Der Inhalt des 4.
Buches stammt teils aus der Zeit vor Birgittas Abreise
aus Schweden im Jahre 1349, teils aus der Zeit ihres
Aufenthaltes in Italien.
Inhalt 4. Buch
Seite 2 Die Zahlen stehen für die Kapitel
Offenbarung in Schweden 1344-49.
73. Maria spricht mit Birgitta über einen schwedischen Ritter, von dem Birgitta glaubte, er sei tot. (Ausführlicher wird das Thema in Kap. 75 behandelt).
74. Birgitta sieht in einer Ekstase, wie Maria und verschiedene Heilige ihren Sohn Karl mit den verschiedenen Kleidungsstücken bekleiden, die zu einer Ritterrüstung gehören. Jedes Kleidungsstück stellt eine besondere Tugend dar, der sich Karl befleißigen soll. Maria spricht auch Gebete vor, die er benutzen soll.
75. Maria deutet Birgitta an, wie der Teufel versucht, den Neubekehrten Menschen vom Pfad der Tugend abzuziehen, aber wie Gottes Eingebungen auf die Dauer stärker als die Anschläge des Teufels sind. Sie kam in Kap. 73 auf den erwähnten Ritter zurück, von dem Birgitta vermutete, er sei tot, aber in Wirklichkeit war er nur geistlich
tot. Offenbarungen, wahrscheinlich 1344-49 in Schweden eingegeben.
76. Maria erklärt Birgitta, dass sie sich nicht über die harte Gesinnung der Menschen beunruhigen soll, denen sie ihre Botschaft übermitteln soll. Weiter sagt Maria, dass keiner der jetzigen Stände, weder Fürsten, Ritter oder Priester, in Übereinstimmung mit den Verpflichtungen lebt, die für diese Stände gelten.
77. Birgitta bekennt Christus ihren Jubel über die Gnadengaben, die er ihr beschert hat. Christus schärft ihr die Verpflichtung ein, die sie hat, Gottes Wort an andere weiter zu
vermitteln. Offenbarung, gegeben 1350 in Rom.
78. Maria macht den päpstlichen Legaten Annibaldo Ceccano durch Birgitta auf den kirchlichen Verfall in Rom in der Zeit vor dem Jubeljahr 1350 aufmerksam. Das Kapitel ist mit III, 10 so gut wie
identisch. Offenbarungen, gegeben nach 1350 in Rom.
79. Ein Priester an einer der „Unserer Frau“ geweihten Basiliken in Rom (S. Maria Maggiore, S. Maria in Trastevere?) hat Birgitta um geistlichen Rat gebeten. Birgitta erklärt sich bereit, seiner Bitte zu entsprechen.
80. Birgitta entwirft für denselben römischen Priester ein Tagesprogramm.
81. Maria spricht mit Birgitta über einen Ritter aus Schonen, aus Halland und aus Schweden[3], lässt sie ermahnen und warnen und erklärt in diesem Zusammenhang, welche Tränen Gott wohlgefällig
sind.
Undatierbare Offenbarungen.
82. Christus schärft Birgitta ein, wie wichtig eine reine Sehnsucht, Weltverachtung und eine ständige Betrachtung von Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit ist.
83. Christus erklärt, wie die Menschenseele als ein Diener, ein Sohn und eine Ehefrau vor Gott sein soll.
84. Christus schärft die Pflicht der Frau ein, dem Manne untertänig zu sein.
85. Christus spricht mit Birgitta über einen Mann, der seine Barmherzigkeit von sich abgewiesen hat, und stattdessen seine Gerechtigkeit erfahren muss.
86. Maria spricht mit Birgitta über ihre Macht, allen Menschen Gnade zu vermitteln.
87. Christus ermahnt Birgitta und alle seine Getreuen, alles um seinetwillen zu verlassen.
88. Christus vergleicht die Gesinnung der Frommen und der Weltmenschen mit gut ausgerüsteten oder schadhaften
Schiffen. Offenbarung, 1350 oder später in Italien.
89.Christus verordnet verschiedene
Tugenden, verglichen mit der Kleidung und den Waffen
eines Ritters, und schreibt Gebete vor. Das Kapitel ist
zu vergleichen mit IV, 74.
Undatierbare Offenbarungen.
90. Christus beschreibt, wie er seine Getreuen mit sich vereinigt hat, ihnen weltliches Begehren abgenommen hat und ihnen die Lust zum Guten eingegeben hat.
91. Christus ermahnt Birgitta zur Demut.
92. Christus beschreibt, wie seine Freunde mit ihm vereint sind, wenn sie seinen Willen befolgen.
Offenbarung, um 1345 in Schweden.
93. Christus spricht mit Birgitta über einen Mönch, der aus selbstsüchtigen Beweggründen ins Kloster gegangen ist und deshalb ein sehr mühsames Klosterleben bekommen hat. Aus dem Zusatz geht hervor, dass der Mönch sich infolge der Ermahnung Birgittas auf dem Totenbett gebessert
hat.
Undatierbare Offenbarungen.
94. Christus gibt Birgitta Gebete, die gelesen werden sollen, wenn sie sich ankleidet, wenn sie zu Tisch geht und wenn sie zu Bett geht.
95. Christus beschreibt die Sünden seiner Feinde und sagt ihre baldige Bestrafung voraus.
96. Christus spricht weiter über die Bestrafung, die seinen Feinden bevorsteht.
97. Christus ermahnt einen Prälaten durch Birgitta, Demut und Eifer zur Errettung der Seelen zu haben (Italienzeit?).
98. Christus ermahnt seine Freunde, fleißig an der Bekehrung der Bösen zu arbeiten.
99. Christus deutet an, wie die jetzt lebenden Menschen seine Pein erneuern.
100. Christus ermahnt Birgitta zur Demut.
101. Maria beschreibt die Liebe ihres Sohnes zu den
Menschen. Offenbarung in Italien nach 1350.
102. Birgitta bezeugt das Urteil über die Seele eines verstorbenen Mönchs. Der Mönch wird wegen Mangels an Gehorsam und Gottesliebe zur Hölle
verdammt. Offenbarungen in Schweden um 1345.
103. Der hl. Dionysius, Frankreichs Schutzheiliger[4] bittet die Jungfrau Maria um Hilfe für das von den Engländern bedrängte Frankreich. Die Situation ist die des Hundertjährigen Krieges. Birgitta hatte während ihrer Reise nach Westeuropa 1341-43 einen Eindruck von diesem Krieg bekommen und vergaß nie, was sie da erlebte. Um 1346 reiste Bischof Hemming von Åbo und Prior Petrus von Alvastra in ihrem Auftrag nach Frankreich, um Frieden zu vermitteln. Sie führten bei dieser Gelegenheit Abschriften von diesem und den beiden folgenden Kapiteln mit sich.
104. Die Jungfrau Maria beklagte sich vor Christus über die streitenden Könige von England und Frankreich und bittet ihn, sich über das arme Volk zu erbarmen, das vom Kriege heimgesucht wird.
105. Christus antwortet auf das Gebet seiner Mutter und spricht seine Befehle an die beiden Könige
aus.
Undatierbare Offenbarung.
106. Christus tröstet Birgitta in der Stunde der Versuchung und gibt Beispiele von Heiligen, die ihren Glauben und ihre Standhaftigkeit unter den Versuchungen bewahrt
haben. Offenbarungen in Italien nach 1350.
107. Christus spricht mit Birgitta über einen sizilianischen Mönch, der sich allen göttlichen Eingebungen widersetzt hat, um stattdessen seinem eigenen Willen zu folgen. Er ermahnt ihn, sich zu bekehren und zu bessern. Aus dem Zusatz geht hervor, dass der Mönch wirklich die von Birgitta übermittelte Botschaft beherzigt
hat.
Undatierbare Offenbarungen.
108. Christus preist die kluge, maßvolle Enthaltsamkeit, die seine Mutter Maria, Johannes der Täufer und Maria Magdalena geübt haben.
109. Maria beschreibt, wie man unnütz verbrachte Zeit durch fromme Werke wieder gutmachen kann.
110. Christus lehrt Birgitta, gute und böse Eingebungen zu unterscheiden und letztere zu vertreiben.
111. Christus beschreibt Birgitta, was das geistliche Gesetz, d.h. sein Wille, in sich schließt, und welche Verpflichtungen und Belohnung es mit sich bringt.
112. Christus beschreibt die Hochmütigen und vergleicht sie mit
Schmetterlingen. Offenbarungen 1344-49 in Schweden.
113. Christus tadelt einen schwedischen Ritter (Nikolaus Ingevaldsson) für seine Gewinnsucht. Aus dem Zusatz geht hervor, dass dieser Ritter, der Birgitta vorher verhöhnt hatte, sich später mit Birgitta versöhnte und einen frommen Tod in Rom starb.
114. Christus tadelt einen schwedischen Papst wegen seiner knechtischen Furcht. Im Zusatz wird von den Wallfahrten desselben Mannes in Italien erzählt.
115. Christus spricht mit Birgitta über eine Person, die lange vom Teufel beherrscht war, jetzt aber befreit werden
soll.
Undatierbare Offenbarungen.
116. Christus klagt über die Missachtung, die die Menschen ihm jetzt zeigen, und über die Sakramente, die er gestiftet hat.
117. Birgitta bezeugt, wie Gott einem Mann geistliche Gnadengaben verspricht, der mit frommer Gesinnung ein Vaterunser gelesen hat.
118. Christus spricht vom Zusammenwirken von Gottes Gnade und dem freien Willen des Menschen.
119. Maria beschreibt die Herrlichkeit und Erniedrigung ihres Sohnes.
120. Christus schreibt Gebete vor, die gelesen werden sollen, wenn die Seele eine Neigung für das Liebliche oder Natürliche verspürt.
Offenbarungen in Schweden 1344-49.
121.Die Bekehrung des Alvastramönches Gerekinus wird Birgitta offenbart. Der Zusatz berichtet von einem ekstatischen Erlebnis dieses Mönchs und seinem Tod.
122. Christus tadelt und warnt den weltlichen Knut Folkesson einen Neffen von St. Brynolf, dem Bischof von Skara. Der Zusatz berichtet von der Feindschaft Herrn Knuts zu Birgitta und von seinem plötzlichen Tod.
123. Christus beschreibt, wie er Birgitta aus ihrer Liebe zur Welt und der Herrschaft ihres Eigenwillens zu sich gezogen
hat. Offenbarung in Italien nach 1350.
124. St. Agnes beschreibt sieben Edelsteine in Birgittas Krone, die Kränkungen darstellen, die Birgitta geduldig ertragen
hat. Offenbarungen, wahrscheinlich 1344-49 in Schweden.
125. Christus beschreibt sieben Bischöfe und vergleicht sie mit sieben verschiedenen Tieren. Der einzige von ihnen, der namentlich genannt wird, ist der siebente, Bischof Hemming von Åbo; der erste und zweite werden als Bischof Thomas von Växjö und Erzbischof Peter Tyrgilsson von Uppsala identifiziert, während man in dem dritten Bischof Ödgisl von Västerås vermuten kann.
126. Maria und Christus erteilen einem schwedischen Bischof ausführliche Ratschläge und Ermahnungen. Sie sind großenteils eine Wiederholung von denen, die in Buch III, 1-3 gegeben
werden. Offenbarungen in Italien nach 1350.
127. Ein italienischer Eremit vom Benediktinerorden begehrt Klarheit in der Frage, wie weit die jetzige üppige Tracht der Benediktinermönche als übereinstimmend mit Gottes Willen und der Anordnung des hl. Benedikt bezeichnet werden kann. Birgitta fragt Christus um Rat, und dieser äußert sein Missfallen. Das Kapitel erzählt weiter vom Tode eines Mönchs und seinem baldigen Eintritt ins Himmelreich.
128. Auf Marias Ermahnung rät Birgitta einem Benediktiner-Eremiten, sein rein kontemplatives Leben manchmal zu unterbrechen, um die Frucht seiner Betrachtung auch anderen mitzuteilen, mit anderen Worten, ein apostolisches Werk zu vollbringen.
129. Christus ergänzt seine in Kapitel 2 gegebenen Anweisungen für die, die an der Bekehrung der schlechten Christen und der Heiden arbeiten wollen. Wenn diese Offenbarung vielleicht aus der schwedischen Zeit stammt, so gilt dies doch nicht von dem Zusatz, der von Birgittas Erlebnis in der italienischen Stadt Salerno erzählt, wohin sie eine Wallfahrt unternommen hatte, um die Reliquien des hl. Matthäus zu ehren.
130. Christus ergänzt seine in Kapitel 125 gegebene Beschreibung der schwedischen Bischöfe. Dazu beschreibt sie noch einen Bischof, Birger Gregersson, der 1366 Peter Tyrgilsson als Erzbischof von Uppsala folgte.
131. Bericht von Birgittas Erlebnis am italienischen Wallfahrtsort Monte Gargano, wo die Engel Gegenstand einer besonderen Huldigung
bildeten.
Undatierbare Offenbarungen.
132. Christus spricht über die großen Verpflichtungen, die er den Priestern auferlegt hat, und wie schlecht sie diese Verpflichtungen erfüllen. Durch ihren schlechten Lebenswandel kreuzigen sie ihn von neuem, sagt er.
133. Christus klagt über die Gewinnsucht, die Selbstsucht und die Liederlichkeit der Priester und über das schlechte Beispiel, das sie den Laien geben.
134. Birgitta bezeugt das Gericht über die Seele eines verstorbenen Priesters. Der Priester wird wegen seiner Ausschweifungen und seiner Verhärtung den Teufeln überlassen.
135. Christus erklärt weiter, warum der im vorigen Kapitel genannte Priester zur Hölle verurteilt wird. Er schildert die Weltlichkeit der jetzigen Priester und ihre Trägheit in Gottes
Dienst.
Offenbarungen in Italien nach 1350.
136. Christus sagt ein paar zustimmende Worte über Innocentius, Papst von 1352-62.
137. Birgitta legt Papst Urban V. (1362-70), der sich 1367-70 in Italien aufhielt, eine göttlich inspirierte Bittschrift um Anerkennung der Regel vor, die sie für die Mönche und Nonnen in Vadstena verfasste. Sie bittet auch darum, dass der Papst den Besuchern des neuen Klosters denselben Ablaß gewähren möge, d.h. den Nachlaß zeitlicher Sündenstrafen, wie er den Besuchern der Kirche S. Pietro in Vincoli in Rom bewilligt wurde.
138. Zu Anfang des Jahres 1370 hat Urban V. Pläne, nach Avignon zurückzukehren, wo die Päpste seit Beginn des Jahrhunderts residierten. Birgitta sucht ihn damals in Fontefiascone auf und legt ihm ein göttlich inspiriertes Schreiben vor, in dem der Papst gewarnt wird. Italien zu verlassen.
139. An Gregorius XI., Papst von 1370-78, der bis auf weiteres in Avignon residierte, sendet Birgitta – wahrscheinlich Anfang 1371 einen Brief. In dem Brief erzählt sie, dass Maria sich ihr offenbart habe und ständigen Schutz für Gregorius versprochen habe, wenn er seine Residenz nach Rom verlegte und mit der Reform der Kirche beginnen würde.
140. Birgitta sendet etwas später einen neuen Brief an Papst Gregorius XI. und wiederholt darin die früher ausgesprochene Ermahnung, die päpstliche Residenz zurück nach Rom zu verlegen, die Hauptstadt der Kirche von altersher. Ihr Beichtvater Alfons, früher Bischof von Jaen, und ihr Freund Graf Nikolaus Orsini von Nola, befördern den Brief zum Papst.
141. Nach ihrer Pilgerfahrt nach Jerusalem befindet sich Birgitta Anfang 1373 in Italien. Dort empfängt sie am 26 Januar eine Offenbarung über Papst Gregorius XI. Christus versichert ihr, dass es dem Papst möglich wäre, von Frankreich nach Rom überzusiedeln.
142. Im Februar 1373 schreibt Birgitta, die sich weiter in Neapel aufhält, einen Brief an Papst Gregorius XI. Sie mahnt erneut in Gottes Auftrag, seine Residenz nach Rom zu verlegen. „Komm also, und zögere nicht!“ Alfons fährt mit dem Brief nach Avignon und legt ihn dem Papst vor.
143. Birgitta ist von Neapel nach Rom zurückgekehrt. Von dort sendet sie im Juli 1373, ganz kurz vor ihrem Tod[5], einen Brief an ihren Freund Alfons, der sich noch in Avignon aufhält, und bittet ihn, dem Papst den Inhalt des Briefes mitzuteilen. Der Brief hat denselben Inhalt wie der vorige. „Da der Papst zweifelt, ob er nach Rom kommen müsste, um den Frieden wieder herzustellen und meine Kirche zu reformieren, so erkläre ich (Christus), es ist mein Wille, dass er jetzt bis zum Herbst kommt, und kommt um zu bleiben.“
144. Birgitta schaut einen verstorbenen Papst (Urban V.?) im Fegefeuer.
[1]. 1346-1378.
[2]. Steffen, S. 287 ff.
[3]. Schonen und Halland gehörten damals noch zu Dänemark.
[4]. Gemeint ist Dionysius v. Paris, 1. Bischof von Paris und Märtyrer; gest. wohl um 250.
[5]. Birgitta starb am 23.07.1373.
Hier beginnt das
vierte Buch Seite 2 der himmlischen
Offenbarungen der hl. Birgitta von Schweden.
73.
Kapitel
Ein lebender Ritter
wurde für tot gehalten, und in einer geistlichen Vision
bekam die Braut ihn als tot zu sehen, und wie er um
Hilfe bat. Als diese Frau über seinen Tod betrübt war,
sagte die Mutter der Barmherzigkeit zu ihr: „Tochter,
wie weit dieser Ritter tot ist oder nicht, wirst du
rechtzeitig erfahren, aber nun wollen wir dafür
arbeiten, dass er besser leben soll.“
74. Kapitel
Gottes Sohn sprach zur
Braut und sagte: „Du hast heute ein Sprichwort in deinem
Sprachunterricht zusammengesetzt, dass es besser ist,
anderen zuvorzukommen, als dass andere einem
zuvorkommen. So bin ich dir mit meiner lieblichen Gnade
zuvorgekommen, damit nicht der Teufel die Herrschaft
über deine Seele erlangt.“
Und gleich zeigte sich Johannes der Täufer und sagte:
„Gesegnet seist du, Gott, der du vor allen Dingen da
bist, du, neben dem kein anderer jemals Gott ist oder
war oder sein wird, nachdem du in Ewigkeit der einzige
Gott bist und warst! Du bist die von den Propheten
verheißene Wahrheit, über die ich gejubelt habe, noch
ehe ich geboren wurde, und die ich dann vollständiger
kennenlernte und gezeigt habe. Du bist unsere Freude und
Ehre, unser Verlangen und unsere Sättigung, denn dich zu
schauen, erfüllt uns mit unaussprechlichem Entzücken,
von dem keiner eine Vorstellung hat außer dem, der sie
kostet. Du bist auch unsere einzige Liebe.
Es ist nicht verwunderlich, dass wir dich lieben. Denn
es ist nicht genug damit, dass du – nachdem du selbst
die Liebe bist – die liebst, die dich lieben, nein,
nachdem du aller Menschen Schöpfer bist, beweist du
deine Liebe auch denen, die nichts von dir wissen
wollen. Aber nun bitten wir dich also, Herr, nachdem wir
durch dich und in dir reich sind, dass du unsere
geistlichen Reichtümer denen gibst, die keinen Reichtum
haben, so dass – wie wir uns ohne unser Verdienst an dir
freuen – auch andere an unserem Gut teilhaben.“
Christus erwiderte: „Du bist wahrhaftig das höchste
Glied neben dem Kopf und daneben. Doch ist der Hals noch
näher und vornehmer. So bin ich das Haupt von allen;
meine Mutter ist der Hals, und danach kommen die Engel.
Du und meine Apostel sind jedoch mit dem Rückgrat zu
vergleichen, denn ihr liebt mich nicht nur, sondern ihr
ehrt mich und nützt mir ebenso wie die, die mich lieben.
Daher steht es fest, was ich sagte: „Die Werke, die ich
tue, die sollt ihr auch tun, und euer Wille ist mein
Wille.“ Denn wie ein leibliches Haupt sich nicht ohne
die Glieder rühren kann, so gibt es in eurem geistlichen
Zusammenschluss und eurer Vereinigung nichts, was ihr
zwar wollt, aber nicht könnt, sondern alles, was einer
von euch will, das kann er auch, und deshalb soll es
geschehen, was du begehrst.“
Nun führte Johannes einen fast halbtoten Ritter in ihre
Mitte und sagte: „Siehe Herr, er, der hier steht, hat
dir seine Ritterschaft gelobt und versucht, zu kämpfen,
aber bringt es nicht fertig, weil er schwach und wenig
bewaffnet ist. Ich bin aus zweifachem Grund
verpflichtet, ihm zu helfen, sowohl für die Verdienste
seiner Ahnen, wie auch für die Liebe und den Eifer, den
er für meine Ehre hat. Gib ihm dafür um deiner selbst
willen Rittergewänder, so dass nicht die Schande seiner
Nacktheit sichtbar wird!“
Der Herr antwortete: „Gib ihm, was du willst, und kleide
ihn, wie es dir gefällt!“ Da sagte Johannes: „Komm, mein
Sohn, und nimm von mir das erste Kleidungsstück in
deinem Rittergewand entgegen! Wenn du es genommen hast,
kannst du die übrigen Ritterstücke leichter nehmen und
tragen. Für einen Ritter ist es angebracht, nah am
Körper etwas zu haben, was weich und sanft ist, nämlich
ein Unterhemd. Damit will ich dich bekleiden, denn so
gefällt es Gott. So wie das materielle Unterhemd weich
und sanft ist, so bedeutet das geistliche Hemd, Gott in
der Seele lieb zu haben, und lieb für das Gefühl.
Liebevolles Verlangen nach Gott kommt von zwei Dingen,
nämlich der Betrachtung von Gottes Wohltaten, und die
Erinnerung an begangene Sünden. Diese beiden Dinge habe
ich als Kleiner Kerl eingehalten. Ich dachte nämlich
darüber nach, mit welch großer Gnade mir Gott schon
zuvorgekommen ist, noch ehe ich geboren wurde, und welch
großen Segen er mir nach meiner Geburt beschert hat.
Und als ich dies bedachte, seufzte ich und fragte mich,
wie ich das in würdiger Weise meinem Gott
wiedergutmachen könnte. Ich betrachtete auch die
Vergänglichkeit der Welt und flüchtete so in die Einöde,
wo mein Herr Jesus mir so lieb wurde, dass ich einen
Widerwillen dagegen empfand, an alles Begehrenswerte auf
der Welt zu denken, und fand es mühsam, danach zu
trachten. Komm also, Ritter, und zieh dir das Hemd an;
das Übrige wirst du zu gegebener Zeit bekommen!“
Danach zeigte sich der hl. Apostel Petrus und sagte:
„Johannes gab dir das Unterhemd, aber ich, der schwer
gefallen ist, aber mannhaft wieder aufgestanden ist,
werde dir die Brünne anfertigen, d.h. die Liebe zu Gott.
Denn so wie die Brünne aus vielen Eisenringen besteht,
so verteidigt die Gottesliebe den Mann gegen Wurfspieße
und setzt ihn instand, mit Gleichmut das Böse zu
ertragen, das eintrifft, sie macht ihn eifriger und
wirksamer, wenn es um Gottes Ehre geht, eifriger in
göttlicher Arbeit, unüberwindlich bei Unglücksfällen,
fest in Hoffnung, ausdauernd in dem, was er unternommen
hat.
Diese Brünne wird glänzen wie Gold und stark wie Stahl
und Eisen sein, denn jeder Mensch, der Liebe hat, soll
in seiner Geduld bei Unglücksfällen geschmeidig sein wie
Gold und glänzend in seiner Weisheit und Klugheit, so
dass er Ketzerei nicht für den richtigen Glauben oder
das Zweifelhafte für sicher hält.
Die Brünne wird stark sein wie Eisen, denn wie das Eisen
alles unterwirft, so sollte auch der Mensch, der die
Liebe anwendet, versuchen, die zu demütigen, die sich
dem Glauben und den guten Sitten widersetzen, und er
darf nicht vor lästerlichen Reden zurückweichen, soll
sich um der Freundschaft willen nicht beugen lassen,
nicht in seinem Eifer zum Nutzen zeitlicher Dinge
ermüden, nicht eine Tat aus Bequemlichkeit unterlassen
und den Tod nicht fürchten, denn keiner kann ihm ohne
Gottes Zulassung das Leben rauben.
Aber obwohl die Brünne aus vielen Ringen besteht, so
sind es doch vor allem zwei Ringe, durch die die Brünne
der Liebe zusammengehalten wird. Der eine Ring der Liebe
ist nämlich die Kenntnis von Gott und das fleißige
Betrachten von Gottes Wohltaten und Geboten. Dadurch
lernt der Mensch einzusehen, was er für Gott, für den
Nächsten und die Welt tun soll.
Der andere Ring besteht darin, den eigenen Willen Gott
zuliebe zu zügeln, denn jeder, der Gott vollkommen und
von ganzem Herzen liebt, behält sich in seinem Willen
nichts vor, was gegen Gott ist. Siehe, mein Sohn, diese
Brünne gibt dir Gott, und ich habe sie für dich
hergestellt, was aus Liebe zu Gott geschehen ist.“
Dann trat der hl. Paulus auf und sagte: „Mein Sohn!
Petrus, der höchste Hirte der Schafe, hat dir die Brünne
gegeben, aber ich werde dir aus Liebe zu Gott den
Brustharnisch geben, was die Liebe zum Nächsten
bedeutet, und dass man im Zusammenwirken mit Gottes
Gnade bereit ist, zur Erlösung des Nächsten das Leben zu
opfern.
So wie viele kleine Eisenplatten im Brustharnisch
vereinigt und mit Nägeln zusammengehalten werden, so
münden viele Tugenden in die Liebe zum Nächsten aus.
Denn jeder, der den Nächsten liebt, sollte zu allererst
darüber traurig sein, dass nicht alle, die mit Jesu
Christi Blut erlöst sind, Gott seine Liebe erwidern.
Zweitens sollte er beklagen, dass sich die heilige
Kirche nicht in einem lobenswerten Zustand befindet.
Drittens, dass es nur wenige gibt, die sich mit Liebe
und bitterem Schmerz an Gottes Leiden erinnern. Viertens
sollte er darauf achten, dass nicht sein Nächster durch
irgendein schlechtes Beispiel von ihm selbst verführt
wird. Fünftens sollte er seine Habe froh und
bereitwillig seinem Nächsten geben und für ihn bitten,
dass er sich in allem Guten vervollkommnen wird.
Die Nägel, mit denen die Eisenplatten zusammengehalten
werden, sind göttliche Worte. Denn wenn ein liebevoller
Mann seinen Nächsten betrübt sieht, soll er ihn mit
liebvollen Worten trösten; er soll den verteidigen, der
zu Unrecht angegriffen wird, soll die Kranken besuchen,
die Gefangenen freikaufen, keine Hemmungen vor den Armen
haben, immer die Wahrheit lieben, nichts vor die Liebe
Gottes setzen, nie vom Weg der Gerechtigkeit abweichen.
Mit einem Brustharnisch war ich bekleidet, denn ich war
krank mit den Kranken, ich scheute mich nicht, vor
Königen und Fürsten die Wahrheit zu sagen, und ich war
bereit, für die Rettung des Nächsten zu sterben.“
Nun zeigte sich Gottes Mutter und sagte zu dem Ritter:
„Was fehlt dir noch, mein Sohn?“ Er antwortete: „Mein
Haupt hat keinen Helm.“ Da sagte die Mutter der
Barmherzigkeit zum Schutzengel seiner Seele: „Was hat
dein Schutz dieser Seele genützt, und was hast du
unserem Herrn zu bieten?“ Der Engel erwiderte: „Ich habe
etwas, obwohl es klein ist. Er hatte nämlich manchmal
Almosen gegeben und hat einige Gebete aus Liebe zu Gott
gelesen, und manchmal hat er auf seinen eigenen Willen
für Gott verzichtet, wobei er aufrichtig zu Gott betete,
dass die Welt ihren Reiz für ihn verlieren möge, und
dass Gott ihm lieber als alles andere würde.“
Die Mutter antwortete: „Es ist gut, etwas vorweisen zu
können. Wir wollen nun etwas tun, was ein guter
Goldschmied macht, wenn er eine große Arbeit aus Gold
anfertigt, aber Mangel an Material hat. Er bittet gut
situierte Freunde um Hilfe, und alle, die Gold zur
Verfügung haben, helfen ihm dann, so dass seine Arbeit
vollendet werden kann. Aber wer wird einem sein Gold
abgeben, der eine Arbeit aus Lehm macht? Lehm ist ja
nicht wert, mit Gold vermischt zu werden. Daher sollen
alle Heiligen, die reich an Gold sind, mit mir den Helm
für dich herstellen, den du tragen wirst.
Dieser Helm ist der Wille, Gott allein zu gefallen. Denn
wie der Helm das Haupt gegen Schüsse und Schläge schütz,
so verteidigt der gute und auf Gott allein gerichtete
Wille die Seele, dass die Versuchungen des Teufels keine
Macht über sie gewinnen, und er bringt Gott in die Seele
hinein. Einen solchen Willen hatte der Gute Georg und
Mauritius und mehrere andere, ja auch der Räuber am
Kreuz.
In diesem Helm muss es auch zwei Bohrlöcher für die
Augen geben, so dass das, was eintrifft, vorausgesehen
werden kann. Die Öffnungen bezeichnen Klugheit bei dem,
was getan werden soll, und Vorsicht bei dem, was
unterlassen werden soll, denn ohne Klugheit und
Überlegung ist vieles, was anfangs gut aussah, zum
Schluss schlecht geworden.“
Weiter fragte die Mutter den Ritter: „Was fehlt dir noch
weiter, mein Sohn?“ Er antwortete: „Meine Hände sind
noch bloß und haben keine Bewaffnung.“ Die Mutter sagte:
„Ich will dir helfen, dass deine Hände nicht nackt zu
sein brauchen. So wie der Körper zwei Hände hat, so gibt
es auch zwei geistliche Hände. Die rechte Hand, mit der
das Schwert gehalten werden soll, bezeichnet das Ausüben
der Gerechtigkeit. Das soll sich durch fünf Tugenden
auszeichnen, die mit fünf Fingern verglichen werden
können.
Die erste besteht darin, dass in jeder Gerechtigkeit die
Gerechtigkeit in erster Linie in sich selbst besteht,
indem man darauf achtet, dass in seinem Reden, Tun oder
Beispiel nichts auftritt, was den Nächsten verletzen
könnte, und dass er mit seinen eigenen unordentlichen
Sitten das bei anderen zerstört, was er auf den Wegen
der Gerechtigkeit lehrt oder tadelt.
Die zweite besteht darin, dass er nicht auf Grund von
Menschengunst oder weltlicher Gewinnsucht Gerechtigkeit
oder Werke der Gerechtigkeit übt, sondern allein aus
Liebe zu Gott. Die dritte besteht darin, niemanden zu
fürchten, der gegen die Gerechtigkeit handelt, nicht
unterlässt, Gerechtigkeit aus Freundschaft zu üben, oder
sich verleiten lässt, für einen Armen oder Reichen,
Freund oder Feind, von der Gerechtigkeit abzuweichen.
Die vierte besteht darin, bereit zu sein, sogar das
Leben für die Gerechtigkeit zu opfern. Die fünfte
besteht darin, nicht nur Gerechtigkeit zu üben, sondern
Gerechtigkeit auch weise zu lieben, so dass das Urteil
sowohl barmherzig als auch streng ist, und so dass der,
der weniger sündigt, anders gezüchtigt wird als der, der
schwerer sündigt, und der, der aus Unkenntnis sündigt,
anders als der bestraft wird, der in bewusster Bosheit
sündigt.
Wer diese fünf Finger hat, sollte darauf achten, dass er
das Schwert nicht aus Ungeduld schärft und dass nicht
weltliche Lust es stumpf macht, dass Gedankenlosigkeit
es nicht aus der Hand fallen lässt, oder die
Unbeständigkeit der Seele es schwarz macht.
Die linke Hand ist das göttliche Gebet. Auch das muss
fünf Finger haben. Der erste ist, fest an die
Glaubensartikel von der Göttlichkeit und Menschengestalt
(Christi) zu glauben und das mit der Tat zu beweisen,
sowie zu glauben, was die heilige Kirche, Gottes Braut,
bekennt. Der zweite ist, nicht bewusst gegen Gott
sündigen zu wollen und all das mit Reue wieder gut
machen zu wollen, was man verbrochen hat.
Der dritte ist, Gott zu bitten, dass die körperliche
Liebe in geistliche Liebe verwandelt wird. Der vierte
ist, zu keinem anderen Zweck auf der Welt zu leben, als
Gott Ehre zu erweisen und die Sünden zu verringern. Der
fünfte ist, sich nicht vermessen etwas zuzutrauen,
sondern Gott stets zu fürchten, und zu jeder Stunde den
Tod zu erwarten.
Siehe, mein Sohn, dies sind die beiden bewaffneten
Hände, die du haben sollst. Mit der rechten sollst du
das Schwert der Gerechtigkeit gegen die schwingen, die
die Gerechtigkeit übertreten, und die linke bezeichnet
dein Gebet zu Gott um Hilfe, so dass du niemals nur auf
deine Gerechtigkeit vertraust, oder dich gegen deinen
Gott erhebst.“
Wieder zeigte sich die heilige Maria und sagte zu dem
Ritter: „Mein Sohn, fehlt dir immer noch etwas?“ Er
erwiderte: „Ja, Fußbekleidung.“ Da sagte sie: „Hör du,
der du vorher ein Ritter der Welt warst, aber jetzt
meiner bist – alles, was im Himmel und auf Erden ist,
hat Gott geschaffen, aber unter all dem ist die Seele
das edelste und schönste Geschöpf, - sie, die wie der
gute Wille in ihren Eingebungen ist. Denn so, wie viele
Zweige von einem Baum ausgehen, so geht jede
Vervollkommnung der Tugenden durch Übung und Wirksamkeit
aus der geistlichen Seele hervor, und so sollte der gute
Wille durch Gottes Gnade der Anfang sein, wenn man eine
geistliche Fußbewaffnung erhält.
Sie sollte sich durch eine doppelte Betrachtung
auszeichnen, was mit zwei Füßen auf goldenen Sohlen
verglichen werde kann. Der erste Fuß der vollkommenen
Seelen ist eine solche Betrachtung, nämlich dass man
nicht gegen Gott sündigen will, auch wenn er das nicht
bestrafft. Der zweite Fuß ist, auf Grund von großer
Geduld und Liebe zu Gott gute Werke zu tun, auch wenn
man wüsste, dass man verdammt würde. Das Knie der Seele
ist die Fröhlichkeit und Kraft des guten Willens. Denn
wie die Knie zum Nutzen der Füße gebeugt und gebogen
werden, so muss der Wille der Seele gebeugt und nach dem
Verstand nach Gottes Willen zurückstehen.
Es steht geschrieben, dass Geist und Fleisch miteinander
streiten. Daher sagt auch Paulus: „Ich tue nicht das
Gute, das ich will.“ Das ist, als wollte er sagen:
„Manches Gute will ich ja, denn das gebietet meine
Seele, aber ich vermag es auf Grund der Schwachheit des
Fleisches nicht auszuführen. Und wenn ich es tun kann,
so geschieht das nicht mit freudiger Bereitschaft.“
Aber vielleicht kam der Apostel doch um seinen Lohn,
weil er wollte und nicht konnte, oder weil er zwar das
Gute tat, aber ohne Freude? Keineswegs – stattdessen
vergrößerte sich seine Krone um das Doppelte. Erstens,
weil er mit seinem äußeren Menschen ein mühevolles Werk
zu erledigen hatte, weil das Fleisch gegen das Gute so
widerspenstig war. Zweitens, weil er für seinen inneren
Menschen nicht immer geistlichen Trost genoss.
Viele Weltmenschen arbeiten im Zeitlichen, aber dafür
werden sie nicht belohnt, da sie nach dem Wunsch des
Fleisches tätig sind. Wenn ihre Arbeit von Gott befohlen
wäre, würden sie keineswegs so eifrig dabei sein.
Diese beiden Füße der Seele, nämlich nicht gegen Gott zu
sündigen und gute Werke tun zu wollen, auch wenn eine
Verurteilung folgen sollte, müssen mit einer doppelten
Bewaffnung versehen werden, nämlich einem verständigen
Gebrauch der zeitlichen Dinge, und einer vernünftigen
Sehnsucht nach dem Himmlischen. Ein verständiger
Gebrauch des Zeitlichen ist es, Güter zu einem maßvollen
Lebensunterhalt zu besitzen, aber nicht zu einem Leben
im Überfluss. Eine verständige Sehnsucht nach dem
Himmlischen ist es, den Himmel mit guten Werken und
Arbeit verdienen zu wollen.
Durch Undank und Leichtsinn hat der Mensch sich von Gott
abgewandt, deshalb muss er durch Arbeit und Demut zu
Gott zurückkehren. Nachdem du dies nicht gehabt hast,
mein Sohn, so sollten wir die heiligen Märtyrer und
Bekenner bitten, die übergenug von diesen Reichtümern
besaßen, dir zu helfen.“
Gleich zeigte sich der Heiligen und sagte: „Gesegnete
Frau, du hast den Herrn in deinem Schoß getragen, und du
bist die Herrscherin von allen – was gibt es, das du
nicht kannst? Was du willst, ist ja schon getan; dein
Wille ist allzeit auch der unsere. Du bist mit Recht die
Mutter der Liebe, denn du besuchst alle in Liebe.“
Wieder zeigte sich die Mutter und sagte zu dem Ritter:
„Mein Sohn, noch fehlt uns der Schild. Zu einem Schild
gehören zwei Dinge, nämlich Stärke und das Zeichen des
Herrn, für den man kämpft. Der geistliche Schild
bezeichnet das Betrachten von Gottes bitteren Leiden; es
muss am linken Arm am Herzen hängen, so dass die Seele,
so oft des Fleisches Lust sie erfreut und weltliche
Verachtung und Unglück sie sticht und betrübt, sich an
Christi Wunden erinnern sollte, und so oft sie Ehre und
langes Leben auf Erden lockt, sollte sie Christi
bitteres Leiden und seinen Tod bedenken.
Ein solcher Schild muss als Stärke Ausdauer im Guten und
als Breite die Liebe haben. Das Abzeichen des Schildes
muss aus zwei Farben bestehen, denn nichts sieht man
klarer und länger als das, was aus zwei leuchtenden
Farben besteht. Die beiden Farben, mit denen der Schild
der Passionsbetrachtung geschmückt sein muss, sind
Enthaltsamkeit von unordentlichen Begierden, Reinheit
und das Unterdrücken der Triebe des Fleisches. Von
diesen beiden Farben wird der Himmel erleuchtet, und
wenn die Engel sie sehen, freuen sie sich und sagen:
„Sieh die Zeichen der Reinheit und unserer Gesellschaft!
Wir müssen dem Ritter beistehen!“
Aber wenn die Teufel den Ritter mit diesen Zeichen auf
dem Schild geschmückt sehen, rufen sie aus: „Was sollen
wir tun, Kameraden? Dieser Ritter ist gefährlich im
Kampf und hat schöne Waffen. An seinen Seiten hängen die
Waffen der Tugenden. Im Rücken hat er die Heerschar der
Engel. Auf der linken Seite hat er den wachsamsten
Beschützer, nämlich Gott. Er ist ringsum voller Augen,
und damit betrachtet er unsere Bosheit. Ihn bekämpfen
können wir sicher, aber nur zu unsere eigenen Schande,
denn wir können in keiner Weise Macht über ihn
gewinnen.“
O wie glücklich ist doch ein solcher Ritter, den die
Engel ehren, und vor dem die Teufel zittern! Aber weil
du diesen Schild noch nicht bekommen hast, mein Sohn, so
lass uns die heiligen Engel bitten, die in geistlicher
Reinheit glänzen, dass sie dir helfen!“
Die Mutter sagte weiter: „Mein Sohn, noch fehlt uns das
Schwert. Zu einem Schwert gehören zwei Dinge: Erstens,
dass es zwei Schneiden hat, zweitens, dass es gut
geschliffen ist. Das geistliche Schwert ist das
Vertrauen auf Gott, für die Gerechtigkeit zu kämpfen.
Dieses Vertrauen soll zwei Schneiden haben, nämlich die
Richtigkeit der Gerechtigkeit bei Glücksfällen wie auf
der rechten Seite, und Danksagung unter Widrigkeiten,
wie auf der linken Seite.
