, der
den Gehorsam verscheucht, denn das wäre die Freiheit des
Fleisches, sondern jenen, welcher die Engherzigkeit, die
Gewissensbeängstigung und jede Überstürzung ausschließt.
Wenn Sie den Gehorsam und die Unterwürfigkeit sehr
lieben, so will ich, dass Sie bei gerechter Veranlassung
oder um der Nächstenliebe willen Ihre Gebetsübungen
aussetzen; Sie können dies dann als eine Handlung des
Gehorsams ansehen und das Fehlende durch die Liebe
ersetzen.
Ich möchte, dass Sie eine Übersetzung sämtlicher
lateinischer Gebete hätten, deren Sie sich bedienen;
nicht als wäre es mein Wunsch, Sie sollten dieselben in
ihrer Muttersprache verrichten; lateinisch werden sie
vielmehr ihre Andacht erhöhen; was ich wünsche, ist nur,
dass Sie einigermaßen in das Verständnis dieser Gebete,
auch in das der Litanei vom Namen Jesus, von der Mutter
Gottes und der übrigen eingeführt werden. Bei allem dem
aber verfahren Sie ohne Überstürzung, vielmehr im Geist
der Sanftmut und Liebe.
Ihre Betrachtungen sollen Sie halten über das Leiden und
den Tod unseres Herrn. Ich bin ganz einverstanden, dass
Sie dabei die geistlichen Übungen von Tauler und die
Betrachtungen des hl. Bonaventura, sowie jene von
Capiglia zu Grunde legen; denn das Leben unseres Herrn
bildet ja den ganzen Inhalt seiner Evangelien. Sie
müssen indessen dabei die Methode befolgen, die Sie in
der beifolgenden Anleitung vorgezeichnet finden.
Die Betrachtung der vier letzten Dinge des Menschen mag
Ihnen auch zuweilen nützlich sein in der Voraussetzung,
dass Sie jedesmal mit einem Akte des Vertrauens auf Gott
schließen, so dass Sie sich nie den Tod oder die Hölle
vorstellen, ohne auf das Kreuz zu blicken, damit Sie so,
wenn das eine Sie in Furcht gesetzt hat, vertrauend zu
dem anderen Ihre Zuflucht nehmen.
Die Dauer der Betrachtung soll drei Viertelstunden nicht
überschreiten.
Auch habe ich gern geistliche Gesänge, aber sie müssen
dann mit Andacht gesungen werden.
Was den Esel betrifft (Es kommt hier die Abtötung des
Leibes zur Sprache, den Franz von Sales mit dem Humor
der Heiligen als Lasttier bezeichnet.), so wird das
Fasten am Freitag, sowie der Abbruch am Samstag Abend
gut für ihn sein. Ich bin übrigens dafür, dass man
denselben die ganze Woche hindurch kurz hält, nicht
sowohl durch Entziehung der Nahrung (Mäßigkeit muss
dabei natürlich beobachtet werden), als vielmehr
dadurch, dass man sich dabei die Wahl der Speisen
versagt. Nichtsdestoweniger billige ich es, dass man
auch zuweilen dem Esel schmeichelt und demselben, wie
auch St. Franziskus tat, Hafer reicht, um ihm Kraft zu
rascherem Gang zu geben. Die Disziplin besitzt die
wundersame Kraft, durch die Hiebe auf das Fleisch den
Geist zu erwecken. Sie sollen dieselbe nur zweimal in
der Woche anwenden (Es könnte auffallen, dass ein so
milder, einsichtsvoller Führer, wie der hl. Franz war,
einer Weltdame von kaum 33 Jahren, die eine zarte
Konstitution besitzt, eine zweimalige Geißelung die
Woche befiehlt und außerdem als Heilmittel gegen
Versuchungen dreißig bis sechszig Geißelstreiche anrät
(vgl.6.Buch Nr. 32.). Die gleiche Bußübung rät er
indessen auch Frau Brulard, dem Präsidenten Favre, Herrn
und Frau v. Blonai sowie deren 16-jähriger Tochter und
vielen anderen Personen an. Ebenso verfuhren übrigens
der hl. Karl Borromäus, der hl. Philipp Neri, der hl.
Vincenz von Paul, Kardinal Bona, sowie alle
ausgezeichneten Seelenführer des 16. und 17.
Jahrhunderts, welche getreu den strengen Überlieferungen
der alten gläubigen Zeit der Abtötung des Fleisches eine
hohe Wichtigkeit beilegten. Freilich warnt auch der hl.
Franz von Sales vor dem Übermaße. Vgl. Philothea III,
23.) .
Sie dürfen die häufige Kommunion nicht aufgeben, es sei
denn, dass Ihr Beichtvater es befähle. Ein besonderer
Trost ist es mir, an Festtagen zu wissen, dass wir dann
zusammen kommunizieren.
Um nun auf den Geist der Freiheit zurückzukommen,
welchen Sie bei Befolgung vorstehender Vorschriften
müssen walten lassen, so ich Ihnen sagen, was es damit
auf sich hat.
Jeder gute Mensch hält sich frei von schwersündlichen
Handlungen und hütet sich vor aller Neigung dazu. Diese
Freiheit ist notwendig zur Seligkeit, und von ihr rede
ich hier nicht. Die Freiheit, die ich meine, ist die
Freiheit der geliebten Kinder Gottes. Was versteht man
darunter? Sie ist die Loslösung des christlichen Herzens
von allen Dingen, um dem erkannten Willen Gottes zu
folgen. Sie werden mich besser verstehen, wenn Gott mir
die Gnade gibt, Ihnen die Merkmale, die Zeichen, die
Wirkungen sowie die Anlässe näher anzugeben, bei welchen
sie sich kundgibt.
Wir bitten Gott vor allem, sein Name möge geheiligt
werden und sein Wille geschehen wie im Himmel so auf
Erden (Matth. 6, 9 – 10.).
In allen diesen Worten spricht sich der Geist der
Freiheit aus: Wenn nur der Name Gottes geheiligt wird,
wenn seine Majestät in uns herrscht, wenn sein Wille
geschieht, so kümmert der Geist sich um nichts weiteres.
Erstes Merkmal: Das Herz, welches diese Freiheit hat,
hängt nicht am Glück, sondern nimmt die Trübsale mit all
der Ruhe hin, welche die Schwäche des Fleisches irgend
gestattet. Ich behaupte nicht, es liebe und wünsche
nicht das Glück, sondern sage nur, dass es nicht
abhängig ist davon.
Es verliert kaum jemals seine Freudigkeit, weil kein
Verlust den traurig macht, dessen Herz an nichts
gebunden ist. Ich behaupte nicht, es könne seine
Freudigkeit niemals getrübt werden, sondern nur, dass
dies in unerheblichen Maße geschehe.
Die Wirkungen dieser Freiheit äußern sich in einer
großen Milde des Geistes und in einem freundlichen,
bereitwilligen Eingehen auf fremde Wünsche und
Eigenheiten, wo immer es ohne Sünde oder Gefahr zur
Sünde geschehen kann. In dieser Gemütsverfassung fühlt
man sich aufgelegt zu jeder Tugend sowie zu jedem Erweis
der Nächstenliebe.
Wenn Sie z. B. eine der Betrachtung pedantisch ergebene
Seele bei derselben stören, so werden Sie bemerken, dass
dieselbe sich mit ärgerlicher Miene ängstlich und
verwirrt von derselben losreißt. Eine Seele aber, welche
die wahre Geistesfreiheit besitzt, verlässt ihre
Betrachtung mit heiterem Angesicht und mit einem Herzen
voll Freundlichkeit gegen den unwillkommenen Störer. Ihr
gilt es ja gleich, ob sie Gott in der Betrachtung oder
in der freundlichen Ertragung des Nächsten dient; beides
ist Gottes Wille, letzteres aber für den Augenblick das
Notwendigste.
Veranlassung, diese Freiheit zu betätigen, haben wir, so
oft uns etwas widerfährt, was gegen unsere Neigung ist.
Denn wer nicht von seinen Neigungen abhängig ist, wird
nicht unwillig, wenn dieselben durchkreuzt werden.
Zwei Fehler bilden den Gegensatz zu dieser Freiheit,
nämlich die Unbeständigkeit und die Engherzigkeit, oder
die Ungebundenheit und der Sklavensinn. Die
Unbeständigkeit des Geistes oder die Ungebundenheit ist
ein gewisses Übermaß von Freiheitsliebe, infolgedessen
man stets in seiner Tätigkeit oder im Berufe wechseln
will ohne Grund und ohne zu wissen, ob es der Wille
Gottes ist. Bei der geringsten Veranlassung wechselt man
seine Übungen, seinen Entschluss, seine Lebensregel;
wegen des geringsten Hindernisses wird man seiner Regel
und seiner löblichen Gewohnheit untreu, und dadurch
gerät das Herz in Zerfahrenheit, verliert sich selbst
und wird gleich einem von allen Seiten offen stehenden
Weinberge, dessen Früchte nicht dem Eigentümer, sondern
allen Vorübergehenden preisgegeben sind.
Die Engherzigkeit oder Pedanterie dagegen ist ein
gewisser Mangel an Freiheitssinn, infolgedessen die
Seele von Betrübnis und Zorn erfasst wird, wenn sie
nicht gerade das tun kann, was sie sich vorgesetzt hat,
sollte sie auch selbst etwas weit Besseres tun können.
Hätte ich mir z. B. vorgenommen, täglich am Morgen die
Betrachtung zu halten, so wird mir, wenn ich den Geist
der Unbeständigkeit oder der Ungebundenheit habe, die
geringste Veranlassung von der Welt Grund genug sein,
die Betrachtung auf den Abend zu verschieben; wenn etwa
ein Hund mich im Schlafe gestört hat, oder ein Brief zu
schreiben ist, mit dem es sonst gar nicht zu eilen hat.
Habe ich hingegen den Geist der Engherzigkeit oder der
Pedanterie, so werde ich meine Betrachtung nicht
darangeben, selbst wenn ein Kranker um diese Stunde
meines Beistandes dringend bedürfte, oder wenn ich ein
Schreiben von großer Wichtigkeit abzufertigen hätte,
welches keinen Aufschub gestattet. Und so werde ich dann
auch bei anderen Anlässen handeln.
Es erübrigt noch, dass ich Ihnen einige Beispiele
anführe, welche Ihnen das Wesen dieser Freiheit besser
veranschaulichen werden, als meine Worte dies vermögen.
Doch muss ich Sie vorher noch auf zwei Regeln aufmerksam
machen, ohne deren Beobachtung dieselbe Ihnen ein Stein
des Anstoßes werden würde.
Man soll niemals seine frommen Übungen unterlassen oder
von den allgemeinen Regeln der Tugend abweichen, als
wenn man auf der anderen Seite den Willen Gottes
erkennt. Der Wille Gottes gibt sich aber in doppelter
Weise kund, entweder durch die Notwendigkeit oder durch
die Nächstenliebe. Ich beabsichtige z. B. im Laufe der
Fasten an einem kleinen Orte meiner Diözese zu predigen,
werde aber krank oder erleide einen Beinbruch, so soll
ich kein Bedauern darüber haben, noch auch mir Unruhe
machen, weil ich nicht predige; denn da ist es eine
ausgemachte Sache: Gott will, dass ich ihm mit Leiden
diene und nicht mit Predigen. Oder ich werde zwar nicht
krank, aber veranlasst, einen anderen Ort zu besuchen,
wo die Einwohner, wenn ich nicht hinkomme,
protestantisch werden, so ist der Wille Gottes so klar,
dass ich ganz ruhig meinen ursprünglichen Plan aufgeben
kann.
Die zweite Regel besteht darin, dass man jedes Ärgernis
und jede Ungerechtigkeit vermeiden muss, wenn man im
Dienste der Nächstenliebe der Freiheit sich bedienen
will. Wüsste ich z. B., dass ich außerhalb meiner
Diözese irgendwo mehr Nutzen stiften könnte, so dürfte
ich mir doch die Freiheit dazu nicht nehmen; denn ich
würde Ärgernis geben und eine Ungerechtigkeit begehen,
weil ich die Pflicht habe, hier zu sein. -- Ebenso ist
es auch ein Missbrauch der Freiheit, wenn verheiratete
Frauen ohne einen rechtmäßigen Grund unter dem Vorwande
der Andacht oder der Nächstenliebe ihre Ehegatten
verlassen. Freiheit darf nämlich nie unserem Berufe
Eintrag tun; soll vielmehr im Gegenteil einem jeden die
rechte Berufsfreudigkeit verleihen, indem alle Welt
weiß: es ist Gottes Wille, dass man in demselben
ausharre.
Ich wünsche nun, dass Sie Ihr Augenmerk richten auf den
Kardinal Borromäus, der in wenigen Tagen heilig
gesprochen wird. Er hatte den pünktlichsten, festesten
und strengsten Charakter, der sich denken lässt; seine
Nahrung bestand nur aus Wasser und Brot, und seine ganze
Lebensweise war so strenge, dass er während
vierundzwanzig Jahren, solange er Erzbischof war, nur
zweimal das Haus seiner Brüder, als sie krank waren, und
nur zweimal seinen Garten betrat. Dessen ungeachtet
speiste dieser ernste Mann häufig mit den Schweizern,
seinen Nachbarn, um sie zu gewinnen, und ohne irgend
Schwierigkeiten zu machen, trank er auf ihre Gesundheit,
und tat Bescheid, wenn sie ihm zutranken, selbst dann,
wenn er keinen Durst mehr hatte. Das ist ein Zug
heiliger Freiheit in dem Herzen des Mannes, welcher der
strengste seiner Zeit war. Ein ausgelassener Geist würde
dabei zu weit gegangen sein, ein engherziger Geist sich
schwerer Sünde gefürchtet haben; ein freier Geist macht
mit aus Nächstenliebe.
Der Pater Ignatius von Loyola, welcher nächstens heilig
gesprochen wird, aß am Mittwoch der Karwoche Fleisch,
und zwar auf den einfachen Befehl seines Arztes hin, der
es für dienlich hielt, um ein kleines Übel bei ihm zu
beseitigen.
Ein engherziger Geist hätte sich erst drei Tage darum
bitten lassen.
Spiridion, ein Bischof der alten Kirche, hatte zur Zeit
der Fasten einen Pilger aufgenommen, der halbtot war vor
Hunger. Da keine andere Speise vorhanden war, als
gesalzenes Fleisch, so ließ er dieses kochen und dem
Pilger auftragen. Trotz seiner Notlage wollte der Pilger
nicht davon essen. Spiridion nun, obwohl selbst nicht in
diesem Notstande, aß jetzt zuerst von dem Fleische aus
Nächstenliebe, um durch sein Beispiel das Bedenken des
Pilgers zu heben.
So äußerte sich die Freiheit aus Nächstenliebe bei einem
heiligen Manne.
Aber noch an ein Beispiel will ich erinnern, das wie
eine Sonne alles Angeführte in Schatten stellt; ich will
Sie hinweisen auf einen Geist, der, wahrhaft frei und
losgelöst von allen Nebenrücksichten, einzig und allein
auf den Willen Gottes sieht. Oftmals habe ich darüber
nachgedacht, welcher von all den Heiligen, deren
Geschichte ich kenne, wohl die größte Abtötung geübt
habe? Reifliche Erwägung führte mich auf den hl.
Johannes den Täufer. Derselbe begab sich in die Wüste im
Alter von fünf Jahren. Er wusste, dass sein und unser
Heiland in seiner Nähe geboren sei und eine oder zwei
bis drei Tagereisen entfernt von ihm lebe. Gott weiß,
wie sehr das Herz des hl. Johannes, schon vom
Mutterschoße an in Liebe zu seinem Erlöser entbrannt,
sich sehnte nach dessen heiliger Gegenwart.
Nichtsdestoweniger bleibt er 25 Jahre lang dort in der
Wüste, ohne auch nur ein einziges Mal zu kommen, um den
Heiland zu sehen, bleibt ruhig bei seinem Lehrberufe,
ohne zu dem Herrn zu eilen, sondern wartet ab, bis
dieser zu ihm kommt; auch selbst dann, nachdem er ihn
getauft, folgt er ihm nicht nach, sondern bleibt zurück
im Dienste seines Berufes. O Gott welche Abtötung des
Geistes! So nahe dem Herrn, und ihn nicht zu sehen! So
ganz in seiner Nähe, und doch nichts davon zu haben! Was
liegt darin anders, als das vollständige Losgelöstsein
des Geistes von allem, selbst von Gott, um den Willen
Gottes zu tun und ihm zu dienen? das heißt Gott um
Gottes Willen verlassen, Gott nicht lieben, um ihn desto
besser und reiner zu lieben. Fast fühlt sich mein Geist
erdrückt durch den Anblick solcher Seelengröße.
Ich vergaß zu bemerken, dass der Wille Gottes nicht
allein in der Notwendigkeit und in den Anforderungen der
Nächstenliebe, sondern auch in den Weisungen des
Gehorsams sich ausspricht, so zwar, dass derjenige,
welcher einen Befehl erhält, darin den Willen Gottes
erblicken soll.
Wird es aber auch nicht zu viel, was ich schreibe? Aber
mein Geist überholt mich im Eifer, Ihnen zu dienen.
Bleiben Sie eingedenk des Tages des seligen Königs
Ludwig (An dem Wallfahrtsorte St. Claudius, wohin der
hl. Franz von Sales mit seiner Mutter gekommen war, traf
am 21. August auch Frau v. Chantal in Begleitung der
Präsidentin Brulard ein und legte einige Tage später, am
25. August 1604, eine Generalbeichte und außerdem das
Gelübde der Keuschheit und des Gehorsams ab. Dieser Tag
blieb ihr lebenslang der wichtigste, weil sie an
demselben, wie sie sich ausdrückte, dem Adler gleich
ihre Jugend erneut hatte.), des Tages, an welchem Sie
aufs neue die Krone des Königtums Ihrem eigenen Geiste
abnahmen, um sie dem Könige Jesus zu Füßen zu legen,
jenes Tages, an welchem Sie, sich eintauchend in das
Meer der Buße, Ihre Jugend erneuten, dem Adler gleich;
jenes Tages, an dem für Ihre Seele die Morgenröte des
ewigen Tages angebrochen ist. Erinnern Sie sich, dass
ich zu dem großen Entschlusse, den Sie damals
aussprachen, mit Leib und Seele und mit ganzem Herzen
Gott anzugehören, im Namen der Kirche, unserer Mutter,
das „Amen” sprach, und dass zu gleicher Zeit aus dem
Munde der seligsten Jungfrau und aller Heiligen und
Seligen ein großes „Amen und Alleluja“ den Himmel
durchhallte. Vergessen Sie nicht daran festzuhalten,
dass alles Vergangene nichts ist und dass Sie alle Tage
mit David sagen müssen: „Jetzt erst fange ich an, meinen
Gott recht zu lieben.” (Ps. 76, 11.) Tun Sie recht viel
für Gott und tun Sie nichts ohne Liebe. All Ihr Tun und
Lassen sei dieser Liebe gewidmet, auch das Essen wie das
Trinken.
Tragen Sie eine besondere Andacht zu dem hl. Ludwig und
bewundern an ihm seine große Beständigkeit. Er bestieg
den Thron mit zwölf Jahren, hatte neun Kinder, führte
fortwährend Kriege, teils gegen Empörer, teils gegen die
Feinde des Glaubens, regierte über vierzig Jahre, und am
Ende, nach seinem Tode, konnte sein Beichtvater, ein
heiliger Mann, die eidliche Versicherung abgeben, er
habe ihn, obwohl er während seines ganzen Lebens sein
Beichtvater gewesen, niemals in einer Todsünde befunden.
Zwei Heereszüge unternahm er über Meer; beide endigten
mit dem Verluste seines Heeres, und auf dem letzten
starb er an der Pest, nachdem er lange Zeit die
Pestkranken seines Heeres besucht, unterstützt,
gepflegt, verbunden und geheilt hatte, und starb
fröhlich und standhaft, einen Psalmvers auf den Lippen.
Diesen Heiligen gebe ich Ihnen als Ihren besonderen
Patron für das laufende Jahr; ihn halten Sie vor Augen
gleich den anderen Heiligen, die ich oben erwähnt habe.
Haben Sie in seiner Schule gute Fortschritte gemacht, so
werde ich Ihnen, wenn Gott will, im nächsten Jahre einen
anderen geben.
Ich glaube fast, ich werde mit diesem Briefe, der nur
eine Antwort auf Ihre Anfragen sein sollte, an kein Ende
kommen. Ich will ihn indessen schließen mit der Bitte um
die Hilfe Ihres Gebetes, dessen ich so sehr bedarf. Ich
bete nie, ohne Ihre Anliegen in meine Gebete
einzuschließen. Ich verehre nie die Engel, ohne dem
Ihrigen meine besondere Verehrung zu bezeigen. Tun Sie
für mich ein Gleiches, ebenso Celsus Benignus, für den
ich immer bete, wie für Ihre ganze kleine Gesellschaft.
Seien Sie überzeugt, dass ich Sie bei der heiligen Messe
nicht vergesse, ebensowenig wie Ihren verstorbenen Vater
und Ihren seligen Gatten. Gott sei in Ihrem Herzen,
Ihrem Geiste und Ihrer Seele, meine teure Schwester; in
seinem Herzen verbleibe ich
Ihr u. s. w.
4. Mit einem Bilde, auf welchem das Kind Jesus mit der
seligsten Jungfrau und der hl. Anna dargestellt war.
An dieselbe.
Den 29. Mai 1605.
Beifolgend, meine Tochter, erhalten Sie ein Bild,
welches Ihre heilige Äbtissin darstellt, während sie
noch im Kloster des Ehestandes war, und deren gute
Mutter, die aus ihrer Witwenklause gekommen war, um sie
heimzusuchen. Sehen Sie, wie die Tochter die Augen
niederschlägt, weil sie die Augen des Kindes nicht sehen
kann; die Mutter dagegen erhebt ihre Blicke, weil sie
auf das Kindlein hinschaut. Die Jungfrauen erheben die
Blicke nur, um nach den Augen des Bräutigams zu schauen;
die Witwen aber schlagen sie nieder, wenn sie nicht
gerade desselben Glückes teilhaftig sind. Ihre Äbtissin
ist herrlich mit einer Krone auf dem Haupte geschmückt,
während ihr Blick auf verschiedenen Blümlein ruht, mit
denen die Stufen ihres Thrones bestreut sind. Die gute
Großmutter hat neben sich auf der Erde einen Korb mit
Früchten. Ich denke, es sind dies die Werke der
Heiligkeit und der demütigen und niederen Tugenden, die
sie ihrem kleinen Liebling schenken will, sobald sie ihn
auf ihre Arme bekommt. Schon jetzt sehen Sie, wie der
süße Jesus sich zu seiner Großmutter hinneigt und
wendet, mag sie auch nur eine Witwe sein mit nachlässig
geordnetem Haar und schlichter Kleidung. Er trägt die
Weltkugel in seiner Hand, die aber etwas zur Linken
geneigt ist, er weiß wohl, dass die Welt nichts ist für
eine Witwe; mit der anderen Hand aber erteilt er ihr
seinen heiligen Segen.
Halten Sie sich zu dieser Witwe, bringen aber auch, wie
sie, ihren kleinen Korb mit; erheben Sie Ihre Augen und
Hände zu dem Kinde; auch Ihnen wird seine Mutter, Ihre
Äbtissin, dasselbe darreichen; er aber wird von Herzen
gerne sich Ihnen zuneigen und Sie segnen mit seiner
Glorie. O wie wünsche ich das, meine Tochter; dieser
Wunsch erfüllt meine ganze Seele und wird ewiglich darin
wohnen. Leben Sie freudig im Herrn und grüßen Sie
demütigst in meinem Namen Ihre Frau Äbtissin und teure
Herrin. Der süße Jesus ruhe in Ihrem Herzen und auch in
dem meinigen! Möge er darin leben und herrschen in
Ewigkeit ! Amen.
5. Die Demut ist die eigentliche Standestugend der Witwe;
worin sie besteht und wie sie sich äußern muss.
Es ist sehr heilsam, das Leben und den Tod des Herrn
zu betrachten.
An dieselbe.
Den 1. November 1605.
Mein Gott, wie sehr liegt mir der Dienst Ihrer Seele am
Herzen. Sie können es kaum glauben, meine teure
Schwester; und doch ist es in dem Maße der Fall, dass
ich darin die Hand des Herrn erkennen muss. Mich deucht
(dünkt = scheint), alle Welt zusammen könne mir
nicht einen solchen Eifer einflößen, wenigstens habe ich
niemals ihr gegenüber einen solchen wahrgenommen.
Es ist heute das Fest Allerheiligen. Während ich bei
unseren feierlichen Frühmetten (Morgen-Messen)
assistierte und sah, wie der Herr die Seligpreisungen
mit der Armut im Geiste beginnt, die der hl. Augustin
als die heilige und höchst wünschenswerte Tugend der
Demut deutet, fiel mir Ihr Wunsch ein, ich möge Ihnen
etwas über diese Tugend schicken. Ich glaube, dass ich
es in meinem letzten Schreiben unterlassen habe, obwohl
dasselbe recht weitläufig und vielleicht zu lang
ausgefallen ist. Gott hat mir über den Gegenstand so
viel eingegeben, Ihnen zu schreiben, dass, wenn ich nur
Zeit dazu hätte, ich Ihnen glaube Wunderdinge sagen zu
können.
Endlich, meine teure Schwester, erinnerte ich mich, dass
die Lehrer die heilige Demut den Witwen als besondere
Standestugend zuweisen. Die Jungfrauen, die Märtyrer,
die Lehrer, die Seelenhirten haben eine besondere
Tugend, die gleichsam der Orden ihrer Ritterschaft ist;
aber sie alle müssen auch die Demut besitzen, denn „sie
würden nicht erhöht werden, wenn sie sich nicht
erniedrigten” (Luc. 14, 11. ). Allein ganz besonders
gehört sich die Demut für die Witwen; denn worauf könnte
auch die Witwe stolz sein? Sie hat nicht mehr ihre
Unversehrtheit (die indessen durch eine recht große
Witwen-Demut aufgewogen werden kann; es ist sicher weit
besser, Witwe zu sein mit viel Öl in der Lampe und
nichts anderes verlangen als Demut und himmlische Liebe,
als Jungfrau mit gar keinem oder nur wenig Öl in
derselben), noch auch besitzt sie das, was dem Weibe in
den Augen der Welt den höchsten Wert verleiht. Sie hat
ihren Gatten verloren, der ihre Ehre war und von dem sie
ihren Namen trug, Was bleibt ihr also übrig zu rühmen,
als Gott? O seliger Ruhm, o kostbare Krone! In dem
Garten der Kirche sind die Witwen gleichsam die
Veilchen, kleine Blümlein, die im Verborgenen blühen,
auch nicht in blendenden Farben prunken, dagegen einen
zwar nicht starken, aber wunderlieblichen WohIgeruch um
sich her verbreiten. O welche schöne Blume ist die
christliche Witwe, klein und unscheinbar in Demut! Sie
prunkt nicht vor den Augen der Welt, sondern flieht
dieselbe und schmückt sich nicht mehr, um die Blicke
derselben auf sich zu ziehen. Und wozu sollte sie auch
die Augen derer auf sich zu ziehen suchen, deren Herz
sie nicht begehrt?
Der Apostel gebietet seinem geliebten Schüler, „die
Witwen zu ehren, die wahrhaft Witwen sind” (1 Tim. 5,
3.). Welches aber sind diese echten Witwen, wenn nicht
diejenigen, die es mit Herz und Seele sind, das heißt,
deren Herz keinem Geschöpfe vermählt ist? Unser Heiland
sagt heute nicht: selig, die reinen Leibes, sondern die
reinen Herzens sind, und er preist nicht die Armen,
sondern die Armen im Geiste. Die Witwen sind
verehrungswürdig, wenn sie Witwen im Geiste und Herzen
sind. Was heißt verwitwet sein anders, als verlassen und
beraubt, das will sagen, elend, arm und verächtlich
sein? Es sind demnach jene aus ihnen lobenswert, die
elend und verächtlich im Geiste und Herzen sind, mit
einem Worte, die demütig sind; ihr Schutz und Schirm ist
der Herr.
Was ist denn aber Demut? Ist es das Bewusstsein dieses
Elends und dieser Armut? Ja, sagt unser hl. Bernhard;
aber das ist die Demut nur als rein menschliche Tugend;
worin besteht nun aber die christliche Demut? In der
Liebe zu jener Armut und Niedrigkeit, wie sie geübt wird
im Hinblick auf die Erniedrigung unseres Heilandes.
Erkennen Sie, dass Sie nichts weiter sind als eine arme,
verächtliche Witwe? Lieben Sie diesen verächtlichen
Stand, rühmen Sie sich, nichts zu sein; seien Sie froh
darüber, denn gerade Ihr Elend zieht das Erbarmen des
gütigen Gottes auf Sie hernieder.
Unter den Bettlern gelten diejenigen für die besten und
ziehen am meisten die Blicke mildtätiger Menschen auf
sich, die das elendste Aussehen und die größten und
schrecklichsten Wunden an sich haben. Nun wohl; wir sind
ja auch nichts als Bettler; die elendsten sind am besten
daran, ihnen am ersten wendet Gott die Blicke seiner
Barmherzigkeit zu.
Ich bitte Sie also, demütigen wir uns und weisen an der
Pforte des Tempels der göttlichen Barmherzigkeit nur hin
auf unsere Wunden und unser Elend; aber vergessen Sie
nicht, es mit Freuden zu tun und einen Trost darin zu
finden, so ganz vereinsamt und so ganz Witwe zu sein,
damit der Herr zu Ihnen komme mit der Fülle seines
Reiches. Seien Sie sanft und freundlich gegen jedermann,
außer gegen jene, die Ihnen Ihren Ruhm, das heißt Ihr
Elend und Ihre vollkommene Witwenschaft rauben wollen:
„Ich rühme mich in meinen Schwachheiten,“ spricht der
Apostel (2 Kor. 12, 9.); „es wäre mir besser, zu
sterben, als meinen Ruhm zu verlieren.“ Sehen Sie, er
würde lieber sterben, als seine Schwächen zu verlieren,
die sein Ruhm sind.
Hüten Sie wohl Ihr Elend und Ihre Niedrigkeit, denn Gott
sieht darauf herab, wie er ansah die Niedrigkeit der
heiligsten Jungfrau: „Die Menschen sehen auf das Äußere,
Gott aber sieht auf das Herz.” (1 Kön. 16, 7.) Sieht er
in unserem Herzen unsere Niedrigkeit, so wird er uns
große Gnaden erzeigen. Die Demut ist eine Bewahrerin der
Keuschheit, weshalb die schöne Seele im Hohenliede die
Lilie des Tales (Maiglöckchen) genannt wird (Hohel. 2,
1.) Halten Sie sich in freudiger Demut vor Gott;
beobachten Sie aber auch ebenmäßig ein demütig-heiteres
Verhalten vor der Welt. Freuen Sie sich darüber, wenn
die Menschen sich nichts aus Ihnen machen; bezeigen
dieselben Ihnen aber Achtung, so scherzen Sie darüber
und lachen über ihr Urteil und über Ihr Elend, dem eine
solche Wertschätzung widerfährt; sehen Sie sich aber von
der Welt verachtet, so trösten Sie sich mit Freuden
darüber in dem Gedanken, dass sie wenigstens hier einmal
auf der rechten Fährte ist.
Was Ihr Äußeres anlangt, so tragen Sie die Demut nicht
zur Schau, ohne dieselbe aber zu verleugnen. Werfen Sie
sich ihr ganz in die Arme, aber stets mit heiterem
Sinne. Ich sehe es gerne, wenn man sich hier und da
selbst untergebenen oder stolzen Menschen gegenüber, bei
Kranken oder Armen, bei den Seinigen zu Hause oder
draußen zu niedrigen Dienstleistungen herablässt; aber
immer muss es mit schlichter Einfachheit und Freudigkeit
geschehen. Ich komme so oft darauf zurück, weil darin
für Sie und für mich der Schlüssel zu diesem Geheimnisse
liegt. Noch besser hätte ich sagen können, man solle
derartige Erniedrigungen mit Liebe verrichten; denn die
Liebe ist, wie Bernardus nach dem hl. Paulus sagt, voll
Freude. Niedere Arbeiten und äußere Verdemütigungen sind
nur die Schale, die Liebe aber bildet den Kern.
Fahren Sie mit der Kommunion und den frommen Übungen
fort, wie ich es Ihnen geschrieben habe; halten Sie sich
in diesem Jahre recht fest an der Betrachtung des Lebens
und Sterbens unseres Heilandes; das ist die Pforte zum
Himmel; wollen Sie in denselben eingehen, so müssen Sie
Ihrer Seele eine Haltung angewöhnen, wie sie dahin
passt. Seien Sie voll Mut und Ausdauer, und lassen sich
nicht irre machen durch das Lärmen, das man erhebt, noch
auch durch Versuchungen gegen den Glauben; unser Feind
ist ein arger Schreier; machen Sie sich aber nichts
daraus; denn, ich weiß es recht wohl, er kann Ihnen
nichts anhaben. Lachen Sie ihn aus und lassen ihn
machen, was er will. Lassen Sie sich auf keinen Streit
mit ihm ein; schlagen Sie ihm ein Schnippchen; denn es
hat damit nichts auf sich. Er hat den Heiligen viel um
den Kopf herumgeschrien und einen heillosen Lärm
gemacht; aber was ist's nun? Sie haben darum doch den
Platz eingenommen, den er verloren hat, der Elende.
Ich wünsche, Sie sähen einmal das einundvierzigste
Kapitel „des Weges zur Vollkommenheit” der seligen
Mutter Theresia nach. Es wird Ihnen sehr das Verständnis
des Wortes erleichtern, was ich Ihnen so oft gesagt
habe: man soll nicht engherzig, sondern frei und frank (offen),
unbefangen und nach alter Väter Art, ungezwungen und
frischweg, grosso modo (im Großen und Ganzen) bei
der Ausübung der Tugenden zu Werke gehen. Nichts fürchte
ich so sehr als alles pedantische und trübselige Wesen.
Nichts davon, meine teure Tochter; ich wünsche, dass Sie
weit- und hochherzig einherwandeln auf dem Wege des
Herrn, aber mit Demut, Sanftmut und ohne in
Ungebundenheit zu geraten.
Ich empfehle mich dem kindlichen, aber durchdringenden
Gebete unseres Celsus Benignus, und wenn Amata anfangen
will, mir auch einige kleine fromme Wünsche zu schenken,
so werden auch sie mir sehr wert sein. Täglich opfere
ich Gott bei dem Opfer seines Sohnes Sie, Ihr Witwenherz
und Ihre Kinder auf. Beten Sie aber auch für mich, teure
Tochter, auf dass wir einst mit allen Heiligen im Himmel
einander wiedersehen; mein Wunsch, Sie zu lieben und von
Ihnen geliebt zu werden, ist ohne Grenzen wie die
Ewigkeit. Der süße Jesus möge sie uns schenken in seiner
Liebe und Güte! Amen.
Ich bin und bleibe in Ewigkeit in Jesus Christus Ihr
ganz ergebener u. s. w.
6. Pflichten einer Witwe gegen ihre Eltern und ihre
Kinder.
An die Gräfin v. Dalet.
Den 25. April 1621.
Gnädige Frau! Ich habe Ihnen über eine Angelegenheit zu
schreiben, welche ich mich gewiss scheuen würde zu
berühren, wenn ich nicht von Ihrer Frau Mutter dazu
aufgefordert wäre; denn wie könnte ich es sonst wagen,
mich in Fragen einzumischen, die zwischen Ihnen beiden
schweben, und in Ihre Gewissensangelegenheiten mich
einzudrängen, während ich doch weiß, dass Sie die
einzige würdige Tochter einer so würdigen Mutter, voll
Geist, Klugheit und Frömmigkeit sind? Da es aber
notwendig ist, so will ich, gestützt auf die mir
eingeräumte bevorrechtete Stellung, Ihnen vorerst
eröffnen, verehrteste Frau, dass Ihre Frau Mutter mir
alles mitgeteilt hat, was sie Ihnen teils in eigener
Person, teils durch andere hervorragende
Persönlichkeiten, neben denen meine Wenigkeit
verschwinden muss, Ihnen vorgestellt hat, um Ihre
kindliche Hilfe in der äußerst bedrängten Lage zu
erlangen, in welche ihr Haus durch die Ihnen bekannten
Umstände geraten ist. es ist ein unerträglicher Gedanke
für sie, dasselbe unter der Last zusammenbrechen zu
sehen, während Sie, und zwar Sie allein, es in der Hand
haben, dasselbe zu retten.
Sie lässt Ihnen zu diesem Zwecke drei Vorschläge machen:
entweder sollen Sie sich ganz in ein Kloster
zurückziehen, damit die Gläubiger keine Bürgschaft mehr
von Ihnen verlangen können und sie über das Vermögen
Ihrer Kinder freie Verfügung bekommt; oder sollen sich
unter den vorteilhaften Bedingungen, die Ihnen geboten
sind, wieder verheiraten, oder endlich bei ihr Wohnung
nehmen mit gemeinschaftlicher Haushaltung. Sie erwähnt
in ihrem Briefe die Einwände, welche Sie gegen die
beiden ersten Vorschläge erhoben haben; sie fuhrt
nämlich an, dass Sie das Gelübde der Keuschheit abgelegt
und zudem vier ganz kleine Kinder haben, worunter zwei
Mädchen sind. In Bezug auf den dritten Vorschlag finde
ich nichts in Ihrem Schreiben.
Was nun den ersten Punkt betrifft, so kann ich mein
Urteil nicht dagegen abgeben, wenn das Gelübde, das Sie
abgelegt haben, Ihnen zugleich die Verpflichtung
auflegt, keine Dispens (Befreiung
von einem rein kirchlichen Gesetz) zu
verlangen. Freilich führt Ihre Mutter die große
Übereilung dagegen an, mit welcher Sie die erforderliche
Überlegung abgeschnitten hätten. Indessen hat in der Tat
die Reinheit der Keuschheit einen so hohen Wert, dass
derjenige, der sie gelobt hat, sich überaus glücklich
schätzen muss, sie zu bewahren, und dass nur die
liebevolle Rücksicht auf das öffentliche Wohl ein
Abgehen davon rechtfertigen kann.
Was den zweiten Punkt angeht, so weiß ich nicht, ob es
Ihnen rechtlich gestattet sein könnte, sich der Sorge
für Ihre Kinder zu entziehen, die Ihnen Gott auferlegt,
indem er Sie hat Mutter werden lassen. Besonders kommt
dazu noch die große Jugend der Kinder in Betracht.
Was aber den dritten Punkt angeht, gnädige Frau, so
erkläre ich, dass bei dieser großen Notlage Ihre Börse
der Frau Mutter zur Verfügung stehen muss. O Gott, es
ist dies die geringste Hingabe, welche man Vater und
Mutter schuldig ist. Wohl glaube ich einen Grund zu
erraten, welcher es vielleicht zu rechtfertigen vermag,
wenn eine Tochter, die für ihre Kinder zu sorgen hat,
ihre Einkünfte für sich behalten will; aber ich weiß
nicht, ob derselbe bei Ihnen vorhanden ist, und wenn
auch, so bin ich der Ansicht, dass der Grund ein sehr
erheblich zwingender sein muss, wenn er geltend gemacht
und wirklich berücksichtigt werden soll.
In der äußersten Not wird alles, selbst unter Feinden,
gemeinsam; zwischen Freunden aber, namentlich aber
zwischen Mutter und Tochter, darf man nicht auf die
äußerste Not warten; dafür ist das Gebot Gottes viel zu
dringend. In einem solchen Falle muss man Herz und Augen
zu Gottes Vorsehung erheben, welche reichlich alles
ersetzt, was wir hingeben auf sein heiliges Geheiß.
Ich gehe zu weit, verehrte Frau; ich hätte nichts weiter
tun sollen, als Ihr wertes Gewissen in dieser Beziehung
an jene zu verweisen, denen Sie es anvertraut haben.
Im übrigen ist Ihre Mutter damit einverstanden, dass Sie
Ihre geistlichen Übungen wie bisher fortsetzen; nur
möchte sie, dass Ihre Retraiten (Rückzug bzw.
Einkehrtag für Exerzitien = geistliche Übungen) im
Kloster zur hl. Maria auf die Hauptfeste des Jahres und
auf drei Tage in der Fastenzeit eingeschränkt werden.
Sie können sich damit auch zufrieden geben und das
Fehlende durch geistliche Retraiten im eigenen Hause
ersetzen.
O mein Gott, teure Frau, was sind wir nicht schuldig für
Vater und Mutter zu tun, und wie liebevoll müssen wir
das Übermaß, den Eifer, die Glut, ja ich möchte sagen
das Ungestüm ihrer Liebe ertragen! Es ist etwas
Erstaunenswertes um diese Mütter; es ist, als möchten
sie ihre Kinder, namentlich das einzige, immer an ihrem
Herzen tragen. Oftmals werden sie eifersüchtig; ist man
in ihrer Abwesenheit vergnügt, so meinen sie gleich, man
liebe sie nicht genug, und die Liebe zu ihnen dürfe kein
anderes Maß haben als die Maßlosigkeit. Was will man da
machen? Man muss Geduld haben und sein Möglichstes tun,
um ihren Wünschen zu genügen. Gott verlangt nur gewisse
Tage und Stunden, und gestattet, dass wir in seiner
Gegenwart auch bei Vater und Mutter gegenwärtig sein
dürfen; diese aber sind anspruchsvoller; sie verlangen
viel mehr Tage, viel mehr Stunden und eine ungeteilte
Gegenwart. Ach, Gott ist so gütig, dass er auf diese
Schwäche eingeht und alles, was wir einer Mutter zuliebe
tun, ansieht, als hätten wir es für ihn getan,
vorausgesetzt, dass wir bei allen unseren Handlungen
vornehmlich sein Wohlgefallen im Auge haben.
Übrigens haben Sie Moses und die Propheten, das heißt,
so viele ausgezeichnete Diener Gottes: Hören Sie auf
dieselben. Ich aber tue unrecht, Sie so lange
aufzuhalten. Es macht mir aber ein besonderes Vergnügen,
mich mit einer reinen und keuschen Seele zu unterhalten,
die höchstens vielleicht durch ein Übermaß von
Frömmigkeit Veranlassung zur Klage gibt. Ein seltener
Vorwurf, so selten und liebenswürdig, dass ich nicht
umhin kann, diejenige zu lieben und zu ehren, gegen
welche derselbe erhoben wird, und für immer zu sein
Ihr u. s. w.
7. Welche Unterstützung Kinder, die selbst Familie haben,
ihren Eltern schuldig sind.
An dieselbe.
Den 11. Mai 1621.
1. Unter den Augen Gottes, gnädige Frau, muss ich
Ihnen diese Zeilen schreiben, weil sie Ihnen sagen
sollen, was Sie unter den von Ihnen geschilderten
Umständen zu seiner größeren Ehre zu tun haben. Nachdem
ich den Heiligen Geist angerufen, erkläre ich, dass ich
in allem, was Sie und Ihre Mutter mir sagen, keinen
Grund zu entdecken vermag, der Sie berechtigen könnte,
Ihr vor Gott abgelegtes Keuschheitsgelübde zu verletzen;
die Erhaltung der Familie kann höchstens bei Fürsten in
Betracht kommen, wenn es für das öffentliche Wohl
erforderlich ist, dass sie nicht ohne Nachkommen
bleiben. Ja wären Sie selbst eine Fürstin oder Ihr
Bewerber ein Fürst, so müsste man Ihnen noch sagen:
Begnügen Sie sich mit der Nachkommenschaft, die Sie
haben, und zu ihm: Suchen Sie sich eine andere Gemahlin;
kurzum, der Heilige Geist lässt es wiederholt und
klärlich (klar und deutlich) in der Heiligen
Schrift aussprechen, dass nichts in der Welt so
schätzenswert ist als eine enthaltsame Seele (Eccli.
26, 20. = Ecclesiastes = alttestamentliches
Buch der Prediger = Buch Kohelet vom Prediger Salomo).
Daran halten Sie sich, da Gott Ihnen einmal den Gedanken
eingegeben hat, es zu wollen, und die Gnade, es zu
können.
Der große Gott wird Ihr Gelübde, wird Ihren Leib und
Ihre Seele segnen, die Sie seinem Namen geweiht
haben.
2. Es ist durchaus wahr, dass sie rechtlich in
keiner Weise verpflichtet sind, mit Ihrem Vermögen das
Haus Ihres Herrn Vaters zu halten, da nach den
bestehenden Gesetzen Ihr und Ihrer Kinder Vermögen
getrennt und unabhängig ist von Ihrem elterlichen Hause,
und letzteres nicht gerade in dringender Not sich
befindet. Es ist dies umso zweifelloser, da Sie nichts
von Ihrer Mitgift erhalten haben, indem dieselbe zwar
versprochen, aber nicht gezahlt worden ist.
3. Ist es wirklich begründet, dass Sie Ihre
Kinder, deren Vermögensstand und sich selbst zu Grunde
richten würden, wenn Sie sich mit den Verpflichtungen
Ihres väterlichen Hauses belasten wollten, ohne darum
doch den Untergang des letzteren hintanhalten (aufhalten)
zu können, so sind Sie im Gegenteile wenigstens durch
die Liebe verpflichtet, es nicht zu tun; denn wozu soll
es nutzen, zum Nachteile Ihrer Kinder ein Haus zu Grunde
zu richten, ohne dadurch den Ruin eines anderen
aufzuhalten, und da helfen zu wollen, wo keine Hilfe
mehr möglich ist? Wenn Sie daher überzeugt sind, dass
Ihre Hilfe Ihren Herrn Vater doch nicht retten könnte,
so haben Sie die Pflicht, die Hilfe zu verweigern,
insoweit Sie dadurch Ihre Kinder benachteiligen würden.
4. Können Sie aber Ihrem Herrn Vater helfen,
gnädige Frau, ohne Ihre Kinder zu schädigen – und es
scheint, als konnten Sie dies in der Tat, da Sie das
einzige Kind sind und weitere Miterben nicht zu erwarten
haben, so dass alles, was Sie von dem Besitzstand Ihrer
Eltern retten, schließlich doch Ihren Kindern verbleiben
muss – so bin ich der Meinung, dass Sie es tun müssen,
da Sie in diesem Falle Ihre Mittel mit der einen Hand
nur hingeben, um sie mit der anderen wieder zu nehmen.
