Im ersten Gleichnis der
Parabelrede wird die Grundfrage gestellt, warum Jesus
eigentlich in Gleichnissen spreche
(Mt 13,10f).
Die Antwort ist ein Hinweis darauf, dass Gleichnisse
zugleich enthüllen und verhüllen. Sie enthüllen, weil
das Sichtbare ein Zeichen des Unsichtbaren ist und darum
zu dessen Erkenntnis führt. Sie verhüllen, weil das
Unsichtbare nur im Zeichen gegeben ist, nicht in der
unmittelbar sichtbaren Wirklichkeit.
R.G.
Die Welt - ein Gleichnis
GOTTES
Hinter dem Ganzen liegt die Tatsache, dass die
Gesamtschöpfung ein Gleichnis GOTTES ist. |
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Wenn es im Schöpfungsbericht der Genesis heisst: Lasst
uns den Menschen schaffen nach unserem Bild und
Gleichnis, so ist damit zwar gesagt, dass der Mensch
durch seinen Geist und durch Gnade in besonderer Weise
Bild GOTTES sei. Aber auch die vernunftlose Schöpfung
trägt Spuren GOTTES und wird so für den erkennenden
Menschengeist Gleichnis des Herrn. Durch die Analogie
des Seins kann der Mensch das erkennen, was Schöpfung
und Schöpfer gemeinsam haben, und zugleich erkennen,
dass eben dieses Gemeinsame doch wieder im innersten
Wesen anders und verschieden ist. So erkennt er aus der
Schöpfung GOTT. Und zwar durch Bejahung. Denn alles
Grosse, Schöne, Wahre und Gute in der Schöpfung gilt
auch von GOTT. Durch Verneinung, denn alles
Unvollkommene, Begrenzte, Ungenügende der Schöpfung gilt
nicht von GOTT. Und durch Überhöhung, denn was in der
Schöpfung zwar Positives zu finden ist, aber nicht im
höchsten Grad der Vollkommenheit, das ist auch von GOTT
auszusagen, aber von diesem eben im Vollkommenheitsgrad. |
Wer die Welt nicht als Gleichnis GOTTES sieht, also ihre
Beziehung zu GOTT nicht erkennt, geht an ihrem tiefsten
Wesen vorüber. Er ist, nach den Worten des hl.
Augustinus, wie ein Mann, der die prächtig gezeichneten
oder gedruckten Buchstaben einer fremden Sprache ob
ihrer Schönheit und Form bewundert, aber die Worte und
Sätze, die sie bilden, nicht versteht. Der Atheist
glaubt, durch seine Hinwendung zur Welt diese erst
richtig verstanden zu haben. In Wirklichkeit hat er
durch die Abwendung von GOTT sich das Verständnis der
Welt verunmöglicht. Nur wer die Welt in ihrer
Gottzugewandtheit sieht, sieht sie ganz und sieht sie
richtig. So hat der religiöse Mensch eine bessere
Weltkenntnis als der Nichtreligiöse. Es gibt eine
natürliche Offenbarung, denn GOTT tut sein eigenes Wesen
in seinen Werken kund. Und es gibt auch eine natürliche
Gotteserkenntnis, denn der Mensch kann aus den Werken
DEN erkennen, der sie gewirkt hat. Die Sünde hat diese
Erkenntnis wohl verdunkelt und erschwert, aber nicht
verunmöglicht. Der jetzige Mensch kann aus der jetzigen
Welt GOTT erkennen.
Anderseits ist die Welt nur Gleichnis. Sie weist
wesentlich über sich hinaus. Sie ist nur Zeichen. Der
Pantheist, der meint, diese Welt sei selbst göttlich,
verkennt ebenfalls ihr Wesen. Er nimmt die Wirkung als
Ursache. Er sieht ebenso falsch und verkehrt wie der
Atheist. Beide leugnen die Beziehung der Welt zu GOTT.
Der eine, weil er der Welt zu wenig, der andere weil er
ihr zu viel zuspricht. Der gläubige Mensch, der die Welt
als Gleichnis nimmt, erkennt ihren religiösen Wert und
ihre Bedeutung als Wegweiser zu GOTT, bleibt aber nicht
bei diesem Wegweiser stehen, sondern folgt der Weisung
und gelangt zu GOTT.