Ein solches Schwert hatte der Gute Hiob, der im Unglück
Gott für seine Kinder Opfer brachte, er, der der Vater
der Armen war, und dessen Tür für den Reisenden
Offenstand. Er wanderte nicht ins Blaue hinein und
begehrte kein fremdes Eigentum, sondern fürchtete Gott
wie der, der auf den Wogen Meeres fährt. Er brachte auch
im Unglück Danksagung dar, und als er seine Kinder und
seine Güter verlor, als er von seiner Frau getadelt und
mit den schlimmsten Geschwüren geschlagen wurde, ertrug
er es geduldig und sagte: „Der Herr hat’s gegeben, der
Herr hat’s genommen; der Name des Herrn sei gelobt!“
Das Schwert soll auch gut gewetzt sein, so dass es die
Bekämpfer der Gerechtigkeit schlägt, wie Mose und David
es taten, dass es für das Gesetz eifert wie Pinhas,
standhaft Gottes Wort spricht, wie Elias und Johannes.
(O, wie viele haben jetzt ihr Schwert stumpf werden
lassen! Auch wenn sie verschwenderisch mit Worten
umgehen, rühren sie keinen Finger.
Sie suchen die Freundschaft der Menschen und kümmern
sich nicht um Gottes Ehre). Weil du ein solches Schwert
noch nicht bekommen hast, sollten wir die Erzväter und
Propheten bitten, die eine solche Zuversicht hatten, und
es wird uns vertrauensvoll gegeben werden.“
Nochmals zeigte sich die Mutter und sagte: „Mein Sohn,
du brauchst noch eine Decke über die Waffen, so dass sie
gegen Rost geschützt werden und nicht durch Feuchtigkeit
beschädigt werden. Diese Decke ist der liebvolle Wille,
für Gott zu sterben, sogar wenn es möglich wäre, sich um
der Rettung der Brüder willen von Gott zu trennen, ohne
ihn zu kränken.
Diese Liebe bedeckt alle Sünden, bewahrt die Tugenden,
mildert Gottes Zorn, macht alles möglich und erschreckt
die Teufel. Sie ist die Freude der Engel. Diese Decke
muss auf der Innenseite weiß und auf der Außenseite
glänzend sein wie Gold. Wo sich der Eifer der göttlichen
Liebe findet, da ist ja weder die eine noch die andere
Reinheit vergessen. Die Apostel hatten Überfluss an
dieser Liebe; lass uns sie deshalb darum bitten, dir zu
helfen!“
Wieder zeigte sich die Mutter und sagte: „Mein Sohn, du
brauchst ferner ein Pferd und einen Sattel. Mit dem
Pferd ist – geistlich gesehen – die Taufe gemeint. Denn
wie das Pferd auf seinen vier Füßen den Mann auf dem Weg
führt, den er zurücklegen will, so führt die Taufe, die
mit dem Pferd gemeint ist, den Menschen vor Gottes
Angesicht.
Das hat vier geistliche Wirkungen. Die erste ist, dass
die Getauften vom Teufel befreit werden und auf Gottes
Gebot und zu seinem Dienst verpflichtet werden. Die
zweite ist, dass sie von der Erbsünde gereinigt werden.
Dir dritte ist, dass sie Gottes Kinder und erben werden.
Die vierte ist, dass der Himmel für sie geöffnet wird.
Aber auch, wenn viele ins Alter der Vernunft kommen,
legen sie dem Pferd der Taufe einen Zaum an und lenken
es auf einen falschen Weg.
Sicher, der Weg der Taufe ist richtig und wird in
rechter Weise befolgt, wenn der Mensch schon vor dem
reifen Alter unterrichtet und in guten Sitten gefestigt
wird, und wenn er, nachdem er das Alter der Vernunft
erreicht hat, fleißig bedenkt, was am Taufstein
versprochen wurde, und dass er den Gottesglauben und die
Gottesliebe ungeschmälert bewahrt. Aber man legt dem
Pferd Zügel an und lenkt es vom rechten Weg ab, wenn man
die Welt und das Fleisch über Gott stellt.
Der Sattel des Pferdes, d.h. der Taufe, bezeichnet die
Wirkung von Jesu Christi bitterem Leiden und seinem Tod;
dadurch erhält die Taufe ihre Wirkung. Was ist das
Wasser anderes, als ein Element? Aber seit Gottes Blut
vergossen ist, wurde Gottes Wort und die Kraft von
Gottes vergossenem Blut dem Element beigefügt. So wurde
das Wasser der Taufe durch Gottes Wort zu einer
Versöhnung zwischen Mensch und Gott, eine Pforte der
Barmherzigkeit, die Vertreibung des Teufels, der Weg zum
Himmel, die Vergebung der Sünden.
Wer sich der Kraft der Taufe rühmen will, soll also
zuerst die Bitterkeit der Stiftung bedenken, die der
Taufe ihre Wirkung gab, so dass der Mensch, wenn er sich
in seinem Sinn gegen Gott erhoben hat, bedenkt, mit
welch bitterer Pein er erlöst worden ist, wie oft er
gegen das Taufgelübde verstoßen hat, und welch Strafe er
für seinen Rückfall in die Sünde verdient.
Damit der Mensch ständig im Sattel der Taufe sitzen
kann, sind zwei Steigbügel notwendig, nämlich eine
zweifache Betrachtungsweise unter Gebet. Zuerst soll er
so beten: „O Herr, allmächtiger Gott, gesegnet seist du,
der mich geschaffen und erlöst hat! Als ich wert war,
verdammt zu werden, hast du trotz meiner Sünden Geduld
mit mir gehabt und mich zur Buße zurückgebracht. Vor
deiner Majestät bekenne ich, o Herr, dass ich in
unnützer und verwerflicher Weise alles vergeudet habe,
was du mir zu meiner Erlösung gegeben hast, dass ich die
Zeit meiner Buße mit eitlen Dingen vergeudet habe, dass
ich mich der Schwelgerei und übertriebenem Luxus
hingegeben habe, und durch Hochmut die Taufgnade
verwirkt habe.
„Alles habe ich mehr geliebt als dich, mein Schöpfer und
Erlöser, mein Erzieher und Bewahrer, daher rufe ich
deine Barmherzigkeit an, denn siehe, ich bin elend durch
mich selbst. Ich habe deine milde Geduld nicht bemerkt,
ich habe deine strenge Gerechtigkeit nicht gefürchtet,
ich habe nicht daran gedacht, wie ich dir deine
unzähligen Wohltaten vergelten könnte. Stattdessen habe
ich dich Tag für Tag mit meinen schlechten Handlungen
gereizt, und ich habe jetzt nur ein einziges Wort, mit
dem ich komme, nämlich: „Gott, erbarme dich über mich
nach deiner großen Barmherzigkeit!“
Das zweite Gebet soll so sein: „O Herr, allmächtiger
Gott, ich weiß, dass ich alles von dir habe, und dass
ich ohne dich nichts bin und vermag außer dem, was ich
selbst getan habe, nämlich Sünde. Daher rufe ich in
Demut deine Gottheit an, dass du nicht nach meinen
Sünden mit mir handelst, sondern nach deiner großen
Barmherzigkeit. Und sende mit deinen Heiligen Geist, der
mein Herz erleuchten möge, und stärke mich auf dem Weg
deiner Gebote, so dass ich im Guten beharre, das ich
durch deine Eingebung verstanden habe, und nie durch
irgendwelche Versuchung von dir getrennt werde.“ Weil du
dies nicht hast, mein Sohn, wollen wir also die Menschen
bitten, die Gottes Leiden am bittersten in ihrem Herzen
befestigt haben, dass sie dir etwas von ihrer Liebe
abgeben.“
Nachdem dies gesagt war, zeigte sich gleich etwas wie
ein Pferd, das mit goldenen Verziehrungen ausgestattet
war. Die Mutter sagte: „Diese Ausrüstung für das Pferd
bezeichnet Gaben des Heiligen Geistes, die in der Taufe
mitgeteilt werden. Ob die Taufe von einem guten oder
einem schlechten Priester verrichtet wird, wird die
Erbsünde jedenfalls ausgetilgt, wird die Gnade vermehrt,
wird jede Sünde vergeben und wird der Heiligen Geist zum
Pfand gegeben, die Engel zum Schutz und das Himmelreich
zum Erbteil. Siehe, mein Sohn, das sind die
Schmuckstücke eines geistlichen Ritters. Wenn er mit
ihnen ausgerüstet ist, wird er den unaussprechlichen
Lohn empfangen, mit dem ewigen Freude, Ehre und Ruhe,
ewiger Überfluss und ein Leben ohne Ende erkauft
werden.“ Dieser Ritter war Herr Karl, ein Sohn der hl.
Birgitta.
75. Kapitel
Gesegnet seist du, mein Gott, mein Schöpfer und mein
Erlöser! Du bist das Lösegeld, wodurch wir aus der
Gefangenschaft erlöst sind, womit wir zu allem
hingelenkt werden, was gut und heilsam ist, und mit der
göttlichen Einheit und Dreifaltigkeit vereinigt werden.
Obwohl ich mich wegen meiner Erbärmlichkeit schäme,
freue ich mich doch darüber, dass du, der einmal für
unsere Erlösung gestorben ist, nun nicht mehr stirbst.
Du bist der, der Macht hat über Leben und Tod. Du allein
bist gut und gerecht, du allein bist allmächtig und zu
fürchten. Daher seist du gesegnet in Ewigkeit.
Aber was soll ich von dir sagen, gesegnete Maria, die
ganze Rettung der Welt? Du bist wie die, die ihren
Freund, der traurig über eine Sache ist, die er verloren
hat, plötzlich das Verlorene sehen lässt, so dass sein
Schmerz gelindert wird, die Freude von neuem geboren und
der ganze Sinn von Freude entzündet wird. So hast du,
allerliebste Mutter, der Welt ihren Gott gezeigt, den
die Menschen verloren hatten; du hast ihn in der Zeit
geboren, der vor aller Zeit geboren war, und über dessen
Geburt sich die Bewohner des Himmels und der Erde
freuten. Daher bitte ich dich, huldreichste Mutter, hilf
mir, so dass sich mein Feind nicht über mich freut und
durch seine Ränke nicht Macht über mich gewinnt.“
Die Mutter erwiderte: „Ja, ich werde dir helfen. Aber
warum bist du betrübt darüber, dass das eine dir
geistlich gezeigt wurde, und du das andere körperlich
hören konntest – ich meine, dass der Ritter, der
körperlich lebt, die in geistlicher Weise tot gezeigt
wurde und geistlicher Hilfe bedarf?
Aber höre nun die Wahrheit! Alle Wahrheit ist von Gott,
und alle Lüge ist vom Teufel, denn dieser ist der Vater
der Lüge. Obwohl die Wahrheit von Gott ist, wird dich
durch die Bosheit und Lüge des Teufels, was Gott
manchmal durch einen geheimen Beschluss zulässt, Gottes
Tugend offenbarer.
Ich will dir das deutlicher durch ein Gleichnis zeigen.
Es war eine Jungfrau, die ihren Verlobten zärtlich
liebte; ebenso liebte der Verlobte sie, und durch deren
Liebe wurde Gott verherrlicht und bekamen ihre Eltern
Freude. Ihr Feind sah das und dachte: „Ich weiß, dass
Bräutigam und Braut auf drei Arten zusammenkommen,
nämlich durch Briefe, durch Gespräche und durch
Vereinigung ihrer Körper. Also will ich, damit die
Briefträger nicht hinkommen können, den Weg mit
Baumstämmen, Dorngestrüpp und Schlingen füllen.
Damit sie nicht miteinander reden können, werde ich
Donner und Unwetter herstellen, so dass sie im Gespräch
gestört werden. Und damit sie nicht nackt im Bett
zusammenkommen können, werde ich Späher anstellen, die
jeden Ritz bewachen werden, so dass sie keine
Gelegenheit erhalten, zusammenzukommen.
Der Bräutigam, der listiger war als der Feind, begriff
das aber und sagte zu seinen Dienern: „Mein Feind stellt
mir an den und den Plätzen eine Falle. Gebt daher auf
sie Acht, und wenn ihr findet, dass es sich so verhält,
lasst ihn so lange arbeiten, bis er die Fallen gestellt
hat; dann sollt ihr aufstehen, aber ihn nicht umbringen,
sondern ihn mit lauten Rufen beschimpfen, so dass eure
Mitdiener, die die List des Feindes sehen, umso
gewissenhafter werden, Wache zu halten.“
In ähnlicher Weise verhält es sich auch im geistlichen
Leben. Denn die Briefe, durch welche der Bräutigam und
die Braut, d.h. Gott und die gute Seele in Verbindung
stehen, sind nicht anderes, als die Gebete und Seufzer
der Guten. Denn wie die wirklichen Briefe den Willen und
das Verlangen dessen deutlich machen, der sie
abgeschickt hat, so steigen Gebete guter Menschen zu
Gottes Herzen auf und vereinen die Seele in einem
einzigen Liebesband mit Gott.
Aber der Teufel hindert manchmal das Menschenherz, so
dass sie nicht darum beten, was die Erlösung der Seele
fördert oder im Streit mit der fleischlichen Lust steht.
Er stellt es auch an, dass sie nicht erhört werden, wenn
sie für andere Sünder beten, da sie nicht für sich
selbst um das bitten, was nützlich für die Seele ist
oder sie zum ewigen Wohlergehen führt.
Und was ist das gegenseitige Gespräch, womit der
Bräutigam und die Braut ein Herz und eine Seele werden,
anderes, als Reue und Buße? Da stellt der Teufel
manchmal so viel Unwesen an, dass sie einander gar nicht
hören. Was ist das Unwesen anderes, als seine bösen
Eingebungen? Dem Herzen, das fruchtbare Buße tun will,
flüstert er ja zu: „O du verwöhnte Seele, es wird dir
schwer, mit dem Ungewohnten zu beginnen, was du bisher
ja nicht versucht hast. Es können dich nicht alle
vollkommen sein? Für dich reicht es aus, eine von den
vielen zu sein. Warum willst du etwas auf dich nehmen,
was mehr ist? Warum tust du etwas, was kein anderer tut?
Du kannst ja nicht auf deinem Beschluss beharren. Du
wirst von allen verspottet werden, wenn du dich
demütigst und dich zu sehr zurücksetzt.“
Von solchen Eingebungen betört, denkt dann die Seele:
„Es ist schwer, das Gewohnte zu verlassen. Daher will
ich meine vergangen Sünden beichten. Für mich reicht es
aus, den Weg zu gehen, den die meisten anderen gehen.
Ich bringe es nicht fertig, vollkommen zu sein. Gott ist
Barmherzigkeit. Er hätte uns nicht erlöst, wenn er
gewollt hätte, dass wir vergehen sollen.“
Mit solchen Rufen hindert der Teufel die Seele, dass
Gott sie hört. Nicht so, als ob Gott nicht alles hört,
aber er findet keinen Gefallen daran, so etwas zu hören,
nachdem die Seele mehr der Versuchung zustimmt, als
ihrer eigenen Vernunft. Und dass Gott und die Seele
nicht zusammenkommen – was bedeutet das anders, als die
himmlische Sehnsucht und die reine Liebe, mit der die
Seele stetig brennen soll?
Diese Liebe wird jedoch auf vierfache Art behindert.
Erstens stachelt der Teufel die Seele dazu an,
irgendetwas gegen Gott zu tun, was – obwohl es nicht als
ernsthaft angesehen wird – doch der Seele Vergnügen
macht, und dieses Vergnügen ist Gott verhasst, weil man
es für unbedeutend hält und sich nicht weiter darum
kümmert.
Zweitens gibt der Teufel der Seele ein, etwas Gutes zu
tun, um Menschen zu gefallen, und manchmal, das Gute zu
unterlassen, das sie tun könnte, und das aus der Lust
heraus, weltliche Ehre zu gewinnen, oder aus Furcht vor
der Welt. Drittens lässt der Teufel das Gute vergessen,
was sie tun sollte, oder dass sie Abneigung dagegen
empfindet, so dass die Seele es leid wird, Gutes zu tun.
Viertens macht der Teufel der Seele damit Mühe, dass sie
sich um das Weltliche müht, belämmert sie mit unnötiger
Freude und Kummer, oder mit anstrengender Furcht.
Durch solche Dinge werden die Briefe zwischen Bräutigam
und Braut (d.h. Gebete der Gerechten) und ihr
wechselseitiges Gespräch behindert. Aber obwohl der
Teufel listig ist, ist Gott doch weiser und stärker und
vermag die Schlingen des Teufels zu zerreißen, so dass
die Abgesandten Briefe den Bräutigam erreichen können.
Die Schlingen werden zerrissen, wenn Gott der Seele
eingibt, an das zu denken, was gut ist, und das Herz
verlangt danach, den Willen zu erhalten, dem zu
entfliehen, was schlecht ist, und das zu tun, was Gott
gefällt. Der Ruf des Feindes verhallt wirkungslos, wenn
die Seele klug in sich geht und willens ist, ihre
gebeichteten Sünden nicht zu wiederholen.
Du sollst auch wissen, dass der Teufel nicht nur Rufe an
die Richtet und ihnen Unwesen bereitet, die Gottes
Feinde sind, sondern auch an Gottes Freunde. Du kannst
das besser durch ein Gleichnis verstehen. Es war eine
Jungfrau, mit der ein Mann redete. Während das Gespräch
vor sich ging, hing ein Bettvorhang zwischen ihnen, und
das sah der Mann, aber nicht die Jungfrau. Als das
Gespräch zu Ende war, hob die Jungfrau die Augen, sah
den Bettvorhang und dachte mit Beben: „Gott gebe, dass
ich nicht von der Hinterlist des Teufels betrogen bin.“
Aber als der Bräutigam begriff, dass die Jungfrau
niedergeschlagen war, zog er den Bettvorhang herunter
und zeigte ihr die ganze Wahrheit.
So passiert es auch vollkommenen Menschen, wenn sie von
göttlichen Eingebungen erfasst werden, dass der Teufel
ihnen Unheil bereitet, so dass sie von plötzlichem
Hochmut ergriffen werden oder von maßloser Furcht
niedergedrückt werden, dass sie mit unberechtigter
Gefügigkeit die Sünden anderer dulden, ohne sie
zurechtzuweisen, oder dass sie sich übermäßiger oder
unvernünftiger Freude oder Schwermut hingeben.
Etwas Ähnliches ist dir passiert. Der Teufel hat nämlich
ein paar Leute gereizt, dir zu schreiben, dass er tot
sei, der aber tatsächlich lebte, so dass du von großem
Schmerz ergriffen wurdest. Aber Gott zeigte dir seinen
geistlichen Tod, und dass der körperliche falsch war,
das wurde dir so von Gott gezeigt, der dich ja auch
getröstet hat.
Daher ist es wahr, wenn man sagt, dass Trübsale Anlass
zu etwas zeitlich Gutem geben, denn wenn du nicht auf
Grund von Lügen betrübt worden bist, so wäre dir eine
solche Tugend und Schönheit der Seele nicht gezeigt
worden. Deshalb hing es, damit du Gottes heimliche
Anordnung verstehen sollst, wie ein Bettlaken zwischen
deiner Seele und dem redenden Gott, denn die Seele zeigt
sich in gestalt eines Mannes, der Hilfe brauchte, und
Gott schloss alle seine Aussprüche damit, dass du zu
seiner Zeit wissen solltest, wie weit er tot war oder
lebte.
Aber nachdem du die Schönheit der Seele und den Schmuck
gesehen hast, womit sie vollkommen gemacht werden muss,
um in den Himmel eintreten zu können – wurde das
Bettlaken weggezogen, und du bekamst die Wahrheit zu
sehen, nämlich dass dieser Mann körperlich lebte, aber
geistlich tot war, und dass jeder, der in das himmlische
Vaterland eintreten will, sich mit solchen Tugend
bewaffnen soll.
Die Absicht des Teufels war jedoch, dich mit seiner Lüge
zu betrügen, so dass du in Trauer über den Verlust eines
so lieben Freundes in deiner Liebe zu Gott erkalten
solltest. Aber nachdem du gesagt hast: „Gebe Gott, dass
es kein Betrug ist“ und „Gott hilf mir“, so wurde der
Vorhang heruntergezogen, und die Wahrheit wurde dir
geistlich und körperlich von Gott gezeigt. So wird es
dem Teufel erlaubt, auch die Gerechten zu betrüben, auf
dass ihre Krone noch größer werde.“
76. Kapitel
Die Mutter sprach zur Braut Christi: „Warum fühlst du
dich unruhig Tochter?“ Sie (Birgitta) antwortete: „Weil
ich fürchte, zu Menschen mit einem harten Herzen
geschickt zu werden.“ Die Mutter: „Wie kannst du
erkennen, ob Menschen hartherzig oder Gottes Freunde
sind?“ Die Braut: „Ich kann das nicht unterscheiden und
ich wage nicht, über manche zu urteilen, denn früher
wurden mir zwei Menschen gezeigt, von denen der eine
nach menschlichem Ermessen sehr demütig und fromm war,
aber der andere verschwenderisch und ehrgeizig war. Doch
stimmte ihre Absicht und ihre Wille nicht mit ihrem Tun
überein, und das verwirrte mich und schüchterte mein
Urteilsvermögen ein.“
Die Mutter erwiderte: „Im Hinblick auf das, was offen
als Böse zutage tritt, ist es der Seele erlaubt, zu
urteilen, indem sie Mitleid hegt und zu bessern sucht.
Aber über das zu urteilen, was zweifelhaft ist und wobei
die Seele nicht sicher werden kann, das zu beurteilen
ist nicht ratsam. Daher will ich dir zu erkennen geben,
welche Menschen Gottes Freunde sind.
Du sollst also wissen, dass diejenigen Gottes Freunde
sind, die beim Empfang von Gottes Gaben gottesfürchtig
sind und zu jeder Stunde Gott dafür danken; die nicht
nach Überfluss trachten, sondern mit dem zufrieden sind,
was sie haben, aber wo findet man solche Menschen? Lass
uns erst unter der Allgemeinheit suchen! Gibt es
jemanden, der sagt, dass er genug hat und nicht mehr
begehrt? Lass uns unter den Rittern und anderen Herren
suchen! Wer von ihnen denkt so: „Das Eigentum, das ich
besitze, habe ich durch Erbschaft bekommen, und davon
will ich meinen angemessenen und standesgemäßen
Lebensunterhalt haben, wie es mit vor Gott und Menschen
zusteht; das Überflüssige will ich Gott und den Armen
geben. Aber wenn ich wüsste, dass dieses Erbgut schlecht
erworben ist, so würde ich es zurückerstatten oder mich
nach dem Rat von Gottes auserwählten geistlichen Dienern
davon trennen.“
O Tochter, eine solche Einstellung ist selten auf Erden.
Lass uns auch unter den Königen und Herzögen suchen, wer
lobenswert in seinem Stande lebt! Der ist ein wahrer
König, der in seinen Sitten ist wie Hiob, in seiner
Demut wie David, in seinem Eifer für das Gesetz wie
Pinhas, und wie Mose an Milde und an Langmut. Der ist
(ein wahrer) Herzog, der das Kriegsheer des Königs führt
und es die Kriegskunst lehrt, der Zuversicht auf Gott
und Gottesfurcht hat wie Josua, der den Nutzen seines
Herrn mehr als seinen eigenen sucht, wie Joab es tat,
und der wie Judas Makkahäus das Wohlergehen seiner
Mitmenschen liebt.
Ein solcher Herzog ist wie ein Einhorn, das ein spitzes
Horn an der Stirn und einen wertvollen Stein unter dem
Horn hat. Was ist das Horn des Herzogs anderes, als sein
mannhaftes Herz, womit er tapfer kämpfen und die
Glaubensfeinde schlagen soll? Der Stein unter dem Horn
des Herzogs ist die göttliche Liebe, die stets in seinem
Herzen bleiben soll und ihn flink und unüberwindlich
stark zu allem machen soll. Aber jetzt sind die Herzöge
mehr wie wilde Ziegen als Einhörner, denn sie kämpfen
überall nur für das Fleisch, weder für die Seele noch
für Gott. Lass auch unter den Königen suchen, wer von
ihnen seine Untertanen nicht in seinem Übermut bedrückt,
wer seinen Hofstaat nach den Einkünften der Krone hält,
das zurückgibt, was die Krone zu Unrecht innehat, und
sich frei von anderen Betätigungen macht, um für Gott
Gerechtigkeit zu üben! Ach meine Tochter, wenn man
solche Könige auf Erden fände, so dass Gott verherrlicht
würde!
Lass uns auch unter den Priestern suchen, denen es doch
zukommt, Enthaltsamkeit, Armut und Frömmigkeit zu
lieben! Gewiss, auch sie sind vom rechten Wege
abgewichen. Was sind die Priester, wenn nicht Gottes
arme Leute und Almosenempfänger? Sie sollten von Gottes
Opfern leben und umso demütiger und eifriger im Dienste
Gottes sein, je mehr sie sich von weltlichen Sorgen
gelöst haben, die Kirche ist aus ihrer Drangsal und
ihrer Armut aufgestiegen, damit Gott das Erbe der
Priester sei, und sie nicht auf der Welt oder im Fleisch
geehrt sein sollen, sondern in Gott.
Meine Tochter, hätte Gott nicht Könige und Herzöge zu
Aposteln auswählen können, so dass die Kirche auf die
Weise durch ein irdisches Erbe reich geworden wäre? Ja,
das hätte er gekonnt, aber der reiche Gott kam arm auf
die Welt, um mit seinem Beispiel zu zeigen, wie
vergänglich das Irdische ist, damit der Mensch eine
Lehre daraus ziehen und sich nicht seiner Armut schämen
soll, sondern zu den wahren, den himmlischen Reichtümern
eilen soll.
Daher begann er auch die herrliche Einrichtung der
Kirche mit seinem armen Fischer und setzte diesen an
seine Stelle, damit er auf der Welt vom Anteil seines
Herrn und nicht von einem (seinem) Erbe leben soll.
So rührte der Anfang der Kirche von drei guten Dingen
her: Erstens aus Glaubenseifer, zweitens aus Armut,
drittens aus Krafttaten und Wunderwerken. Diese drei
Dinge gab es beim hl. Petrus. Denn der hatte
Glaubenseifer, als er mit freier Stimme seinem Gott
bekannte und nicht zögerte, für ihn zu sterben. Er war
auch arm, indem er umherging und bettelte und sich mit
seiner Hände Arbeit ernährte. Doch war er reich im
geistlichen Bereich, was doch mehr ist, denn dem Lahmen,
dem er kein Gold und Silber zu geben hatte, gab er doch
das Gehvermögen, was kein Fürst gekonnt hätte.
Hätte Petrus, der einen Toten auferweckte, kein Gold
bekommen, wenn er gewollt hätte? Ja gewiss, aber er warf
die Last des Reichtums von sich ab, damit er leichter in
den Himmel kommen könnte und als Hirte der Schafe ein
Beispiel der Demut dafür geben könnte, dass geistliche
oder leibliche Demut und Armut in den Himmel gelangt
sind.
Drittens zeichnete er sich durch die Kraft zu
Wundertaten aus, denn abgesehen von größeren Wundern
wurden Kranke sogar von Petri Schatten geheilt. Während
die Vollkommenheit der Tugenden, die darin besteht, sich
mit dem Notwendigen zu begnügen, also bei ihm wohnte,
wurde seine Zunge zum Schlüssel des Himmelreichs, und
sein Name ist gesegnet im Himmel und auf Erden. Aber
die, die ihren Namen auf Erden erhöht haben und Dreck
geliebt haben, nämlich was irdisch ist, die sind auf
Erden vergessen und im Buch der göttlichen Gerechtigkeit
schrecklich beschrieben.
Aber Gott wollte beweisen, dass die Armut von Petrus und
anderen Heiligen nicht erzwungen, sondern freiwillig
war, und deshalb gab er vielen ein, ihnen mit Gaben zu
helfen. Doch setzen sie größere Ehre in die Armut, als
in die Dornen des Reichtums, und je ärmer sie waren,
desto mehr nahm die Frömmigkeit bei ihnen zu.
Und das war nicht verwunderlich; sie hatten ja ihr Los
und ihre Freude in Gott – wie hätte Gott da von ihnen
fern sein können? Aber wie hätte Gott den Menschen lieb
sein können, die nach den Genüssen der Welt trachteten?
Er war in ihren Augen eher ein armer Pilger, Aber mit
der Zeit geschah es (es war unter Silvester und anderen
Päpsten), dass man der Kirche zeitliche Güter schenkte,
damit Gottes Freunde desto eifriger und bereitwilliger
sein sollten, Gottes Wort zu predigen, und dass das Volk
wissen sollte, dass nicht Reichtümer ein Übel sind,
sondern deren Missbrauch. Diese Geschenke wandten
heiligen Männer lange Zeit nur zu ihrem notwendigen
Lebensunterhalt und zu dem der Gottesfreunde und zum
Unterhalt der Armen an.
Wisse also, dass die, die sich mit Gottes Vorkehrung
abfinden und sich damit begnügen, Gottes Freunde sind.
Vielleicht sind sie dir nicht bekannt, aber mein Sohn
hat es leichter, sie zu entdecken, denn oft findet sich
Gold in hartem Metall, und aus dem harten Feuerstein
wird ein Funke hervorgelockt. Geh daher in Sicherheit,
denn erst soll man rufen und dann erst handeln. Mein
Sohn hat ja, als er leibhaftig lebte, nicht das ganze
Land Juda auf einmal bekehrt – es erfordert längere
Zeit, um Gottes Wort zu vollenden.
77. Kapitel
Birgitta betet: „Ehre sei dem allmächtigen Gott für
alles, was er geschaffen hat! Lob sei ihm für alle seine
Tugenden! Ehre und Dienst sei ihm gewidmet für all seine
Liebe! Ich unwürdiger Mensch, der seit meiner Jugend
viel gegen dich, mein Gott, gesündigt hat, ich danke
dir, mein liebster Gott, und am allermeisten dafür, dass
keiner so frevelhaft ist, dass du ihm deine
Barmherzigkeit verweigerst, wenn er nur mit Liebe und
wahrer Demut darum bittet, und mit dem Vorsatz, sich zu
bessern.
O liebster Gott, der du lieblicher als alles andere
bist, wunderbar für alle die, die davon reden hören, ist
das, was du mit mir getan hast. Denn wenn es dir
gefällt, lässt du meinen Leib einschlafen, nicht mit
körperlichem Schlaf, sondern mit geistlicher Ruhe, und
dann weckst du meine Seele wie aus einem Winterschlafe
auf, um auf geistliche Art zu sehen, zu hören und zu
fühlen.
O Herr mein Gott, wie lieblich sind doch die Worte aus
deinem Munde! Es scheint mir wahrhaftig, dass meine
Seele, so oft ich Worte deines Geistes höre, sie mit
einem Empfinden von unaussprechlicher Süße verschluckt,
als wäre sie die schönste Kost; ja, sie scheinen ins
Herz meines Leibes zu großer Freude und
unbeschreiblichem Entzücken hinab zu fallen.
Aber seltsam scheint es zu sein, dass ich, wenn ich
deine Worte höre, Sättigung und Hunger spüre; Sättigung
deshalb, weil mir nichts anderes gefällt als sie; Hunger
deshalb, dass mein Begehren nach ihnen ständig zunimmt.
Dafür seist du gesegnet, mein Gott Jesus Christus; gib
mir also deine Hilfe, so dass ich alle Tage meines
Lebens imstande bin, das zu tun, was dir wohlgefällt!“
Christus antwortete und sagte: „Ich bin ohne Anfang und
ohne Ende. Alles ist von meiner Macht geschaffen und von
meiner Weisheit eingerichtet, und alles wird von meinem
Belieben gelenkt. Deshalb ist das Herz sehr hart, das
mich nicht lieben oder fürchten will, mich, der ich
Ernährer und Richter aller Menschen bin. Aber der
Teufel, der mein Büttel und Verräter der Menschen ist,
nach dessen Willen handeln sie. Er gab der Welt ein so
Pestverursachendes Getränt zu trinken, dass die Seele,
die sie begierig kostet, nicht mehr leben kann, sondern
tot in die Hölle stürzt, um dort in ewigem Elend zu
leben.
Dieses Getränk ist die Sünde, die – obwohl sie vielen
einen lieblichen Geschmack zu haben scheint, am Ende
etwas schrecklich Bitteres erhält. Gewiss wird dieses
Getränk mit Lust aus der Hand des Teufels getrunken. Wer
hat jemals etwas Seltsameres gehört: Den Menschen wird
das Leben angeboten, aber selbst wählen sie den Tod, ja
eilen ihm freiwillig entgegen.
Ich, dessen Macht alles übersteigt, habe Mitleid mit
ihrer Not und ihrer Drangsal. Ich habe wie ein reicher
und liebvoller König gehandelt, der seinen vertrauten
Dienern einen Kostbaren Wein schickte und sagte: „Lasst
auch andere als euch selber diesen Wein trinken, denn er
ist sehr gesund. Er gibt den Kranken Gesundheit, den
Betrübten Trost und jungen Menschen ein mutiges Herz.“
Der Wein wurde auch nicht ohne ein Gefäß geschickt.
Wahrhaftig, so habe ich es in diesem Reich gemacht. An
meine Diener sandte ich meine Worte, die mit dem Wein
von erlesenster Güte zu vergleichen sind, und sie
sollten sie an andere weitergeben, da sie doch gesund
sind. Mit dem Gefäß meine ich dich, die meine Worte
hört. Du hast ja meine Worte gehört und sie
ausgerichtet, denn du bist mein eigenes Gefäß, das ich
fülle, wann ich will, und aus dem ich schöpfe, wenn es
mir gefällt. Daher wird mein Geist dir zeigen, wohin du
gehen sollst und was du reden sollst, und du solltest
keinen anderen fürchten, als mich. Geh froh dorthin,
wohin ich will, und sage unerschrocken, was ich dir
befehle, denn mir kann nichts widerstehen, und ich will
bei dir bleiben.“
Ich, der ich diese Stimme hörte, antwortete weinend: „O
Herr mein Gott, ich bin wie die kleinste Mücke in deinem
Reich, ich bitte dich, dass du mir erlaubst, dir zu
antworten.“ Die Stimme antwortete und sagte: „Ich wusste
deine Antwort, ehe du sie dir ausgedacht hast. Doch gebe
ich dir die Erlaubnis, zu reden.“ Da sagte die Braut:
„Ich frage, warum du, König aller Herrlichkeit, du
Spender aller Weisheit, der alle Tugenden, ja selbst die
Tugend bewirkt, mich zu einem solchen Auftrag ausersehen
willst, mich, der sie ihren Leib von Sünden hat
verzehren lassen, mich, der wie ein Esel an Weisheit und
unfähig zu tugendhaften Taten ist.
Lieblichster Gott, Jesus Christus, sei nicht zornig,
dass ich dich danach fragte. Man sollte sich ja nicht
über etwas wundern, was von dir ausgeht, denn du kannst
alles tun, was du willst, aber das bin ich selbst, der
ich darüber so verwundert bin, denn ich habe dich auf
vielfache Weise gekränkt und mich nur wenig gebessert.“
Die Stimme antwortete und sagte: „Ich will dir mit einem
Gleichnis antworten. Wenn man einem reichen und
mächtigen König verschiedene Arten von Münzen geben
würde, und er würde sie dann einschmelzen lassen und
daraus anfertigen ließe, was er will, wie Kronen und
Ringe aus Goldmünzen, Schüsseln und Trinkschalen aus
Silbermünzen, Kessel und Pfannen aus Kupfermünzen, und
wenn der König dies alles zu seinem eigenen Nutzen und
zu seiner Ehre nutzen würde – würdest du dich da wohl
nicht wundern, dass er so verfahren ist?
Ebenso wenig darfst du dich darüber wundern, dass ich
mit den Herzen meiner Freunde, die sie mir selber
angeboten haben, und die ich fein entgegn nehme, das
tue, was mir gefällt. Und wenn manche größeren Verstand
und manche weniger haben, so verwende ich doch, wenn sie
mir ihre Herzen anbieten, manche zu einem und andere zu
einem anderen Zweck, aber alle zu meiner Ehre, denn das
Herz der Gerechten ist mir eine überaus wohlgefällige
Münze, und deshalb kann ich das, was mir gehört, so
verwenden, wie es mir gefällt.
Nachdem du also mein bist, darfst du dich nicht darüber
wundern, was ich mit dir machen will, sondern sei
unerschütterlich standhaft, auszuhalten und willig sein,
das zu tun, was ich dir befehle. Ich bin ja doch
imstande, dir überall all das zu geben, was du
brauchst.“
78.
Kapitel
Hochverehrter Vater! Ich, eine Witwe, bekunde, dass
einer Frau, die in ihrem Vaterland lebte, viele höchste
wunderbare Dinge offenbart worden sind, die von
Bischöfen, Lehrern in Klöstern und Weltpriestern einer
genauen Prüfung unterzogen sind und bezeugt wurden dass
sie durch Erleuchtung, heiligen und übernatürliche
Erleuchtung durch den Heiligen Geist und nicht anders
hervorgegangen sind, was auch der König und die Königin
in diesem Reich durch vernünftige Gründe eingesehen
haben.
Dieselbe Frau hat eine Wallfahrt nach Rom gemacht, und
als sie eines Tages in der Kirche Santa Maria Maggiore
betete, wurde sie in einer geistlichen Vision entrückt,
wobei der Körper wie in eine Betäubung versank, doch
nicht in die Betäubung des Schlafs. In der Stunde zeigte
sich ihr die höchste verehrungswürdige Jungfrau (Maria).
Die Frau wurde über die wunderbare Vision erschreckt,
dachte an ihre eigene Gebrechlichkeit, fürchtete, dass
es ein Betrug des Teufels sei und betet innerlich, dass
Gott in seiner Milde sie nicht den Anfechtungen des
Teufels zum Opfer fallen lassen sollte.
Aber da sagte die Jungfrau, die sich ihr offenbarte:
„Fürchte nicht, dass das, was du jetzt siehst oder
hörst, von dem bösen Geist herrührt. Wenn die Sonne
aufgeht, kommen Licht und Wärme, und diese folgen ja dem
dunkeln Schatten nicht. In derselben Weise vernimmt das
Herz des Menschen beim Kommen des Heiligen Geistes die
Glut der göttlichen Liebe und die vollständige Erhellung
des katholischen Glaubens. Diese spürst du nun in dir
selbst, denn du liebst nichts so sehr wie Gott, und du
zweifelst nicht in einem einzigen Punkt an der
katholischen Glaubenslehre. Aber das kann nicht eine
Folge des bösen Geistes sein, der mit einem dunkel
Schatten zu vergleichen ist.“
Weiter sagte dieselbe Jungfrau zur Frau (Maria): „Du
sollst auf meinen Wegen meine Worte an diesen
Kirchenfürsten senden.“ Tief betrübt erwiderte die Frau:
„O ehrenwerte Jungfrau, er wird mir nicht glauben,
sondern – wie ich vermute – wird er die Worte eher zum
Besten halten, als sie für göttliche Wahrheit
anzusehen.“
Die Jungfrau antwortete ihr: „Obwohl ich die
Beschaffenheit seines Herzens, die Antwort, die er dir
geben wird und sein Lebensende sehr gut kenne, sollst du
ihm doch meine Worte schicken. Ich will ihn darauf
aufmerksam machen, dass der Bau der hl. Kirche auf der
rechten Seite so zerfallen ist, dass das höchste Gewölbe
viele Risse bekommen hat, die Anlass zu so einem so
gefährlichen Einsturz geben, dass viele, die darunter
gehen, ihr Leben verlieren. Mehrere von diesen Pfeilern,
die sich in die Höhe erheben müssten, sogar dass die,
die klar sehen, zusammen mit den Blinden auf Grund der
gefährlichen Löcher in diesem Boden schwer hinfallen.
Deshalb ist Gottes Kirche in einer sehr gefährlichen
Lage. Und was ihr daher passieren kann, das wird man
bald sehen, dass es sehr nahe bevorstehe. Sie wird
nämlich sicher umstürzen, sofern sie keine Hilfe zum
Wideraufbau bekommt. Und ihr Sturz wird so groß sein,
dass es in der ganzen Christenheit widerhallt.
Das ist in geistlicher Weise zu verstehen. Ich bin die
Jungfrau, in deren Mutterlieb Gottes Sohn gewürdigt
wurde, mit der Gottheit und dem Heiligen Geist zusammen
Platz zu nehmen, wobei aber die ansteckende körperliche
Lust vollständig fern war. Und dieser Gottessohn wurde
aus meinem verschlossenen Schoß mit der Gottheit und
Menschengestalt und dem Heiligen Geist geboren – zur
größten Freude und ohne Schmerz.
Ich stand dann an seinem Kreuz, als er mit wahrer Geduld
das Todesreich besiegte und den Himmel mit seinem
Herzblut öffnete. Ich war mit auf dem Berge, als
derselbe Gottessohn, der auch mein Sohn ist, gen Himmel
fuhr. Ich kenne den ganzen katholischen Glauben ganz
genau, den er verkündete und all denen lehrte, die ins
Himmelreich eingehen wollen. Ich stehe über der Welt mit
meinem eindringlichen Gebet zu meinem geliebten Sohn,
wie sich der Regenbogen über die Wolken des Himmels über
die Erde zu senken und sie mit seinen beiden Enden zu
berühren scheint.