5. Sollten Sie, um den Wünschen Ihrer Frau Mutter
zu genügen, sich sogar einschränken müssen, so dünkt
mich, vorausgesetzt, dass Ihren Kindern daraus nicht
allzu bedeutende Verluste erwachsen, Sie müssten sich
dazu verstehen schon wegen der Ehrerbietung und Liebe,
die Sie ihr schulden.
6. Im Übrigen wäre es, denke ich, für Ihre Ruhe
und für das enthaltsame Leben, zu welchem Sie sich
entschlossen haben, dienlich, wenn Sie in Ihrem
bescheidenen Haushalte für sich blieben unter der
Bedingung jedoch, dass Sie Ihre Frau Mutter häufig
besuchen. Wenn ich den Brief der letzteren richtig
verstehe, so würde dieselbe auch nichts dagegen haben,
wenn Sie den Schleier nähmen, vorausgesetzt, dass Sie
Ihr Vermögen hergäben, um die Besitzungen Ihres
elterlichen Hauses zu erhalten.
In der Tat, da Sie sich zu einer zweiten Ehe nicht
entschließen wollen und auch nicht das Herz haben, wie
diese Dame, ein großes Haus zu machen und Ihre Salons
allen möglichen anständigen Gesellschaften zu öffnen, so
erscheint es durchaus zweckmäßig, dass Sie für sich
allein wohnen bleiben. Ein getrennter Aufenthalt ist ja
das beste Mittel, die Herzen derjenigen in Einigkeit zu
erhalten, deren Charakter und Lebensrichtung, wenn auch
an sich gut, doch durchaus verschieden sind. Dieses,
verehrteste Frau, ist, soweit ich Ihre Angelegenheiten
übersehen kann, meine Ansicht. Hätte es Gott gefallen,
mich in Lyon mit Ihnen zusammenzuführen, so wäre ich
darüber sehr erfreut und imstande gewesen, Ihnen viel
bestimmter und klarer meine Meinung zu sagen. Da dieses
jedoch nicht der Fall war, so erwarte ich, falls Sie
glauben, dass ich die Sachlage, über die Sie mir
berichtet, nicht richtig aufgefasst habe, nähere
Aufklärungen von Ihnen, um sodann demgemäß ein
richtigeres Urteil abzugeben. Ich bitte Sie dringend,
gnädige Frau, sich durch keinerlei Rücksicht abhalten zu
lassen, mir mit aller Freimütigkeit zu schreiben, da ich
für jetzt und allezeit ohne allen Vorbehalt Ihr
wohlgeneigtester, ergebenster Diener bleibe, indem ich
Ihnen die Fülle der Gnaden Gottes, namentlich aber einen
unablässigen Fortschritt wünsche in der heiligen
Sanftmut und Liebe, in der heiligen Demut und in der
liebenswürdigen Einfalt. Ich kann nicht umhin, Ihnen zu
gestehen, dass ich die Äußerung Ihres Schreibens, Ihr
Haus sei ein ganz gewöhnliches und nichts mehr, überaus
bescheiden gefunden habe. Es ist dies umso
schätzenswerter in einer Zeit, wo die Kinder der Welt so
viel Wesens machen mit ihren Familien, ihren adeligen
Namen und ihrer hohen Abkunft. Bleiben Sie auf diesem
Wege, meine teure Tochter, und rühmen Sie sich nur im
Kreuze unseres Herrn, durch welches die Welt Ihnen und
Sie der Welt gekreuzigt sind. Amen.
Schließlich nenne ich mich, gnädige Frau, von ganzem
Herzen Ihren u. s. w.
Viertes Buch.
Briefe an Freunde
weltlichen
und geistlichen Standes.
1. An einen Herrn, der an den Hof gehen wollte.
Den 8. Dezember 1610.
Sie wollen also, mein Herr die Anker lichten, um die
hohe See des Hoflebens zu gewinnen. Möge Gott Ihnen
gnädig sein und seine heilige Hand Sie stets behüten.
Nicht so ängstlich wie manche andere, halte ich diese
Laufbahn für gut angelegte Charaktere von männlichem
Mute nicht gerade für die gefährlichste, da in diesem
Strudel hauptsächlich nur zwei Klippen vermieden werden
müssen, nämlich die Eitelkeit, welche schwache, träge,
weibische und haltlose Geister zu Grunde richtet, und
der Ehrgeiz, an welchem kühne und hochstrebende Herzen
scheitern.
Es ist nämlich die Eitelkeit nichts als ein Mangel an
Mut. Ohne die Kraft, wahres und gediegenes Lob zu
verdienen, begnügt der Eitle sich damit, ein falsches
und auf nichtigen Vorzügen beruhendes Lob einzuernten.
Der Ehrgeiz ist ein Übermaß von Mut, wodurch wir uns
verleiten lassen, ohne Sinn und Vernunft nach Ruhm und
Auszeichnung zu haschen.
So bewirkt denn die Eitelkeit, dass man an den törichten
Spielereien Gefallen findet, die nur bei Weibern und
seichten Geistern Lob verdienen, die aber von ernsten
Männern und erhabenen Geistern verachtet werden; während
der Ehrgeiz die Ursache ist, dass man Auszeichnung
verlangt, ehe man dieselbe verdient hat, dass man das
Verdienst der Vorfahren in übertriebener Weise für sich
selbst in Anspruch nimmt und mit ihren Leistungen selber
sich brüsten will. Gegen alle diese Gefahren, mein Herr
– Sie wünschen ja, dass ich offen zu Ihnen rede – ist
das sicherste Schutzmittel, dass Sie fortfahren, Ihre
Seele durch geistliche und göttliche Nahrung zu stärken;
so werden Sie Kraft gewinnen wider die Eitelkeit, und
Hilfe gegen den Ehrgeiz.
Halten Sie viel auf den häufigen Empfang der Kommunion,
und glauben Sie mir, nichts wird mehr geeignet sein, Sie
in der Tugend zu befestigen. Um ja recht an dieser Übung
festzuhalten, begeben Sie sich unter die Leitung eines
guten Beichtvaters, und bitten Sie ihn, dass er jedesmal
Rechenschaft von Ihnen verlangt, wenn infolge
irgendwelchen Umstandes die Kommunion über die
gewöhnliche Zeit verschoben worden ist. Beichten Sie
immer demütig und mit einem aufrichtigen und bestimmten
Vorsatze der Besserung. Vergessen Sie niemals – darum
aber muss ich Sie recht dringend bitten –, bevor Sie des
Morgens Ihr Zimmer verlassen, Gott auf den Knien um
seine Hilfe zu bitten, und bevor Sie zur Ruhe gehen, ihn
um Verzeihung für Ihre Fehler anzuflehen.
Vor allem hüten Sie sich vor schlechten Büchern; um
keinen Preis lassen Sie Ihren Geist durch gewisse
Schriften verführen, die von Schwachköpfen wegen
gewisser leerer Spitzfindigkeiten, die sie daraus
einsaugen, bewundert werden; wie z. B. dieser
niederträchtige Rabelais (Über die Schriften des Franz
Rabelais (1483—1553) sagt ein neuer Literarhistoriker.
„Sie enthalten ein buntes Gemisch von Vernunft und
Wahnsinn, Weisheit und zügelloser Ausgelassenheit.“
Gewiss würde der Heilige vor der vielfach frivolen und
in ganz materialistischer Weltanschauung sich bewegenden
Belletristik unserer Tage noch nachdrücklicher gewarnt
haben.) und andere Schriftsteller unserer Zeit, die sich
ein Geschäft daraus machen, alles in Zweifel zu ziehen,
alles in den Staub zu treten und alle Grundsätze der
Vorzeit mit Spott zu übergießen. Halten Sie sich im
Gegenteil an gediegene Bücher, besonders von
christlichem und geistlichem und gediegenem Inhalte, um
von Zeit zu Zeit sich daran zu erquicken.
Ich empfehle Ihnen eine freundliche und von Herzen
kommende Höflichkeit, welche niemand beleidigt und
jedermann verbindet, welche die Liebe mehr sucht als die
Ehre, Reibereien und Stichelreden vermeidet, die niemand
zurücksetzt und darum auch niemals Zurücksetzung
erfährt, oder wenn dies jemals geschehen sollte, doch
bald in desto ehrenvollerer Weise hervorgezogen wird.
Seien Sie recht auf Ihrer Hut, dass Sie sich nicht in
Liebeshändel einlassen, und gestatten Sie Ihrer Neigung
nicht, dem vernünftigen Urteil vorauszueilen, und lassen
sich nicht durch äußere Liebenswürdigkeit blenden. Lässt
man nämlich der Neigung einmal freien Lauf, so reißt
dieselbe die Vernunft wie eine Sklavin mit sich fort,
und es entstehen ganz ungebührliche Verbindungen, die
nur bittere Reue zur baldigen Folge haben können. Ich
wünsche, dass Sie gleich von vornherein in Wort und Tat
grundsätzlich und offen Ihre Absicht kundgeben möchten,
mit Verstand und Ausdauer ein christlich-tugendhaftes
Leben zu führen.
Ich sage ein tugendhaftes Leben, damit niemand auch nur
den Versuch wage, Sie zu Ausschweifungen zu verleiten.
Mit Verstand, damit Sie nicht durch übertriebenes
äußerliches Gebaren ihrer Gesinnung Ausdruck geben,
sondern in einer Ihrem Stande angemessenen Weise, und
so, dass vernünftige Leute nichts daran zu tadeln
finden.
Mit Ausdauer, weil die konsequente Kundgebung eines
entschiedenen und unerschütterlichen Willens Ihre
Entschließungen zu schützen vermag gegen die Angriffe
und Nachstellungen jener Elenden, die nur darauf
ausgehen, andere auf ihre Fährte zu locken.
Ich sage endlich, Sie sollen zu einem christlichen Leben
sich bekennen, weil manche eine philosophische Tugend
zur Schau tragen, während sie doch in der Tat gar nicht
tugendhaft sind, es auch in keiner Weise sein können.
Ihre ganze Tugend ist nur Scheinwesen, und sie vermögen
durch den äußeren Anstand, den sie wahren, sowie durch
ihre hohlen Redensarten nur denen Sand in die Augen zu
streuen, die nicht näher mit ihnen umgehen und ihr böses
Leben und ihren schlechten Charakter nicht kennen. Wir
dagegen, die wir recht wohl wissen, dass wir nicht die
Spur von Tugend haben können ohne die Gnade des Herrn,
wir bedürfen der Frömmigkeit und der heiligen
Gottseligkeit, um tugendhaft zu leben; sonst wird all
unsere Tugend nur Einbildung und leerer Schein sein.
Im übrigen ist es unumgänglich notwendig, gleich von
Anfang an entschieden zu zeigen, was man ist, und was
man allezeit bleiben will.
Auch würde es von großer Wichtigkeit für Sie sein,
könnten Sie gleichgesinnte Freunde gewinnen und an ihnen
Halt und Stütze finden; denn es ist eine ausgemachte
Sache, dass der Umgang mit solchen, die auf gutem Wege
sind, sehr viel dazu beiträgt, uns die gleiche Richtung
zu geben oder uns in derselben zu erhalten.
Ich denke, Sie werden bei den Jesuiten oder bei den
Kapuzinern oder den Feuillantinern, vielleicht selbst
außerhalb der Klöster, einige edle Seelen finden, welche
sich freuen werden, Sie zuweilen zu sehen. Bei ihnen
könnten Sie sich dann bisweilen erholen und wieder
einmal geistlich aufatmen.
Aber nun müssen Sie mir gestatten, dass ich Sie noch auf
einen Punkt besonders aufmerksam mache. Sehen Sie, mein
Herr, ich besorge, Sie möchten wieder ans Spielen
kommen; und ich befürchte es, weil dies für Sie ein sehr
großes Übel wäre. In wenig Tagen würde es Ihr Gemüt
zerstreuen und alle die Blüten Ihrer guten Vorsätze zum
Welken bringen; das Spiel ist ein Zeitvertreib für
Müßiggänger; diejenigen, welche mit großen Herren
spielen, um Aufsehen zu erregen, und weil Sie glauben,
dass dies das leichteste Mittel sei, sich in Aufnahme zu
bringen und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen,
zeigen, dass sie kein wahres Verdienst besitzen; würden
sie sonst wohl ihre Zuflucht bei den Mitteln derjenigen
nehmen, die nichts haben als Geld und dies daran wagen
wollen? – Überdies ist es wahrlich kein großes Lob, als
Spieler bekannt zu sein, und wer mit Unglück spielt,
wird ausgelacht. Ich erwähne gar nicht des Zornes, der
Wut und der Verzweiflung, die das Spielen zur Folge hat
und wovon kein Spieler verschont bleibt! – Besonders
noch wünsche ich Ihnen ein tapferes Herz, damit sie
Ihrem Körper nicht durch Verwöhnung im Essen und
Schlafen schmeicheln oder ihn sonst verweichlichen. –
Denn ein edles Herz hat immer nur eine gewisse
Verachtung für derartige Verzärtelungen und sinnliche
Reize.
Freilich sagt unser Herr (Matth. 11, 8.), dass
diejenigen, so sich weichlich kleiden, in den Häusern
der Könige sind; gerade deswegen will ich mit Ihnen
davon sprechen. Unser Herr will damit nicht sagen, dass
alle diejenigen, welche an den Höfen sind, sich
weichlich kleiden müssen, sondern er sagt nur, dass
diejenigen, die sich weichlich kleiden, sich in er Regel
dort finden. Überdies spreche ich nicht von der äußeren
Kleidung, sondern von der inneren; – denn was das Äußere
angeht, so wissen Sie viel besser, was sich schickt, und
es gebührt mir nicht, davon zu sprechen.
Ich will damit nur den Wunsch aussprechen, dass Sie
Ihren Leib hie und da kasteien, indem Sie ihn einigen
Abhärtungen und Strengheiten unterwerfen, alle
Weichlichkeit verachten und sich versagen, was den
Sinnen schmeichelt; denn es ist notwendig, dass der
Geist sich bemüht, die Oberherrschaft und die Gewalt,
welche er über die sinnlichen Begierden hat, zu
behaupten.
Mein Gott, ich werde zu weitläufig; wenn ich aber im
Drange der Geschäfte und nur mit Unterbrechungen
schreiben kann, so kennen Sie ja mein Herz und werden
mich entschuldigen; indessen ist es doch notwendig, dass
ich noch folgendes sage.
Stellen Sie sich vor, Sie seien am Hofe des hl. Ludwig.
Dieser heilige König – und unser gegenwärtiger König ist
ja auch noch heilig in seiner Unschuld (Ludwig XIII. war
damals neun Jahre alt.) – hatte es gerne, wenn seine
Leute tapfer, mutig, hochherzig, unverdrossen, artig,
zuvorkommend, offen und höflich waren; vor allem aber
sah er darauf, dass sie gute Christen waren.
Und wenn Sie in seiner Nähe gewesen wären, so hätten Sie
gesehen, wie er manchmal heiter zu lachen und kühn zu
reden wusste, wenn es an der Zeit war, wie er gleich
einem zweiten Salomon zur Aufrechterhaltung seiner
königlichen Würde für einen prächtigen Hofstaat Sorge
trug und im nächsten Augenblicke Arme in den Spitälern
bediente und so die weltliche Tugend mit der
christlichen, und die Majestät mit der Demut zu
vereinigen verstand.
Mit einem Worte also – man muss danach streben, nicht
weniger tapfer zu sein, weil man ein Christ ist, und
nicht weniger christlich zu sein, um als tapfer zu
gelten. Um dies zu erreichen, muss man sehr christlich,
d. h. sehr gottselig, fromm und wo möglich geistlich
gesinnt sein; denn wie der heilige Paulus sagt: „der
Geistlichgesinnte unterscheidet alles” (1 Kor. 2, 15.),
er weiß, zu welcher Zeit, in welcher Ordnung, in welcher
Art jede Tugend in Ausübung zu bringen ist. – Rufen Sie
sich öfter den guten Gedanken ins Gedächtnis, dass wir
in dieser Welt, auf einer Reise zwischen Himmel und
Hölle begriffen sind, dass der letzte Schritt über
unseren ewigen Aufenthalt entschieden wird – dass wir
nicht wissen, welcher dieser letzte sein wird. Um aber
sicher zu sein, dass dieser letzte Schritt ein guter
sei, müssen wir trachten, nur gute Schritte zu machen!
O heilige, grenzenlose Ewigkeit! Glückselig, wer deiner
gedenkt! Ja, denn wäre es sonst nicht ein Kinderspiel
von wenigen Tagen, was wir in dieser Welt treiben? Ein
Nichts wäre es, wenn es nicht der Weg zur Ewigkeit wäre.
Gerade deshalb also müssen wir einen so hohen Wert legen
auf die Zeit, die uns hienieden zugemessen ist, und auf
unsere Beschäftigungen in derselben, damit wir dieselbe
anwenden zur Eroberung des unvergänglichen Gutes.
Bleiben Sie mir immer in Liebe zugetan; denn ich gehöre
Ihnen in unserem Herrn und wünsche Ihnen alles Glück für
diese und besonders für die andere Welt. Gott segne Sie
und halte seine heilige Hand über Sie.
Ich schließe, indem ich noch einmal auf meinen
anfänglichen Gedanken zurückkomme. Sie wollen also unter
Segel gehen, um die hohe See des Hoflebens zu gewinnen;
wechseln Sie darin nicht den Lotsen, nicht die Segel,
nicht den Anker, nicht den Wind, – behalten Sie allezeit
Jesus Christus zum Lotsen, sein Kreuz zum Maste, an dem
Sie Ihre guten Vorsätze in Gestalt des Segels
aufspannen; Ihr Anker sei ein tiefes Vertrauen zu ihm,
und so wünsche ich Ihnen glückliche Fahrt. Möge der
günstige Wind himmlischer Einsprechungen mehr und mehr
die Segel Ihres Schiffes blähen und Sie glücklich landen
lassen in dem Hafen der glückseligen Ewigkeit, welches
Ihnen unaufhörlich von ganzem Herzen wünscht
Ihr u. s. w.
2. Der Heilige drückt einem Herrn seine Freude
darüber aus, dass derselbe auch am Hofe in der
Frömmigkeit beharrt.
Annecy, 12. September 1614.
Nichts in der Welt kann mir zu größerem Ruhme gereichen,
mein Sohn, als von einem solchen Sohne Vater genannt zu
werden; nichts zu süßerem Troste, als zu sehen, wie sehr
auch Sie sich in diesem Verhältnisse zu mir gefallen; –
doch genug hiervon, da ich ohnehin mit Worten nicht
auszusprechen vermag, was ich dabei empfinde. Es genügt
mir, dass Gott mir diese Gnade gewährt hat, welche mir
von Tag zu Tag teurer wird, da ich von allen Seiten
höre, dass Sie, obschon mitten in der Welt, dennoch in
Gott leben.
O Jesus, mein Gott, welches Glück, einen Sohn zu haben,
der so wunderbar die Gesänge Sions mitten im irdischen
Babylon zu singen versteht! Die Israeliten weigerten
dies einst, weil sie nicht nur unter den Babyloniern,
sondern sogar deren Gefangene und Sklaven waren (Ps.
136.); wer dagegen nicht in der Sklaverei des Hofes ist,
kann mitten in dem Hofleben den Herrn anbeten und ihm
heilig dienen.
Nein wahrlich, mein teuerster Sohn, wenngleich Sie auch
Aufenthalt, Beschäftigung und Lebensweise gewechselt
haben, so werden Sie doch, wie ich hoffe, niemals Ihr
Herz, Ihr Herz nie seine Liebe, Ihre Liebe nie ihren
Gegenstand wechseln, da Sie doch niemals eine würdigere
Liebe für Ihr Herz, noch Ihr Herz einen würdigeren
Gegenstand für seine Liebe wählen konnten, als jenen,
welcher ewig glückselig macht. Möge daher die
Mannigfaltigkeit der Gesichter am Hofe und in der Welt
das Ihrige nicht ablenken von dem steten Aufblicke zu
dem Himmel, nach dem Sie streben, und möge Ihr Mund
stets rufen nach dem höchsten Gute, auf das Sie Ihre
Hoffnung setzen. Sie können sich denken, mein lieber
Sohn, welche unvergleichliche Freude es mir bereitet
haben würde, Sie persönlich bei Gelegenheit dieser
Ständeversammlung (von Burgund) zu sehen, und mit Ihnen
zu sprechen mit dem neuen Vertrauen, welches diese Namen
„Vater und Sohn” mir eingeflößt haben. Da jedoch Gott es
nicht wollte, indem ich durch seine Zulassung hier
zurückgehalten bin, so dürfen auch wir beide es nicht
länger wüschen. – Sie werden also dort mein Josua sein,
welcher persönlich für die Sache Gottes streitet, und
ich, ich werde hier wie ein Moses meine Hände zum Himmel
erheben, um über Sie die göttliche Barmherzigkeit
herabzuflehen, dass Sie die Schwierigkeiten, welche sich
Ihren guten Absichten entgegenstellen, siegreich
überwinden. – Ich will nicht weiter in Sie dringen, mich
auch für die Zukunft zu lieben; ich kann das Ihnen
kürzer und eindringlicher sagen, wenn ich Sie bitte:
Seien Sie denn mein wahrer von ganzem Herzen, mein Herr,
wie ich immer sein werde
Ihr u. s. w.
3. Wie man seine Seele gegen die ansteckende Hoflust
schützen soll.
An denselben.
Nach dem 12. September 1614
Mein Herr! Es ist nicht zu sagen, mit welchem Feuereifer
meine Seele der Ihrigen die Vollkommenheit der
göttlichen Liebe wünscht! Gott behüte Sie und befestige
mehr und mehr in Ihnen diesen großen und erhabenen
Entschluss, ihm Ihr ganzes Leben zu weihen, wozu er
selbst Sie angeregt hat. Es ist billig und recht, dass
diejenigen, welche leben, nicht sich selbst leben,
sondern für denjenigen, welcher für sie am Kreuze
gestorben ist. – Eine große Seele, mein Herr, gibt ihren
besten Gedanken, Neigungen und Hoffnungen die Richtung
auf die unendliche Ewigkeit; weil sie selber ewig ist,
ist ihr alles zu niedrig, was nicht ewig, zu klein, was
nicht unendlich ist; und vorüberschiffend an all den
kleinlichen Genüssen oder vielmehr gemeinen Vergnügen,
welche dieses elende Leben uns darbietet, hält sie ihre
Blicke gerichtet auf die Unendlichkeit der ewigen Güter
und Jahre.
Je mehr Sie erkennen, mein Herr, wie sehr die Hoflust
verpestet ist, desto sorgfältiger gebrauchen Sie die
nötigen Schutzmittel dagegen. Gehen Sie niemals des
Morgens aus, ohne in Gottes Gegenwart Ihre guten
Vorsätze erneuert und so Ihr Herz wie mit einem
Umschlage verwahrt zu haben. Möchten Sie ferner des
Abends, nachdem Sie Ihr kurzes Gebet verrichtet haben,
noch etwa ein Dutzend Zeilen in einem Betrachtungsbuche
lesen! Dies würde gewiss die Ansteckungsstoffe
vertreiben, welche sich des Tages über um Ihre Seele
angesammelt haben. Wenn Sie dann noch oft Ihr Herz durch
die süße, gnadenreiche, in ihrer Wirkung
unvergleichliche Arznei der Buße reinigen, so hoffe ich,
dass Sie, einem herrlichen Lichtschmetterlinge gleich,
in den Flammen wohnen können, ohne Ihre Flügel zu
versehen. Glückselig die Mühe, sei sie auch noch so
groß, die uns vor ewiger Qual bewahrt! Wie lieblich die
Arbeit, deren Lohn unvergänglich ist!
Ich verbleibe, mein Herr, mit mehr als väterlicher Liebe
Ihr u. s. w.
4.
Wie man in hoher, gebietender Stellung die
christliche Vollkommenheit üben soll.
An einen jungen Herrn.
Nun wohl, ich setze den Fall, Sie hätten so viel
Widerwillen gegen die Tugend, als man nur immer haben
kann. Dessenungeachtet versichere ich Sie, dass Sie Ihre
Gemütsart ändern können, wofern Sie nur das, was ich
Ihnen sagen werde, auch tun wollen. Es wird Ihnen dann
gewiss nicht schwer fallen, so zu sein, wie Sie sein
müssen, und sogar eine Ihrem Stande entsprechende
Vollkommenheit sich zu erwerben. So bitte ich Sie also,
mein Herr, sich oft vor Augen zu führen und im Geiste zu
erwägen, was die weise Güte Gottes in Ihrer Seele und
durch Sie bei anderen erreichen wollte, als Sie Ihnen so
viel Vermögen, Einfluss und Ansehen verlieh. Fürsten und
große Herren haben schon von Geburt an, was das
gewöhnliche Volk sich erst mit Anwendung vieler Mühe
verschaffen kann. Sollte Ihnen auch hie und da etwas
fehlen, im Ganzen vermögen Sie doch alles in dem, der
Ihnen so viel gegeben hat; Sie brauchen nur zu wollen,
und Sie sind mächtig genug. Damit nun aber Ihr Wille der
Richtschnur jedes guten Willens sich anpasse, müssen Sie
nach der Vollkommenheit streben, nur das zu wollen, was
Gott will. Nun verlangt aber Gott nichts anderes von
einem Fürsten, als dass er alle seine Untertanen mit
Furcht und Liebe regiert, aber auch selbst Gott liebt
und fürchtet mit kindlicher Furcht und mit reiner,
heiliger und herzlicher Liebe.
Oft ist die Nachsicht der Fürsten eine wahre Grausamkeit
und ihre Gerechtigkeit eine große Barmherzigkeit. Von
ihrem Beispiel hängt das Wohl des Volkes ab; folglich
müssen sie alle mit Trajan sprechen: „Ich muss meinen
Untertanen ein solcher Fürst sein, wie ich einen Fürsten
zu haben wünschte, wenn ich Untertan wäre.” – Weil aber
auch jeder Herr und jeder Edelmann ein kleiner Monarch
in seinem Hause ist, so dürfen sie alle der Worte des
Apostels nicht vergessen:
„Ihr
Herren, was recht und billig ist, das erzeiget den
Knechten, eingedenk, dass auch ihr einen Herrn in den
Himmeln habt, und Könige auf Erden, von denen ihr
abhangt. (Kol. 4, 1.) Sie sollen also zu Hause nicht wie
Löwen sich gebärden, sollen ihre Diener nicht aufbringen
und ihre Knechte nicht unterdrücken, sondern ihr Mitleid
soll mit Großmut und ihr Mut mit Huld und Gnade gepaart
sein.
Dies ist ihre erste Ausgabe, durch welche sie lernen,
ihrem Gotte und ihrem Könige gegenüber alle Pflichten
ihrer Unterwürfigkeit zu erfüllen, und ihren
Untergebenen gegenüber alle Obliegenheiten einer Gewalt,
welche nur auf den Wegen der Gerechtigkeit und Güte
wandeln darf.
5. Wie viel vornehme Leute durch ihr gutes Beispiel
wirken können.
An einen Edelmann.
Was hindert Sie denn, heilig zu sein? Und was könnten
Sie in dieser Beziehung wünschen, was Ihnen nicht
erreichbar wäre? – Wahrlich, ein armer Mann kann wohl
heilig sein; aber ein mächtiger Herr, wie Sie, kann
nicht nur heilig sein, sondern auch so viele zu Heiligen
machen, als er Zeugen seiner Handlungen hat!
6.
Mutiges Festhalten an den Grundsätzen wahrer
Frömmigkeit unter den Gefahren einer hohen Stellung
nötigt selbst den Weltkindern Bewunderung ab.
An einen Hofherrn.
Den 31. Juli 1614. Mein Herr! Den Brief, in welchem Ew.
(Eure) Hoheit geruhen, mich zu beschwören, Sie in
Zukunft meinen Sohn zu nennen, habe ich erhalten, und
meine Wenigkeit erlaubt sich dies umso eher, da es
geschehen kann, ohne Ihrer Stellung irgendwie Eintrag zu
tun. Wahrlich, das Missverhältnis zwischen einem so
elenden Vater und einem so erhabenen Kinde wird
merkwürdig genug sein. Indessen die weise Natur selbst
hat eine ähnliche Absonderlichkeit in einer Pflanze
aufzuweisen, welche die Baumgärtner gemeiniglich „Den
Sohn vor dem Vater“ nennen, weil sie ihre Früchte vor
den Blüten hervorbringt. Überdies werden Sie, wie ich
annehme, nicht auf meine Persönlichkeit, sondern
vielmehr auf die heilige Würde sehen, mit welcher
dieselbe umgeben und welche die heiligste in der Kirche
ist, deren lebendiges Glied zu sein Sie die
unvergleichliche Ehre haben. Und zwar sind Sie nicht nur
ein lebendiges Glied derselben, sondern auch ein Glied,
das von der heiligen Liebe, die allein das Leben unseres
Lebens ausmacht, entflammt ist, wie Ihre guten Wünsche
dies bezeugen.
Nun wohl denn, mein Herr, ich nenne Sie in Zukunft
meinen Sohn; aber da es Sie langweilen würde, die
wiederholten Versicherungen der Hochachtung zu lesen,
mit denen ich eigentlich nur mich dieses Ausdruckes der
Liebe bedienen darf, so sage ich Ihnen ein für allemal,
ich werde Sie meinen Sohn nennen aus zwei verschiedenen
und doch übereinstimmenden Gründen, gleichwie Jakob zwei
von seinen Kindern seine Söhne nannte. Bemerken Sie,
mein Herr, er nannte seinen lieben Benjamin seinen Sohn
mit einem so liebeerfüllten Herzen, dass man in der
Folge alle von ihren Vätern vorzugsweise geliebten
Kinder so genannt hat. Aber sein liebes Kind Joseph, der
Vizekönig von Ägypten geworden war, nannte er seinen
Sohn mit so ehrerbietiger Liebe, dass es wegen dieser
tiefen Ehrfurcht sogar heißt, er sei vor ihm
niedergefallen. Geschah es auch im Traume, so war es
doch keine Täuschung, sondern Wahrheit, wenn dieser
große Beherrscher Ägyptens in seiner Jugend geschaut
hatte, wie sein Vater unter dem Bilde der Sonne sich
tief vor ihm verneigte, was die Heilige Schrift als
Anbetung bezeichnet. In dem gleichen Sinne versichere
ich Ihnen, dass ich Sie meinen Sohn nenne; meine Liebe
möchte Sie ihren Benjamin, meine Ehrerbietung ihren
Joseph heißen. Auf diese Weise wird das Wort Sohn viel
mehr Hochachtung und Ehrerbietung in sich schließen, als
selbst die Anrede mit dem Namen „Herr“; aber eine so von
Liebe durchdrungene Ehrerbietung, dass diese Mischung,
indem sie sich in meiner Seele verbreitet, dieselbe mit
einer Süßigkeit erfüllt, welche nicht nicht leicht
ihresgleichen findet. Deswegen werde ich Sie auch in der
Regel nicht mehr meinen Herrn Sohn, sondern schlechtweg
meinen Sohn nennen, weil das erstere in dem letzteren
schon vollkommen deutlich, ja viel vorzüglicher
ausgedrückt ist.
Welche Freude für mich, teurer Sohn, wenn ich vernehme,
dass Sie der hochherzige Jüngling sind, welcher inmitten
der nichtigen Eitelkeiten des Hofes fest bleibt in
seinem Entschlusse, das Herz Gottes zu befriedigen!
Vor allem, mein teurer Sohn, bleiben Sie dabei, öfter zu
kommunizieren und die anderen Übungen vorzunehmen, zu
welchen Gott Sie so oft innerlich angespornt hat! Die
Welt glaubt Sie bereits verloren zu haben und hält Sie
nicht mehr für den ihrigen. Hüten Sie sich, dass
dieselbe Sie wieder gewinnt. Es hieße für Sie alles
verlieren, ließen Sie sich von dieser Unglücklichen
gewinnen, welche Gott dem Verderben überliefert hat und
ewig überliefern wird. Die Welt wird Sie bewundern und
trotz ihrer eigenen Schlechtigkeit mit Hochachtung zu
Ihnen aufblicken, wenn sie sieht, wie Sie inmitten ihrer
Paläste, ihrer Galerien, ihrer Kabinette sorgfältig die
Regeln der Gottseligkeit beobachten, einer Gottseligkeit
allerdings, welche weise, ernst, stark, unwandelbar,
edel und vor allem anziehend sein muss.
So geschehe es, mein teurer Sohn! Möge Gott auf immer
Ihr Höchstes, die Welt der Gegenstand Ihrer Verachtung
bleiben, wie ich verbleibe Ihr Vater, der Sie liebt wie
seinen Benjamin und Sie ehrt wie seinen Joseph.
7. Welche Rücksichten man zu beobachten hat, um bei
Jagdvergnügungen Gott nicht zu beleidigen.
An eine Dame.
Annecy, 20. Juni 1620.
Sie sehen, meine teure Tochter, wie sehr ich auf Ihre
Nachsicht baue. Seit Ihrer Abreise habe ich noch nicht
an Sie geschrieben, weil es mir wirklich kaum möglich
war; und ich entschuldige mich deshalb nicht bei Ihnen,
weil Sie in Wahrheit immer mehr und mehr meine teure
Tochter sind. Gott sei gelobt, dass Ihre Heimreise so
gut vonstatten ging und dass Sie Ihren Herrn Gemahl so
heiter angetroffen haben! Wahrlich, die himmlische
Vorsehung des himmlischen Vaters behandelt die Kinder
ihres Herzens mit Freundlichkeit und streut von Zeit zu
Zeit süße Gunstbezeigungen unter die fruchtbringenden
Bitterkeiten, durch welche erstere verdient werden
müssen.
Herr Michel fragte mich, was ich an Herrn Legrand über
die Jagd geschrieben habe; dies waren jedoch nur wenige
Worte, meine teure Tochter; ich machte ihn nur darauf
aufmerksam, dass man drei Vorschriften zu beobachten
habe, um Gott nicht durch die Jagd zu beleidigen.
Erstens darf man seinem Nächsten keinen Schaden zufügen;
denn es ist nicht zu rechtfertigen, dass man sich auf
Kosten anderer Vergnügen macht; besonders muss man sich
hüten, den armen Landmann zu schädigen, welcher ohnehin
genug gequält und belastet ist, und dessen Arbeit und
Stand wir durchaus nicht gering schätzen dürfen.
Zweitens darf man die Jagd durchaus nicht an einem
gebotenen Festtage ausüben, an welchem wir verpflichtet
sind, Gott zu dienen; vor allem muss man sich hüten,
dieses Vergnügens halber die pflichtmäßige heilige Messe
an Sonn- und Feiertagen zu versäumen.
Drittens hat man sich zu hüten, dass man nicht un-
verhältnismäßige Kosten darauf verwendet, denn jedes
Vergnügen wird tadelnswert, sobald man Verschwendung
deswegen treibt. Des übrigen erinnere ich mich nicht
mehr so recht. Überhaupt muss man bei allem Maß und Ziel
halten.
Wohlan denn, meine teure Tochter, Gott sei stets in
Ihrem Herzen und vereinige alle Neigungen desselben mit
seiner heiligen Liebe. Amen.
8. Das Duell und der verkehrte Ehrbegriff der Weltkinder.
An eine Dame.
Ihr letzter Brief, meine teure Tochter, gereichte mir
und Frau N. zu großem Troste. Ich habe nämlich keinen
Anstand genommen, letzterer denselben mitzuteilen, da
ich nichts darin fand, was eine so ausgezeichnete Seele,
die Sie überdies in so heiliger Weise liebt, nicht hätte
wissen dürfen. Leider kann ich Ihnen nicht viel
schreiben, da ich noch einen Boten nach Burgund
abzufertigen habe. Aber, in Gott teure Tochter, was
sollen wir von diesen Männern sagen, die so großen Wert
auf die Ehre vor dieser elenden Welt und so geringen auf
die Seligkeit in der anderen legen? Ich kann Sie
versichern, dass meine Seele aus das schmerzlichste
erschüttert war bei dem Gedanken, wie nahe sich Ihr
lieber Neffe an den Rand der ewigen Verdammnis gebracht
hat, und dass Ihr Herr Gemahl dabei sein Geleitsmann
war. Ach, welch sonderbarer Beweis von Freundschaft,
sich gegenseitig zu den Pforten der Hölle das Geleit zu
geben! In der Tat, man muss Mitleid mit ihnen haben und
Gott bitten, dass er sie durch sein heiliges Licht
erleuchte. Gewiss, nur mit innigstem Mitleid kann ich an
sie denken, und sehnlich wünsche ich ihnen die Einsicht,
dass Gott den Vorzug verdient; haben sie doch den Mut
nicht gehabt, ihm denselben einzuräumen, aus Furcht vor
dem Gerede der Toren. Damit jedoch Ihr Gemahl nicht in
seiner Sünde und in der Exkommunikation verharre, füge
ich einige Zeilen für ihn bei, dass er beichten und die
Absolution erhalten kann (Teilnahme an einem Duell ist
einer der den Bischöfen vorbehaltenen Fälle.). Ich bitte
Gott, er möge ihm die dazu notwendige Reue verleihen.
Nun wohl denn, bleiben Sie in Frieden. Legen Sie Ihr
Herz und Ihre Wünsche in die Hand der himmlischen
Vorsehung, und der Segen Gottes sei allezeit mit Ihnen.
Amen.
9. Brief an eine Dame, deren Gatte ein Duell
beabsichtigt hatte.
Ich gestehe Ihnen, meine teure Tochter, es empört mich,
wenn ich sehe, wie gute Katholiken, die sonst noch etwas
für Gott übrig haben, doch so wenig um ihr ewiges Heil
besorgt sind, dass sie sich so leichtsinnig der Gefahr
aussetzen, niemals zur Anschauung Gottes zu gelangen,
und stattdessen auf ewig die Schrecken der Hölle zu
sehen und zu fühlen. Ich kann wahrlich nicht begreifen,
wie man einen solchen traurigen Mut haben kann, vollends
um solcher Kleinigkeiten willen, wegen eines reinen
Nichts. Die Liebe, welche ich zu meinen Freunden und
besonders zu Ihrem lieben Gatten habe, lässt mich nur
mit Schaudern daran denken, dass sie sich in solcher
Gefahr befinden; und was mich am meisten quält, ist die
geringe Reue, die sie allem Anschein nach trotz der
großen Beleidigung Gottes, deren sie sich schuldig
gemacht, empfinden, da sie ja nichts tun, um sich in
Zukunft davor zu bewahren. Was gäbe ich darum, dass
solche Vorfälle sich nicht mehr wiederholten! Indessen
sage ich dieses nicht, um Sie zu beunruhigen. Wir müssen
hoffen, dass Gott uns alle miteinander zur Besserung
führen wird, wenn wir in der rechten Weise darum bitten.
Sorgen Sie nur, dass Ihr werter Gemahl beichtet; denn
obwohl ich nicht glaube, dass er exkommuniziert ist, so
befindet er sich doch nichtsdestoweniger in einer
schrecklichen Todsünde, von der er sich unverzüglich
reinigen muss.
Die Exkommunikation nämlich zieht man sich nur durch
die äußere Tat, die Sündenschuld aber schon durch
den bloßen Willen zu.
10. Außerhalb der Kirche ist das richtige Verständnis
der Heiligen Schrift nicht zu finden.
An einen Edelmann.
Den 2. Juli 1619.
Es ist vollkommen richtig, mein Herr, dass die Heilige
Schrift in großer Klarheit die für Ihr Seelenheil
notwendige Lehre enthält. Das Gegenteil dürfen Sie nie
annehmen.
Nicht weniger steht es fest, dass es eine sehr geeignete
Methode der Schriftauslegung ist, wenn man die einzelnen
Stellen unter sich vergleicht und so unter
Berücksichtigung analoger Glaubenswahrheiten den wahren
Sinn zu gewinnen sucht; auch dies habe ich oft genug
erklärt. Aber nichtsdestoweniger spreche ich es als
meine feste, unerschütterliche Überzeugung aus, dass
trotz dieser bewunderungswerten und anmutigen Klarheit
der Heiligen Schrift in Betreff der zum Heile
notwendigen Wahrheiten der menschliche Geist nicht immer
ihren wahren Sinn findet, sondern vielmehr irren kann,
und nicht selten gerade bei der Auslegung der an sich
klarsten und für die Feststellung des Glaubens
wichtigsten Stellen in Wirklichkeit irre geht.
Beweis dafür ist die Tatsache, dass die lutherische
Irrlehre und die Schriften der Calviner, wie schon die
Väter der angeblichen Reformation, sich in Betreff des
Inhaltes der Einsetzungsworte der Eucharistie
miteinander in einem unlöslichen Widerspruche befinden.
Und obwohl beide Parteien sich rühmen, den Sinn jener
Worte unter Bezugnahme auf die übrigen verwandten
Schriftstellen und in voller Übereinstimmung mit dem
ganzen Geiste des Glaubens eingehend und treulich
geprüft zu haben, so verharren doch beide bei einer
vollständig entgegengesetzten Auslegung dieser so
hochwichtigen Worte. Wohl ist daher die Schrift an sich
klar in ihren Ausdrücken, aber der Geist des Menschen
ist verfinstert und vermag, der Eule gleich, diese
Klarheit nicht zu schauen.
Die vorerwähnte Methode ist vortrefflich; aber der
menschliche Geist versteht nicht, sie richtig
anzuwenden. Das vermag einzig der Geist Gottes, mein
Herr, der allein den wahren Sinn gibt; er gibt ihn aber
nur seiner Kirche, die eine Säule und Grundfeste der
Wahrheit ist, nur der Kirche, durch deren Diener dieser
göttliche Geist die Wahrheit, d. h. den wahren Sinn
seines Wortes, bewahrt und erhält; der Kirche, der
allein der unfehlbare Beistand des Geistes der Wahrheit
zur Seite steht, um gehörig, richtig und untrüglich den
wahren Sinn des göttlichen Wortes festzustellen, so dass
der, welcher den wahren Sinn dieses himmlischen Wortes,
außerhalb der Kirche, der Bewahrerin desselben, sucht,
ihn niemals findet. Ja, wer ihn ohne ihre Vermittlung
finden will, schließt statt der Wahrheit nur ein
Trugbild in seine Arme, und statt der sicheren Klarheit
des heiligen Wortes folgt er den Irrlichtern jenes
falschen Engels, der die Gestalt eines Lichtengels
anzunehmen weiß.
So machten es schon vor alten Zeiten sämtliche
Häretiker. Alle gaben vor, die Schrift besser zu
verstehen und die Kirche zu reformieren, während sie die
Wahrheit außerhalb des Schoßes der Braut suchten,
welcher der himmlische Bräutigam als einer treuen
Bewahrerin und makellosen Hüterin sie anvertraut hat, um
sie an seine teuren, echten Kinder auszuteilen.
Das wäre es nun, mein Herr, was ich Ihnen im
wesentlichen zu sagen habe; es steht dies auch nicht im
entferntesten im Widerspruch mit der Lehre der heiligen
Väter, welche Herr v. Mornay (Philipp v. Mornay
bekleidete unter Heinrich IV. hohe Staatsämter, zog sich
aber nach der Rückkehr des Königs zur katholischen
Kirche in das Privatleben zurück und schrieb u. a. ein
großes Werk über das Abendmahl, welches unter den
Protestanten vielen Beifall fand und in Verbindung mit
dem sonstigen Eifer des Verfassers für die
protestantische Sache demselben unter seinen
Parteigenossen den Namen des „Hugenotten-Papstes”
eintrug. Er starb am 11. November 1623.) in dem Werke
anführt, das Sie so gütig waren, mir gestern Abend zu
übersenden. Ich stelle Ihnen dasselbe heute Morgen
wieder dankend zurück mit der Versicherung, dass ich
unablässig eine günstige Gelegenheit herbeiwünsche,
Ihnen beweisen zu können, wie sehr ich bin
Ihr u. s. w.
11.
Ermunterung an einen Seelsorger, an der ihm
zugewiesenen Stelle mit treuem Eifer auszuharren.
Sales, den 15. September 1607.
Verzeihen Sie gütigst, mein lieber Herr Bruder, dass ich
so spät Ihren ersten Brief, den Sie an mich gerichtet
haben, beantworte; ich werde nicht mehr so säumig sein,
wenn Sie mir wieder die Freude machen, zu schreiben.
Aber ich war so mit den Vorbereitungen zu meiner Abreise
beschäftigt, dass mir kein Augenblick frei blieb, um
Ihnen zu antworten. Unter diesen Umständen verspreche
ich mir von Ihrer Liebe, dass sie mir diese Verzögerung
nicht übel deuten werden.
Ich bleibe dabei: Sie müssen Gott dienen, wo Sie sind,
et facere quod facis (Und tun, was Sie tun.). Nicht als
wollte ich Ihnen, mein lieber Bruder, wehren, in Ihren
frommen Übungen sowie in der Läuterung Ihres Herzens
stets voranzuschreiten, sondern fac quod facis, et
melius quam facis (Tun Sie, was Sie tun, und zwar noch
besser als Sie es gegenwärtig tun.), denn ich weiß wohl,
dass Gott in der Person des Abraham allen Gläubigen
befahl: Ambula coram me, et esto perfectus (Wandle vor
mir und sei vollkommen: 1 Mos. 17, 1.), und ferner:
Beati qui ambulant in viis Domini (Glückselig, die da
wandeln auf den Wegen des Herrn: Ps. 127, 1.), und
unsere Väter: euntes ibant, et in corde suo ascensionem
disponebant, ut irent de virtute in virtutem (Sie
wandelten ihren Weg und in ihrem Herzen richteten sie
Aufsteige her, um von Tugend zu Tugend sich zu erheben:
Ps. 83, 6. 8.). Fahren Sie also mit frischem Mute fort,
diesen Weinberg zu bebauen, indem Sie Ihre geringe
Arbeit dem geistigen Wohle der Seelen widmen, quas
servavit sibi Dominus, ne flecterent genua ante Baal in
medio populi polluta labia habentis (Welche sich der
Herr bewahrt hat, damit sie nicht ihr Knie beugen vor
Baal inmitten eines Volkes, dessen Lippen befleckt sind:
vgl. 4 Kön. 19, 10 und Js. 6, 5.). Wundern Sie sich
nicht, wenn noch keine Früchte sich zeigen; quia si
patienter opus Domini feceris, labor tuus non erit
inanis in Domino (Wenn du das Werk des Herrn mit Geduld
verrichtest, so wird deine Arbeit nicht vergeblich sein
im Herrn: Kor. 15, 58.). Ach, mein Herr, Gott hat uns
genährt mit der süßen Milch so vieler Tröstungen, damit
wir, herangewachsen, uns beeilen, zu helfen an der
Wiedererbauung der Mauern Jerusalems, entweder indem wir
Steine herbeitragen, oder den Mörtel rühren, oder mit
dem Hammer arbeiten. Auf mein Wort: Bleiben Sie, wo Sie
sind; tun Sie getreulich und in guter Absicht alles, was
Sie füglich tun können, und Sie werden sehen, dass si
credideris, videbis gloriam Dei (Wenn du glaubst, wirst
du die Herrlichkeit Gottes schauen: Joh. 11, 40.). Sie
werden wohltun, wenn Sie jeden Gedanken, Ihre Stelle zu
wechseln, für eine Versuchung halten; denn solange Ihr
Geist auswärts umherschweift, wird er sich niemals
angelegen sein lassen, da, wo Sie sind, nützlich zu
wirken. Übrigens will ich das alles in jenem Vertrauen,
welches Sie mir in Ihrem Briefe entgegenbringen, sowie
mit der aufrichtigsten Freundschaft gesagt haben, welche
ich für Sie hege in visceribus eius, cuius viscera pro
amore nostro transfixa sunt (Im Herzen desjenigen,
dessen Herz durchbohrt wurde aus Liebe zu uns.). Ihn
auch flehe ich an, dass er mehr und mehr den Eifer für
seine Ehre in Ihnen entflammen wolle, und ich verbleibe
von ganzem Herzen
Ihr u. s. w.