Christus ist der Logos, der in die Schöpfung gekommen
ist. Darum knüpft ER bewusst an die Analogie des
geschaffenen Seins an. Und darum gehört ein Reden in
Gleichnissen und damit der Hinweis auf diese Analogie zu
seinem eigentlichen Wesen. ER ist aber zugleich als
menschgewordener GOTT die Spitze der Schöpfungspyramide.
Denn ER ist, wie kein anderer Mensch, Bild und Gleichnis
GOTTES, weil das Göttliche in IHM in besonderer Helle
aufstrahlt. Und ER ist endlich in seiner Gottheit als
Logos und somit als das gesprochene Wesen des VATERS im
vollendetsten und ureigensten Sinn, Bild und Gleichnis
des VATERS. Denn ER ist das vollendete Abbild des
Urbildes und ist dem VATER gleich, ist somit Gleichnis
im Sinn der Gleichheit. So ist sein Sprechen in Parabeln
geradezu sein Sprechen.
Unkraut und Weizen |
Ein anderes Gleichnis legte ER
ihnen vor (Mt 13,24-43).
ER sprach: |
«Das Reich der Himmel
gleicht einem Menschen, der gute Saat auf reinen
Acker sät. Während die Menschen schliefen, kam
sein Feind und säte Unkraut mitten unter das
Getreide und ging weg. Als die Saat sprosste und
Frucht brachte, wurde auch das Unkraut sichtbar.
Da kamen die Knechte der Herrn und sprachen:
Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker
gesät? Woher hat er nun da Unkraut? ER aber
sagte ihnen: Ein feindlicher Mensch hat das
getan. Die Knechte aber antworteten: Willst du,
dass wir hingehen und es sammeln? ER sagte:
Nein, sonst könntet ihr beim Sammeln der
Unkrautes zugleich auch den Weizen ausreissen.
Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte.
Bei der Erntezeit will ich den Schnittern sagen:
Sammelt zuerst das Unkraut, bindet es in Büschel
zum Verbrennen, den Weizen aber sammelt in meine
Scheune.» |
Dann entliess ER die Volksscharen
und ging nach Hause. Die Jünger traten zu IHM
und sagten: «Erkläre uns das Gleichnis vom
Unkraut im Acker. Er antwortete ihnen:
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«Der den
guten Samen sät, ist der Menschensohn. Der Acker
ist die Welt. Der gute Same, das sind die Söhne
des Reiches. Das Unkraut aber, das sind die
Söhne des Bösen. Der Feind, der es sät, ist der
Teufel. Die Ernte ist das Ende der Welt. Die
Schnitter sind die Engel. So wie das Unkraut
gesammelt und im Feuer verbrannt wird, so wird
es sein am Ende der Welt. Der Menschensohn wird
seine Engel senden, und sie werden aus seinem
Reich alle Verführer und alle Gesetzesübertreter
sammeln und sie in den Feuerofen werfen. Dort
wird Heulen und Zähneknirschen sein. Dann werden
die Gerechten im Reiche ihres Vaters leuchten
wie die Sonne. Wer Ohren hat, höre.» |
«Die Ernte ist das Ende
der Welt; die Arbeiter sind die Engel» (Mt
13,39).
(14. Jh., Florenz)
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Warten
Unsichtbar schreitet Christus durch die Zeit und streut
in
kühnem Wurf die Saat seiner Gottesworte aus, um die
Wahrheit zu bringen, die Schönheit leuchten zu lassen
und das Gute zu schenken. Unsichtbar folgt auf seinem
Fuss aber auch der Antichrist, um mit höhnischem Grinsen
auf den gleichen Acker der Welt die Lehren des Irrtums
und der Lüge, die Werke seiner Hässlichkeit und die
Keime des Bösen auszustreuen. Darum gibt es in der Welt
Licht und Dunkel, Aufbauen und Niederreissen, Liebe und
Hass.