Mit dem Regenbogen meine ich mich selbst. Denn ich senke
mich herab zu den Einwohnern der Erde und berühre die
Guten und die Schlechten mit meinem ständigen Gebet. Ich
beuge mich herab zu den Guten, damit sie beständig
bleiben, das zu tun, was die heilige moderne Kirche
bietet, und zu den Schlechten, damit sie nicht mit ihrer
Schlechtigkeit fortfahren und womöglich noch schlechter
werden.
Dem, an den ich diese Worte sende, will ich kundtun,
dass von der einen Richtung dunkle, schreckliche Wolken
aufziehen, um die Klarheit des Regenbogens zu verdecken.
Mit diesen meine ich solche, die in ihrem Fleisch ein
unzüchtiges Leben führen, die in ihrer Geldiger maßlos
sind, und ohne Boden wie die Meerestiefe sind und ihre
Güter für weltlichen Pomp und Hoffart auf unvernünftige
und verschwenderische Weise weggeben, wie der rauschende
Strom sein Wasser vergießt.
Diese drei Sünden werden jetzt von vielen Vorstehern der
hl. Kirche begangen, und sie steigen hässlich und
abscheulich zum Himmel vor Gottes Augen auf und
verdecken mein Gebet, wie die dunklen Wolken den klaren
Regenbogen. Und die, die stattdessen Gott zusammen mit
mir besänftigen sollten, wecken also seinen schweren
Zorn gegen sich selber. Solche Menschen dürften in der
hl. Kirche nicht erhöht, sondern erniedrigt werden.
Wenn also jemand daran arbeiten will, dass das Fundament
der Kirche bestehen und ihr Boden glatt bleibt, und der
den gesegneten Weingarten wieder herrichten möchte, den
Gott selbst gepflanzt und mit seinem Blut bewässert hat,
sich aber diesem Auftrag nicht gewachsen fühlt, so will
ich, die Königin des Himmels, ihm mit allen Engelscharen
zu Hilfe kommen, um die angegriffenen Wurzeln
auszureißen und die unfruchtbaren Bäume ins Feuer zu
werfen, um im Feuer zu verbrennen, und an ihrer Stelle
frische und fruchtbare Schösslinge zu pflanzen. Mit dem
Weingarten meine ich Gottes heilige Kirche, in der die
Demut und Liebe zu Gott erneuert werden müssen.“
All dies befahl die ehrenreiche Jungfrau, die sich der
Frau (Birgitta) offenbarte, es euch schriftlich
zuzusenden. Deshalb sollt ihr wissen, Hochverehrter
Vater, dass ich, der euch diesen Brief sendet, bei
Jesus, dem wahren und allmächtigen Gott, und bei seiner
würdigsten Mutter Maria schwöre, dass ich den Brief
nicht aus Verlangen nach weltlicher Ehre, nach Geld oder
menschlicher Gunst sende, so wahr sie mir an Leib und
Seele helfen mögen. Sondern ich tue das alles, was in
diesem Schreiben enthalten ist (unter mehreren anderen
Worten, die dieser Frau in der geistlichen Offenbarung
gesagt wurden), weil mir befohlen wurde, es euer
Hochwürden zur Kenntnis zu bringen.
79. Kapitel
(An einen
Priester in Rom)
Lob und Ehre sei dem allmächtigen Gott für alle seine
Werke! Ewige Ehre sei auch ihm, der begonnen hat, dir
Gnade zu erweisen! Wir sehen, dass – wenn die Erde von
Schnee und Frost bedeckt ist und ein paar Samenkörner
darin ausgesät sind, so ist es doch sicher, dass sie nur
an den wenigen Stellen wachsen können, die von den
Strahlen der Sonne erwärmt werden, und wo Blätter,
Stängel und Blumen glücklich sprießen können. An diesen
kann man erkennen, von welcher Art die Gewächse sind,
oder welche Tugend sie besitzen.
In gleicher Weise scheint mir die ganze Welt fast
bedeckt vom Frost des Hochmuts, von Gier und
Lüsternheit, und es scheinen sehr wenige zu sein, in
deren Herzen (so weit man das aus ihren Worten und Taten
beurteilen kann) die vollkommene Gottesliebe wohnt.
Daher sollte man wissen, dass – wie Gottes Freunde sich
freuten, als sie Lazarus zu Gottes Ehre vom Tode
auferweckt sahen, so können Gottes Freunde sich nun
freuen, wenn sie jemanden aus den drei genannten Lastern
auferstehen sehen, die in Wahrheit den ewigen Tod
bedeuten.
Weiter ist zu bemerken, dass Lazarus, nachdem er
auferstanden war, sich zweifachen Hass zugezogen hat.
Denn er hatte ein paar persönliche Feinde, nämlich
Menschen, die Gottes Gegner waren, und diese hassten den
Lazarus leibhaftig. Er hatte auch ein paar geistige
Feinde, nämlich die Teufel, die niemals Gottes Freunde
werden wollen, und diese hassten ihn auf geistliche
Weise.
So ziehen auch die, die jetzt von Todsünden auferstehen,
und die Keuschheit bewahren und den Hochmut und die
Begierde fliehen, einen zweifachen Hass auf sich. Denn
die Menschen, die Gottes Feinde sind, wollen ihnen auf
zweifache Art schaden, und ebenso suchen die Teufel
ihnen auf zwei geistige Arten zu schaden und sie zu
verderben.
Erstens schmähen die weltlichen Menschen sie mit ihren
Worten, zweitens bereiten sie ihnen Verdruss mit ihren
Taten, um sie in ihrem Leben und ihren Taten wie sich
selbst zu machen und sie von dem Guten abzubringen, das
sie begonnen haben. Aber der Gottesmann, der kürzlich zu
einem geistlichen Leben bekehrt ist, kann solche
bösartigen Menschen sehr gut überwinden, wenn er
geduldig ihre feindseligen Worte erträgt und während sie
das auch sehen, oft und eifrig geistliche und göttliche
Werke ausübt.
Auch die Teufel suchen ihn auf doppelte Weise zu Fall zu
bringen. Erstens, weil sie dringend wünschen, dass
dieser neue Gottesfreund in seine alten Sünden
zurückfallen möchte. Können sie das nicht erreichen, so
arbeiten die Teufel eifrig, darauf hin, dass er seine
guten Werke unvernünftig und unklug ausführen soll,
nämlich dadurch, dass er in unvernünftiger Weise über
das richtige Maß hinaus wacht oder fastet, so dass seine
Kräfte auf die Weise erschöpft werden und er selbst im
Dienste Gottes schwächer wird.
Gegen das erste ist das beste Heilmittel das fleißige
und ehrliche Beichten seiner Sünden und die wahre innere
Zerknirschung über die Sünden. Gegen das zweite ist das
beste Heilmittel, sich zu demütigen, nämlich einem
weisen alten Mann lieber gehorchen zu wollen, als sich
selbst zu leiten, wenn es die Taten und Bußübungen
betrifft, die geplant werden sollen.
In Wahrheit, dieses Heilmittel ist sehr nützlich und so
gut, dass man – auch wenn der Berater noch unwürdiger
als der Empfänger des Rates sein sollte – doch ganz
sicher darauf hoffen kann, dass die göttliche Weisheit,
nämlich Gott selbst, durch seine Hilfe mit dem Ratgeber
zusammenwirkt, um die Ratschläge zu erteilen, die für
den Empfänger am nützlichsten sind, falls beide den
festen Willen haben, Gott zu ehren und zu verherrlichen.
Aber nun, geliebter Freund, nachdem du und ich von
unseren Sünden auferstanden sind, wollen wir Gott
bitten, dass er geruht, uns beiden seine göttliche Hilfe
zu gewähren – mir, um zu reden, und dir, um zu
Gehrochen. Und wir wollen Gott noch inniger darum
bitten, nachdem ihr, der reich, weise und gütig ist,
geruht hat, mich Unwürdige, Unkluge und Unbekannte zur
Beraterin zu nehmen. Und ich hoffe in Wahrheit, dass
Gott auf eure Demut sehen wird und das, was ich Euch ihm
zu Ehren schreibe, Euch zum Gewinn des Leibes und der
Seele gereichen lasse.
80. Kapitel
(An einen
Priester)
Zuerst rate ich dir, dass du in deiner Wohnung bei
deiner der hl. Jungfrau Maria geweihten Kirche bleibst
und nur einen einzigen Diener bei dir hast, so dass du
gleich all das zurücklässt, was über deine Einkünfte
hinausgeht, nachdem die notwendigen Ausgaben an deine
Gläubiger abgezogen sind, und du ihnen deine Schulden
vollständig bezahlst. Es ist nämlich weder zulässig noch
klug, den Armen oder vermögenden Freunden und Verwandten
viel Geld zu geben, bevor alle Schulden ganz und gar
bezahlt sind.
Wenn alle deine Schulden bezahlt sind und die für dich
und deinen Diener notwendigen Ausgaben abgezogen sind,
magst du zu Gottes Ehre den Armen und Bedürftigen das
geben, was übrig geblieben ist. Du solltest genau darauf
achten, dass du eine ehrbare und nützliche
Priestertracht hast, so dass man am Stoff und Aussehen
deiner Kleider keine Prunk oder eitles Zeug bemerken
kann, sondern nur das ehrbare Notwendige und den Nutzen
für den Körper.
Du solltest dich auch auf zwei Kleider beschränken,
eines für Feiertage und eines Werktage. Du solltest auch
nicht mehr als zwei Paar Schuhe und Strümpfe haben; wenn
du etwas mehr an Kleidung besitzt, solltest du sie zu
etwas anderem verwenden, wovon du Nutzen hast, oder auch
Schulden damit begleichen. Während des laufenden Jahres
solltest du ganz von Leinenkleidern absehen, sowohl bei
Nacht als auch bei Tage.
Deine Marienkirche solltest du dieses Jahr als
Klosterkirche halten, und das aus drei Gründen. Erstens
deshalb, dass – wenn du früher aus etwas Hochmut dort
residiert hast, so solltest du fortan dort in göttlichem
Gehorsam zu Ehren der tief demütigen Jungfrau Maria
Dienst tun. Und wenn die Kanoniker und Präbendepriester
dieser Kirche dich vielleicht durch leichtfertige Worte
von Gottes Dienst zu bösem Begehren abgelenkt haben, so
solltest du jetzt mit Gottes Hilfe versuchen, manchen
durch fromme und geistliche Worte vom bösen Begehren zu
der Freude bringen, Gott zu lieben. Und wenn du
vielleicht durch ein unzulässiges Auftreten manchen, die
dich gesehen haben, ein schlechtes Beispiel gegeben
hast, so solltest du dich stattdessen darum bemühen,
ihren Seelen durch deine guten Taten und ehrbare Sitten
ein nützliches und tugendhaftes Beispiel zu geben.
Weiter sollst du, lieber Freund, in kluger und
verständiger Weise Nacht – und Tageszeiten zu Gottes Lob
einrichten. Ich habe bemerkt, dass die Glocken in eurer
Kirche ordentlich zu festgesetzten Zeiten läuten.
Deshalb rate ich, dass du, sobald du sie des Nachts
hörst, aus dem Bett aufstehst, fünfmal die Knie beugst
und fünf Vaterunser und Ave Maria liest und an die fünf
Wunden Jesu Christi und an den Schmerz seiner
hochwürdigen Mutter denkst. Dann sollst du die Matutin
zu Ehren der hl. Jungfrau beginnen und andere Gebete
lesen, die dir gefallen, bis die Kanoniker sich im Chor
versammeln, um zu singen.
Und es ist besser, dass du mit den Ersten zur Kirche
kommst, als mit den Letzten. Du sollst die Tagesmatutin
andächtig und würdig singen, bis zum Schluss stehen und
zwischendurch sitzen, wenn es passt. Aber du solltest
keinesfalls reden, sofern du nicht nach etwas gefragt
worden bist – in diesem Fall solltest du mit so wenigen
Worten wie möglich antworten, nicht mit sehr lauten
Worten und ohne eine erzürnte oder ungeduldige Gebärde,
wenn das zu vermeiden ist.
Du sollst dich ja sehr höflich benehmen, wenn du in
Gegenwart eines zeitlichen und irdischen Herrn bist –
wie viel mehr musst du dich dann mit aller Würde,
Artigkeit und demütiger Verehrung, innerlich und
äußerlich, in Gegenwart und im Dienst des ewigen
Himmelskönigs verhalten, der immer und überall
gegenwärtig ist und alles sieht!
Und wenn du vielleicht aus irgendwelchen wichtigen
Anlässen, die dich oder einen anderen betreffen,
gezwungen bist, mitten während des laufenden
Stundengebets zu sprechen, so solltest du den Chor
verlassen und draußen mit einigen und leisen Worten das
beantworten, was du für notwendig hältst, wonach du
unverzüglich zu deinem Chorstuhl zurückkehrst. Und wenn
du kannst, so veranlasse, dass die Erledigung dieser
Angelegenheit an einen anderen Ort und eine andere Zeit
verschoben wird, so dass nicht der Gottesdienst und
Gottes Verehrung Abbruch leidet oder gar verhindert
wird.
Lass es auch bleiben, in der Kirche herumzuspazieren,
während die Stundengebete gesungen werden, denn das
zeugt von einem unsteten und flüchtigen Sinn und einem
lauwarmen Geist und beweist wenig Liebe und Andacht.
Während der Stundengebete magst du beten oder etwas
lesen, was nützlich, fromm oder sonst wie nützlich für
die Seele ist, wobei du stets beachten musst, dass du
von der Stunde, da du das Bett verlässt, um die Matutin
zu singen, und bis zum Abschluss der Hochmesse, nicht
gern jemand anderes dich in Anspruch nehmen lässt, als
Gesang, Lesen, Gebet oder Studium, sofern ihr in eurem
Kapitel zwischendurch Angelegenheiten oder
Verbesserungen der Kirche behandeln müsst, die in ihrem
Schoß erfolgen müssen.
Wenn die Hochmesse gehalten ist, passt es sehr gut, sich
über leibliche Erfordernisse und Angelegenheiten zu
unterhalten und sich eine ehrbare und tugendhafte
Zerstreuung zu gönnen. Wenn du zu Tisch gehst, sollen
die Tischgebete gelesen werden. Und wenn du Gast bei
einem anderen bist oder selber Gäste hast, solltest du
beim Essen zuerst von Gott oder seiner hochwürdigen
Mutter oder von etwas Heiligen sprechen – zur Erbauung
und zum Nutzen für die Tischnachbarn oder auch die
Bedienung, wenigstens ein oder zwei Worte, oder auch die
anderen etwas über Gott, seine Mutter oder über Gottes
Heiligen fragen. Auch wenn du allein zu Tisch sitzest
und dein Diener dabeisteht, sollst du das tun, und als
Tischlerung sollst du das haben, was in den Klöstern
gelesen wird, wenn die Brüder essen.
Wenn die Mahlzeit beendet ist und du Gott und deinen
Gastgebern gedankt hast, kannst du eine kurze Zeit mit
ein paar ehrenwerten Leuten, die du gern hast, über
Sachen und Angelegenheiten sprechen, die dich betreffen.
Dann magst du in deine Kammer gehen, fünfmal die Knie
beugen und fünfmal das Vaterunser und Ave Maria lesen,
um der Wunden unseres Herrn Jesus Christus und des
Schmersez seiner Mutter willen.
Die Hälfte der Zeit, die bis zur Vesper übrig ist, magst
du zum Lesen, zum Studium und zur Ruhe verwenden, sofern
du nicht von deinen Freunden wegen etwas aufgehalten
wirst, was sie betrifft; die andere Hälfte magst du zu
einem Spaziergang zur ehrbaren körperlichen Erquickung
verwenden, so dass du umso mehr Kraft zu Gottes Lob
hast.
Wenn es zur Vesper läutet, solltest du dich gleich zum
Chor der Kirche begeben, um das Offizium zu singen, und
du solltest dich so im Chor verhalten, wie oben
beschrieben ist. Jeden Tag solltest du, nachdem das
Kompletorium gelesen ist, und bevor du Abendbrot
gegessen hast, die Matutin mit drei Lesestücken für die
Toten verrichten.
Die Zeit nach dem Abendessen kannst du in derselben
Weise wie nach dem Mittagessen verbringen. Nach der
Danksagung kannst du spazieren gehen und nützlichen und
erfreuliche Worte reden, bis du gehen und dich legen
willst. Ehe du zu Bett gehst, solltest du vor dem Bett
auf die Knie fallen und fromm fünf Vaterunser und fünf
Ave Maria zum Gedächtnis an Jesu Christi Leiden lesen.
Dann magst du zu Bett gehen und deinem Körper so viel
Schlaf und Ruhe gönnen, dass du nicht während der
Wachzeiten auf Grund von allzu kurzem Schlaf und zu
kurzer Ruhe gezwungen wirst, zu schlafen.
Jeden Freitag solltest du fromm die sieben Basspsalmen
und die Litanei lesen. An diesem Tage magst du auch aus
Verehrung für die fünf Wunden Jesu Christi fünf
bedürftigen Armen fünf Silbermünzen geben.
Weiter rate ich dir, liebster Bruder und Freund, dass du
dieses Jahr diese Abstinenz um deiner eigenen Sünden
willen einhältst. Jeden Tag während des ganzen Vierzig
tage Fastens und im Advent solltest du dich mit einer
einzigen Fischmahlzeit begnügen. Alle Nachtwachen bis zu
den … (Vårfrudagar) solltest du bei Brot und Wasser
fasten, und alle Apostelvigilien bei Fisch. Am Mittwoch
magst du Käse, Eier und Fisch zur Mahlzeit haben. An den
Freitagen solltest du nur Brot und Wein genießen, so
rate ich davon nicht ab. An den Samstagen magst du Fisch
und Öl zum Mittagessen haben. Am Sonntag, Montag,
Dienstag und Donnerstag kannst du zweimal am Tage
Fleisch essen, wenn die Kirche da nicht gerade Fasten
vorschreibt.
Merke, lieber Bruder, dass ich aus drei Gründen
beschlossen habe, zu schreiben und dir dies zu raten.
Erstens, damit dich nicht der Neid und die List des
Teufels dahin bringe, dass du dich selbst so schnell
verausgabst und deine Sinneskräfte so ermatten lässt,
dass du für den Rest deines Lebens Gott weniger dienst,
als du solltest. Zweitens deshalb, dass die
Weltmenschen, wenn sie einen Mangel an deinen seelischen
oder körperlichen Kräften bemerken, die durch zu viel
Arbeit veranlasst sind, oder dich in der Arbeit, mit der
du begonnen hast, ermüden sehen, sich davor scheuen,
selbst eine göttliche Arbeit zu übernehmen. Drittens
deshalb, weil ich hoffe, dass deine Taten Gott mehr
gefallen, wenn du dich lieber demütig nach dem Rat eines
anderen richten willst, als dich selbst nach eigenem
Gutdünken zu lenken.
81. Kapitel
Dieser Mann ist wie ein Sack, der voller Grannen ist,
und in den zehn neue Grannen gelegt würden, wenn eine
weggenommen wird. So ist der Mann, für den du bittest,
denn wenn er eine Sünde aus Furcht unterlässt, so begeht
er zehn andere um weltlicher Ehre willen. Was den
zweiten Mann betrifft, für den du bittest, will ich dir
antworten, dass es nicht üblich ist, verfaultes Fleisch
teuer einzupökeln.
Du bittest darum, dass er zum Nutzen seiner Seele
körperliche Beschwerden erleiden soll, aber sein Wille
steht im Streit mit deinem Begehren. Er trachtet nämlich
nach weltlicher Ehre und trachtet mehr nach Reichtümern
als nach geistlicher Armut, und die Wollust ist ihm
lieb. Deshalb ist seine Seele für mich verrottet und
stinkt, und deshalb kommt ihm das teure Einsalzen nicht
zu, was für den Gerechten Mühe mit sich bringt.
Was den dritten Mann betrifft, in dessen Augen du Tränen
siehst, will ich dir antworten, dass du nur den Leib
siehst, während ich ins Herz sehe. Du siehst ja
manchmal, dass eine dunkle Wolke von der Erde aufsteigt,
zum Himmel schwebt und unter der Sonne hängen bleibt,
und dass diese Wolke drei Arten von Niederschlag
hervorbringt, nämlich Regen, Schnee und Hagel. Dann
verschwindet die Wolke aber, denn sie stammte von der
Unreinheit der Erde.
Mit einer solchen Wolke ist jeder Mann vergleichbar, der
sich bis ins Alter von Sünde und Wollust nährt. Wenn das
Alter kommt, fängt er an, den Tod zu fürchten und
bedenkt seine Gefahr, und doch gefällt die Sünde seiner
Seele. Wie sich die Wolke von der Unreinheit der Erde
zum Himmel erhebt, so begibt sich das Gewissen eines
solchen Mannes von der Unreinheit des Leibes, d.h. der
Sünde, zur Betrachtung seiner selbst und bringt drei
Arten von Tränen hervor.
Die erste ist mit dem Regenwasser zu vergleichen, und
sie betrifft das, was der Mann körperlich liebt. Wenn er
z.B. Freunde, zeitliche Güter oder körperliche
Gesundheit verliert, dann wird er gegen Gottes
Verordnung und Zulassung bitter gestimmt, und vergießt
so viele unkluge Tränen.
Die zweiten Tränen sind mit dem Schnee zu vergleichen,
denn wenn der Mann anfängt, die Gefahren zu bedenken,
die seinem Körper drohen, die Qual des Todes und das
Elend der Hölle, da fängt er an zu weinen, aber nicht
aus Liebe, sondern aus Angst, und deshalb werden solche
Tränen schnell verdunsten und zu Nichts werden wie der
Schnee.
Die dritten Tränen sind mit Hagel zu vergleichen, denn
wenn der Mann bedenkt, wie schön die Wollust des
Fleisches für ihn ist und war, dass er sie verlieren
wird, und welche Freude im Himmel geboten wird, dann
fängt er an, über das Unglück der Verdammnis und seinen
eigenen Verlust zu weinen, kümmert sich aber nicht um
die Schande, die es Gott bereitet, wenn er eine Seele
verliert, die er mit seinem Blut erlöst hat.
Er kümmert sich auch nicht darum, wie weit er nach dem
Tod Gott sehen darf oder nicht, wenn er nur eine Wohnung
im Himmel oder auf Erden bekommt, wo er keine Plagen
leiden muss, sondern auf ewig seine Lust genießen kann.
Daher kann man solche Tränen zu Recht mit Hagel
vergleichen, denn das Herz eines solchen Menschen ist
sehr hart und ist nicht von irgendeiner Liebe zu Gott
erwärmt. Solche Tränen können die Seele auch nicht zum
Himmel ziehen. Aber nun will ich dir zeigen, welche
Tränen die Seele zum Himmel ziehen. Sie können mit Tau
verglichen werden. Manchmal steigt ein Dunst von der
Süße der Erde auf, schwebt zum Himmel und verweilt unter
der Sonne. Von der Wärme der Sonne wird er feucht,
steigt wieder zur Erde nieder und macht alles fruchtbar,
was auf Erden wächst. Das heißt bei euch „Tau“. Man
sieht auf Rosenblättern, die der Wärme ausgesetzt sind,
wie sie erst Feuchtigkeit absondern, und wie diese dann
herunter tropft.
So verhält es sich auch mit dem geistlichen Menschen.
Jeder, der an die gesegnete Erde denkt, die der Leib
Christi ist, an die Worte, die Christus mit seinem
eigenen Munde sprach, an die große Gnade, die er der
Welt bewiesen hat, und an die bittere Pein, die er aus
Liebe für unsere Seelen gelitten hat, der spürt mit
großer Freude, wie die Liebe, die er zu Gott hat, zum
Hirn steigt, das mit dem Himmel zu vergleichen ist.
Sein Herz, das mit der Sonne vergleichbar ist, wird von
göttlicher Wärme erfüllt, und sein Auge füllt sich mit
Tränen, indem er darüber betrübt ist, dass er einen so
unendlich guten und milden Gott gekränkt hat, und lieber
alle Qual zu Gottes Ehre leiden will, als alle möglichen
Genüsse zu haben, aber Gott verliert. Diese Tränen sind
mit Recht mit fallendem Tau vergleichbar, da sie Kraft
verleihen, gute Werke zu tun und in Gottes Augen Frucht
bringen. Und wie sprießende Blumen den fallenden Tau in
sich aufsaugen, und der Tau im Blumenkelch
eingeschlossen wird, so schließen die Tränen, die aus
göttlicher Liebe vergossen werden, Gott in die Seele
ein, und Gott zieht die Seele in sich hinein.
Es ist aber dich gut, Gott aus zwei Gründen zu fürchten.
Erstens können so große, gute Taten aus Furcht getan
sein, damit sie dann einen Funken Gnade ins Herz ziehen,
damit die Liebe gewonnen werden kann. Du kannst dies
besser durch ein Gleichnis verstehen. Es war ein
Goldschmied, der reines Gold auf die Waage legte. Ein
Köhler kam zu ihm und sagte: „Herr, ich habe die Kohle,
die du für deine Arbeit brauchst. Gib mir, was sie wert
sind!“
Der Goldschmied antwortete: „Es steht fest, wie hoch der
Preis der Kohle ist.“ Er gab ihm etwas Gold und
verwendete die Kohle bei seiner Arbeit, während der
Köhler sich für das Geld sein Essen besorgte. So ist es
auch im geistlichen Bereich. Werke, die ohne Liebe getan
sind, gleichen der Kohle, aber die Liebe dem Gold. Wenn
ein Mensch gute werke aus Furcht tut, aber doch die
Erlösung seiner Seele damit gewinnen will, wenn er sich
nach Gott im Himmel sehnt, sondern nur fürchtet, in der
Hölle zu landen, so hat er sicher gute Taten vollbracht,
aber sie sind kalt und nehmen sich in Gottes Augen wie
kalt aus.
Gott ist mit einem Goldschmied zu vergleichen, der in
seiner geistlichen Gerechtigkeit weiß, in welchem Maß
die guten Werke belohnt werden sollen, oder mit welcher
Gerechtigkeit die Gottesliebe zu gewinnen ist. In seiner
Vorsehung ordnet er auch an, dass der Mensch für die
guten Taten, die er aus Furcht vollbracht hat, von einer
Gottesliebe entzündet wird, die er dann zur Gesundung
seiner Seele anwendet. So wie der gute Goldschmied die
Kohle zu seiner Arbeit verwendet, so benutzt Gott kalte
Werke zu seiner Ehre.
Zweitens ist es gut, sich aus dem Grund zu fürchten,
dass der Mensch ebenso viele Sünden aus Furcht
unterlässt, von ebenso vielen Strafen er in der Hölle
befreit wird. Doch hat er nicht das Recht, zum Himmel
aufzufahren, nachdem er keine Liebe gehabt hat. Denn
wessen Wille so ist, dass er ewig auf Erden leben
wollte, wenn er könnte, in dessen Herzen gibt es
keinesfalls Gottesliebe; Gottes Werke sind gleichsam tot
für ihn, und daher begeht er Todsünden und wird zur
Hölle verdammt werden.
Sicher wird er nicht an diesem Ort der Plage brennen,
sondern sich im Dunkeln aufhalten, nachdem er die Sünde
nur aus Furcht unterlassen hat, aber er wird auch nicht
die Freude des Himmels spüren, nachdem er sich nicht
danach gesehnt hat, so lange er lebte. Er wird also wie
ein Blinder und Stummer und wie ein Mann ohne Hände und
Füße dasitzen, nachdem seine Seele die Pein der Hölle
versteht, aber wenig von der Freude, die im Himmel
herrscht.
Erklärung
Diese
Offenbarung handelt von drei Rittern. Der erste war aus
Schonen, und von ihm handelt folgende Vision. Frau
Birgitta sah eine Seele, die gleichsam zweimal in
Scharlachfarbe getaucht, aber mit einigen wenigen
schwarzen Tropfen bespritzt war. Nachdem sie die Seele
gesehen hatte, verschwand diese gleich aus ihrem
Gesichtsfeld. Nach drei Tagen sah sie dieselbe Seele
ganz rot, aber mit einigen Edelstein geschmückt, die wie
Gold strahlten.
Als sie sich darüber wunderte, sagte Gottes Geist:
„Diese Seele war von weltlichem Kummer gefesselt, hatte
aber wahren Glauben. Sie kam zu den Ablassstellen in Rom
mit der Absicht, Liebe zu Gott zu gewinnen und zu dem
Entschluss zu kommen, nicht mehr bewusst sündigen zu
wollen.
Dass du die Seele in einem Scharlachgewande gesehen
hast, das bedeutet, dass sie vor dem leiblichen Tode
Gottesliebe empfangen hat, wenn auch eine unvollkommene.
Dass du sie mit schwarzen Tropfen bespritzt gesehen
hast, das bedeutet, dass sie von einer fleischlichen
Sehnsucht nach ihrer leiblichen Verwandten und von der
Sehnsucht beherrscht wurde, ihr Land wieder zu sehen.
Doch hat sie mir ihren ganzen Willen anvertraut, und
deshalb hat sie verdient, gereinigt und für das Höhere
vorbereitet zu werden.
Dass du Edelsteine auf der roten Farbe gesehen hast, das
bedeutet, dass sie auf Grund ihres guten Willens und der
Wirkung dieser Ablässe der ersehnten Krone nahe gekommen
ist. Sieh also, meine Tochter, und betrachte, wie viel
Gutes der Ablass in Rom den Menschen verleiht, die dafür
in heiliger Absicht hierher kommen! Denn auch wenn einem
Menschen tausend und abertausend Jahre vergönnt sein
würden (wie es auch denen, die hierher kommen, für ihren
Glauben und ihre Frömmigkeit vergönnt wird), so wäre das
doch kein genügend hoher Preis, um ohne Gottes Gnade die
Gottesliebe zu erlangen. Aber diese Liebe, die meine
Heiligen mit ihrem Blut erwirkt haben, wird um der
Ablässe willen gegeben, und man verdient sie auch in
Wahrheit.“
Der zweite Ritter in derselben Offenbarung war aus
Holland. Über ihn sagte Gottes Sohn: „Was hat dir dieser
großsprecherische, mit leerem Geschwätz gefüllte Mann
gesagt? Etwa deshalb, dass man zweifelt, wie weit mein
Schweißtuch echt ist oder nicht? Sage ihm deshalb
standhaft die vier Dinge, die ich dir jetzt sage.
Erstens, dass viele Leute Schätze sammeln, aber nicht
wissen, für wen. Zweitens, dass jeder, der nicht froh
das Pfund ausgibt, das der Herr ihm anvertraut hat,
sondern es zu keinem Nutzen aufhebt, sich ein Gericht
zuziehen wird. Drittens, dass der, der die Welt und das
Fleisch mehr liebt als Gott, nicht in die Gesellschaft
derer kommen wird, die nach Gerechtigkeit hungern und
dürsten.
Viertens, dass jeder, der nicht die Menschen hört, die
(um Hilfe) rufen, selber wird rufen müssen, ohne gehört
zu werden. Was mein Schweißtuch betrifft, mag er wissen,
dass – wie der Blutschweiß aus meinem Körper drang, als
ich vor meinem Leiden zum Vater (in Getsemane) betete,
dieser Schweiß um ihretwillen, die zu mir betet, und zum
Trost für spätere Geschlechter von meinem Gesicht
niedertropfe. Der dritte Ritter in derselben Offenbarung
war aus Schweden, und von ihm handelt folgende
Offenbarung. Gottes Sohn spricht: „Es steht geschrieben,
dass ein Mann von seiner treuren Ehefrau gerettet wurde.
Sie sprang nämlich vor und zerrte ihren Mann mit beiden
Händen aus den Klauen des Teufels. Mit der einen Hand
riss sie ihn mit Tränen, Gebeten und Taten der Liebe aus
der Hand des Teufels. Mit der anderen Hand zog sie ihn
durch ihre Ermahnungen, ihr Vorbild und ihre
Unterweisung zu sich, so dass er sich nun dem Wege der
Erlösung nähert.
Deshalb sollte er drei Dinge überdenken, die im
allgemeinen Gesetzbuch stehen. Da gibt es nämlich drei
Stücke: Eines handelt vom Besitzen, ein zweites vom
Verkaufen, ein drittes vom Kaufen. Im ersten Stück, das
vom Besitzen handelt, wird gesagt, dass nichts zu Recht
besessen wird, wenn es nicht auf ehrliche Weise erworben
wurde, aber dass ein Erwerb, der durch betrügerische
Kniffe, durch schlaue Überrumpelung oder unter Wert
erfolgt ist, Gott nicht wohlgefällig ist.
Das zweite Stück handelt vom Verkauf. Manchmal wird
etwas verkauft, weil man Mangel leidet oder etwas
fürchtet, manchmal auf Grund von Gewalt und ungerechten
Urteilen. Der Käufer muss da sein Gewissen fragen, um zu
sehen, ob er mitleidig und liebevoll mit dem gewesen
ist, dem er etwas abgekauft hat.
Das dritte Stück handelt vom Kauf. Wer etwas kaufen
will, muss untersuchen, ob das, womit er kauft,
rechtmäßig erworben ist.
Denn gesetzlich ist das nicht erworben, was man durch
unrechtmäßig einkassierte Gelder erhalten hat. Dieser
Mann sollte also diese drei Punkte genau überlegen, und
er kann gewiss sein, dass er vor mir über alles
Rechenschaft ablegen muss – und auch über das, was ihm
seine Eltern hinterlassen haben, falls er das mehr als
angebracht für die Welt als für Gott ausgibt. Er sollte
auch wissen, dass er einmal vor mir Rechenschaft über
seine Ritterschaft ablegen wird, in welcher Absicht er
sie angenommen hat, wie er sie eingehalten hat, und wie
er das Gelübde eingehalten hat, das er mir gegeben hat.“
82. Kapitel
Der Sohn (Jesus Christus) spricht: „Als Braut musst du
einen angenehmen Mund, saubere Ohren, keusche Augen und
ein beständiges Herz haben. So muss auch die Seele
beschaffen sein. Ihr Mund ist nämlich der reine Sinn –
nichts darf durch ihn gehen außer dem, was mir gefällt.
Der Mund, d.h. der Sinn, sollte durch den Wohlgeruch
guter Gedanken und die ständige Erinnerung an mein
Leiden angenehm sein. Der Sinn sollte auch rot sein wie
der Mund, d.h. brennend vor göttlicher Liebe, so dass er
das Gute tut, wie er es kann. Denn niemand sehnt sich
danach, einen bleichen Mund zu küssen, und so gefällt
mir die Seele gar nicht, wenn sie nicht allein aus gutem
Willen gute Werke tut.
Der sinn muss auch ebenso wie der Mund zwei Lippen
haben, d.h. zwei Neigungen: Mit der einen soll er sich
nach dem Himmlischen sehnen, mit der anderen alles
Irdische verachten. Der untere Gaumen der Seele soll
Furcht vor dem Tode sein, wenn die Seele vom Körper
geschieden wird, und der Gedanke daran, wie sie dann
beschaffen sein muss. Der obere Gaumen muss die Furcht
vor dem gefährlichen Gericht sein.
Zwischen diesen beiden soll sich die Zunge der Seele
rühren. Was ist die Zunge der Seele anders, wenn nicht
das fleißige Betrachten meiner Barmherzigkeit? Betrachte
also meine Barmherzigkeit, wie ich dich erschaffen und
erlöst habe, und wie ich noch immer Nachsicht mit dir
habe. Bedenke auch, welch strenger Richter ich bin, und
dass ich nichts ungestraft lasse; bedenke, wie unsicher
die Todesstunde ist.
Das Auge der Seele soll einfältig wie das der Taube
sein, die am Wasser den Raubvogel erblickt. Das
bedeutet, dass dein Gedanke ständig um meine Liebe und
mein Leiden und die Werke und Worte meiner Auserwählten
kreisen sollte, durch die du lernen solltest, zu
verstehen, wie der Teufel dich betrügen kann, so dass du
niemals deiner selbst sicher sein kannst. Deine Ohren
sollten sauber sein, so dass du keine leichtfertigen
oder albernen Worte hören möchtest. Dein Herz sollte
beständig sein, so dass du den Tod nicht fürchtest, nur
bewahre dir den Glauben, fürchte dich nicht vor
weltlicher Schmach und sei nicht betrübt über einen
körperlichen Schaden, den du für mich, deinen Gott,
erleidest.“
83. Kapitel
Der Sohn spricht: „Ich liebe dich, wie ein guter
Dienstherr seinen Diener, ein Vater seinen Sohn und ein
Mann seine Ehefrau. Der Dienstherr sagt nämlich zu
seinem Diener: „Ich werde dir Kleider, ausreichend Kost
und maßvolle Arbeit geben.“ Zu seinem Sohn sagt der
Vater: „Meine Ruhe ist deine Ruhe, und meine Erquickung
ist die deine.“
Was sollen diese drei auf eine solche Liebenswürdigkeit
antworten? Sicher wird der Diener, wenn er gut ist, zum
Dienstherrn sagen: „Da mein Stand der eines Dieners ist,
will ich lieber dir, als einem anderen dienen. Der Sohn
wird zum Vater sagen: „Weil ich alles Gute von dir habe,
will ich mich niemals von dir trennen.“ Die Ehefrau wird
zu ihrem Mann sagen: „Weil ich meinen Unterhalt durch
deine Arbeit habe, Wärme an deiner Brust und Süße von
deinen Worten, will ich lieber sterben, als mich von dir
trennen.“
Ich, der Herr, bin dieser Mann. Die Seele ist meine
Braut. Sie soll sich in meiner Ruhe erquicken, von der
Kost meiner Gottheit ernähren und lieber alle Plagen
ertragen, als sich von mir trennen, denn ohne mich hat
sie weder Freude noch Ehre. Aber zwei Dinge gehören zu
einem guten Haushalt (?hjonelag). Erstens das Hab und
Gut, wovon die Ehegatten ihren Unterhalt bestreiten.
Zweitens ein Sohn, der das Erbe nach ihnen übernehmen
wird. (Es heißt ja von Abraham, dass er darüber
trauerte, dass er keinen Sohn hatte). Der Diener soll
dazu da sein, um ihnen zu dienen.
Die Seele hat das für den Unterhalt notwendige Gut, wenn
sie voller Tugenden ist. Sie hat auch einen Sohn, wenn
sie den Verstand besitzt, die Tugenden von Lastern zu
unterscheiden, und sie so unterscheidet, wie Gott will.
Sie hat auch einen Diener, nämlich ein körperliches
Verlangen, das sie aber nicht nach der Begierde des
Fleisches leben lässt, sondern wie es dem Körper nützt
und so, dass die Seele dadurch vervollkommnet wird.
Daher liebe ich dich, wie der Mann seine Ehefrau, denn
meine Ruhe ist deine Ruhe. Deshalb musst du lieber mit
Freunden alle Trübsal ertragen, als mich zum Zorn
reizen. Ich liebe dich auch, wie ein Vater seinen Sohn,
denn ich habe dir Unterscheidungsvermögen und einen
freien Willen gegeben. Ich liebe dich auch wie ein
Hausvater seinen Diener, dem er alles Notwendige und
maßvolle Arbeit angeboten hat. Aber dieser Diener, d.h.
der Körper, ist so unvernünftig, dass er lieber dem
Teufel dienen will, der ihm niemals Ruhe vom Kummer der
Welt gibt, statt mir.“
84. Kapitel
Der Sohn spricht: „Von drei Männern wird erzählt, dass
sie durch Frauen umgarnt sind. Der erste war ein König,
dem seine Geliebte ins Gesicht schlug, als er sie anlog.
Er war nämlich dumm, züchtigte sie nicht und kümmerte
sich nicht um seine Ehre. Er war wie ein gekrönter Esel:
Ein Esel auf Grund seiner Dummheit, und ein gekrönter
auf Grund seiner hohen Würde.
Der zweite war Simson, der – obwohl er der stärkste Mann
war – doch von einer Frau besiegt wurde. Er hatte das
Herz eines Hasen, weil er eine Frau nicht bändigen
konnte. Der dritte war Salomo, der wie ein Basilisk war,
der mit seinem Blick tötet, aber (durch sein
Spiegelbild) selbst von einem Spiegel getötet wird.
Salomos Weisheit überstieg die von allen, und doch
brachte ihn das Antlitz einer Frau zu Fall. Daher muss
die Frau dem Manne untertänig sein.“
85. Kapitel
Der Sohn spricht zur Braut: „Ich bin der Schöpfer aller
Dinge. Vor mir liegt etwas wie zwei Blätter eines
Buches. Auf dem einen steht „Barmherzigkeit“
geschrieben, auf dem anderen „Gerechtigkeit.“ Über den,
der seine Sünden bereut und der sich vornimmt, nicht
mehr zu sündigen, sagt daher die Barmherzigkeit, dass
mein Geist ihn entzünden wird, gute Werke zu tun. Den,
der sich von der Eitelkeit dieser Welt trennen will, den
wird mein Geist noch brennender im Guten machen. Aber
den, der sogar bereit ist, für mich zu sterben, wird
mein Geist so entflammen, dass er ganz in mir und ich
ganz in ihm sein werde.