12. Eifer und Wachsamkeit eines wahren Hirten der
Kirche.
Christliches Opferleben.
An Frau von Chantal.
Anfang August 1606.
Ach Gott, meine gute Tochter, wie sehr gereichen mit
Ihre Briefe zum Troste,
und wie lebhaft spricht sich darin Ihr Herz und Ihr
Vertrauen zu mir aus, und zwar in einer so lauteren
Reinheit, dass ich darin die Hand Gottes erkennen muss.
Ich sah in den vergangenen Tagen erschreckliche, mit
zehn bis zwölf Ruten (1 Rute = 1 Yard = 3 Fuß = 91,44
cm) dickem Eise bedeckte Berge. Die Bewohner der
benachbarten Täler erzählten mir, ein Hirte, der
hinüberging, eine verirrte Kuh zu suchen, sei in einen
zwölf Ruten tiefen Gletscherspalt gestürzt und im Eise
umgekommen. O mein Gott, seufzte ich, der Eifer dieses
Hirten beim Aufsuchen seiner Kuh war so glühend, dass
selbst dieses Eis ihn nicht abzukühlen vermochte! Und
ich, warum doch bin ich so träge beim Aufsuchen meiner
Schafe? Wahrlich dieser Gedanke ergriff mich tief, und
mein sonst so erstarrtes Herz taute einigermaßen auf.
Es war ein wundersamer Anblick: die Täler mit Häusern
übersät, die Berge starrend von Eis bis auf den Grund.
Ja, geringe Witwen und arme Bäuerinnen bringen Frucht
tiefen Talesgrund, und Bischöfe, so hoch in Kirche
Gottes erhoben, starren in eisiger Kälte! Ach, gibt es
denn keine Sonne, die mächtig genug ist, die Eisrinde zu
schmelzen, welche mein Herz umschließt? Gleichzeitig
brachte man mir die Beschreibung von dem Leben und Tode
einer heiligen Bäuerin meiner Diözese, welche im Juni
gestorben ist. Was glauben Sie wohl, was für Gedanken
mir dabei kamen? Ich werde Ihnen eines Tages einen
Auszug aus der Lebensgeschichte zusenden. Es ist, ohne
zu übertreiben, ungemein viel Rührendes in dieser
einfachen Geschichte einer verheirateten Frau, welche
mich mit ihrer Freundschaft beehrt und oft in ihren
Gebeten dem lieben Gott empfohlen hat.
Soeben, meine teure Tochter, redete ich zu dem Herrn für
Sie bei der heiligen Messe; indessen habe ich es
wirklich nicht gewagt, von ihm durchaus Ihre Erlösung zu
erbitten; denn wenn es ihm gefällt, das Opfer, das ihm
dargebracht werden soll, zu enthäuten, so steht mir der
Wunsch nicht zu, er möge es nicht tun. Aber ich habe ihn
angefleht und beschworen bei jener äußersten
Verlassenheit, welche ihm den blutigen Schweiß und am
Kreuze den Angstruf auspresste: „Mein Gott, mein Gott,
warum hast du mich verlassen!” (Matth. 27, 46.) er möge
Sie immerdar beschützen, wie er bisheran getan, ohne
dass Sie wissen, von welcher Seite er Ihnen seine Hand
zur Stütze reicht. Gewiss, Sie tun wohl daran, wenn Sie
einfach unseren gekreuzigten Heiland betrachten und ihm
Ihre Liebe und vollkommene Ergebung beteuern, mag Ihnen
dieselbe auch noch so trocken, unempfindlich und kalt
vorkommen, anstatt sich damit aufzuhalten, Ihr Leid zu
betrachten und zu untersuchen, wäre es selbst, um mir
dasselbe zu klagen. Kurz, wir gehören ja ganz Gott an,
ungeteilt, ohne Vorbehalt und ohne irgendwelche
Ausnahme, und verlangen nichts mehr auf Erden als die
Ehre, sein Eigentum zu sein. Nähmen wir in unserem
Herzen auch nur das geringste Fäserchen (Faser)
einer Zuneigung wahr, welche nicht für ihn und nicht von
ihm wäre, o Gott, wir würden es unverzüglich ausreißen.
Verbleiben wir also im Frieden und sprechen mit dem
großen Liebhaber des Kreuzes: „Im übrigen falle niemand
mir lästig, denn ich trage in meinem Herzen die Wundmale
meines Jesus.” (Gal. 6, 17.) Ja, meine vielgeliebte
Tochter, wüssten wir nur ein einziges Fleckchen in
unseren Herzen, welches nicht bezeichnet wäre mit dem
Stempel des Gekreuzigten, wir würden es keinen
Augenblick länger darin dulden. Weshalb also sich
beunruhigen? „Meine Seele, hoffe auf den Herrn! Warum
bist du traurig und warum verwirrst du mich? ist doch
der Herr mein Gott, und mein Herz gänzlich sein
Eigentum.” (Ps. 42, 5.) Ja, meine geliebte Tochter,
beten Sie für denjenigen, der Ihnen unaufhörlich tausend
Segnungen wünscht, vor allem aber die vollkommene
göttliche Liebe, welche die Segnung aller Segnungen ist.
13. Vorzug der christlichen Freundschaft vor
derjenigen der Weltkinder.
(Vgl. Philothea III, 19: „Über die wahre Freundschaft”.)
An einen Geistlichen.
September 1617.
Da es noch immer sehr dahinsteht, ob es zu der ersehnten
Reise, welche uns, mein lieber Herr Bruder, auf mehrere
Monate zusammenführen sollte, kommen wird, so bedaure
ich nichts so sehr, als den Aufschub des Glückes, womit
unsere Herzen erfreut worden wären, hätten wir uns
einmal nach Wunsch über unsere heiligen Bestrebungen
unterhalten können; aber die ganze Welt und alle ihre
Angelegenheiten sind so sehr den Gesetzen der
Unbeständigkeit unterworfen, dass auch wir diese
Unbequemlichkeit uns gefallen lassen müssen; wenn nur
unsere Herzen ausrufen können: Non movebor in aeternum.“
(Ich werde nicht wanken in Ewigkeit: Ps. 27, 7.) Nein,
nichts wird unsere Liebe zum Kreuze und die Einigung
unserer Herzen, die der Gekreuzigte gestiftet bat, zum
Wanken bringen. Aber gerade dies ist die Zeit, den
Vorzug unserer Freundschaft vor jener der Weltkinder zu
beweisen und sie in ihrer ganzen Herrlichkeit leben und
herrschen zu lassen trotz Abwesenheit und Trennung, da
ja ihr Urheber weder an Ort noch Zeit gebunden ist.
Gewiss, mein lieber Bruder, die heiligen Freundschaften,
welche in Gott gegründet sind, sind unabhängig von
allem, was außerhalb Gottes ist. -- Wenn ich übrigens
wirklich ein Theophilus wäre, wie Ihr großer Prälat mich
mehr infolge seiner eigenen großen Herzensgüte als in
Kenntnis meiner Schwächen nennt, wie sehr müsste ich
Ihnen dann gefallen, geliebter Bruder! Können Sie mich
aber noch nicht lieben, weil ich es bin, so helfen Sie
durch Ihre Liebe, dass ich es werde, indem Sie unseren
großen Androphilus bitten, dass er mich durch sein Gebet
zu seinem Theophilus mache. In wenig Tagen hoffe ich auf
kurze Zeit bei ihm, unserem gemeinsamen Phönix, mich der
heiligen Ruhe hingeben zu können, um den Duft des
Zimtholzes einzuatmen, in dessen Flammen er sterben
will, um desto seliger in dem Feuer der heiligen Liebe
wieder aufzuleben, deren herrliche Eigenschaften er
schildert in einer Schrift, mit der er eben beschäftigt
ist.
Wer aber konnte Ihnen sagen, unsere guten Schwestern von
der Heimsuchung seien mit ihren Niederlassungen und
Bauten auf Hindernisse gestoßen? O mein teurer Bruder!
Dominus refugium factum est nobis (Ps. 39, 1.): Der Herr
ist die Zuflucht ihrer Seelen; sind sie nicht
überglücklich? Noch gestern sagte mir unsere gute Mutter
mitten in ihrer heftigen Krankheit: „Wenn die Schwestern
unserer Genossenschaft recht demütig und ihrem Gotte
treu sind, so wird das Herz Jesu, ihres gekreuzigten
Bräutigams, ihr Obdach und ihr Aufenthalt in dieser Welt
und sein himmlischer Palast ihre Wohnung in der Ewigkeit
sein.”
Ich muss es Ihrem so sehr geliebten Herzen im Vertrauen
mitteilen, dass es mich mit unbeschreiblicher Freude
erfüllt, wenn ich die Fassung dieser teuren Mutter und
ihre gänzliche Losschälung von allen irdischen Dingen
sehe, welche sie bei all diesen kleinen
Widerwärtigkeiten beweist. Nur Ihrem Herzen allein
vertraue ich dieses an; denn ich habe mir vorgenommen,
nichts über diejenige zu sagen, welche die Stimme des
Gottes Abrahams vernommen hat: Egredere de terra tua, et
de cognatione tua, et de domo patris tui, et veni in
terram quam monstrabo tibi. (Ziehe aus aus deinem Lande
und aus deiner Verwandtschaft und aus dem Hause deines
Vaters, und komme in ein Land, das ich dir zeigen werde:
1 Mos. 12, 1.) Wahrlich, sie tut das, und mehr als das.
So bleibt mir also nichts anderes übrig, als sie Ihrem
Gebete zu empfehlen, weil die häufigen Anfälle ihrer
Krankheit uns ebenso häufig Anlass zu Befürchtungen
geben, obwohl ich nicht aufhöre zu hoffen, der Gott
unserer Väter werde seinen frommen Samen vervielfältigen
wie die Sterne des Himmels und die Sandkörner am Ufer
des Meeres.
Aber, mein Gott, ich sage zu viel über einen Gegenstand,
über den ich eigentlich nicht sprechen wollte; indessen,
es ist nur für Sie; und Ihnen kann ich ja alles
anvertrauen, weil Sie ein Herz haben, welches
unvergleichlich ist in seiner Liebe für den, der mit
innigster Verehrung Sie versichert, dass er mit
unbegrenzter Liebe verbleibt
Ihr u. s. w.
14. Beständigkeit der christlichen Freundschaft.
An einen befreundeten Geistlichen.
(Nebst einem Porträt des Heiligen.)
Geliebtester Bruder! Sie richten an mich die Frage: Wird
Ihr Herz mir immer und unter allen Umständen treu und
gewogen bleiben? Meine Antwort ist folgende: O mein
teurer Bruder, drei einander innig befreundete Männer,
alle drei Heilige, alle drei Kirchenlehrer, alle drei
große Meister der Moraltheologie, die hll. Ambrosius,
Hieronymus und Augustinus, hatten den Wahlspruch:
Amicitia, quae desinere potuit, nunquam vera fuit. (Eine
Freundschaft, die ein Ende nehmen konnte, war niemals
echt.) Da haben Sie, teurer Bruder, das heilige Orakel,
welches Ihnen die unwandelbare, ewige Dauer unserer
Freundschaft verkündigt, da sie eine heilige und
ungeheuchelte, auf die Wahrheit und nicht auf die
Eitelkeit gegründete, aus der Gemeinsamkeit geistlicher
Güter und nicht auf vergänglichen Interessen und dem
Austausch zeitlicher Güter beruhende Freundschaft ist.
In rechter Weise lieben und doch aufhören können, Sie zu
lieben, das wären zwei miteinander unverträgliche Dinge.
Die Freundschaft der Weltkinder trägt auch die Natur der
Welt an sich; die Welt vergeht, und vergänglich sind
ihre Freundschaften. Aber die unsrige ist von Gott, in
Gott und für Gott: Ipse autem idem ipse est, et anni
eius non deficient.
Mundus perit et concupiscentia eius; Christus non perit,
nec dilectio eius. (Gott ist ewig der nämliche, und
seine Jahre nehmen nicht ab. Die Welt vergeht mit ihrer
Lust; Christus aber vergeht nicht und ebensowenig seine
Liebe: vgl. Ps. 101, 28. - 1 Joh. 2, 1 7. - 1 Kor. 13,
8.) Der Schluss ergibt sich von selbst.
In den Briefen Ihrer teuren Schwester spricht sich immer
so viel Liebe für mich aus, dass ich wirklich nicht
imstande bin, nach Gebühr dafür zu danken. Gleiches gilt
von Ihnen, und bitte ich Sie daher, für sich selbst wie
für die Schwester den Ausdruck meines innigsten Dankes
zu genehmigen für so viel Freude, die Sie mir machen.
Da haben Sie denn auch das Bild dieses irdischen
Menschen; Sie sehen, wie wenig ich imstande bin, Ihnen
irgend einen Wunsch zu versagen.
Man sagt mir, ich sei auf keinem Bild gut getroffen;
doch ich denke, es liegt wenig daran. In imagine
pertransit homo, sed et frustra conturbatur.
(Wie ein Schattenbild geht der Mensch vorüber, und
umsonst stürzt er sich in Unruhe: Ps. 38, 7.) Ich habe
es geliehen, um es Ihnen zum Geschenk zu machen; ich
habe selbst keines für mich. Ach, wenn nur das Bild
unseres Schöpfers in vollem Glanze aus meinem Geiste
hervorleuchtete, mit welcher Freude könnten Sie es dann
betrachten! O Jesus, tuo Iumine tuo redemptos sanguine
sana, refove, perfice, tibi conformes effice. Amen (O
Jesus, mit deinem Lichte heile, erquicke, vollende uns
und mache uns dir gleichförmig, der du uns durch dein
Blut erkauft hast. Amen.)
Fünftes Buch.
Briefe
über den Klosterberuf und das Ordensleben.
1. An einen EdeImann, der beabsichtigte, sich von der
Welt zurückzuziehen.
Danken Sie Gott, mein Herr, für das Glück, dass er Ihnen
in den Sinn gegeben hat, die breite Heerstraße zu
verlassen, welche Leute Ihres Alters und Standes sonst
gewöhnlich einschlagen, und auf welcher sie meist in
tausend Laster und Schwierigkeiten und schließlich nur
allzu oft in die ewige Verdammnis geraten. Damit
indessen der Ruf Gottes nicht vergebens an Sie ergangen
sei, und damit Sie noch mehr Licht empfangen über den
Stand, den Sie zu wählen haben, um nach aller
Möglichkeit der unendlichen Barmherzigkeit zu
entsprechen, die Sie zu Ihrer vollkommenen Liebe
hinführen will, rate ich Ihnen für die Nächsten drei
Monate folgende Übungen vorzunehmen.
Fürs erste versagen Sie sich einige Bequemlichkeiten,
die Sie sich sonst wohl gestatten könnten, ohne Gott zu
beleidigen. Stehen Sie täglich um sechs Uhr auf, mögen
Sie nun gut oder schlecht geschlafen haben; nur im Falle
wirklicher Krankheit dürfen und müssen Sie auf Ihren
Zustand gebührende Rücksicht nehmen. Um an den Freitagen
ein übriges zu tun, erheben Sie sich schon um fünf Uhr.
Auf diese Weise werden Sie zugleich mehr Zeit für das
Gebet und die Lesung gewinnen.
Gewöhnen Sie sich ferner, jeden Tag vor oder nach der
Betrachtung mit ausgespannten Armen fünfzehn Vaterunser
und Ave Maria zu beten.
Außerdem verzichten Sie auf die Freuden der Tafel, indem
Sie von den Speisen, die auf den Tisch kommen, gerade
diejenigen wählen, die Ihnen am wenigsten zusagen,
wofern sie nur der Gesundheit nicht nachteilig sind, und
sich dafür diejenigen versagen, welche Ihnen die
liebsten sind.
Auch möchte ich, dass Sie einige Male in der Woche
unausgekleidet schliefen (schlafen).
Diese kleinen und unbedeutenden Abtötungen haben einen
doppelten Zweck: einmal wird dadurch Ihr Geist desto
eher das nötige Licht empfangen, um Ihre Wahl zu
treffen; und es ist merkwürdig, wie bei übrigens guter
und kräftiger Gesundheit die Kasteiung des Körpers den
Geist zu erheben vermag. Dann aber ist es zugleich eine
Probe, inwieweit Sie sich einer harten Lebensweise
unterwerfen können und inwieweit eine solche Ihnen
widerstrebt. Ein solcher Versuch ist notwendig, um die
in Ihrem Herzen rege gewordene Neigung, sich von der
Welt zurückzuziehen, zu erproben. Wenn Sie in dem
Wenigen, was ich Ihnen zumute, getreu gewesen sind, wird
man beurteilen können, wie Sie sich stellen werden zu
dem Vielen, was im Kloster gefordert wird.
Bitten Sie den Herrn inständigst um Erleuchtung und
wiederholen Sie oft das Wort des hl. Paulus: „Herr, was
willst du, dass ich tun soll? – Domine, quid me vis
facere? (Apg. 9, 6.) und das Gebet Davids: Doce me
facere voluntatem tuam, quia Deus meus es tu (Lehre mich
deinen Willen vollbringen; denn mein Gott bist du: Ps.
142, 10.); besonders wenn Sie in der Nacht aufwachen, so
benutzen Sie die Zeit, um allein mit Gott sich über Ihre
Berufswahl zu unterhalten; beteuern Sie häufig vor
seiner Majestät, dass Sie alles ihm anheimgeben, jeden
Augenblick Ihres Lebens ihm zur Verfügung stellen
wollen: er möge darüber bestimmen nach seinem
Wohlgefallen.
Unterlassen Sie nie das Morgen- und Abendgebet, und
ziehen sich womöglich vor dem Nachtessen etwas zurück,
um Ihr Herz zu Gott zu erheben.
Zur Erholung wählen Sie anstrengende Übungen, wie
Reiten, Springen und dergleichen; vermeiden aber
weichliche Unterhaltungen, wie Kartenspiel und Tanz. Tut
es Ihnen bisweilen leid um das Lob, das Ihnen die
Geschicklichkeit in derartigen Dingen eintrug, ach, so
sprechen Sie: Was nutzt mir alles dieses für die
Ewigkeit?
Kommunizieren Sie jeden Sonntag und flehen immer dabei
um die Ihnen nötige Erleuchtung; an den bevorstehenden
Festtagen können Sie als besondere Übung die Kirchen der
Kapuziner, der Zisterzienser und der Kartäuser besuchen.
Möge Ihnen Gott seinen Frieden, seine Gnade, sein Licht
und seinen heiligen Trost verleihen!
Fühlen Sie den Zug zum Klosterleben in sich erstarken
und drängt Sie Ihr Herz dazu, so sprechen Sie darüber
mit Ihrem Beichtvater. Ist aber Ihr Entschluss gefasst,
so suchen Sie den Großvater allmählich auf die Trennung
von Ihnen vorzubereiten, damit nicht das Kloster,
sondern Sie allein Unwille und Tadel zu tragen haben.
„Wie gut ist Gott gegen sein Israel, wie gut gegen die,
so rechten Herzens sind!” (Ps. 72, 1.)
Betrachtungen für eine Person, welche Beruf zum Kloster
in sich fühlt.
Erwägen Sie zunächst, dass unser Herr, obwohl er seine
Geschöpfe zu jeglicher Art von Dienst und Gehorsam hätte
verpflichten können, dies dennoch nicht tun wollte,
sondern sich begnügte, von uns die Befolgung seiner
Gebote zu fordern. Hätte er befohlen, dass wir unser
ganzes Leben lang fasteten, dass wir samt und sonders
das Leben von Einsiedlern, Kartäusern oder Kapuzinern
führten, so würde selbst das wie nichts gewesen sein
gegen die großen Verpflichtungen, die wir gegen ihn
haben. Nichtsdestoweniger will er zufrieden sein, wenn
mir nur seine Gebote beobachten.
Erwägen Sie zweitens, wenn er uns auch zu einem höheren
Dienste nicht verpflichtet hat, als wir ihm leisten
durch Befolgung seiner Gebote, so hat er uns doch
eingeladen und angeraten, ein ganz vollkommenes Leben zu
führen und allen Eitelkeiten und Lüsten der Welt
gänzlich zu entsagen.
Erwägen Sie drittens: mögen Sie in Befolgung der Räte
unseres Herrn eine mehr eingeschränkte Lebensweise
wählen oder auf dem gewöhnlichen Lebenswege sich halten,
indem Sie einfach die Gebote Gottes erfüllen, auf alle
Fälle werden Sie mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen
haben. Ziehen wir uns von der Welt zurück, so wird es
uns Mühe kosten, unsere Begierden stets im Zaume zu
halten, uns selbst zu verleugnen, dem Eigenwillen zu
entsagen und in vollkommener Unterwerfung unter die
Gesetze des Gehorsams, der Keuschheit und der Armut zu
leben. Bleiben wir aber auf dem gewöhnlichen Wege, so
müssen wir uns unaufhörlich damit abplagen, die uns
umgebende Welt zu bekämpfen, den zahllosen Gelegenheiten
zur Sünde zu widerstehen, um bei so vielen Stürmen mit
unserem Schifflein nicht zu scheitern.
Erwägen Sie viertens, dass wir, wenn wir fern von der
Welt Gott treu dienen, uns in diesem wie im künftigen
Leben tausendfältigen Trostes zu erfreuen haben.
In dem einen Gedanken, alles für Gott verlassen zu
haben, liegt allein mehr Befriedigung, als tausend
Welten zu bieten vermögen. Unter der Leitung des
Gehorsams zu stehen, hinter den Schranken der Satzungen
geborgen und gegen so viele Fallstricke gesichert zu
sein, ist ein unbeschreiblich süßes Gefühl; nicht zu
reden von dem Frieden und der Ruhe, die man im Kloster
findet, von der Wonne, Tag und Nacht nur mit Gebet und
anderen göttlichen Dingen beschäftigt zu sein, und von
ähnlichen Freuden, wie sie das Ordensleben bietet. Was
aber andererseits das gewöhnliche Leben angeht, so hat
auch dieses seine Vorzüge: die Freiheit, die
Gelegenheit, Gott in der mannigfaltigsten Weise zu
dienen, die Bequemlichkeit, nur an die Gebote Gottes
gebunden zu sein, und was dergleichen mehr ist.
Endlich aber sprechen Sie zu Gott: O mein Herr, in
welchem Stande soll ich dir dienen? Ach, meine Seele,
treu wirst du bleiben, wohin dein Gott dich auch ruft.
Aber welcher Weg wird der beste für dich sein? Prüfen
Sie dann Ihre Seele, ob sie nicht nach der einen Seite
sich mehr hinneigt als nach der anderen. Haben Sie eine
solche Vorneigung bei sich gefunden, so fassen Sie immer
noch keinen Entschluss, sondern warten ab, bis man Ihnen
sagt, dass es Zeit dazu ist.
Fernere Erwägungen.
Denken Sie sich den hl. Joseph, wie er mit der ihrer
Niederkunft nahen heiligen Jungfrau in Bethlehem
ankommt, wie er von Haus zu Haus um ein Unterkommen
bittet, aber niemand findet, der sie aufnehmen will. O
Gott, wie verachtet und verschmäht doch die Welt solche
himmlische und heilige Leute, und wie bereitwillig
nehmen die heiligen Seelen diese schnöde Behandlung hin!
Ohne sich dagegen aufzuwerfen, ohne auf Grund ihres
hohen Ranges eine Gegenvorstellung zu machen, ertragen
sie mit unvergleichlicher Sanftmut jede Abweisung, jede
Härte. Ach, wie bin ich dagegen so erbärmlich: der
geringste Verstoß gegen die Ehrerbietung, welcher in
Wirklichkeit oder in meiner Einbildung mich trifft,
bringt mich in Unruhe und Aufregung und reizt mein
Selbstgefühl und meinen Stolz; überall dränge ich mich
mit aller Gewalt an die Spitze. Ach, wann werde ich die
Tugend erringen, mich selbst und alle Eitelkeit zu
verachten?
Betrachten Sie, wie der hl. Joseph und unsere liebe Frau
den Eingang zu der Grotte betreten, die mitunter den
Reisenden als Stallung diente, jetzt aber Zeugin der
Geburt des Erlösers werden soll. Wo bleiben da die
stolzen Paläste, welche der Ehrgeiz der Welt als
Wohnungen für erbärmliche und nichtswürdige Sünder
erbaut? O welche Verachtung irdischer Große hat uns der
göttliche Heiland gelehrt! Wie glücklich sind jene,
welche heilige Einfachheit und Beschränkung zu lieben
verstehen! O ich Elender! Paläste verlange ich, und bin
damit noch nicht zufrieden, und vor mir liegt mein
Erlöser unter einem durchlöcherten Dache auf Heu
kärglich und elend gebettet!
Betrachten Sie das neugeborene Kindlein, wie es, in
ärmliche Lumpen gehüllt, zitternd vor Frost in der
Krippe liegt. Ach, wie ist alles zum Erbarmen; so gering
und so niedrig bei seiner Geburt! Wie sind wir dagegen
so verzärtelt, so abhängig von unseren Bequemlichkeiten,
so begierig nach Sinnengenuss! Es ist dringend
notwendig, in uns die Verachtung der Welt und den Wunsch
zu erwecken, für unseren Heiland Verachtung,
Unbequemlichkeit, Armut und Entbehrung zu leiden.
Sind Sie noch manchmal bei vorübergehenden
Unpässlichkeiten etwas wunderlich, so wird mit der Zeit
sich auch das machen. Der menschliche Geist macht, ohne
dass wir es merken, so viele Winkelzüge, dass wir uns
nicht wundern können, wenn ihm so etwas nicht schmecken
will. Je weniger man aber sich diesem Missbehagen
überlässt, desto besser ist es.
2. Über
den Beruf zum Ordensstande.
Der echte Beruf ist nichts anderes als der feste und
standhafte Wille des Berufenen, Gott auf die Weise und
an den Orten zu dienen, wozu seine göttliche Majestät
uns berufen hat. Dies ist das beste Merkmal, woran man
erkennen kann, ob ein Beruf echt ist. Es ist durchaus
nicht erforderlich, dass eine solche Seele von
vornherein allen Anforderungen ihres Berufes genüge mit
einer von jedem Widerwillen, von jeder Unlust und
Schwierigkeit freien Festigkeit und Standhaftigkeit;
noch weniger braucht es eine Festigkeit und
Standhaftigkeit von der Art zu sein, dass sie jeden
Fehler ausschlösse oder dass niemals ein zweifelndes
Schwanken einträte in Betreff der Mittel und Wege, die
man einschlagen will, um zur Vollkommenheit zu gelangen;
müssen doch alle Menschen derartiges an sich erfahren,
sind doch alle den wechselnden, schwankenden Stimmungen
unterworfen, ohne dass man aber auf diese Regungen und
Zufälligkeiten hin sich ein festes Urteil bilden könnte;
wenn nur der Wille fest bei dem Entschlusse beharrt, von
dem einmal umfassten Gute nie wieder zu lassen, sollte
auch eine gewisse Unlust sich einstellen und die erste
Begeisterung nachlassen.
Es braucht daher, um ein Zeichen wahren Berufes zu
haben, keineswegs eine fühlbare Standhaftigkeit
vorhanden zu sein, sondern nur eine solche, die wirklich
zum Handeln führt. Um zu erfahren, ob es Gottes Wille
ist, dass man sich dem Ordensstande widme, darf man
nicht darauf warten, bis Gott in sinnlich vernehmbarer
Weise zu uns redet oder einen Engel vom Himmel sendet,
um uns seinen Willen kundzugeben; es bedarf eben keiner
besonderen Offenbarung über diese Frage. Auch braucht
man nicht zehn oder zwölf Doktoren der Sorbonne (Die bis
in die neuere Zeit hochberühmte Universität von Paris.),
um zu prüfen, ob die Eingebung eine gute oder böse ist,
und ob man derselben Folge leisten soll oder nicht;
sondern man hat nur die erste Anregung recht aufzunehmen
und derselben zu entsprechen, und soll nachher sich
nichts daraus machen, wenn auch die anfängliche Lust und
Begeisterung sich abkühlen sollte.
Denn wenn man stets festen Willens bleibt, ein Gut zu
erstreben, welches Gott uns vorhält, so wird er auch
nicht verfehlen, es uns zu seiner Ehre erreichen zu
lassen. Mag der äußere Anstoß zu dem Berufe herkommen,
woher er will, er ist genügend, wenn man nur zugleich
eine Inspiration oder einen Antrieb im Herzen empfunden
hat, das Gut zu erstreben, zu welchem man sich berufen
fühlt, und wenn man nur mit Festigkeit und
Standhaftigkeit bei diesem Streben beharrt trotz alles
sich etwa einstellenden Widerwillens und inneren
Sträubens.
Hier muss man nun liebreich den Seelen zu Hilfe kommen
und sie belehren, dass man sich nicht wundern darf über
einen derartigen Wechsel und Wandel der Stimmung; man
muss sie anfeuern, trotzdem fest zu bleiben und sich
wegen dieser Gemütsstimmungen keinen Kummer zu machen,
noch auch denselben besondere Beachtung zu schenken.
Vielmehr sollen sie sich zufrieden geben mit jenem
standhaften Willen, der ja trotz alledem die Hinneigung
zu dem anfänglichen Entschlusse nicht verloren hat; und
sollen nur darauf bedacht sein, diese Neigung recht in
sich zu bestärken und der ersten Anregung wohl zu
entsprechen, ohne Rücksicht darauf, von welcher Seite
sie kommen mag. Gott hat ja mehrfache Mittel, seine
Diener und Dienerinnen zu seinem Dienste zu berufen;
bald bedient er sich dazu der Predigt, bald der Lesung
guter Bücher, bald der Leiden, Unglücksfälle, Trübsale
und Widerwärtigkeiten, die uns treffen; bald ist es die
Welt, die uns Anlass gibt, uns über sie zu ärgern und
uns von ihr abzuwenden. Alle diese Anlässe haben Gott
große Diener und Dienerinnen zugeführt.
Andere kommen ins Kloster wegen natürlicher Gebrechen
des Körpers, weil sie hinkend, schielend oder sonst
hässlich sind; andere werden von ihren Eltern
hineingebracht, welche durch diese Entlastung ihre
übrigen Kinder emporbringen wollen. Gleichwohl zeigt
Gott sehr häufig die Größe seiner Milde und Erbarmung
gerade dadurch, dass er, ungeachtet jener durchaus nicht
zu billigenden Beweggründe, aus solchen Personen große
Diener seiner göttlichen Majestät macht.
Kurz, er ladet zu seinem Festmahle die Lahmen und
Blinden, um uns zu zeigen, dass leibliche Augen und
Beine uns nichts helfen können auf dem Wege zum
Paradiese. Schon manche, die auf diese Weise ins Kloster
gekommen sind, haben viel Frucht gebracht und treu in
ihrem Berufe ausgeharrt; während andere, die recht
berufen waren, trotzdem nicht ausharrten, sondern nach
kurzem Verweilen alles im Stich ließen. Ein Beispiel
davon haben wir an Judas, an dessen wahrem Berufe wir
nicht zweifeln können, da der Herr selbst ihn gleich den
übrigen auserwählt und berufen hatte; und er konnte doch
bei seiner Wahl sich nicht täuschen, weil er die Gabe
der Unterscheidung der Geister besaß.
So viel steht fest, wenn Gott nach seiner Weisheit und
Vorsicht jemand beruft, so übernimmt er auch die
Verpflichtung, einem solchen alle jene Hilfe zu
gewähren, die erforderlich ist, um ihn in seinem Berufe
vollkommen zu machen. Beruft er einen zum Christentum,
so macht er sich anheischig (verpflichtet sich / geht
daran), ihm alles zu gewähren, was ihn zu einem
guten Christen machen kann. Ebenso, wenn er jemand zum
priesterlichen oder zum bischöflichen Amte oder zum
Ordensstande beruft, verpflichtet er sich zugleich, ihm
alle Hilfsmittel zu gewähren, um in seinem Berufe
vollkommen zu werden.
Dessenungeachtet dürfen wir nicht glauben, wir seien es,
die ihn hierzu verpflichten, indem wir den Priester-
oder Ordensstand ergreifen. Den Herrn kann man sich nur
in ähnlicher Weise verpflichten, wie wenn jemand aus
freien Stücken sich eine Verpflichtung auferlegt; wir
können es nur, indem wir auf seine unendliche Güte und
Barmherzigkeit rechnen. Wenn ich demnach mich dem
Ordensstande widme, so ist der Herr schuldig, mir alles
an die Hand zu geben, was ich nötig habe, um eine gute
Ordensperson zu werden; es ist dies aber keineswegs eine
Pflicht für ihn, sondern er ist dazu nur durch seine
Barmherzigkeit und gütige Vorsehung verbunden. Wirklich
lässt es die göttliche Majestät in solchen Fällen
niemals an ihrer besonderen Fürsorge fehlen.
Und damit wir umso fester daran glauben, hat sie sich in
der Art dazu verpflichtet, dass niemals der Wahn
entstehen kann, an ihr liege die Schuld, wenn wir in
einem solchen Stande unser Ziel nicht erreichen. Ja,
Gott gewährt sogar manchmal die nämliche Stütze und
Hilfe jenen, die er nicht berufen hat; so groß ist seine
Barmherzigkeit und Freigebigkeit.
Erfüllt er nun zwar auch alle nötigen Vorbedingungen,
dass wir vollkommen werden können in dem Stande, wozu er
uns berufen hat, so ist doch damit nicht gesagt, dass er
sie alle auf einmal erfüllt, so dass die von ihm
Berufenen schon gleich beim Eintritt vollkommen in ihrem
Berufe wären; denn dann würde man die Orden nicht als
Spitäler bezeichnen können, wie das im Altertum geschah,
wo man die Mönche in griechischer Sprache Therapeuten,
d. h. Ärzte, nannte, weil sie gleichsam in Spitälern
sich befinden, wo einer den anderen heilen soll. Man
darf also nicht glauben, durch den Eintritt in den Orden
werde man mit einem Schlage in einen vollkommenen
Menschen umgewandelt; wohl aber geht man ins Kloster, um
dort nach der Vollkommenheit zu streben.
Es sind daher keineswegs immer die Kopfhänger, die
Tränenreichen, die Seufzenden, die am meisten Beruf
haben; noch auch solche, die unserem Herrgott die Füße
abbeten (Ni ceux qui mangent plus de crucifix.), fast in
der Kirche wohnen bleiben und stets in den
Krankenhäusern sind; noch auch jene, die mit großem
Eifer anfangen. Weder auf die Tränen, noch auf die
Seufzer noch überhaupt auf das äußerliche Gebaren darf
man achten, um die wahrhaft Berufenen herauszufinden.
Diejenigen vielmehr sind es, die den festen und
standhaften Willen haben, geheilt zu werden, und die
daher gewissenhaft bemüht sind, die Gesundheit der Seele
zu erlangen. Auch darf man es nicht für ein Zeichen
wahren Berufes halten, wenn einer in seinem Übereifer es
sich an seinem Berufe nicht genügen lässt und sich mit
hochfliegenden Wünschen trägt, die in der Regel ohne
allen Erfolg nur den Nimbus (Ruf) einer größeren
Heiligkeit des Lebens um ihn verbreiten sollen; denn
während man seine Zeit damit verliert, meist nichtigen
Phantasiegebilden nachzujagen, unterlässt man das, was
uns zur Vollkommenheit in dem Stande führen könnte, den
man einmal ergriffen hat.
3. Das
Kloster ein Krankenhaus für die Seelen.
An eine Nonne.
Den 9. September 1619.
Teure Tochter! Seit ich einen Einblick in Ihr Herz
gewonnen habe, liebe ich dasselbe und empfehle es Gott
von ganzer Seele, indem ich zugleich Sie dringend bitte,
ja recht Sorge für dasselbe zu tragen. Trachten Sie,
meine Tochter, es in Frieden zu erhalten und stets
gleich gut aufgelegt zu sein. Ich sage nicht: Halten Sie
es im Frieden, sondern nur: Trachten Sie danach; es sei
dies Ihre Hauptsorge. Hüten Sie sich übrigens auch, um
deswillen in Verwirrung zu geraten, wenn es Ihnen nicht
gelingen will, immer auf der Stelle über jede üble Laune
Herr zu werden.
Wissen Sie, was das Kloster ist? es ist eine richtige
Korrektionsanstalt, wo jede Seele lernen muss, sich
bearbeiten, abhobeln und feilen zu lassen, damit sie
wohl zugerichtet und geglättet desto inniger und
unzertrennlicher mit Gottes Willen vereint und verbunden
werden könne. das unzweideutigste Zeichen der
Vollkommenheit ist es, wenn jemand gerne zurechtgewiesen
sein will. Denn solches ist die Hauptfrucht der Demut,
die uns erkennen lässt, dass wir dessen bedürfen.
Das Kloster ist ein Hospital für kranke Seelen, die
geheilt sein wollen und zu diesem Ende sich gerne
Aderlaß, Lanzette, Wundmesser, Sonde, Eisen und Feuer
sowie die bittersten Arzneien gefallen lassen. Dem
entsprechend nannte man in der ersten Zeit der Kirche
die Ordensleute mit einem Namen, der so viel bedeutete
als „Arzt” (θεραπεύτης = Therapeut).
O meine Tochter, seien wir recht auf unsere Heilung
bedacht und nehmen keine Rücksicht auf alle
Einwendungen, welche die Eigenliebe dagegen erheben
will. Fassen Sie vielmehr mit sanfter, liebenswürdiger
Festigkeit den Entschluss: Entweder sterben oder gesund
werden! Und da ich den Tod der Seele nicht mag, so will
ich ihre Genesung; und um zu genesen, will ich mir jede
Kur und jede Züchtigung gefallen lassen, ja ich will
sogar die Ärzte bitten, mir keine schmerzliche
Behandlung zu ersparen, die meiner Heilung dienlich sein
kann.
Noch sagt man von Ihnen, meine Tochter, Sie litten an
Gespensterfurcht. Gottes allwaltender Geist ist an allen
Orten, und ohne seinen Willen und seine Zulassung regt
sich kein Geist. Wie ein Küchlein (Küken) sind
Sie geborgen unter seinen Flügeln: was fürchten Sie
also? In meiner Jugend litt ich ebenfalls an dieser
Einbildung; und um mich davon frei zu machen, zwang ich
mich allmählich, allein, das Herz gewaffnet mit dem
Vertrauen aus Gott, an Orte zu gehen, wo meine
Einbildungskraft mir Furcht einflößte; und so habe ich
mich schließlich derart gestärkt, dass die Finsternis
und Einsamkeit der Nacht meine Freude ist gerade wegen
der Allgegenwart Gottes, deren man in nächtlichem
Alleinsein mehr nach Wunsch genießen kann.
Auch sind Sie ja von Gottes Engeln umgeben wie von einer
Schutzwache. „Die Wahrheit Gottes”, spricht der
Psalmist, „umgibt dich und deckt dich mit ihrem Schilde;
darum habe keine Furcht vor dem nächtlichen Schrecken.”
(Ps. 90, 5.) Diese Zuversicht werden Sie in demselben
Maße sich aneignen, wie die Gnade Gottes in Ihnen
wächst, denn die Gnade erzeugt das Vertrauen, und „das
Vertrauen lässt uns nicht zu Schanden werden“ (Röm. 5,
5.).
Gott sei immerdar in Ihrem Herzen, teure Tochter; er
herrsche darin in alle Ewigkeit! In seiner Liebe
verbleibe ich
Ihr u. s. w.
4.
Fühlt man Beruf zum Ordensstande, so soll man die
von Gott gesetzten SeeIenführer zu Rate ziehen.
Bleibt die Einladung Gottes vernehmbar trotz aller
äußeren Widersprüche, so ist das ein Zeichen des
Berufes.
An eine junge Dame.
Annecy, den 3. Juli 1613.
Mein Fräulein! Sie sind der Meinung, Ihr Vertrauen, sich
von der Welt zurückzuziehen, sei nicht nach Gottes
Willen, da dasselbe dem Willen derer entgegen ist, die
das Recht haben, Ihnen zu befehlen, und die Pflicht, Sie
zu leiten. Freilich, wenn diejenigen nicht einverstanden
sind, denen Gott das Recht gab und die Pflicht
auferlegte, Ihre Seele zu führen und in göttlichen
Dingen Ihnen zu befehlen, so haben Sie gewiss recht;
denn wenn Sie diesen gehorchen, können Sie nicht irre
gehen, wenn sie auch sich täuschen und Sie übel beraten
können, indem sie andere Rücksichten und nicht einzig
Ihr Heil und Ihren geistlichen Fortschritt im Auge
behalten. Meinen Sie aber jene, die der Herr uns in
häuslichen und zeitlichen Angelegenheiten zu Führern
gegeben hat, so irren Sie, wenn Sie sich ihnen
anvertrauen in Dingen, in welchen ihnen keine Autorität
über Sie zusteht. Müsste man in solchen Fällen auf die
Meinung der Eltern, auf Fleisch und Blut hören, so
würden sich wenige finden, die den Weg der
Vollkommenheit beträten. So viel über den ersten Punkt.
Ich sage zweitens: Da Sie nicht allein das Verlangen
hatten, die Welt zu verlassen, sondern letzteres auch
jetzt noch immer gerne täten, wenn diejenigen es
zuließen, die Sie bisher zurückhielten, so ist dies ein
offenbares Zeichen, dass Gott Sie im Kloster haben will,
da er ja ungeachtet all dieser Widersprüche seine innere
Einsprechung fortdauern lässt und Ihr Herz, berührt von
diesem Magnet, wiewohl durch irdische Hindernisse
gewaltsam abgelenkt, dennoch immer seine Richtung nach
dem leuchtenden Stern einhält. Denn was würde Ihr Herz
sprechen, wenn es ihm nicht verwehrt wäre? Würde es
Ihnen nicht sagen: Fliehen wir aus dem Weltgetümmel? Die
göttliche Einsprechung ist also noch vorhanden. Aber
weil es ihm verwehrt ist, kann oder vermag es nicht zu
reden. Geben Sie ihm die Freiheit wieder, ehe es reden
kann; aber deutlicher könnte es am Ende doch nicht
reden. Ja, dieses geheime Wort, welches leise in Ihrem
Herzen spricht: „es drängt, es verlangt mich fort aus
der Welt“, es ist wahrhaft Gottes Stimme.
Es ist unrecht von Ihnen – verzeihen Sie meine
offenherzige, freimütige Sprache –, wirklich unrecht,
wenn Sie die Hindernisse, welche der Ausführung dieser
Einsprechung in den Weg treten, als den Willen Gottes,
und die Macht derer, die Sie daran hindern, als Gottes
Macht bezeichnen.
Drittens geht mein Gutachten dahin, dass bei Ihnen das
Für und Wider in dieser Frage vor Gott sich keineswegs
die Waage hält. Denn das Verlangen nach dem Kloster,
welches er Ihnen gegeben hat, behauptet sich fortwährend
in Ihrem Herzen, wenngleich es an seiner Befriedigung
sich gehindert sieht. Das Zünglein der Waage in Ihrem
Geiste neigt sich sichtlich nach dieser Seite hin,
obgleich man gewaltsam die andere Waagschale
niederdrückt, um ein richtiges Abwägen zu hintertreiben.
Sollte viertens Ihr anfängliches Verlangen sich mit
einer gewissen Übertriebenheit geltend gemacht haben, so
muss es gemäßigt, nicht aber gänzlich über Bord geworfen
werden. Man hat mir zu verstehen gegeben, Sie hätten die
Hälfte Ihres Vermögens oder doch den Kaufpreis dieses
nunmehr Gott geweihten Hauses angeboten. Es dürfte dies
wohl zu viel gewesen sein in Betracht des Umstandes,
dass Sie eine Schwester mit zahlreicher Familie haben,
welcher Sie nach den Regeln einer wohlgeordneten
Nächstenliebe doch eher Ihr Vermögen zuwenden müssten.
Wohlan also, vermeiden Sie jene Übertreibung, und
bringen Sie einen Teil Ihrer Einkünfte ins Kloster mit,
so viel als zu einem bescheidenen Leben erforderlich
ist, und überlassen alles andere, wenn Sie wollen, oder
behalten sich auch vor, für Ihren Todesfall selbst über
den obgemeldeten Teil zu Gunsten derer zu verfügen,
denen Sie Gutes tun wollen. Auf diese Weise meiden Sie
die Ausschreitung und bleiben bei Ihrem Entschlüsse; und
alles geht dann freudig und leicht und heilig
vonstatten.
Kurz, fassen Sie sich ein Herz und treffen rasch eine
gute Entscheidung. Ist es auch nicht gerade Sünde,
länger in diesem schwächlichen Schwanken zu bleiben, so
geht Ihnen doch zweifelsohne viel Zeit verloren, die
Ihnen viel Fortschritt und höchst begehrenswerte
Tröstungen einbringen könnte.
Ich wollte Ihnen in aller Vertraulichkeit Aufschluss
geben über meine Ansicht in dieser Frage, in der
Hoffnung, Sie würden die Güte haben, solches nicht übel
zu deuten. Möge Ihnen Gott die heiligen Segnungen
erteilen, die ich Ihnen wünsche, und namentlich jene
sanfte Willfährigkeit, die er von Ihrem Herzen begehrt.
Um seinetwillen verbleibe ich
Ihr aufrichtig ergebener u. s. w.
5. Kloster und Welt.
An die Schwestern von der Heimsuchung zu Annecy.