Junge Idealisten glauben dann, in forschem
Draufgängertum die Welt bekehren zu können, indem sie
jedem Irrtum den Kampf ansagen, als Bilderstürmer alles
zerschlagen, was ihrem Schönheitskanon widerspricht, und
in religiösem Fanatismus alles bekämpfen, wenn nicht mit
dem Scheiterhaufen, dann wenigstens durch radikale
Strafmassnahmen. Sie beachten nicht, dass sie mehr
schaden als nützen.
Das gilt für die Erziehung des Einzelmenschen. Es gibt
Menschen, welche die Wahrheit erst schätzen, wenn sie
sich eine Zeitlang vom Irrtum haben narren lassen. Was
schön ist, lernen sie erst, wenn sie das Hässliche
gesehen haben. Und viele kommen nur durch das
Bewusstsein ihrer Sünde zur demütigen Annahme der Gnade.
Felix culpa! Wer darum als Erzieher oder Seelsorger
alles mit Stumpf und Stiel ausrotten will, was nicht dem
Ideal entspricht, vergewaltigt den Menschen, schüchtert
ihn ein, zwingt ihn in eine Schablone und bringt ihn nie
dazu, eine innerlich freie Persönlichkeit und ein frohes
Kind GOTTES zu werden. Man muss warten können und
dem Menschen zu seinem Wachstum Zeit lassen.
Etwas ähnliches gilt für die Ereignisse der
Weltgeschichte. Unruhige Himmelsstürmer und Donnersöhne
meinen immer, GOTT müsste auf der Stelle eingreifen,
jede feindliche Macht vernichten und den Triumph der
Wahrheit und der Gerechtigkeit ständig sichtbar machen.
Aber GOTT hat einen längeren Atem und den grösseren
Schritt. Vor IHM sind 1000 Jahre wie ein Tag. Das
Wichtige ist, dass die letzte Schlacht gewonnen wird,
auch wenn vorher viele Einzelgefechte mit Niederlagen
geendet haben.
Das gilt
auch für das Leben der Kirche. Ein falscher Radikalismus
will auf dem Stuhl Petri nur einen Papa Angelicus sehen.
Will nur Bischöfe gelten lassen, die eine Inkarnation
des guten Hirten sind, und kritisiert jeden Priester, in
welchem nicht petrinische Autorität, paulinische
Geistesschärfe und johanneische Glut zur Einheit
geworden sind. Im Grunde genommen wollen sie nur
Christus im Geist und nicht den menschgewordenen Logos.
Mit ihrer ständigen Kritik wirken sie nicht aufbauend,
sondern zerstörend. Sie schaffen
im Innern der Kirche nur Opposition und wirken nach
aussen nicht erobernd, sondern hemmend, nicht als
Wegweiser, sondern als Stacheldraht.
Nach den Worten Christi muss man warten können. Damit
ist nicht ein bequemes Gehenlassen gemeint oder ein
müder Verzicht, schläfrige Gleichgültigkeit oder
abgestumpfter Zynismus. Sondern es ist die religiöse
Haltung gemeint, die nach GOTTES Willen und GOTTES
Methoden fragt und infolgedessen nicht aus eigener
Initiative, sondern als Werkzeug GOTTES handelt. Wer
sich nicht immer wieder in die Hand GOTTES einfügt,
läuft Gefahr, seine eigene Meinung mit dem kirchlichen
Glaubensbekenntnis zu verwechseln und eine konstruierte
Idealkirche als Luftschloss zu bauen, anstatt in der
gottgegebenen Realkirche hier und heute zu wirken.
Fanatismus ist unchristlich. Man muss immer das Ende im
Auge haben und wissen, dass GOTT dieses Ende bestimmt
und dass ER als Richter Gericht hält. Wer nicht warten
kann, will GOTT sein eigenes menschliches Tempo
aufnötigen. Weil er nicht fähig ist zu dulden, wird er
ungeduldig. Es ist unsere Rettung, dass GOTT wartet.
Darum müssen wir auch bei den andern warten können, um
sie zu retten. Ums Retten geht es, nicht ums Richten.
Das Gericht ergeht nur über die, welche sich nicht
retten lassen.
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