Auf dem anderen Blatt steht dagegen „Gerechtigkeit“
geschrieben, und die sagt: „Wer sich nicht bessert, wenn
er Zeit hat, sondern sich bewusst von Gott abwendet, den
wird der Vater nicht verteidigen; der Sohn wird sich
seiner nicht erbarmen, den wird der Heilige Geist nicht
entzünden.“ Betrachte daher genau, so lange es Zeit ist,
das Blatt der Barmherzigkeit, denn ein jeder, der erlöst
werden soll, muss entweder durch das Wasser (der Taufe)
oder durch Feuer gereinigt werden, d.h. entweder durch
angemessene Buße in dieser Welt, oder durch das
Fegefeuer nach dem Tode, bis er gereinigt worden ist.
Wisse auch, dass ich diese Blätter der Barmherzigkeit
und Gerechtigkeit einem Mann gezeigt habe, den du
kennst, aber er macht sich nun über das Blatt meiner
Barmherzigkeit lustig und meint, es sei rechts, was
links ist. Und wie der Falke über die Vögel, so möchte
er hoch über alle anderen aufsteigen. Daher muss man
fürchten, dass er – wenn er sich nicht sehr in Acht
nimmt – lachend stirbt und zusammen mit krakeelenden und
trinkenden Menschen aus der Welt weggenommen wird.“
Das traf auch später ein, denn er stand fröhlich vom
Tisch auf und wurde nachts von seinen Feinden
umgebracht.
86. Kapitel
Die Mutter spricht: „Ich bin die Königin des Himmels und
die Mutter der Barmherzigkeit. Mein Sohn, der Schöpfer
aller dinge, hatte eine solche Süße der Liebe zu mir,
dass er mir geistliche Einsicht über alles gab, was
geschaffen ist. Daher gleich ich am meisten der Blüte,
aus der die Biene den meisten Süßstoff saugt, und in der
die Süße trotzdem bleibt, wie viel man auch daraus holt.
So kann ich allen Gnade vermitteln, und ich habe
Überfluss daran.
Aber meine Auserwählten sind wie Bienen, die mir mit
aller Hingehung Ehre erweisen. Sie haben wie die Biene
zwei Füße, denn teils haben sie ständig das Verlangen,
meine Ehre zu vermehren, teils arbeiten sie daran, so
gewissenhaft sie können. Sie haben auch zwei Flügel,
indem sie sich teils für unwürdig halten, mich zu loben,
teils fügen sie sich an alles, was zu meiner Ehre dient.
Bienen haben auch einen Stachel, und sie sterben, wenn
sie den verlieren. So haben Gottes Freunde Trübsal auf
der Welt, und die wird ihnen nicht vor Ende ihres Lebens
abgenommen werden, denn dann würden sie nicht in den
Tugenden bewahrt werden, doch werde ich, die überreich
an Trost ist, sie trösten.“
87. Kapitel
Der Sohn spricht zur Braut: „Ich habe dir früher gesagt,
dass du klare Augen haben musst, so dass du das Böse
schauen kannst, was du getan hast, und das Gute, was du
unterlassen hast. Dein Mund, d.h. dein Sinn, soll rein
von allen Flecken sein. Deine Lippen sind zwei Wünsche,
die du haben sollst, nämlich der Wunsch, alles
meinetwegen zu verlassen und den Willen, bei mir zu
bleiben, und diese Lippen sollten von roter Farbe sein,
weil Rot die schönste Farbe ist und auf lange Entfernung
zu sehen ist.
Die Farbe bezeichnet jedoch die Schönheit, und alle
Schönheit liegt in den Tugenden, denn es gefällt Gott am
meisten, wenn man ihm das anbietet, was der Mensch am
meisten liebt, und wovon andere in ihrer Seele am
meisten erbaut werden. Deshalb sollte der Mensch im
Willen oder im Tun Gott das geben, was er am liebsten
hat.
Man liest ja, dass Gott sich freute, als er sein Werk
beendet hatte. So freut sich Gott auch, wenn der Mensch
sich ihm ganz opfert und in Not und Freude Gottes Willen
folgen will. Die Arme wiederum müssen leicht und biegsam
zu Gottes Ehre sein. Der linke Arm ist also das
Betrachten des Guten und der Wohltaten, die ich dir
erwiesen habe, als ich dich schuf und erlöst, und deine
Undankbarkeit gegen mich. Aber der rechte Arm ist eine
so brennende Liebe zu mir, dass du lieber Not leiden,
als mich verlieren und mich zum Zorn reizen willst.
Zwischen diesen beiden Armen ruhe ich gern, und dein
Herz soll mein Herz sein, denn ich bin wie ein Feuer der
göttlichen Liebe, und deshalb will ich geliebt werden,
wie ich dort brenne. Die Rippen, die das Herz schützen,
sind deine Eltern, nicht die leiblichen, sondern meine
Auserwählten, die du zu lieben hast wie mich, und mehr
als deine leiblichen Eltern. Deine Eltern sind in
Wahrheit die, die dich zum ewigen Leben neugeboren
haben.
Die Haut der Seele sollte so schön sein, dass sie keine
Flecken hat. Mit der Haut ist jeder deiner Nächsten
gemeint; wenn du ihn so liebst wie dich selbst, so wird
die Liebe zu mir und meinen Heiligen unbeschadet
bewahrt, aber wenn du ihn hasst, schadet das dem Herzen,
und die Rippen werden bloß, die Liebe meiner Heiligen
wird bei dir geringer. Daher sollte die Haut auch keine
Flecken haben, denn du darfst deinen Nächsten nicht
hassen, sondern alles für Gott tun. Wenn du das tust,
ist nämlich mein Herz ganz und unversehrt mit deinem
Herzen vereint.
Weiter sagte ich dir vorher, dass ich mit brennender
Liebe geliebt werden möchte, denn ich bin das Feuer der
göttlichen Liebe. Mein Feuer hat drei wunderbare
Eigenschaften. Die erste ist, dass es brennt und nie
entzündet wird. Die zweite ist, dass es nie verlöscht.
Die dritte ist, dass es immer brennt und nie verzehrt
wird. So habe ich den Menschen in meiner Gottheit von
Anfang an geliebt, und seit ich Menschengestalt annahm,
brannte diese Liebe noch mehr und brennt so stark, dass
sie nie verlöscht und die Seele brennend macht, aber sie
nicht verzehrt, sondern ihr ständig neue Stärke schenkt.
Das kannst du dadurch verstehen, dass du an den Vogel
Phönix denkst, wenn er durch Alter belastet wird, der
auf dem höchsten Berg Holz sammelt, und nachdem das Holz
von der Sonnenhitze angezündet ist, sich ins Feuer
wirft, um – nachdem er im Feuer gestorben ist – von
neuem aufzuleben. So wird die Seele, die vom Feuer der
göttlichen Liebe entzündet worden ist, daraus als ein
schönerer und stärkerer Phönix wieder auferstehen.
88. Kapitel
Der Sohn spricht: „Ich bin der Schöpfer aller guten und
bösen Geister. Ich bin auch der Lenker und Führer aller
Geister. Ich bin auch der Schöpfer all der Tiere und
Dinge, die es gibt und die Leben haben – und ebenso
derer, die es gibt, aber kein Leben haben. Daher befolgt
all das, was im Himmel, auf erden und im Meer ist,
meinen Willen – außer allein der außer allein dem
Menschen.
Du sollst wissen, dass manche Menschen wie ein Schiff
sind, das Steuer und Mast verloren hat und unter den
Wogen des Meeres hin und her geworfen wird, bis es an
den Strand der Insel des Todes kommt. Auf diesem Schiff
sind die Verzweifelten und die sich jeder Wollust
hingegeben haben. Andere sind wie das Schiff, das noch
Mast und Steuer sowie einen Anker mit zwei Taue hat.
Aber der Hauptanker ist geborsten, und das Steuer
versagt bald, wenn sich die Wogen zwischen das Steuer
werfen.
Daher muss man genau Acht geben, dass das Steuer und das
Schiff sich nicht voneinander trennen, sondern
zusammenhängen, als ob sie eine Wäre zwischen sich
hätten. Das dritte Schiff hat all seine Ausrüstung und
ist bereit zu segeln, wenn die Zeit kommt. Und der erste
Anker oder Hauptanker, den ich eben erwähnte, ist die
Zucht des reinen Lebenswandels, geschmiedet und
geglättet durch Geduld und den Eifer göttlicher Liebe.
Das ist nun verloren gegangen, denn den Lebensstill der
Väter hat man unter die Füße getreten, und ein jeder hat
das als reines Leben, was er selbst für nützlich hält,
und so treiben sie hin und her, wie ein Schiff zwischen
den Wellen. Der zweite Anker, von dem ich sagte, dass er
ganz sei, ist der Wille, Gott zu dienen, und der ist mit
zwei Tauen verbunden, nämlich der Hoffnung und dem
Glauben, denn sie glauben, dass ich Gott bin und hoffen
auf mich, dass ich sie erlösen will, und ich bin ihr
Steuer. Und so lange ich im Schiff bin, dringen auch die
Sturzwellen nicht ein, und es ist wie eine Wärme
zwischen mir und ihnen.
Ich, Gott, bin bei ihnen auf ihrem Schiff, wenn sie
nicht irgendetwas so sehr lieben, wie mich, und ich bin
mit ihnen befestigt wie mit drei Nägeln, nämlich der
Furcht, der Demut und der Betrachtung meiner Werke. Aber
wenn sie etwas anderes mehr lieben als mich, so dringt
das auflösende Wasser ein, und da lockern sich die
Nägel, nämlich Furcht, Demut und das göttliche
Betrachten; Da wird der Anker des guten Willens
zerstört, und da reißen die Taue, nämlich der Glaube und
die Hoffnung. Die auf diesem Schiff an Bord sind,
schweben in großer Gefahr und steuern deshalb auf
gefährliche Plätze zu. Auf dem dritten Schiff, von dem
ich sagte, dass es bereit zu fahren ist, sind meine
Freunde.“
89. Kapitel
Der Sohn spricht: „Wer streiten will, muss Mannesmut
haben; er sollte sich wieder erheben, wenn er fällt, und
sich nicht auf seine eigenen Kräfte verlassen, sondern
auf meine Barmherzigkeit. Wer auf meine Güte nicht
vertraut, denkt nämlich bei sich selbst: „Wenn ich etwas
Schweres versuche oder meinen Leib mit Fasten zügele
oder mich mit Wachen anstrenge, so kann ich nicht
ausdauernd sein und mich von Sünden fernhalten, denn
Gott hilft mir nicht.
Ein solcher Mann fällt mit Recht. Wer geistlich streiten
will, sollte sich also auf mich verlassen und hoffen,
dass er es mit Hilfe meiner Gnade vollbringen kann.
Ferner muss er den Willen haben, das Gute zu tun und das
Böse zu unterlassen, und wieder aufzustehen, so oft er
fällt, indem er dieses Gebet spricht: „Allmächtiger Herr
Gott, der du alle zum Guten leitest, ich Sünder habe
mich durch meine Verfehlungen weit von dir entfernt,
aber ich danke dir dafür, dass du mich auf den rechten
Weg zurückgeführt hast. Daher bitte ich dich, mildester
Jesus, dass du dich meiner erbarmst, der du blutend und
gepeinigt am Kreuz gehangen hast. Und ich bitte dich
durch deine fünf Wunden und den Schmerz, der aus deinen
durchstochenen Adern ins Herz drang, dass du mich heute
gnädig bewahrst, so dass ich nicht in Sünde falle. Gib
mir auch die Kraft, den Pfeilen des Feindes zu
widerstehen und mutig wieder aufzustehen, wenn es
geschehen sollte, dass ich in Sünde falle.“
Aber damit der Kämpfende im Guten beharren kann, sollte
er auf folgende Weise beten: „Herr Gott, für den nichts
unmöglich ist und der alles kann, gib mir Kraft, gute
Werke zu tun und im Guten zu beharren.“ Dann mag er das
Schwert in die Hand nehmen, d.h. die reine Beichte, und
das Schwert soll wohlgeschliffen und glänzend sein;
geschliffen, so dass er sein Gewissen genau prüft, wie,
wie viel es war, und aus welchem Grunde er gesündigt
hat; glänzend, so dass er sich nicht vor nichts schämt
oder etwas geheimält, oder die Sünde anders erzählt, als
wie es zugegangen ist.
Dieses Schwert soll auch zwei scharfe Kanten haben,
nämlich den Willen, nicht mehr zu sündigen, und den
Willen, für die begangenen Sünden Besserung zu leisten.
Die Spitze des Schwertes soll die Reue sein, womit der
Teufel totgeschlagen wird, wenn der Mensch, der sich
vorher über die Sünde gefreut hat, nun Zerknirschung und
Trauer darüber empfindet, dass er mich, Gott, zum Zorn
gereizt hat. Das Schwert muss auch einen Schaft haben,
nämlich das Betrachten von Gottes großer Barmherzigkeit.
Diese Barmherzigkeit ist ja so groß, dass es keine
Sünder gibt, der so elend ist, dass er nicht Vergebung
findet, wenn er darum bittet und den Willen hat, sich zu
bessern.
Mit deren Beachtung (nämlich dass Gottes Barmherzigkeit
alles übersteigt) sollte das Schwert der Beichte
gehalten werden. Aber damit nicht die Hand von den
Kanten verletzt wird, ist ein Eisen zwischen der
Schneide und dem Schaft, und der Schwertknauf hindert
das Schwert, aus der Hand zu fallen. So sollte der, der
das Schwert der Beichte hat und hoffen darf, dass er um
Gottes Barmherzigkeit willen seine Sünden vergeben
bekommt und von ihnen gereinigt wird, sich hüten, dass
er nicht wegen einer vermessenen Hoffnung auf Vergebung
zu Fall kommt. Daran sollte ihn der Schwertknauf (d.h.
die Furcht vor Gott) hindern, indem er fürchtet, dass
Gott ihm seine Gnade entzieht und wegen seiner allzu
großen Vermessenheit auf ihn zornig wird.
Aber damit die arbeitende Hand nicht verletzt wird und
ihre Kraft wegen allzu vieler und unkluger Arbeit
verliert, das wird durch das Quergestellte Eisen
verhindert, das zwischen den Hand und der
Schwertschneide ist, d.h. die Betrachtung von Gottes
Geduld – wie ich, obwohl ich so gerecht bin, nichts
ungestraft und ungereinigt lasse, doch so barmherzig und
nachsichtig bin, dass ich nichts über das hinaus
verlange, was die Natur gut ertragen kann, und um des
guten Willens wegen erlasse ich die größte Strafe, ja
vergebe eine große Sünde für kleine Bußtat.
Die Brünne des Ritters ist Enthaltsamkeit, denn wie die
Brünne aus vielen Ringen besteht, so besteht die
Enthaltsamkeit aus vielen Tugenden, nämlich der Versicht
darauf, böse dreinzuschauen (ond syn) und auf das Böse,
das die anderen Sinne bieten können, der Verzicht auf
Schwelgerei, Wollust, überflüssige Kleidung und vieles
andere, was der hl. Benedikt gebietet, dass man es nicht
tun soll.
Aber nun kann man sich diese Brünne nicht selber
anlegen, sondern man braucht dazu die Hilfe eines
anderen. Daher muss man meine Mutter, die Jungfrau
Maria, anrufen und ehren, denn sie ist das Beispiel für
alle Arten eines guten Lebensstils und das Muster aller
Tugenden, und wenn sie beständig angerufen wird, wird
sie die vollkommene Enthaltsamkeit für den Sinn des
Menschen kundtun.
Der Helm ist die vollkommene Hoffnung. Er hat gleichsam
zwei Bohrlöcher, durch die der Ritter schaut. Das erste
ist der Gedanke an das, was getan werden soll, das
zweite ist die Betrachtung dessen, was zu unterlassen
ist. Jeder, der auf Gott hofft, sollte nämlich stets
bedenken, was er zu Gottes Ehre tun, und was er
unterlassen soll. Der Schild sollte die Geduld sein,
womit er sich alles gefallen lassen soll, was ihm
passiert.
90. Kapitel
Der Sohn spricht: „Meine Freunde sind wie mein Arm. Im
Arm sind fünf Dinge, nämlich Haut, das Blut, der
Knochen, das Fleisch und das Mark. Aber ich bin wie ein
weiser Arzt, der zuerst alles unnütze wegschneidet und
dann Fleisch mit Fleisch und Knochen mit Knochen vereint
und danach die Heilmittel hinzufügt.
So habe ich es mit meinen Freunden gemacht. Zuerst nehme
ich ihnen alle weltliche Lüsternheit und unzulässiges
fleischliches Begehren fort. Danach fügte ich mein Mark
zu ihrem Mark. Was ist mein Mark anderes, als die Macht
meiner Göttlichkeit? Denn wie jeder Mensch stirbt, wenn
er kein Knochenmark hat, so stirbt auch der, der nicht
an meiner Gottheit teilhat. Die habe ich also mit ihrer
Krankheit verbunden, wenn meine Weisheit ihnen schmeckt
und in ihnen Frucht trägt, und wenn ihre Seele versteht,
was getan und was unterlassen werden muss.
Die Knochen bezeichnen meine Stärke; die habe ich mit
ihrer Stärke vereint, wenn ich sie stark mache, Gutes zu
tun. Das Blut bezeichnet den Willen; den habe ich mit
ihrem Willen verbunden, wenn ihr Wille sich nach meinem
Willen richtet, und sie nichts anderes begehren und
suchen, als mich allein. Das Fleisch bezeichnet meine
Geduld; die habe ich mit ihrer Geduld vereint, wenn sie
geduldig sind, wie ich es war, als ich vom Scheitel bis
zur Sohle verwundet war. Die Haut bezeichnet die Liebe;
die habe ich mit mir vereint, wenn sie nicht anderes
lieben so wie mich, und mit meiner Hilfe gern für mich
sterben würden.“
91. Kapitel
Der Sohn sagt zur Braut: „Du musst dich auf vierfache
Art demütigen. Zuerst vor den Mächtigen der Welt, denn
nachdem der Mensch verachtet hat, Gott zu gehorchen, ist
es gerecht, dass er dem Menschen gehorcht. Und da der
Mensch keinen Bestand ohne Steuermann haben kann, muss
man sich der Macht beugen. Zweitens vor den geistlich
Armen, d.h. vor den Sündern, indem du für sie betest und
Gott dankst, dass du kein solcher geworden bist oder
noch bist. Drittens vor den geistlich Reichen, d.h. vor
Gottes Freunden, indem du bedenkst, dass du unwürdig
bist, ihnen zu dienen und mit ihnen umzugehen. Viertens
vor den Armen der Welt, indem du ihnen beistehst, sie
kleidest und ihnen die Füße wäschst.“
92. Kapitel
Der Sohn spricht: „Ich sagte dir vorher, dass meine
Freunde mein Arm sind. Ja, so verhält es sich in
Wahrheit, denn in ihnen sind der Vater, der Sohn und der
Heiligen Geist samt meiner Mutter mit der ganzen
himmlischen Heerschar. Die Gottheit ist gewiss wie das
Mark, ohne das niemand leben kann. Die Knochen sind
meine Menschengestalt; die war stark genug, um zu
leiden. Der Heiligen Geist ist wie das Blut, denn er
erfüllt und erfreut alles. Meine Mutter ist wie das
Fleisch, denn in ihr wohnte die Gottheit und
Menschlichkeit und der Heilige Geist. Die Haut ist die
ganze himmlische Heerschar. So wie die Haut, so überragt
meine Mutter alle Heiligen an Tugend.
Denn obwohl die Engel rein sind, ist sie doch noch
reiner, und obwohl die Propheten von Gottes Geist
erfüllt waren und die Märtyrer viele Leiden ausgestanden
haben, war doch der Geist in reicherer und wärmerer
Weise in meiner Mutter, und sie war mehr als ein
Märtyrer. Und wenn sich die Bekenner auch von allem
zurückhielten, besaß doch meine Mutter eine noch
vollkommenere Enthaltsamkeit, denn in ihr war meine
Gottheit mit der Menschengestalt.
Wenn meine Freunde mich haben, ist also die Gottheit in
ihnen, durch die die Seele lebt – die Kraft meiner
Menschlichkeit, wodurch sie stark bis zum Tode werden,
und das Blut meines Geistes, wodurch ihr Wille zu allem
Guten bewegt wird. Und ihr Fleisch ist erfüllt mit
meinem Blut und meinem Fleisch, wenn sie sich unbefleckt
halten wollen, und wenn sie ihre Keuschheit unter
Mitwirkung meiner Gnade bewahren. Und meine Haut ist mit
ihrer Haut vereint, wenn sie dem Leben und den Sitten
meiner Heiligen nacheifern.
So werden also meine Heiligen mit Recht mein Arm
genannt, und du musst durch deinen Willen, dich im Guten
zu verbessern und ihnen nachzueifern, so viel du kannst,
ein Glied darin bleiben. Denn wie ich sie mit mir durch
die Vereinigung Menschengestalt vereine, so musst auch
du mit ihnen und mir durch diesen meinen Leib vereinigt
werden.
93. Kapitel
Der Sohn spricht: „Drei Dinge gebiete ich dir. Erstens,
dass du nicht begehrst, außer Kost und Kleidung.
Zweitens, geistliche Dinge nicht ohne meinen Willen zu
begehren. Drittens, über nichts anderes betrübt zu sein,
außer über deine eigenen Sünden und die von anderen.
Denn wenn du trauern willst, so solltest du die Strenge
meines Gerichts betrachten: Die kannst du erwägen und
fürchten im Gedanken an den Mann, der jetzt verurteilt
ist.
Als er ins Kloster ging, hatte er drei Dinge im Sinn,
nämlich dass er ohne Arbeit leben könnte und seinen
Lebensunterhalt ohne Sorge hätte. Drittens dachte er so:
„Wenn mich die Versuchung des Fleisches anficht, kann
ich leicht eine Gelegenheit finden, ohne die Einmischung
von jemanden fortzulaufen.“
Deshalb wurde er dreifach geplagt. Denn nachdem er ohne
Arbeit sein wollte, wurde er mit Worten und Schlägen zur
Arbeit gezwungen. Zweitens musste er Mangel an Essen und
Kleidung leiden. Drittens wurde er von allen so
verachtet, dass er sich nicht in seiner Geilheit
amüsieren konnte. Aber als er dann die Gelübde ablegen
sollte, dachte er so: „Nachdem ich auf der Welt nicht
ohne Arbeit leben kann, ist es besser für mich, im
Kloster zu sein und für Gott zu arbeiten.“
Weil er einen solchen Willen hatte, kam meine
Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zu ihm, dass er,
nachdem er gereinigt wurde, zur ewigen Ehre gelangen
könnte. Denn nachdem er die Gelübde abgelegt hatte,
wurde er gleich von einer schweren Krankheit ergriffen
und bis zu dem Grad geplagt, dass die Augen voller
Schmerz waren, die Ohren nichts mehr hörten, und alle
Glieder ihre Kraft verloren – so ging das, weil er ohne
Arbeit sein wollte.
Er litt auch an größerer Nacktheit als draußen in der
Welt, und als er gutes Essen hatte, konnte er es nicht
essen, und als der Körper das verlangte, hatte er das
nicht. So wurde sein Leib vor dem Tode aufgezehrt, ja er
wurde wie ein unnützer Stock.
Nach dem Tode kam er vor das Jüngste Gericht wie ein
Dieb, nachdem er das Klosterleben nach seinem eigenen
Willen hatte leben wollen, nicht um seinen Wandel zu
verbessern. Doch sollte er nicht wie ein Dieb verurteilt
werden, denn obwohl er kindisch und töricht im Verstand
und im Gewissen war, hatte er doch an mich geglaubt und
auf mich, seinen Gott, gehofft, und deshalb wurde er
barmherzig beurteilt.
Da er seine Sünde nicht völlig durch die körperliche
Pein abwaschen konnte, so wurde seine Seele im Fegefeuer
weiter so schwer geplagt, als ob die Haut abgezogen
würde und die Knochen in eine Presse gesetzt würden,
damit das Mark herausgezogen würde. Was sollen da erst
die leiden, die allen Erfolg haben, während sie
sündigen, und kein Unglück leiden oder leiden wollen?
Wehe ihnen! Sie sagen ja zu mir: „Warum ist Gott
gestorben, und welchen Nutzen hat denn nur sein Tod?“
So vergelten sie mir, dass ich sie erlöst habe, dass ich
sie bewahre und ihnen Gesundheit und alles Notwendige
schenke. Und deshalb werde ich Rechenschaft von ihnen
verlangen, denn sie haben den Glauben aufgegeben, den
sie mir in der Taufe gelobt hatten. Und weil sie täglich
sündigen und meine Gebote verschmähen, werde ich nicht
das Geringste ungestraft lassen, wozu sie nach der
Klosterregel verpflichtet waren, aber doch gebrochen
haben.“
Erklärung
Dieser Bruder
hatte eine verborgene Sünde, die er nie beichten wollte.
Auf Christi Gebot hin ging die hl. Birgitta zu ihm uns
sagte: „Sei genauer in deiner Buße, denn du hast etwas
in deinem Herzen verborgen, und solange du es dort
verbirgst, kannst du nicht sterben.“ Er antwortete ihr,
dass er nichts habe, was er nicht in seiner Beichte
offenbart habe. Da sagte sie: „Denk nach, mit welcher
Absicht du ins Kloster gegangen bist und mit welcher
Absicht du bis jetzt gelebt hast, und du wirst die
Wahrheit in deinem Herzen finden.“
Da brach er in Tränen aus und sagte: „Gesegnet sei Gott,
der dich zu mir gesandt hat! Nachdem du mit deiner Rede
bis in die Heimlichkeiten meines Herzens eingedrungen
bist, will ich denen, die darauf hören, die Wahrheit
sagen. Ich habe nämlich etwas in meinem Herzen
verborgen, was ich nie gewagt habe, es zu verraten, und
es auch nicht konnte, denn so oft ich andere Sünden
beichtete, war meine Zunge wie gefesselt, wenn es um
diese Sünde ging, und eine gewaltige Scheu ergriff mich,
so dass ich die verborgene Qual meines Herzens nicht
bekennen konnte.
So oft ich meine Herzensbeichte ablegt, fand ich deshalb
immer einen neuen Abschluss für meine Worte, indem ich
sagte: „O Vater, ich bekenne vor Euch meine Schuld im
Hinblick auf all das, worüber ich für Euch geredet habe
und auch für das, worüber ich nicht gesprochen habe, und
durch diesen Abschluss glaubte ich, dass all meine
heimlichen Sünden vergeben würden. Aber jetzt, meine
Frau, will ich, wenn es Gott gefällt, gern der ganzen
Welt das offenbaren, was ich eine so lange Zeit in
meinem Herzen verborgen habe.“ Unter Tränen bekannte er
dem herbeigerufenen Beichtvater vollständig all diese
Sünden, und in derselben Nacht starb er.
94. Kapitel
Gottes Sohn spricht zur Braut und sagt: „die äußere
Schönheit bezeichnet die innere Schönheit, die der
Mensch haben muss. Daher solltest du, wenn du dein
Kopftuch umbindest, womit die Haare zusammengebunden
werden, sagen: „O Herr Gott, ich danke dir dafür, dass
du Nachsicht in meiner Sünde mit mir hattest! Nachdem
ich wegen meiner mangelnden Enthaltsamkeit nicht würdig
bin, dich zu sehen, verhülle ich meine Haare.“
Und der Herr sagte weiter: „Mangel an Enthaltsamkeit ist
mir so verächtlich, dass nicht einmal eine Jungfrau,
wenn sie willens ist, unzüchtig zu leben, in meinen
Augen eine reine Jungfrau ist, sofern sie diesen Willen
nicht bereut und sich bessert. Und wenn du nun die Stirn
verhüllst, sollst du sagen: „O Herr Gott, der du alles
so wohl geschaffen hast und den Menschen vornehmer als
aller andere geschaffen hast, nämlich zu deinem Abbild,
erbarme dich über mich! Nachdem ich die Schönheit meines
Gesichts nicht dir zu Ehren bewahrt habe, verschleire
ich meine Stirn.“
Wenn du dir die Schuhe anziehst, sollst du sagen:
„Gesegnet seist du, mein Gott, der mir befiehlt, Schuhe
zu besitzen, damit ich in deinem Dienst stark und nicht
träge bin! Stärke mich, damit ich in deinen
Angelegenheiten gehen kann!“
Bei all deinen übrigen Kleidern sollte Demut
vorherrschend sein, und in all deinen Gliedern ein
maßvoller Anstand. Wenn du zu Tisch gehst, sollst du
sagen: „O Herr Gott, wenn du willst, (wie du es ja
tatsächlich kannst), halte mich auch ohne Nahrung am
Leben, so würde ich gern darum bitten, aber nachdem du
uns anbietest, mit kluger Mäßigkeit Nahrung zu uns zu
nehmen, so bitte ich dich: Gib mir Enthaltsamkeit im
Essen, dass ich mit deiner Gnade nach der Erfordernis
meiner Natur und nicht nach dem Begehren der
Fleischeslust essen kann.“
Wenn du dich schlafen legst, sollst du sagen: „Gesegnet
seist du Gott, der uns den Wechsel der Stunden zur
Freude und Erquickung der Seele und des Leibes beschert,
ich bitte dich: Gib meinem Körper Ruhe diese Nacht, und
bewahre mich unbeschadet vor der Macht und Hinterlist
des Feindes.“
95. Kapitel
Gottes Sohn spricht: „Ich stehe wie ein König da, der
zum Streit gefordert ist. Wahrhaftig, meine feste
Absicht und mein Vorsatz ist so, dass – bevor ich an
einem Punkt von der Gerechtigkeit abweiche, würden
Himmel und Erde und alles, was darin ist,
zusammenstürzen. Aber die Absicht des Teufels ist so,
dass er lieber als sich zu demütigen, haben wollte, dass
es ebenso viele Höllen wie Sonnenkörnchen geben würde,
und dass er ewig in ihnen alle zusammen gepeinigt würde
Sieh, nun kommen ein paar von meinen Feinden zum
Gericht, und es gibt keinen größeren Abstand zwischen
uns, als zwei Schritt. Ihr Banner ist aufgerichtet, ihr
Schild hängt am Arm, und ihre Hand ruht auf dem Schwert,
aber das ist noch nicht gezückt. Und meine Geduld ist so
groß, dass ich nicht zuschlage, wenn sie nicht zuerst
schlagen
Auf dem Banner des Feindes stehen drei Dinge:
Schwelgerei, Gier und Geilheit. Ihr Helm ist ihre
Herzenshärte, denn sie achten nicht auf die Pein der
Hölle und auch nicht darauf, wie abscheulich die Sünde
für mich ist. Die Öffnungen des Helmes ist die Wollust
des Fleisches und der Wille, der Welt zu gefallen, denn
wegen solcher Dinge laufen sie umher und sehen das, was
sie nicht sehen sollte.
Ihr Schild ist der falsche Glaube, womit sie die Sünde
entschuldigen und sie der Schwachheit des Fleisches
zuschreiben, und es deshalb nicht für lohnend halten,
für die Sünden um Vergebung zu bitten. Ihr Schwert ist
der Wille, in der Sünde zu verharren, und das Schwert
ist noch nicht gezückt, weil ihre Bosheit noch nicht
vollendet ist. Aber das Schwert wird gezückt, wenn sie
sündigen wollen, solange sie noch zu leben haben.
Und sie schlagen zu, wenn sie mit der Sünde renommieren
und im Zustand der Sünde bleiben wollen. Wenn ihre
Bosheit so vollkommen ist, wird eine Stimme in meiner
Heerschar rufen: „Nun schlag zu!“ Da wird das Schwert
meiner Strenge sie vernichten, und ein jeder wird Pein
erleiden, nachdem er bewaffnet war. Ihre Seelen werden
von den Teufeln ergriffen werden, die wie Raubvögel
nicht das zeitlich Gute, sondern die Seelen suchen, die
sie in Ewigkeit zerfleischen werden.“
96. Kapitel
Der Sohn spricht: „Ich sagte dir vorher, dass zwischen
meinen Feinden und mir nur ein Abstand von zwei
Schritten besteht. Nun nahen sie mit einem Fuße dem
Gericht. Der eine dieser Füße ist der Lohn für ihre
guten Werke, die sie meinetwegen getan haben. Daher wird
sich von dem Tage an ihre Schande vermehren, ihre Lust
bitterer werden, ihre Freude ihnen genommen werden, ihre
Trauer und Trübsal zunehmen.
Der andere Fuß ist dagegen ihre Bosheit, die noch nicht
vollkommen ist. Wie man zu sagen pflegt, wenn ein Fass
voll ist, läuft es über, so werden sie, wenn Seele und
Leib sich (im Tode) trennen, vom Richter verdammt
werden. Das Schwert ist der Wille, zu sündigen. Es ist
zur Hälfte gezückt, denn wenn die Ehre vermindert wird
und Feinde zusammenstoßen, so haben sie mehr Angst und
werden schon zur Sünde aufgereizt. Erfolg und Ehre haben
ihnen nämlich nicht viel Zeit gelassen, über die Sünde
nachzudenken. Aber nun möchten sie gern lange leben, um
ihre Last vervollkommnen zu können, und sie fangen an,
noch freier zu sündigen. Wehe ihnen, denn wenn sie sich
nicht bessern, nähert sich nun deren Untergang.“
97. Kapitel
Der Sohn spricht zu einem Prälaten und sagt ihm: „Du
bist wie ein Mühlrad, das sich nicht bewegt; wenn es
still steht und sich nicht rührt, so wird kein Korn
gemahlen. Dieses Rad bezeichnet deinen Willen, der
beweglich sein sollte – nicht nach deinem Wunsch und
deinem Begehren, sondern nach meinem; du müsstest dich
ja ganz meinen Händen überlassen.
Aber dieses Rad bewegt sich ziemlich wenig nach meinem
Willen, denn das Wasser der weltlichen Gedanken
beunruhigt deinen Sinn, während das Betrachten meiner
(sic) eigenen Taten und meiner Pein gleichsam tot in
deinem Herzen ist. Daher schmeckt dir auch die Nahrung
der Seele nicht, und du spürst sie nicht. Deshalb
solltest du das aufbrechen, was die Wasserzuführung
verhindert, so dass das Wasser einfließen kann, das Rad
sich bewegen und das Korn leicht zermahlen werden kann.
Das Hindernis, das das Wasser zurückhält, ist der
Hochmut des Sinnes und der Ehrgeiz, wodurch die Gnade
des Heiligen Geistes und alles Gute abgesperrt wird, und
alles Gute, wodurch die Seele fruchtbar werden sollte,
verhindert wird. Dein Sinn sollte also die wahre Demut
annehmen, denn durch die fließt die Seligkeit meines
Geistes in deine Seele, und die weltlichen Gedanken aus.
Dadurch wird auch dein Wille nach meinem Willen
beweglich und vervollkommnet. Und dann fängst du an,
deine Werke zu beurteilen und abzuwägen wie Korn, und
einzusehen, dass meine Taten etwas Grosses sind. Was ist
die wahre Demut anders, als sich um die Gunst der
Menschen oder ihren Tadel nicht zu kümmern, meinen Weg
zu wandern, der vergessen und versäumt ist, keinen
Überfluss zu suchen und so zu werden, wie das einfache
Volk.
Wenn du diesen weg liebst, dann werden dir die
geistlichen Dinge schmecken, dann werden meine Pein und
der Wandel meiner Heiligen für deinen Sinn lieblich
sein. Dann wirst du auch verstehen, wie viel du den
Seelen schuldig bist, die du dir vorgenommen hast, zu
lenken. Weil du nu mit beiden Füßen hoch oben auf das
Rad gestiegen bist, nämlich mischt Macht und Ehre, bist
du durch die Macht herrschsüchtig und durch die Ehre
hochmütig geworden
Aus diesem Grunde sollst du nun herabsteigen, indem du
dich in deinen Sinn demütigst und die Demütigen bittest,
für dich zu beten. Sonst werde ich dir meine
Gerechtigkeit wie den reißend Sten Strom senden und bis
zum letzten Scherflein Rechenschaft für deine Begierden,
deine Gedanken und dein Tun verlangen, und ich werde
auch von dir die Seelen fordern, die ich deiner Obhut
anvertraut habe, und die ich selbst mit meinem Blut
erlöst habe.“
98. Kapitel
Der Sohn spricht: „Ich werde meinem Freund vier Pfeile
geben. Mit dem ersten sollte der beschossen werden, der
auf einem Auge blind ist, mit dem zweiten der, der auf
einem Fuße lahm ist, mit dem dritten der, der auf einem
Ohre taub ist, mit dem vierten der, der niedergeworfen
am Boden liegt. Der ist auf einem Auge blind, der sehen
kann und die Gebote Gottes und die Werke meiner Heiligen
kennt, aber nicht darauf achtet, sondern die Genüsse der
Welt sieht und sie begehrt.
Der muss derartig beschossen werden, dass man ihm sagt:
„Du bist wie Luzifer, der Gottes höchste Schönheit sah,
der aber sich unrechtmäßig danach sehnte, was er nicht
durfte, und deshalb hinab zur Hölle fuhr, wohin du auch
niederfahren wirst, wenn du dich nicht besserst, denn du
verstehst Gottes Vorschriften, und dass alles in dieser
Welt vergänglich ist, aber du beachtest das nicht. Daher
ist es am ratsamsten für dich, an dem festzuhalten, was
sicher ist, und das Vergängliche zu verlassen, so dass
du nicht zur Hölle niederfahren musst.
Der ist auf einem Fuße lahm, der begangene Sünden
bereut, aber danach strebt, weltliche Vorteile und
Gewinne zu erzielen. Der muss in der Weise beschossen
werden, dass man ihm sagt: „Du arbeitest zum Nutzen
deines Leibes, der doch bald von Würmern verzehrt wird.
Arbeite lieber fleißig für deine Seele, die in Ewigkeit
leben wird.“
Der ist auf einem Ohr taub, der sich danach sehnt, meine
Worte und die meiner Heiligen zu hören, aber das eine
Ohr für das Leichtfertige und Weltliche offen hat. Zu
ihm sollte deshalb gesagt werden: „Du bist wie Judas,
der mit einem Ohr Gottes Wort hörte und es durch das
andere wieder herausgehen ließ, weshalb er keinen Nutzen
von dem hatte, was er hörte. Schließe deine Ohren vor
eitlen Dingen zu, so dass du dahin kommen kannst, wo du
den Gesang der Engel hören kannst.“
Der liegt ganz und gar am Boden, der in weltliche Dinge
eingebunden ist und doch daran denkt und gern wissen
möchte, wie er sich bessern könnte. Ihm muss gesagt
werden: „Diese Zeit ist kurz wie ein Augenblick, aber
die Pein der Hölle ist ewig, und die Ehre der Heiligen
ewiglich. Daher solltest du, wenn du zum wahren Leben
kommen willst, es nicht für beschwerlich halten, etwas
Schweres und Bitteres auf dich zu nehmen, denn ebenso
milde wie Gott ist, ebenso gerecht ist er auch.“
Wenn jemand in dieser Weise beschossen wird, und wenn
der Pfeil blutig aus seinem Herzen heraus kommt, d.h.
wenn er wirkliche Reue empfindet und sich vornimmt, sich
zu bessern, so wird er das Öl meiner Gnade empfangen,
mit dem alle seine Glieder geheilt werden sollen.“
99. Kapitel
Die Mutter spricht: „In dieser Zeit wurde mein Sohn
gepeinigt. Als Judas, sein Verräter, sich ihm nahte,
beugte er sich zu ihm nieder (denn Judas war
kleingewachsen) und sagte: „Freund, warum bist du
hergekommen?“ Und gleich packten ihn andere; manche
zogen ihn an den Haaren, andere spuckten ihn an.“
Danach sprach der Sohn und sagte: „Ich werde wie ein
Wurm geachter, der im Winter wie tot daliegt, und auf
den die Vorbeigehenden spucken und auf seinen Rücken
trampeln. Die Juden haben mich heute behandelt wie einem
Wurm, denn sie hielten mich für das schmählichste und
elendste Geschöpf.
So verachten mich sogar die Christen, denn alles, was
ich aus Liebe für sie getan und ausgestanden habe, das
halten sie für eine Nichtigkeit. Sie trampeln auch
meinen Rücken, wenn sie einen Menschen mehr fürchten und
verehren, als mich, ihren Gott, und wenn sie meine
Gerechtigkeit für nichts halten und nach ihrem Gutdünken
die Zeit und Art für mein Erbarmen bestimmen wollen.