Grenoble, den 1. April 1616.
Wäre es meinem Geiste wohl möglich, die Kinder seines
Herzens zu vergessen? Nein, meine teuren Töchter, meine
Herzensfreude und meine Krone, Ihr wisst es wohl, ich
bin dessen versichert; und Euer Herz wird Euch wohl
bereits an meiner Statt die Frage beantwortet haben,
weshalb ich Euch bis jetzt nicht geschrieben habe. Es
ist nur darum unterblieben, weil ich mir wohl bewusst
war, wenn ich an unsere einzige, gute Mutter schrieb, so
seien meine Worte ebensowohl an Euch gerichtet, weil Ihr
ja mit ihr ein Herz eine Seele seid, und überdies die
heilige Liebe, welche wir zu Euch tragen, mit so großen
Buchstaben, däucht (dünkt) mir, uns ins Herz
geschrieben ist, dass man schwer von Annecy bis hierher
unsere Gedanken darin lesen könnte.
Ich befinde mich hier etwas mehr im Weltgetümmel als zu
Hause bei Euch; und je mehr ich sehe von dieser
erbärmlichen Welt, desto mehr ist sie mir zuwider; und
ich glaube, ich könnte nicht in ihr leben, wenn der
Gedanke, einigen guten Seelen zur Förderung ihres Heiles
dienen zu können, es mir nicht einigermaßen erträglich
machte.
Ach Gott, meine teuren Kinder, wie viel glücklicher
schätze ich die Bienen, die ihren Stock nur verlassen,
um den Honig zu sammeln, dessen Bereitung ihre einzige
Sorge ist, und deren ganzer klösterlicher Haushalt in
wohlgeordneter Geschäftigkeit sich einzig verlegt auf
die Herstellung von duftendem Wachs und Honig!
Wie viel glücklicher sind sie nicht als diese Wespen und
Fliegen, die in ihrer Ungebundenheit umherschweifen und
lieber bei unreinen als anständigen Gegenständen
verweilen, die nur zu leben scheinen, um die übrigen
Geschöpfe zu belästigen und zu peinigen, während sie
selbst in ewiger Unruhe und unnützer Geschäftigkeit sich
aufreiben.
Allenthalben streifen sie umher, alles suchen sie ab, an
allem nagen und naschen sie, solange ihr Sommer und
Herbst andauert; ist aber der Winter gekommen, so stehen
sie da ohne Obdach, ohne Vorrat, ohne Lebensmittel;
dagegen haben unsere keuschen Bienen nur mit den
schönen, wohlriechenden, süßen Blumen zu tun, an denen
sich Gesicht, Geruch und Geschmack erlaben nach
Herzenslust; sie besitzen, abgesehen von dem Adel ihrer
Tätigkeit, noch dazu eine traute Heimstätte, ein
freundliches Obdach und ein sorgloses Leben mitten unter
den Errungenschaften ihrer überstandenen Arbeit.
So finden auch diese liebenden Seelen, die dem Heilande
in unserem Evangelium folgen bis zu jener Höhe in der
Wüste (Der Heilige schrieb diesen Brief am vierten
Fastensonntag, wo das Evangelium von der wunderbaren
Speisung der Fünftausend verlesen wird: Joh. 6.), dort
ein köstlicheres Mahl auf dem blumigen Rasen, als es
jemals den Gästen geboten wurde, die an des Assuerus (siehe:
Esther 2, 18) prunkendem Mahle teilnahmen, wo der
Überfluss den Genuss erstickte, und die übergroße Menge
der Speisen wie der Menschen keine rechte Freude
aufkommen ließ.
Seid heiteren Sinnes bei Euren heiligen Beschäftigungen,
meine Töchter! Ist Nebelwetter, senken sich Trockenheit
und Verödung des Geistes auf Euch nieder, so beschäftigt
Euch drinnen im Herzen mit Übungen der heiligen Demut
und Selbsterniedrigung; ist das Wetter schön, klar und
sonnig, so eilet hinaus und macht Eure geistlichen
Honigfahrten nach dem Kalvarien- und Ölberge, nach Sion
und dem Tabor. Von der Anhöhe in der Wüste, wo der
Heiland heute die Schar seiner Jünger speist, schwingt
Euch auf bis zu des Himmels ewigen Bergen und betrachtet
die unendlichen Wonnen, die Euch dort zubereitet sind.
Ach wie glücklich sind meine vielgeliebten Töchter, dass
sie einige Jahre der falschen Weltfreiheit geopfert
haben, um immerdar jener ersehnten Knechtschaft zu
genießen, die keiner anderen Freiheit beraubt ist als
nur jener, die uns hindert, wahrhaft frei zu sein.
Gott segne Euch, meine lieben Kinder; er lasse Euch von
Tag zu Tag fortschreiten in der Liebe zu seiner heiligen
Ewigkeit, in welcher wir seiner unendlichen Hulderweise
uns zu erfreuen hoffen, zum Lohne für diese geringe aber
wahrhafte Treue, welche wir in dieser kurzen Spanne
Zeit, die wir das Leben nennen, ihm mit Hilfe seiner
Gnade bewahren wollen. Die Liebe des Vaters, des Sohnes
und des Heiligen Geistes sei allezeit in Euren Herzen
und das Mutterherz Unserer Iieben Frau sei für immer
unsere Zuflucht! Amen.
Mit der Hilfe Gottes konnte ich Euch, fast ohne zu
atmen, in einem Zuge diese vier Wörtchen schreiben,
meine teuren Töchter, die Ihr wie die Blumen zu einem
Strauße zusammengefügt, die Freude jener Mutter der
Blume Jesses (Der hl. Maria, „die Blume, die aus der
Wurzel des Jesse aufgeblüht ist". Jesse = Vater von
David. Jesse-Baum, siehe: Jes. 11,1) seid, welche
selbst die Blüte der Mütter ist. Ach, Herr, möget Ihr
ein Wohlgeruch der Lieblichkeit sein! Amen.
Es lebe Jesus indem ich bin
Euer u. s. w.
6.
Ratschläge in Betreff der Berufswahl.
An Fräulein von Frouville in Paris.
Den 31. Mai 1620.
Wohlan, meine teure Tochter, im Namen Gottes, es ist die
Wahrheit, der Herr will es, dass Sie mit rückhaltlosem
Vertrauen über mich verfügen in allen Dingen, welche
sich auf das Heil Ihrer Seele beziehen, die deshalb
durch seine himmlische Liebe mir so überaus lieb und
wert geworden ist.
So sind Sie denn also glücklich aus dieser
verdrießlichen Geschichte heraus, meine liebe Tochter,
und haben Ihre ganze Freiheit wieder. Gottes ewige
Vorsehung war es, die sie Ihnen wiedergab; Sie wissen
es; preisen Sie also aus tiefstem Herzensgrund diese
göttliche Güte! Ich will sie mit Ihnen preisen und in
diesem Sinne das heilige Opfer feiern, welches ich auf
ihren heiligen Altären darbringe. Einen größeren Dank
vermag ich ja der göttlichen Majestät nicht
darzubringen, als indem ich ihr denjenigen aufopfere,
für den und durch den ihr alles wohlgefällig wird im
Himmel und auf Erden.
Doch, meine Tochter, was fangen wir jetzt an mit der
Freiheit, die wir nun wieder haben? Ohne Bedenken wollen
wir sie ganz dem zum Opfer bringen, von dem wir sie
haben. Denn der Entschluss steht ja unerschütterlich
fest, dass wir ohne Vorbehalt, ohne auch nur einen
einzigen Augenblick unseres Lebens auszunehmen, einzig
für den leben wollen, der am Kreuze sterben wollte, um
uns das wahre Leben zu geben.
Wie aber soll das geschehen? In welcher Lebensstellung,
in welchem Stande?
In Ihrem gegenwärtigen Stande zu verbleiben, wäre
scheinbar das leichteste, aber in Wahrheit das
schwierigste. Diese Parsiser Welt, wie sie übrigens mehr
oder weniger in ganz Frankreich ist, würde Ihnen nicht
gestatten, jenen Mittelstandpunkt zu behaupten. Man
würde nicht aufhören, mit Gewalt Sie über die Schranken
hinauszulocken, welche Sie durch Ihren Entschluss sich
gezogen haben; und sich versprechen wollen, ein solcher
Entschluss werde stets so fest bleiben, dass er durchaus
nicht erschüttert oder gar über den Haufen geworfen
werden könne, hieße sich ein wahres Wunder versprechen
bei so jugendlichem Alter, bei so vielen äußeren
Vorzügen, unter so schlauen Anwälten und
Geschäftsführern, mit welchen die Welt und ihre Klugheit
Sie umstellen wird, die ohne Erbarmen und ohne Unterlass
bald von dieser, bald von jener Seite Ihre Ruhe
bestürmen, und am Ende durch ihre Zudringlichkeit, List
und Täuschungen auch ihren Zweck erreichen und Ihren
Widerstand brechen werden.
Ich sehe wohl, ich brauche über diesen Punkt keine
weiteren Worte zu verlieren; Sie gestehen selbst zu,
dass ich recht habe, und dass es ein Ding der
Unmöglichkeit ist. Es bleibt also nur noch in Betracht
zu ziehen entweder der Ehe- oder der Ordensstand.
Indessen, meine geliebteste Tochter, bedürfte es keiner
außerordentlichen Erleuchtung, um Ihnen raten zu können,
für welchen dieser beiden Stände Sie sich entscheiden
sollen. Denn nach Ihrer klaren Darstellung und gemäß dem
Urteile, welches ich mir aus Ihren vertrauten mündlichen
Mitteilungen über Ihre Seele gebildet habe, rührt Ihre
antipathische Stimmung gegen den Ehestand von zwei
Ursachen her, von denen eine allein schon genügen würde,
Sie zu dem Entschlusse zu führen, nicht in diesen Stand
einzutreten, nämlich eine starke Abneigung, ein
förmlicher Ekel, ein äußerst heftiger Widerwille
dagegen.
O meine Tochter, das ist übergenug, wir brauchen nicht
weiter darüber zu reden. Ach, selbst jene Seelen, welche
eine entschiedene Vorneigung zum Ehestande haben und es
noch so glücklich damit treffen, finden dennoch in
demselben so zahlreiche Anlässe, Geduld und Abtötung zu
üben, dass sie kaum die Bürde zu tragen vermögen. Wie
werden erst Sie dieselbe tragen können, wenn Sie mit so
gänzlich widerstrebendem Herzen in diesen Stand
eintreten? Im ersteren Falle sah ich hundertmal, dass
Eheleute Erleichterung fanden in ihren Beschwerden, in
dem letzteren niemals.
Als einst die Apostel den Herrn von der Unauflösbarkeit
des Ehebundes hatten reden hören, sprachen sie zu ihm:
„Herr, wenn es also steht, dann ist nicht gut heiraten.”
Und unser Heiland, ihrer Meinung beipflichtend, sprach:
„Nicht alle fassen dieses Wort; wer es fassen kann, der
fasse es.” (Matth. 19, 3 f.) Meine liebe Tochter, auch
ich, nachdem ich Sie über diesen Gegenstand habe
sprechen hören und Ihre brieflichen Mitteilungen darüber
gesehen habe, sage Ihnen: Fürwahr, meine Tochter, da es
so steht, so ist es nicht gut für Sie, zu heiraten.
Mögen auch nicht alle dieses Wort fassen, ergreifen und
sich aneignen, mögen nicht alle das Glück desselben
verstehen und sich zunutze machen, so können doch Sie,
meine geliebte Tochter, so bequem es haben, mit aller
Leichtigkeit dieses Glück erreichen und jenen Rat fassen
und verkosten.
Ich spreche dies übrigens mit umso größerer Zuversicht
aus, da ich in der Ehe für Sie noch viel größere
Gefahren erblicke als für andere, wegen des
anspruchsvollen Wesens, welches sich bei Ihnen
bemerklich macht. Es würde dasselbe in Ihrem Herzen ein
unablässiges Verlangen nach hohen Dingen hervorrufen,
und Sie würden fortwährend gleichsam in einem Meere von
Eitelkeit schwimmen.
Steht nun auch in dieser Beziehung Ihr Entschluss ohne
alles weitere Bedenken fest, so ist doch der weitere
Schritt ungleich schwerer, Ihnen nämlich zu sagen:
Gehen Sie also ins Kloster! Aber nichtsdestoweniger muss
es Ihnen mit aller Entschiedenheit gesagt werden, da
weder die öffentliche Sitte noch der Geschmack, wie sie
in Frankreich einmal sind, weder die Ansichten Ihrer
Eltern, noch Ihr jugendliches Alter, noch Ihre Gestalt
Ihnen gestatten würden, zu bleiben wie Sie sind. Ich
rufe Ihnen also mit aller Gewalt zu: Meine Tochter,
treten Sie in den Ordensstand! Indem ich Ihnen aber
dieses sage, empfinde ich in der Gewalt, mit welcher
Ihnen mein Wort gegenübertritt, eine geheimnisvolle
Süßigkeit, welche diese Gewalt nicht ferner gewaltsam,
sondern lieblich und wohltuend erscheinen lässt. So
nötigten auch die Engel den guten Lot, sein Weib und
seine Kinder, fassten sie bei der Hand und zogen sie mit
Gewalt aus der Stadt heraus (1 Mos. 19, 15 - 17.); aber
Lot findet keine Gewalttätigkeit in diesem Zwang,
sondern sagt, er sehe wohl, dass er Gnade vor ihnen
gefunden habe. Und unser Heiland gebietet in der Parabel
(Erzählung) seinem Diener: „Nötige sie herein zu
kommen.“ (Luk. 14, 23.) Und keiner von den
Hereingenötigten spricht: Lass mich, du tust mir wehe.
So fühle auch ich mich gedrungen und gezwungen, meiner
Tochter zu sagen: Treten Sie in den Ordensstand; aber
dieser Zwang verdrießt mein Herz in keiner Weise.
O meine Tochter, lassen Sie uns ein Wort vertraut
miteinander reden. Glauben Sie, Gott sehe bei einer
Berufung zum Ordensstande oder vielmehr zu der
vollkommenen Gottseligkeit immer nur auf die natürlichen
Anlagen und Herzensneigungen derer, die er beruft?
Sicherlich nicht, meine Tochter.
Das Ordensleben ist nicht ein natürliches Leben, es ist
etwas Übernatürliches; die Gnade ist nötig dazu, sie ist
die Seele desselben. Freilich zieht die höchste
Vorsehung manchmal die Natur zum Dienste der Gnade
heran; aber das ist noch lange nicht immer, ja selbst
nicht einmal besonders häufig der Fall.
Rief nicht der hl. Paulus klagend aus: „Das Gute, was
ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, was ich
nicht will, steckt in mir" (Röm. 7, 15.), d. h. in
meinem Fleische wohnt nicht das Gute; es zu wollen,
steht bei mir, aber nicht finde ich in mir die Kraft, es
zu vollbringen. Ach, ich armer, elender Mensch, der ich
bin, wer wird mich befreien von dem Leibe dieses Todes?
Die Gnade Gottes durch Jesus Christus! (Röm. 7, 24. 25.)
Mit anderen Worten: Gott sei Dank durch Jesus Christus!
Ich diene dem Gesetze Gottes in und mit meinem Geiste,
und doch zugleich dem Gesetze der Sünde in und mit
meinem Fleische. Der so sprechen konnte, sage ich,
zeigte doch wohl, dass seine Natur keineswegs der Gnade
dienstbar sein, und dass seine Neigungen gar nicht den
göttlichen Einsprechungen sich fügen mochten, und
dessenungeachtet war er einer der vollkommensten Diener,
welche Gott jemals auf dieser Welt hatte; und war am
Ende so glücklich, mit aller Wahrheit sagen zu können:
„Ich lebe, doch nicht mehr ich, sondern Christus lebt in
mir“ (Gal. 2, 20.), nachdem die Gnade sich seine Natur
unterworfen, die höheren Einsprechungen seine Neigungen
bezwungen hatten.
Meine Tochter, die Besorgnis, unvernünftigen Obern unter
die Hände zu kommen, sowie die übrigen Bedenken, welche
Sie mir gegenüber so offen aussprechen, werden alle wie
Nebel verschwinden vor dem Angesicht unseres
gekreuzigten Erlösers, den Sie an Ihr Herz schließen
werden; Ihr weltlicher Edelmut wird seine Stärke
verwandeln und sich veredeln zu dem Mute der Heiligen
und Engel. Sie werden Sie Albernheit weltlicher
Unterhaltungen erkennen und werden sie lächerlich
finden. Lieben werden Sie das Wort vom Kreuze, welches
den Heiden eine Torheit, den Juden ein Ärgernis war, und
welches uns, den Erlösten, höchste Weisheit und Gottes
Kraft und Tugend ist. (1 Kor. 1, 23. 24.)
Doch, meine Tochter, könnte mein so entschiedener und
anscheinend so strenger Rat eine bedeutende Milderung
finden. Sie sind reich; der zwanzigste oder vielleicht
hundertste Teil Ihres Vermögens würde ausreichen zur
Stiftung eines Klosters, wo Sie dann um Ihrer Wohltat
willen die vollkommenste Gelegenheit fänden, ferne von
dem Andrange der Welt, ein klostermäßiges Leben zu
führen, bis Gewöhnung, Betrachtung und höhere
Einsprechung Ihrem Herzen den Mut gäben, Ihrem
Entschlusse die Krone aufzusetzen und vollends
Klosterfrau zu werden. In dieser Weise würden Sie Ihre
Natur ganz fein hinters Licht führen und Ihr Herz recht
schlau erwischen. So wahr der Heiland lebt, dem ich
geweiht bin, dieser Rat hat nichts anderes im Auge als
Ihr Seelenheil, und verfolgt keinerlei Nebenabsichten
weder rechts noch links, als einzig Ihren Frieden und
Ihre Ruhe. Inzwischen beten Sie zu Gott, meine liebe
Tochter, verdemütigen Sie sich, geben Sie Ihrem Leben
die Richtung zur Ewigkeit, veredeln Sie Ihre Absichten,
läutern Sie Ihre Bestrebungen, denken Sie oft daran,
dass ein kleiner Gewinn an Liebe Gottes alle Beachtung
verdient, indem dadurch unsere Glorie für die ganze
Ewigkeit vermehrt wird. Kurz, Ihr Geist und alles, was
Gott getan hat, um Sie zu sich zu führen, sowie tausend
andere Erwägungen fordern Sie auf zu einem nicht
gewöhnlichen christlichen Edelsinn. Ich rate Ihnen,
haben Sie Vertrauen zu der guten Mutter von der
Heimsuchung (Der hl. Franziska v. Chantal, welche damals
in Paris war.), wie zu mir selbst; sie wird Ihnen
getreulich zu Dienste sein. Für immer und ohne Vorbehalt
Ihr ergebenster u. s. w.
7. Der Heilige beglückwünscht Fräulein v. Frouville
zu ihrer Treue gegen die Gnade.
Annecy, 9. August 1620.
Liebe Tochter! Eine unvergleichliche Wonne ist es für
mich, des Heiligen Geistes himmlische Wirkung zu
erblicken in Ihrem mutigen und hochherzigen Entschlusse,
sich aus der Welt zurückzuziehen. O wie weise haben Sie
gehandelt, indem Sie der übernatürlichen Weisheit
gefolgt sind, meine liebe Tochter! So liest man auch in
dem Evangelium des damaligen Festes (Mariä Heimsuchung,
2. Juli.), dass Maria eilends sich aufmachte in das
Gebirge von Judäa (Luk. 1, 39.). Diese Schnellbereitheit,
den Willen Gottes zu erfüllen, ist ein wirksames Mittel,
große und mächtige Gnaden herniederzuziehen zur
Fortsetzung und Vollendung eines jeden guten Werkes. Sie
sehen, meine liebe Tochter, nachdem die heftige
Erschütterung überstanden ist, wovon Ihr Herz ergriffen
wurde, als es mit Gewalt sich losriss von seinen
Empfindungen, Liebhabereien und Neigungen, um dem
höheren Zug folgen, fühlen Sie sich jetzt vollständig
getröstet und beruhigt in dem seligen Haine, dem Ihre
Seele zugeflogen ist, um darin für immer das Lob Ihres
Schöpfers und Erlösers zu singen (Fräulein v. Frouville
war bei den Schwestern von der Heimsuchung in Paris
eingetreten.). Erheben Sie übrigens, geliebte Tochter,
oftmals Ihre Gedanken zu jener ewigen Tröstung, welche
Ihnen im Himmel für Ihre Tat zuteil werden wird.
Freilich ist es nichts, was Sie taten, und ich sehe
wohl, dass auch Sie kein Aufhebens davon machen.
Wirklich ist es gar nichts im Vergleich zu dem, was Sie
Gott schulden, und zu jenem unsterblichen Lohne, den er
für Sie bereit hält. Denn was ist all der Quark (Topfen),
den wir um Gottes willen verachten und verlassen? Was
anderes als armselige, augenblickliche Freiheiten, bei
welchen man mehr allerlei Rücksichten unterworfen ist
als in der Sklaverei selbst; eine unaufhörliche Unruhe;
eitle Ansprüche an das Leben, die heute so, morgen
anders sich gestalten, nie befriedigt werden können und
unserem Geiste tausend Sorgen und unnütze Mühseligkeiten
verursacht hätten – und das alles für ein paar elende,
ungewisse, kurze und böse Tage!
Aber gleichwohl war es also der Wille Gottes, dass wer
diese Nichtigkeiten und eitlen Vergnügungen kurzer
Augenblicke hingibt, dafür eine Glorie ewiger
Glückseligkeit eintauscht, in welcher schon der eine
Gedanke, den Willen gehabt zu haben, Gott von ganzem
Herzen zu lieben und wirklich eine kleine Stufe höher in
der himmlischen Liebe gestiegen zu sein, uns in einen
Abgrund von Freude versenken wird.
In Wahrheit, meine liebe Tochter, ich würde mich wohl
gehütet haben, Ihnen zu sagen: Treten Sie Ihre Gefühle,
Ihre Bedenken, Ihre Befürchtungen und Abneigungen mit
Füßen, wenn ich nicht zu der Güte des himmlischen
Bräutigams das Vertrauen gehegt hätte, er werde Ihnen
Mut und Kraft geben, die Sache der höheren Eingebung und
der Vernunft durchzufechten gegen das Sträuben der
Natur.
Aber jetzt, meine liebe Tochter, muss ich Ihnen sagen,
Sie sind nun ganz glimpflich dahin gekommen, dass Sie
der Welt völlig abgestorben und die Welt in Ihnen
erstorben ist. Das ist aber erst ein Teil des Opfers;
zwei weitere Dinge bleiben noch zu tun übrig. Einerseits
nämlich haben Sie das Opferlamm noch zu enthäuten, d. h.
Ihr Herz seiner selbst zu entkleiden, indem Sie alle
jene kleinen Eindrücke abstreifen, welche die Natur und
Welt bei Ihnen zurückließen; andererseits Ihre
Eigenliebe zu Asche zu verbrennen, indem Sie Ihre liebe
Seele ganz in den Flammen der himmlischen Liebe aufgehen
lassen.
Indessen, meine innigst geliebte Tochter, ist das nicht
das Werk eines Tages; doch wird derjenige, der Ihnen die
Gnade zu dem ersten Schritte gegeben hat, Ihnen auch
helfen, die beiden noch übrigen zu tun; entweder werden
Sie, an der Hand seiner ganz väterlichen Liebe,
unmerklich dahin gelangen, oder wenn Sie es schmerzlich
empfinden, wird er Ihnen jenen Starkmut, ja jene
Freudigkeit verleihen, welche er dem Heiligen, dessen
Fest wir heute feiern, auf seinem glühenden Roste ins
Herz senkte (Am 10. August begeht die Kirche das Fest
des hl Laurentius.). Seien Sie daher ohne Sorge, „der
Ihnen das Wollen gegeben hat, wird Ihnen auch das
Vollbringen schenken“ (Phil. 2, 13.). „Seien Sie nur in
Wenigem getreu, so will er Sie über Vieles setzen.“ (Matth.
25, 21.)
Sie versprechen mir, meine liebe Tochter, wofern man
Ihnen es erlaubt, mir alle Begegnisse Ihrer glücklichen
Zurückgezogenheit mitzuteilen, und ich verspreche Ihnen,
dass man Ihnen diese Erlaubnis nicht versagen wird und
dass ich mit liebevollster Teilnahme Ihre Mitteilungen
entgegennehmen werde. Gott sei für immer gelobt,
gepriesen und verherrlicht, meine liebe Tochter, und ich
verbleibe in ihm und für ihn mit vorzüglicher
Ergebenheit
Ihr u. s. w.
P.s.: Der gute Kartäuser-Onkel wird gewiss recht
erfreut sein, wenn er erfährt, dass Sie im Kloster sind.
8. An Herrn v.
Frouville, nachdem derselbe seiner Tochter, an
welche die beiden vorhergehenden Briefe gerichtet sind,
erlaubt hatte, in das Kloster zu gehen.
Den 9. August 1620.
Mein Herr! Da ich weiß, ein wie großer Entschluss es für
Sie war, Ihre Einwilligung zu geben zu dem Weggang Ihrer
vielgeliebten Tochter, Fräulein v. Frouville, so kann
ich nicht umhin, mich von ganzem Herzen darüber zu
freuen als über eine Handlung, an der Gott sein
Wohlgefallen hat und wegen deren die Engel und Heiligen
der göttlichen Vorsehung sonderlich Lob sagen werden.
Ich weiß nämlich sehr wohl, dass diese Tochter Ihnen
über die Maßen teuer war, und dass Sie es nicht über
sich gebracht hätten, sie dem Willen Gottes hinzugeben,
wenn Sie nicht vorerst sich selbst vollkommen dem
Gehorsam gegen denselben überantwortet hätten, welcher
das höchste Glück ist, das man nur wünschen mag.
Eine frohe Ahnung sagt mir indessen, dass wegen dieses
heiligen Opfers, welches Sie Gott so edelmütig gebracht
haben, seine höchste, innigste Güte Sie mit denselben
Segnungen beglücken wird, welche Sie bei ähnlichem
Anlasse dem großen Patriarchen Abraham gewährt hat (1
Mos. 22, 17. 18.).
Darin besteht denn auch der Wunsch, den ich für Sie hege
und für Ihr ganzes Haus, dass der Herr seinen reichsten
Segen über Sie ausgieße und dass er Ihre
Nachkommenschaft vor allen Widerwärtigkeiten in Gnaden
beschirme.
Mit untertänigstem Gruße an Ew. Hochwohlgeboren und Ihre
Gesellschaftterin, Fräulein v. Interville, verbleibe
Ihr u. s.. w.
9. Der Heilige fordert eine junge Dame auf, der
Eingebung Gottes, sich ihm zu weihen, Folge zu leisten.
1619.
Mein Fräulein! Dem Versprechen, welches Sie von mir
forderten, komme ich getreulich nach. Ich bitte Gott, er
möge Ihnen seine heilige Kraft verleihen, um mutig alle
Bande zu zerreißen, welche Ihr Herz hindern, seinen
himmlischen Lockungen zu folgen. Mein Gott, es ist
wahrhaftig jammerschade, eine liebenswürdige Biene in
den hässlichen Geweben einer Spinne verstrickt zu sehen.
Wenn nun ein günstiger Wind dieses garstige Netz und
dieses ärgerliche Gespinst zerreißt, warum sollte die
liebe Biene diese Gelegenheit nicht benutzen, um sich
aus diesen Fallstricken zu befreien und hinzueilen,
süßen Honig zu bereiten?
Sie sehen, meine liebe Tochter, wie ich denke; zeigen
Sie nun auch dem Herrn, der Sie einladet, wie Sie
denken. Ich kann nicht anders, ich muss Ihre Seele
lieben, da ich weiß, wie gut sie ist, und muss ihr die
höchst begehrenswerte Liebe zur edelmütigen
Vervollkommnung wünschen, eingedenk der Tränen, die Ihre
Augen vergossen, als ich scheidend von Ihnen Ihr Herz
für Gott begehrte, und Sie, um Gott noch mehr
anzugehören, allem den Abschied gaben, was nicht für
Gott ist. Ich versichere Sie indessen, meine teure
Tochter, dass ich von ganzem Herzen verbleibe Ihr Diener
im Herrn.
10.
Der Heilige ermahnt eine junge Dame, trotz aller
Schwierigkeiten mit Ruhe des Augenblicks zu harren, wo
es ihr verstattet sein werde, ihrem Berufe zum Kloster
zu folgen.
Den 14. Dezember 1606.
Mein Fräulein! Es ist stets ein großer Trost für mich,
zu wissen, dass Ihr Herz in der Liebe zu unserem
Heilande voranschreitet, wie H. v. N. mir solches
versicherte, wiewohl er nur im allgemeinen darüber
sprach und des Näheren nur Ihres Verlangens Erwähnung
tat, Klosterfrau zu werden. Dieses Verlangen ist ohne
Zweifel ein gutes; aber Sie dürfen demselben nicht
gestatten, Sie zu beunruhigen, da Sie für den Augenblick
dasselbe noch nicht verwirklichen können. Will unser
Heiland, dass es dazu komme, so wird er Ihnen auch den
Weg dazu bahnen auf eine Weise, die ihm bekannt ist, die
wir aber noch nicht kennen.
Einstweilen suchen Sie in der rechten Art die Aufgabe zu
lösen, welche Ihnen für jetzt obliegt; das heißt: fahren
Sie fort, in aller Ruhe Ihre geistlichen Übungen zu
verrichten; übergeben Sie hundertmal des Tages Geist und
Herz in die Hände Gottes, indem Sie ihm mit allem
Vertrauen Ihr Leid empfehlen. Sehen Sie zu, was für
Gelegenheiten sich Ihnen täglich darbieten, der
göttlichen Majestät zu dienen, sei es, indem Sie Ihren
eigenen, sei es, indem Sie den Fortschritt des Nächsten
fördern, und benutzen diese Anlässe getreulich; denn
sehen Sie, meine Tochter, Sie können gar viel gewinnen,
wenn Sie Gott recht lieben und seine Ehre.
Ich weiß, es ist ein großer Kummer für Sie, dass Ihr
Vater seine Hand von Ihnen abgezogen hat; wiederholen
Sie indessen häufig mit Herz und Mund das Wort des
Propheten: „Mein Vater und meine Mutter haben mich
verlassen; der Herr aber hat mich aufgenommen.” (Ps. 26,
10.) Freilich ist es ein Kreuz für ein Mädchen, sich so
von aller Menschenhilfe entblößt zu sehen; aber es ist
ein hochheiliges Kreuz , das geeignetste, um noch
vollständiger die Liebe Gottes zu gewinnen. Diese
beseligende Liebe Gottes muss uns hohen Mut einflößen
und ein großes Vertrauen auf die Versicherung, die wir
haben, dass der himmlische Bräutigam immerdar den Seelen
nahe ist, die auf ihn hoffen.
Um Sie in diesen Gesinnungen zu bestärken, schicke ich
Ihnen ein Kreuzchen, in dessen Mitte eine Reliquie der
heiligen Märtyrin Thekla gefasst ist. Der Anblick
desselben wird Ihnen Mut machen, recht viel für unseren
Heiland zu leiden.
Es soll dasselbe nicht eine Gegengabe für Ihr schönes
Geschenk, sondern einzig eine Erinnerung sein an die
herzliche Liebe, welche ich in unserem Herrn für Ihre
Seele hege. Empfehlen Sie mich ihm oft als Ihren
zuverlässigen und geringen Diener in unserem heiligen
Kreuze u. s. w.
11. An
eine junge Dame, deren Wunsch, sich dem Ordensstande
zu widmen, auf Hindernisse stieß.
Mein Fräulein! Sie müssen sich gänzlich in die Hand
unseres guten Gottes ergeben. Haben Sie Ihre geringe
Pflicht getan, um zur Ausführung Ihres Planes zu
gelangen, so wird er alles mit großem Wohlgefallen
aufnehmen, was Sie tun, wäre es auch sonst weit geringer
an Wert. Kurz, Sie müssen mutig alles aufbieten, um sich
den Eintritt in das Kloster zu ermöglichen, da Ihnen
Gott so viel Verlangen danach gibt. Wenn Sie aber trotz
aller Bemühungen nicht dazu kommen, so können Sie dem
Herrn nicht besser gefallen, als wenn Sie ihm Ihren
guten Willen zum Opfer bringen, in Ruhe, Demut und
Gottseligkeit verbleiben und in voller Unterwürfigkeit
und Hingabe an seinen göttlichen Willen und Ratschluss,
der sich Ihnen deutlich genug zu erkennen gibt, wenn Sie
alles nur mögliche getan haben, aber dennoch nicht zur
Erfüllung Ihres Wunsches gelangen können. Unser guter
Gott will nämlich zuweilen unseren Mut und unsere Liebe
prüfen, indem er uns solche Güter vorenthält, die uns
wünschenswert scheinen und wirklich auch sehr heilsam
für die Seele sind.
Sieht er dann unser eifriges Streben und zugleich unsere
demütige und ruhige Ergebung, wenn unser Wunsch und
Streben erfolglos ist, so gibt er uns durch diese
Vorenthaltung viel größeren Segen, als wenn wir zu dem
ersehnten Stande gelangt wären; denn immer und überall
liebt er diejenigen, welche mit gutem, schlichtem Herzen
bei allen Anlässen und Begegnissen zu ihm sprechen
können: Herr, dein Wille geschehe!
12. An eine junge Dame, welche die Absicht, sich zu
vermählen, aufgegeben hatte, um ins Kloster zu gehen.
Aus dem Munde der lieben Cousine habe ich vernommen, aus
wie mannigfache Art unser Herr Ihr Herz versucht und
dessen Stärke erprobt hat, meine teure Tochter. Wohlan,
es gilt, sich ein Herz fassen und heiligen Mut haben
unter all diesen Stürmen. Gesegnet sei der Sturm, von
wannen (woher) er auch wehen mag, wenn er nur uns
landen lässt in gutem Hafen!
Meine geliebte Tochter, die Bedingungen, auf welche hin
wir uns Gott ergeben müssen, bestehen darin, dass er mit
uns, mit unseren Angelegenheiten und Plänen schalte und
walte nach seinem Willen, und dass er unseren Willen
breche und vernichte ganz nach seinem Wohlgefallen. O
wie glücklich sind jene, die Gott führt nach seinem
Gefallen und die er in die Bahn seines heiligen Willens
lenkt durch Leid und Freud! Gleichwohl aber haben die
wahren Diener Gottes immer den Weg der Widerwärtigkeiten
höher geschätzt, weil er dem unseres göttlichen Meisters
ähnlicher ist, der unser Heil und die Herrlichkeit
seines Namens nur durch Kreuz und Schmach erringen
wollte.
Aber, meine teure Tochter, erkennen Sie auch recht in
Ihrem Herzen, was Sie mir schreiben, dass nämlich Gott
auf dornenvollen Wegen Sie zu dem Stande hinführt, der
Ihnen vordem leichter erreichbar war? Erkännten Sie es,
so würden Sie über alle Maßen diesen Beruf lieben, den
Gott für Sie erwählt hat, und würden ihn umso mehr
liebgewinnen, weil er ihn nicht allein für Sie
ausgesucht hat, sondern Sie auch selbst dazu hinführt
auf einem Wege, auf welchem er alle seine lieben und
großen Diener geführt hat. Flehen Sie ihn an, dass
dieser gute Sinn, den er Ihnen gibt, nicht verloren
gehe, sondern zur vollen Reife gedeihe. Was mich
betrifft, so segne ich Ihre liebe Seele, welche unser
Heiland für sich begehrt, und hege für Sie alle die
heilige Liebe, die sich nur aussprechen lässt. Auch der
lieben Cousine zarte und herzliche Liebe besitzen Sie
ganz.
Der Bräutigam von Kana in Galiläa richtet sein
Hochzeitsmahl zu und meint, er sei der Bräutigam. Aber
er ist unendlich glücklicher; denn der Heiland tritt an
seine Stelle, und indem er sein Wasser in köstlichen
Wein verwandelt, wird er selbst Bräutigam und macht die
Seele jenes ersten Bräutigams zu seiner Braut. Mag es
nämlich der hl. Johannes der Evangelist oder ein anderer
gewesen sein, der Heiland nahm ihn nicht etwa am
Vorabende, sondern am Hochzeitstage selbst mit fort zu
seiner Nachfolge; er entführt mit sich seine keusche
Seele und macht ihn zu seinem Jünger. Und die Braut,
wahrnehmend, dass der Heiland mehrere Bräute haben
könne, wollte ebenfalls zu ihrer Zahl gehören, und statt
einer einzigen Hochzeit mit mangelndem Weine haben wir
jetzt deren zwei so herrliche; denn die Seelen beider
Brautleute haben sich Jesu Christo anvermählt. (Die
Frage, wer der Bräutigam bei der Hochzeit zu Kana war,
hat die fromme Sage viel beschäftigt. Im Morgenlande
dachte man an Simon von Kana; im Abendlande behauptete
seit dem fünften Jahrhundert die Legende ein großes
Ansehen, Johannes der Evangelist sei der Bräutigam - der
Maria von Magdalum - gewesen und jungfräulich
unmittelbar vor dem Brautmahle hinweg dem Herrn
nachgefolgt. Man sieht, wie überaus sinnig der hl. Franz
diese Sage in dem obigen Briefe verwertet hat.)
Also versteht man dieses Evangelium; und es kam mir in
den Sinn, Ihnen diesen Gedanken zu sagen: Glücklich
jene, die so ihr Wasser in Wein verwandeln; aber es
geschieht dies nur durch die Vermittlung der hl. Maria.
Ich flehe sie an, sie möge immerdar Sie unter ihren
süßen und mütterlichen Schutz nehmen.
Ich bin in ihr u. s. w.
13. An eine junge Dame, welche im Begriffe stand,
ins Kloster zu gehen.
Welche Freude für mein Herz, teure Tochter, schon gleich
im Anfang bei Ihnen diese frische Entschlossenheit zu
sehen! Wundern Sie sich nicht über diese Tränen; denn
sind sie auch nicht gut, so haben sie doch guten Grund.
Handelte es sich bei unserem Entschlusse um etwas
Geringfügiges, und könnte man denselben widerrufen, so
würden diese Entsagungen und großen Entschließungen, die
wir gefasst haben, uns nicht so tief ins Herz
einschneiden. David weinte so sehr über den Tod des
Saul, obwohl dieser sein größter Feind war; weinen auch
wir ein wenig über diese Welt, die da hinstirbt, ja die
bereits für uns gestorben ist und der wir für immer
absterben wollen.
O meine gute Tochter! Wie lieb ist es mir, Sie mit
diesen Wehen ein wenig geplagt zu sehen. Nein, noch nie
ist in einer Seele Jesus Christus geboren worden ohne
Schmerzen; dieses Vorrecht gewährte er allein seiner
jungfräulichen Mutter, der er dafür desto größere Wehen
bei seinem Tode zu leiden gab. Aber, meine Tochter, Sie
werden sehen, dass Ihnen, wenn diese Nachwehen des
Herzens vorüber sind, tausendfache Tröstungen zuteil
werden. Was mich betrifft, glauben Sie nicht, dass mir
Ihr Leid nahe geht? O gewiss, ich versichere Sie; aber
es ist ein süßes und wohltuendes Mitleid, was ich
empfinde, weil ich sehe, dass Ihr Schmerz der Vorbote
vieler Gnaden ist, mit denen Sie Gott überhäufen wird,
wenn Sie standhaft und treu bei diesem Unternehmen
beharren, welches das würdigste, edelste und
nutzbringendste ist, dem Sie jemals sich widmen können.
Frisch voran also, meine teure Tochter! Seien Sie immer
recht offenherzig; auf mich können Sie unter allen
Umständen zählen; vertrauen Sie mir ohne Furcht, ohne
Bedenken und ohne Rückhalt; denn Gott, der es also
gewollt hat, wird mich unterstützen mit seiner heiligen
Hand, damit ich Ihnen recht dienen kann.
Derselbe Gott weiß, dass er bei Ihrer Abreise mir in den
Sinn gab, Ihnen zu sagen, Sie sollten den Moschus und
die wohlriechenden Essenzen beseitigen; ich hielt mich
indessen zurück, gemäß meiner sanften Methode, die
derartiges der inneren Anregung überlässt, wie solche
gewöhnlich durch die geistigen Übungen in den Seelen
hervorgerufen wird, welche sich gänzlich seiner Güte
weihen (Vgl. Philothea III, 23.). Denn wahrlich, ich bin
ein überaus großer Freund der Einfalt; in der Regel
überlasse ich das Rebmesser, womit diese unnützen
Schösslinge (Pflanzen-Triebe) weggeschnitten
werden, der Hand Gottes; da ist er nun, meine teure
Tochter, und will mit einem Schnitt jene Pülverchen und
dieses Flittergold von Ihnen hinwegschneiden. Seine
Barmherzigkeit sei gepriesen! groß erweist sich dieselbe
an Ihnen, ich sehe es wohl.
Ja, schenken Sie diese Pülverchen und diese Goldflitter
irgend einer Weltdame, zu der Sie aber Vertrauen genug
haben, um ihr über den Grund dieser kleinen Entsagung
Aufschluss geben zu können. Fürchten Sie nicht, Anstoß
damit zu geben; im Gegenteile wird es eine Erbauung für
jene Dame sein, wenn sie, wie ich voraussetze, von guter
Gesinnung ist. Sie tun wohl daran, meine teure Tochter,
all diesen Dingen zu entsagen; glauben Sie mir,
derartige kleine Opfer werden Gott sehr wohlgefällig
sein.
Da ich einmal begonnen habe, Ihnen ohne Rückhalt meine
Seele offenzulegen, so muss ich Ihnen auch noch dieses
sagen: Niemals mochte ich gezwirnte Strümpfe, niemals
auch waschlederne oder parfümierte Handschuhe tragen,
seit ich mich Gott geweiht habe. Ebensowenig wollte ich
von Flittergold oder Puder etwas wissen. Es liegt darin
eine zu große Verzärtelung und Eitelkeit. O Gott, was
ist das für ein Herz, was Sie mir schenken, und wie
rüstig schreiten Sie aus!
Ach, meine teure Tochter, es ist gewiss wahr, für immer
und unwiderruflich der Welt und ihren Freundschaften zu
entsagen, ihnen für ewig Lebewohl zu sagen, das kann
ohne großes Herzeleid nicht abgehen; und wer sollte
nicht zucken bei den Einschnitten jenes Messers, welches
die Seele von dem Geiste, das fleischliche Herz von dem
göttlichen Herzen und das eigene Ich von sich selbst
losschneidet? Aber Gott sei gelobt, diese Schnitte sind
geschehen; alles ist vorüber. Nie wieder wird das
Getrennte miteinander verbunden werden, wenn derjenige
mit seiner Gnade hilft, mit dem wir unzertrennlich
vereinigt werden wollten, indem wir von jedem anderen
Dinge uns für immer losgesagt haben.
Verzichten Sie durchaus auf den Balsam teilnehmender
Worte für Ihre wunde Seele; es sind dies mir
Kinderpossen, die ich einem weniger ergebenen Herzen
allenfalls gestatten würde; aber zu dem Ihrigen, meine
Tochter, sage ich entschieden: lassen Sie diese
Kindereien und Possen; ist es auch nicht gerade
sündhaft, so ist es doch Zeitverschwendung und läuft auf
Aberglauben hinaus, darin Trost zu suchen.
O Gott, meine Tochter, zu allen jenen weltlichen
Gesellschaften, in welchen Sie zu erscheinen haben,
müssen Sie eine sanfte Heiterkeit mitbringen. Damit aber
ein gegenseitiger Austausch von Neuigkeiten stattfinde,
erzählen Sie den Damen von der anderen Welt, aus der Sie
kommen, während diese Ihnen erzählen werden von der
Welt, aus der sie kommen; würden Sie mit ihnen reden,
wie es bei ihnen zu Lande der Brauch ist, so würde ihnen
das ja nichts besonders Neues sein.
Es war einen Monat nach meiner Bischofsweihe; ich kam
von meiner Generalbeichte, aus der Gesellschaft der
Engel und der Heiligen, in welcher ich meine neuen
Entschlüsse gefasst hatte; ich redete wie ein
weltfremder Mensch und ich erachte dies für große Gnade.
Ist auch unter dem Drange der Geschäfte die aufwallende
Begeisterung des Herzens einer mehr nüchternen Stimmung
gewichen, so sind doch durch die Gnade Gottes die
Entschlüsse mir geblieben.
Fassen Sie sich kurz, wo Sie nichts für Ihre Seele
gewinnen können; der große Gott möge mehr und mehr
vergrößern das Reich seiner heiligen Liebe in uns.
In ihm verbleibe ich mit ganz vorzüglicher Geneigtheit
Ihr u. s. w.
Hätte ich mehr Zeit, so würde ich Ihnen noch mehr
schreiben, denn ich werde nicht müde der süßen
Unterhaltung von Gott und seiner Liebe zu unseren
Seelen. Bitten Sie recht den kleinen neugeborenen Jesus
um seine heilige Nacktheit für Ihr Herz, damit es von
allein entblößt einzig und allein ihm angehöre.
14. An ein junges Mädchen, welches eben in den Orden der
Heimsuchung eingetreten war.
Annecy, den 6. März 1622.
Nirgendwo anders, meine teure Tochter, glaube ich Sie
suchen zu dürfen, als auf dem Kalvarienberge, wo die
Wohnstätte für die Herzen ist, die der himmlische
Bräutigam mit seinen göttlichen Liebeserweisen
begnadigt.
O wie glücklich sind Sie, teure Tochter, dass Sie mit
solcher Liebe und Treue diesen Wohnsitz erwählt haben,
um daselbst Jesum den Gekreuzigten in diesem Leben
anzubeten.
Aber sehen Sie, wer auf diesem Hügel wohnen will, muss
aller irdischen Gewohnheiten und Neigungen entkleidet
sein, wie auch unser König, als er dort anlangte, seiner
Kleider beraubt ward, die, so heilig sie waren, entweiht
worden wären, wenn die Henkersknechte sie ihm bereits im
Hause des Pilatus abgenommen hätten.
Hüten Sie sich wohl, liebe Tochter, bei dem Festmahle
des Kreuzes, das da tausend und tausendmal köstlicher
ist als jedes weltliche Hochzeitsmahl, zu erscheinen
ohne das weiße Kleid, ohne die reine, lautere Absicht,
einzig dem Lamme gefallen zu wollen. O meine Tochter,
wie ist des Himmels Ewigkeit so lieblich, und sind der
Erde Augenblicke so armselig! Trachten Sie unablässig
nach dieser Ewigkeit und verachten kühn die hinfälligen
Augenblicke dieses sterblichen Lebens.