Weiter schlagen sie mich sozusagen auf die Zähne, wenn
sie – nachdem sie meine Gebote und mein Leiden gehört
haben, sagen: „Lasst uns in diesem Leben tun, was uns
Vergnügen macht, das Himmelreich werden wir auf alle
Fälle erhalten, denn wenn Gott uns vergehen lassen oder
in Ewigkeit strafen lassen wollte, so hätte er uns nicht
geschaffen und uns auch nicht mit einer so bitteren Pein
erlöst.“
Daher werden sie meine Gerechtigkeit Kennen lernen, denn
ebenso wie nicht einmal das kleinste Gute unbelohnt
bleiben wird, so wird auch das geringste Böse nicht
ungestraft bleiben. Sie verachten mich auch und trampeln
sozusagen auf mir herum, wenn sie die Urteil der Kirche,
nämlich denn Bannfluch, nicht beachten. Ebenso wie die
Gebannten öffentlich von allen anderen gemieden werden,
so werden sie deshalb auch von mir getrennt, denn wenn
ein Mensch weiß, dass er gebannt ist, sich aber nicht
darum schert, schadet er dem Bannfluch mehr, als ein
leibhaftiges Schwert. Deshalb will ich, der nun einem
Wurm gleicht, durch mein schreckliches Gericht zum Leben
erwachen, und ich werde so schrecklich kommen, dass die,
die mich sehen, zu den Bergen sagen werden: „Fallt über
uns und verbergt uns vor dem Anblick von Gottes Zorn!“
100. Kapitel
Gottes Sohn spricht zur Braut: „Du musst sein wie eine
Geige, auf der der Spieler liebliche Töne hervorruft.
Wer die Geige besitzt, versilbert sie außen, so dass sie
kostbarer aussehen soll, und vergoldet sie ihnen mit
echtem Gold. So musst auch du mit guten Sitten und
menschlicher Weisheit versilbert sein, so dass du
verstehst, was du Gott und deinem Nächsten schuldig
bist, und was deiner Seele und deinem Leibe zur ewigen
Erlösung dienlich ist. Inwendig musst du mit Demut
vergoldet sein, so dass du nicht darauf aus bist,
jemandem zu gefallen außer mir und auch nicht fürchtest,
den Menschen meinetwegen zu missfallen.
Die Spieler macht weiter drei Sachen mit seiner Geige.
Zuerst hüllt er sie in (?sindal), dass sie keine Flecken
bekommt. Zweitens macht er ein Futteral, in dem sie
verwahrt werden kann. Drittens macht er ein Schloss ans
Futteral, dass sie nicht von einem Dieb weggetragen
werden kann.
In derselben Weise musst du in Reinheit eingehüllt
werden, so dass du nicht mehr weder von Begierde noch
Lust befleckt wirst. Strebe gern danach, einsam zu sein,
denn der Umgang mit Schlechten Menschen verdirbt gute
Sitten. Das Schloss bezeichnet die gewissenhafte
Aufsicht über deine Sinne und dein ganzes Innere, so
dass du bei all dienen Handlungen darauf achtest, dass
du nicht durch die Hinterlist des Teufels betrogen
wirst. Aber der Schlüssel ist der Heilige Geist, der
dein Herz zu meiner Ehre und zum Wohl der Menschen
öffnet, wie es mir gefällt.“
101. Kapitel
Gottes Mutter spricht: „Das Herz meines Sohnes ist so
süß, so süß wie Honig und so rein, so rein wie die
allerklarste Quelle, denn alles, was Tugend und Güte
heißt, geht von da aus wie von einer Quelle. Es ist auch
am allerlieblichsten. Denn was ist für einen weisen
Menschen lieblicher, als seine Liebe in seiner Schöpfung
und Erlösung zu betrachten, in seinem Tun und seiner
Lehre, in seiner Huld und Geduld?
Seine Liebe ist gewiss nicht flüssig wie das Wasser,
sondern um fassende und wahrhaftig, denn seine Liebe
bleibt beim Menschen bis zum Ende, so dass der Sünder,
wenn er auch an den Pforten der Verdammnis stünde, davor
gerettet werden würde, wenn er (mich) anrufen würde und
sich bessern wollte.
Nun gibt es zwei Wege, zu Gottes Herz zu kommen. Der
erste ist die Demut der wahren Reue, und sie lenkt den
Menschen hin zu Gottes Herz und dem geistlichen Gespräch
mit ihm. Der andere Weg ist die Betrachtung der Pein
meines Sohnes. Die nimmt die Härte des Menschen fort und
bewirkt, dass er froh zu Gottes Herzen eilt.
102. Kapitel
Gottes Mutter sprach zum Sohn und sagte: „Mein Klage ist
groß. Obwohl du alles weißt, will ich es doch ihretwegen
vorbringen, was hier steht.“ Der Sohn erwiderte: „Mir
ist alle richterlich Vollmacht gegeben, und mir kommt es
zu, über alles zu urteilen. Zu einem gerechten Richter
gehören jedoch neun gute Dinge, Erstens, aufmerksam
zuzuhören. Zweitens, das vorgebrachte zu erwägen und zu
beurteilen.
Drittens der Wille, gerecht zu urteilen. Viertens, die
Ursache zum Rechtsstreit zu erforschen. Fünftens,
herauszufinden, wie lange Zeit der Streit schon erfolgt
ist, denn durch Aufschieben des Gerichts kann ein
schwerer Schaden entstehen. Sechstens zu ergründen, wie
die Zeugen sind, sie zu verhören und zu untersuchen, ob
sie übereinstimmen, sowie zu sehen, ob der eine der
Streitenden mehr Zeugen als der andere hat.
Siebtens, im Gericht nicht übereilt oder ängstlich zu
sein und keine Gewalt, Schaden oder Schande um der
Wahrheit willen zu fürchten. Achtens, keine Rücksicht
auf Bitten oder Geschenke von Menschen zu nehmen.
Neuntens, unparteiisch im Urteilen zu sein, den Reichen
ebenso wie den Armen zu beurteilen, den Bruder und den
Sohn ebenso wie den Fremden, und nicht um irgendeines
weltlichen Vorteils willen gegen die Wahrheit zu
handelt. Sag nun, liebste Mutter, was du auf dem Herzen
hast!“
Die Mutter erwiderte: „Zwei streiten miteinander. Sie
haben zwei verschiedene Geister: In dem einen wohnt ein
guter, in dem anderen ein böser Geist. Sie streiten um
das, was du mit deinem Blut erkauft hast, der eine um zu
töten, der andere, um Leben zu spenden. Bei dem einen
wohnt Liebe und Gehorsam, bei dem anderen Hass und
Hochmut. Fäll daher das Urteil!
Der Sohn fragte: „Wie viele Zeugen hat dein Freund, und
wie viel hat der andere?“ Die Mutter erwiderte: „Mein
Freund hat wenige, aber mein Gegner hat viele Zeugen,
die wohl die Wahrheit kennen und es doch verschmähen,
sie zu hören.“ Der Sohn antwortete: „Ich werde ein gutes
Urteil fällen.“
Die Mutter sagte: „Mein Freund klagt nicht an, denn für
ihn reicht es, nur seinen Körper zu erhalten, aber ich,
die seine Herrscher in bin, erhebe Anklage, damit die
Bosheit nicht überhand nimmt.“ Der Sohn antwortete: „Ich
werde tun, was du willst. Aber wie du weißt, muss das
leibliche Gericht dem geistlichen vorausgehen, und
keiner darf verurteilt werden, wenn die Sünde nicht
vollkommen ist.“
Die Mutter fragte: „Mein Sohn, obwohl wir alles wissen,
frage ich doch um ihretwillen, die hier steht, welches
leibliche und welches geistliche Urteil über diesen
gefällt werden soll.“ Der Sohn erwiderte: „Das liebliche
Urteil ist, dass seine Seele schleunigst vom Leibe
getrennt wird, und dass seine Hand sein Tod sein wird.
Das geistliche Urteil ist, dass seine Seele am Galgen
der Hölle hängen soll, das nicht aus einem Strang
besteht, sondern aus einem heißen, brennenden Feuer,
denn er ist ein Schaf, das sich von seiner Herde
verlaufen hat.“
Da sprach einer von den Mönchen Sankt Augustin’s mit dem
Richter und sagte: „Herr, du hast nicht mit ihm
gemeinsam. Du hast ihn zur letzten Ruhe gerufen, und er
hat das vergessen; sein Gehorsam ist geschwunden, sein
Name ausradiert, und seine Werke sind nichts.“
Der Richter sagte: „Seine Seele ist beim Gericht nicht
anwesend, um zu antworten. Der Teufel fiel ein: „Ich
will antworten. Wenn du ihn vor den Sturmwogen der Welt
zur (letzten) Ruhe gerufen hast, so habe ich ihn vom
höchsten Berggipfel in das tiefste Grab gerufen. Er ist
ganz willig, mir zu gehorchen, und sein Name ist
ehrenvoll vor mir.“
Der Richter sagte: „Erkläre näher, was du meinst! „Der
Teufel erwiderte: „Das werde ich tun, aber ungern. Du
hast ihn von den Sturmwogen der weltlichen Kümmernisse
zur Ruhe des geistlichen Lebens wie zu einem guten Hafen
gerufen, aber er hält das für nichts und sehnt sich mehr
nach den weltlichen Sorgen. Der hohe Berggipfel bedeutet
die aufrichtige Reue und Beichte. Der (Mensch), der
diese vollkommen verwirklicht, der spricht mit dir, dem
Allmächtigen, und naht sich deiner Majestät.
Von diesem höchsten Berggipfel stürze ich ihn herab, so
dass er weiter bis zum Ende sündigt, die Sünde für
nichts und deine Gerechtigkeit für nichtig hält. Die
tiefe Gruft bezeichnet seine Schwelgerei und
Gewinnsucht, denn wie ein tiefes Grab nicht leicht
wieder gefüllt werden kann, so ist seine Gewinnsucht
unermesslich.
Sein Name ist “Mönch“, und der Name „Mönch“ heißt, sich
auch vom Zugelassenen zu bewahren und darauf zu
verzichten, aber dies alles ist bei ihm ausgetilgt, und
nun wird er Saul genannt. So wie Saul ist er vom
Gehorsam abgewichen. Sein Gehorsam ist zerbrochen, denn
wie die beiden Teile eines gespaltenen Baumes nicht
wieder zusammengefügt werden können, weil der Baum
morsch ist, so können auch die Sehnsucht nach dem Himmel
und die Liebe zu Gott, die wie die beiden Teile und
Vereinigungspunkte des Gehorsam sind, in seinem Gehorsam
vereinigt werden, denn er gehorcht nur wegen des
weltlichen Nutzens und wegen seines eigenen Willens, und
seine Taten stimmen mit meinen überein.
Denn obwohl ich keine Messe lese oder singe, oder alles
tue, was er tut, so führt er doch meine Werke aus, wenn
er all das nach meinem Willen tut – ja sie können meine
Taten genannt werden. Denn wenn er die Messe verrichtet,
tritt er in seiner Vermessenheit vor dich hin, und auf
Grund dieser Vermessenheit wird er noch mehr meiner
Bosheit erfüllt. Er singt zum Lob der Menschen. Wenn ich
ihm den Rücken kehre, wendet er mir seinen Rücken zu,
und wenn ich will, wendet er seinen Bauch dem meinen zu,
d.h. er vollendet seine ganze Lust nach meinem Willen,
und alles, was er tut, das tut er für dieses Leben und
für seinen eigenen Willen.
Deshalb sind seine Taten meine Taten.“
Danach zeigte sich dieselbe Seele blind und zitternd.
Ein Neger folgt ihr, bis sie zum Richter gekommen waren,
den man auf einem Thron sitzen sah, umgeben von einer
großen Schar. Der Neger sagte: „Richter, weise mit diese
Seele zu! Sie ist ja jetzt selbst anwesend, und das
Urteil über ihren Leib hast du gefällt.“ Und der Neger
fügte hinzu: „Du sagtest, dass seine Hand tot sein
sollte, und das ist ein getroffen.“
Der Richter sagte: „Das kann man auf zwei Arten
verstehen: Entweder so, dass eine schlechte Tat der
Anlass zu seinem Tod war, oder so, dass seine leibliche
Hand das Leben seines Leibes verkürzt hat.“ Der Neger
erwiderte: „Beides ist wahr. Denn sein schamloses Leben
hat seine Seele umgebracht, und seine Ungeduld öffnete
die Wunde seines Fleisches, woran er starb.“
Der Richter sagte: „Du hast früher diese Seele
angeklagt, weil sie in allem deinen Willen befolgte,
damit du sie von dem höchsten Berggipfel herunterstürzen
würdest, und sie dir ihren Bauch zukehrt. Lasst uns nun
hören, was die Seele selber sagte: „O Seele, du hattest
den Verstand, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden.
Warum hast du da den ehrbaren Namen der Priesters unter
deine Füße getreten?“
Die Seele erwiderte: „Ich hatte gewiss Verstand, aber
ich folgte lieber meinem eigenen Willen, denn ich konnte
nicht glauben, dass sich eine so große Macht unter einer
so geringen Gestalt verbarg.“ Der Richter fragte weiter:
„Du hast gewusst, dass die Durchführung des
Klosterlebens Demut und Gehorsam ist. Warum hast du dich
wie ein Wolf im Schafskleid angeschlichen?“ Die Seele
erwiderte: „Damit ich die Schmach der Welt vermeiden,
und ein ruhigeres Leben führen könnte.“
Der Richter stellte eine dritte Frage: „O Bruder, und
doch nicht meiner – du hast das Beispiel frommer Brüder
gesehen und hast die Worte heiliger Männer gehört; warum
hast du diese nicht befolgt?“ Die Seele erwiderte: „All
das Gute, was ich hörte und sah, war mir verhasst und
mühsam, denn ich hatte in meinem Herzen beschlossen,
lieber meinem Willen und meinen Sitten zu folgen, als
den Sitten der Heiligen.“
Der Richter fragte zum vierten Mal: „Hast du wohl
fleißig die Fastenzeiten, die Gebete und Beichten
eingehalten?“ Die Seele erwiderte: „Ja, ich habe die
Fasten und Gebete ausgeübt, aber ich habe das getan wie
der, der das wenigste sagt, damit er gedeckt wäre, und
das meiste verheimlicht, damit er kein Missfallen
erregt.“
Der Richter fragte: „Hast du wohl nicht gelesen, dass
jeder Mensch Rechenschaft über das kleinste Scherflein
ablegen muss?“ Da brach die Seele in lauten Jammer aus:
„Ja Herr, ich habe das gelesen und habe es in meinem
Gewesen gewusst, aber ich glaubte, dass deine
Barmherzigkeit so groß wäre, dass du nicht in Ewigkeit
strafen willst. Daher war es mein Wille, im Alter
Besserung zu üben, aber Schmerz und Tod kamen so hastig
über mich, dass ich, als ich beichten wollte – das
Gedächtnis verloren hatte und meine Zunge wie gefesselt
war.“
Da rief der Teufel: „O Richter wie seltsam! Die Seele
richtet sich selbst. Sie bekennt nun furchtlos ihre
Sünde, und doch wage ich nicht, ohne dein Urteil meine
Hand an sie zu legen.“ Der Richter sagte: „Das ist
bereits getan und ausgeführt.“ Da verschwand der Neger
und die Seele wie zusammengebunden und fuhren mit großem
Donner in die Hölle.
Der Richter sagte zuletzt: „All dies ist in einem
Augenblick geschehen, aber damit du das verstehen
kannst, hat es sich gezeigt[1]…, damit du Gottes
Gerechtigkeit siehst und kennen lernst und fürchtest.“
[1]. Har det
visat sig såsom havande ägt rum i tiden; mir
unverständlich.
103.
Kapitel
Als ich betete, sah ich, wie der hl. Dionysios zur
Jungfrau Maria sprach und sagte: „Du bist die Königin
der Barmherzigkeit. Der ist alle Barmherzigkeit gegeben,
und du bist Gottes Mutter zur Erlösung der Elenden
geworden. Erbarme dich deshalb über dein und mein
Frankreich! Es ist deines, weil seine Bewohner dich im
Maße ihrer Kräfte ehren. Es ist meines, weil ich ihr
Schutzpatron bin und sie vertrauen zu mir haben. Du
siehst ja, wie Seelen jede Stunde in Gefahr schweben wie
Menschenleiber zu Boden geworfen werden, wie Wildbret,
und was schlimmer ist: Wie Seelen wie Schneeflocken
hinunter zur Hölle fahren. Sende ihnen daher Trost und
bitte für sie, denn du bist die Herrscherin und Helferin
von allen.“
Gottes Mutter erwiderte: „Begib dich zu meinem Sohn und
lass uns um ihretwillen, die hier steht, hören, was sie
antwortet.“
104. Kapitel
Die Mutter spricht zum Sohn und sagt: „Gesegnet seist
du, mein Sohn! Es steht geschrieben, dass ich „gesegnet“
genannt wurde – ich, die ich dich im Schoß getragen
habe. Aber du hast geantwortet, dass auch der gesegnet
ist, der deine Worte hört und bewahrt.
Also, mein Sohn, ich bin die, die sich an deine Wort
erinnert und sie in meinem Herzen bewahrt hat. Deshalb
rufe ich mir ein Wort in Erinnerung, das du gesagt hast
– nämlich zu Petrus, als dieser fragte, wie weit man bis
zu sieben Mal dem, der gefehlt hat, verzeihen sollte.
„Man muss ihm bis zu 77 Mal verzeihen“, hast du
geantwortet. Du wolltest damit sagen, dass so oft sich
jemand demütigt mit dem Willen, sich zu bessern, so bist
du bereit, Barmherzigkeit zu üben.“
Der Sohn antwortete: „Ich bezeuge dir, dass meine Worte
in dir Wurzel geschlagen haben wie das Korn, das in
fetten Boden gesät wird und hundertfache Frucht bringt.
Ebenso bringen deine ehrbaren Taten Früchte der Freude
für alle. Erbitte deshalb, was du willst!“
Da sagte die Mutter: „Ja bitte dich mit Dionysius und
deinen anderen Heiligen, deren Leiber in der Erde dieses
französischen Königreiches liegen, aber die Seelen im
Himmel: Erbarme dich über dieses Reich! Denn (um
ihretwegen im Gleichnis zu sprechen, die hier im Geist
anwesend ist) – ich sehe so etwas wie zwei sehr wilde
Tiere, ein jedes in seiner Art.
Das eine ist äußerst begierig, alles zu verschlingen,
was es haben kann, und je mehr es bekommt, desto
hungriger wird es, und nie wird sein Hunger gestillt.
Das andere wilde Tier versucht, über alle andere hinaus
zu steigen. Diese wilden Tiere haben drei böse Dinge an
sich. Erstens haben sie eine Furcht einflößende Stimme.
Zweitens sind sie voll von einem gefährlichen Feuer.
Drittens möchte jedes von ihnen das Herz das anderen
verschlingen, und das eine sucht mit seinen Zähnen im
Rücken des anderen Tieres herum, um einen Weg zu seinem
Herzen zu finden, so dass es beißen und es töten kann.
Das andere hat den Mund vor der Brust des anderen
aufgesperrt und will dort einen Zugang zum Herzen
suchen.
Die Furchteinflößende Stimme dieser wilden Tiere hört
man schon von weitem, und alle Tiere, die mit offenem
Maule kommen, fangen vom Feuer dieser wilden Tiere an zu
brennen und fallen deshalb tot zu Boden, während die
Tiere, die mit geschlossenem Maule kommen, alle ihre
Wolle verlieren und nackt fortgehen.
Unter diesen beiden wilden Tieren sind zwei Könige zu
verstehen, nämlich die von Frankreich und England. Der
eine König ist nicht satt zu kriegen, denn er führt
Krieg um seiner Gier willen. Der andere König versucht
aufzusteigen, und also sind beide voll vom Feuer des
Zornes und der Gier.
Die Stimme der wilden Tiere ist so: „Nimm Gold und die
Reichtümer der Welt entgegen, damit du nicht das Blut
der Christen verschonst.“ Jedes dieser wilden Tiere
wünscht den Tod des anderen, und daher sucht ein jedes
den Platz des anderen, um ihm zu schaden. Es wünscht,
dass sein Unrecht wie Gerechtigkeit lauten soll, und
dass die Gerechtigkeit des anderen Unrecht genannt wird.
Die anderen Tiere, die mit offenem Maul ankommen, das
sind die, die auf Grund von Gier zu ihnen kommen. Ihre
offnen Mäuler werden von denen gefüllt, die zwar Könige
genannt werden, aber in Wirklichkeit Verräter sind.
Sie werfen nämlich Geld und Gaben im Überfluss in ihr
Maul und machen sie auf diese Weise derart
kriegslüstern, so dass sie dadurch tot niederfallen.
Ihre Güter bleiben übrig, aber ihre Leiber werden von
der Erde aufgenommen, die Würmer nagen an ihrem Herz,
und die Teufel nehmen ihre Seelen. Und so rauben diese
beiden Könige meinem Sohn viele Seelen, der sie doch mit
seinem Blut erlöst hat.
Aber die Tiere, die ihrer Wolle beraubt werden, sind
einfältige Menschen, die sich mit ihrem Hab und Gut
begnügen. Sie gehen in dem Glauben in den Krieg, dass
sie das Recht auf ihrer Seite haben, und dass der Krieg
gerecht ist, und daher verlieren sie ihre Wolle, nämlich
ihre Leiber, durch den Tod. Aber ihre Seelen werden in
den Himmel aufgenommen. Deshalb, mein Sohn, erbarme dich
ihrer!“
Der Sohn erwiderte: „Weil du alles in mir siehst, magst
du sagen, während diese anwesende Braut zuhört: Was für
eine Gerechtigkeit ist das, dass diese Könige erhört
werden?“ Und die Mutter antwortete: „Ich höre drei
Stimmen. Die erste Stimme ist die von diesen Königen.
Einer von ihnen denkt so: „Wenn ich das Meine hätte,
würde ich mich nicht darum kümmern, etwas anderes zu
haben, aber ich fürchte, alles zu verlieren.“ Und aus
dieser Furcht heraus (er fürchtet nämlich die Schmach
der Welt) wendet er sich an mich mit den Worten: „O
Maria, bitte für mich!“ Aber der andere König denkt so:
„O dass ich in meiner früheren Stellung wäre! Ich bin
müde.“ Deshalb wendet auch er sich an mich.
Die andere Stimme ist die des Volkes, das mich Tag für
Tag um Frieden bittet. Die dritte Stimme ist die deiner
Auserwählten. Diese rufen: „Wir beweinen nicht die
Leiber der Toten, nicht die Schäden, nicht die Armut,
sondern die gefallenen Seelen, die täglich in Gefahr
schweben. Bitte daher, unsere Frau, deinen Sohn, dass
die Seelen gerettet werden mögen!“
Deshalb, mein Sohn, erbarme dich ihrer!“ Der Sohn
erwiderte: „Es steht geschrieben, dass dem, der
anklopft, geöffnet werden soll, dass der, der ruft,
Antwort erhalten soll, und dass der, der bittet, es
bekommen soll. Aber so wie jeder, der anklopft, draußen
vor der Tür steht, so stehen auch diese Könige draußen
vor der Tür, denn mich haben sie nicht in sich. Dennoch
soll um deinetwillen denen, die bitten, geöffnet
werden.“
105. Kapitel
Der Sohn spricht: „Ich bin ein König, den man fürchten
und ehren soll. Deshalb werde ich ihnen um der Gebete
meiner Mutter willen meine Worte senden. Ich bin der
wahre Frieden, und wo Frieden ist, da bin ich gewiss.
Wenn also diese beiden Könige von Frankreich und England
Frieden haben wollen, so werde ich ihnen den ewigen
Frieden geben. Aber wahrer Frieden ist nicht zu
gewinnen, wenn man nicht die Wahrheit und die
Gerechtigkeit liebt.
Deshalb gefällt es mir, weil der eine von den Königen
Gerechtigkeit besitzt, dass Frieden durch eine Hochzeit
zustande kommt; auf diese Weise kann das Reich dem
rechtmäßigen Erben zufallen. Zweitens will ich, dass sie
ein Herz und eine Seele sind, indem sie den heiligen
christlichen Glauben vermehren, wo das in passender
Weise zu meiner Ehre geschehen kann.
Drittens sollen sie die unleidlichen Steuerabgaben
aufheben und mit ihren heimtückischen Gedanken (?funder)
aufhören und die Seelen ihrer Untertanen lieben. Aber
wenn der König, der jetzt das Reich innehat, nicht
gehorchen will, so soll er wissen, ja dessen sicher
sein, dass er mit seinen Taten keinen Erfolg haben wird:
Im schmerz wird er sein Leben beenden und sein Reich in
Elend und Not zurücklassen, und sein Sohn und sein
Geschlecht werden dem Zorn, der Schmach und Schande
anheim fallen, so dass sich alle wundern.
Wenn aber der König, der Gerechtigkeit besitzt,
gehorchen will, so will ich ihm helfen und für ihn
streiten. Aber wenn er nicht gehorcht, wird er das Ziel
seiner Wünsche nicht erreichen, sondern stattdessen das
verlieren, was er bekommen hat, und ein
schmerzensreiches Ende wird den freudevollen Beginn
verdunkeln. Doch wird das französische Reich, wenn seine
Männer wahre Demut angenommen haben, den rechtmäßigen
Erben und glücklichen Frieden erhalten.“
106. Kapitel
Der Sohn spricht: „Warum fürchtest du dich? Auch wenn du
viermal am Tage essen würdest, würde dir das nicht als
eine Sünde angerechnet, wenn du es nur mit der Erlaubnis
dessen tun würdest, dem du gehorchen sollst. Sei deshalb
stark und standhaft! Du musst wie ein Ritter sein, der
im Kampf mehrere Wunden erhalten hat, aber seinen Gegner
viel schlimmere Wunden zufügt und umso eifriger kämpft,
je heftiger ihm die Feinde zusetzen. So musst auch du
deinen Gegner zurückschlagen und standhaft sein, und du
musst einen vernünftigen Willen haben, im Guten zu
verharren.
Aber du schlägst den Teufel, wenn du der Versuchung
nicht nachgibst, sondern ihr mannhaft widerstehst, indem
du Demut gegen Hochmut setzt, Enthaltsamkeit gegen
Schwelgerei. Du bist standhaft, wenn du in der
Heimsuchung nicht gegen Gott murrst, sondern alles froh
erträgst; sieh es als eine Folge deiner Sünden an und
danke Gott. Dein Wille ist vernünftig, wenn du nicht auf
Belohnung aus bist, sondern auf meinen Willen, und dich
ganz in meine Hände gibst.
Das erste Gute – nämlich den Gegner zurückzuschlagen –
besaß Luzifer nicht, denn dieser folgt gleich seiner
Eingebung, und so tat er einen Fall, von dem er sich
nicht wieder aufrichten kann. Denn wie er niemanden
hatte, der ihn zu seiner Bosheit anstachelte, so wird er
auch niemanden finden, der ihn aufrichtet. Das andere
Gute, nämlich die Standhaftigkeit, hatte Judas nicht,
sondern er verzweifelte und ging so und erhängte sich.
Das dritte Gute, nämlich den guten Willen, hatte Pilatus
nicht, denn der hatte einen eifrigen Willen, den Juden
zu gefallen und seine eigene Ehre zu bewahren, als mich
zu befreien.
Aber das erste Gute, nämlich den Feind zurückzuschlagen,
hatte meine Mutter, die all die Versuchungen abwies, mit
der der Teufel sie heimsuchte, und schlug ihn zurück.
Das andere Gute hatte David, der geduldig unter
Misserfolgen war und nicht in Verzweiflung geriet, als
er hinfiel. Das dritte Gute, nämlich den vollkommenen
Willen, hatte Abraham, der sein Vaterland verließ und
sogar seinen einzigen Sohn opfern wollte. Diesem sollst
du also im Maße deiner Kräfte nacheifern.“
107. Kapitel
Ein Engel von wunderbarer Schönheit zeigte sich. Andere
Engel sprachen mit ihm und sagten: „Freund, warum
bietest Du unserem Gott eine leere Nuss an?“ Er
antwortete: „Wenn ihr auch alles wisst, spreche ich doch
um ihretwillen, die hier steht. Ich empfinde niemals
Trübsal, da ich ständig die Nähe unseres Gottes genieße.
Seinen Willen erfülle ich zur Vervollkommnung der Seelen
so, dass ich nie seine Nähe entbehre. Auch wenn ich ihm
keine wohlschmeckende Nuss anbiete, bringe ich doch
etwas Liebliches und Angenehmes, nämlich einen Schlüssel
von reinstem Gold, ein Silbergefäß und eine Krone von
kostbaren Steinen.
Der Schlüssel bezeichnet eine aufrichtige Reue über die
Sünden; eine solche öffnet Gottes Herz und leitet den
Sünder zu Gottes Herz. Das Gefäß ist das göttliche
Vergnügen und die Liebe, in der Gott lieblich mit der
Seele weilt. Die Krone ist der beständige und frohe
Gehorsam. Diese drei Dinge fordert mein Gott von der
frommen Seele. Aber wenn auch diese Seele, die meiner
Obhut anvertraut ist, sie verachtet hat, gebe ich Gott
doch das zurück, was die Seele ihm angeboten hat; Gottes
Ehre, und darum doch nicht weniger.
Der Schlüssel der Reue erscheint dieser Seele leidet so
mühsam, dass sie nicht einmal daran denken will. Das
Gefäß der Gottesliebe ist ihr so bitter, dass sie seinen
Wohlgeruch absolut nicht vertragen kann. Denn wie könnte
die geistliche Süße ihr lieblich vorkommen, wenn die
Wollust des Fleisches in ihr so tief verwurzelt ist?
Zwei Entgegengesetzte Dinge können sich ein und
demselben Gefäß nicht vertragen. Die Krone des Gehorsams
fällt ihr schwer zu tragen, denn ihr Eigenwillen gefällt
ihr so gut, dass es ihr behaglicher scheint, ihm statt
Gottes Willen zu folgten.“
Danach wandte sich der Engel an Gott und sagte: „Herr,
sieh hier das Gefäß, den Schlüssel und die Krone, deren
sich diese Seele unwürdig gemacht hat. Wenn die Schale
zerbricht, wird sichtbar, dass sie innen voll von
Schmutz ist, obwohl sie voll von süßestem Honig hätte
sein sollen. Aber in der Schale liegt eine Schlange. Die
Schale ist das Herz, und wenn sie im Tode bricht, zeigt
sie sich voll von weltlichem Begehren, das wie Schmutz
ist. Die Schlange ist die Seele, die klarer als die
Sonne leuchten und heißer als die Flamme glühen sollte,
aber die jetzt eine Schlange geworden ist, gefüllt mit
Gift und schädlich und Verderben bringend für sich
selbst allein.“
Nun sprach der Herr zur Braut und sagte: „Ich will dir
durch ein Gleichnis sagen, wie dieser Mann beschaffen
ist. Es war ein Mann, der stand, und ein anderer, der
ihm entgegenkam. Beide hatten das Gesicht einander
zugewandt. Der, der sich nahte, sagte: „Herr, es ist ein
Zwischenraum zwischen uns. Zeig mir den Weg, auf dem ich
gehen soll! Ich sehe ja, dass du der unvergleichlich
Mächtigste bist, der ohne alles Erwägen Lieblichste und
der Beste von allen bist, ja der, von dem alles Gute
stammt, und ohne den nichts gut ist.“
Der andere erwiderte: „Freunde, ich erde dir einen
dreifachen Weg zeigen, der aber in einen mündet. Folge
dem! Er ist zu Anfang steinig, aber am Ende ganz eben.
Er ist dunkel, wenn du anfängst, ihn zu gehen, aber er
wird weiter hin sehr hell. Er ist eine Zeitlang bitter,
wird aber zu guter letzt höchst lieblich.“ Er sagte:
„Zeig mir nur den Weg, so werde ich ihm willig folgen!
Ich sehe nämlich, dass es gefährlich ist, zu zögern, und
schlimm, vom Wege abzuirren, aber äußerst nützlich, ihm
zu folgen. Erfülle daher mein Begehren und zeigte mir
den richtigen Weg!“
Ich, der Schöpfer aller Dinge, ist der, der
unveränderlich und unerschütterlich steht. Dieser Mann
kam auf mich zu, als er mich liebte und nichts anderes
so sehr begehrte, wie mich. Ich wandte ihm mein Antlitz
zu, als ich göttlichen Trost in seiner Seele erweckte,
und als ihm die Freude der Welt und alle fleischlich
Lust verhasst wurde.
Ich zeigte ihm einen dreifachen Weg, indem ich nicht mit
menschlicher Stimme sprach, sondern heimlich seine Seele
in derselben Weise inspirierte, wie ich jetzt deine
Seele offen inspiriere. Erstens zeigte sich ihm nämlich,
dass er nur seinem Gott und seinem Vorgesetzten gehorsam
sein soll, aber er antwortete mir im Stillen, indem er
so in seinem Sinn dachte: „Das tue ich nicht, denn mein
Vorgesetzter ist hart und nicht liebvoll, und deshalb
kann ich ihm nicht mit frohem Willen gehorchen.“
Ich zeigte ihm den anderen Weg, der darin besteht, vor
der Lust des Fleisches zu fliehen und meinem göttlichen
Willen zu folgen, die Schwelgerei zu fliehen und
Enthaltsamkeit zu üben. Diese Wege führen nämlich zum
wahren Gehorsam. Er antworte mir jedoch: „Auf keinen
Fall! Meine natur ist schwach, und deshalb muss ich so
viel essen und schlafen, wie ich brauche, muss reden, um
dadurch Freude zu haben, und lachen, um meinen Sinn zu
erleichtern.“
Ich zeigte ihm auch den dritten Weg, der darin besteht,
um meinetwillen, seinen Gott, gute Geduld zu haben.
Geduld führt nämlich zu Enthaltsamkeit und frommen
Gehorsam. Aber er antwortete mir: „Das tue ich nicht.
Wenn ich den Schimpf ertrage, der mir widerfährt, so
komme ich dazu, als dumm angesehen zu werden. Wenn ich
einfacher gekleidet bin als andere, werde ich für dumm
angesehen. Und wenn es eine Unvollkommenheit in meinen
Gliedern gibt, so ist es doch notwendig, dass ich etwas
tue, um den Menschen zu gefallen, so dass dieser Mangel
ausgeglichen wird.“
„So kämpften wir“, sagte der Herr, „ich und sein
Gewissen, bis er sich von mir entfernte und mir den
Rücken zuwandte und nicht das Gesicht. Das tat er, als
er nur in dem gehorchen wollte, was ihm behagte, und
geduldig nur unter der Bedingung sein wollte, dass er
nichts von der Freundschaft der Welt verlöre. Nun
arbeitet der Teufel darauf hin, ihn völlig blind und
stumm zu machen, und versucht, seine Hände und Füße zu
fesseln, und ihn ins Dunkel der Hölle zu führen.
Der Teufel macht den Mann blind, wenn dieser denkt:
„Gott hat mich mit seinem Leiden erlöst. Er will mich
nicht verloren gehen lassen, denn er ist barmherzig.
Auch wenn der Mensch ihn jede Stunde kränkt, untersucht
Gott die Sünde nicht so streng.“ Daraus geht hervor,
dass sein Glaube nicht stetig ist. Er kann ja in meinem
Evangelium finden, dass ich Rechenschaft über jedes Wort
verlange – wie viel mehr dann über Taten! Und da kann er
auch finden, dass der reich Mann sein Grab in der Hölle
bekam, nicht weil er geraubt hat, sondern weil er das,
was ihm verliehen ist, schlecht benutzt hat. – Der
Teufel macht diesen Mann stumm, wenn er das Beispiel und
die Worte meiner Freunde hört, aber sagt, dass jetzt
niemand mehr so leben kann. Daraus geht hervor, dass er
nur eine geringe Hoffnung hat. Denn ich, der meinen
Freunden vergönnt hat, ein gutes und keusches Leben zu
führen, ich wäre auch imstande, ihm das zu gönnen, wenn
er auf mich hoffen würde. Der Teufel bindet ihm die
Hände, wenn er etwas anderes mehr liebt als mich und
inniger mit der Welt verbunden ist, als mit meiner Ehre.
Er soll also darauf achten, dass der Teufel ihn nicht zu
Fall bringt, wenn er nach weltlichen Dingen trachtet,
denn dieser legt seine Schlinge aus, wo man am wenigsten
vorsichtig ist. Der Teufel fesselt seine Füße, wenn er
nicht auf seine Gedanken und Gefühle Acht gibt oder die
Art und Weise bedenkt, in der er versucht werden kann,
und wenn er so nach seinem eigenen Nutzen und nach dem
seines Nächsten trachtet, dass er nicht mehr aus das
Wohlergehen seiner Seele achtet.
Deshalb sollte er bedenken, was ich im Evangelium gesagt
habe, dass der Mann, der seine Hand an den Pflug legt,
nicht zurückblicken soll, und dass der, der etwas sehr
Nützliches begonnen hat, nicht zu dem zurückkehren soll,
was weniger nützlich ist. Der Teufel legt ein Band um
sein Herz, wenn er den Willen des Menschen geneigt zum
Bösen macht, dass er daran denkt, die Ehre der Welt zu
genießen und sie ausnutzen will, ja dass er weiter auf
diese Art leben will.
Der Teufel führt ihn schließlich ins Dunkel, wenn er
denkt: „Ich kümmere mich wenig darum, wie weit mein Los
auf die Herrlichkeit oder die Straße fällt.“ Wehe ihn,
wenn er in einem solchen Dunkel landet! Wenn er sich zu
mir umwenden will, werde ich ihm jedoch wie ein Vater
entgegeneilen. Aber dann wird nun auch verlangt, dass er
den Willen hat, selbst das zu tun, was er kann. Denn so,
wie es dem Sohn des Mannes nicht erlaubt ist, jemand
gegen seinen eigenen Willen zur Frau zu nehmen, so ist
dies auch für den Sohn der Jungfrau nicht möglich.
Der Wille ist nämlich das Werkzeug, mit dem die
göttliche Liebe in die Seele geleitet wird. Denn wie ein
Müller, der Mühlsteine spalten will, Risse in den
Steinen aufsucht, wo er erst die feineren Instrumente
und dann die gröberen ansetzt, bis der Stein mitten
durchbricht, so suche ich den guten Willen, in den ich
meine Gnade eingieße. Dann, wenn die Taten größer werden
und der Wille Fortschritte macht, erhöht sich auch die
Gnade, bis sich sein Herz aus Stein in ein Herz aus
Fleisch und Blut wandelt, und das Herz aus Fleisch und
Blut in ein geistliches Herz.“
Erklärung
Dieser Man war
Prior auf Sizilien nahe dem Ätna. An ihn wurde folgende
Offenbarung gerichtet.
Zusatz
Gottes Sohn spricht: „Dieser Bruder wundert sich, warum
meine Apostel Petrus und Paulus so lange Zeit in den
Katakomben weilten, fast vergessen. Ich gebe dir
folgende Antwort: „Die goldene Schrift sagt, dass die
Kinder Israel so lange in der Wüste weilten, weil das
Böse bei den Heiden, deren Land sie besitzen sollten,
noch nicht aufgehört hatte.
So verhielt es sich auch mit meinen Aposteln. Noch war
die Zeit der Gnade nicht gekommen, da die Leiber meiner
Apostel erhöht werden sollten, denn erst sollte die Zeit
der Prüfung und dann erst die der Krönung kommen, und
noch waren die nicht geboren, die das Glück der Erhöhung
der Apostel erleben sollten.
Aber nun kannst du fragen, wie weit ihre Leiber während
der Zeit, da sie unter der Erde ruhten, irgendeine Ehre
genossen. Ich antworte dir, dass meine Engel ihre
seligen Leiber bewachten und ehrten. Denn so wie ein
Mann den Platz, an dem Rosen und andere Kräuter wachsen,
sorgsam pflegt, so wurden lange im voraus diese
Katakomben angelegt und geehrt, über die sich Engel und
Menschen freuen sollten.
Auf der Welt gibt es viele Plätze, wo Leiber der
Heiligen ruhen, aber keine solche wie dieser Platz. Denn
wenn man die Heiligen aufzählen würde, deren Leiber da
bestattet sind, würde man das kaum glauben. Daher
sollen, so wie ein kranker Mensch durch guten Duft und
Nahrung erquickt wird, die Menschen, die mit
aufrichtigem Sinn an diesen Platz kommen, geistlich
erquickt werden und wahre Vergebung für ihre Sünden
erhalten, ein jeder nach seinem Leben und seinem
Glauben.“
Derselbe Bruder wurde bei den Worten Birgittas von
tiefer Reue ergriffen. Er hörte drei Nächte
hintereinander eine Stimme sagen: „Eile dich, eile dich,
komm, komm!“ Am vierten Tage wurde er krank, nahm das
Sakrament und starb. Das geschah in Rom.
108. Kapitel
Der Sohn spricht: „Es waren drei Heiligen, die mir mehr
gefielen als andere, nämlich meine Mutter Maria,
Johannes der Täufer und Maria Magdalena. Als meine
Mutter geboren wurde und danach, war sie so schön, dass
es keinen Flecken an ihr gab. Das verstanden die Teufel,
und sie trauerten darüber so bitter, dass es (um im
Gleichnis zu sprechen) war, als ob eine Stimme von
Teufeln aus der Hölle gerufen und gesagt hätte: „Eine
Jungfrau wird so tugendhaft und wunderbar geboren, dass
sie sich über alles im Himmel und auf Erden erhebt und
bis zu Gottes Sitz vordringt.
Aber wenn wir mit allen unseren Schlingen gegen sie
vorgehen, bricht sie sie alle entzwei, und sie zerreißen
wie Leinen, ja gehen entzwei wie alte Bindfäden. Wenn
wir ihr mit all unserer Bosheit und all unserer
Unreinheit entgegen treten, schneidet sie das all
zusammen entzwei, wie die Sense das Gras abschneidet.
Und wenn wir alle Wollust und die Vergnügungen der
ganzen Welt über sie ausschütten, so wird alles zusammen
schneller ausgelöscht, als ein Feuerfunken von einem
Wasserstrom.“
Als Johannes der Täufer geboren war, missfiel auch er
den Teufeln, so dass es war, als ob eine Stimme in
dieser Stunde aus der Hölle rief und sagte: „Jetzt ist
ein seltsamer Junge geboren. Was sollen wir machen? Wenn
wir ihm mit Übermut begegnen, verachtet er es, uns zu
hören und will unseren Eingebungen auf keinen Fall
gehorchen. Wenn wir Reichtümer vor seinem Blick
ausbreiten, so wendet er uns den Rücken zu und weigert
sich, zu sehen, und er ist für die Wollust wie tot und
kann sie nicht empfinden.“
Als Maria Magdalena bekehrt war, sagten die Teufel: „Wie
sollen wir sie zurückholen? Nun haben wir ein gutes
Wildbret verloren. Sie wäscht sich so eifrig mit dem
Wasser der Tränen, dass wir nicht wagen, unseren Blick
auf sie zu richten. Sie umhüllt sich so mit guten Taten,
dass keine Ansteckung ihr nahen kann. Sie ist so glühend
und heiß im Dienst und der Heiligkeit Gottes, dass wir
nicht wagen, ihr zu nahen.“
Bei diesen dreien war die Seele der Herrscher und der
Leib der Diener. Ihre Seele hatte drei Eigenschaften:
Erstens liebte sie nichts so sehr wie mich, ihren Gott.
Zweitens wollte sie nichts gegen mich tun. Drittens
wollte sie nichts unterlassen, was Gott gehörte.
Aber obwohl diese Menschen eine solche Seele hatten,
verachteten sie doch ihren Leib nicht und gaben ihm kein
Gift zu essen oder Dornen zur Bekleidung, und legten
sich nicht in einem Ameisenhaufen zur Ruhe, sondern
gönnten sich zu meiner Ehre und zum Nutzen ihrer Seele
einen maßvollen Lebensunterhalt, Kleider zum Bedecken
des Körpers und nicht zur Hoffart, ausreichend Schlaf
zur Ruhe und ein Bett zur Erquickung.
Doch hätten sie, wenn sie gewusst hätten, dass mir das
gefiel und wenn ich ihnen meinen Segen dazu gegeben
hätte, gern das Allerbitterste als Nahrung genommen,
Dornen zur Kleidung und einen Ameisenhaufen als Bett.
Aber weil sie daran dachten, dass ich in allem gerecht
und barmherzig bin, waren sie teils dadurch, dass sie
unzulässige Neigungen zügelten, gerecht gegen ihren
Körper, teils barmherzig und verständig genug, den Leib
zu pflegen, so dass er nicht durch zu harte Arbeit zu
Grunde gehen und durch zu gewaltige Mühe zerstört werden
sollte.
Aber nun kannst du fragen: Wenn die heiligen Eremiten
und die alten Väter eine so große Gnade hatten, dass
manche von ihnen nicht mehr als einmal in der Woche
außen und andere von dem Essen lebten, das ihnen die
Engel brachten, warum hast du diesen dann keine so große
Gnade gegeben? Ich antworte dir: Diese heiligen Väter
hielten ein solches Fasten aus drei Gründen. Erstens, um
meine Gnade und Macht zu offenbaren, damit die Menschen
wissen sollten, dass – wie ich die Seele ohne leibliche
Nahrung unterhalte, so kann ich auch, wenn es mir
gefiele, den Leib ohne Nahrung am Leben erhalten.
Zweitens, um ein Beispiel zu zeigen: Die Menschen
sollten durch ihr Vorbild lernen, dass körperliche Mühe
und Trübsal die Seele zum Himmel zieht. Drittens, um der
Sünde auszuweichen, denn wenn die Lust des Fleisches
nicht gebändigt wird, zieht sie den Menschen zur ewigen
Pein. Damit die Menschen also Enthaltsamkeit und die
rechte Art zu leben lernen sollen, gebrauchte ich, Gott
und Mensch, obwohl ich auf der Welt ohne Nahrung hätte
leben können, doch Nahrung und leibliche
Notwendigkeiten, damit der Mensch mir, seinem Gott in
allen Dingen danken solle, und maßvolle Freude auf
dieser Welt und vollkommene Freiheit bei den Heiligen im
Himmel haben soll.“
109. Kapitel
Maria spricht: „Wenn man einem vornehmen Herrn Nüsse
anbietet, passiert es manchmal, dass ein paar von ihnen
leer sind, und diese sollen dann gefüllt werden, dass
sie angenehmer sind. So verhält es sich auch mit
geistlichen Taten. Viele vollbringen viele gute Taten,
um deretwillen sich die Sünde verringert, so dass sie
nicht in die Hölle kommen. Doch gab es vor diesen guten
Taten und unter ihnen viele leere und nichtige Zeiten.
Es ist notwendig, dass all diese ausgefüllt werden, wenn
es Zeit gibt, um zu arbeiten. Aber wenn die Zeit nicht
reicht, so mag Reue und Liebe alles ersetzen.
So bot Maria Magdalena Gott Nüsse, d.h. gute Taten an.
Unter diesen Nüssen waren manche leer, denn lange Zeiten
hatte sie gesündigt, aber diese füllte sie mit der Zeit
alle mit Geduld und Arbeit aus. Johannes der Täufer
opferte Gott sozusagen viele Nüsse, denn er hatte von
Jugend auf Gott gedient und ihm seine Zeit geopfert. Die
Apostel wiederum opferten Gott halbvolle Nüsse, denn vor
ihrer Bekehrung waren viele von ihren Zeiten auf
unvollkommene Weise angewandt.
Aber ich, die Gottes Mutter bin, habe Nüsse geopfert,
die voll und süßer als Honig waren, denn ich war von
Jugend auf voll von Gnade und war in Gnaden bewahrt.
Daher sage ich, dass – obwohl dem Menschen die Sünde
vergeben ist, müssen doch die vorhergehenden leeren
Zeiten, in denen der Mensch Zeit hat, durch Geduld und
Liebesarbeit wieder gutgemacht werden.
110. Kapitel
Der Sohn spricht: ”Wie soll man meinem Geist wieder
erkennen? Es gibt ja zwei Geister, einen guten und einen
bösen. Ich will es dir sagen. Mein Geist ist warm und
bewirkt zwei gute Dinge. Erstens bewirkt er, dass man
nichts anderes ersehnt als Gott. Zweitens verleiht er
größte Demut und Weltverachtung. Der böse Geist dagegen
ist kalt und warm: Kalt, weil er all das, was von Gott
ist, bitter für den Menschen macht; warm dadurch, dass
er den Menschen geneigt zur Wolllust und Hoffart der
Welt macht und ihn anreizt, seinen eigenen Ruhm zu
suchen. Er kommt einschmeichelnd wie ein Freund, aber er
ist wie ein bissiger Hund. Er kommt wie ein liebreicher
Tröster, aber er ist der schlimmste Verräter.
Deshalb sollst du ihm sagen, wenn er kommt: „Ich will
nicht von dir wissen, denn dein Ende ist schlecht.“ Aber
wenn der gute Geist kommt, sollst du sagen: „Komm, o
Herr, wie ein Feuer und entzünde mein Herz, denn obwohl
ich unwürdig bin, dich zu haben, brauche ich dich doch
auf meiner Seite, denn du wirst durch mich nicht besser
und brauchst mich nicht, aber ich werde besser durch
dich, und ohne dich bin ich nichts.“
111. Kapitel
Der Sohn spricht zur Braut und sagt: „Es gibt drei
Gesetze. Das erste ist das der Kirche, das zweite das
des Kaisers, das dritte das des Volkes. All diese
Gesetze werden auf die Haut von toten Tieren (d.h. auf
Pergament) geschrieben. Aber es gibt noch ein anderes
Gesetz, ein geistliches Gesetz, das nicht auf Pergament
geschrieben wird, sondern im Buch des Lebens, das nie
verloren geht oder durch Alter verzehrt wird, niemals
zum Überdruss führt und das man nie mit Schwierigkeiten
besitzt.
Jedes gute Gesetz muss auf die Erlösung der
Menschenseele gerichtet sein, und darauf, dass Gottes
Gebot beachtet wird, dass man die schlechten Begierden
flieht und nach den guten Taten trachtet – nach diesen
muss man in kluger Weise trachten. Aber nun gibt es in
dem Gesetz, das auf Pergament geschrieben wird, das
davon handelt, etwas zu erhalten. Dafür, dass jemand
etwas erhält, ist eins von diesen vier Dingen notwendig.
Entweder soll eine Gabe jemanden geschenkt werden, um
Liebe und Freundschaft zu beweisen, oder es mag durch
Erbe oder durch Verteilung gegeben werden, oder als
Belohnung für demütig vollbrachten Dienst.
Ebenso verhält es sich mit dem geistlichen Gesetz, denn
das geistliche Gesetz besteht darin, Gott zu verstehen
und zu lieben und sich bei ihm Wohlzufühlen, und in
diesem Gesetz liegt Ehre und geistliche Reichtümer,
nämlich alles Geschaffene gegen den Schöpfer
einzutauschen, den eigenen Willen Gott zu übergeben, die
Tugenden zu lieben und der Welt für das Himmelreich zu
entsagen.
Diese Reichtümer werden auf vierfache Weise gewonnen.
Erstens durch Liebe. Denn wie ein irdischer Herr
jemandem aus Liebe Geschenke macht, ohne dass der
Empfänger es verdient hat, so habe ich in meiner Güte
den Menschen geschaffen und erlöst und habe Tag für Tag
mit ihm Geduld; trotz seiner Undankbarkeit erweise ich
ihm Ehre. Dazu soll der, der mich von ganzem Herzen
liebt und nichts begehrt außer mir, auf Erden die Tugend
gewinnen, die mit Gottes Finger im Herzen geschrieben
steht, und im Himmel die Ehre, die im Buch des Lebens
geschrieben steht, nämlich das ewige Leben.
Zweitens wird geistliche Ehre durch Erbe erworben. Ich
habe ja dadurch, dass ich Menschengestalt angenommen
habe und durch mein Leiden dem Menschen das Himmelreich
erkauft und habe es ihm mit Erbrecht aufgelassen. Denn
wie der Mensch sozusagen sein göttliches Erbrecht dem
Teufel verkauft hat und als Ersatz einen kleinen Apfel
gegen die ewige Freude bekommen hat, eine verbotene
Speise anstatt des Lebensbaumes und Falschheit statt
Wahrheit, so habe ich im Gehorsam gegenüber meinem Vater
die Schrift des Ungehorsams zerrissen; durch die bittere
Pein meines Herzens habe ich die Süßigkeit des Apfels
aufgewogen, durch meinen Tod habe ich dem Menschen den
Baum des Lebens erworben, und durch den Glauben an
meinen Menschwerdung habe ich den Menschen
zurückgebracht und alle Wahrheit gestiftet.
Daher soll ein jeder, der dem Wort meiner Wahrheit
glaubt und mir nachfolgt, durch Erbrecht geistliche
Reichtümer und meine Gnade gewinnen. Drittens erhält man
geistliche Ehre durch einen Wechsel, d.h. wenn der
Mensch sich von all den Vergnügen trennt, die
fleischliche Lust schenkt, und die Wollust des Fleisches
gegen Enthaltsamkeit eintauscht, Reichtümer gegen Armut,
Ehre gegen Schmähung, irdische Verwandte gegen den
Umgang mit Gottes Freunden und das Betrachten der Welt
gegen das Schauen Gottes.
Viertens erwirbt man geistliche Ehre auf Grund von
demütig geleistetem Dienst, d.h. wenn der Mensch
geduldig im Dienste Gottes streitet, wie ein tapferer
Ritter im Krieg, in Demut und Treue wie ein treuer
Diener dient, das ihm Anvertraute barmherzig und gerecht
beschützt wie ein guter Verwalter, und wie ein guter
Wächter auf Wacht gegen die Versuchungen steht. Ein
solcher Mensch ist würdig, die Ehre und die geistlichen
Reichtümer zu besitzen, die nicht auf Pergament
geschrieben sind, sondern in die Seele. Denn wie das
dreifach geschriebene Gesetz dazu dient, die
Gerechtigkeit zu vervollkommnen, so dient das geistliche
Gesetz dazu, Frucht zu bringen.
Also, meine Tochter, strebe danach, die geistliche Ehre
durch Liebe zu gewinnen, indem du nichts so sehr liebst
wie mich, durch das Erbe, indem du fest an all das
glaubst, was die Kirche anbietet, durch Werke der Demut,
indem du alles um meiner Ehre willen tust. Du bist ja in
mein Gesetz berufen, und deshalb musst du mein Gesetz
auch halten. Aber mein Gesetz besteht darin, nach meinem
Willen zu leben. Denn wie ein guter Priester nach dem
Gesetz der Kirche lebt, so sollst du nach meinem Gesetz
der Demut leben und dich nach meinen Freunden gestalten.
Jedes zeitliche Gesetz ist ja teils auf die Ehre der
Welt ausgerichtet, teils darauf, sie zu verschmähen.
Mein Gesetz ist dagegen nur auf das Himmlische
ausgerichtet, denn vor mir und nach mir hat niemand voll
verstanden, wie und wie ehrenreich die Lieblichkeit des
Himmels ist, nein – niemand mehr als ich und der, dem
ich es habe offenbaren wollen.“
112. Kapitel
Der Sohn spricht zur Braut: „Sei nicht empört über die
Hoffart dieser Menschen, die bald verschwinden wird. Es
gibt nämlich eine Art Insekten, die Schmetterling
genannt wird. Er hat breite Flügel und einen kleinen
Leib. Ferner hat er mannigfache Farben. Drittens fliegt
er hoch auf Grund seiner Dünnheit und Leichtigkeit. Aber
weil er nur wenig Kraft im Leibe hat, fällt er schnell
herunter auf das, was am nächsten liegt, auf Steine oder
Stöcke.
Diese Art von Insekten bezeichnen die Hochmütigen. Sie
haben breite Flügel und einen kleinen Körper, denn ihr
Sinn schwillt von Hochmut wie ein mit Luft gefüllter
Blasebalg. Sie glauben nämlich, alles durch ihre eigenen
Verdienste zu besitzen, halten sich für besser und
würdiger als andere und würden gern ihren Namen über die
ganze Welt verbreiten, wenn sie könnten, aber da ihr
Leben kurz ist wie ein Augenblick, stürzen sie, wenn sie
es nicht denken.
Zweitens haben die Hochmütigen mannigfache Farben wie
der Schmetterling, denn sie sind hochmütig auf die
Schönheit ihrer Glieder, auf ihre Reichtümer und ihre
Herkunft, und sie verändern ihr Benehmen nach den
Gedanken ihres Hochmuts – aber wenn sie sterben, sind
sie nichts anderes als Staub.
Drittens passiert es den Hochmütigen, das sie, wenn sie
auf die höchste Stufe des Hochmuts gestiegen sind,
schrecklich und in einem Augenblick herabfallen und
sterben. Hüte dich deshalb vor Hochmut, denn er
verdrängt das Schauen Gottes von den Menschen, und meine
Gnade kann den nicht aufsuchen, der vom Hochmut besessen
ist.“
113. Kapitel
Der Sohn spricht: „Wer es will, mag die Schriften lesen,
und er wird dort finden, dass ich aus einem Hirten einen
Propheten machte, und dass ich Jünglinge und Ungebildete
mit dem Geist der Prophetie erfüllte. Aber wenn auch
nicht alle meine Erlösungsworte empfangen haben, so
haben meine Worte doch die meisten erreicht, damit meine
Liebe offenbar werden sollte. Ebenso habe ich keine
gelehrten Männer, sondern Fischer ausgewählt, um das
Evangelium zu verkünden, damit sie sich nicht mit ihrer
Weisheit grosstun, und damit alle verstehen sollten,
dass – so wie Gott wunderbar und unerforschlich in sich
selber ist, so sind auch seine Taten unergründlich, und
im Kleinsten wirkt er das Größte.
Jeder Mensch, der hinter der Welt herläuft, um ihre Ehre
zu ergattern und seine Wollust zu befriedigen, legt sich
eine große Bürde auf. Sieh, ich will dir ein Gleichnis
von einem Mann erzählen. Er lief mit all seiner
Sehnsucht hinter der Welt her, erwarb sich einen großen
Namen auf der Welt und lud die größte Sündenlast auf
seinen Rücken. Deshalb hat er jetzt einen großen Namen
in der Hölle; er hat zur Belohnung eine große Bürde und
einen hervorragenden Platz am Wohnsitz der Plagen.
An diesem Platz sind schon manche vor ihm hinab
gefahren, manche mit ihm, manche nach ihm. Die fahren
vor ihm hinunter, die ihn mit Rat und Hilfe darin
bestärkten, seine Bosheit zu verbreiten. Der Lohn für
seine Taten fuhr mit ihm hinab. Aber die seinem Beispiel
folgten, stiegen mit ihm hinunter. Daher rufen die
Erstgenannten ihm wie aus einem Kampfe mit den Worten
zu: „Weil du unseren Ratschlägen gefolgt bist, brennen
wir durch deine Anwesenheit in noch einer heißeren
Flamme. Deshalb seist du verflucht und wert, da
aufgehängt zu werden, wo der Strick nicht reißt und das
Feuer ewig bleibt. Die schlimmste Schande treffe dich
für deinen Übermut und deinen Ehrgeiz!“
Seine Taten rufen und sagen: „Elender, die Erde konnte
dich mit ihren Früchten nicht ernähren; deshalb hast du
alles haben wollen. Gold und Silber konnte deine Gier
nicht sättigen; daher hast du nun alles verloren,
lebende Raben sollen deine Seele zerfleischen, die in
Stücke gerissen wird und doch nicht vergeht, aufgelöst
wird und doch beständig lebt.“
Aber die, die nach ihm hinab fuhren, rufen: „Weh dir,
dass du geboren wurdest! Deine Lust soll dir in Hass
gegen Gott verwandelt werden, so dass du nicht ein
einziges Wort reden willst, woran sich Gott erfreuen
könnte. So wie alle Erquickung, alle liebliche Labsal
und unaussprechliche Freude in der Liebe zu Gott und in
seiner Verehrung besteht (eine Freude, die wir unwürdig
sind, zu genießen, weil wir dir gefolgt sind), so soll
dich Trauer und Missgeschick durch die Gesellschaft der
Teufel heimsuchen.
Scham und Unehre für deine Ehre, Feuer für deine
Begierde, Kälte für deinen Egoismus und ständige
Ruhelosigkeit für deine fleischlichen Genüsse. Und für
den großen Namen, den du unwürdig getragen hast, treffe
dich Verfluchung, und für deinen ehrenvollen Platz
sollst du auf den verächtlichsten Platz verwiesen
werden.“ Siehe, solche Dinge verdienen die, die sich
gegen Gottes Verordnung in so etwas einwickeln lassen,
um nun in einem Gleichnis zu sprechen.“
Zusatz
Ein Ritter
versuchte ständig, neue Arten zu finden, und zog durch
Wort und Beispiel viele ins Verderben. Er war gegen Frau
Birgitta feindlich eingestellt, und da er selbst nicht
wagte, sie zu schmähen, veranlasste er dazu einen
anderen, der sich stellte, betrunken zu sein um
Schimpfworte gegen Frau Birgitta auszustoßen.
Als sie zu Tische saß, sagte er zu ihr, so dass die
Großen es hören konnten: „Meine Frau, du träumst zuviel,
du wachst zuviel; es würde dir gut tun, mehr zu trinken
und zu schlafen. Hat Gott etwa die Menschen mit einem
reinen Leben verlassen und redet jetzt mit vornehmen
Weltmenschen? Es ist dumm, deinen Worten Glauben zu
schenken.“
Als er das sagte, wollten die Anwesenden ihn strafen,
aber Frau Birgitta verhinderte das und sagte: „Lasst ihn
reden, denn Gott hat ihn gesandt. Warum sollte ich, die
ich in meinem ganzen Leben meinen eigenen Ruhm gesucht
und Gott gekränkt habe, keine gerechten Worte hören? Er
sagt mir nur die Wahrheit.“ Als dieser Herr das hörte,
wurde er von Reue ergriffen, versöhnte sich mit Frau
Birgitta und nahm ein lobenswertes Ende.
114. Kapitel
Der Sohn spricht: „Hüte dich vor den Braten des Teufels,
die er im Feuer der Geilheit und Begierde anrichtet.
Wenn man etwas Fett ins Feuer bringt, muss etwas davon
herabtropfen. So rühren Sünden auch vom Umgang und der
Gesellschaft mit Weltmenschen. Auch wenn du nicht die
Gewissen von allen kennst, verraten doch die äußeren
Zeichen, was sich drinnen in der Seele verbirgt.“
Weiter sagt die Mutter: „Jede Handlung von dir soll
vernünftig und deine Absicht richtig sein, so dass du
alles mit der Absicht tust, dass Gottes Ehre vollkommen
werde, und der Nutzen für die Seele vor den Genuss des
Leibes gesetzt wird. Viele dienen nämlich Gott mit ihrem
Tun, aber die verkehrte Absicht verdunkelt all das Gute.
Du kannst das besser durch ein Gleichnis verstehen.
Es gibt ein Tier, das heißt Bär. Wenn er von Hunger
geplagt wird und die ersehnte Beute sieht, setzt er
seinen eigenen Fuß auf die Beute und sucht, wo er den
anderen Fuß fest und sicher aufsetzen kann, so dass ihm
die gefangene Beute nicht entgeht, sondern er sie
fressen kann und damit tun kann, was er will. Der Bär
sieht unverwandt auf seine Beute und kümmert sich nicht
um Gold oder wohlriechende Kräuter und Bäume, sondern
nur um einen verborgenen und sicheren Platz oder ein
Versteck, so dass er die Beute, die er mit Beschlag
belegt hat, sicherer und zuverlässiger behalten kann.
So dienen mir viele mit Gebeten und Fasten, aber nur aus
Furcht, denn sie denken an die gefährliche Strafe und
meine große Barmherzigkeit. Sie suchen mir mit
äußerlichen Werken zu gefallen, aber mit ihrem Willen
handeln sie gerade gegen das Gebot meines Sohnes. Denn
ebenso, wie es beim Bären der Fall ist, besteht ihr
ganzes Tun und Trachten aus der Lust des Fleisches und
weltlicher Gewinnsucht, aber da sie den Verlust des
Lebens und die kommende Strafe fürchten, dienen sie mir
deshalb, dass sie nicht die Gnade verlieren und der Pein
anheim fallen.
Und das tritt sehr deutlich hervor, denn sie betrachten
nie die Pein meines Sohnes, die wie das kostbare Gold
ist, und ahmen nicht das Leben der Heiligen nach, das
wie kostbare Steine ist, sie betrachten nicht die Gaben
des Heiligen Geistes, die wie duftende Kräuter sind, und
sie verzichten nicht auf ihren eigenen Willen, um den
Willen meines Sohnes zu tun, sondern stützen sich nur
auf mich, um desto sicherer sündigen zu können und auf
der Welt Erfolgt zu haben.
Ihre Belohnung wird kurz werden, denn ihr Tun ging aus
einem kalten Herzen hervor. Und wie der Bär, nachdem er
die Beute aufgefressen hat, nicht nach dem festen Platz
für seinen Fuß fragt, so wird auch – wenn die Stunde des
Endes kommt und die Wollust des Fleisches aufgehört hat,
mein fester Platz ihnen wenig nützen, denn sie haben
ihren Willen nicht aufgegeben, um meinen zu tun, und sie
haben mich nicht aus Liebe, sondern aus Furcht gesucht.
Aber wenn ihr Wille sich vollständig gebessert hat, so
wird ihr Tun auch schnell erneuert werden, und wenn das
Handeln fehlt, wird ihnen der gute Wille als Tat
angerechnet werden.“
Zusatz
Dieser war Propst und lebte nach seinem eigenen
Wohlgefallen, aber als er nach Rom gekommen war,
besserte er sehr lobenswert sein Leben. Als er Monte
Gargano und die Reliquien des hl. Nikolaus besucht
hatte, kehrte er zur Frau Birgitta zurück, deren Rat er
strengt befolgte. Er sagte u.a., dass er sich sehr
wunderte, warum die große und berühmte Stadt Sipontum,
wo so viele Leiber der Heiligen begraben liegen,
zerstört wurde.
Am folgenden Tag offenbarte sich Gottes Sohn und sagte
zu ihr: „Dein Freund wundert sich über die Stadt, die
zerstört worden ist. Wahrlich, meine Tochter, dies ist
wegen der Sünden der Einwohner geschehen; vielleicht,
dass auch andere Städte eine solche Strafe verdient
haben. In Sipontum wohnte ein Freund von mir, der eine
vollkommene Liebe zu mir hatte, ständig die Unsitten der
anderen tadelte und bekämpfte und, als er ihre
Verhärtung sah, mich unter Tränen bat, dass der Platz
lieber veröden sollte, als dass so viele Seelen täglich
in Gefahr schwebten.
Ich sah sein Weinen, und dass niemand sich aufrichtig
bemühte, mich zu besänftigen, und deshalb ließ ich es
zu, dass das geschah, wovon man jetzt reden hört.“ Sie
sagte: „O Herr, es ist beklagenswert, dass auch die
Gebeine und Leiber vieler guter Menschen dort wie unrein
und ohne Schutz liegen.“
Christus antwortete: „So wie ich die Seelen meiner
Auserwählten in mir selbst habe, so sorge ich mich auch
um die Reliquien meiner Freunde, die mein Kleinod sind,
bis sie einst die doppelte Kleider empfangen werden, die
ihnen versprochen sind.“
Frau Birgitta fragte weiter: „O mein liebster Herr, ich
glaube, dass die Päpste Sipontum viele Gnadengaben und
Sündenerlasse verliehen haben. Sind nun auch diese
Gnadengaben ausgelöscht, wenn die Mauern abgerissen
sind?“ Christus erwiderte: „Welcher Platz ist heiliger
als Jerusalem, wo ich, Gott selbst, meine Spuren
eingedrückt habe? Und welcher Platz ist nun mehr
verachtet?
Es ist ja von den Ungläubigen bebaut und zertreten. Doch
finden die, die nach Jerusalem kommen, dieselbe Gnade
und Sündenvergebung wie früher. Ebenso ist es mit diesem
Platz; alle, die mit Liebe und vollkommenem Willen dahin
kommen, sollen an derselben Gnade und demselben Segen
teilhaben, wie ihn diese Stadt zur Zeit ihrer Blüte
hatte, auf Grund ihres Glaubens und ihrer Liebe und der
Mühe, die sie sich gemacht haben, um dorthin zu kommen.“
115. Kapitel
Der Sohn spricht: „Du bist wie ein Rad, das dem
vorgehenden folgt. So musst du meinem Willen folgen. Ich
sprach vorher mit dir von einem, dessen Seele der Teufel
besitzt. Nun werde ich dir sagen, in welchem Gliede er
gefangen ist. Ich bin wie ein Mann, der zu seinem
Scharfrichter sagt: „Es gibt drei Verwahrungsräume in
deinem Haus. Im Ersten befinden sich die, die es
verdienen, das Leben zu verlieren, im zweitens die, die
ein Glied verlieren sollen, im dritten die, die
gegeißelt und ausgepeitscht werden sollen.“
Der Scharfrichter sagt zu ihm „Herr, wenn einige das
Leben verlieren sollen, andere verstümmelt und gegeißelt
werden sollen – warum wird dann das Gericht
aufgeschoben? Ihr Schmerz würde vergessen werden, wenn
sie schneller verurteilt würden.“ Der Hausherr
antwortet: „Das, was ich tue, mache ich nicht ohne
Grund. Die, die das Leben verlieren sollen, sollen ihre
Hinrichtung eine Zeitlang aufgeschoben bekommen, damit
die Guten ihr Unglück sehen und noch besser werden, und
die Bösen von Furcht ergriffen und sich fortan in Acht
nehmen.
Die, die verstümmelt werde sollen, müssen
notwendigerweise erst Trübsal empfinden, so dass sie in
ihrem Herzen das Böse spüren, das sie getan haben, und
über ihre Verbrechen trauern. Und die, die gegeißelt
werden sollen, müssen auch durch Trauer geprüft werden,
so dass sie sich selbst in der Trauer erkennen, nachdem
sie sich zur Zeit der Freude vergessen haben, und sich
umso gewissenhafter davor hüten, so etwas in Zukunft
wieder zu begehen, je schwerer es für sie war, aus der
Gefangenschaft frei zu werden.“
Ich bin dieser Hausherr. Ich habe den Teufels als
Strafrichter, um die Bösen zu bestrafen, je nach
Verdienst eines jeden. Er hat Macht über die Seele
dieses Mannes bekommen, und in welchem Glied, das werden
ich dir nun zeigen. Denn so wie der Körper äußerlich in
Gliedern geschaffen ist, so muss die Seele – geistlich
gesehen – inwendig beschaffen sein. So wie der Körper
Knochenmark, Knochen und Fleisch hat, Blut im Fleisch
und Fleisch im Blut, so muss die Seele drei Dinge haben,
nämlich Gedächtnis, Gewisse und Verstand.
Es gibt manche, die hohe Dinge in den Schriften
verstehen, aber keine Vernunft haben, ihnen fehlt ein
Glied. Es gibt andere, die ein vernünftiges Gewissen
haben, aber keine Einsicht. Andere haben Einsicht, aber
keine Erinnerung, und diese sind schwer krank. Aber eine
gesunde Seele haben die, deren Vernunft, Gedächtnis und
Einsicht gesund sind.
Der Körper hat ferner drei Verwahrungsräume. Der erste
ist das Herz, über dem ein dünnes Häutchen liegt, das
verhindert, dass irgendetwas Unreines ins Herz
hineinkommt. Denn wenn die kleinste Infektion das Herz
erreicht hat, würde der Mensch sofort sterben. Der
andere Verwahrungsraum ist der Magen. Der dritte sind
die Eingeweide, wo die Schadstoffe ausgeschieden werden.
So muss auch die Seele in geistlicher Hinsicht drei
Verwahrungsräume haben. Der erste ist die Sehnsucht nach
Gott; sie muss so brennend sein, dass die Seele nichts
inniger ersehnt als mich, ihren Gott. Sonst wird die
Seele gleich angesteckt, wenn irgendeine böse Begierde,
sie mag noch so unbedeutend sein – in sie eindringt. Der
zweitens, der dem Magen entspricht, ist das kluge
Einrichten der Zeiten und der Taten. Denn so wie das
Essen im Magen verdaut wird, so soll jede Zeit, jeder
Gedanke und jede Tat nach göttlicher Anordnung geordnet,
nützlich und weise geplant werden. Der dritte
Verwahrungsraum, der den Eingeweiden entspricht, ist die
göttliche Zerknirschung. Dadurch wird aus Unrein
fortgespült, und die Kost der göttlichen Weisheit
schmeckt besser.
Ferner hat der Leib drei Dinge, mit denen er sich hilft,
nämlich den Kopf, die Hände und die Füße. Das Haupt
bezeichnet die göttliche Liebe. Denn wie sich im Kopf
alle fünf Sinne befinden, so schmeckt der von göttlicher
Liebe entzündeten Seele all das lieblich, was von Gott
gesagt, gehört und gesehen wird, und das, was von ihm
befohlen wird, das wird treu erfüllt. Ja, wie der Mensch
ohne Haupt tot ist, so ist die Seele ohne Liebe tot für
Gott; Gott ist ja ihr Leben.
Die Hände der Seele bezeichnen den Glauben. Denn so wie
es mehrere Finger an der Hand gibt, so gibt es im
Glauben mehrere Artikel, obwohl der Glaube nur ein
einziger ist. Durch den Glauben wird jeder göttliche
Wille (des Menschen) vervollkommnet, und er muss mit
jeder guten Tat zusammenwirken. Denn wie die Tat nach
außen hin mit den Händen verwirklicht wird, so wirkt der
Heilige Geist inwendig durch den Glauben. Dieser Glaube
ist gewiss die Basis aller Tugenden, denn wo kein Glaube
ist, da ist die Liebe und die gute Tat auch nichts.
Die Füße der Seele ist die Hoffnung, womit die Seele zu
Gott hindrängt. Denn wie der Körper mit Hilfe der Füße
voranschreitet, so naht sich die Seele durch die
göttliche Sehnsucht und die Schritte der Hoffnung. Aber
die Haut, die alle Glieder bedeckt, bezeichnet den
göttlichen Trost, der die Seele tröstet, den nichts in
seiner Ruhe erschüttern kann. Und wenn der Teufel auch
manchmal Erlaubnis erhält, das Gedächtnis und manchmal
die Hände und Füße zu beunruhigen, so verteidigt Gott
doch immer die Seele wie ein Kämpfer und tröstet sie wie
ein liebvoller Vater und heilt sie wie ein Arzt, damit
sie nicht sterben soll.
Die Seele des Mannes, über den ich zu dir sprach, war in
Gefangenschaft, denn sie verdiente es, die Hände wegen
ihres unbeständigen Glaubens zu verlieren; sie hatte
nämlich nicht den rechten Glauben. Aber jetzt ist die
Zeit des Erbarmens gekommen, und das aus zwei Gründen.
Erstens um meiner Liebe willen, zweitens um der Gebete
meiner Auserwählten willen. Daher soll mein Freund die
vorher genannten Worte über ihn lesen, und drei Dinge
mag er selber tun: Erstens das zu Unrecht erworbene Gut
zurückzugeben, zweitens sich von der römischen Kurie
Sündenerlass für seinen Ungehorsam zu verschaffen,
drittens es unterlassen, meinen Leib im Altarsakrament
für gewonnen Ablass zu empfangen.
116. Kapitel
Der Sohn spricht: „Ich rede zu dir in einem Gleichnis.
Es ist so wie drei Männer. Der erste sagt: „Ich glaube,
dass du weder Gott noch Mensch bist.“ So spricht der
Heide. Der zweite, d.h. der Jude, glaubt, ich sei Gott,
aber nicht Mensch. Der dritte, d.h. der Christ, glaubt,
ich sei Gott und Mensch, aber glaubt nicht an meine
Wort.
Ich bin der, über den man dir Stimme des Vaters hörte:
„Dies ist mein geliebter Sohn“ usw. Deshalb klage ich im
Namen meiner Göttlichkeit darüber, dass die Menschen
mich nicht hören wollen. Ich habe gerufen und gesagt:
„Ich bin der Anfang. Wenn ihr an mich glaubt, sollt ihr
das ewige Leben haben,“ aber sie haben mich verachtet.
Sie haben die Macht meiner Göttlichkeit gesehen, als ich
Tote auferweckte und viele andere Zeichen tat, und doch
haben sie nicht darauf geachtet.
Ich habe auch im Namen meiner Menschlichkeit darüber
geklagt, dass sich niemand darum kümmert, was ich in der
heiligen Kirche gestiftet habe. Ich habe sozusagen
sieben Gefäße in der Kirche eingesetzt, und in denen
sollten sie alle gereinigt werden. Ich habe nämlich die
Taufe zur Reinigung von den Erbsünden gestiftet, die
Konfirmation als Zeichen der Versöhnung mit Gott, die
letzte Ölung zum Schutz gegen den Tod, die Buße zur
Vergebung aller Sünden, ferner die heiligen Worte, mit
denen das Sakrament das Alters geheiligt und geweiht
wird, die Priesterweihe zur Würdigung, zur Kenntnis von
Gott und zur Erinnerung an die göttliche Liebe, die Ehe
zur Vereinigung der Herzen. Diese (Zeichen) müssen mit
Demut empfangen werden, mit Reinheit bewahrt und ohne
Gewinnsucht gegeben werden.
Ich klage auch über dies: Ich bin um der Erlösung der
Menschen willen geboren und gestorben, so dass der
Mensch, wenn er mich nicht deshalb lieben will, weil ich
ihn geschaffen habe, mich zu mindesten deshalb lieben
soll, dass ich ihn erlöst habe. Aber jetzt vertreiben
mich die Menschen aus ihrem Herzen wie einen Aussätzigen
und verabscheuen mich wie ein unreines Gewand.
117. Kapitel
Als ein Mann das Paternoster las, hörte die Braut, wie
der Geist sagte: „Mein Freund, ich antworte dir im Namen
der Gottheit, dass du mit deinem Vaters das Erbe haben
sollst. Zweitens sage ich dir im Namen der
Menschengestalt (Christi), dass du mein Tempel werden
sollst, drittens im Namen des Geistes, dass du keine
Versuchung über das hinaus haben sollst, was du tragen
kannst. Der Vater wird dich nämlich verteidigen, die
Menschengestalt Christi wird dir beistehen, der Geist
wird dich entzünden.
Denn wie die Mutter, wenn sie die Stimme ihres Sohnes
hört, ihm froh entgegen springt, und wie der Vater, wenn
er seinen Sohn arbeiten sieht, ihm auf halben Wege
entgegeneilt und seine Bürde erleichtert, so eile ich
meinen Freunden entgegen und mache ihnen das, was schwer
ist, leicht, so dass sie es frohen Mutes tragen können.
Und wie jemand, der etwas Angenehmes sieht, keinen Trost
findet, wenn er ihm nicht näher kommt, so nahe ich mich
denen, die sich nach mir sehnen.“
118.
Kapitel
Der Sohn spricht: „Wer sich mit mir vereinen will, muss
seinen Willen nach mir richten und seine Sünden bereuen.
Dann wird er von meinem Vater zur Vollkommenheit
gelenkt. Der Vater zieht ja den zu sich, der seinen
bösen Willen zu einem guten Willen wandelt und gerne
Besserung für seine Sünden tun möchte. Aber wie zieht
der Vater (den Menschen zu sich)? Sicher dadurch, dass
er dessen Willen im Guten vervollkommnet, denn wenn das
Gemüt nicht gut wäre, hätte der Vater nichts, was er zu
sich ziehen könnte.
Doch bin ich für manche so kalt, dass ihnen mein Weg in
keiner Weise behagt. Für andere bin ich dagegen so heiß,
dass es ihnen vorkommt, als ob sie in einem Feuer
stecken, wenn sie etwas Gutes tun sollen. Aber für
andere bin ich so lieblich, dass sie nichts anderes
begehren, als mich. Denen will ich meine Freude
schenken, die niemals enden wird.“
119.
Kapitel
Die Mutter sagt: „Mein Sohn hat sieben gute Dinge. Er
ist nämlich am allermächtigsten, ja so mächtig wie das
Feuer, das alle verzehrt. Zweitens ist er am
allerweißesten, und seine Weisheit kann niemand
ergreifen oder zusammenfassen, ebenso wenig, wie man das
Meer ausschöpfen kann. Drittens ist er am
Hallerstärksten, ja so stark, wie ein unbeweglicher
Berg. Viertens ist er am allertugendhaftesten, wie die
Blume, aus der die Biene Honig saugt Fünftens ist er am
allerschönsten, wie die strahlende Sonne. Sechstens ist
er am Hallergerechtesten, wie der König, der einen
schont, wenn das gegen die Gerechtigkeit ist. Siebentens
ist er am allermildesten, wie ein Herr, der sich selber
für das Leben seines Dieners opfert.
Im Gegensatz hierzu duldete er sieben andere Dinge.
Wegen seiner Macht wurde er nämlich zu einem Wurm
gemacht. Wegen seiner Weisheit wurde er als der
Törichtste angesehen, wegen seiner Stärke als ein
Wickelkind, wegen seiner Schönheit als ein Leprakranker.
Wegen seiner Tugend stand er nackt und gefesselt da.
Wegen seiner Gerechtigkeit wurde er als ein Lügner
angesehen. Wegen seiner Milde erlitt er den Tod.“
120.
Kapitel
Der Sohn (Jesus Christus) spricht: „Zwischen mir und ihm
ist ein Häutchen, und daher gefällt ihm meine
Lieblichkeit nicht, denn er sehnt sich nach etwas
anderem mehr als nach mir.“ Die Braut, die das hörte,
sagte zum Herrn: „Ob er jemals irgendein Vergnügen
hatte?“
Der Herr erwiderte: „Es gibt ein zweifaches Vergnügen,
nämlich ein geistliches und ein körperliches.