Lassen Sie sich nicht zu Besorgnissen hinreißen, weder
wegen früherer Fehler, noch wegen künftiger
Schwierigkeiten, die Ihnen auf dem Kreuzwege des
Ordenslebens begegnen werden. Denken Sie nicht: wie
werde ich die Welt und die Dinge der Welt vergessen
können? „denn Ihr himmlischer Vater weiß, dass Sie
dieses Vergessens bedürfen" (1 Matth. 6, 32.) und er
wird es Ihnen geben, wenn Sie nur mit kindlichem
Vertrauen sich innig und ganz in seine Arme werfen.
Unsere Mutter, Ihre Oberin, schreibt mir, dass Sie sehr
gute natürliche Neigungen haben. Liebe Tochter, das sind
glückliche Anlagen, von welchen Sie werden Rechenschaft
ablegen müssen; seien Sie darauf bedacht dieselben recht
zum Dienste dessen zu verwenden, der sie Ihnen gegeben
hat. Pfropfen (aufsetzen) Sie auf diesen Wildling
das Edelreis der ewigen Liebe, welche Gott bereitwillig
Ihnen geben wird, wenn Sie durch vollkommene Verleugnung
Ihrer selbst sich zu deren Ausnahme befähigen wollen.
Alles sonstige habe ich der Mutter gesagt. Ihnen habe
ich nichts weiter zu bemerken, als dass ich nach Gottes
Willen von ganzem Herzen bin
Ihr u. s. w.
15. Körperliche Abtötung oder Gehorsam?
An eine Schwester von der Heimsuchung.
Den 11. Januar 1620.
Ich habe Kenntnis genommen von den Einflüsterungen,
womit der Feind Ihres Fortschrittes Ihr Herz behelligt,
meine Tochter, und nehme andererseits die Gnade wahr,
welche der heilige Geist Gottes Ihnen verleiht, um
unbeirrt und tapfer den Weg weiter zu verfolgen, auf
welchen er Sie geführt hat. Meine teure Tochter, der
Böse macht sich gar nichts daraus, dass man seinen Leib
zerfetzt, wenn man dabei nur immer seinem eigenen Willen
folgt. Er fürchtet nicht die Strengheiten, wohl aber den
Gehorsam. Was kann es auch für eine größere Strengheit
geben, als seinen Willen stets unter dem Joche der
Unterwürfigkeit und des Gehorsams zu halten?
Bleiben Sie im Frieden; Sie haben Vorliebe für diese
freiwilligen Bußwerke, wenn Werke der Eigenliebe
überhaupt den Namen von Bußwerken verdienen.
Als Sie nach vielem Gebet und langen Erwägungen das
heilige Kleid nahmen, fand man doch für gut, dass Sie in
die Schule des Gehorsams und der Verleugnung des
Eigenwillens eintreten und nicht länger Ihrem eigenen
Urteil und sich selbst überlassen bleiben sollten.
Lassen Sie sich also nicht irre machen, sondern bleiben,
wo der Herr Sie hingestellt hat. Es ist wahr, Sie finden
da viele Abtötung des Herzens, wenn Sie sehen, wie weit
Sie noch zurück sind und wie oft Sie Tadel und
Zurechtweisung verdienen; aber ist es nicht gerade die
Abtötung des Herzens, die Sie suchen, und die
Selbstverachtung, mit der Sie vertraut werden müssen?
Aber Sie wenden mir ein, Sie können nicht nach Ihrem
Wunsche Buße tun.
O meine teure Tochter, sagen Sie selbst, welche bessere
Buße könnte ein sündiges Herz wohl wirken, als wenn es
sich zur unablässigen Kreuzigung und Verleugnung des
eigenen Willens versteht? Doch was brauche ich mehr zu
sagen? Gott selber wird Sie mit derselben Hand der
Barmherzigkeit aufrecht halten, mit welcher er Sie
diesem Berufe zugeführt hat, und der Feind wird keinen
Sieg über Sie erringen. Sie aber müssen gleich der
ersten Tochter dieser Erde durch die Versuchung geprüft
werden und durch Beharrlichkeit die herrliche Krone
erringen.
Ihr ganz ergebener u. s. w.
16. Winke des Heiligen für die Vorsteherinnen seiner
Genossenschaft.
Da Ihr, meine Töchter, Gottes Stelle versehet in der
Leitung der Seelen, so müsst Ihr eifrig darauf Bedacht
nehmen, in seinem Sinne zu handeln, seine Wege
einzuschlagen und nicht die Eurigen, indem Ihr kräftig
den Zug seiner Gnade in jeder Seele unterstützt und sie
anleitet, demselben zu folgen in aller Demut und
Unterwürfigkeit, nicht nach ihrer Weise, sondern nach
Gottes Weise, die Ihr besser erkennen werdet als sie,
solange die Eigenliebe noch nicht gänzlich in ihnen
ertötet ist; denn diese ist wetterwendisch und sucht
häufig den Zug der Gnade eigenem Sinn und eigener
Neigung unterzuordnen.
Traget zu diesem Ende stets das Feuer auf Euren Lippen
und auf Eurer Zunge, welches Euer liebeglühender
Bräutigam auf die Erde gebracht hat in die Herzen der
Seinigen, um damit den ganzen äußeren Menschen zu
verzehren und einen neuen inneren Menschen herzustellen,
der ganz Reinheit, Liebe, Einfalt und Kraft ist, um die
Prüfungen und Heimsuchungen recht zu bestehen, die er in
seiner Liebe über sie verhängt, um sie noch mehr zu
reinigen, zu vervollkommnen und zu heiligen. Um ihnen
nun Mut dazu zu machen, zeiget ihnen, dass es mit
geistlichen Rosenstauden sich anders verhält als mit den
Rosensträuchern im Garten. Bei diesen bleiben die
Dornen, und die Rosen vergehen; bei jenen dagegen
vergehen die Dornen, und die Rosen bleiben. Zeiget
ihnen, dass ihnen das Herz nur gegeben ist, um Kinder
Gottes zu sein, um ihn zu lieben, ihn zu preisen und in
diesem sterblichen Leben ihm treu zu dienen, und dass er
sie zusammengeführt hat, damit sie mit höherem Mute, mit
größerer Kühnheit, Unerschrockenheit und Ausdauer große
und schwierige Dinge beginnen und vollenden möchten.
Denn sollen Eure Häuser fortan eine Pflanzschule für
viele andere werden, so müssen große und vollendete
Tugenden, mannhafte, starke und edelmütige Frömmigkeit,
Verleugnung der Eigenliebe, Liebe zur Verachtung,
Abtötung der Sinne und die echte Art der Seelenführung
in denselben Wurzel fassen. Beseitigt werden muss alle
Verzärtelung und Weichlichkeit, welche die Ruhe stört,
und stets mit Entschuldigung und Nachgiebigkeit gegen
Laune und Neigung bei der Hand ist. Dazu wird der stete
Wechsel dienlich sein, wie er in Eurem Orden beobachtet
wird, wo niemand dieselbe Zelle, den nämlichen Platz,
die frühere Bedienstung das Jahr hindurch beibehält,
damit alle frei werden von der Anhänglichkeit an dieses
oder jenes Amt, sowie von der Unvollkommenheit, in
eitler Eifersucht es anderen gleichtun zu wollen, damit
sie gesichert werden vor dem Gelüsten, alles fertig
bringen zu wollen, was andere leisten, und sich nur auf
das beschränken, was die Obern ihnen aufgeben. Lehret
sie wandeln in dem einzigen, schlichten Bestreben, der
göttlichen Majestät zu dienen mit dem nämlichen Willen,
nach demselben Plane, in derselben Richtung, auf dass
unser Herr und seine heiligste Mutter Ehre davon
gewinnen.
Sollte aber die eine oder andere sich sträuben gegen
eine derartige Leitung, so könnt Ihr, um sie gefügiger
zu machen, sie fühlen lassen, wie groß ihre Unwissenheit
und Unvernunft ist, dass sie sich von den anmaßlichen
Einfällen und Blendwerken der verderbten Natur
irreführen lässt, und könnt ihr zeigen, wie sehr der
menschliche Geist Gott entgegen ist, der seine
Geheimnisse nur den Demütigen offenbar macht; dass im
Orden keine Nachfrage ist nach Philosophen und
Schöngeistern, sondern nach Gnade und Tugend, und auch
dies nicht, um darüber geistreiche Erörterungen
anzustellen, sondern um sie in aller Demut praktisch
auszuüben. Ihr könnt ihnen zu diesem Ende Aufgaben
stellen, die schwer zu vollbringen und zu begreifen
sind, um sie zu demütigen und sie allmählich von sich
selbst frei zu machen und zu einer demütigen und
rückhaltlosen Unterwerfung unter die Anordnung der Obern
hinzuführen, die indessen ihrerseits ebenfalls großer
Umsicht bedürfen, um hier nach Zeit, Umständen und
Persönlichkeiten stets das Rechte zu treffen.
Denn das ist gewiss eine harte Sache, bei jeder
Gelegenheit das eigene Selbst ausrotten und ertöten zu
sehen; allein eine sanfte und liebreiche Mutter besitzt
das Geschick, solche bittere Pillen mit der Milch einer
heiligen Freundschaft einzugeben, und versteht es, ihren
Töchtern jederzeit ein Herz voll Liebe und einen Blick
voll Freundlichkeit entgegenzubringen, so dass sie,
einer wohlwollenden und herzlichen Aufnahme sicher,
stets mit Freuden zu ihr ihre Zuflucht nehmen und so
sich drehen und wenden lassen wie Wachs, das bei dem
Feuer solch glühender Liebe doch sicher weich werden
muss. Ich sage nicht, dass Ihr den Schwestern
schmeicheln sollt; sondern Ihr sollt sanft, herzlich und
zugänglich für sie sein, sollt ihnen mit einer
aufrichtigen, mütterlichen, mit einer rechten
Hirtenliebe zugetan, sollt allen alles sein, sollt aller
Mutter, aller Zuflucht, aller Freude sein. Das sind die
einzigen Anforderungen an Euch, die genügen; und ohne
sie genügt nichts.
Haltet recht die Waage unter Euren Töchtern und lasset
Euch nicht durch natürliche Vorzüge verleiten, ungerecht
zu werden in Verteilung Eurer Gunst und Neigung. Wie
viele äußerlich abstoßende Personen gibt es nicht, die
doch sehr wohlgefällig sind in den Augen Gottes!
Schönheit, Anmut, Wohlredenheit (geschickte Rhetorik)
lassen häufig andere äußerst anziehend erscheinen, die
noch nach ihren Neigungen leben. Christliche Liebe sieht
aber auf wahre Tugend und innere Schönheit und ist voll
Herzlichkeit gegen alle, ohne jedwede Parteilichkeit.
Wundert Euch nicht, wenn Ihr Euch in Eurem Regiment
bekrittelt seht. Ihr müsst mit Sanftmut alles anhören,
sodann es Gott vortragen und Euch mit Euren
Assistentinnen darüber beraten, dann aber tun, was für
zweckdienlich erachtet wurde, mit dem heiligen
Vertrauen, dass die göttliche Vorsehung alles zu ihrer
Verherrlichung lenken werde. Dabei müsst Ihr aber mit
einer solchen Gelassenheit verfahren, dass Eure
Untergebenen keinen Anlass finden, die Achtung zu
verlieren, die sie Eurem Amte schulden, noch auch auf
den Gedanken geraten, Ihr bedürftet ihrer, um zu
regieren, sondern überzeugt sind, es geschehe dies nur,
um der Regel der Bescheidenheit und Demut, sowie der
Vorschrift der Konstitutionen zu genügen. Denn seht,
soviel als möglich muss man Sorge tragen, dass die
Achtung der Untergebenen gegen uns nicht der Liebe, noch
die Liebe der Achtung Eintrag tun; und sollte je eine
Schwester Euch nicht mit der gehörigen Ehrfurcht und
Achtung begegnen, so verweiset es ihr unter vier Augen;
sie muss Eure Würde ehren und mit den übrigen in
Gemeinschaft dahin wirken lernen, dass das Amt in Ehren
gehalten wird, durch welches die gesamte Genossenschaft
zu einem Leibe und einem Geiste verbunden ist.
Haltet strenge auf die genaue Beobachtung der Regel
sowie auf Wohlanständigkeit in euren Häusern und bei
deren Bewohnern. Sorget, dass den heiligen Orten und
Dingen eine große Ehrfurcht erwiesen wird. Hadert nicht
um ein bisschen mehr oder weniger an zeitlichem Gut;
denn so stimmt es mehr zu der Sanftmut, die der Herr
seine Kinder gelehrt hat. Gottes Geist ist edelmütig;
was man bei einem solchen Streite gewinnen könnte, würde
man an Achtung verlieren; und schließlich ist auch der
Friede eine heilige Ware, die es wert ist, dass man sie
selbst um teuren Preis erkauft. Bewahret die Sanftmut,
sowie den Gleichmut und die Freundlichkeit des Herzens
bei allem Andrang und Gewirr der Geschäfte. Jedermann
erwartet von Euch ein gutes Beispiel, welches
unzertrennlich ist von einer anspruchslosen
Herzlichkeit; denn wie die Lampe von dem Öle, so nährt
sich von dieser Tugend das Licht des guten Beispiels,
und es gibt nichts, was in dem Maße erbaut, als diese
demütige Herzlichkeit.
Nehmet gerne fremden Rat an, wenn derselbe nicht dem
Grundsatze zuwiderläuft, den wir ein für allemal zur
Richtschnur unseres Verhaltens gemacht haben, nämlich
bei allem vom Geiste freundlicher Sanftmut uns leiten zu
lassen und bei den Seelen mehr an das Innere als an das
Äußere zu denken; denn „es ist ja auch alle Schönheit
der Töchter des Königs von innen“ (Ps. 44, 1).
Die Oberinnen müssen diese zu pflegen suchen, wenn ihre
Tochter selbst nicht darauf bedacht sind, und müssen
stets in Sorge sein, die letzteren möchten auf dem Wege
einschlafen und aus Nachlässigkeit ihre Lampen erlöschen
lassen; denn ohne Zweifel würde der Herr in diesem Falle
ihnen, wie den törichten Jungfrauen, die Einlass
begehrten zu dem Hochzeitsmahle, zurufen: „Wahrhaftig,
ich kenne euch nicht.“ (Matth. 25, 12.)
Wendet mir nicht ein, Ihr seid schwach; die Liebe, die
das hochzeitliche Kleid ist, deckt alles zu. Personen
Eures Standes sind ein lebendiger Antrieb für alle, die
sie kennen, in heiliger Weise ihre Mängel zu tragen und
ihnen eine besondere Teilnahme und Liebe zu widmen, wenn
nur ersichtlich ist, dass sie mit Ergebung und
freundlichem Sinn ihr Kreuz tragen.
Ich empfehle Euch Gott, um seine Gnade für Eure
Amtsführung zu gewinnen, auf dass er durch Eure Hände
sich die Seelen zurichte mit Hammer, mit Meißel oder
Pinsel; dass er sie alle forme nach seinem Wohlgefallen
und Euch zu diesem Ende verleihe ein starkes, festes,
mannhaftes Vaterherz, ohne dass Ihr dabei einbüßet die
Zärtlichkeit der Mutter, die ihren Kindern auch
Süßigkeiten gönnt gemäß der Ordnung Gottes, der da alles
lenkt mit lieblicher Kraft und mit kräftiger
Lieblichkeit.
Sechstes Buch.
Rat und
Trost bei äußeren und inneren Leiden.
1.
Die Widerwärtigkeiten dürfen keinen Unmut in uns
erregen.
An
eine Dame.
Auf
Mittel und Wege denken, wie Sie den
Widerwärtigkeiten, von welchen Ihr Haus betroffen
wurde, begegnen können, das sollen Sie; nur muss es
mit dem Vorbehalt geschehen, dass Sie mit heiligem
Gleichmute den Ausgang abwarten wollen, den Gott für
den besten halten wird.
Aber
in die Klage auszubrechen, Sie seien eine arme,
unglückliche Frau, mein Gott, liebe Tochter,davor
hüten Sie sich auf alle Weise. Abgesehen davon, dass
solche Worte im Munde einer Dienerin Gottes
unschicklich sind, gehen sie hervor aus einem
allzusehr niedergeschlagenen Herzen und verraten
nicht bloß Ungeduld, sondern sogar eine gewisse
Verbitterung.
Sehen
Sie, meine teure Tochter, verlegen Sie sich einmal
besonders auf die Übung der Sanftmut und Ergebung in
Gottes Willen, nicht bloß bei außergewöhnlichen
Fällen, sondern vornehmlich bei den Plackereien (Mühen)
des täglichen Lebens. Denken Sie daran des Morgens
und des Nachmittags, bei Ihrer Danksagung, vor dem
Essen wie nach dem Essen und am Abend, und setzen
sich dieses eine Zeitlang zu Ihrer bestimmten
täglichen Aufgabe.
Gehen
Sie aber mit ruhigem, heiterem Sinne an die Lösung
dieser Aufgabe. Sollte ein Rückfall eintreten, so
verdemütigen Sie sich und fangen wieder von neuem
an.
Gute
Nacht, liebe Frau Gevatterin und Tochter; Ihr Herz
gehört Gott an;
freuen Sie sich, so gut angekommen zu sein. Von
ganzem Herzen verbleibe ich
Ihr
u. s. w.
2. Man
soll aus der Not eine Tugend machen.
An
eine Tante.
Den
20. Mai 1618.
Liebe
Tante! Mit inniger Teilnahme denke ich fortwährend
an die betrübte Stimmung, in welche Ihr Herz durch
die Ereignisse der jüngsten Tage versetzt sein muss.
Weiß ich zwar auch, dass die vielen
Widerwärtigkeiten der letzten Jahre Sie bereits
gewissermaßen an das Leiden gewöhnt, Ihre Seele
gestählt und Ihren Mut angefeuert haben, mögen Sie
auch infolgedessen nicht mehr so außerordentlich
empfindlich sein für die unvermeidlichen Schläge
dieses sterblichen Lebens, so besorge ich
gleichwohl, es möge das viele Kreuz am Ende doch Sie
außer Fassung bringen.
Aber
trotz alledem, verehrteste Frau, lebe ich in der
besten Hoffnung, dass Sie nach all diesen
Erfahrungen, in welchen Ihnen die Eitelkeit des
gegenwärtigen und die Wahrheit des künftigen Lebens
so deutlich zu Gemüte geführt wurde, dass Sie nach
all diesen Beteuerungen fest und unwiderruflich sich
der Führung der göttlichen Vorsehung überlassen zu
wollen, einen vollkommenen Trost finden werden am
Fuße des Kreuzes Christi, wo der Tod für uns besser
geworden ist als das Leben; und ich bin versichert,
der trügerische Reiz des Weltlebens wird nicht
imstande gewesen sein, Sie von den Entschließungen
abzubringen, welche Sie nach den damaligen
Ereignissen mit Gottes Gnade gefasst haben.
Kurzum, beste Tante, man muss sich der Notwendigkeit
fügen und Gewinn daraus zu ziehen suchen für unser
ewiges Heil, welches ja auf keinem anderen Wege zu
erlangen ist als auf dem Wege des Kreuzes, der
Dornen, der Trübsale. Und in der Tat ist für
diejenigen, die unserem Herzen teuer sind, wenig
oder vielmehr recht viel daran gelegen, dass ihr
Aufenthalt nur kurz sei in dem Elende dieses
vielgeplagten Lebens. Und was uns selbst betrifft,
so würde ihr Hinscheiden uns nicht so tief
erschüttern, wenn wir stets von der großen Wahrheit
durchdrungen wären, dass all unser Sehnen für Gott
einzig und allein auf die Ewigkeit gerichtet sein
soll.
Teure
Tante und, wenn ich reden darf, wie mein Herz
verlangt, vielgeliebte Tochter! Lassen Sie sich
nicht niederwerfen durch den andringenden Strom der
Widerwärtigkeiten; umklammern Sie vielmehr die Füße
des Herrn und sagen ihm, Sie seien sein Eigentum, er
möge über Sie und über alles, was nach seinem Willen
Ihnen angehört, schalten und walten nach seinem
Wohlgefallen; nur möge er Ihnen und den Ihrigen die
hochheilige Ewigkeit seiner Liebe sicherstellen.
Diese kurzen Augenblicke sind nicht wert, dass man
sie beachtet, als nur insofern sie jenem Glück uns
entgegenführen.
Ich
verbleibe Ihr u. s. w.
3.
In allen Stürmen des Lebens muss man der Vorsehung
vertrauen.
An
eine Dame.
Den
7. Januar 1614.
Geliebteste Schwester! Soeben habe ich die beiden
Briefe erhalten, welche Sie Herrn v. Tavernay
anvertraut hatten, nebst einem dritten, in welchem
Sie sich näher aussprechen über die Ursache Ihres
Kummers, der umso drückender für Sie sein muss, da
so viele kaum zu beseitigende Verdrießlichkeiten
zusammentreffen. Und doch, geliebte Schwester, wären
die düsteren Nebel noch so dicht, die Sonne wird sie
zerstreuen. Jedenfalls wird Gott, der Sie bis jetzt
geführt hat, Ihnen auch in Zukunft seine leitende
Hand nicht entziehen; aber dann müssen Sie
vollständig rückhaltlos sich in die Arme seiner
Vorsehung werfen; und dazu ist gerade jetzt der
rechte Augenblick gekommen.
Auf
Gott vertrauen, so lange friedlich und freundlich
die Sonne des Glückes lächelt, das bringt fast jeder
fertig; aber auch dann sich ihm überlassen, wenn
Sturm und Wetter toben, das ist nur Sache seiner
Kinder; sie allein übergeben sich ihm ganz und ohne
Vorbehalt. Tun Sie das, meine teure Schwester, so
werden Sie eines Tages mit Staunen das Wunder sehen,
wie alle die Schreckbilder vor Ihren Augen
verschwinden, welche gegenwärtig Sie beunruhigen.
Gottes Majestät erwartet diesen Beweis des
Vertrauens von Ihnen, da er Sie an sich gezogen hat,
um Sie auf außerordentliche Weise zu seinem Eigentum
zu machen.
Von
diesem Menschen, dem Sie teilweise glauben die
Schuld beimessen zu müssen, sprechen Sie wenig und
mit gewissenhafter Zurückhaltung. Ergießen Sie sich
durchaus nicht in Klagen, reden überhaupt nur selten
von der Sache und nicht mehr, als Sie mit voller
Sicherheit davon wissen. Haben Sie aber Verdacht, so
dürfen Sie denselben, insoweit derselbe zweifelhaft
ist, auch nur in zweifelndem Tone äußern.
Ich
schreibe Ihnen in aller Eile; es ist heute der
unruhigste Tag, den ich seit langer Zeit gehabt
habe. So Gott will, schreibe ich bald mehr und fahre
für jetzt fort, um Ruhe und Trost für Sie zu beten.
Suchen Sie, soviel Sie können, die Gemüter Ihrer
Verwandten durch freundliches, verständiges
Entgegenkommen zu besänftigen. Ach, in solchen
Fällen macht großmütiges Hinwegsehen über erfahrene
Kränkungen in einer Stunde mehr Unheil gut als
Empfindlichkeit in einem ganzen Jahre. Freilich
kommt alles auf den lieben Gott an; ihn muss man
daher auch um seine Hilfe anflehen. Gott sei
immerdar in Ihrem Herzen, teure Schwerer. Mit
vollkommenster Hochschätzung
Ihr
u. s. w.
4. Der
brennende Dornbusch.
An eine
Dame.
Den 11.
September 1610.
Geehrteste Frau! Es gereicht mir zu großem Troste,
wahrzunehmen, wie gütig Sie meine Versuche aufnehmen,
Ihrer Seele zu dienen, zu der ich mich mit zarter und
mächtiger Liebe hingezogen fühle, weil ich sie mit
mannigfacher Himmelsgnade bezeichnet sehe. Darum wünsche
ich ihr auch je mehr und mehr ein rechtes Wachstum in
der heiligen Liebe Gottes, welche der Segen aller Segen
ist.
Sie
werden wissen, meine teure Tochter, dass das Feuer,
welches Moses auf dem Berge sah, jene heilige Liebe
vorstellte. Gleichwie nun diese Flammen ihre Nahrung von
den Dornen empfingen, so gedeiht auch die göttliche
Liebe weit besser unter Widerwärtigkeiten als unter
Vergnügungen. Sie können also daraus abnehmen, dass der
Herr Ihren Fortgang in seiner Liebe wünscht, da er Ihnen
eine fast stets schwankende Gesundheit und mehrfache
andere Plagen gegeben hat.
Ach Gott,
meine teure Tochter, wie süß ist es, unsern Herrn zu
betrachten, wie er am Kreuze mit Dornen und im Himmel
mit Herrlichkeit gekrönt ist! Dieser Anblick ermutigt
uns, alle Widerwärtigkeiten mit Liebe hinzunehmen, da
wir wohl wissen: mittels der Dornenkrone gelangen wir
zur Krone der Seligkeit. Schließen Sie sich nur immer
recht eng und innig an den Heiland an, und es wird Ihnen
kein Übel zustoßen, welches sich nicht in Glück
verwandelte.
Ihr
ergebenster u. s. w.
5.
Leiden sind der Anteil der Kinder Gottes hienieden.
An eine
Oberin.
Meine
teure Tochter! Gewiss, wenn es sein könnte, möchte ich
alle Tage Nachricht haben über Ihre Seele, alle Tage
Ihnen Kunde geben von der meinigen; denn ich kann mir
denken, dass Sie selten ohne Trübsal sind.
Teuerste
Tochter! Sie wissen recht wohl, dass Gott seinen Kindern
ihr Erbteil aufbehält für das künftige Leben, und dass
er in dem gegenwärtigen den liebsten aus ihnen in der
Regel nur die Ehre zukommen lässt, viel zu leiden und
ihr Kreuz ihm nachzutragen. Ich weiß, Ihr Herz ist
festgegründet in dieser Wahrheit; wiewohl ich daher auf
der einen Seite meinem Herzen nicht wehren kann, Mitleid
mit Ihnen zu haben, da Sie ja in Wahrheit meine Tochter
sind, so rühme ich mich doch auf der anderen Seite im
Kreuze unseres Herrn, da Sie so glücklich sind, daran
Anteil zu nehmen, und werde niemals aufhören, den
Heiligen Geist anzuflehen, er möge immer tiefer Sie
einführen in den Geist seines reinsten Gehorsams und
seiner heiligsten Liebe.
Mit
unwandelbarer Ergebenheit verbleibe ich
Ihr
u.s.w.
6. In
der Trübsal kann man Gott am besten Treue beweisen.
An eine
Dame.
Am Feste
der unschuldigen Kinder 1612.
Ich
zweifle nicht, meine teure Tochter, dass Sie infolge
verschiedener widriger Begegnisse recht niedergebeugt
sein werden; teilweise sind mir ja die Anlässe bekannt,
die Ihnen Sorge und Kummer bereiten mögen. Wann aber und
womit können wir besser die echte Treue beweisen, die
wir unserem Herrn schulden, als in Trübsal und
Verfolgung, als zur Zeit der Widerwärtigkeiten ?
Es ist
einmal nicht anders; das Leben auf Erden reicht uns mehr
Wermut als Honig; doch der, um dessentwillen wir
entschlossen sind, trotz aller Widersacher in der
heiligen Geduld zu beharren, wird uns den Trost seines
Heiligen Geistes senden zur rechten Zeit. „Hütet euch,“
spricht der Apostel, „das Vertrauen sinken zu lassen.
Gestärkt durch selbes werdet ihr mit ausdauernder
Tapferkeit auch den heißesten Kampf der Trübsale
überstehen.” (Vgl. Hebr. 10, 35.)
Es hat
mich wirklich betrübt, von dem kleinen Streit zu hören,
der zwischen den beiden Vettern ausgebrochen ist wegen
des Stückleins Brot, welches der arme Herr v. N.
hinterlassen hat. Aber so geht es bei den
Menschenkindern.
Doch ich
bin sehr eilig. Möge Gott uns die Gnade verleihen, gut
und heilig das nahende neue Jahr anzufangen und zu
vollenden! Möchten wir in demselben den hehren (glorreichen)
Namen Jesus heiligen und dasselbe einzig verwenden zu
der heiligen Sorge für unser Heil! Ich verbleibe für
immer
Ihr u. s.
w.
7. Je
mehr wir aufwärts streben nach dem Berge der himmlischen
Verklärung, desto mehr wird unser Herz dem Drucke der
irdischen Plage entrückt.
An eine
seiner Schwestern.
Meine
liebe Schwester! Es ist nicht mehr wie billig, dass ich
Dir schreibe, um Dir guten Abend zu wünschen und Dich
aufs neue zu versichern, dass ich nicht aufhöre, Dir und
meinem Herrn Bruder tausendfachen Himmelssegen,
namentlich aber die Gnade zu wünschen, mehr und mehr in
das Bild unseres Erlösers verklärt zu werden (Vermutlich
ist dieser Brief am Feste der Verklärung Christi
geschrieben.). O wie schön ist sein Antlitz, wie
strahlen seine Augen so süß und in wunderbarer
Freundlichkeit, und wie gut ist es, bei ihm zu weilen
auf dem Berge seiner Glorie! Ja, dort, liebe Schwester,
müssen wir dem
Wünschen und Sehnen unseres Herzens Hütten bauen, nicht
hier auf Erden, wo es doch nur eitle Schönheit und
schöne Eitelkeit gibt. Nun, dank der Gnade des Erlösers,
sind wir wenigstens auf dem Wege zur Höhe des Tabor (hl.
Berg), da wir den festen Entschluss haben, der
göttlichen Güte mit Ernst und Liebe zu dienen; es gilt
daher, sich zu heiliger Hoffnung zu ermutigen. Nur immer
aufwärts, liebe Schwester, nur aufwärts gestiegen, ohne
uns durch die himmlische Erscheinung des Herrn ermatten
zu lassen! Mehr und mehr erheben wir uns über den Nebel
irdischer und niedriger Neigungen, immer kräftiger werde
unser Streben nach der Glückseligleit, die uns bereitet
ist.
Ich
beschwöre Dich, liebe Tochter, recht für mich zu beten,
auf dass der Herr von jetzt an mich erhalte auf den
Pfaden seines Willens, damit ich ihm diene in aller
Aufrichtigkeit und Treue. Siehe, liebe Tochter, ich
verlange entweder zu sterben oder Gott zu lieben;
entweder den Tod oder die Liebe! Denn das Leben ohne
diese Liebe ist viel schlimmer als der Tod. Mein Gott,
teure Tochter, wie glücklich sind wir, wenn wir so recht
jenes höchste Gut lieben, welches so viel Huld und
Segnungen für uns in Bereitschaft hält.
Geben wir
uns nur recht vollständig dem Herrn hin, meine Tochter,
mitten unter all der Plage und den Wechselfällen der uns
umgebenden Welt. Wie wollen wir besser unsere Treue
beweisen als bei Widerwärtigkeiten! Ach, liebe Tochter,
die Einsamkeit hat ihre Stürme, die Welt hat ihre Plage;
überall muss man guten Mut haben, da überall des Himmels
Hilfe denen nahe ist, die auf Gott vertrauen und mit
Demut und Sanftmut ihn um seinen väterlichen Beistand
anrufen.
Sei recht
auf Deiner Hut, dass Deine Sorge nicht in Verwirrung und
Unruhe ausartet. Mag auch Dein Schifflein mitten im
Sturm und Wogendrang der Geschäfte und Sorgen
dahinschwanken, richte nur immer Deinen Blick zum Himmel
empor und sprich zu unserem Heilande: O Gott, zu dir
fahre und steure ich; sei du mein Führer und Leitstern!
Und dann lass mich getröstet sein, wenn wir in den Hafen
werden eingelaufen sein, wo solche Seligkeit unserer
wartet, dass wir darüber alle Mühen und Gefahren unserer
Fahrt vergessen werden. An dieses Ziel gelangen werden
wir trotz all dieser Stürme, wenn wir nur geraden
Herzens, reiner Absicht, festen Mutes den Blick auf Gott
gerichtet halten und auf ihn unser ganzes Vertrauen
setzen.
Sollte
auch die Heftigkeit des Sturmes uns mitunter ein
bisschen Unruhe im Magen und Schwindel im Kopfe
verursachen, so wundern wir uns nicht darüber; suchen
wir aber sobald wie möglich wieder zu Atem zu kommen und
uns anzueifern, später uns tapferer zu halten. Ich bin
versichert, Du wandelst stets an der Hand unserer
heiligen Entschließungen. Lass Dich daher durch diese
kleinen Versuchungen zur Unruhe und zum Ärger, wie sie
die Menge Deiner häuslichen Geschäfte mit sich bringt,
nicht außer Fassung bringen; nein, meine teure Tochter;
denn das soll Dir Anlass bieten, die teuersten und
liebenswürdigsten Tugenden zu üben, die unser Heiland
uns empfohlen hat. Glaube mir, die wahre Tugend gedeiht
nicht bei äußerer Ruhe, ebensowenig wie gute Fische in
den stehenden Wassern der Sümpfe. Es lebe Jesus!
8.
Starke Tugenden wachsen nur unter dem Kreuze.
An eine
Witwe.
Teure
Mutter! Ich nehme mitleidigen Anteil an den vielen
bitteren Schmerzen, welche Sie auszustehen haben,
empfinde aber dessenungeachtet reichen Trost dabei, weil
Sie leiden im Geiste der Ergebung. Liebe Mutter, die
Tugenden, welche unter glücklichen Umständen wachsen,
sind gewöhnlich hinfällig und gebrechlich; die dagegen
in der Trübsal entstehen, sind stark und kräftig, wie
man ja auch sagt, dass die besten Weine wachsen im öden
Felsgestein.
Ich bitte
Gott, er möge immerdar sein inmitten Ihres Herzens,
damit dasselbe nicht erschüttert werde durch alle diese
Stöße. Möge er, indem er Sie teilnehmen lässt an seinem
Kreuze, Ihnen auch von seiner heiligen Dulderkraft sowie
von jener Liebe mitteilen, welche der Trübsal so
unschätzbaren Wert verleiht.
Nie werde
ich aufhören, die Hilfe des ewigen Vaters über eine
Tochter herabzuflehen, welche ich ehre und liebe wie
meine Mutter.
Ich
verbleibe, meine teure Mutter, im Herrn
Ihr u. s.
w.
9.
Wenn wir mit Christus leiden, werden
wir auch mit ihm verherrlicht werden.
An die
Äbtissin Angelica Arnauld von Port-Royal.
(Später
ließ die genannte Äbtissin mit dem von ihr geleiteten
Pariser Zisterzienserinnen-Kloster sich in die unseligen
jansenistischen Irrungen hereinziehen.)
Den 22.
September 1619.
Diesen
Nachmittag war Ihr lieber Bruder bei mir, gefasst und
voll Mut wie immer, wenn ihm auch Tränen in den Augen
standen wegen der Erkrankung unserer Schwestern
Katharina von Genua und Maria.
O meine
Tochter, Gott helfe mir; aber beinahe wäre ich in die
Klage des alten Propheten ausgebrochen: „Ach, wie, mein
Herr, strafst du denn auch diese Töchter, die um deiner
Liebe willen mir Speise und Nahrung reichten?”
(Elias
bei der Leiche des Sohnes der Witwe von Sarepta: 3 Kön.
17, 20.)
Doch
nein, meine vielgeliebte Tochter, lieber will ich mit
jenem anderen Propheten sprechen: „Ich schweige unter
deiner Rute und tue den Mund nicht auf, weil du es
getan." (Ps. 38, 16.) Mit einem Worte, es wird immer
wahr bleiben: Wer teilhaben will an Christus, dem
Verherrlichten, wird zuerst teilnehmen müssen mit
Christus, dem Gekreuzigten (Röm. 8, 17.).
Wohlan
also, meine Tochter, seien Sie hohen Mutes und setzen
Ihre Hoffnung auf Gott, auf seine Vorsehung, auf die
Ewigkeit. Amen.
10.
Man soll sein Kreuz stets betrachten im Lichte des
Kreuzes Christi.
An eine
Dame.
Werteste
Frau! Hat Gott Ihnen mehr Kraft und Starkmut verliehen,
um Ihre Widerwärtigkeiten zu ertragen, so sei seine Güte
dafür gepriesen, die allezeit bereit ist, den Seelen
beizustehen, die auf sie hoffen. Hoffen Sie also immer
auf den Herrn, liebe Frau, und um ein Recht darauf zu
haben, bleiben Sie stets sein Eigentum und opfern
oftmals Ihr Herz seiner Liebe auf demselben Altare des
Kreuzes, auf welchem er das seinige aus Liebe zu Ihnen
geopfert hat.
Das Kreuz
ist die königliche Pforte zu dem Tempel der Heiligkeit.
Wer diese auf einem anderen Wege sucht, findet niemals
eine Spur davon.
Beste
Frau, ich werde Ihnen nicht sagen, Sie möchten Ihre
Widerwärtigkeiten nicht beachten; Ihr schlagfertiger
Geist würde mir entgegnen, dieselben machen sich Ihnen
nur allzu fühlbar durch den herben Schmerz, den sie
Ihnen verursachen. Wohl aber sage ich Ihnen: Sie sollen
Ihr Kreuz nicht anders betrachten als im Lichte des
Kreuzes Christi; es wird das Ihrige Ihnen dann entweder
winzig klein oder doch so annehmlich vorkommen, dass
Ihnen das damit verbundene Leiden lieber ist als alle
Genüsse und Freuden ferne davon.
Da fällt
mir das äußere Kreuz ein, welches Sie an Ihrem Herzen
trugen, als ich zuletzt die Freude hatte, Sie zu sehen:
lieben Sie recht Ihr Kreuz, teure Frau; denn es ist ganz
von Gold, wenn Sie es mit den Augen der Liebe
betrachten. Sehen Sie freilich auf der einen Seite die
Liebe Ihres Herzens tot und gekreuzigt unter Nägeln und
Dornen, so finden Sie auf der anderen eine Fülle
herrlicher Edelsteine, aus denen die Krone der Glorie
gebildet wird, die Ihnen beschieden ist, wenn Sie jetzt
mit rechter Liebe die Dornenkrone tragen wollen mit
Ihrem Könige, der so vieles leiden wollte, um einzugehen
in seine Herrlichkeit.
Sie sehen
wohl, wie mein Herz sich erweitert, indem ich mit Ihnen
rede, wie es übersprudelt von Liebe zu Ihrer Seele.
Mögen Sie mir auch häufig vor Gott Ihre Liebe beweisen,
indem Sie sein Erbarmen über mich herabflehen, der ich
in Wahrheit verbleibe Ihr u. s. w.
11.
Die Betrachtung des Leidens Christi ist der beste Trost
in der Trübsal.
An eine
Dame.
Es ist
die Wahrheit, teure Tochter, nichts vermag in dieser
Welt uns eine größere Beruhigung zu gewähren, als die
häufige Betrachtung unseres Herrn in all den Trübsalen,
die er von seiner Geburt bis zu seinem Tode zu erdulden
hatte.
Da sehen
wir so viel Verachtung, Verleumdung, Armut, Entbehrung,
Erniedrigung, Schmerz und Qual, Entblößung, Unbilden und
Bitterkeiten aller Art, dass wir begreifen werden: im
Vergleiche damit können wir nur mit Unrecht die kleinen
Unannehmlickeiten, die uns zustoßen, Trübsal, Leiden und
Widerwärtigkeiten nennen; nur mit Unrecht glauben, für
solche Kleinigkeiten der Geduld zu bedürfen. Nur ein
einziges Tröpflein Bescheidenheit reicht hin, uns alles,
was uns vorkommt, in der rechten Weise ertragen zu
helfen.
Der
Zustand Ihrer Seele ist mir genau bekannt, und es ist
mir, mit, als sehe ich sie fortwährend vor mir mit all
den kleinen Regungen der Traurigkeit, der Bestürzung und
Unruhe, welche nur deshalb so verwirrend auf dieselbe
einwirken können, weil in Ihrem Willen das Fundament der
Liebe zum Kreuze und zur Erniedrigung nicht tief genug
gelegt ist. Meine teure Tochter, ein Herz, welches Jesus
Christus den Gekreuzigten recht ernstlich verehrt und
liebt, liebt auch den Tod, das Leiden, die Marter, die
Anspeiung, die Beschimpfung, die
Entbehrung, den Hunger und Durst, sowie die Schmach, die
er erduldet; ist es
ihr aber vergönnt, selber ein klein wenig Anteil daran
zu nehmen, so jubelt sie deshalb auf vor Freude und
umfasst mit inniger Liebe dieses ihr Glück.
Sie
müssen daher täglich, nicht beim eigentlichen Gebete,
sondern beim Spaziergange sich unseren Herrn in den
Mühsalen unserer Erlösung vorstellen, müssen beherzigen,
welches Glück für Sie darin liegt, daran teilnehmen zu
dürfen und zu sehen, bei welchen Anlässen dieses Glück
Ihnen begegnen kann, das heißt, auf welche Widersprüche
Sie mit Ihren Wünschen stoßen werden, namentlich mit
jenen, welche Sie als ganz besonders gut und berechtigt
ansehen. Alsdann rufen Sie, durchdrungen von großer
Liebe zu dem Kreuz und Leiden des Erlösers, mit dem hl.
Andreas aus: „O süßes, von meinem Heiland so heiß
geliebtes Kreuz, wann wirst du mich auf deine Arme
nehmen!”
Bemerken
Sie wohl, meine teure Tochter, dass es eine übergroße
Verweichlichung verrät, wenn wir einen Zustand Armut
nennen wollen, in welchem wir weder Hunger, noch Kälte,
noch Schmach zu leiden, sondern bei Verfolgung unserer
Ziele nur mit einigen Unbequemlichkeiten zu kämpfen
haben. Wenn wir uns wiedersehen, so erinnern Sie mich
daran, dass ich Ihnen etwas sage über diese Verzärtelung
und Verweichlichung Ihres lieben Herzens. Denn für Ihre
Ruhe und Ihren Frieden ist es vor allen Dingen nötig,
dass Sie von dieser Schwäche geheilt werden und einen
rechten Begriff von der Ewigkeit bekommen. Wer sich
diese recht oft vorstellt, der macht sich nur wenig mehr
daraus, was ihm in den drei, vier Augenblicken des
sterblichen Lebens widerfährt.
Nachdem
Sie die halbe Adventszeit hindurch das Fasten
durchgeführt haben, mögen Sie nun auch damit fortfahren
bis zu Ende. Auch können Sie zwei Tage nacheinander
kommunizieren, wenn ein Fest einfällt. Gehen Sie mit
rechter Andacht, auch nach dem Frühstück, zur heiligen
Messe; so ist's alter Brauch in der Christenheit. Auf
solche Kleinigkeiten achtet unser Herr nicht. Die
Ehrfurcht liegt im Herzen, und Ihr Geist darf bei
solchen kleinlichen Bedenken sich nicht aufhalten. Leben
Sie wohl, meine teure Tochter, und zählen Sie stets ganz
auf mich, wie ich mich in aller Wahrheit als den Ihrigen
bekenne. Gott segne Sie. Amen.
12.
Grundsätze, um trotz aller Widerwärtigkeiten auf
dem Wege der Gottseligkeit zu beharren.
An eine
Dame.
Annecy,
den 26. April 1622.
Möge der
Heilige Geist mir eingeben, was ich Ihnen schreiben
soll, werteste Frau, oder vielmehr, wenn Sie wollen,
teuerste Tochter! Um auf dem Wege der Gottseligkeit zu
beharren, braucht man nur seinem Geiste gewisse
treffliche Grundwahrheiten nachdrücklich einzuprägen.
Die erste
Wahrheit, von der ich Sie durchdrungen wünsche, ist der
Grundsatz des hl. Paulus: „Denen, die Gott lieben,
gereicht alles zum Besten.“ (Röm. 8, 28.) Und wirklich,
da es in Gottes Macht steht, das Böse zum Guten zu
lenken, für wen sollte er es denn tun, wenn nicht für
diejenigen, die sich ohne Rückhalt ihm geschenkt haben?
Ja sogar die Sünden, vor denen uns Gott in seiner Güte
bewahren wolle, werden durch seine göttliche Vorsehung
zum Besten derer gewandt, die ihm angehören. Niemals
würde David zu dieser tiefen Demut gelangt sein, wenn er
nicht gesündigt hätte; und Magdalena wurde ihren Heiland
nicht so innig geliebt haben, wenn er ihr nicht so viele
Sünde vergeben hätte; er hätte sie ihr aber nicht
vergeben können, wenn sie dieselben nicht begangen
hätte.
Sie
sehen, teure Tochter, was dieser kunstreiche Meister des
Erbarmens vermag; er verwandelt unsere Armseligkeiten in
Gnaden und bereitet aus dem Schlangengifte unserer
Missetaten eine heilende Arznei für unsere Seele.
Sagen Sie
mir nun, ich bitte Sie, was wird er nicht erst alles aus
den Trübsalen, Mühseligkeiten und Verfolgungen machen,
die man uns bereitet? Stößt Ihnen also jemals wieder
etwas Betrübendes zu, mag es kommen, woher es will, so
geben Sie Ihrer Seele die Versicherung, wenn sie Gott
recht liebe, werde sich alles zum Besten lenken.
Vermögen Sie auch nicht abzusehen, durch welche
Verkettung der Umstände dies geschehen soll, so halten
Sie nur desto mehr fest an der Überzeugung, dass es
geschehen wird. Legt Gott Ihnen den Kot der Schmach auf
die Augen (Wie der Herr tat bei der Heilung des Blinden:
Joh. 9, 6 - 11.), so geschieht es nur, um Ihnen schönere
Aussichten zu eröffnen und Sie vor aller Augen zu Ehren
zu bringen. Lässt Gott Sie fallen, wie er den hl. Paulus
zu Boden stürzte, so will er Sie nur zu höherer
Herrlichkeit emporheben.
Der
zweite Grundsatz ist: Gott ist Ihr Vater. Sonst würde er
Ihnen nicht befehlen, zu beten: „Vater unser, der du
bist im Himmel.” Was haben Sie aber als Kind eines
solchen Vaters zu fürchten, ohne dessen Willen nicht
einmal ein Haar von Ihrem Haupte fällt? (Luk. 21, 18.)