Das körperliche oder natürliche Vergnügen ist das, wenn
der Mensch für seinen Lebensunterhalt Nahrung zu sich
nimmt, wobei er so denken soll: „O Herr, du hast uns
angeboten, Nahrung allein für unseren Lebensunterhalt zu
uns zu nehmen; Lob sei dir!“ Schenk mit Gnade, dass mich
jetzt, wo ich Nahrung zu mir nehme, keine Sünde
überkommt!“ aber wenn ein Vergnügen an weltlichem Gut
entsteht, dann soll der Mensch so denken: „O Herr, alles
Irdische ist nur Staub und Vergänglichkeit; schenk mir
daher Gnade darüber zu verfügen, dass ich mir dessen
bewusst bin, vor dir Rechenschaft über alles abzulegen.“
Geistliches Vergnügen ist, wenn die Seele sich an Gottes
Wohltaten erfreut und die zeitlichen Dinge benutzt und
sich damit nur gezwungen und des Lebensunterhalts wegen
befasst. Aber das Häutchen verschwindet, wenn Gott der
Seele lieb ist, und wenn die Furcht vor ihm ständig im
Gemüt ist.“
121. Kapitel
Ein Teufel zeigte sich und sagte: ”Sieh, der Mönch ist
weggeflogen, und nur der Schatten bleibt zurück.“ Der
Herr sagte zu ihm: „Erkläre was du meinst!“ Der Teufel
antwortete: „Das werde ich tun, wenn auch ungern. Ein
wahrer Mönch ist sein eigener Wächter; seine Kleidung
ist Gehorsam und die Beachtung der Klosterregel. Denn
wie der Leib von den Kleidern bedeckt wird, so die Seele
von den Tugenden.
So hat die äußere Kleidung keinen Wert, wenn die innere
nicht bewahrt wird, denn es ist nicht die Kleidung,
sondern die Tugend, die den Mönch ausmacht.
Dieser Mönch ist fort geflogen, als er dachte: „Ich
kenne meine Sünde; ich will mich hinfort bessern und mit
Gottes Hilfe nie mehr sündigen.“ Mit diesem Vorsatz ging
er von mir fort und ist jetzt dein.“ Der Herr sagte:
„Wieso bleibt der Schatten übrig?“ Der Teufel
antwortete: „Wenn er sich nicht an seine begangenen
Sünden erinnert und sie nicht so vollkommen bereut, wie
er sollte.“
Erklärung
Dieser Bruder
sah in der Hand des Priesters, als Christi Leib (in der
Kommunion) erhöht wurde, unseren Herrn Jesus Christus in
Gestalt eines Knaben, der zu ihm sagte: „Ich bin Gottes
Sohn und der der Jungfrau.“ Er sah auch ein Jahr im
voraus die Stunde für seinen Heimgang, worüber in vielen
Kapiteln der Lebensbeschreibung der hl. Frau Birgitta zu
lesen steht. Er führte das enthaltsamste Leben. Als er
sterben sollte, sah er eine goldene Schrift mit drei
Goldbuchstaben: P, O und T. er erzählte das seinen
Brüdern und sagte: „Komm Petrus; beeile dich, Olov und
Tord!“ Und nachdem er nach diesen gerufen hatte, starb
er. Die genannten Brüder starben in derselben Woche und
folgten ihm.
Von demselben Bruder handelt auch Kap. 55 in den
beigefügten Offenbarungen: „Ein Mönch von heiligen
Wandel“ usw.
122. Kapitel
Dieser ist mein Todfeind, denn er macht sich mit seinem
Spott über mich lustig. Er setzt seinen Willen durch und
frönt seiner Lust, so weit er kann. Er ist so wie der,
der auf einer schmalen Brücke liegt, und an dessen
linker Seite die größte Tiefe ist, aus der er sich nie
mehr erheben kann, wenn er darein fällt, und an dessen
rechten Seite ein Schiff ist, in das er hinabsteigen
kann, denn dann kann er, wenn auch nur mit Mühe,
davonkommen, und es besteht Hoffnung auf sein Leben.
Diese Brücke ist sein Leben, traurig und kurz; er steht
da nicht wie ein mannhaft kämpfender Mann und auch nicht
wie ein Pilger, der jeden Tag auf dem Wege weiter
schreitet, sondern er liegt da ganz bequem und möchte
das Wasser der Lust trinken. Deshalb stehen ihm zwei
Dinge bevor, wenn er sich von der Brücke erhebt. Wenn er
sich nach links wendet, d.h. sich den Werken des
Fleisches zuwendet, landet er im Abgrund, d.h. in der
Tiefe der Hölle. Wenn er aber ins Schiff hinunter
springt wird er, wenn auch nur mit Mühe, davonkommen,
denn es ist mühsam für ihn, die Strenge der Kirche und
ihre Verordnungen zu akzeptieren, aber er wird dadurch
erlöst werden.
Also soll er sich schleunigst umdrehen, so dass ihn
nicht der Feind von der Brücke stürzen kann, denn dann
wird er rufen, sondern nicht gehört und in Ewigkeit
gepeinigt werden.“
Zusatz
Als dieser
Mann sah, dass der König sich geändert hatte und dass er
nicht wie früher bei ihm Gehör finden konnte, wurde er
gegen Frau Birgitta feindlich gestimmt. Als sie einmal
durch eine enge Straße ging, schüttete er aus einem
Fenster Wasser über sie. Sie sagte da zu den Anwesenden:
„Möge Gott ihn schonen und ihm dafür nicht in einem
kommenden Leben vergelten.“
Darauf zeigte sich Christus Frau Birgitta während einer
Messe und sagte: „Der Mann, der aus Bösewilligkeit aus
dem Fenster Wasser auf dich geschüttet hat, er dürstet
nach Blut und hat Blut vergossen; ersehnt sich nach der
Welt und nicht nach mir. Er redet frech gegen mich, ehrt
sein Fleisch statt mich, seinen Gott, und schließt mich
von sich und seinem Herzen aus. Er soll sich vorsehen,
dass er nicht in seinem Blute stirbt.“
Dieser Mann lebte dann nur noch kurze Zeit und starb an
Nasenbluten, wie Birgitta vorausgesagt hatte.
123. Kapitel
Der Sohn (Christus) spricht zur Braut: „Ich bin wie der
Bräutigam, der sich mit einer Braut verlobt hat, die
aber der Vater, die Mutter, die Schwester und der Bruder
wieder zurück haben möchte. Der Vater sagt nämlich: „Gib
mir meine Tochter zurück, denn sie ist aus meinem Blut
geboren.“ Die Mutter sagt: „Gib mir meine Tochter
zurück, denn sie ist mit meiner Milch genährt.“ Die
Schwester sagt: „Gib mir meine Schwester zurück, denn
sie ist mit mir zusammen aufgewachsen.“ Der Bruder sagt:
„Gib mir meine Schwester zurück, denn es steht mir zu,
über sie zu befehlen.“
Der Bräutigam antwortet ihnen: „O Vater, wenn sie aus
deinem Blut geboren ist, soll sie jetzt mit meinem Blut
gefüllt werden. O Mutter, wenn du sie mit deiner Milch
genährt hast, werde ich sie jetzt mit meiner Freude
erfüllen. O Schwester, wenn sie nach deiner Sitte
erzogen ist, soll sie jetzt meine Sitte einhalten. O
Bruder, wenn du bisher über sie befohlen hast, so kommt
es mir nun zu, über sie zu befehlen.“
So ist es mit dir geschehen. Denn wenn dein Vater, d.h.
die Fleischeslust, dich zurück haben möchte, so kommt es
mir zu, dich mit meiner Liebe zu erfüllen. Wenn deine
Mutter, d.h. die weltliche Sorge, dich zurück haben
möchte, so kommt es mir zu, dich mit der Milch meiner
Freude zu nähren. Wenn deine Schwester, d.h. die
Gewohnheit des weltlichen Umgangs, dich zurückhaben
will, so sollst du lieber meiner Sitte folgen. Wenn dein
Bruder, d.h. dein Eigenwille, dich zurück haben will, so
bist du verpflichtet, meinen Willen zu tun.“
124.
Kapitel
Agnes spricht zur Braut (Birgitta) und sagt: „Komm,
Tochter, und setz dich auf diese Krone, die aus sieben
kostbaren Steinen gemacht ist. Was ist die Krone, wenn
nicht die Prüfung der Geduld, die aus Kümmernissen
geschmiedet wird und von Gott mit Schmuck geziert wird?
Der erste Stein in der Krone ist ein Jaspis. Der wird
von dem in deine Krone gesetzt, der dir verächtlich
sagte, er wüsste nicht, aus welchem Geist heraus du
sprechen würdest, und dass es nützlicher für dich wäre,
dazusitzen und zu spinnen wie andere Frauen, als mit der
Stütze auf die Schriften zu disputieren.
Deshalb: Wie der Jaspis das Sehvermögen schärft und
Freude in der Seele entzündet, so wird Gott durch
Trübsal Freude in deiner Seele entzünden, den Verstand
durch geistliche Dinge erleuchten und die Seele von
ungebührlichen Neigungen reinigen. Der andere Stein ist
der Saphir und der wird von dem in deine Krone gesetzt,
der in deinem Beisein gut von dir sprach, aber dann
hinter deinem Rücken anders von dir redete. Wie der
Saphir dir Farbe des Himmels hat und die Glieder frisch
hält, so prüft also die Bosheit der Menschen den
Gerechten, dass er sich nach dem Himmel sehnt und die
Glieder der Seele bewahrt, dass sie nicht hochmütig
wird. Der dritte Stein ist der Smaragd. Er wird von dem
in diene Krone eingesetzt, der sagte, dass du gesagt
hättest, was du in Wirklichkeit weder gedacht noch
gesagt hast.
Deshalb: Wie der Smaragd in seiner Natur zerbrechlich
ist, aber doch schön und von grüner Farbe, so wird die
Lüge schnell zunichte, aber er macht die Seele doch
schön durch die Belohnung für ihre Geduld. Der vierte
Stein ist die Perle. Sie wird von dem in deine Krone
eingesetzte, der in deiner Gegenwart einen Gottesfreund
schmähte, über dessen Schimpfen du dich mehr betrübtest,
als über das Schimpfen über dich selbst.
Deshalb: Wie die Perle weiß ist und schön ist und die
Not des Herzens leichter macht, so lenkt Gott die Trauer
der Liebe in die Seele und mildert die Leidenschaften
des Zornes und der Ungeduld.
Der fünfte Stein ist der Topas. Er wird von dem in deine
Krone eingesetzt, der dir bittere Dinge sagte, und dem
du als Entgelt Segensworte sagtest. Deshalb: wie der
Topas die Farbe des Goldes hat und die Keuschheit und
Schönheit bewahrt, so ist für Gott nichts schöner und
wohlgefälliger, als dass man den liebt, der einen
kränkt, und dass man für seinen Verfolger betet.
Der sechste Stein ist der Diamant. Er wird von dem in
deine Krone eingesetzt, der dir körperlichen Schaden
zufügte, den du geduldig getragen hast, indem du den,
der dir geschadet hat, nicht verunehren willst. Daher:
Wie der Diamant nicht von Hammerschlägen zertrümmert
wird, sondern nur vom Blut der Böcke, so gefällt es
Gott, dass der Mensch um seinetwillen seinen
körperlichen Schaden vergisst und immer daran denkt, was
Gott um des Menschen Willen getan hat.
Der siebente Stein ist der Karfunkel. Er wird von dem in
deine Krone eingesetzt, der dir falsche Neuigkeiten
brachte, dass nämlich dein Sohn Karl tot sei, was du
geduldig getragen hast und deinen Willen Gott übergeben
hast. Deshalb: Wie der Karfunkelstein im Hause leuchtet
und der schönste in einem Ring ist, so weckt der Mensch,
der geduldig ist, wenn er etwas Liebes verliert, Gott
zur Liebe, und leuchtet und glänz in den Augen der
Heiligen, wie ein Kostbarer Stein.
Bleibe daher standhaft, meine Tochter, denn noch sind
ein paar Steine erforderlich, um deine Krone zu
vergrößern. Denn Abraham und Hiob wurden durch ihre
Prüfungen besser und bekannter und berühmter, und
Johannes wurde heiliger durch das Zeugnis, das er für
die Wahrheit ablegte.“
125.
Kapitel
Die Mutter (Maria) spricht: „Es gibt sieben Tiere. Das
erste hat große Hörner, wegen derer es hoffärtig ist,
und die es veranlassen, mit anderen Tieren Krieg
anzufangen. Es stirbt jedoch bald, denn auf Grund der
gewaltigen Hörner kann es nicht rasch springen, sondern
wird durch Büsche und Gestrüpp gehindert. Das zweite
Tier ist klein. Es hat ein einziges Horn und darunter
einen kostbaren Stein. Dieses Tier lässt sich nicht
fangen, denn wenn es eine Jungfrau sieht, läuft es ihr
gleich in die Arme und wird so von ihr getötet.
Das dritte Tier hat keine Glieder, und deshalb steht es
ständig und ruht an einem Baum. Wenn der Jäger es sieht,
haut er den Baum in der Mitte durch. Das Tier sucht
seine Ruhe wie gewöhnlich, aber wenn der Baum darauf
stürzt, kann es nicht eingefangen werden. Das vierte
Tier sieht höchst harmlos aus und schadet niemandem,
weder mit den Füßen noch mit den Hörnern. Aber jeder,
der seinen Atem kennt, wird aussätzig, denn dieses Tier
ist von Natur aus innen vollkommen leprakrank.
Das fünfte Tier ist überall ängstlich und fürchtet eine
Hinterlist. Das sechste Tier fürchtet nicht anderes als
sich selbst. Wenn es sein Schattenbild sieht, springt es
sich fast zu Tode. Es möchte sich ständig an dunklen und
verschwiegenen Plätzen aufhalten. Das siebente Tier
fürchtet nichts, nicht einmal den Tod, denn es weiß
nichts vom Tod, bevor er kommt. Dieses Tier hat vier
besondere Eigenschaften. Erstens spürt es innerlich eine
unaussprechliche Freude. Zweitens kümmert es sich nicht
ums Fressen, denn es frisst einfache Dinge von der Erde.
Drittens steht es niemals still, sondern springt ständig
herum. Viertens ruht es, sogar wenn es sich anderswo
hinlegt, und bewegt sich mit mäßiger Geschwindigkeit.
Das erste Tier ist mit einem Mann zu vergleichen, der
sich über seine Würde erhebt, aber der, wenn er sich
nicht in Acht nimmt, schnell ergriffen wird, da er mit
guten Taten spät und langsam ist. Das zweite Tier, das
stolz ist auf den kostbaren Stein, den es unter dem Horn
hat, bezeichnet einen Mann, der sich auf Grund des
kostbaren Steins der Keuschheit auf sich selbst verlässt
und vermessene Gedanken über sich selbst hat, der nicht
auf Ermahnungen hören will, sondern sich für mehr als
andere hält, und der sich deshalb sehr davor hüten soll,
dass er nicht von Hochmut eingeschnürt wird, der das
Antlitz einer Jungfrau hat, aber tödliche Stiche
austeilt.
Das dritte Tier, das keine Glieder hat, ist mit einem
Mann zu vergleichen, der die Glieder des geistlichen
Begehrens nicht besitzt und der deshalb, wenn er glaubt,
in Sicherheit zu leben, in dem gefangen wird, was ihn
belustigt. Das vierte Tier, das inwendig ganz voll
Aussatz ist, bezeichnet einen Mann, der ganz aussätzig
von Hochmut ist und der deshalb alle ansteckt, die zu
ihm halten.
Die Eigenschaften der drei folgenden Tiere sollen zu
seiner Zeit offenbart werden. Denn das erste dieser
Tiere ist wie Thomas fromm und zweifelnd, und kann mit
einem geglätteten, geputzten Quaderstein verglichen
werden. Das zweite Tier ist wie Gold im Feuer und wie
eine vergoldete Flöte, die im kostbarsten Futteral
verwahrt wird. Das dritte Tier ist wie eine bemalte
Tafel, die mit edleren Farben bemalt werden könnte.
Wenn sich nun die lasterhaften Männer, die mit den vier
erstgenannten Tieren gemeint sind, zu mir bekehren, so
werde ich ihnen entgegeneilen und ihre Bürde
erleichtern. Warum nicht – ich werde ihnen ein Tier
zusenden, das schneller als der Tiger ist und sie
verzehren wird. Und, wie geschrieben steht, ihre Tage
sollen kurz werden, ihre Kinder sollen vaterlos bleiben
und ihre Ehefrauen Witwen, und ihre Ehre soll in Schande
und Unehre verwandelte werden.“
Erklärung
Das erste
Tier, d.h. der erste Bischof, war hochmütig wegen seiner
vornehmen Herkunft, wurde aber durch Worte des Heiligen
Geistes umgewandelt. Er kam nach Rom und folgte Frau
Birgitta bis Neapel. Als sie in Benevent waren,
erkrankte er schwer an Nierenstein. Dem Kranken sagte
der Heilige Geist durch Frau Birgitta: „Dem kranken
König von Israel wurde befohlen, einen Verband um seine
Wunde zu legen. Das soll auch dieser tun: Er soll
nämlich in seinem Herzen wahre Liebe zu Gott erwecken,
denn das ist das beste Heilmittel. Er wird sich dann
gleich wieder gesund fühlen.“ Als er das hörte, legte er
ein Gelübde ab und wurde an Leib und Seele wieder
gesund. Über diesen Bischof steht in Buch III. Kap. 12
zu lesen. Das zweite Tier, d.h. der andere Bischof,
zeichnete sich durch große Reinheit aus. Über ihn steht
in Buch III, Kap. 13 zu lesen.
Das dritte Tier, d.h. der dritte Bischof, der mit einem
Elefanten verglichen wird, veränderte sich zum Besseren.
Christus sagt: „Wozu hat dieser Bischof geraten? Ja, er
machte den Vorschlag, dass eine Vermählung illegal
gehalten werden sollte, so dass die gemachten Ausgaben
nicht vergebens sein sollten, und er sagte, dass ein
Dispens vom Papst leicht zu erhalten sein würde.
Aber nun höre, was ich sage! Ein jeder, der bewusst und
vorsätzlich gegen Gott sündigt, zieht sich Gottes
Gericht und Trübsal auf Erden zu, wenn er nicht tief
bereut. Aber der, der die Sündenlast eines anderen auf
seinem Rücken legt, sündigt schlimmer, denn er hat keine
Furcht und kümmert sich nicht um die Erlösung seiner
Seele. O welche Vermessenheit und welcher Mangel an
Liebe ist es doch, die Schlüssel des Rechts in der Hand
zu haben, aber wegen einer geringen und vergänglichen
Angelegenheit sich etwas gegen die Schlüssel und das
Recht vorzunehmen!
Er soll also versuchen, Gott gnädig zu stimmen und die
echten Ehegatten zu fruchtbarer Buße und gebührender
Absolution zu veranlassen. Sonst werden seine Tage
verkürzt werden und er selbst wird vor mein Gericht
kommen, und der Fall seiner Kirche wird so groß werden,
dass sie kaum wieder aufgebaut werden kann. Das, was die
Vermählten haben möchten, wird zunichte werden, und sie
selbst werden verachtet werden.
Du, meine Tochter, schreibe an die echten Gatten, die du
kennst, dass ihre Kinder – wenn sie sich nicht bessern
und Absolution begehen – nicht lange leben, werden, und
das, was sie gesammelt haben, in andere Hände gelangt.“
Weiter sagt er über denselben Bischof: „Dieser Bischof
kam demütig zu mir wie der, der sein Erbteil vergeudete
und Baumfrüchte essen musste, demütig zu seinem
zurückkam. Wahrlich, meine Tochter, das Weltliche ist
wie eine Treber, wenn der Kern, d.h. Gott, aus dem
Herzen vertrieben wird und man sich unnötige und
fruchtlose Arbeit machen will und die Welt mehr liebt
als Gott.
Aber weil dieser Bischof nun anfängt, mich und sich
selber kennen zulernen, werde ich ihn wie einen guten
Vater behandelt, indem ich vergesse, was gewesen ist,
ihm auf halbem Wege entgegeneile, ihm einen Ring an
seine Hand stecke und ihm Schuhe an die Füße ziehe und
ihm das gemästete Kalb zu essen gebe. Denn von diesem
Tage an, werden seine Werke von einer Brennendären Liebe
zu mir gekennzeichnet sein; die göttliche Geduld und die
göttliche Weisheit werden ihm besser als vorher helfen,
seine Mitmenschen zu gewinnen, und er wird auch eifriger
und gewissenhafter werden, meinen Leib (in der
Kommunion) zu nehmen und zu ehren. Diese Gabe hat meine
liebste Mutter ihm erwirkt – sie, die Schutzpatronin für
seine Domkirche ist.
Das vierte Tier, d.h. der vierte Bischof, der weiter mit
seinem Aussatz behaftet blieb, wurde plötzlich ohne
Sakrament abgerufen. Über diesen steht in Buch VI, Kap
17 zu lesen. Das fünfte Tier war wie ein Quaderstein,
ein in allen Dingen kluger und maßvoller Mensch. Über
diesen steht in Buch III, Kap. 33 zu lesen. Das sechste
Tier, d.h. der sechste Bischof, war ein gottesfürchtiger
Mann, der ständig gewissenhaft sein Herz erforschte. Er
leitete weise seine Kirche und befreite sie von vielen
Auflagen.
Als er tot war, sagte Christus über ihn: „Die goldene
Schrift sagt, dass Gottesfurcht der Weisheit Anfang ist.
Das ist wahr, aber ich sage, dass Gottesfurcht auch das
Ziel der Vollkommenheit ist. Weil dieser Bischof diese
Tugend hatte, kam er auf einem klugen Richtweg auf den
Weg der Erlösung.“
Das siebente Tier, d.h. der siebente Bischof, war
gekennzeichnet durch größte Enthaltsamkeit und Eifer für
Gott. Weder aus Furcht vor Unannehmlichkeiten und
Verlusten oder aus Freundschaft verschwieg er die
Wahrheit. Als er einmal im Gebet versunken war, gab er
den Geist auf. Von diesem Bischof handeln mehrere
Offenbarungen in der Biographie Birgittas. Es war Herr
Hemming, Bischof in Åbo (Turku), und er war ein Freund
der hl. Birgitta, wie aus Kap. 104 in den beigefügten
Offenbarungen hervorgeht.
Eine Offenbarung über den Bischof, der der Nachfolger
des zweiten Tieres ist. Gottes Sohn spricht: „Schreib an
den Bischof, dass raubgierige Vögel das Land überfallen
haben, um ihre Nester dort aufzuschlagen. Daher soll
dieser Bischof und seine Freunde daran arbeiten, dass
ihre Krallen abgewetzt werden, dass sie keinen Zugang zu
hohen Stellen erhalten und ihre Schwingen nicht in der
Gesellschaft ausbreiten. Sonst werden sie mit ihren
Schnäbeln und Klauen die Saat der Erde ausrotten, über
die Bergeshöhen fliegen und das Land in eine Einöde
verwandeln.“
126. Kapitel
Die Mutter der Barmherzigkeit sprach mit der Braut
Christi (Birgitta) und sagte: „Was sollen wir mit diesem
blinden Bischof machen? Er hat ja drei Eigenschaften: Er
arbeitet dafür, den Menschen mehr zu gefallen als Gott,
er liebt den Schatz nicht, den die Engel bewachen,
sondern den, den Diebe stehlen können, und er liebt
schließlich sich selber mehr als seinen Nächsten, und
mehr als seinen Gott.“
Und siehe, im selben Augenblick sah die Braut so etwas,
wie sechs Waagen, von denen drei niedrig herunterhingen,
da sie von seiner Bürde belastet waren, während drei
andere so leicht waren, dass sie hoch oben hingen, weil
man nichts auf ihnen sehen konnte außer etwas Leichtem,
das einer Flaumfeder glich. Und die Mutter sagte:
„Siehe, obwohl dieser Bischof die drei vorher genannten
schlechten Eigenschaften hatte, lebt er doch ständig in
Angst, und wegen dieser Furcht, die einen Ansporn zur
Liebe in sich birgt, ist es dir vergönnt, seine Lage zu
sehen.
Denn die schweren Waagschalen bezeichnen seine gegen
Gott gerichteten Taten, die seine Seele bedrücken. Sie
erscheinen dir als drei, da er durch seine Gier, seine
Reden und sein Tun wie eine Waage zu der Welt hin
heruntergedrückt wird. Die anderen drei Waagschalen
scheinen dir auf Grund seiner Leichtfertigkeit hoch zu
hängen, denn bald steigt er durch Gedanken, bald durch
seinen Willen, bald durch sein Tun hinauf zu Gott, doch
hat das Irdische das Übergewicht gegenüber dem
Geistlichen, denn mit Ersten beschäftigt er sich
eifriger und fleißiger, so dass ihn schon der Teufel an
den Füßen zieht und die Schlinge schon bereit ist.“
Die Braut erwiderte: „O du Frau der Milde, leg etwas auf
die Waagschalen!“
Die Mutter sagte: Agnes und ich haben gewartet, um zu
sehen, ob der Bischof sich an unsere Liebe erinnern
würde, aber er kümmert sich nicht besonders um unsere
Liebe erinnern würde, aber er kümmert sich nicht
besonders um unsere Fürsorge. Doch wollen wir mit ihm
verfahren wie drei Freunde, die am Wege saßen und ihn,
da sie ihn kannten, ihrem Freunde zeigten. Der erste von
Ihnen sagte: „O Freund, der Weg, den du gehst, ist weder
gerade noch sicher; wenn du ihn weitergehst, werden dir
die Räuber schaden, und wenn du dich sicher glaubst,
wirst du sterben.“
Der zweite sagte: „Der Weg, den du wanderst, scheint dir
angenehm zu sein, aber was nützt dir das, wenn der am
Ende Bitterkeit im Herzen verursacht?“ Der dritte sagte:
O Freund, ich sehe deine Krankheit, und deshalb soll es
dir nicht missfallen, wenn ich dir einen Rat gebe, und
du sollst nicht undankbar sein, wenn ich dir eine
besondere Liebe erweise.“ So wollen ich und Agnes mit
diesem Bischof umgehen. Wenn er auf den ersten hört,
wird der zweite ihm den Weg zeigen, und der dritte wird
ihn ins Land des Lichtes führen.“
Darauf zeigte sich der Braut das, was von oben zur
Unterweisung desselben Bischofs gesandt wurde, und dies
wird nun mitgeteilt.
Die Mutter spricht: „So soll dem Bischof gesagt werden:
Obwohl Gott alles tun kann, muss der Mensch doch selber
dabei mitwirken, dass man der Sünde ausweicht und man
die göttliche Liebe empfängt. Es gibt drei Mittel, um
der Sünde auszuweichen, und drei Mittel, die Liebe zu
empfangen. Die drei Mittel, um der Sünde auszuweichen,
bestehen darin, all das aufrichtig zu bereuen, was das
Gewissen belastet, das nicht mehr freiwillig begehen zu
wollen und das Begangene und die begangenen und
gebeichteten Sünden auf den Rat derer, die die Welt
verschmäht haben, standhaft zu bessern.
Die drei Mittel, die zum Erwerben der Liebe
zusammenwirken, sind folgende: Erstens, Gott um Hilfe zu
bitten, so dass die böse Begierde verschwindet und dem
Willen Raum gibt, das zu tun, was Gott gefällt. Denn die
Gottesliebe ist nicht zu erlangen, wenn man sich nicht
danach sehnt, und diese Sehnsucht ist nicht
vernunftgemäß, wenn sie nicht durch die Liebe zu Gott
Stetigkeit gewinnt.
Daher gibt es beim Menschen drei Dinge, ehe die Liebe
Eintritt gewinnt, und drei andere kommen hinzu, wenn die
Gottesliebe eingegossen wird. Vor dem Eingießen der
Gottesliebe beunruhigt sich der Mensch wegen der Ankunft
des Todes, vor der Verminderung seiner Güter und der
Freundschaften, vor weltlichen Unglücksfällen und
körperlicher Krankheit. Aber wenn er die Liebe empfängt,
tritt in der Seele Freude über die irdischen
Widrigkeiten ein, man leidet, und die Sinne ängstigen
sich davor, die Welt zu besitzen, aber freuen sich
darüber, Gott ehre zu erweisen und darüber, für Gottes
Ehre zu leiden.
Das zweite Mittel, wodurch die Liebe erworben wird,
besteht darin, Almosen von seinem Überfluss zu geben.
Denn wenn der Bischof Hausgerät und Gewänder hat, wie es
einem demütigen Prälaten zukommt, - zum notwendigen
Lebensunterhalt, aber nicht zur Prahlerei und zum
Überfluss, so soll er sich damit genügen lassen und den
Rest für Almosen verwenden. Wenn sich die armen Diener
der Prälaten durch zeitliche Güter und Besitztümer
anderer bereichern und sich damit hervortun, dann sollen
andere, wirklich Arme lauthals „Rache!“ über sie rufen.
Das dritte Mittel, Liebe zu erwerben, ist das Bemühen
der Liebe. Z.B. wenn jemand nicht mehr als ein einziges
Vaterunser liest, um Liebe zu gewinnen, so wird er Gott
gefallen, und die Gottesliebe wird ihn schneller
erreichen.“
Weiter sagte die Mutter zu ihrem Sohn Christus:
„Gesegnet seist du, Jesus Christus, vornehmster Kämpfer,
der du so schnell gewesen bist, den Weg zu laufen, und
so stark und ausdauernd im Streit. Es steht geschrieben,
dass David ein großer und starker Kämpfer war, aber er
war keineswegs so wie du. David kam aus weitem Abstand
angesprungen und schleuderte einen Stein gegen den
Feind, aber du nahtest dich dem Feind auf deinen Füßen
und zerschlugst ihm den Rücken.
David zog das Schwert des gefallenen Feindes und schlug
ihm den Kopf ab, aber du nahmst dem stehenden Feind das
Schwert ab, besiegtest ihn, als er lebte, mit deiner
Geduld und nahmst dem Starken seine Kraft mit deiner
Demut. Deshalb bist du der Kämpfer der Kämpfer; keiner
war oder wird dir gleich sein. Aus dem kraftvollen Vater
ging nämlich der stärkste Sohn hervor, und dieser
befreite seinen Vater und seine Brüder.
Ich bitte dich also, du huldreichster Kämpfer, dass du
diesen Bischof lehrst zu kämpfen, und Kraft, auf der
Rennbahn (? vädjoband) der Kämpfer zu laufen, so dass er
seinen Platz unter den wahren Kämpfern einnehmen kann,
die ihr Leben für das wahre Leben hingaben und ihr Blut
für deines geopfert haben.“
Der Sohn erwiderte: „Das Gebet der Liebe soll man nicht
gering achten. Die Schrift sagt ja, dass niemand zu mir
kommt, wenn der Vater ihn nicht zieht. Wenn der, der
zieht, stark ist, aber das, was gezogen wird, übermäßig
schwer ist, wird die Arbeit rasch vergeblich und wird
zunichte. Wenn das, was gezogen wird, angebunden ist,
kann dem, der zieht, nichts helfen oder ihm beistehen,
wenn er fällt. Wenn es unrein ist, ist es widerlich, es
noch zu ziehen.
Deshalb muss der, der gezogen werden soll und sich
ziehen lassen möchte, erst gereinigt werden und sich in
passender Weise vorbereiten, so dass es angenehm wird,
ihn mit den Händen zu ziehen. Aber um der Gebote meiner
Mutter willen soll diesem Bischof der rechte Weg gezeigt
werden, wenn er ihn sucht.“
Danach sagte die Mutter zur Braut: „Höre, denn es ist
dir vergönnt, geistliche Dinge zu vernehmen. Ich sagte
dir vorher, dass, wenn der Bischof den Weg sucht, soll
er ihm gezeigt werden. Deshalb werde ich ihm jetzt den
Weg zeigen. Wenn dieser Bischof den Weg wandern will,
von dem das Evangelium spricht, und einer von den
Wenigen sein Will, muss er drei Dinge haben, ehe er den
Weg einschlägt. Er muss zuerst die Last ablegen, die auf
ihm liegt und ihn bedrückt, d.h. die weltliche Lust und
den Geldbeutel, so dass er nicht die Welt liebt, so dass
er ihn nicht zum Überfluss und Hochmut anwendet, sondern
nur zu seinem notwendigen Lebensunterhalt – nach den
ehrbaren und demütigen Erfordernissen, und so dass er
alles, was er nicht benötigt, zu Gottes Ehre verwendet.
Das hat nämlich der gute Matthäus getan: Er legte die
schwere Bürde der Gewinnsucht ab, von der er doch nicht
verstand, wie schwer sie war, bevor er Gottes leichtes
und liebliches Joch auf sich nahm. Zweitens muss er
gegürtet und bereit sein, abzureisen, wie die Schrift
erzählt, dass Tobias, als er von seinem Vater geschickt
wurde, um Geld zu holen, einen zur Reise gekleideten
Engel am Weg fand.
Was bezeichnet diese Engel anderes, wenn nicht den
Priester und Bischof des Herrn, der rein im Fleisch und
im Begierden ist? Nach der Prophetie ist ja der Priester
der Engel des Herrn der Heerscharen, da er den Gott
empfängt und weiht, den die Engel sehen und anbeten. Was
bedeutet es, dass der Engel sich dem Tobias umgürtet am
Wege zeigte, wenn nicht, dass jeder Priester und Bischof
mit dem Gürtel der göttlichen Gerechtigkeit sein muss –
bereit, seine Seele für seine Schafe hinzugeben, bereit,
die Wahrheit mit Worten auszusprechen, bereit, den Weg
der Gerechtigkeit mit Taten zu veranschaulichen, bereit,
für Gerechtigkeit und Wahrheit zu leiden und sie nicht
auf Grund von Drohungen und Schmähungen zu verkleinern,
sie nicht auf Grund von falscher Freundschaft zu
verschweigen und nicht zu unterlassen, sie in die Tat
umzusetzen, weil ein paar Menschen ihm abraten.
Zu jedem Bischof, der in dieser Weise in Gerechtigkeit
gekleidet ist und nicht auf sich selbst vertraut,
sondern auf Gott – zu dem wird Tobias kommen, d.h. der
gerechte Mensch, und gerechte Menschen werden ihm
folgen, denn gute Beispiele und Taten nützen mehr, als
bloße Worte.
Drittens soll er Brot und Wasser verzehren, wie man,
über Elia liest, dass er an seinem Kopfende Brot fand,
und dass er von einem Engel ermahnt wurde, zu essen, da
er einen weiten Weg vor sich hatte. Was ist das Brot,
das Elia aß, und durch das er solche Kraft erhielt, wenn
nicht das leibliche und geistliche Gut, das ihm gegeben
wurde?
Das leibliche Brot wurde nämlich als Beispiel für andere
zubereitet, so dass man wissen sollte, dass es Gott
wohlgefällig ist, wenn man den maßvollen Lebensunterhalt
zur Erquickung des Leibes hat. Es wurde ihm auch
prophetische Eingebung und geistliche Stärke verliehen,
als er seinen 40 Tage langen Weg machte, so dass man
wissen sollte, dass der Mensch nicht vom Brot allein,
sondern von jedem Worte Gottes lebt.
Denn wenn Gott nicht den Trost der Prophetie in ihn
eingegossen hätte, wäre er sicher in Folge seiner
eigenen Schwachheit zu Grunde gegangen, denn er war an
sich ein schwacher Mann, aber stark durch Gott. Jeder,
der aufrecht steht und stark ist, hat Stärke und
Manneskraft durch Gott. Weil dieser Bischof nun schwach
ist, verordnen wir ihm ein Stück Brot, d.h. Gott über
alle Dinge zu lieben, wohlgeordnet, rein, wahrhaftig und
vollkommen.
Wohlgeordnet, so dass er nicht das Weltliche liebt, um
es im Überfluss zu besitzen; rein, so dass er keine
Sünde an sich oder am Nächsten liebt und keine schlechte
Angewohnheit nachäffen will; wahrhaftig, so dass er sich
keine Sünde im Vertrauen auf seine guten Werke erlaubt,
sondern mit seinen Kräften haushält und so der Gefahr
entgeht, auf Grund von allzu großem Eifer
zusammenzubrechen und zu Sünde und Kleinmut verleitet zu
werden, - oder dadurch, dass er die Bösen nachahmt und
ein Versehen für unbedeutend hält – vollkommen, so dass
ihm nichts so lieb ist wie Gott.
Weiter ermahnen wir ihn, Wasser bei dem Brot der Liebe
zu haben. Was ist dieses Wasser, wenn nicht das, ständig
die Bitterkeit des Leidens Jesu Christi zu bedenken. Wer
kann die Pein von Christi Menschengestalt in vollem Maß
bedenken, die er litt, als er darum bat, dass ihm der
Kelch des Leidens erspart bleibe, und als Bluttropfen
aus seinem Körper drangen?
Mit Recht war dieser Schweiß blutig, denn das Blut von
Gottes Menschengestalt wurde von der natürlichen Furcht
hervorgerufen, die er litt, so dass er zeigen konnte,
dass er ein wirklicher, nicht unscheinbarer Mensch war,
und nicht frei von Leiden. Der Bischof soll also dieses
Wasser trinken, wie Gott vor Herodes und Pilatus stand,
wie geplagt und verachtet er am Kreuz hing, und wie
seine Seite von einem Speer geöffnet wurde, so dass Blut
und Wasser daraus hervordrang.
Wenn der Bischof die drei genannten Dinge besitzt, ist
es für ihn weiter nützlich, zu wissen, wie er seine Zeit
vom Tagesbeginn bis zur Abenddämmerung einrichten soll.
So bald der Bischof aus dem Schlaf der Nacht erwacht,
soll er Gott für seine Liebe bei der Schöpfung danken,
für sein Leiden bei der Erlösung und für die Geduld, mit
der er seine Sünden und Unarten ertragen hat.
Wenn er aus dem Bett aufsteht und sich anzieht, soll er
sagen: „Die Erde muss einmal mit seiner Erde bekleidet
werden, und die Asche muss mit seiner Asche sein. Aber
da ich mit Gottes Vorsehung ein bischöfliches Amt
bekleide, um für andere ein Spiegel zu sein, bekleide
ich dich, deinen Esel, der mein Leib ist, mit Asche und
Erde, nicht aus Hochmut, sondern um dich zu bedecken, so
dass deine Nacktheit nicht zu sehen ist. Ich kümmere
mich nicht darum, falls deine Kleidung besser oder
dürftiger ist, nur dass sie so ist, dass das
Bischofsgewand zu Gottes Ehre zu erkennen ist und die
bischöfliche Amtsgewalt von anderen durch die Tracht zu
unterscheiden ist – zur Zurechtweisung und Unterrichtung
der Schwachen.
Daher bitte ich dich, mildester Gott, der mich in deiner
Gnade berufen hat: Gib mir einen Sinn, so dass ich durch
den großen Wert der „Asche“ nicht hochmütig werde oder
töricht mit der Farbe prahle, und gib mir die Stärke der
Tugenden, so dass – wie das Bischofsgewand auf Grund der
göttlichen Amts voll macht ehrwürdig vor anderen ist,
auch das Gewand der Seele in dir tugendreicher ist, und
ich nicht zur Strafe für einen unklugen Gebrauch der
Amts würde umso tiefer sinken muss, oder zur Strafe
dafür, dass ich eine ehrwürdige Tracht unwürdig getragen
habe, umso schimpfliger entkleidet und verdammt werde.“
Dann soll der Bischof seine Stundengebete lesen oder sie
singen, wenn er kann, denn eine je höhere Würde ein
Mensch erreicht hat, umso größere Ehre ist er
verpflichtet, Gott zu erweisen. Doch gefällt ein reines
und unbeflecktes Herz Gott ebenso im Schweigen wie im
Gesang. Wenn er dann die Messe gelesen hat (oder auch
vorher), mag der Bischof seine Tätigkeit ausüben, sei es
körperlich oder geistlich, und in allen seinen Werken
soll er Barmherzigkeit üben und an Gottes Ehre denken,
so dass es für die Schwachen nicht so aussieht, als ob
er sich mehr um das zeitliche als um das geistliche Gut
kümmern würde.
Wenn er zu Tisch geht, soll er so sprechen: „O Herr
Jesus Christus, der du willst, dass der Leib mit
leiblicher Speise ernährt wird, ich bitte dich, schenk
mir Hilfe, meinen Körper mit dem Notwendigen so zu
versehen, dass er durch unmäßiges Essen keinen
Widerwillen empfindet und auch nicht wegen allzu knapper
Kost verkümmert, und gib mir richtige Mäßigkeit, so dass
– wenn das, was von der Erde ist und vom Irdischen lebt
– der Herr der Welt nicht durch sein irdisches Geschöpf
zum Zorn gereizt wird.“
Wenn er dann zu Tische sitzt, mag er mit seinen
Tischnachbarn eine maßvolle Erquickung haben, aber so,
dass Verleumdung und Leichtfertigkeit vermieden werden.
Er soll sich auch davor hüten, dass man nicht so etwas
redet, wodurch andere in ihren Lastern befestigt oder
zur Sünde verleitet werden. Wer anderen zuhört, muss
nämlich bedenken, was sich schickt und was vor Gott
zulässig ist, was andere erbaut, und was zur Erlösung
dient. So wie alle Speise an einem irdischen Tisch
keinen Geschmack hat, wenn Brot und Wein fehlen, so ist
an einem geistlichen Tisch alles für die Seele
geschmacklos, wenn der Wein der Geistlichen Freude und
das Brot der Lehre Gottes fehlen.