Wunder muss es nehmen, dass wir als Kinder eines solchen
Vaters noch eine andere Sorge kennen als die, ihn recht
zu lieben und ihm mit aller Treue zu dienen. Sorgen Sie
daher für Ihre eigene Person und für Ihre Familie nur,
insoweit Gott es will, und nicht mehr; denn dann werden
Sie sehen, dass er die Sorge für Sie übernimmt. „Denke
an mich," sprach er zu der hl. Katharina von Siena,
deren Fest wir heute feiern, „und ich werde an dich
denken.” „O ewiger Vater,” spricht der Weise, „deine
Vorsehung regiert alles.” (Weish. 14, 3.)
Der
dritte Grundsatz, an den Sie sich halten sollen, ist
der, den der Herr seine Apostel gelehrt hat: „Woran hat
es euch gemangelt?” Sehen Sie, liebe Tochter, unser
Heiland hatte seine Apostel da und dorthin geschickt
ohne Geld, ohne Stab, ohne Schuhe, ohne Reisetasche,
bloß mit einem Leibrock angetan, und
sprach dann nachher zu ihnen: „Als ich euch also
fortgeschickt habe, hat es euch an etwas gemangelt?” Und
sie erwiderten: „Nein!” (Luk. 22, 35.) Nun denn, meine
Tochter, wann immer Sie in Trübsal waren, selbst zur
Zeit, als Sie noch nicht so viel Vertrauen auf Gott
hatten, sind Sie etwa zugrunde gegangen in der Trübsal?
Sie müssen sagen: Nein. Warum sollte Ihnen also den
weiteren Widerwärtigkeiten gegenüber der Mut sinken?
Gott hat Sie bisher nicht verlassen; wie sollte er jetzt
Sie verlassen, da Sie mehr als je ihm angehören ?
Machen
Sie sich keine Sorge wegen eines künftigen Übels auf
dieser Welt; denn vielleicht kommt es gar nicht, und
sollte es auch kommen, so wird auf alle Fälle Gott Sie
stärken. Er befahl dem hl. Petrus, über die Wasserwogen
hin zu wandeln; als dieser aber den Wind und den Sturm
sah, geriet er in Furcht, und die Furcht bewirkte, dass
er zu sinken begann. Da rief er seinen Meister um Hilfe
an, und dieser sprach zu ihm: „Kleingläubiger warum hast
du gezweifelt?” Alsdann streckte er die Hand aus und
brachte ihn in Sicherheit (Matth. 14, 28 - 31.). Heißt
also Gott auch Sie wandeln auf den Fluten der Trübsal,
so zweifeln Sie nicht, zagen Sie nicht; Gott ist mit
Ihnen; seien Sie guten Mutes, Sie werden gerettet
werden.
Der
vierte Grundsatz ist der Gedanke an die Ewigkeit. Es
liegt wenig daran, was ich während dieser vergänglichen
Augenblicke bin, wenn ich nur ewig in der Herrlichkeit
meines Gottes bin. Meine Tochter, wir gehen der Ewigkeit
entgegen, fast stehen wir schon mit einem Fuße auf der
Schwelle derselben. Wenn sie nur eine glückliche für uns
ist, was liegt dann daran, ob diese flüchtigen
Augenblicke voll Leid für uns waren? Ist es möglich zu
wissen, dass unsere Leiden, die nur drei oder vier Tage
dauern, uns so viel himmlische Tröstung verschaffen, und
sie dennoch nicht ertragen zu wollen?
„Was
nicht kann für ewig sein,
Ist nur
alles leerer Schein.”
Der
fünfte Grundsatz ist der Wahlspruch des Apostels: „Es
sei ferne von mir, mich zu rühmen, außer im Kreuze
meines Jesus.“ (Gal. 6, 14.)
Pflanzen
Sie Jesus Christus den Gekreuzigten in Ihr Herz, und
alles Kreuz dieser Welt wird Ihnen wie Rosen erscheinen.
Wer mit den Dornen der Krone unseres Herrn verwundet
ist, empfindet kaum noch einen anderen Stich.
Alles,
was ich Ihnen hier sage, finden Sie auch in dem dritten,
vierten oder fünften und im letzten Buche meiner Schrift
„Über die Liebe Gottes”. Manches hierher Gehörige finden
Sie auch in Granadas trefflicher „Lenkerin der Sünder”.
Ich muss nun schließen; man drängt mich. Schreiben Sie
mir mit allem Vertrauen und bemerken es mir, wenn Sie
glauben, dass ich etwas für Ihr Herz tun kann. Von
Herzen gern will ich helfen, soviel ich kann; denn ich
bin und bleibe Ihr aufrichtig ergebener u. s. w.
13.
Nach so kurzer Wanderung auf dem Kreuzwege dürfen wir
nicht schon Ruhe verlangen. Verhalten bei innerer
Verlassenheit.
An Frau
von Chantal.
Den 18.
Februar 1605.
Ich
preise Gott für die Standhaftigkeit, mit welcher Sie
Ihre Trübsale ertragen. Freilich will es mir scheinen,
als ob Sie noch nicht ganz frei seien von aller Ungeduld
und Hast, wodurch die Hauptwirkung der Geduld vereitelt
wird.
„In
eurer Geduld”, spricht der Sohn Gottes, „werdet Ihr eure
Seelen besitzen.” (Luk. 21, 19.) Das also ist die
Wirkung der Geduld, uns den Besitz unserer Seelen zu
sichern, und je vollkommener die Geduld ist, desto
vollständiger und ausgiebiger kommen wir in den Besitz
der Seele. Die Geduld aber wird umso vollkommener, je
weniger Hast und Unruhe ihr beigemischt ist. Möge also
Gott Sie befreien von diesen beiden Unzuträglichkeiten,
und alsbald werden Sie auch freie Hand bekommen über
Ihre Seele.
Nur Mut,
meine teure Schwester, ich bitte Sie! Erst drei Jahre
haben Sie die Beschwerden der Pilgerschaft ertragen, und
schon wollen Sie Ruhe haben!
Aber
bedenken Sie zwei Dinge: einmal dass die Kinder Israels
vierzig Jahre in der Wüste zubringen mussten, bevor sie
das Land erreichten, das ihnen als Wohnstätte verheißen
war; und doch wären sechs Wochen vollkommen ausreichend
gewesen, die ganze Reise mit Bequemlichkeit
zurückzulegen.
Man
durfte nicht fragen, warum Gott sie so weite Umwege
machen ließ und weshalb er sie auf so rauhen Wegen
führte, und alle, die darüber murrten, starben vor der
Ankunft. Dann aber zweitens bedenken Sie, dass Moses,
der größte Freund Gottes aus der ganzen Volksschar, an
den Grenzen des Landes der Ruhe starb, wo sein Blick in
die Gefilde desselben hinüberschaute, ohne dass ihm der
Genuss ihrer Segnungen vergönnt war.
Wollte
Gott, wir möchten wenig darauf achten, auf was für einem
Wege wir dahinwallen, möchten vielmehr unsere Blicke
fest auf den richten, der unser Führer ist, und auf das
selige Land, zu welchem er uns hingeleitet. Was kann uns
daran liegen, ob unser Weg durch Wüsteneien oder durch
lachende Gefilde führt, wenn nur Gott mit uns ist und
wir in das Paradies gelangen? Folgen Sie mir, ich bitte
Sie, und setzen sich soviel wie möglich über Ihr Leid
hinweg; und sollte es sich Ihnen dennoch fühlbar machen,
so sehen Sie es wenigstens nicht an; denn der Anblick
würde in Ihrem Herzen eine Furcht hervorrufen, welche
schlimmer wäre als das Leid selber. Verbindet man doch
denen die Augen, gegen welche man einen schweren Schlag
mit dem Schwerte führen will.
Es
scheint mir, als beschäftigen Sie sich etwas zu viel mit
der Betrachtung Ihres Leides.
Wenn Sie
mir aber sagen, es sei eine harte Sache, zu wollen und
nicht zu können, so will ich Ihnen nicht entgegnen, man
möge dann wollen, was man kann, sondern gebe Ihnen zu
bedenken, dass es vor Gott schon ein großes Können ist,
wollen zu können. Gehen Sie aber weiter und denken an
die große Verlassenheit unseres göttlichen Meisters im
Ölgarten; sehen Sie, wie der teure Sohn, nachdem er
seinen gütigen Vater um Trost gebeten, aber dann
wahrgenommen hatte, dass dieser ihm solchen nicht wolle
zuteil werden lassen, nicht weiter daran denkt, sich
nicht ferner darum bemüht, nicht mehr danach verlangt,
sondern vielmehr, gleich als hätte er nie nach Trost
begehrt, beherzt und mutig das Werk unserer Erlösung
vollbringt.
Haben Sie
also den Vater um Trost gebeten, und gefällt es ihm
nicht, Sie zu erhören, so denken Sie nicht ferner daran,
sondern nehmen Ihren Mut zusammen, um das Werk Ihres
Heiles am Kreuze zu vollenden, gleich als sollten Sie
nie wieder herabsteigen von dem Kreuze, und als sollte
nie mehr ein freundlicher Sonnenstrahl die dunklen
Wolken über Ihrem Haupte durchbrechen. Was wollen Sie?
Man muss Gott erkennen und mit ihm reden im Rollen des
Donners und beim Brausen des Sturmwindes; man muss ihn
auch wahrzunehmen wissen im Gestrüppe, inmitten des
lodernden Dornbusches.
Um aber
dazu imstande zu sein, muss man freilich die Schuhe
ablegen und allen eigenen Wünschen und Neigungen
vollständig entsagen. Doch hat die göttliche Güte Sie
nicht zu der Laufbahn berufen, in welcher Sie sich
befinden, ohne Ihnen zu allem diesem die nötige Kraft zu
verleihen. Gottes Sache ist es, das angefangene Werk zu
vollenden. Allerdings wird es etwas lang damit, aber der
Stoff fordert es so. Also Geduld!
Kurz, um
der Ehre Gottes willen ergeben Sie sich gänzlich in
seinen Willen und glauben ja nicht, ihm auf andere Weise
besser dienen zu können. Man dient ihm niemals gut, wenn
man ihm anders dient, als er will.
Nun ist
es aber sein Wille, dass Sie ihm dienen sollen ohne
Geschmack, ohne Gefühl, mit Widerwillen und inneren
Kämpfen. Dieser Dienst sagt Ihnen nicht zu, wohl aber
ihm; er ist nicht nach Ihrem Sinn, wohl aber nach dem
seinigen.
Stellen
Sie sich vor, Sie sollten nie von Ihren Beängstigungen
befreit werden; was würden Sie dann tun? Sie würden zu
Gott sprechen: Ich bin dein; sind dir meine Leiden
angenehm, so vermehre ihre Zahl und Dauer. Ich vertraue
zu Gott, Sie würden so sprechen, und dann nicht weiter
daran denken, oder doch wenigstens sich nicht ferner
deswegen beunruhigen. Tun Sie das gleiche jetzt und
gewöhnen sich so an Ihre Plage, als sollten Sie immer
mit ihr zusammenleben. Sie werden sehen, wenn Sie selbst
nicht mehr an eine Befreiung davon denken, so wird Gott
daran denken, und wenn Sie sich nicht mehr deswegen
abmühen, wird Gott Ihnen zu Hilfe eilen.
Doch
genug hiervon, bis Gott mir Gelegenheit geben wird, mich
nach Wunsch des Näheren darüber auszusprechen, und
wollen wir uns recht darauf freuen, wenn wir einander
mit Gottes Hilfe einmal persönlich wiedersehen.
Nur ja
recht fest geblieben! Nichts möge Sie zum Wanken
bringen. Noch ist es Nacht; aber der Tag bricht an;
nicht lange wird's mehr dauern. Inzwischen aber lassen
Sie uns die Worte Davids befolgen: „Des Nachts erhebet
eure Hände zum Heiligtume und lobet den Herrn.” (Ps.
132, 2.) Preisen wir ihn von ganzem Herzen und flehen
ihn an, uns Lotse, Schiff und Hafen zu sein.
14. Je
größer das Kreuz, desto höher das Verdienst.
Aus einem
Briefe an Frau von Chantal.
La Roche,
den 19. Februar 1603.
Sie sagen
mir, Sie hätten noch immer Ihr schweres Kreuz zu tragen;
es drücke dasselbe Sie aber weniger nieder, weil Sie
sich kräftiger fühlen. O Heiland der Welt, das ist ja
vortrefflich! Man muss sein Kreuz tragen; je schwerer es
ist, desto besser wird es uns bekommen. Möge uns also
Gott nur immer schwereres
auferlegen, wenn es ihm nur gefällt, uns auch große
Kraft zu verleihen, es zu tragen! Also nur immer Mut:
„Wenn du Vertrauen hast, wirst du die Herrlichkeit
Gottes schauen.” (Joh. 11, 40.)
15.
Bei dem Herrn sein in Trübsal ist besser als ferne von
ihm in Freude.
An
dieselbe.
Den 6.
August 1606.
Sie sagen
mir, dass Sie anfangen, Hand ans Werk zu legen: ach,
mein Gott, das ist ein großer Trost für mich. Fahren Sie
nur fort und legen immer ein bisschen Hand an; spinnen
Sie täglich nur ein klein wenig, sei es bei Tage, im
Lichte innerer Freudigkeit und Erleuchtung, sei es bei
Nacht beim trüben Lampenschein, in Schwäche und
Trockenheit.
Um
deswillen lobt der Weise das starke Weib und rühmt von
ihr: „Ihre Finger handhabten die Spindel.” (Spr. 31,
19.) Wie gerne möchte ich Ihnen über dieses Wort noch
etwas sagen. Der Spinnrocken (stabförmiges Gerät, an
dem beim Spinnen die noch unversponnenen Fasern
befestigt bzw. umwickelt werden) ist gleichsam die
Gesamtheit Ihrer Wünsche. Spinnen Sie täglich etwas
davon ab, ziehen Sie den Faden Ihrer Vorsätze heraus in
die Ausführung, und Sie werden damit zu Ende kommen.
Aber hüten Sie sich vor Übereilung; sonst wird Ihr Faden
sich in Knoten verwickeln und Ihre Spindel durcheinander
geraten. Nur immer vorwärts! Geht es auch nur langsamen
Schrittes, so werden wir doch einen weiten Weg
zurücklegen.
Ihre
Schwächen schaden Ihnen viel, sagen Sie; denn Sie finden
sich dadurch gehindert an der Einkehr in sich selbst und
an der Vereinigung mit Gott. Das ist ganz gewiss nicht
wohl gesprochen. Gott belässt uns in solchem Elende zu
seinem Ruhme und zu unserem größten Nutzen. Nach seiner
Absicht soll unser Elend der Thron seiner Barmherzigkeit
und unsere Schwäche der Ehrensitz seiner Allmacht
werden. Worin anders beruhte die Stärke, die Gott dem
Samson verliehen hatte, als in dessen Haare, dem
schwächsten Teile seines Körpers? Möge ich nie wieder
solche Reden hören von einer Tochter, die Gott nach
dessen göttlichem Willen, und nicht nach eigenem
Geschmack und wechselnder Laune dienen will. „Mag er
auch mich töten,” spricht Job, „so will ich dennoch auf
ihn hoffen.” (Hiob. 13, 15.) Nein, meine Tochter, solche
Schwachheiten hindern Sie nicht, in sich selbst
einzukehren; dieselben hindern Sie nur, Gefallen an sich
zu finden.
Wir
begehren stets bald dies, bald das, und obwohl wir
unseren süßen Jesus im Herzen haben, sind wir gleichwohl
nicht zufrieden; und doch, was können wir mehr wünschen?
Nur eins ist notwendig, nämlich bei ihm zu sein.
Sie
wissen wohl, weine liebe Tochter, dass die Hirten bei
der Geburt unseres Herrn erhabene, göttliche Gesänge
himmlischer Heerscharen vernahmen; die Heilige Schrift
berichtet es; nicht aber steht geschrieben, dass die
seligste Jungfrau und der hl. Joseph, die doch dem Kinde
am nächsten waren, die Stimme der Engel gehört oder das
wunderbare Himmelslicht geschaut hätten.
Im
Gegenteil, anstatt des Gesanges der Engel vernahmen Sie
das Weinen des Kindes, und bei dem schwachen Scheine
einer erborgten Lampe sahen sie, wie die Augen des
göttlichen Kindes mit Tränen gefüllt und seine Glieder
starr waren vor Kälte. Nun sagen Sie mir einmal
aufrichtig, hätten Sie nicht auch vorgezogen, in dem
düsteren, von dem Geschrei des kleinen Säuglings
wiederhallenden Stalle zu verweilen, als draußen mit den
Hirten zu jubeln vor Freude über den Zauber der
himmlischen Klänge und über die Schönheit jenes
wunderbaren Lichtes?
„Ja,
Herr,” so sprach Petrus bei der Verklärung, deren
Andenken die Kirche heute am 6. August feiert, „hier ist
gut sein.” (Matth. 17, 4.) Und doch war Ihre Äbtissin
(Die hl. Maria.) nicht mit dort, sondern nur auf dem
Kalvarienberg, wo sie nichts sah als Tod, Nägel, Dornen,
Ohnmacht, Finsternis, Überantwortung und Verlassenheit.
Das ist
genug gesagt, meine Tochter, ja mehr als ich sagen
wollte über einen Gegenstand, der bereits so oft
zwischen uns besprochen worden ist. Ich bitte Sie also:
nichts mehr davon! Lieben Sie den gekreuzigten Gott in
der Finsternis und sprechen: „Hier ist gut sein, hier
lasst uns drei Hütten bauen,“ dem Herrn eine, Maria eine
und Johannes eine. Drei Kreuze dabei, nicht mehr;
stellen Sie sich unter das des Sohnes oder unter das der
Mutter, Ihrer Äbtissin, oder das des Jüngers, überall
werden Sie wohl aufgenommen werden mit allen Töchtern
Ihres Ordens, die da rings umherstehen.
Um der
Ehre Gottes willen beschwöre ich sie, meine Tochter,
fürchten Sie doch Gott nicht; er will Ihnen ja nichts
Böses zufügen: lieben Sie ihn vielmehr von ganzem
Herzen; er hat ja nur Gutes für Sie im Sinne. Gehen Sie
ruhig Ihres Weges unter dem Schirm unserer Entschlüsse
und weisen Sie das Nachgrübeln über Ihr Leid ab wie eine
grausame Anfechtung.
Was soll
ich sagen, um diese Flut von Gedanken in Ihrem Herzen
einzudämmen? Geben Sie sich keine Mühe, dasselbe heilen
zu wollen; denn diese Bemühung macht es erst recht
krank. Quälen Sie sich nicht damit ab, Ihre Versuchungen
zu überwinden; denn diese Anstrengung würde dieselben
nur verstärken. Verachten Sie dieselben vielmehr und
halten sich nicht dabei auf. Werfen Sie sich in Gedanken
an die Brust des gekreuzigten Heilandes, küssen seine
Seite und sprechen zu hundert Malen: Hier ist meine
Hoffnung, hier der lebendige Quell meines Glückes, hier
das Herz meiner Seele, die Seele meines Herzens; nichts
wird mich jemals von seiner Liebe scheiden (Röm. 8,
35.).
Ich halte
ihn und will ihn nimmer lassen (Hohel. 3, 2.), bis er
mich an den Ort der Sicherheit gebracht hat. Wiederholen
Sie oftmals: Was begehre ich auf Erden und was verlange
ich im Himmel außer dir, o mein Jesus? Du bist meines
Herzens Gott und das Erbe, nach dem ich verlange in
Ewigkeit (Ps. 72, 26.). Was fürchten Sie, meine Tochter?
Hören Sie doch, wie der Herr dem Abraham und auch Ihnen
zuruft: „Fürchte dich nicht; ich will dein Schutz sein!“
(1 Mos. 15, 4.) Was suchen Sie anders auf Erden als
Gott, und den haben Sie ja. Bleiben Sie standhaft in
Ihrem Entschlusse! Verlassen Sie nicht das Schifflein,
in welchem ich Sie eingeschifft habe; mag dann Sturm
lind Orkan kommen, Jesus lebt, Sie werden nicht zu
Grunde gehen. Mag er auch schlafen: zur rechten Zeit und
Stunde wird er erwachen und Ihnen die Ruhe zurückgeben.
Unser hl. Petrus, so erzählt die Schrift (Matth. 8, 23 -
26.), als er sah, dass der Sturm überhand nahm, bekam
Furcht; und sobald er sich fürchtete, fing er an zu
sinken und kam in Gefahr zu ertrinken, so dass er
ausrief: „Herr, rette mich!” Der Heiland aber nahm ihn
bei der Hand und sprach zu ihm: „Kleingläubiger, warum
zweifelst du?” Betrachten Sie diesen heiligen Apostel;
trockenen Fußes wandelt er auf dem Wasser; weder Wind
noch Wellen können ihn zum Sinken bringen; aber die
Furcht vor Wind und Wellen wäre sein Untergang, wenn
sein Meister ihn nicht rettete.
Überhaupt
ist die Furcht ein größeres Übel als das Übel selbst. O
du Kleingläubige, was fürchtest du? Nein, fürchten Sie
nicht; auch Sie wandeln über das Meer dahin zwischen
Wind und Welle, aber auch bei Ihnen ist Jesus. Was ist
da zu fürchten? Wandelt Sie aber doch Furcht an, so
rufen Sie laut: Herr, rette mich! Er wird Ihnen die Hand
reichen; halten Sie dieselbe fest und wandeln weiter in
Freuden. Kurzum, grübeln Sie nicht über Ihr Leid, geben
Sie den Anfechtungen keine Antwort, sondern gehen frisch
voran. Nein, Gott kann Sie nicht sinken lassen, solange
Sie, um ihn nicht zu verlieren, Ihren Vorsätzen treu
bleiben. Mag auch die Welt in Trümmer gehen, mag alles
aufgehen in Finsternis, Rauch und Getöse: Gott ist ja
bei uns. Wenn aber Gott im Wolkendunkel wohnt auf dem
rauchenden, Donner und Blitze sprühenden Berge Sinai (2
Mos. 19, 16 - 20.), wird es uns denn nicht wohl sein bei
ihm?
Leben Sie
wohl, liebe Tochter, leben Sie ganz in Gott und fürchten
den Tod nicht; der gütige Jesus ist ganz unser; seien
wir ganz sein. Nur Mut, meine Tochter!
Ganz der
Ihrige u. s. w.
16.
Gott zeigt sich uns mehr in der Trübsal als im Glück.
An
dieselbe.
Am Feste
Kreuzerhöhung, den 14. September 1606.
Haben Sie
keine Sorge um mich wegen alles dessen, was Sie mir
schreiben. Denn, sehen Sie, mit Ihren Angelegenheiten
geht es mir wie einst dem Patriarchen Abraham. Er
schlief an einem grauenhaften Orte bei tiefer
Finsternis. Da kam ein großer Schrecken über ihn, aber
es währte nur kurze Zeit. Denn alsbald leuchtete
Feuershelligkeit vor ihm auf, und er vernahm die Stimme
Gottes, der ihm seinen Segen verhieß (1 Mos. 15, 12.).
Meine Seele durchlebt und empfindet mit Ihnen alle Ihre
Finsternisse und Anfechtungen; der Bericht Ihrer Leiden
erregt mein inniges Mitgefühl; aber ich sehe deutlich,
das Ende wird ein glückliches sein. Denn unser gütiger
Gott lässt uns rechte Fortschritte wachen in seiner
Schule, und Sie sind ja jetzt eine aufmerksamere
Schülerin als zu anderen Zeiten. Schreiben Sie mir nur
offenherzig von Ihren Leiden und Freuden und machen sich
meinetwegen gar keine Sorge; denn mein Herz ist wie
gemacht dafür.
Mut,
meine Tochter, nur vorwärts, vorwärts durch die düsteren
Schluchten, voran, das Kreuz in den Armen in Demut und
Geduld!
Was kommt
darauf an, ob Gott zu uns redet aus Dornen oder aus
Blumen? Allerdings erinnere ich mich nicht, dass er
jemals unter Blumen gesprochen, wohl aber, dass er
oftmals in der Wüste und auf Dorngestrüpp geredet hat.
Also auf,
meine Tochter, rüstig weiter gewandert, sei das Wetter
auch schlecht und finster die Nacht! Auf alle Fälle aber
schreiben Sie mir immer recht aufrichtig. Das ist meine
Hauptforderung, dass Sie ganz offenherzig gegen mich
sind; denn darauf kommt alles an; schließen Sie Ihre
Augen vor jeder Rücksicht auf meine Ruhe; glauben Sie
mir, ich werde dieselbe um Ihretwillen nie verlieren,
solange ich Ihr Herz standhaft sehe in dem Streben, Gott
zu dienen; und gewiss nie, wenn es seiner Güte gefällt,
nein, niemals werde ich Sie wanken sehen.
Seien Sie
also ganz unbesorgt.
Nur Mut,
meine teure Tochter, es geht vorwärts mit Gottes Hilfe!
Glauben Sie mir, das trübe Wetter ist günstiger für
unsere Reise, als wenn die Sonne sengende Strahlen auf
unser Haupt herabsendete. Dieser Tage beobachtete ich
die Bienen, welche sich still in ihren Zellen hielten,
weil das Wetter rauh war.
Von Zeit
zu Zeit kamen sie heraus an das Flugloch und schauten
auf, ob es sich nicht aufklärte; gleichwohl eilte es
ihnen nicht mit dem Ausfliegen, sondern sie nährten sich
einstweilen mit ihrem Honigvorrat. O Gott, nur Mut! Das
Licht ist nicht in unserer Gewalt, noch irgend ein Trost
als der, den wir in unserem guten Willen finden; solange
dieser unter der Obhut der heiligen Entschlüsse, die wir
gefasst haben, geborgen und unser Herz mit dem erhabenen
Insiegel (Zeichen eines Siegels) der himmlischen
Kanzler verwahrt ist, haben wir nichts zu fürchten.
Von
meiner Person nur zwei Worte. Seit einigen Tagen fühlte
ich mich halb krank (Bei der Bereisung seines SprengeIs
besuchte der heilige Bischof selbst die unzugänglichsten
Alpenhöhen, wo noch menschliche Niederlassungen sich
fanden. Auf einer dieser Höhen, zu Unserer lieben Frau
von Nancy auf der Cluse = hl. Ort Nancy-sur-Cluses,
angelangt, waren seine Füße von der mühseligen Wanderung
ganz wund und blutig, so dass er 10 Tage später noch
kaum sich aufrecht halten konnte. Gleichwohl gönnte er
sich nur einen Ruhetag und setzte dann seine
Visitationsreise noch bis zum 21. Oktober fort.). Ein
Ruhetag hat mich wieder hergestellt. Von Herzen bin ich
gesund, Gott sei Dank, und ich hoffe, es soll, wie Sie
wünschen, immer besser mit mir werden.
Mein
Gott, mit welcher Freude lese ich in Ihrem Briefe die
Versicherung, dass Sie die Vollkommenheit für meine
Seele fast mehr noch wünschen als für die eigene. Ja, so
gehört es sich für eine echte geistliche Tochter. Aber
lassen Sie Ihrer Einbildungskraft nur freien Lauf, so
weit Sie wollen, dennoch wird sie nicht entfernt den
Grad erreichen, in welchem ich die Liebe Gottes für Sie
ersehne.
Überbringer dieses wird sofort abgehen, und ich habe
sogleich eine Ansprache zu halten an unsere Büßer vom
Kreuze; es erübrigt mir daher noch ein Augenblick, um
Ihnen den Segen zu geben. Ich erteile Ihnen denselben
also im Namen Jesu Christi des Gekreuzigten, dessen
Kreuz unser Ruhm und unser Trost sei, meine Tochter.
Möge dasselbe hoch ausgerichtet stehen in unserer Mitte,
möge es aufgepflanzt sein über unseren Häuptern wie über
dem des ersten Adam (Gemäß einer alten, durch Origenes,
Tertullian, Athanasius, Basilius, Chrysostomus,
Epiphanius, Ambrosius und Hieronymus bezeugten Tradition
soll Adam auf dem Kalvarienberge begraben sein;
wenigstens sei das Haupt desselben nach der Sündfluth =
Sintflut dorthin verbracht worden.
In
tiefsinniger Weise sind in dieser Überlieferung der
Urheber und der Überwinder der Sünde und des Todes
einander nahe gerückt.).
Möge
unser Herz und unsere Seele voll davon sein, wie der
Geist des hl. Paulus, der nichts anderes wusste, als
dies eine! (Vgl. 1 Kor. 2, 3.) Mut, meine Tochter! Gott
ist mit uns. Amen. Für immer verbleibe ich der Ihrige,
wie Gott es weiß, der es so gewollt und durch die Hand
seiner sonderlichen, allmächtigen Vorsehung es also
gefügt hat.
17. Es ist heilbringend und tröstlich, am Kreuze zu
sterben.
An
dieselbe.
Den 7.
Juli 1607.
O mein
Gott, wie sehr verlange ich nach Trost für Sie, teure
Tochter! Versteht sich, wenn es seiner göttlichen
Majestät so wohlgefällig ist; denn wäre es sein Wille,
dass Sie unter dem Kreuze bleiben, so bin ich's
zufrieden. Und sind Sie es nicht ebenfalls, meine
geliebte Tochter? Ja, ohne allen Zweifel. Ist Gottes
Kreuz nicht allezeit süß und reich an Trost? Gewiss,
wofern man an demselben stirbt, wie der Heiland tat.
Wohlan also, teure Tochter, lassen Sie uns an demselben
sterben, wenn's so dienlich ist. Werden wir nicht mutlos
wegen der Stürme, die bisweilen unser Herz verwirren und
die Meeresstille trüben. Töten wir uns ab bis hinab auf
den tiefsten Grund unserer Seele; wenn nur der Geist
unseres teuern Glaubens uns treu bleibt, so lassen wir
nur sonst alles drunter und drüber gehen; wir sind
sicher geborgen. Mag alles in uns ersterben, was liegt
daran, wenn nur Gott in unserem Herzen lebt? Vorwärts,
vorwärts, teure Tochter, wir sind auf gutem Wege! Nicht
rechts noch links geblickt; der Pfad, auf dem wir
wandeln, ist der beste für uns. Verlieren wir keine Zeit
damit, zu betrachten, wie schön doch andere Lebenswege
sind; grüßen wir nur die Wanderer, die dort
vorüberziehen, und rufen wir ihnen zu: Geleit euch Gott,
auf Wiedersehen in der Herberge!
18.
Das Myrrhenopfer.
An
dieselbe.
Den 11.
Januar 1619.
(Der
schöne Gedanke des Briefes ist dem Ideenkreise des
Dreikönigsfestes entnommen, welches die Kirche am 6.
Januar feiert.)
O meine
teuerste Mutter! Haben Sie nur wenig Gold und Weihrauch
zum Opfer für unseren Herrn, so dürfte es Ihnen doch
wohl nicht an Myrrhe fehlen. Ich sehe, auch diese ist
ihm sehr willkommen, gleich als ob die Frucht des Lebens
bei ihrer Geburt wie bei ihrem Tode eingemacht zu werden
begehrte in die Myrrhe der Bitterkeit. Mit einem Worte:
Wohl ist Jesus schön in seiner Herrlichkeit, wohl ist er
über die Maßen gütig zu aller Zeit; doch will es mir
scheinen, als ob er es in noch höherem Grade am Kreuze
sei. Ja, gekreuzigt ist er Ihr Bräutigam für die
gegenwärtige Zeit, teure Mutter, in Zukunft wird er es
sein in seiner Herrlichkeit. Ich bin recht in Sorge
wegen Ihrer Trübsal, wenngleich ich Näheres noch nicht
weiß; aber ich sehe aus den wenigen Worten, die Sie mir
schreiben, dass Sie es lebhaft empfinden.
Seien Sie
aber guten Mutes! Bleibt nur Ihr Herz dem Herrn treu, so
wird er Ihnen nicht mehr aufladen, als Sie tragen können
(1 Kor. 10, 13.); er wird vielmehr uns unsere Last
tragen helfen, wenn er sieht, dass wir dieselbe willig
auf unsere Schultern nehmen. Gott segne Sie und
sämtliche Schwestern!
19.
„Weib, warum weinest du?”
An
dieselbe.
Den 21.
Juli 1615.
Teure
Tochter! Im Evangelium des hl. Johannes im 20.
Hauptstück finden wir Magdalena im Gespräch mit unserem
Herrn. Sich ferne von ihm wähnend, weint sie und befragt
sich bei ihm, und ist so beklommenen Herzens, dass sie,
obwohl ihn sehend, ihn doch nicht sieht.
Hinweg
also mit aller Beängstigung und Mut gefasst! Wir haben
unseren süßen Jesus bei uns; wir sind nicht getrennt von
ihm; wenigstens hoffe ich dies mit aller Zuversicht.
„Warum also weinest Du, o Weib?” (Joh. 20, 15.) Nein, da
gilt es, nicht mehr Weib zu sein, sondern ein männlich
starkes Herz zu haben; und wofern nur unsere Seele
festhält an dem Entschlusse, zu leben und zu sterben in
dem Dienste Gottes, so darf uns keine Finsternis, keine
Schwäche, kein Hindernis zurückschrecken. Kein
Hindernis, sage ich; Magdalena wollte den Herrn umarmen;
aber der gütige Meister richtet eine Schranke vor sich
auf. „Nein,” sprach er, „rühre mich nicht an; denn noch
bin ich nicht zu meinem Vater aufgefahren.“ (Joh. 20,
17.) Dort oben wird es keine Schranke mehr geben;
hienieden muss man sie sich gefallen lassen. Es genüge
uns, dass Gott unser Gott, und unser Herz seine
Wohnstätte ist.
Soll ich
Ihnen noch einen Gedanken sagen, der mir letzthin kam in
der Morgenstunde, die ich für meine arme Seele verwende?
Es war bei der Betrachtung der Bitte des Vaterunsers:
„Geheiliget werde dein Name.” O Gott, sprach ich, wer
gibt mir das Glück, dass ich einst den Namen Jesus auch
ins tiefste Herz derjenigen eingegraben sehe, welche
diesen Namenszug äußerlich an ihrer Brust trägt?
(Francisca v. Chantal hatte sich im Jahre 1606 den
heiligen Namen mit glühendem Eisen auf das Herz
gebrannt. Übrigens erklärte der hl. Franz von Sales,
wenn Frau v. Chantal ihn deshalb um Rat gefragt hätte,
würde er es ihr nicht erlaubt haben.) Ich erinnerte mich
dann auch an die Paläste zu Paris, an deren Vorderseite
die Namen der Fürsten geschrieben stehen, denen sie
zugehören, und freute mich dann in dem Glauben, dass
Ihres Herzens Aufschrift auf Jesus Christus lautet. Möge
er ewig in demselben wohnen!
Beten Sie
recht für mich, der ich mit väterlicher Liebe verbleibe
Ihr u. s. w.
20.
Geistige Kälte darf uns nicht stutzig machen.
Was
heißt, eine Magd des Herrn sein?
An eine
Dame.
Die
Erkaltung Ihres Gemütes, teure Tochter, darf Sie
durchaus nicht stutzig machen. Nur müssen Sie,
ungeachtet dieser Kälte, ruhig in dem Geleise Ihrer
kleinen Übungen fortfahren.
Ach,
meine teure Tochter, sagen Sie an, ist der süße Jesus
nicht im Herzen des kalten Winters geboren worden? Warum
also sollte er nicht auch in einem frostigen Herzen
bleiben wollen? Natürlich meine ich damit eine Kälte,
die nicht etwa in einem Ablassen von unseren guten
Entschließungen besteht, sondern nur in einer gewissen
Mattheit und Schwerfälligkeit des Geistes, infolge deren
wir uns nur mühselig fortschleppen auf dem von uns
eingeschlagenen Wege, den wir nie zu verlassen
entschlossen sind, bis wir im Hafen sind. Nicht wahr,
meine teure Tochter, so meinen Sie es ja auch?
Leben Sie
nur ganz für Gott, und um der Liebe willen, die er zu
Ihnen getragen hat, ertragen Sie sich selbst samt allem
Ihrem Elende.
Eine gute
Magd des Herrn sein heißt ja auch nicht, immer in Trost,
immer in Süßigkeit schwimmen, immer ohne jedweden
Widerwillen und Ekel gegen das Gute sein; sonst wären
weder der hl. Paulus, noch die hl. Angela, noch die hl.
Katharina von Siena rechte Diener Gottes gewesen. Eine
Magd Gottes sein heißt, sich liebreich gegen den
Nächsten erzeigen, heißt in dem höheren Teile des
Geistes mit unwandelbarer Treue an dem Vorsatze
festhalten, dem Willen Gottes zu folgen, heißt mit
tiefster Demut und Einfalt auf Gott vertrauen, und
ebenso oft sich wieder erheben, als man gefallen ist,
sich selber samt all seiner Niedrigkeit ertragen und
Geduld haben mit anderen und deren Unvollkommenheiten.
Im
übrigen wissen Sie, wie sehr mein Herz Ihnen gewogen
ist. Gott sei stets unser ein und alles.
In ihm
verbleibe ich Ihr u. s. w.
21.
Leben nach dem Geiste und Leben nach dem Fleische.
An eine
Schwester von der Heimsuchung.
Es ist
gewiss nicht mehr wie billig, dass ich Ihnen ein paar
Zeilen schreibe; und ich tue es mit Freuden. Wollte
Gott, ich hätte den Geist, der zu Ihrer Tröstung nötig
ist! Nach dem Geiste leben, geliebte Tochter, heißt
denken, reden und handeln gemäß den Tugenden, die des
Geistes sind, und nicht gemäß den Eindrücken und
Empfindungen, die des Fleisches sind. Letztere soll man
beherrschen und in Unterwürfigkeit bringen, nicht aber
von ihnen sein Verhalten bestimmen lassen; jenen
geistigen Tugenden dagegen muss man dienstbar sein und
alles übrige ihnen unterwerfen.
Welches
sind nun diese Tugenden des Geistes, meine Tochter? Es
ist der Glaube, der uns mit Wahrheiten bekannt macht,
welche ganz und gar über den Sinnenbereich hinausliegen;
es ist die Hoffnung, welche uns das Streben nach
unsichtbaren Gütern einflößt; es ist die Liebe, welche
uns Gott über alles, den Nächsten aber wie uns selbst
lieben heißt, nicht mit einer sinnlichen, natürlichen,
selbstsüchtigen, sondern mit einer reinen, echten und
unwandelbaren Liebe, die in Gott gegründet ist.
Sehen
Sie, meine Tochter, der auf das Fleisch sich stützende
Sinn des Menschen ist oft schuld, dass wir uns nicht
vollkommen genug in die Hand Gottes hingeben,
irregeführt von dem Wahne, weil wir nichts wert sind, so
könne Gott auch so wenig Rücksicht auf uns nehmen, wie
die Menschen, die von irdischer Weisheit geleitet
unnütze Leute verachten. Im Gegenteil bleibt der auf dem
Glauben gestützte Geist voll Mut ungeachtet aller
Schwierigkeiten, wohl wissend, dass Gott die Elenden
liebt, erträgt und unterstützt, wenn sie nur auf ihn
hoffen.
Menschlicher Sinn will sich in alles einmischen, was
vorgeht; und er ist so von sich eingenommen, dass er
meint, nichts sei in der Ordnung, wo er nicht seine Hand
mit im Spiel hat. Der Geist dagegen schließt sich an
Gott an und spricht oftmals aus, dass alles ihm nichts
gilt, was nicht von Gott ist; und so wie er aus
Nächstenliebe Anteil nimmt an Mitteilungen, die ihm
gemacht werden, so verzichtet er aus Selbstverleugnung
und Demut gerne darauf, Dinge zu erfahren, die ihm
verheimlicht werden.
Nach dem
Geiste leben, heißt nach dem Geiste lieben; nach dem
Fleische leben, heißt nach dem Fleische lieben; denn die
Liebe ist das Leben der Seele, wie die Seele das Leben
des Leibes ist.
Da ist
eine Schwester von freundlicher, angenehmer Erscheinung,
und ich liebe sie zärtlich; sie ist mir sehr zugetan und
voller Zuvorkommenheit gegen mich; dieserhalb liebe ich
sie auch. Wer sieht da nicht, dass ich liebe nach den
Sinnen und nach dem Fleische? Denn die Tiere, welche
keinen Geist, sondern nur Fleisch und Sinnentätigkeit
haben, lieben ebenfalls ihre Wohltäter sowie jene, die
ihnen gut und freundlich sind.
Eine
andere Schwester ist ungebildet und von herbem,
ungeschliffenem Wesen, aber trotzdem sehr fromm und
selbst auch bemüht, ihr rauhes und ungehobeltes Wesen
abzulegen, und nicht weil ich Freude an ihr habe, nicht
aus irgend einem Interesse, sondern nur nach Gottes
Willen liebe ich sie, suche mich ihr anzunähern, ihr
gefällig und freundlich zu sein. Das ist eine Liebe nach
dem Geiste; das Fleisch hat keinen Teil daran.
Es
mangelt mir das Selbstvertrauen, und aus diesem Grunde
wünschte ich, demgemäß leben zu können: wer sieht nicht,
dass dieses keineswegs nach dem Geiste ist? Gewiss
nicht, teure Tochter; denn so lebte ich ja schon, als
ich noch ganz jung war und vom Geiste noch nichts hatte.
Wenn ich dagegen, obwohl von Natur zaghaft und
schüchtern, dennoch mir Mühe gebe, diese Scheu zu
überwinden und mehr und mehr allen Anforderungen meines
durch den von Gott kommenden Gehorsam mir auferlegten
Amtes zu genügen, wer sieht nicht ein, dass dies nach
dem Geiste leben heißt? Teure Tochter, nach dem Geiste
leben heißt in seinen Handlungen, Reden und Gedanken
vollbringen, was Gott von uns verlangt.
Wenn ich
die Gedanken mit erwähne, so meine ich damit nur die
freiwilligen Gedanken. – Ich bin nicht gut aufgelegt und
will daher nicht sprechen –, so macht es etwa ein
Kutscher oder ein Papagei.
Ich bin
traurig gestimmt; weil aber die Nächstenliebe es
fordert, dass ich rede, so tue ich es –, so machen es
geistliche Leute.
Ich sehe
mich zurückgesetzt, und werde ärgerlich darüber --, so
machen's wohl Pfauen und Affen.
Ich fühle
mich zurückgesetzt und freue mich dessen –, also taten
die Apostel.
Nach dem
Geiste leben heißt also tun, was Glaube, Hoffnung und
Liebe uns lehren, in zeitlichen wie in geistlichen
Dingen.
Leben Sie
ganz nach dem Geiste, teuerste Tochter; bleiben Sie ganz
im Frieden; seien Sie ganz versichert, Gott wird Ihnen
beistehen. Werfen Sie sich bei jedem Vorkommnis in die
Arme seiner Barmherzigkeit und Vatergüte.
Gott sei
stets Ihr Alles! Und ich bin in ihm ganz der Ihrige, wie
Sie wohl wissen.
Ihrem
Herrn Vater geht es wohl, sowie allen, die Ihnen
angehören dem Blute nach; möge es auch also sein mit
allem, was Ihnen angehört dem Geiste nach! Amen.
22.
Der Kampf zwischen dem alten und neuen Menschen.
An die
Mutter von Chatel in L y o n.
(Mitten
unter den glänzenden Festen und Gesellschaften des
französischen Gesandten in Deutschland fühlte dessen
zwanzigjährige Tochter Marie Peronne v. Chatel, reich,
schön und voll Lebenslust, begeistert für Musik und
Dichtkunst, wegen der schönen Lieder und Balladen, die
sie dichtete, wegen ihres lieblichen Gesanges und ihrer
geistreichen Unterhaltungsgabe in den hohen
Gesellschaftskreisen viel umworben geehrt, plötzlich von
einem Strahle der Gnade erleuchtet Überdruss an den
Freuden der Welt. Im Jahre 1608 schloss sie sich unter
den Ersten der ehrwürdigen Francisca v. Chantal an.
Harten Kampf hatte es gekostet, bis die Weltlust allen
Zauber für sie verloren hatte; noch länger aber dauerte
der in dem obigen Briefe so anschaulich geschilderte
Kampf, bis in ihrem Herzen der neue nach Gott
geschaffene Mensch vollends den Sieg errungen hatte. Sie
starb in großer Heiligkeit als eine der ersten Zierden
des Ordens von der Heimsuchung im Jahre 1637.
Vgl.
Bougaud, Leben der hl. Francisca v. Chantal.)
Am Feste
der hll. Simon und Judas,
den 28.
Oktober 1615.
Gewiss,
meine teure Tochter, Sie machen mir eine große Freude,
indem Sie mich Ihren Vater nennen; denn ich habe in
Wahrheit eine väterliche Liebe für Ihr Herz. Allerdings
zeigt sich dasselbe immer noch ein wenig schwach bei den
gewöhnlichen, leichten Widerwärtigkeiten, die vorkommen,
ohne dass ich aber darum aufhöre, es zu lieben. Denn
kommt es demselben auch manchmal vor, als müsste es beim
kleinsten Wort oder Tadel die Fassung verlieren, so hat
es sie doch wirklich bis dahin noch nicht verloren,
dieses arme Herz; denn Gott hat es gehalten mit starker
Hand und nach seiner Barmherzigkeit hat er sein armes
Geschöpf noch niemals verlassen. O meine teure Tochter,
er wird es auch nimmermehr verlassen; seien wir auch
verwirrt und geängstigt durch diese zudringlichen
Versuchungen zum Ärger und Unwillen, so wollen wir
trotzdem doch niemals brechen mit Gott, mit der
seligsten Jungfrau, mit unserer Genossenschaft, welche
ja ihm angehört, noch mit unseren Regeln, die der
Ausdruck seines Willens sind.
Sie haben
vollkommen recht, meine arme liebe Tochter Maria, wenn
Sie sagen, Sie fühlten zwei verschiedene Menschen in
Ihrem Inneren. Der eine ist eine gewisse Maria, die wie
weiland (einst) Petrus ein wenig reizbar und
empfindlich ist und leicht ärgerlich und unwillig wird,
wenn man ihr zu nahe kommt; das ist die Maria,
die eine Tochter Evas und folglich böser Gemütsart ist.
Der andere Mensch ist eine gewisse Maria, welche den
besten Willen hat, ganz Gott anzugehören, und um ihm zu
gehören gewillt ist, die einfältigste Demut und die
demütigste Sanftmut gegen den Nächsten zu üben; sie ist
es auch, die so gerne dem hl. Petrus nachfolgen möchte,
der nach seiner Bekehrung durch den Herrn so herzensgut
war; das ist die Maria, welche die Tochter der
glorwürdigen Jungfrau Maria und demnach von guter
Gesinnung ist.
Die
beiden Töchter dieser so verschiedenen Mütter liegen nun
einander beständig in den Haaren, und die eine, welche
nichts taugt, ist so bösartig, dass die gute zuweilen
alle Mühe hat, sich ihrer zu erwehren, und in solchen
Augenblicken will es der armen guten vorkommen, als sei
sie unterlegen und als sei die Böse tapferer. Aber
gewiss, meine arme liebe Maria, es ist nicht so; die
schlimme ist nicht tapferer als Sie, wohl aber
verkehrter, verschlagener und hartnäckiger; und wenn Sie
sich ans Weinen geben, so ist's ihr eben recht, weil das
immer verlorene Zeit ist. Die Böse ist schon zufrieden,
wenn sie Sie dahin bringt, die Zeit zu verlieren, wenn
sie es denn einmal nicht fertig bringt, dass Sie die
Ewigkeit verlieren.
Meine
liebe Tochter, ermannen Sie sich und fassen Mut; waffnen
Sie sich mit jener Geduld, die wir mit uns selbst haben
müssen; wecken Sie oft Ihr Herz auf, damit es auf seiner
Hut ist und sich nicht überrumpeln lässt. Lassen Sie den
Feind nicht aus den Augen; auch wenn Sie einmal rasten,
so vergessen Sie seiner nicht; denn das böse Mädchen ist
überall hinter Ihnen her, und wenn Sie seiner nicht
gedenken, so sinnt es auf etwas Böses wider Sie. Macht
es aber einen plötzlichen Überfall auf Sie und kommen
Sie dann auch ein wenig ins Wanken und Weichen, so
lassen Sie sich dies nicht verdrießen, sondern rufen den
Herrn und seine heilige Mutter zu Hilfe; diese werden
Ihnen die Hand zum Beistande reichen, und sollten Sie
auch eine zeitlang im Gedränge bleiben, so geschieht
dies nur, damit Sie aufs Neue nach Beistand sich umsehen
und umso stärker um Hilfe rufen.
Zu
schämen brauchen Sie sich wegen dieser inneren Kämpfe
durchaus nicht, teure Tochter; so wenig als der hl.
Paulus, der bekennt, er fühle zwei Menschen in sich,
der eine aufrührerisch, der andere gehorsam gegen Gott
(Vgl. Röm. 7, 15 f.). Lieben Sie recht die Einfalt,
hüten Sie sich vor allem Ärger, demütigen Sie sich, ohne
den Mut sinken zu lassen, ermutigen Sie sich, ohne
vermessen zu werden; bedenken Sie, wenn der Herr und
seine liebe Mutter Sie in das Gedränge der
Haushaltungsgeschäfte versetzt haben, so wissen und
sehen sie auch, wie sehr Sie dadurch bedrängt sind,
hören aber darum nicht auf, Sie zu lieben, wenn Sie nur
recht voll Demut und Vertrauen bleiben. Daraus aber,
meine Tochter, machen Sie sich nichts, wenn Sie ein
wenig beschmutzt oder bestaubt werden; es ist doch
besser, staubig als grindig (schmutzig) zu sein,
und wenn es Sie zur Verdemütigung führt, wird alles sich
zum Guten wenden. Beten Sie recht zu Gott für mich,
meine teure, vielgeliebte Tochter! Gott sei immerdar
Ihre Liebe und Ihr Hort (Schutz / Zufluchtsort)!
Amen.
23.
Die Eigenliebe stirbt nie, solange wir leben.
An eine
Schwester von der Heimsuchung.
Indem ich
mir den Inhalt Ihres Briefes vergegenwärtige, teure
Tochter, in welchem Sie mir mit so vieler Aufrichtigkeit
Ihre Unvollkommenheiten und Leiden schildern, wünschte
ich sehr Ihrem Verlangen entsprechen und Ihnen ein
geeignetes Heilmittel an die Hand geben zu können.
Allein ich habe weder die Zeit dazu, noch auch, dünkt
mir, ist ein wirkliches Bedürfnis dazu für Sie
vorhanden. Denn, meine teure Tochter, für die meisten
Seelenleiden, von denen Sie mir schreiben, gibt es
gewöhnlich keine andere Arznei als den heilenden
Einfluss der Zeit und der Regel, nach welcher Sie leben;
gibt es ja selbst auch körperliche Krankheiten, deren
Heilung einzig durch ein geregeltes Leben bewirkt werden
kann.
Die
Eigenliebe, die Selbstüberschätzung, die falsche
Freiheit des Geistes (Über die wahre Freiheit des
Geistes vgl. S. 170 – 177.) sind ein Unkraut, dessen
Wurzeln man nie ganz aus dem Herzen des Menschen
ausreuten (ausjäten) kann. Das einzige, was man
tun kann, ist, achtzugeben, dass es nicht Frucht
treiben, d. h. uns zur Sünde verleiten kann. Denn ihren
ersten Regungen, ihrem ersten
Aufwallen und Drängen wird man nie sich ganz entziehen
können, solange man in diesem sterblichen Leben ist,
wiewohl man allerdings imstande ist, jene Regungen zu
zügeln, sie einzudämmen und zu sänftigen durch die Übung
der entgegengesetzten Tugenden, namentlich aber der
Liebe zu Gott.
Man muss
also Geduld haben und allmählich seine bösen
Gewohnheiten zu bessern und abzulegen suchen und jeden
Anlass benutzen, um seine Abneigungen zu bekämpfen und
seine Liebhabereien und Launen zu überwinden. Denn im
Grunde, teure Tochter, ist dieses Leben ein beständiger
Kampf, und keiner kann sagen: Ich habe gar keine
Anfechtung.
Ruhe
dürfen mir erst im Himmel erwarten, wo die SIegespalme
unser harrt. Auf Erden ist man in einem unaufhörlichen
Kampf begriffen zwischen Furcht und Hoffnung, wobei
letztere stets die Oberhand behalten muss im Hinblick
auf die Allmacht dessen, der uns beisteht. Ermüden Sie
daher nicht, unablässig an Ihrer Besserung
und Vervollkommnung zu arbeiten. Vergessen Sie nicht,
dass es eine dreifache Liebe gibt, eine Liebe zu Gott,
zu sich selbst und zu dem Nächsten. Ihre Regel gibt
Ihnen Anleitung, die Liebe in allen diesen Beziehungen
zu üben.
Übergeben
Sie oftmals des Tages Ihr ganzes Herz mit all seinen
Sorgen dem Herrn und stimmen mit großem Vertrauen auf
Gott ein in die Worte Davids:
„Dein
bin ich, o Herr, rette mich !” (Ps.118, 94.)
Haben Sie
ein offenes Auge für Ihre ungeordneten Neigungen, um
dieselben auszurotten. Wundern Sie sich niemals darüber,
wenn Sie sich mit allerlei Armseligkeit und bösen
Stimmungen behaftet sehen. Ach, lassen Sie sich bei der
Behandlung Ihres Herzens einzig von dem Bestreben
leiten, dasselbe zu vervollkommnen. Tragen Sie
unermüdlich Sorge, dasselbe mit liebreichster Sanftmut
wieder aufzurichten, wenn es gestrauchelt ist.
Namentlich aber suchen Sie mit allen Kräften dahin zu
arbeiten, dass der höhere Teil Ihrer Seele erstarkt. Ihr
ganzes Leben und Streben sei daher nicht etwa von
frommen Gefühlen und Tröstungen, sondern vielmehr von
jenen Entschlüssen, Vorsätzen und von jener Begeisterung
getragen, welche der Glaube, die Regel, die Stimme der
Oberin und der Vernunft Ihnen einflößen.
Seien Sie
nicht zärtlich gegen sich selbst. Zärtliche Mütter
verwöhnen ihre Kinder. Hüten Sie sich vor weinerlichem
und jammerhaftem Wesen; wundern Sie sich nicht über
diese heftigen Anfälle von Versuchungen, deren Sie sich
kaum erwehren können und die Ihnen so schwer fällt zu
offenbaren. Nein, meine Tochter, wundern Sie sich
durchaus nicht darüber; Gott lässt sie zu, um Sie
wahrhaft demütig zu machen und in Ihren eigenen Augen
recht verwerflich und niedrig erscheinen zu lassen.
Diese Anfechtungen muss man bekämpfen durch Stoßgebete
zu Gott, durch Erhebung des Geistes von dem Geschöpfe zu
dem Schöpfer, verbunden mit einem unablässigen Verlangen
nach der heiligen Demut und Einfalt des Herzens.
Seien Sie
gut gegen den Nächsten und unbeirrt durch die
Zornausbrüche, zu denen Sie noch manchmal sich versucht
fühlen, sprechen Sie eintretenden Falles zu dem
Heilande: „Ich will meine Nebenmenschen lieben, Herr
Gott, himmlischer Vater, weil du sie liebst; du hast mir
sie zu Brüdern und Schwestern gegeben, und es ist dein
Wille, dass ich sie liebe, wie du sie liebst.“ Vor allem
aber lieben Sie die teuren Schwestern, mit welchen die
Hand der göttlichen Vorsehung Sie durch ein himmlisches
Band vereinigt hat; ertragen Sie dieselben und begegnen
ihnen immer mit herzlichster Freundlichkeit und Liebe,
meine teure Tochter. Seien Sie überzeugt, ich fühle mich
von einem ganz besonderen Eifer für Ihren Fortschritt
beseelt; Gott hat mir es so zur Pflicht gemacht.
24.
Eigenliebe und Stolz die Quellen aller Unruhe.
An Rosa
Bourgeois, Äbtissin von Puits-d'Orbe.
Nach dem
18. April 1604.
Jene
große Unruhe samt den übrigen Beunruhigungen, von denen
Sie befallen wurden und die Ihnen so viel Kümmernis
verursacht haben, setzen mich keineswegs in Erstaunen.
Gut, dass es nichts Schlimmeres ist. Lassen Sie sich
daher ja nicht verwirren, meine vielgeliebte Tochter.
Muss man denn von jeder Strömung sich fortreißen lassen
und sich selbst abquälen? Lassen Sie den Feind draußen
vor der Pforte wüten, lassen Sie ihn klopfen und
poltern, schreien, heulen und es so arg treiben, als er
mag; wir sind sicher, dass er nur durch die Pforte
unserer Einwilligung den Eintritt in unsere Seele finden
kann. Halten Sie also dieselbe nur fest zu und sehen
öfter nach, ob sie noch gut verschlossen ist. Um
weiteres kümmern Sie sich nicht; denn Sie haben nichts
zu fürchten.
Sie
ersuchen mich, Ihnen eine kleine Belehrung über den
Frieden der Seele und über die Demut zu schicken. Gerne
möchte ich diesem Verlangen entsprechen, meine teure
Tochter; aber ich weiß nicht, ob ich bei so wenig Zeit
dazu imstande sein werde, indem ich Ihnen, wie Sie
sehen, nur mit drei oder vier Worten antworten kann.
Gewiss geschah es zufolge göttlicher Anregung, dass Sie
in Betreff des Friedens der Seele und in Betreff der
Demut zugleich sich befragen; denn wirklich kann der
eine nicht ohne die andere bestehen.
Nichts
stört den Frieden unserer Seele als die Eigenliebe und
übertriebene Selbstschätzung (Näheres über diesen
Gegenstand in der Abhandlung des heiligen Lehrers „Über
den Frieden der Seele“.). Fühlen wir im Herzen keine
Zärtlichkeit und Rührung, empfinden wir im Gebete weder
Geschmack noch Gefühl, bei der Betrachtung keine innere
Süßigkeit, so geben wir uns gleich der Traurigkeit hin.
Fällt es uns schwer, recht zu handeln, stellt sich
unseren guten Absichten eine Schwierigkeit entgegen, so
sind wir voll Hast und Unruhe, alle diese Hemmnisse zu
überwinden und uns ihrer zu entledigen. Woher das?
Gewiss nur, weil an diesen Tröstungen, Annehmlichkeiten
und Bequemlichkeiten unser Herz hängt. Wir möchten beten
unter einem Tau von Orangenblütenwasser, und möchten die
Tugend üben, wie man Zucker isst; wir schauen aber nicht
hin auf Jesus, der zur Erde niedergesunken Blut schwitzt
vor Todesangst wegen jenes äußersten Kampfes, den er in
seinem Inneren zwischen den Neigungen des niederen
Teiles seiner Seele und den Entschlüssen des höheren
durchzukämpfen hat.
Die
Eigenliebe ist also die eine Quelle unserer Unruhe; die
andere ist die übertriebene Selbstschätzung. Woher kommt
es, dass wir, sobald uns irgend eine Unvollkommenheit
oder Sünde vorfällt, in Staunen, Unruhe und Ungeduld
darüber geraten? Offenbar daher, weil wir uns die rechte
Entschiedenheit und Festigkeit im Guten zutrauen. Werden
wir nun durch Erfahrung gewahr, dass es nichts damit
ist, liegen wir mit der Nase am Boden, so werden wir
verwirrt, ärgerlich und unruhig infolge dieser
Enttäuschung. Wüssten wir recht, was an uns ist, so
würden wir nicht über unseren Fall, wohl aber darüber
erstaunen, wie es möglich ist, dass wir uns aufrecht
halten können. Das ist die zweite Quelle unserer Unruhe.
Wir möchten nur Trost und verwundern uns, wenn wir
unsere Armseligkeit, unser Nichts, unsere Schwäche
wahrnehmen und gleichsam mit Händen greifen können.
Tun wir
dagegen dreieierlei, und wir werden den Frieden haben:
Achten wir recht darauf, bei allem Tun und Lassen rein
nur Gottes Ehre und seine Verherrlichung zu
beabsichtigen; tun wir das Wenige was wir vermögen, in
dieser Meinung, gemäß dem Rate unseres geistlichen
Vaters, und überlassen Gott die Sorge für alles Übrige.
Wer Gott zum Ziele aller seiner Handlungen hat, wer tut,
was er kann, was sollte der sich quälen? weshalb sich
verwirren? was hat er zu fürchten? Nein, nein, Gott ist
für jene, die er liebt, nicht so schrecklich; er ist mit
Wenigem zufrieden; denn er weiß wohl, dass wir nicht
viel haben.
Wissen
Sie, teure Tochter, dass unser Herr in der Heiligen
Schrift „der Friedensfürst“ genannt wird und dass er
darum auch, wo er vollkommen Herr ist, alles im Frieden
erhält. Freilich bleibt es wahr, bevor er den Frieden
irgendwo herstellt, führt er erst Krieg, indem er Herz
und Seele von ihren liebsten Gewohnheiten und innigsten
Neigungen, von übermäßiger Selbstliebe, Selbstvertrauen,
von aller Selbstgefälligkeit und ähnlichen Neigungen
losreißt. Wenn nun der Herr uns von diesen
Lieblingsneigungen losschält, so ist es, als ob einem
bei lebendigem Leibe das Herz geschunden würde; es gibt
bittere Schmerzen; kaum kann man sich enthalten, sich
aus allen Kräften zur Wehr zu setzen; denn diese
Trennung ist äußerst empfindlich.
Aber auch
dieses unwillkürliche Sträuben des Geistes raubt uns
nicht den Frieden, wenn wir nämlich, obwohl von
Traurigkeit niedergebeugt, dennoch unseren Willen dem
des Herrn unterwerfen und ihn gleichsam an die göttliche
Leitung festnageln, auch keine unserer dienstlichen
Obliegenheiten unterlassen, sondern sie beherzt
vollziehen. Der Heiland gab uns darin das beste Beispiel
am Ölberge. Gänzlich niedergedrückt von innerer und
äußerer Bitterkeit, ergab sich sein ganzes Herz in aller
Sanftmut dem Vater und dessen göttlichen Willen, indem
er sprach: „Doch geschehe dein Wille, nicht der meinige”
(Luk. 22, 42.); und ungeachtet seiner Todesangst
unterließ er nicht, dreimal nach seinen Jüngern zu sehen
und ihnen heilsame Mahnung zu geben. Das heißt recht ein
Friedensfürst sein, wenn man Frieden hat mitten im
Kriege und Gelassenheit mitten in der Trübsal.
Aus dem
Gesagten möchte ich nun, dass Sie nachstehende
Folgerungen zögen: Erstens: Wir glauben nicht selten den
Frieden verloren zu haben, weil wir Bitterkeit fühlen,
haben ihn aber in Wahrheit doch nicht verloren, wie wir
daraus abnehmen können, dass wir trotz der Bitterkeit
fortfahren, uns selbst zu verleugnen, einzig auf den
Willen Gottes zu sehen und die Obliegenheiten unseres
Amtes pünktlich wahrzunehmen.
Zweitens
ist es ein Wunder, dass es nicht ohne tiefes inneres Weh
hergeht, wenn Gott dem alten Menschen sozusagen die
letzte Haut abzieht, „um ihn in den neuen Menschen
umzugestalten, der nach Gott geschaffen ist” (Eph. 4,
24.). Wir dürfen daher uns ja nicht verwirren lassen ob
solcher Wahrnehmung, noch auch wähnen, wir seien bei
Gott in Ungnade gefallen.
Drittens:
Alle Gedanken, die uns Unruhe und Aufregung des Geistes
verursachen, kommen nicht von Gott, welcher ja der Fürst
des Friedens ist; es sind
also Versuchungen des bösen Feindes, die man
zurückweisen und nicht beachten soll.
Überhaupt
muss man immer und unter allen Umständen den Frieden
bewahren. Trifft uns inneres oder äußeres Kreuz, so
nehme man es auf sich in Frieden; begegnet uns ein
Glück, so nehme man es hin in Frieden, ohne deshalb zu
jauchzen. Gilt es, das Böse zu fliehen, so geschehe es
in Frieden, ohne alle Verwirrung; sonst könnten wir auf
der Flucht hinfallen und so in die Mörderhände des
Feindes geraten. Gilt es, Gutes zu tun, so geschehe auch
dieses in Frieden; denn sonst würden wir durch
Überstürzung mancherlei Fehler dabei begehen. So soll
alles und jedes, selbst bis auf die Buße, in Frieden
vollbracht werden. „Siehe,” so spricht der Büßer,
„selbst meine bitterste Bitterkeit ist im Frieden.” (Js.
38, 17.)
Lesen Sie
zu dem, was ich Ihnen hier gesagt habe, meine gute
Tochter, noch die Kapitel 15, 16 und 17 des „geistlichen
Kampfes" (Von ScupoIi.), so werden Sie für den
Augenblick befriedigt sein. Hätte ich meine Papiere
hier, so würde ich Ihnen eine Abhandlung schicken,
welche ich über den in Rede stehenden Gegenstand in
Paris verfasst habe für eine geistliche Tochter, welche
einer dortigen ausgezeichneten religiösen Genossenschaft
angehört und für sich und andere daraus Rats erholen
wollte. Finde ich den Aufsatz, so sende ich Ihnen
denselben mit erster Gelegenheit (Diese Abhandlung „Über
die Traurigkeit und Unruhe“ findet der Leser S. 363
ff.).
Was die
Demut anlangt, so will ich darüber nichts sagen, sondern
Sie nur auf das verweisen, was ich Ihrer lieben
Schwester von N. in diesem Betreff geschrieben habe.
Lesen Sie mit rechter Aufmerksamkeit, was die Mutter
Theresia darüber sagt in dem „Weg der Vollkommenheit”.
Die Demut bewirkt, dass wir uns unserer Fehler wegen
nicht verwirren, indem wir uns an die Fehler anderer
erinnern. Denn warum sollten wir vollkommener sein als
diese? Ebenso hilft sie aber auch, dass uns die
Unvollkommenheiten anderer nicht verwirren, indem wir
uns der eigenen erinnern; denn wie könnten wir es
befremdlich finden, dass andere mit Unvollkommenheiten
behaftet sind, da wir ja deren selbst genug haben? Die
Demut macht unser Herz sanft gegen Vollkommene wie
Unvollkommene; gegen erstere flößt sie uns Hochachtung,
gegen letztere Mitleid ein. Die Demut macht, dass wir
Leiden mit Sanftmut hinnehmen, wohl wissend, dass wir
sie verdienen; und Gutes mit Ehrfurcht empfangen, wohl
wissend, dass wir dessen nicht wert sind. Was Ihr
äußeres Verhalten angeht, so wäre ich einverstanden,
wenn Sie jeden Tag irgend einen Akt der Verdemütigung
verrichteten, in Wort oder Tat. Ich meine damit
natürlich Worte, die Ihnen vom Herzen kommen, z. B.
Worte, womit Sie sich vor Ihren Untergebenen
verdemütigen, Handlungen, wie z. B. eine niedere Arbeit
oder eine geringe Dienstleistung im Hause oder sonst.
Ich flehe
den Heiligen Geist an, dass er Sie befreie von aller
grundlosen Traurigkeit und Beunruhigung, und dass er in
Ihrem Herzen ruhen möge, damit dasselbe Ruhe finden möge
in ihm. Amen.
25.
Mittel, um mitten in den Widerwärtigkeiten einen
ungetrübten Frieden des Herzens zu bewahren.
An einen
Freund.
Wünschest
Du, dass nichts Dein Leben trübe, so trage kein
Verlangen nach Ansehen und Ruhm vor der Welt.
Hänge
Dein Herz nicht an menschliche Tröstungen und
Freundschaften.
Liebe
nicht das Erdenleben und verachte alles, was Deinen
natürlichen Neigungen schmeichelt, Ertrage
starkmütig körperliche Leiden und die heftigsten
Krankheiten mit Ergebung in den Willen Gottes.
Kümmere
Dich nicht um das Urteil der Menschen.
Schweige
zu allem still und Du wirst den Frieden des Herzens
haben; denn für Dich wie für mich gibt es kein anderes
Geheimmittel, zum Frieden zu gelangen, als dass wir
ruhig alles Gerede der Menschen über uns ergehen lassen.
Mache Dir
keine Unruhe darüber, was die Welt von Dir sagen wird;
stelle alles dem Gerichte Gottes anheim, und Deine
Geduld wird alsdann zu Gerichte sitzen über jene, die
jetzt Dich richten. Beim Ringelrennen (beliebtes
Reiterspiel aus dem Mittelalter, bei dem es darauf
ankommt, im scharfen Anreiten mit der Lanzenspitze einen
aufgehängten Ring zu treffen oder abzustreifen)
achtet man nicht auf die Zuschauermenge, sondern einzig
auf das Ziel, um den Preis zu gewinnen. Bedenke nur für
wen Du Dich abplagst, so werden jene, die Dir in den Weg
treten möchten, Dir wenig mehr zur Plage sein.
Dein
ergebenster Freund u. s. w.
26.
Wir sollen jeden Tag neu anfangen.
Aus einem
Briefe an Frau von Chantal.
Februar
1615.
Nur zu
leicht vergessen wir den Grundsatz der Heiligen, welche
uns die Mahnung geben, jeden Tag müsse es uns so sein,
als träten wir den Weg zur Vollkommenheit erst an.
Dächten wir recht daran, so würde es uns nicht mehr so
sehr befremden, wenn wir immer noch Schwächen in unserem
Herzen begegnen, und wenn es immer noch manche
Verkehrtheit abzulegen gibt.
Nie wird
man fertig; immer wieder muss man aufs Neue anfangen,
und zwar anfangen mit unverdrossenem Herzen. „Wenn der
Mensch vollendet hat,” sagt die Schrift, „dann fängt er
erst an.” (Eccli. 18, 6.) Was wir bisher getan haben,
ist gut; was wir aber nunmehr beginnen wollen, soll
besser sein; sind wir damit fertig, so beginnen wir
abermals mit einer neuen Aufgabe, die noch höher ist;
alsdann wieder mit einer anderen, und fahren so fort,
bis wir aus dieser Welt hinwegziehen, um ein neues Leben
zu beginnen, welches kein Ende haben wird.
27.
Ohne fühlbaren Glauben, Hoffnung und Liebe.
An Frau
von Chantal.
Den 28.
März 1612.
Was Ihnen
so viel Sorge macht, ist weiter nichts als eine Art
Unempfindlichkeit, durch welche Ihnen nicht bloß der
Genuss an den Tröstungen und Einsprechungen, sondern
auch an dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe entzogen
ist. Wohl besitzen Sie diese Tugenden noch, und zwar in
hohem Grade; aber Sie haben keinen Genuss davon, sondern
sind gleich einem Kinde, das einen Vormund hat, der ihm
die Verwaltung aller seiner Güter abnimmt. Verbleibt
demselben in Wirklichkeit auch alles, so hat es doch
keine Gewalt darüber und scheint nichts zu besitzen,
nichts zu haben als sein Leben; wie der hl. Paulus sagt:
„Obzwar es auch Herr ist von allem, so ist es doch in
dieser Hinsicht nicht verschieden von dem Knechte.”
(Gal. 4, 1.) So will auch Gott nicht, dass Sie die
Verwaltung Ihres Glaubens, Ihrer Hoffnung, Ihrer Liebe
führen, noch auch dass Sie Genuss davon haben, als nur
um eben davon zu leben und im Notfalle daran einen
Rückhalt zu besitzen.
Ach,
meine teure Tochter, welch ein Glück für uns, von dem
himmlischen Vormund so eingeschränkt und kurz gehalten
zu werden! Gewiss können wir unter solchen Umständen
nichts Besseres tun, als die liebevolle Vorsehung Gottes
anbeten und uns ganz in ihre Arme und in ihren Schoß
werfen. Nein, Herr, ich verlange nicht ferner Genuss von
meinem Glauben, meiner Hoffnung und meiner Liebe, als
nur um in Wahrheit, wenn auch ohne Geschmack und Gefühl,
sagen zu können: Lieber wollte ich sterben, als Glaube,
Hoffnung und Liebe darangeben. Ach Herr, wenn es dir
gefällt, dass ich ohne alle Freude sein soll bei der
Ausübung der Tugenden, die ich deiner Gnade verdanke, so
willige ich von ganzem Herzen ein, mögen auch alle
Gefühle meines Herzens sich dagegen sträuben!
Der
Heiland will uns so vollkommen zu eigen haben, dass uns
nichts mehr abhält, uns gänzlich und ohne allen
Vorbehalt seiner Vorsehung zu überlassen. Nun wohl,
meine teure Tochter, bleiben wir so während dieser
Finsternis der Passion. Mit Recht sage ich „inmitten
dieser Finsternis“; denn Sie mögen sich die schmerzhafte
Mutter und den hl. Johannes am Fuße des Kreuzes
vorstellen in jener wunderbaren und schrecklichen
Finsternis, die da entstand; sie hörten den Herrn nicht
mehr, sie sahen ihn nicht mehr, sie empfanden nichts
mehr als Bitterkeit und Jammer; und wiewohl sie den
Glauben bewahrten, so war derselbe doch auch von
Finsternis umnachtet, da sie auch teilnehmen sollten an
der Verlassenheit des Herrn. Wie glücklich sind wir,
Knechte des großen Gottes zu sein, der für uns die
Knechtsgestalt angenommen hat!
28.
Die Versuchungen dürfen uns nicht schrecken.
An Frau
von Chantal.
Am
Vorabend von Laurentius,
9. August
1607.
Noch
immer haben gewisse Wünsche Gewalt über unser Herz, die
dahin gehen, es möchten unsere Pläne nirgendwo auf
Widerstand stoßen; es soll niemals Finsternis eintreten,
sondern immer sonniger Mittag bei uns bleiben. Man
möchte bei seinen frommen Übungen nur Trost empfinden,
ohne Unlust, ohne Widerwillen, ohne Wechsel und Wandel.
Befällt uns aber irgend eine innere Versuchung, so
möchten jene Wünsche, nicht zufrieden damit, dass wir
nicht einwilligen, sogar verlangen, dass wir die
Versuchung gar nicht einmal empfinden sollen. Sie
begehren, wir sollen die August-Fliegen nicht einmal vor
unseren Augen vorüberschwärmen sehen. Das heißt eine zu
bequeme Vollkommenheit verlangen; derartigen Wünschen
soll man so wenig Raum geben als möglich.
Ich
wünsche Ihnen einen starken und hochherzigen Mut, einen
Mut, der, solange er mit voller Entschlossenheit, ohne
allen Vorbehalt ausrufen kann: es lebe Jesus, nicht
weiter fragt nach süß oder sauer, nach Licht oder
Finsternis. Nur kühn voran, meine Tochter, auf dem Pfade
dieser echten, starken und unbeugsamen Liebe zu Gott;
jene Schreckbilder der Versuchungen mögen dann nur
kommen; sie mögen uns in den Weg treten, so oft sie
wollen.
„Ha,”
so rief der hl. Antonius ihnen zu, „ich merke euch wohl,
aber ich würdige euch keines Blickes!” Nein, meine
Tochter, schauen wir nur auf unseren Heiland, der hinter
diesem feindlichen Ansturm unser harrt; rufen wir ihn zu
Hilfe; nur um uns dazu zu vermögen, lässt er es zu, dass
jene Trugbilder uns in Furcht setzen.
Gestern
Abend hatten wir hier ein Ungewitter mit schrecklichem
Donner und Blitz, und es freute mich zu sehen, wie
unsere jungen Leute, besonders mein Bruder und unser
Croisy alle Augenblicke mit dem Kreuzzeichen und dem
Namen Jesus sich segneten. Ach, sprach ich zu ihnen,
ohne diese Schrecken hätten wir den Herrn nicht so oft
angerufen! Wirklich brachte diese Wahrnehmung mir
besonderen Trost, und ich fühlte mich in die heiterste
Stimmung versetzt, wenngleich ich erbeben musste bei der
Heftigkeit der Donnerschläge.
Nur Mut,
meine Tochter! Haben wir denn nicht allen Grund zu
glauben, dass der Heiland uns lieb hat? Gewiss, wir
haben es; warum denn aber sich Kummer machen wegen der
Versuchungen?
29.
Man muss die Versuchungen verachten.
An Frau
von Chantal.
Den 16.
März 1606.
Meine
teure Tochter, gegen alle diese neuen Angriffe und
Versuchungen zum Unglauben oder zum Zweifel halten Sie
sich fest verschanzt hinter den Ratschlägen, die Sie
bisher empfangen haben; so haben Sie nichts zu fürchten.
Hüten Sie sich, mit dem Feinde sich in WortgeplankeI
oder in Unterhandlungen einzulassen; ebensowenig sollen
Sie um seinetwillen traurig oder unruhig werden; dann
wird er bald von Ihnen ablassen.
Ungerne
sehe ich bei Ihnen einen so großen Schrecken und Abscheu
gegen jene Einflüsterungen, und zweifle nicht, dass
derselbe Ihnen nachteilig ist und nur dem Feinde in die
Hände arbeitet, der Ihnen wenigstens Plage und Unruhe
machen will, da er, wie dies, so Gott will, nie
geschehen wird, Ihnen sonst nichts anhaben kann. Haben
Sie nur Mut, meine Tochter; machen Sie sich wegen alles
dessen, was Ihnen so vorkommt, keine Gedanken; es muss
Ihnen genug sein, dass bei diesen Anfällen Gott nicht
beleidigt worden ist. Legen Sie gegen alle jene
Versuche, den Frieden Ihres Herzens zu trüben, die
größtmögliche Geringschätzung an Tag; Verachtung ist das
beste Mittel dagegen.
Nein, ich
bange durchaus nicht für die Säulen unseres heiligen
Zeltes (Anspielung auf das von Säulen getragene heilige
Zelt des Alten Bundes. Jene Säulen sind hier dem
heiligen Lehrer ein Bild der frommen Entschließungen,
auf welchen das Heiligtum ihres gottgeweihten Lebens
ruhte.); denn Gott ist ihr Schützer. Nichtsdestoweniger
hat es mir Gedanken gemacht, was doch die Welt zu dem
kühnen, verwegenen Gedanken verleitet haben mag,
dieselben erschüttern zu können; denn ich meine doch,
wir machen derselben ein hinreichend böses Gesicht, um
ihr den Mut zu nehmen, sich an uns reiben zu wollen.
30.
Ohne Kampf kein Sieg.
Aus einem
Briefe an eine Dame.
Ein
Soldat muss im Kriege schon viel gewonnen haben, wenn er
des Friedens froh ist. Niemals werden wir wahrhafte
Sanftmut und Nächstenliebe erlangen, außer wir erringen
dieselben im Kampfe gegen Widerwillen, Abneigung und
Ekel. Der wahre Friede besteht nicht darin, dass man
keinen Kampf hat, sondern dass man überwindet. Wer
besiegt ist, kämpft nicht weiter, hat aber doch den
wahren Frieden nicht. Wohlan, demütigen wir uns recht,
da wir noch so wenig Herr über uns selbst sind und die
Ruhe und Bequemlichkeit so sehr suchen.
31.
Versuchungen gegen den Glauben soll
man möglichst wenig Beachtung schenken.
An Frau
von Chantal.
Am Feste
des hl. Augustin, 30. August 1605.
Ihre
Versuchungen gegen den Glauben sind also wieder gekommen
und bedrängen Sie, obwohl Sie ihnen kein Gehör schenken.
So ist's recht, meine Tochter, dass Sie sich gar nicht
mit jenen Versuchungen einlassen; aber Sie denken zu
viel daran, Sie fürchten sich zu sehr vor denselben, Sie
sind zu bange davor; sonst könnten sie Ihnen kein Leid
zufügen. Sie sind zu empfindlich diesen Versuchungen
gegenüber. Der Glaube ist Ihnen teuer, und Sie
wünschten, es möchte auch nicht ein Gedanke sich in
Ihnen dagegen regen; sobald nun ein solcher sich zeigt,
werden Sie traurig und unruhig. Sie sind allzu
eifersüchtig auf diese Reinheit des Glaubens und meinen,
alles und jedes beeinträchtige dieselbe. Nein, nein,
meine Tochter, lassen Sie den Wind wehen und halten Sie
das Rauschen der Blätter nicht für Waffengeklirr.
Unlängst
stand ich in der Nähe eines Bienenstockes, und einzelne
dieser Tierchen flogen mir ins Gesicht. Ich erhob die
Hand, sie wegzutreiben; aber ein Landmann rief mir zu:
„Nicht doch! Fürchten Sie sich nicht und rühren sie
nicht an; sie tun Ihnen gewiss nichts; wenn Sie sie aber
anrühren, so stechen sie.”
Ich
glaubte ihm, und keine einzige hat mich gestochen.
Glauben Sie mir nur, seien Sie nur ohne Furcht wegen
dieser Versuchungen; rühren Sie sie nicht an, und sie
werden Ihnen kein Leid zufügen. Gehen Sie ruhig Ihres
Weges und halten sich nicht dabei auf.
32.
Wie man die Versuchungen gegen den Glauben bekämpfen
soll.
An Frau
von Chantal.
Den 14.
Oktober 1604.
Sie
ersuchen mich um Rat und Hilfe gegen die Plage, die
ihnen der böse Feind mit seinen Versuchungen gegen den
Glauben der Kirche antut, wenn ich Sie nämlich richtig
verstehe. Ich will Ihnen darüber sagen, was Gott mir
eingibt.
Bei
dieser Versuchung muss man sich verhalten wie bei den
fleischlichen Versuchungen; nicht streiten, durchaus
nicht, sondern es machen wie die Kinder Israels, welche
die Gebeine des Osterlammes nicht zu zerbrechen
versuchten, sondern sie ins Feuer warfen. Man muss
durchaus keine Antwort geben, muss vielmehr tun, als
hörte man gar nicht, was der Feind sagt. Mag er draußen
vor der Türe bellen, so viel er will; man muss nicht
einmal rufen: Wer ist da?
„Das
ist wohl gut,” werden Sie einwenden, „aber er wird mir
lästig, und sein Lärmen ist so arg, dass die drinnen
sich nicht verstehen, wenn sie miteinander plaudern.”
Das gilt gleich; nur Geduld; man muss dann vor Gott sich
niederwerfen und dort zu seinen Füßen bleiben; er
erkennt an dieser demütigen Haltung schon, dass Sie sein
sind und seine Hilfe wollen, wenn Sie auch nicht reden
können. Halten Sie aber vor allem die Tür fest
verschlossen und öffnen ja nicht, weder um zu sehen, wer
da ist, noch um den Zudringlichen zu verjagen.
Er wird
zuletzt des Schreiens schon müde werden und Sie in
Frieden lassen.
„Ja,
es wäre bald Zeit dazu,” entgegnen Sie. Ich bitte Sie,
suchen Sie sich das in spanischer Sprache von Pater
Ribadeneira verfasste Werk „Von der Trübsal" zu
verschaffen; der Pater Rektor (von Villars) wird Ihnen
sagen, wo es in französischer Übersetzung zu haben ist;
lesen Sie fleißig in diesem Buche.
Nur Mut,
bald wird die Stunde der Erlösung schlagen. Wenn nur der
Feind nicht eindringt, so hat es nichts zu sagen. Es ist
sogar ein gutes Zeichen, wenn er an der Türe pocht und
wütet; denn man sieht daran, dass er nicht hat, was er
will. Hätte er es, so würde er nicht mehr schreien,
sondern eintreten und sich zur Ruhe setzen. Merken Sie
sich das, um gegen ungegründete Gewissensbedenken
geschützt zu sein.
Nebst
diesem Mittel empfehle ich Ihnen noch ein anderes. Die
Versuchungen gegen den Glauben gehen geradeswegs auf den
Verstand los, um ihn zum Streiten, zum Nachsinnen, zum
Grübeln zu verleiten. Wissen Sie, was Sie tun sollen,
während der Feind sich anschickt, Ihren Verstand zu
erstürmen? Gehen Sie durch die Tür des Willens hinaus
und feuern eine tüchtige Ladung auf ihn ab. Das heißt:
Wenn sich eine Versuchung gegen den Glauben Ihnen naht
und Ihnen zuflüstert: „aber wie ist dies möglich? es
spricht doch dieses und jenes dagegen,” so lassen Sie
sich ja nicht in einen Wortstreit mit dem Feinde ein,
sondern stürzen mit aller Macht heiliger Entrüstung auf
ihn los und schleudern ihm innerlich, und wenn's sein
muss, auch äußerlich mit lauter Stimme folgende oder
ähnliche flammende Worte entgegen: „Ha, elender
Verräter! Du bist abgefallen von der Gemeinschaft der
Engel und willst, dass ich jene der Heiligen verlasse!
Treuloser, falscher Betrüger, du hast dem ersten Weibe
den Apfel des Verderbens geboten und willst nun, dass
auch ich davon koste! Weiche von mir, Satan; es steht
geschrieben: du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht
versuchen (Matth. 9, 7 – 10.). Ich lasse mich auf keinen
Streit, auf keinen Wortwechsel mit dir ein. Eva wollte
mit dir rechten (streiten), und kam zum Falle;
Eva tat es, und ward verführt. Es lebe Jesus, an den ich
glaube! Es lebe die Kirche, an der ich festhalte!”
Auch an
Jesus und an den Heiligen Geist müssen Sie sich mit
heißem Flehen wenden, wie er es Ihnen eingeben wird; und
sogar auch an die Kirche: „O Mutter der Kinder Gottes,
niemals will ich von dir mich trennen; in deinem Schoße
will ich leben und sterben.”
Ich weiß
nicht, ob ich mich deutlich genug ausdrücke; ich meine
es so: man soll durch kräftige Willensäußerung und nicht
mit Vernunftbeweisen, mit inbrünstigen Anmutungen, aber
nicht mit Argumenten sich wehren. Es ist wahr, der arme
Wille ist in solchen Zeiten der Versuchung ganz trocken;
nun desto besser: seine Schläge werden dann den Feind
umso schrecklicher treffen, und wenn er sieht, dass er,
statt Sie in Ihrem Fortschritte aufzuhalten, Ihnen
vielmehr Anlass zu tausend tugendsamen Anmutungen,
besonders zur Beteuerung des Glaubens gibt, wird er Sie
schließlich in Ruhe lassen.
Drittens
wird es mitunter gut sein, sich fünfzig oder sechzig
oder auch, je nach Ihrem körperlichen Befinden, dreißig
Schläge mit der Bußgeißel zu geben. Es ist merkwürdig,
wie trefflich dieses Rezept bei einer mir bekannten
Seele gewirkt hat. Es ist leicht zu begreifen, dass der
äußere Schmerz einerseits die Gedanken von der inneren
Qual und Drangsal ablenkt und andererseits Gott zum
Erbarmen bewegt; abgesehen davon, dass der böse Feind,
wenn er sieht, wie wir auf das Fleisch, seinen
Parteigänger und Verbündeten, losschlagen, in Furcht
gerät und die Flucht ergreift. Doch dürfen Sie dieses
dritte Mittel nur mit vernünftiger Maßhaltung anwenden
und müssen erst einige Tage beobachten, welchen Erfolg
Sie damit erzielen (Vgl. S. 170.).
Schließlich sind übrigens diese Versuchungen nur
Widerwärtigkeiten wie andere auch, und man muss sich bei
dem Ausspruche der Heiligen Schrift beruhigen: „Selig
der Mann, der die Versuchung aushält; denn nachdem er
bewährt befunden worden, wird er die Krone des ewigen
Lebens empfangen.” (Jak. 1, 12.) Wissen Sie, dass ich
wenige Personen gekannt habe, die ohne diese Prüfung
Fortschritte machten; man muss also Geduld haben. Nach
den Stürmen wird Gott Ruhe senden.
33.
Wie man sich bei Versuchungen gegen die Reinigkeit zu
verhalten hat.
Annecy,
den 13. Dezember 1615.
Ich habe
die Versuchung erfahren. Ach, meine Tochter, man muss
deren haben. Versuchungen dieser Art mögen wohl mitunter
das Herz mit Beschämung erfüllen, sind aber niemals
imstande, dasselbe niederzuwerfen, wenn es nur ein wenig
wachsam und mutig ist. Verdemütigen Sie sich recht tief,
aber wundern Sie sich nicht. Die Lilien, welche unter
den Dornen wachsen, sind die weißesten, und in der Nähe
von Gewässern bekommen die Rosen den feinsten,
angenehmsten Wohlgeruch. „Wer nicht versucht ward, was
weiß der?” (Eccli., 34, 9.)
Kommt die
Versuchung von der Sinnlichkeit her, wie Sie es
anzudeuten scheinen, so wechseln Sie, wenn die Anreizung
sich Ihnen aufdrängt, Ihre äußere Beschäftigung; oder,
falls dies nicht wohl angeht, ändern Sie wenigstens Ort
und Stellung. Durch so eine Veränderung wird es
vergehen.
Kommt die
Versuchung von der Einbildung, so ist es gut, zu singen,
Gesellschaft aufzusuchen, mit den geistlichen Übungen
abzuwechseln, das heißt: von der einen zu der anderen
überzugehen; auch eine Ortsveränderung wird heilsame
Wirkung tun.
Vor allen
Dingen aber wundern Sie sich nicht darüber; erneuern
vielmehr öfter Ihre Gelöbnisse und verdemütigen sich vor
Gott. Sie dürfen Ihrem Herzen mit aller Zuversicht den
Sieg versprechen durch die Fürbitte der seligsten
Jungfrau.
Empfinden
Sie aber wegen irgend etwas Ängstlichkeit im Gewissen,
so sprechen Sie sich offen und mutig darüber aus, wenn
Sie zur Beichte gehen.
Ich hoffe
jedoch zu Gott, Sie werden bei Ihrem edlen Gemüte sich
frei erhalten von allem, was Sie ängstlich machen
könnte.
Auch wäre
ich einverstanden, wollten Sie einmal in der Woche das
härene (aus Tierhaaren gefertigte) Bußkleid
tragen, wenn anders dies nicht die Folge hat, wie dies
zuweilen der Fall ist, Sie für andere, wichtige Übungen
träger zu machen (Vgl. übrigens Philothea III, 23.).
34.
Bei allem guten Willen sind Unvollkommenheiten
unvermeidlich.
An eine
Dame.
Den 14.
Juli 1615.
O meine
Tochter, glauben Sie mir, mein Herz harrt mit ebenso
heißer Sehnsucht auf den Tag des Trostes für Sie wie das
Ihrige. Harren Sie nur aus, meine liebe Schwester,
„harren Sie wartend” (Ps. 39, 2: Exspectans exspectavi
Dominum = wartend habe ich auf den Herrn geharrt.),
sage ich, um mich der Worte der Heiligen Schrift zu
bedienen. Wartend harren heißt nicht unruhig werden über
dem Harren; es gibt ja so manche, die harrend nicht
warten können, sondern der Ungeduld und Überstürzung zur
Beute werden.
Wäre ich
so innig und fest mit Gott verbunden, wie ich gänzlich
von der Welt losgeschält und geschieden bin, gütiger
Heiland, wie glücklich wäre ich dann, und wie zufrieden
Sie, meine Tochter! Ich rede hier jedoch nur von dem
Inneren und von meiner Gesinnung im allgemeinen; denn in
meinem Äußeren, und was das schlimmste ist, in meinem
Betragen finden sich noch mancherlei jener Richtung
entgegenstehende Unvollkommenheiten, und „das Gute, was
ich will, tue ich nicht” (Röm. 7, 15.); aber es ist mir
klar bewusst, dass ich in aller Wahrheit und ohne
Heuchelei es will, dass ich es will mit unwandelbarer
Festigkeit.
Aber wie
ist es denn möglich, dass auf dem Boden eines solchen
Willens bei mir dennoch so viele Unvollkommenheiten zum
Vorschein kommen und entstehen können? Gewiss kommt das
nicht von meinem Willen, noch durch meinen Willen, wenn
auch in und auf meinem Willen. Es geht damit, dünkt mir,
wie mit der Mistel, die auf dem Baume entsteht und in
demselben wurzelt, ohne jedoch von dem Baume oder durch
den Baum ihren Ursprung zu haben.
35.
Die Anfälle der Leidenschaften werden nie aufhören, da die
Eigenliebe nicht stirbt, solange wir leben.
An eine
Oberin von der Heimsuchung.
O ich
finde in Ihrem Schreiben, teure Tochter, recht viel
Ursache, Gott zu preisen, dass er Ihre Seele, wenn auch
nicht dem Gefühle, so doch der Tat nach in dem heiligen
Gleichmut erhält.
Das will
alles nichts bedeuten, was Sie mir von Ihren kleinen
Anfällen sagen. Solche kleine Ausbrüche der
Leidenschaften sind unvermeidlich in diesem sterblichen
Leben; darum rief der große Apostel zum Himmel: ,,Ach,
ich armer Mensch, der ich bin! ich fühle zwei Menschen
in mir, den alten und den neuen; zwei Gesetze, das
Gesetz der Sinne und das Gesetz des Geistes; zwei
Tätigkeiten, die der Natur und die der Gnade; ach, wer
wird mich von diesem Leibe des Todes befreien?” (Röm. 7,
22.) Meine Tochter, die Eigenliebe stirbt erst mit
unserem Körper. Immer machen sich ihre offenen Angriffe
oder ihre geheimen Nachstellungen uns fühlbar, solange
wir in diesem Elende sind; es genügt schon, wenn
unsererseits keine frei gewollte, überlegte und
bewusstermaßen unterhaltene Einwilligung vorhanden war.
Begegnet
es uns also, dass wir die Gesetze des heiligen
Gleichmutes in gleichgültigen Dingen, oder infolge eines
plötzlichen Ausbruchs der Eigenliebe oder der
Leidenschaft verletzen, so werfen wir uns gleich, sobald
wir können, vor Gott auf die Knie und rufen mit einem
vertrauenden, demutsvollen Herzen zu ihm empor:
„Erbarmen, o Herr! denn ich bin krank.” (Ps. 6, 3.)
Erheben wir uns dann im Frieden, knüpfen den Faden des
Gleichmuts wieder an und fahren dann fort in unserer
Beschäftigung.
Man soll
weder die Saiten zerreißen, noch die Laute wegwerfen,
wenn man wahrnimmt, dass sie verstimmt ist; vielmehr
muss man hinhorchen, woher der Misston kommt, und
vorsichtig die betreffende Saite anziehen oder
abspannen, je nachdem die Kunst dies erheischt (erfordert).
36.
Gott hat seine liebevollen Absichten dabei, wenn
er uns nicht mit einem Mal von allen UnvoIlkommenheiten
befreit.
An eine
verheiratete Dame.
Geehrte
Frau! Ihr Schreiben vom 20. Januar machte mir große
Freude, da ich ungeachtet Ihres Elends, welches Sie mir
beschreiben, Spuren eines Fortschrittes in dem
geistlichen Leben wahrzunehmen glaube.
Sie
klagen darüber, dass trotz Ihres Verlangens nach der
Vollkommenheit und reinen Liebe Gottes immer noch
mehrfache Unvollkommenheiten und Fehler in Ihr Leben
sich einschleichen. Ich erwidere: Solange wir hienieden
leben, ist es nicht möglich, uns selbst ganz los zu
werden. Wir müssen uns tragen, bis Gott uns in den
Himmel trägt; solange wir aber uns tragen, tragen wir
eben etwas, was nicht viel wert ist. Wir müssen also
Geduld haben und nicht denken, dass wir uns in einem
Tage von so vielen Gewohnheiten heilen können, die wir
infolge der großen Unbekümmertheit um unsere geistige
Gesundheit angenommen haben.
Wohl hat
Gott Einzelne plötzlich gesund gemacht, ohne eine Spur
ihrer früheren Krankheiten zurückzulassen; diese Gnade
erwies er z. B. der Magdalena, die er in einem
Augenblicke aus einer Pfütze fauler Gewässer in einen
Quell des Wassers der Vollkommenheit verwandelte, dessen
Klarheit nie wieder sich trübte. Derselbe Gott hat aber
auch mehreren seiner geliebten Jünger längere Zeit nach
ihrer Bekehrung viele Spuren ihrer bösen Neigungen
belassen, zu ihrem größeren Nutzen. Ein Beweis dafür ist
der hl. Petrus, der nach seiner ersten Berufung noch
mehrfach in Unvollkommenheiten verfiel und einmal, bei
der Verleugnung, gänzlich und schmachvoll zu Fall kam.
Salomon
sagt: „Ein unverschämtes Tier ist die Magd, die
plötzlich zur Herrin wird.” (Spr. 30, 21 – 23.) So wäre
auch die Seele, welche lange Zeit ihren eigenen
Leidenschaften gefröhnt hat, in großer Gefahr, übermütig
und stolz zu werden, wenn sie in einem Augenblicke
vollkommen Herr darüber würde.
Vor und
nach, Schritt für Schritt müssen wir diese Herrschaft
erringen, zu deren Erreichung die Heiligen mehrere
Jahrzehnte gebraucht haben. Sie müssen sich bequemen,
Geduld mit jedermann zu haben, vor allem aber mit sich
selber.
Nur Mut,
ich bitte Sie! Gewöhnen Sie allmählich Ihren Willen
daran, dem Willen Gottes zu folgen, wohin derselbe Sie
auch führen mag. Sorgen Sie, dass es ein rechter Sporn
für Sie wird, wenn Ihr Gewissen Ihnen sagt: Gott will
es; so wird allmählich der heftige Widerstand, auf den
Sie in Ihrem Herzen stoßen, schwächer werden und bald
ganz aufhören. Ganz besonders aber müssen Sie kämpfen,
um jede Äußerung des inneren Widerwillens zu hindern
oder doch zu mildern. Einige lassen, wenn sie erzürnt
oder unzufrieden sind, ihren Unwillen nur merken, indem
Sie sagen: Mein Gott, was soll das heißen? Andere
brechen in hitzigere Worte aus und legen dadurch nicht
bloß einfache Unzufriedenheit an Tag, sondern einen
gewissen Stolz und Ärger. Ich meine nun, diese
Äußerungen muss man vor und nach zu beseitigen suchen,
indem man täglich ihnen etwas Abbruch tut.
37.
Gott schaut mit Liebe auf uns herab trotz unserer
Sünden, wenn
wir nur guten Willen haben.
An eine
Oberin von der Heimsuchung.
Annecy,
den 18. Februar 1618.
O liebe
Mutter Gottes! Ob wohl der Herr unserer gedenkt, ob er
mit Liebe uns anschaut? Ja, meine teure Tochter, er
denkt an Sie, und nicht bloß an Sie, sondern sogar an
das geringste Haar Ihres Hauptes (Matth. 10, 30.); das
ist ein Glaubenssatz, und man darf mitnichten daran
zweifeln. Aber ich weiß auch recht wohl, dass Sie nicht
daran zweifeln, sondern mit jenem Ausdrucke nur die
Verödung, Trockenheit und Unempfindlichkeit bezeichnen
wollen, in welcher sich der niedere Teil Ihrer Seele zur
Zeit befindet. „Wahrlich, Gott ist an diesem Orte, und
ich wusste es nicht" (1 Mos. 22, 16.), sprach Jakob; das
will sagen: ich merkte es nicht, ich empfand es nicht,
es kam mir nicht so vor. Ich habe hierüber gesprochen in
dem Buche von der Liebe Gottes, wo ich von der Abtötung
des Willens und von der Entsagung handelte; in welchem
Kapitel, entsinne ich mich nicht mehr (Vgl. Buch IX,
Kap. 3 und 12 – 16.). Und dass Gott mit Liebe auf Sie
herabblickt, daran können Sie vernünftigerweise nicht
zweifeln; sieht er doch selbst die größten Sünder der
Welt mit liebreichen Blicken an, wenn sie nur ein leises
Verlangen haben, sich zu bekehren. Und nun sagen Sie
mir, teure Tochter, haben Sie nicht die Absicht, Gott
auzugehören? Wünschten Sie nicht, ihm recht treu zu
dienen? Und wer flößt Ihnen diesen Willen und diese
Absicht ein? Tut es nicht er selbst mit seinem Blick der
Liebe? Sie brauchen nicht zu forschen, ob Ihr Herz ihm
gefällt; wohl aber, ob sein Herz Ihnen gefällt;
betrachten Sie aber sein Herz, so muss es Ihnen
notwendig gefallen, so gütig, so freundlich, so voll
Herablassung und Liebe ist es gegen die erbärmlichsten
Geschöpfe, wenn diese nur ihre Erbärmlichkeit
anerkennen; so gnadenreich gegen die Elenden, so gut
gegen die Büßenden! Ja, wer sollte es nicht lieben,
dieses königliche Herz, welches so voll väterlicher
Liebe und mütterlicher Zärtlichkeit für uns ist?
Ganz
richtig sagen Sie, beste Tochter, jene Versuchungen
rührten daher, dass Ihr Herz ohne Zärtlichkeit gegen
Gott sei. Gewiss, hätten Sie diese Zärtlichkeit, so
hätten Sie auch Trost und wären nicht länger in Sorge.
Aber, meine Tochter, die Liebe Gottes besteht nicht in
Trost oder zärtlichen Gefühlen, sonst hätte der Heiland
auch keine Liebe zu seinem Vater gehabt, als er betrübt
war bis zum Tode und in die schmerzlichen Worte
ausbrach: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich
verlassen?“ (Matth. 26, 38; 27, 46.) Und doch war es
gerade in jenem Augenblicke, wo er den höchsten Akt der
Liebe übte, den man sich vorstellen kann.
Mit einem
Worte, wir möchten immer ein wenig Trost, immer ein
bisschen Zuckerbrot haben, das heißt, wir möchten immer
das tröstliche Gefühl der Liebe und Zärtlichkeit
besitzen; ebenso wäre es uns sehr erwünscht, ohne alle
Unvollkommenheit zu sein; aber man muss sich darein
finden, dass man menschliche Natur und nicht die Natur
der Engel hat.
Unsere
Unvollkommenheiten dürfen uns nicht gefallen; wir sollen
vielmehr mit dem großen Apostel sprechen: „O ich
Armseliger, wer wird mich von diesem Leibes des Todes
befreien?“ (Röm. 7, 24.) Aber wir sollten uns nicht
wundern darüber, noch auch den Mut verlieren. Dieselben
sollen unseren Stolz beugen, uns zur Demut und zum
Misstrauen gegen uns selbst führen, nicht aber zur
Mutlosigkeit oder Niedergeschlagenheit, und noch viel
weniger zum Zweifel an der Liebe Gottes gegen uns. Auch
Gott liebt nicht unsere Unvollkommenheiten und
lässlichen Sünden; sondern uns liebt er ungeachtet
derselben. Gleichwie nämlich eine Mutter, wiewohl ihr
die Schwäche und Kränklichkeit ihres Kindes missfällt,
dennoch voll Liebe, ja selbst voll zärtlicher,
mitleidiger Liebe für dasselbe ist, so liebt auch Gott,
so wenig er auch unsere Unvollkommenheiten und
lässlichen Sünden liebt, doch uns selbst mit solcher
Zärtlichkeit, dass David mit Recht zu dem Herrn sprechen
konnte: „Erbarme dich meiner, o Herr, denn ich bin
schwach!” (Ps. 6, 3.)
Nun wohl,
meine teure Tochter, genug davon! Leben Sie getrost: des
Herrn Auge ruht auf Ihnen; er betrachtet Sie mit Liebe,
und zwar mit umso zarterer Liebe, je schwächer Sie sind.
Gestatten Sie niemals Ihrem Geiste, sich freiwillig bei
Gedanken aufzuhalten, die dem widersprechen. Kommen
dieselben dennoch, so würdigen Sie sie keines Blickes,
wenden vielmehr Ihre Augen weg von ihrer Bosheit und
richten sie auf Gott mit mutiger Demut; reden Sie mit
ihm von seiner unaussprechlichen Güte, mit der er unsere
arme, elende, niedere Menschennatur liebt ungeachtet
ihrer Gebrechen.
Beten Sie
für meine Seele, teure Tochter, und empfehlen Sie mich
Ihren lieben Novizen, die ich ja sämtlich kenne,
besonders Schwester Colin.
Ich
verbleibe gänzlich der Ihrige im Herrn, der immerdar
lebe in unserem Herzen!
38.
„Ach, ich bin ganz zerrissen”.
An eine
Dame.
Teuerste
Tochter! Ich habe Kenntnis genommen von dem kleinen
Fehltritt, welcher Ihnen in den letzten Tagen begegnet
ist, während Ihr Herz sich hin und her gezogen fühlte
einerseits von dem Streben, Ihren eigenen Neigungen zu
entsagen, und andererseits von dem Wunsche, Ihrem
besonderen Geschmack zu folgen.
Nun,
meine Tochter, Sie werden sehen, das Schlimmste, was Sie
verbrochen haben, ist dies, dass Sie sich Ihrer Schwäche
wegen beunruhigt haben. Wären Sie nach dem ersten
Fehltritte ganz ruhig geblieben und hätten wieder ganz
sachte Ihr Herz in Ihre Hände genommen, so würden Sie
nicht das zweite Mal gestrauchelt sein.
Übrigens
müssen Sie trotz alledem jetzt wieder Mut fassen und
sich, so sehr Sie können, in Ihren heiligen
Entschließungen, besonders in dem Vorsatze zu befestigen
suchen, sich nicht wieder beunruhigen oder doch
wenigstens wieder beschwichtigen zu wollen, sobald Ihnen
die eingetretene Unruhe zum Bewusstsein kommt.
Das Wort:
„Ich bin ganz zerrissen” war hier nicht an der Stelle;
denn, meine Tochter, dem Nächsten gegenüber müssen wir
immer von wohlwollendem Mitleid, uns selbst gegenüber
von der Demut uns leiten lassen und dürfen nicht leicht
denken, der Nächste habe es zu gut und wir zu schlecht.
Ach, es
wird immer etwas für uns zu tun geben, immer ein Feind
zu bekämpfen bleiben. Wundern Sie sich nicht darüber;
sondern wenn diese bösen Neigungen anfangen, Sie zu
beunruhigen, richten Sie im Geiste Ihren Blick auf den
Heiland am Kreuze. Ach, Herr, du bist wir Honig und
Zucker; sänftige mein Herz durch die Milde deines
Herzens. Machen Sie sich eine kleine Zerstreuung und
rüsten sich dann zum Kampfe; alsdann kehren Sie wieder
zum Fuße des Kreuzes zurück und rufen den Herrn an, so
wird Gott Ihnen beistehen.
Es lebe
Jesus, in welchem ich verbleibe
Ihr u. s.
w.
39.
Bei eintretenden Rückfällen darf man nicht mutlos
werden.
An eine
Dame.
Wohlan,
meine teure Tochter, was soll ich Ihnen sagen über den
Rückfall in unser Elend? Was anderes, als dass man
angesichts des Feindes wieder zu den Waffen eilen,
wieder Mut fassen und tapferer kämpfen soll als je
zuvor? Gemäß Ihrem Briefe finde ich übrigens die Sache
nicht besonders schlimm. Mein Gott, hüten Sie sich ja
vor jeder Entmutigung; Gottes Güte lässt Sie nicht in
solche Fehler fallen, um Sie zu verlassen, sondern um
Sie zu demütigen und Sie dahin zu bringen, dass Sie sich
desto fester und treuer halten an der Hand seiner
Barmherzigkeit.
Bleiben
Sie in Frieden, meine Tochter; sagen Sie oftmals dem
Heilande, dass Sie das sein wollen, was er auf Ihnen
machen will, und dass Sie leiden wollen, was er Ihnen
auferlegen will. Bekämpfen Sie treulich Ihren Hang zur
Ungeduld und suchen sich bei jeder Gelegenheit, ja auch
ohne besonderen Anlass, auf die heilige Freundlichkeit
und Zuvorkommenheit gegen Personen einzuüben, die Ihnen
besonders missliebig sind; und Gott wird Ihre gute
Absicht segnen.
Gute
Nacht, teure Tochter, Gott sei Ihre einzige Liebe!
In ihm
verbleibe ich von ganzem Herzen
Ihr u. s.
w.
40.
Wie man nach einem Fehltritt sein Herz wieder zurechtbringen soll.
An eine
Dame.
Den 25.
Mai 1612. (In Eil'.)
Werteste
Frau! Halten Sie es für tröstlich, an mich zu schreiben,
so tun Sie es mit allem Vertrauen. Ich wünsche es allen
Ernstes. Zwei Dinge müssen wir miteinander zu verbinden
wissen: den größten Eifer, den Übungen des Gebetes wie
der Tugenden aufs pünktlichste obzuliegen, und den
Grundsatz, durchaus nicht in Verwirrung, Unruhe oder
Bestürzung zu geraten, wenn wir dabei Fehler begehen.
Ersteres ist durch die Treue gefordert, die in unserem
Herzen nie wanken, sondern von Stunde zu Stunde wachsen
soll; das andere durch unsere Schwäche, die wir in
diesem sterblichen Leben niemals abzulegen vermögen.
Teure
Tochter! Sind wir in einen Fehler geraten, so erforschen
wir sofort unser Herz und fragen es, ob der Entschluss,
Gott zu dienen, in ihm noch fest und lebendig ist? Ich
hoffe, es wird diese Frage bejahen und entschlossen
sein, tausendmal lieber den Tod zu leiden, als sich von
jenem Vorsatze loszusagen.
Fragen
wir es dann weiter: Warum strauchelst du denn jetzt?
warum bist du so matt? so wird es antworten: Es hat mich
überrascht, ich weiß nicht wie; aber es liegt mir jetzt
so schwer in den Gliedern.
Ach,
meine Tochter, da muss man ihm doch vergeben; es fehlt
ja nicht aus Treulosigkeit, sondern aus Schwäche. Man
muss es also mit aller Ruhe und Sanftmut zurechtweisen,
darf es aber ja nicht noch mehr reizen und verwirren.
„Wohlan, mein Herz,“ so sollen wir zu ihm sprechen,
„fasse Mut, mein Freund, lass uns getrost weiter wandern
und vorsichtiger sein! Helfen wir einander wieder auf
und vertrauen wir auf unseren Gott!” Ach, meine teure
Tochter, wir müssen unsere Seele liebevoll behandeln und
sie nicht anschnauzen, solange wir nicht sehen, dass sie
tückischen Verrat übt.
Sehen
Sie, wenn wir so verfahren, üben wir heilige Demut. Was
wir für unser Heil tun, ist für den Dienst Gottes getan;
denn unser Heiland selbst hat in dieser Welt nur für
unser Heil gewirkt. Verlangen Sie keinen Kampf; aber
erwarten Sie ihn festen Fußes. Der Herr sei Ihre Stärke.
In ihm
verbleibe ich u. s. w.
41. Es
ist nicht schlimm, wenn
uns bei der Beichte nicht alle kleinen Fehltritte
einfallen.
An seine
Nichte Frau von Valbonne.
Annecy,
den 15. Mai 1617.
Gott
segne Sie, teure Nichte und Tochter, da Sie nach wie vor
so eifrig darauf bedacht sind, die besten Empfindungen
Ihres Herzens für ihn zu bewahren!
Wie
glücklich werden Sie sein, wenn Sie in diesem Streben
beharren bis zum Ende dieses armseligen Lebens! Dann
wird dieses Ende der glückselige Anfang einer schönen
und hochheiligen Ewigkeit sein.
Machen
Sie sich keine Unruhe deswegen, dass Sie nicht alle Ihre
kleinen Fehltritte bemerken, um sie beichten zu können.
Nein, meine Tochter; denn so wie Sie oftmals fallen,
ohne es zu merken, so heißt es auch an der Stelle, auf
welche Sie sich berufen, nicht: der Gerechte sieht oder
fühlt, dass er siebenmal des Tages fällt, sondern: „er
fällt siebenmal, steht aber auch wieder auf” (Spr. 24,
15.), ohne diesem Aufstehen besondere Beachtung zu
schenken. Machen Sie sich also keine Sorge deswegen,
sondern gehen hin und sagen demütig und aufrichtig, was
Sie bemerkt haben; und was Ihnen entgangen ist,
überlassen Sie ruhig der süßen Barmherzigkeit dessen,
der denen, die da ohne Bosheit fallen, „seine Hand
unterhält, damit sie sich nicht verletzen” (Ps. 36,
24.), und sie so schnell und sanft wieder aufrichtet,
dass sie nicht merken, dass sie gefallen, da Gottes Hand
sie im Fallen aufgefangen, noch dass sie wieder
aufgestanden, da er sie so schnell aufgerichtet, dass
sie es gar nicht wahrnahmen.
Leben Sie
wohl, liebe Tochter und Nichte, hüten Sie recht Ihre
vielgeliebte Seele und schlagen nicht hoch an diese
vergänglichen Jahre, als nur um damit die hochheilige
Ewigkeit zu erringen.
42.
Glückwunsch zur Genesung des Vaters.
Gegen
alle Befürchtungen vor der Zukunft finden wir Schutz in
den Armen der göttlichen Vorsehung.
An eine
Dame.
Den 16.
Januar 1619.
Ich
denke, meine Tochter, Ihr Herz ist so sehr versichert
von meiner unwandelbaren Ergebenheit für Sie, dass es
fortan keinem Zweifel mehr darüber Raum geben wird: was
Gott tut, ist wohlgetan. Hat es auch lange gedauert, bis
ich Ihnen schrieb, so bitte ich Sie, die Ursache davon
lediglich in der unerträglichen Geschäftslast zu suchen,
infolge deren man mehr tun muss, als man kann und will,
und nicht tun kann, was man gerne möchte, wiewohl man es
nicht kann.
Wohl habe
ich letzthin befürchtet, die Krankheit Ihres Herrn
Vaters werde Ihnen viele Sorge machen; aber jetzt, wo er
Gott sei Dank alle Tage gesunder und kräftiger wird, bin
ich dieserhalb wieder ganz beruhigt.
O Gott,
meine Tochter, wie sehr verdient die Wahrheit beherzigt
zu werden, dass das irdische Leben uns nur gegeben ist,
um das ewige zu gewinnen! Weil wir kein Verständnis für
diese Wahrheit haben, geben wir unser Herz hin an die
Dinge dieser Welt, in welcher wir nur Durchreisende
sind; und wenn es dann heißt, sie verlassen, dann sind
wir betroffen und bestürzt.
Glauben
Sie mir, beste Tochter, um glücklich zu leben auf dieser
Pilgerfahrt, muss uns stets die Hoffnung auf die
Heimkehr in das Vaterland vor Augen schweben, wo wir
bleiben werden in Ewigkeit. Auch müssen wir fest daran
glauben, wie es ja auch wirklich ist, dass Gott, der uns
zu sich ruft, darauf achtet, wie wir diesem Rufe Folge
leisten, und dass er uns nichts zustoßen lässt, was
nicht zu unserem Besten dient; er weiß, wer wir sind,
und auf gefährlichen Wegen wird er uns seine väterliche
Hand reichen, damit wir nicht aufgehalten werden.
Um aber
diese Gnade recht schätzen zu können, muss man ein
rückhaltloses Vertrauen zu der göttlichen Leitung haben.
Gehen Sie
den Schicksalen des Lebens nicht mit Angst, sondern mit
zuversichtlicher Hoffnung entgegen, dass Gott in
demselben Maße, wie dieselben eintreffen, auch für
Abhilfe sorgen wird; er hat Sie auch bis dahin behütet;
halten Sie sich nur ja recht fest an der Hand seiner
Vorsehung, so wird er bei aller Gefährde Ihnen
beistehen; und wo sie nicht weiter können, wird er Sie
tragen. Was sollen Sie fürchten, teure Tochter, da Sie
Gott angehören, der uns so nachdrücklich versichert hat,
dass denen, die ihn lieben, alles zum Besten gereicht?
(Röm. 8, 28.) Machen Sie sich gar keine Gedanken
darüber, was der morgige Tag Ihnen bringen wird; denn
derselbe ewige Vater, welcher heute Sorge für Sie trägt,
wir es auch morgen und allezeit tun; entweder wird er
Ihnen kein Kreuz schicken, oder wenn er es kommen lässt,
wird er Ihnen unüberwindlichen Starkmut geben, dasselbe
zu tragen.
Bleiben
Sie also im Frieden, teure Tochter; machen Sie Ihre
Einbildung frei von allen Schreckbildern, die Sie
beunruhigen; sprechen Sie oftmals zu unserem Heilande:
„O Gott, du bist mein Gott, und ich vertraue auf dich;
du bist meine Hilfe und meine Zuflucht, nichts werde ich
fürchten (Vgl. Ps. 17, 3; 24, 1.);
denn du
bist nicht allein bei mir, sondern bist in mir, und ich
in dir.” Was könnte das Kind fürchten in den Armen eines
solchen Vaters? Seien Sie ganz ein Kind, meine liebe
Tochter; Sie wissen, das Kind macht sich nicht viel
Gedanken; es weiß, dass andere für es sorgen; es hat
immer Mut genug, wenn es nur bei dem Vater ist. Machen
Sie's gerade so, meine teure Tochter, und Sie werden im
Frieden sein.
43.
Über Traurigkeit und innere Unruhe.
(Oeuvres
complètes de St. François de Sales. Lyon et Paris 1861.
Tome II,
p. 829 – 834. Die Abhandlung war von dem Heiligen
zunächst für die Vorsteherin einer klösterlichen
Genossenschaft in Paris verfasst. Siehe S. 328.
Vgl.
Philothea IV, 11. 12.)
Art. I.
Traurigkeit und Unruhe stehen zu einander in
Wechselwirkung.
Traurigkeit erzeugt Unruhe, und Unruhe die Traurigkeit.
Beide sind daher nur in Gemeinschaft zu besprechen, und
was gut ist gegen die eine, ist auch ein Heilmittel für
die andere.
Um Sie zu
überzeugen, dass wirklich die Traurigkeit und die Unruhe
sich wechselseitig hervorrufen, müssen Sie wissen, dass
die Traurigkeit nichts anderes ist als ein Schmerz des
Geistes wegen eines Übels, welches wir gegen unseren
Willen in uns empfinden, sei das Übel nun ein äußeres,
wie Armut, Krankheit, Verunglimpfung, Verachtung; oder
sei es inneres, wie Unwissenheit, Trockenheit, böse
Neigungen, Sünde, Unvollkommenheit oder Widerwillen
gegen das Gute.
Empfindet
nun die Seele ein solches Übel in sich, so wird sie
zunächst missmutig über die Anwesenheit desselben, und
das ist dann die Gemütsstimmung, die man Traurigkeit
nennt. Zweitens entsteht in ihr sodann der Wunsch und
das Verlangen, des Übels entledigt zu sein, und sie
sinnt auf Mittel, sich frei davon zu machen, – soweit
ist alles gut und löblich. Drittens aber kann das Ringen
der Seele nach Befreiung von dem Übel aus Liebe zu Gott
oder aus Eigenliebe hervorgehen; im ersteren Falle wird
sie mit Geduld, Demut und Gelassenheit sich nach der
geeigneten Mitteln umsehen und nicht sowohl von sich
selbst und von der eigenen Beflissenheit Hilfe erwarten,
als vielmehr von der Barmherzigkeit Gottes; im letzteren
Falle aber wird sie mit solcher Hast nach Mitteln zu
ihrer Befreiung suchen, als ob sie das Gelingen mehr von
sich selbst als von Gott erwartete. Ich will nicht
gerade sagen, dass dies ihre wirkliche Gesinnung ist,
aber sie benimmt sich doch so, wie wenn alles auf sie
ankäme. Daher kommt es dann auch, dass sie, wenn sie
nicht sogleich beim ersten Versuche die Befreiung von
dem Übel erreicht, so großer Beunruhigung und Ungeduld
anheimfällt. So ist denn die Unruhe da, und alsbald
stellt sich viertens eine große Traurigkeit ein. Da
nämlich die Unruhe das Übel nicht zu beseitigen vermag,
im Gegenteil dasselbe nur verschlimmert, so verfällt man
in maßlose Beängstigungen, fühlt sich von aller Kraft
verlassen und dermaßen verwirrt im Geiste, dass es einem
vorkommt, als gebe es gar keine Rettung mehr. So gerät
man in einen Abgrund von Traurigkeit, wo jede Hoffnung
verschwindet und alle Bedachtnahme auf Lebensbesserung
aufhört.
Sie sehen
also, wie die Traurigkeit, obwohl an sich in ihren
Anfängen noch nicht böse, die Unruhe erzeugt, und wie
dann die Unruhe hinwiederum eine neue Art von
Traurigkeit hervorruft, die durch und durch gefährlich
ist.
Art. II.
Über die Unruhe im besonderen.
Über die
Unruhe brauche ich nur wenig zu sagen; einmal, weil die
Heilmittel für dieselbe fast die nämlichen sind, die ich
gegen die Traurigkeit verordne, dann auch, weil ich sie
auf das 14., 15. und 16. Kapitel des „Geistlichen
Kampfes” (Scupoli wird von dem heiligen Lehrer öfters
empfohlen.) verweisen kann.
Ich kann
mich also auf drei, vier Worte beschränken.
1. Die
Unruhe, die Mutter der bösen Traurigkeit, ist, abgesehen
von der Sünde, das größte Übel, welches einer Seele
zustoßen kann; denn es gibt keinen Fehler, welcher dem
Fortschritt in der Tugend und der Beseitigung des
Lasters so hinderlich wäre als die Unruhe. Gleichwie
nämlich Unruhen im Staate denselben vollständig zu
Grunde richten und ihm die Bekämpfung äußerer Feinde
unmöglich machen, so büßt auch unser Herz, wenn es in
sich selbst verwirrt ist, die Kraft ein, sich Tugenden
zu erwerben und sich gehörig gegen einen Feind zu
verteidigen, der, wie man zu sagen pflegt, es liebt, im
Trüben zu fischen.
2. Die
Unruhe entspringt aus einem heftigen und ungeregelten
Verlangen, von einem Übel frei zu werden, wovon sich
Seele oder Leib gequält fühlt; aber gleichwohl führt
diese Unruhe nicht allein die Befreiung nicht herbei,
sondern kann im Gegenteile dieselbe nur verzögern. Was
ist schuld, dass die Vögel und das Wild, wenn sie ins
Netz geraten sind, darin gefangen bleiben? Was anders
als die Ängstlichkeit und Hast, womit sie umherflattern
und sich abmühen, rasch zu entkommen, wodurch sie dann
nur desto mehr sich verwickeln und hemmen? Will einer
zwischen Dornhecken und Sträuchern in Hast und Eile
vorwärts kommen, so bleibt er erst recht hängen und
zerreißt sich; macht er aber hübsch sachte und biegt
vorsichtig rechts und links die Dornen zur Seite, so
kommt er rascher vom Fleck und verletzt sich nicht. –
Suchen wir einen Gegenstand mit zu großer Hast, so
tasten wir nicht selten daran vorbei, ohne ihn zu
bemerken, und was übereilt geschieht, wird niemals gut
getan.
3. Sind
wir daher in das Garn dieser oder jener Unvollkommenheit
geraten, so ist Unruhe nicht das Mittel, daraus zu
entkommen; im Gegenteil, wir verwickeln uns dadurch nur
immer mehr. Vielmehr müssen wir uns dann zu fassen und
ein ruhiges Urteil zu gewinnen suchen und alsdann ganz
sachte wieder alles in Ordnung bringen. Ich will nicht
sagen, es solle uns nichts daran gelegen sein, sondern
wir sollen ohne Hast, Verwirrung und Unruhe dabei
verfahren und um dieses Ziel zu erreichen das 14., 15.
und 16. Kapitel des „Geistlichen Kampfes” lesen und
wieder lesen. Vor allem muss man, wie der „Geistliche
Kampf” sich ausdrückt, einen Turmwart aufstellen, der
uns sofort Meldung macht, falls unter was immer für
einem Vorwande uns etwas nahen will, was Verwirrung oder
Hast in unserem Herzen erregen könnte. Diese Wache,
welche die Seele immer im Auge behält, mag vorbedeutet
sein durch den Berg Sion binnen der Stadt Jerusalem,
deren Name soviel heißt als „Schauplatz des Friedens“,
gleichwie Sion gemäß der Auslegung einiger „Wachen oder
„Warte“ bedeutet. Diese Schildwache aber soll nichts
anderes sein als eine sehr sorgfältige Bedachtnahme auf
die Bewahrung der inneren Ruhe, und zwar muss diese
Vorsorge beim Beginn aller unserer Geschäfte erneuert
werden am Abend, am Morgen wie am Mittag.
4.
Der Herr wollte nicht, dass sein Tempel von dem zwar
sehr heiligen, aber kriegerischen König David erbaut
werde; auch sollte beim Bau desselben weder ein
Hammer noch irgend ein Eisen gehört werden (3 Kön.
6, 7.). Salomo, der Friedensfürst, sollte das
Heiligtum errichten. Das soll uns ein Zeichen sein,
dass auch unsere geistige Auferbauung nach Gottes
Willen nur in tiefem Frieden und heiliger Stille vor
sich gehen soll; und alle Tage soll man um diese
teuren Güter zu Gott bitten, wie auch König David
lehrt, indem er spricht. „Flehet um das, was
Jerusalem zum Frieden dient." (Ps. 121, 6.) Auch
unser Erlöser entließ stets die Büßenden im Frieden;
sein Wort war: „Gehe hin in Frieden.” (Vgl. z. B.
Mark. 5, 34.)
Art. III.
Über die Traurigkeit im besonderen.
1. Nach
des hl. Paulus Lehre kann es eine gute und eine böse
Traurigkeit geben. Die Betrübnis nach Gottes Willen
wirkt Buße zur Seligkeit; die Betrübnis der Welt bewirkt
den Tod (2 Kor. 7, 10.).
2. Der
Feind bedient sich der Traurigkeit, um den Guten mit
seinen Versuchungen beizukommen. Sowie er nämlich darauf
aus ist, den Bösen Freude am Bösen zu machen, so ist er
bemüht, den Guten das Gute zu verleiden. Gleichwie er
nun zum Bösen nur verlocken kann durch die
Annehmlichkeit, die er dabei in Aussicht stellt, so kann
er auch von dem Guten uns nur abwendig machen, indem er
dasselbe im unangenehmsten Lichte erscheinen lässt. Aber
auch abgesehen davon ist Traurigkeit und Trübsinn das
Element des bösen Feindes, da er selber voll Trauer und
Trübseligkeit ist und ewiglich bleiben wird. Am liebsten
wäre es ihm daher, wenn alle wären wie er.
3.
Die Traurigkeit ist fast in allen Fällen vom Übel.
Denn nach den Geisteslehrern wachsen an dem Baume
der Traurigkeit acht Äste, nämlich Barmherzigkeit,
Bußsinn, Gram, Untätigkeit, Gereiztheit, Eifersucht,
Neid und Ungeduld. Nur die beiden erstgenannten aber
sind gut in jeder Hinsicht; weshalb auch der Weise
spricht: „Viele hat schon die Traurigkeit getötet,
und niemals bringt sie Nutzen.” (EccIi. 30, 25.) Nur
zwei gute Bächlein entquellen derselben gegen sechs
andere, die überaus böse sind.
Art. IV.
Kennzeichen der guten und der bösen Traurigkeit.
Die
schlimme Traurigkeit verwirrt den Geist und stürzt die
Seele in Aufregung und Unruhe. Es klagt daher der König
David nicht allein über Betrübnis, indem er spricht:
„Warum bist du traurig, meine Seele?” sondern auch über
Verwirrung und Beunruhigung, da er hinzufügt: „Und warum
verwirrst du mich?” (Ps. 42, 2.) Die gute Traurigkeit
hingegen belässt den Geist in tiefem Frieden und sanfter
Ruhe. Nachdem daher der Herr seinen Aposteln
vorausgesagt hatte: „Ihr werdet Trauer haben”, fügt er
bei: „Euer Herz beunruhige sich nicht und fürchte sich
nicht.“ (Joh. 16, 20. 27. 33.) „Siehe, meine bitterste
Bitterkeit ist im Frieden.” (Jes. 38, 17.)
Die böse
Traurigkeit fährt unerwartet nieder wie ein Hagelwetter,
schreckbar und mit großem Ungestüm, urplötzlich und ohne
dass man sagen kann, von wannen (wann) es kommt.
Denn sie hat weder Grund noch Ursache, und erst wenn sie
da ist, sucht sie allenthalben nach Vorwänden, um sich
zu rechtfertigen. Die gute Trauer dagegen schwebt leise
zur Seele nieder wie ein sanfter Regen, der die Hitze
der Tröstungen kühlt; immerhin hat sie vorher auch ihre
Veranlassungen.
Die
schlimme Traurigkeit macht mutlos und wirkt
einschläfernd, betäubend und lähmend auf den Geist; sie
macht, dass man die Arbeit aus den Händen sinken lässt,
wie der Psalmist sagt, und gleich Hagar das Kind unter
den Baum legt und hingeht, um zu weinen (1 Mos. 21, 15 –
16.). Die gute Traurigkeit flößt Kraft und Mut ein; kein
gutes Vorhaben wird von ihr preisgegeben oder behindert.
Das zeigte sich an der Traurigkeit unseres Heilandes;
diese war so überaus groß, dass sie nie ihresgleichen
hatte; aber gleichwohl hielt sie ihn nicht ab, zu beten
und um seine Apostel sich anzunehmen. Auch Unsere liebe
Frau, da sie ihr Kind verloren hatte, war über die Maßen
betrübt; aber dessenungeachtet suchte sie es auf mit
allem Fleiße. Ein Gleiches tat auch Magdalena, und ließ
es nicht bei unnützem Jammern und Weinen bewenden.
Die böse
Traurigkeit verdunkelt den Verstand, macht die Seele
ratlos und raubt ihr alle Besonnenheit uns Urteilskraft.
Es zeigte sich dies bei jenen Unglücklichen, von denen
der Psalmist sagt: „Sie waren wirr und wankend wie ein
Trunkener, und alle ihre Weisheit war verschlungen.“
(Ps. 106, 27.) In seiner Bestürzung streckt man rat- und
planlos die Hände nach Rettung aus, wie im Finstern
tappend. Die gute Trauer dagegen verleiht einen klaren
Blick, gießt helles Licht auf unsere Pfade; sie gibt, um
mit dem Psalmensänger zu reden, die rechte Einsicht.
Die
schlimme Betrübnis hindert, ja verleidet das Gebet und
flößt Misstrauen ein gegen die Güte Gottes; die gute
dagegen kommt von Gott, gibt neue Zuversicht und
größeres Vertrauen zu Gott und treibt an zum Gebete und
zur Anrufung seiner Barmherzigkeit. „Not und Bedrängnis
verwirrten mich; aber deine Satzungen (Vorschriften)
waren meine Betrachtung.” (Ps. 118, 143.)
Wer unter
der Herrschaft der bösen Traurigkeit steht, wird von
zahllosen leeren Schreckbildern und grundlosen
Befürchtungen gequält; es peinigt ihn die Angst und
Besorgnis, von Gott verlassen, in dessen Ungnade zu
sein; es ist ihm, als dürfe er Gott nicht mehr unter die
Augen kommen und ihn um Vergebung anflehen; alles
scheint sich gegen ihn und sein Heil verschworen zu
haben; er kommt sich vor wie Kain, der meinte, alle, die
ihn begegneten, würden ihn töten wollen. Gegen ihn, ihn
ganz allein, so meint er, sei Gott hartherzig und ewig
unerbittlich, alle übrigen Menschen seien glücklich im
Vergleich zu ihm. Es kommt dies von einem geheimen
Stolze her, der ihm einredet, er musste frömmer und
besser sein als andere und an Vollkommenheit alle
übertreffen. Kurzum, wenn solche Leute der Sache auf den
Grund gehen wollen, so werden sie finden, dass sie nur
deshalb aus ihrem Fehler so viel machen, weil sie aus
sich selber so viel machen.
Die gute
Traurigkeit dagegen denkt so: Ich bin eine elende,
verächtliche und niedrige Kreatur; darum wird Gott sein
Erbarmen an mir erweisen; denn die Kraft wird in der
Schwäche vollendet. Keineswegs aber wundert sie sich
über ihre Armseligkeit und Erbärmlichkeit.
Übrigens
liegt der tiefste Grund dieses Unterschiedes zwischen
der guten und schlimmen Traurigkeit darin, dass erstere
den Heiligen Geist zum Urheber hat. Da er unser einziger
Tröster ist, so ist von keiner seiner Tätigkeiten die
Liebe ausgeschlossen. Mit einem Worte, da es das wahre
Gut ist, so zeigt er sich auch als
solches in allem seinem Wirken. „Früchte des Geistes
sind aber nach dem hl. Paulus Liebe, Freude, Friede,
Geduld, Milde, Langmut.” (Gal. 5, 22.)
Im
Gegenteil bringt der böse Geist, der Urheber der
schlimmen Traurigkeit – von der natürlichen
Missgestimmtheit, derentwegen man eher eines Arztes als eines
Theologen bedarf, rede ich hier nicht –, mit sich
Trostlosigkeit, Finsternis und Ratlosigkeit; seine
Früchte können nur sein: Hass, Niedergeschlagenheit,
Unruhe, Ärger, Ingrimm (Zorn) und gänzliche
Selbstaufgabe. Die genannten Kennzeichen der bösen
Traurigkeit sind genau die nämlichen auch bei der bösen
Ängstlichkeit.
Art. V.
Heilmittel für die böse Traurigkeit.
1.
Geduld. Man nehme die traurigen Tugenden hin mit Geduld
als gerechte Strafe für so manche törichte Freude und
Ausgelassenheit. Sieht dann der böse Feind, dass wir
Gewinn daraus ziehen, so wird er uns nicht mehr so
zusetzen. Freilich soll man diese Geduld nicht üben, um
von seinem Druck befreit zu werden, sondern vielmehr
weil Gott es so will. Beugen nur uns aber unter den
Willen Gottes, so werden wir gleichwohl Hilfe dadurch
finden.
2.
Gegenwehr. Man muss mit aller Entschiedenheit dem Hang
zur Traurigkeit widerstehen und die Anwandlungen
derselben kräftig zurückweisen. Kommt uns auch alles
trübselig vor, was wir in solchen Zeiten tun, so dürfen
wir darum doch nicht die Hände in den Schoß legen. Das
ist es gerade, was der Feind mit der Traurigkeit
beabsichtigt, uns der guten Werke überdrüssig zu machen.
Sieht er dann aber, dass er nichts ausrichtet, dass
vielmehr unsere Werke nur an innerer Güte gewinnen,
indem wir dabei so viele Schwierigkeiten zu überwinden
haben, so wird er aufhören, uns fernerhin zu behelligen.
3.
Geistliche Gesänge. Nicht übel ist es auch, womöglich
sich zu helfen durch Gesang frommer Lieder. Schon oft
wurde der Einwirkung des Teufels Schranken gesetzt durch
dieses Mittel; man sieht dies an Saul, dessen
gewalttätiger Sinn durch den Klang der Psalmen
gesänftigt ward.
4.
Beschäftigung mit äußerlichen Verrichtungen
gleichgültiger Art.
Desgleichen ist es gut, sich äußerlichen Beschäftigungen
zu widmen und mit denselben so oft zu wechseln als
möglich. Es dient dies dazu, die Aufmerksamkeit von den
trübseligen Gedanken abzulenken und die Lebensgeister
anzuregen und zu wecken, da ja die Traurigkeit am
ehesten in Zeiten seelischer Herabstimmung sich
einstellt.
5.
Äußere fromme Übungen. Ratsam ist ferner, häufig,
wenn auch ohne Geschmack, äußere Akte der Inbrunst
zu verrichten, das Kreuz zu umklammern, das Kruzifix
ans Herz zu drücken, dessen Hände und Füße zu
küssen, die Blicke gen Himmel zu erheben und dabei
mit frommem Vertrauen zu seufzen: „Mein Geliebter
ist mein, und ich bin sein.” (Hohel. 1, 16.) „Mein
Geliebter ist mir ein Myrrhenbüschlein, das weilet
an meinem Busen.” (Hohel. 1, 12.)
„Nach
dir schmachten meine Augen, o Gott; sie rufen: Wann
wirst du mich trösten? (Ps. 118, 82.) „Wenn Gott für
mich ist, wer vermag dann wider mich zu sein?” (Röm.
8, 31.) „Was wird mich trennen von der Liebe meines
Gottes?” (Ebd. 8, 35.) und dergleichen.
6. Die
Disziplin. Mäßiger Gebrauch der Bußgeißel ist mitunter
von guter Wirkung. Die freiwillige äußere Peinigung wird
nämlich durch inneren Trost der Seele belohnt, und wenn
man dem Leibe äußere Schmerzen verursacht, empfindet man
weniger den Andrang der inneren Qualen, die der Psalmist
im Auge
hatte, da
er sprach: „Ich aber, wenn sie hart mir zusetzten, legte
das Haarkleid an.” (Ps. 34, 13.) Die gleiche Erfahrung
mag er auch an jener anderen Stelle im Auge haben, wo er
sagt: „Deine Rute und dein Stock, sie haben mir Trost
gebracht.” (Ps. 22, 5. Vgl. über die Disziplin S. 171.)
7. Gebet.
Das Hauptheilmittel ist das Gebet gemäß der Lehre des
hl. Jakobus: „Ist jemand traurig unter euch, so bete er.”(Jak. 5, 13.) Ich meine damit nicht, man solle in
solchen Zeiten längere Betrachtungen anstellen, sondern
man solle wieder und wieder mit seinen Bitten sich an
Gott wenden, soll nicht aufhören, seine göttliche Güte
zu bestürmen mit Worten voll unbegrenzten Vertrauens.
Ganz anders verfährt man in Zeiten Freude, wo Trübsinn
uns ferne liegt und unser Herz eher das Bedürfnis haben
mag, durch Furcht im Zaume gehalten zu werden; da mag
man etwa beten: „Gerechter, erschrecklicher Gott!
Zittern muss ich vor deiner allerhöchsten Majestät!” In
Zeiten der Traurigkeit dagegen taugen nur ermutigende
Worte; da muss man etwa so sprechen: „O Gott der
Barmherzigkeit, wie gut und liebreich bist du! Du bist
meine Liebe, meine Freude, meine Hoffnung, du der teure
Bräutigam meiner Seele.” So muss man fortbeten,
ungeachtet der Traurigkeit, der man weder Gehör noch
Glauben schenken darf, wenn sie uns solche Worte der
Liebe und des Vertrauens verwehren will. Scheinen
dieselben auch anfangs ohne Wirkung zu bleiben, so muss
man sich dadurch nicht irre machen lassen, sondern
getrost den Erfolg abwarten, der unfehlbar nach kurzem
Bemühen sich zeigen wird.
8. Die
heilige Kommunion. Die Kommunion in dieser Absicht zu
empfangen, ist ein überaus zweckdienliches Mittel; denn
sie führt ja den Gott alles Trostes in unser Herz ein.
9.
Beratung eines weisen Seelenführers. Eins der
wirksamsten Heilmittel besteht schließlich darin, dass
man mit rückhaltloser Offenheit sein Herz vor einer
erfahrenen geistlichen Person ausschüttet und mit
demütiger Aufrichtigkeit Rechenschaft ablegt über alle
Gefühle, Stimmungen und Anwandlungen, die im Gefolge der
Traurigkeit sich eingestellt, sowie über die
Anhaltspunkte, welche diese Regungen in uns gefunden
haben.
Beachten
Sie wohl, die erste Bedingung, welche der böse Feind
einer Seele auferlegt, die er verführen und ins Unglück
stürzen will, ist Beobachtung des Stillschweigens,
gerade so wie es die Empörer bei ihren Verschwörungen
und Umsturzplänen machen; vor allem verlangen sie, dass
ihre Unternehmungen und Anschläge geheim bleiben. Gott
hingegen macht zur ersten Bedingung eine
vernünft |