Deshalb soll der Bischof bei Tisch etwas zu Gottes Ehre
reden, wodurch die, die mit ihm zusammensitzen, in ihren
Seelen gestärkt werden können, oder er soll etwas
Erbauliches vorlesen lassen, so dass bei ein und
derselben leiblichen Erquickung der Körper Nahrung
erhält, und die Seele geistlich unterwiesen wird.
Wenn die Mahlzeit beendet ist und man Gott für das Essen
dankt, soll der Bischof etwas reden, was von Nutzen ist,
und etwas verrichten, was sein Bischofsamt erfordert,
oder eine Weile schlafen, wenn dies für die Natur
nützlich ist, oder Bücher studieren, durch die er zum
Geistlichen gelenkt werden kann.
Nach dem Abendessen kann er sich mit den Freunden seines
Umgangs auf ehrbare Weise erfreuen und sich mit ihnen
trösten, denn wenn der Bogen allzu straff gespannt ist,
bricht er schneller. So gefällt Gott eine maßvolle
Freude um der Schwachheit des Fleisches willen. Aber wie
eine Mutter, wenn sie ihr Kind entwöhnen will, erst den
Busen mit Asche oder etwas Bitterem bestreicht, bis sich
das Kind an eine festere Nahrung gewöhnt hat, so soll
auch der Bischof mit den Seinen sein, so dass er in der
Freude Gemessenheit und bei der Enthaltsamkeit Milde
walten lässt, soweit er die Seinen durch Worte der
Gottesfurcht und Demut zu Gott hinlenkt.
Er kann sie dadurch lehren, Gott zu verehren und zu
lieben, und so wird er durch seine göttliche Amtswürde
sowohl ein Vater für seine Hausgenossen, als auch durch
wohlwollende Unterweisung ihre Mutter und Pflegerin.
Wenn er weiß, dass einer seiner Hausgenossen bis zum
Tode der Seele sündigt und sich weder durch strenge oder
milde Worte bessern lässt, soll er sich von diesem
trennen und ihn wegjagen. Er wird nämlich durch seine
Sünde auch nicht unbefleckt, wenn er ihn aus
Nützlichkeitserwägungen oder aus irdischer und
zeitgebundener Rücksicht behält.
Wenn er dann zu Bett geht, soll er sein Herz auf Gott
hin lenken und darüber nachdenken, wie seine Gedanken
und sein Begehren, seine Taten und Urteile während des
Tages gewesen sind, und er soll um Gottes Hilfe und
Erbarmen bitten und den festen Willen haben, sich zu
bessern, wenn er kann. Wenn er ins Bett geht, soll er
beten: „O Herr mein Gott, der du meinen Leib geschaffen
hast, sieh auf mich in deiner Barmherzigkeit und schenk
mit deine Hilfe, so dass ich nicht durch überlanges
Schlafen träge in deinem Dienst werde, und auch nicht
durch allzu kurzes Schlafen in deinem Dienst ermatte,
sondern lehre mich, den maßvollen Schlaf zu haben, den
du uns zur Erholung des Leibes verordnet hast, so dass
der böse Feind dem Leib nicht schaden soll oder durch
dein heimliches Gericht über die Seele Herr wird.“
Wenn er aus dem Bett aufsteht, mag er – wenn ihm des
Nachts etwas Unzulässiges passiert ist – es mit der
Beichte abwaschen, so dass der Schlaf der folgenden
Nacht nicht mit den Sünden der vorhergehenden begonnen
wird. Es steht ja geschrieben: „Die Sonne soll nicht
über eurem Zorn untergehen“, und sie soll auch nicht
über euren Gedanken und falschen Vorstellungen
untergehen. Manchmal wird nämlich die Sünde, die
lässlich und gering ist, in Folge von Versäumnis oder
Missachtung zu einer Todsünde. Ich sage auch, dass er
jeden Freitag Buße tut, indem er einem Priester demütig
beichtet – mit dem Willen, sich zu bessern, sonst dient
die Beichte zu gar nichts.“
Danach sagte Gottes Mutter: „Wenn der Bischof diesen Weg
geht, will ich ihn vor drei Dingen warnen. Erstens, dass
der Weg schmal wird, zweitens, dass es stechende Dornen
darauf gibt, drittens, dass er uneben und steinig ist.
Gegen diese drei Dinge will ich ihm aber drei
Hilfsmittel geben. Das erste ist, dass er sich Kleider
anzieht. Das zweite ist, dass er sich seine zehn Finger
vor Augen hält, durch die er wie durch ein Gitter
schauen soll, so dass nicht die Dornen seine bloßen
Augen leicht und schnell durchbohren. Das dritte ist,
dass er seine Füße vorsichtig auf den Boden setzt und
bei jedem Schritt genau darauf achtet, ob der Fuß einen
festen Halt hat, und dass er nicht übereilt beide Füße
auf einmal aufsetzt, wenn er sich nicht vorher überzeugt
hat, wie weit der Weg unsicher oder eben ist.
Was bezeichnet den schmalen Weg anders, wenn nicht die
Bosheit und weltliches Unglück verkehrter Menschen, das
den Gerechten auf seinem Weg der Gerechtigkeit hindert
und beunruhigt? Dagegen soll sich der Bischof mit den
Gewändern der Geduld und der Standhaftigkeit bekleiden,
denn es ist eine große Ehre, für Gerechtigkeit und
Wahrheit Schmach zu leiden.
Was bedeuten die zehn Finger, die er sich vor die Augen
halten soll, wenn nicht die zehn Gebote, die der
gerechte Mensch täglich als Spiegel benutzen soll, so
dass er, so oft ihn der Dorn der Schmähung sticht, die
Liebe zum Nächsten anwendet; so oft ihm die Liebe zur
Welt und des Fleisches Vergnügen macht, bedenkt, was
geschrieben steht: „Du sollst nicht begehren, sondern du
sollst deine Begierde zügeln und beherrschen.“ Wo immer
sich die göttliche Liebe findet, da gibt es ja Geduld in
Trübsal, Freude in Krankheiten, Trauer über das, was
überflüssig ist, Furcht vor Ehre, Demut in der Macht und
Sehnsucht danach, die Welt zu verlassen.
Was bedeutet es, dass er bei jedem Schritt nachprüfen
soll, wieweit die Füße einen festen Stand haben, wenn
nicht dies, dass er überall eine verständig Furcht haben
soll? Das Gerechte muss ja zwei „geistliche Füße“ haben,
nämlich die Sehnsucht nach dem Ewigen und den
Widerwillen gegen das Weltliche. Aber bei der ersteren
soll Klugheit herrschen, so dass er das Ewige nicht mehr
zu seiner eigenen Ehre, als zur Ehre Gottes ersehnt; er
soll stattdessen all seine Sehnsucht nach Gottes Willen
und Ehre richten. Bei der zweiten soll Vorsicht
herrschen, so dass nicht der Widerwille gegen die Welt
auf Grund von Überdruss am Leben und über eingetroffene
Missgeschicke oder Müdigkeit bei der Arbeit für Gott
unvernünftig wird. Ja, hier ist Vorsicht geboten, so
dass der Widerwille gegen die Welt auf der Sehnsucht
nach einem besseren Leben und Ekel an den Sünden beruht.
Wenn der Bischof diese beiden „Füße“ hat, indem er sogar
fürchtet, dass das, was gebessert ist, nicht genug
gebessert ist, und er auf diesem schmalen und
Dornbewachsenem Wege fortschreitet, da will ich ihn
weiter vor drei Widersachern warnen, die auf dem Wege
sind. Der erste Feind zischt ihm etwas in die Ohren. Der
zweite steht vor ihm, bereit, ihm ins Auge zu stechen.
Der dritte liegt vor seinen Füßen, ruft mit lauter
Stimme und hat eine Schlange zur Hand, um seine Füße zu
umgarnen, wenn die sich bei seinem Ruf erheben.
Der erste Feind sind die Menschen oder die teuflischen
Eingebungen, die auf den Bischof in dieser Weise
einwirken wollen: „Warum gehst du so demütig und auf
einem so schmalen Weg einher? Warum bürdest du dir so
viel Arbeit auf? Geschieht das deshalb, dass du heiliger
als alle anderen sein willst, wenn du tust, was kein
anderer tut? Schlage lieber den Weg ein, an dessen Rande
Blumen blühen, auf dem so viele wandern, so dass du
nicht Gefahr läufst, verächtlich zu versinken!
Was geht’s dich an, ob die Menschen ein gutes oder
schlechtes Leben führen? Was nützt es dir, denen
Vorwürfe zu machen, von denen du Ehre und Liebe gewinnen
kannst? Sie gehen ja weder dir oder den Deinen zu nahe!
Was berührt es dich, wenn sie Gott erzürnen? Tausche
stattdessen Geschenke mit ihnen aus! Nutze deine Ehre
und die Freundschaft der Menschen aus, so dass du in
gleichem Maße Ehrenbezeugungen der Menschen empfangen
kannst und das Himmlische erhältst! Sieh, ein solcher
Feind zischt und hat schon in vielen Ohren gezischt! Er
ist schuld daran, dass so viele Lampen, die im Dunkel
leuchten müssten, selbst dunkel geworden sind, und dass
das schönste Gold in Dreck verwandelt ist.
Der zweite Feind, der die Augen besticht, ist die
Schönheit der Welt und die Besitztümer der Welt, die
Pracht der Kleider und der Sachen, die Gunst und
Ehrenbezeugungen von Menschen. Wenn man all das ersehnt
und es einem angeboten wird, blendet dies das Auge der
Seele und des Verstanden bis zu den Grade, dass es
angenehmer scheint, mit Simson an der Mühle der
weltlichen Sorge zu stehen, als mit der Braut – der
Kirche – die Fürsorge eines Hirten auszuüben.
Und da erkaltet die Liebe zu Gott (wenn es sie überhaupt
gegeben hat), man begeht dreist Sünde, und das begangene
Vergehen wird gering geachtet, da man sich auf die Macht
verlässt, die man innehat. Deshalb soll der Bischof,
wenn er die nötige und vorgeschriebene Anzahl Diener
hat, was die Würde und Autorität seines Standes
ermöglicht, zufrieden sein – wie geschrieben steht:
„Mögt ihr ohne Gewinn und mit maßvollen Dingen zufrieden
sein.“ Denn niemand, der mit ganzem Herzen für Gott
kämpft, verwickelt sich in weltliche Angelegenheiten,
wenn nicht gegen seinen Willen und zu Gottes Ehre.
Der dritte Feind hat eine Schlinge und ruft: „Warum
demütigst du dich so, der du vor anderen geehrt werden
kannst? Strebe danach, höher aufzusteigen; da kannst du
in größerem Überfluss leben und auch mehr geben! Sei
Priester, um unter den Ersten sitzen zu können! Sei
Bischof (und dann Erzbischof oder etwas noch Höheres),
um mehr Ruhe zu bekommen, mehr Dienstpersonal zu haben
und größere Ehre zu genießen! Dann kannst du anderen
helfen, wirst von anderen mehr gefürchtet und von vielen
anderen erfreut.“
Wenn die Seele von solchen Gedanken betrogen wird,
streck sich der „Fuß“ – unvorsichtig genug – gleich nach
Gewinnsucht aus, und man sucht nach einer Art und Weise,
zu einer höheren Stellung aufzusteigen, und die Seele
verfängt sich so in den Schlingen der Gier und der
zeitgebundenen Sorge, dass sie sich kaum wieder erheben
kann.
Das ist gar nichts Besonderes. Die Schrift sagt ja, dass
der, der ein Bischofs – oder Priesteramt anstrebt, ein
gutes Werk begehrt. Was ist dieses Gute? Sicher, für die
Seele und zu Gottes Ehre zu arbeiten, für das Ewige und
nicht für das Vergängliche zu arbeiten. Aber nun sehnen
sich alle nach Ehre und nicht nach Arbeit, die eben
keine Ehre ist, sondern eine schwere Prüfung. Wo es
nicht die Mühe der Arbeit für Gott gibt, da gewinnt die
Seele auch keine Ehre vor Gott.
Deshalb soll der Bischof keine höhere Stellung oder eine
andere erstreben, als er sie hat, denn die Schlinge
liegt in der Erde versteckt, und die Falle ist auf dem
Weg des Wandernden aufgestellt. Es ist also nützlich für
ihn, in der Stellung zu verbleiben, die er hat, bis es
Gott gefällt, in anderer Weise für ihn zu sorgen, oder
ein höherer Kirchenprälat etwas anderes zu Gottes Ehre
verordnet.
Das nun Gesagte ist ein Rat und eine liebevolle Warnung.
Aber nun wollen wir sagen, was der Bischof nach Gottes
Willen tun soll. Er muss die Bischofsmitra wohl verwahrt
in seinen Armen haben, sie nicht für Geld verkaufen, sie
nicht anderen aus Freundschaft überlassen und sie nicht
aus Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit verlieren. Was
bedeutet die bischöfliche Krone oder die Mirta anderes,
als die bischöfliche Macht, nämlich Priester zu weihen,
die Irrenden Zurechtzubringen und die Ungebildeten mit
seinem Wort und Beispiel zu unterweisen?
Was bedeutet es, die Mirta gut zu verwahren, wenn nicht
dies, fleißig zu bedenken, wie er diese Macht empfangen
hat, zu welchem Zweck er sie erhalten hat, wie er sie
getragen hat, und was ihm zukommt, zu tun. Wenn er nun
bedenken will, wie er sie erhalten hat, soll er erst
darüber nachdenken, ob er sie um seiner selbst willen
oder für Gott hat haben wollen.
Wenn es für sich selbst gewesen ist, soll es verständige
Furcht hegen, aber wenn es um Gottes willen geschah, war
es verdienstvoll und geistlich. Wenn er sich dann fragt,
zu welchem Zweck er die Macht und Würde erhalten hat,
werde ich ihm sicher sagen, dass es dafür war, dass er
durch seine Verdienste ein Tröster und Retter der Seelen
sein soll; er lebt ja von deren Almosen, um der Ernährer
der Armen sein zu können, der Vater der Reichen, Gottes
Gehilfe im geistlichen Bereich und ein Eiferer für Gott.
Will er wissen, was die Frucht der Macht ist, so erklärt
Paulus das gut. Wer ein guter Verwalter ist, sagt er,
soll eine doppelte Ehre empfangen, nämlich eine irdische
und eine geistliche. Aber der, der eine bischöfliche
Tracht besitzt und kein bischöfliches Leben führt, soll
sich doppelt schämen.
Was bedeutet es, dass die Macht nicht verkauft werden
soll, wenn nicht dies, dass der Bischof nicht bewusst
Simonistisch sein darf und das nicht bei anderen duldet,
wenn er es erfährt, dass er nicht irgendwelche Leute für
Geld weihen oder befördern soll, sein Amt nicht ausüben
soll, um Ehre und Gunst von Menschen zu gewinnen, dass
er die nicht wegen menschlicher Bitten befördern soll,
von denen er weiß, dass sie unwürdig sind und ein
schlechtes Leben führen.
Was ist es anderes, dass er seine Macht nicht anderen
aus Freundschaft überlassen soll, wenn nicht dies, dass
er die Sünden anderer auf Grund von falscher
Barmherzigkeit nicht übersehen darf, sie nicht aus
Freundschaft verschweigt, sich nicht mit den Sünden
anderer wegen irgendwelcher menschlichen Schwachheit
belastet, statt sie zu verurteilen, wie er kann und tun
muss? Der Bischof ist ja ein Wächter des Herrn, und
deshalb soll das Blut der Erschlagenen aus der Hand des
Wächters gefordert werden, wenn er die Gefahr gesehen,
aber nicht gerufen hat, oder wenn er schlief und sich
nicht darum gekümmert hat.
Dass der Bischof nicht die Krone oder die Mitra aus
Unachtsamkeit verlieren darf, das bedeutet, dass der
Bischof nicht anderen etwas überlassen soll zu tun, was
er selber tun muss und tun kann und es nicht aus
Bequemlichkeit unterlässt, was er selbst auf bessere
Weise als andere vollbringen kann, dass er über das
Leben derer auch Bescheid weiß, denen er seine Aufträge
erteilt, sondern ihr Leben versteckt und offen unter die
Lupe nimmt, denen er die Aufträge anvertraut, und darauf
achtet, wie sie Gerechtigkeit walten lassen, denn das
Bischofsamt bedeutet keine Ruhe, sondern Fürsorge und
Arbeit.
Wenn nun der Bischof, wie ich schon sagte, gelernt hat,
die Mitra gut zu verwahren, ist es auch angebracht, dass
er unter seinen Armen eine Blütendolde trägt, mit der er
von nah und fern die Schafe zu sich lockt, denn ein
guter Hirte pflegt seine Schafe mit Blumen und Gras
hinter sich her zu locken. Was ist diese Blütendolde
anderes, als die göttliche Verkündigung, die einem
Bischof zukommt? Was sind die beiden Arme, wenn nicht
das doppelte Werk, d.h., offen gute Taten zu tun und aus
Gottesfurcht und als Vorbild für die nächste Umgebung im
Verborgenen Gutes zu tun?
Wenn die Verkündigung also mit diesen beiden Taten
vereint ist, wird sie eine herrliche Blütendolde, hinter
der die Schafe, die ihm in seinem Bistum nahe sind, froh
nachlaufen, und die fern wohnenden Schafe, wenn sie sein
Lob hören, eifrig begehren – auf Grund der guten Worte
und der Liebestaten, die den Worten folgen. Denn das
bildet die lieblichsten Blumen, die Schafe anzulocken:
Tugendhafte Werke zu tun und andere zu lehren, sie zu
tun – nicht mit wortreicher Wissenschaft, sondern mit
wenigen und liebvollen Worten. Es ist nämlich nicht
angebracht, dass Gottes Herold stumm ist und auch nicht
dass der Wächter über Gottes Haus blind ist.
Noch etwas fehlt dem Bischof. Wenn er ans Tor (der
Kirche) gekommen ist, gehört sich es für ihn, dem
höchsten König etwas zu überreichen. Deshalb raten wir
ihm, dass er dem König ein für ihn höchst wertvolles
Gefäß überreicht, rein und verziert. Das für den Bischof
höchst wertvolle Gefäß ist sein Herz, und das soll er
Gott ganz und gar mit Tugenden verziert darbringen, aber
leer von Eigenwillen und weltlicher Liebe.
Wenn der Bischof dem Tor auf diese Weise naht, wird ihn
eine strahlende Heerschar empfangen. Der Gottmensch
(Christus) wird ihn empfangen, und die Engel werden
sagen: „O Herr Gott, sieh hier einen Bischof, der
unbefleckt am Fleisch war, rein im Priesteramt, mannhaft
in der Tat, demütig in der Macht! Wir haben ihn um
seiner Reinheit willen ersehnt, und deshalb stellen wir
ihn dir vor, denn nach der hat er sich wegen deiner
Liebe gesehnt.“
Da werden die heiligen Seelen im Himmel sagen: „Siehe,
Herr Gott, unsere Freude ist in dir. Doch freuen wir uns
auch über diesen Bischof. Denn er hat eine Blume im Mund
getragen, mit der er viele Schafe gerufen hat; eine
Blume hat er in der Hand getragen, mit der er die Schafe
erquickte, die zu ihm kamen; Blumen schickte er zu
denen, die weit weg wohnte, und hat so schlummernde
Schafe aufgeweckt.
Weil er also mit den Blumen seiner Worte unseren Chor
erweiterte, freuen wir uns über ihn. Freue dich auch du,
Herr Gott, über diesen Mann und über seine Ehre, denn er
hat sich über alles nach dir gesehnt.“ Und da wird der
Herr, der Geber der Herrlichkeit, zum Bischof sagen: „O
mein Freund, du bist gekommen, um mir das Gefäß deines
Herzens zu überlassen, das leer von dir selbst ist, und
das du von mir füllen lassen wolltest. Komm deshalb, so
will ich dich mit mir selber füllen. Du wirst in mir
sein und ich in dir, denn es wird nie ein Ende mit
deiner Ehre und deiner Freude nehmen.“
127. Kapitel
Die Braut (Birgitta) bat für ihren Freund, einen alten
Priester und Eremiten, der ein vortreffliches Leben
führte und ein Mann von großen Tugenden gewesen war; er
war gerade eben gestorben und lag auf dem Totenschrein
in der Kirche, um begraben zu werden. Da zeigte sich ihr
die Jungfrau Maria und sagte: „Höre, meine Tochter: Du
sollst wissen, dass – sobald die Seele dieses Eremiten,
der mein Freund war, den Leib verlassen hatte, sollte
sie in den Himmel kommen, wenn er nur im Augenblick des
Todes die vollkommene Sehnsucht hatte, in Gottes Nähe zu
kommen und seinen Anblick zu genießen. Weil er das aber
nicht hatte, wird er jetzt im Fegefeuer der Sehnsucht
festgehalten, wo es keine Qual gibt, nur die Sehnsucht,
heim zu Gott zu kommen. Doch sollst du wissen, dass –
bevor sein Leib unter die Erde kommt, seine Seele in die
ewige Herrlichkeit geführt werden wird.“
Zusatz
Sage dem alten
Mönch von neuem, der lange als Einsiedler gelebt hat und
mir eine Frucht gebracht hat, die mich erfreut, indem er
wilde Tiere in Schafe und den Löwen zum Lamm verwandelt
hat: „Bleib nun standhaft in Rom, wo die Straßen mit dem
Blut meiner Heiligen bedeckt sind, denn du wirst das
Gericht zu hören bekommen und deine Vergeltung sehen!“
Nachdem er das gehört hatte, wurde er gleich krank, und
er schlief nicht lange danach in Frieden ein.
Dieser Benediktinermönch bat Frau Birgitta, dass sie
Gott fragen solle, wie er Sicherheit in Bezug auf seine
Tracht erhalten könne, denn die vielen Missbräuche in
Kleidung machten ihm schwer zu schaffen, deren sich die
Mönche des hl. Benedikt schuldig gemacht hatten.
Als sie dann in Ekstase war, sagte Gottes Sohn zu ihr:
„Ich habe dir früher gesagt, dass mein Diener Benedikt
seinen Leib wie einen Sack ansah, der fünf
Kleidungsstücke hatte. Das erste war die straffe Kordel,
die den Körper und die ungeordneten Begierden bändigte,
damit sie nicht zügellos würden und ihre gebührenden
Grenzen nicht überschritten. Das andere Kleidungsstück
war eine schlichte Kutte, weder verkürzt noch voller
Falten; sie sollten den Körper einhüllen, schmücken und
den Leib wärmen, so dass die, die ihn in dieser Kleidung
sahen, keinen Anstoß daran nehmen sollten.
Das dritte war ein Skapulier, wodurch er geneigter und
bereitwilliger zu körperlicher Arbeit sein sollte. Das
vierte Kleidungsstück war Schuhwerk, das ihn schneller
und demütiger machen sollte, auf Gottes Weg zu wandern.
Das fünfte war der Gürtel der Demut, mit dem umgürtet,
sollte er den Überfluss verschmähen und die übliche und
ihm auferlegte Arbeit fleißiger ausführen.
Aber jetzt trachten seine Klosterbrüder nach Kleidern,
die Sinnenlust erwecken; sie ekeln sich vor Strenge und
suchen sich Kleider, die dem Geschmack der Menschen
entsprechen und das Fleisch zur Sinnlichkeit reizen.
Denn statt einer Kutte nehmen sie sich einen
faltenreichen, breiten und langen Mantel, so dass sie
eher wie hoffärtige Prahlhänse aussehen, als wie
demütige Ordensmänner.
Anstelle eines Skapuliers haben sie nur ein kurzes Tuch
vorn und hinten, und den Kopf bedecken sie mit einer
weltlichen Kappe, um sich nach den Weltmenschen zu
richten. Aber auf diese Art und Weise werden sie weder
wie Weltmenschen, noch arbeiten sie mit Gottes demütigen
Dienern zusammen. Sie bedecken die Füße und legen sich
Gürtel an wie die, die drauf und dran sind, auf eine
Hochzeit zu gehen – und nicht, um auf der „Rennbahn der
Arbeit“ zu kämpfen.
Deshalb soll der Mönch, der erlöst werden will,
bedenken, dass die Regel des hl. Benedikt ihm wohl
erlaubt, das Notwendige in maßvoller Weise zu haben, das
Nützliche, aber nicht das Überflüssige, das Ehrbare und
Vorteilhafte insgesamt in demütiger und nicht in
hochmütiger Weise. Denn was bedeutet die Kutte, wenn
nicht dies, eine größere Demut als andere zu haben? Und
was bezeichnet die einfache Kapuze der Kutte, wenn nicht
das, Abscheu vor Weltlichen Sitten zu haben?
Aber warum tragen die Mönche nunmehr eine weltliche
Kapuze, wenn nicht deshalb, weil sie sich vor der Demut
scheuen und sich nach den Weltmenschen richten wollen?
Welchen Schmuck oder Nutzen hat die Tütenform der
Kapuze? Trägt man die nicht eher, um damit zu prahlen
und Aufsehen zu erregen, statt den schönen Brauch des
Klosterlebens zu befolgen? Welchen Vorzug hat der
gefaltete Mantel gegenüber der Kutte, wenn nicht den,
dass er den wandernden Mönch stattlicher und vornehmer
aussehen lässt?
Wenn man aus irgendeinem lobenswerten Zweck einen
demütigen und schlichten Mantel trüge, würde das sicher
nicht den guten Sitten schaden, aber die Kutte der Demut
wäre passender, damit man an der Tracht sehen könnte,
welchen Ordensmann man vor sich hat. Wenn der Mönch
Kopfweh bekommen oder von Kälte geplagt ist, so würde er
nicht sündigen, wenn er eine passende und demütige
Kopfbedeckung unter der Kapuze hätte – aber nicht
außerhalb von dieser, denn das würde von Eitelkeit und
Äußerlichkeit zeugen.“
Frau Birgitta fragte: „O Herr, zürne nicht, wenn ich
frage: „Sündigen Klosterbrüder, die eine solche Tracht
mit Erlaubnis ihrer Oberen oder nach einer Sitte tragen,
die von der Einrichtung deren Vorgänger herrührt?“
Gott sagte: „Der Dispens ist gültig, wenn er aus einer
guten Absicht hervorgeht. Manche geben Dispens aus
gerechtem Eifer, aber andere aus falschem Mitleid und
auf unkluge Weise, andere wegen Leichtfertigkeit ihrer
eigenen Sitten und ihrem Begehren, Menschen zu gefallen,
während andere das Gerechte vortäuschen, da sie leer an
Liebe zu Gott sind. Mir ist nur der Dispens
wohlgefällig, der nicht im Streit mit der Demut steht.
Und der Dispens ist gültig, der das Notwendige in kluger
Weise zulässt, aber den Überfluss auch in seinen
allergeringsten Äußerungen verurteilt.“
Frau Birgitta stellte noch eine Frage: „O Herr mein
Gott, wenn manche in Unkenntnis darüber schweben, was am
besten oder passend Sten in der Klosterregel ist,
sündigen die auch?“ Christus erwiderte: „Wie kann ein
Ordensmann über die Regel nicht Bescheid wissen, die
täglich gelesen und gehört wird, die Regel, die
bestimmt, dass der Mönch sich demütigen und gehorchen
soll, eine Tracht tragen, die dürftig und nicht
weichlich ist, mustergültig und nicht prahlerisch ist?
Und wessen Gewissen ist so abgestumpft, dass er nicht
versteht, sich zur Demut und alle Arten von Armut zu
bekennen?
Ein Benediktinermönch ist der, der der Regel mehr als
dem Fleisch gehorcht, der weder mit seiner Tracht noch
seinen Sitten jemandem anders als Gott gefallen will,
der täglich bereit ist, zu sterben und sich zum Heimgang
aus dieser Welt vorbereitet, und der genau bedenkt, wie
er Rechenschaft über sein benediktinisches Leben wird
ablegen können.“
128. Kapitel
Die Mutter (Maria) spricht: „Sage diesem alten Priester
und Einsiedler, meinem Freund: „Wer gegen seinen Willen
und seinen Seelenfrieden , von seinem Glauben und seiner
Liebe zu seinen Mitmenschen verpflichtet, manchmal seine
einsame Zelle und seine stille Betrachtung verlässt, aus
Liebe von seiner Eremitenwohnung zu den Menschen
herabsteigt, um ihnen geistliche Ratschläge zu erteilen,
und durch dessen Beispiel und heilsame Ratschläge viele
Seelen sich zu Gott bekehren, und die sich schon bekehrt
haben, zur Vervollkommnung der Tugenden weiter
fortschreiten – der möchte nun demütig wissen, wieweit
hier etwa die heimtückische Schlauheit und ein Betrug
des Teufels vorliegen kann und hat deshalb einen
demütigen Rat von dir begehrt und gebeten, dass du für
ihn beten sollst.
Im Hinblick darauf – nämlich ob es Gott mehr gefällt,
dass er die Schönheit seiner Kontemplation mehr für sich
selbst genießt, als dass er diese Liebe seinen
Mitmenschen angedeihen lässt – sollst du ihm also in
meinem Namen sagen, dass es Gott wahrlich mehr gefällt,
dass er – wie gesagt – manchmal von seiner
Eremitenklause heruntersteigt und hingeht, seinen
Mitmenschen das genannte Liebeswerk zu beweisen, indem
er sie an den Tugenden und Gnadengaben teilhaben lässt,
die er selbst von Gott empfangen hat, so dass sie sich
dadurch bekehren und inniger an Gott festhalten und an
der eigenen Ehre dieses Eremiten teilhaben, als dass er
in seiner einsamen Klause seine Sinnesfreude für sich
selbst genießt.
Und sage ihm, dass er im Himmel eine größere Belohnung
und einen größeren Verdienst für diese seine Liebe
erhalten wird, wenn er stets in Übereinstimmung mit dem
Rat und Willen seines älteren geistlichen Vaters
handelt. Sage ihm auch, dass ich will, dass er alle
Eremiten und auch alle Nonnen und einzeln lebende
Frauen, die früher geistliche Kinder des Eremiten waren,
der mein Freund war und jetzt tot ist, zu seinen
geistlichen Kindern macht und sie nach seinem Rate
lenkt.
Ja, er soll sie alle in geistlicher und tugendreicher
Weise mit seinem liebvollen Rat lenken, wie dieser sie
lenkte, als er lebte, denn das ist Gottes Wunsch. Und
wenn sie ihn als ihren Vater nehmen und ihm in ihrem
geistlichen und ihrem Eremitenleben demütig gehorchen,
dann wird er ihnen Vater und ich ihre Mutter sein. Aber
wenn einer von ihnen ihn nicht zu seinem geistlichen
Vater nehmen oder ihm gehorchen will, dann wäre es für
diesen Ungehorsam besser, dass er sich gleich von den
anderen zurückzöge, als dass er länger unter ihnen
bleibt. Mein Freund, der Eremit, soll aber zu ihnen
hingehen und in seine Klause zurückkehren, so oft es ihm
notwendig scheint, dich immer nach dem Rat und Willen
seines älteren Vaters.“
129.
Kapitel
Der Sohn (Jesus Christus) spricht zur Braut: „Ich sagte
dir vorher, dass ich das Herz des Tieres und das Blut
des Fisches haben möchte. Was ist das Herz des Tieres
anderes, als die unsterbliche Seele der Christen, die
ich so liebe, und die mir mehr gefällt als alles, was
auf der Welt begehrenswert erscheint? Was ist das
Fischblut anderes, wenn nicht die vollkommene Liebe zu
Gott? Daher muss das Herz mir von den reinsten Händen
und das Blut in einem hübsch verzierten Gefäß angeboten
werden, denn die Reinheit ist Gott und den Engeln
wohlgefällig.
Ja, wie der Edelstein in einem Ring ist die Reinheit bei
jeder geistlichen Tat das Allerbeste. Die Gottesliebe
muss in einem schön verzierten Gefäß dargebracht werden,
denn die Seele der Heiden muss in der brennend Sten
Liebe zu Gott leuchten und brennen, und in der Liebe
müssen die Gläubigen und Ungläubigen wie in einem Leib
mit Gott, ihrem Haupt, vereinigt werden. Wer mir das in
der Sünde verhärtete Herz des Christen anbieten will,
der wie ein Tier ohne das Joch des Gehorsams ist, mit
Lastern herumläuft und in seinen Lüsten lebt, muss einen
spitzen Bohrer durch seine Hände treiben, denn dann
können ihm weder Schwert noch Pfeile etwas anhaben.
Was sind die Hände des gerechten Mannes, wenn nicht
seine Taten, die weltlichen und die geistlichen? Die
leibliche Hand, das heißt, zum Bedarf und Unterhalt des
Leibes zu arbeiten. Die geistliche Hand ist, zu fasten,
zu beten und dergleichen. Aber damit jede Handlung eines
Menschen maßvoll und klug ist, muss sie mit Gottesfurcht
durchbohrt sein. Denn der Mensch muss zu jeder Stunde
bedenken, dass Gott immer gegenwärtig ist, und er muss
fürchten, die Gnade zu verlieren, die ihm verliehen ist,
denn ohne Gottes Hilfe kann der Mensch nichts tun, aber
mit seiner Liebe kann er alles.
Wie der Bohrer Löcher in die Sachen bohrt, auf die er
angesetzt wird, so macht die Gottesfurcht alle Taten
fest, bereitet den Weg für die Gottesliebe und ruft Gott
zu Hilfe. Daher soll der Mensch in allen seinen Taten
gottesfürchtig und klug sein, denn wie beide Arten von
Arbeit, die geistliche wie die weltliche, notwendig
sind, können sie doch ohne Gottesfurcht und Klugheit
nichts nützen, denn Mangel an Klugheit und Vermessenheit
zerstört und verwirrt alles und macht auch die Ausdauer
zunichte.
Wer das harte Tier besiegen möchte, soll also unbeugsam
fest in Handlungen der Klugheit sowie standhaft in der
Gottesfurcht und in der Hoffnung auf Gottes Hilfe sein,
und so versuchen, das harte Herz aufzubrechen, so weit
er es vermag und Gott seine Hilfe dazu gibt.
Mein Freund soll auch seine Augen mit dem Augenlid eines
Walfischs schützen, befestigt mit dem stärksten Pech,
denn sonst stirbt er durch den Blick des Basilisken. Was
ist das Auge des gerechten Mannes, wenn nicht die
doppelte Betrachtung, die er täglich üben muss, nämlich
das Betrachten von Gottes Wohltaten und die
Selbsterkenntnis? Wenn er Gottes Wohltaten und seine
Barmherzigkeit bedenkt, soll er seine eigene
Hinfälligkeit und seine Undankbarkeit gegenüber dem Gott
beachten, der ihm so viele Wohltaten erwiesen hat.
Und wenn seine Seele einsieht, dass er ein strenges
Gericht verdient, so soll er das Auge seiner Betrachtung
mit dem Augenlid eines Walfisches versehen, d.h. mit dem
Glauben an Gottes Güte und der Hoffnung auf ihn, so dass
er nicht dadurch ermattet, dass er an Gottes
Barmherzigkeit denkt, oder die Hoffnung aufgibt, indem
er an sein Gericht denkt. Denn wie die Augenlider des
Walfischs nicht so weich wie Fleisch und auch nicht hart
wie Knochen sind, so soll der Mensch den Mittelweg in
seiner Betrachtung von Gottes Barmherzigkeit und seinem
Gericht einhalten, indem er standhaft auf die
Barmherzigkeit hofft und klug das Gericht fürchtet.
Er soll sich auch über die Barmherzigkeit freuen und in
Gerechtigkeit von Tugend schreiten. Wer in dieser Weise
täglich mit Furcht und Hoffnung an die Barmherzigkeit
und Gerechtigkeit denkt, der braucht das Auge des Tieres
nicht zu fürchten.
Und was ist das Auge des Tieres anderes, wenn nicht die
weltliche Weisheit und der zeitliche Fortschritt? Die
Weisheit der Welt, die mit dem ersten Auge des Tieres
verglichen werden kann, ist wie der Blick des
Basilisken, denn der hofft auch nur auf das, was er
sieht, und seine Belohnung ist gering, da er nur nach
dem Vergänglichen trachtet. Die göttliche Weisheit hofft
dagegen auf das, was sie nicht sieht, kümmert sich nicht
um weltlichen Erfolg, liebt Demut und Geduld und sucht
keine andere Belohnung, als die ewige.
Das zweite Auge des Tieres ist der Erfolg in der Welt;
der wird von den Bösen angestrebt, so dass sie das
Himmlische vergessen und sich gegen Gott verhärten.
Jeder Mensch, der sich um die Erlösung seines
Mitchristen kümmert, soll also seine Augen klug mit
denen des Tieres, d.h. mit den Augen des Mitchristen,
verbinden, indem er ihm die Wohltaten des barmherzigen
Gottes und seine strengen Gerichte vor Augen hält, die
Worte der Weisheit Gottes den weltlichen Worten
entgegenhält, den nicht enthaltsam Lebenden einen Wandel
in ständiger Enthaltsamkeit zeigt, der aus Liebe zu Gott
den Reichtum und die Ehre des Augenblicks verachtet,
häufig predigt und das, was er predigt, durch die Tat
vervollkommnet, denn ein geistliches Leben bekräftigt
die gesprochenen Worte, und heilige Vorbilder nützen
mehr als schöne Worte, die nicht durch die Tat
verwirklicht werden.
Die, welche stets Gottes Wohltaten und seine Gerichte im
Sinn haben, die ständig Gottes Wort im Munde führen, sie
mit der Tat vollenden und eine feste Hoffnung auf Gottes
Güte haben, die werden nicht vom Schwert des bösen
Feindes, d.h. von den trügerischen Gedanken verwundet,
sondern werden immer besser und besser und bringen in
ihrer Liebe die Irrenden zur wahren Gottesliebe. Aber
die, die mit der Gnade, die sie empfangen haben, prahlen
und sich durch ihre Weisheit und Beredsamkeit zu
bereichern suchen, die sind tot, obwohl sie leben.
Er muss auch eine Stahlplatte an seinem Herzen
festbinden, denn er muss ständig Gottes Liebe vor Augen
haben, indem er bedenkt, wie Gott sich gedemütigt hat
und Mensch geworden ist, wie er bei seiner
Predigttätigkeit Hunger, Durst und Mühe ertrug, wie er
am Kreuz aufgehängt wurde, von den Toten auferstand und
zum Himmel aufgefahren ist.
Diese Stahlplatte, d.h. die Liebe, ist breit und flach,
wenn der Sinn bereit ist, willig die Trübsale zu tragen,
die kommen, wenn der Mensch nicht über Gottes Gerichte
murrt und sich nicht über Missgeschicke aufregt, sondern
seinen Willen nach dem Willen Gottes richtet und seinen
ganzen Leib Gott zur Verfügung stellt. O Tochter, ich
war der stärkste Stahl, als ich – am Kreuze ausgestreckt
– gleichsam mein Leiden und meine Wunden vergaß und für
meine Feinde betete.
Weiter muss man die Nasenlöcher schließen und mit
geschlossenem Mund auf das Tier losgehen, denn so wie
der Atem durch die Nasenlöcher ein und ausgeht, so gehen
Leben und Tod durch die Begierden des Menschen in die
Seele ein. Daher soll der Mensch sich vor schlechten
Begierden wie vor dem Tod in Acht nehmen, so dass sie
keinen Eingang in die Seele gewinnen oder dort
verbleiben, wenn sie schon Eingang gefunden haben.
Wer sich vornimmt, mit dem Schweren fertig zu werden,
soll also Acht auf seine Versuchungen geben und sich
vorsehen, dass nicht die ungeordneten Begierden seinen
Eifer für Gottes Sache vermindern, denn mit allem Eifer,
mit göttlicher Liebe und großer Geduld soll man, ob es
passend oder unpassend ist, auf den Sünder zugehen, so
dass er sich bekehrt, und wo der Gerechte durch Reden
und Ermahnen nichts erreicht, da soll er seinen Eifer
durch ständige, inständige Bitten ausüben. Das Tier muss
mit beiden Händen gepackt werden. Nun hat das Tier ja
zwei Ohren. Mit dem einen hört es willig auf das, was
für es angenehm ist; das andere hält es sich zu, um
nicht zu hören, was für seine Seele nützlich ist.
So ist es für einen Freund Gottes nützlich, auch zwei
geistliche Hände zu haben, wie er vorher zwei
körperliche hat, aber er soll sie in durchbohrtem
Zustand haben. Die eine Hand soll die göttliche Weisheit
sein, womit er dem Sünder zeigt, dass alles auf dieser
Welt unbeständig uns vergänglich ist, und dass der, der
daran sein Vergnügen findet, betrogen und nicht erlöst
wird, weil alles nur zum notwendigen Lebensunterhalt und
nicht zum Überfluss gegeben ist.
Die andere Hand soll das gute Beispiel und die gute Tat
sein, denn ein guter Mensch muss tun, was er lehrt, so
dass die, die ihn hören, durch sein Vorbild gestärkt
werden. Viele unterweisen andere wohl, aber gehen nicht
mit gutem Beispiel voran, und diese gleichen denen, die
in ihrer Herzenskälte Steine ohne Mörtel errichten; die
Folge ist, dass die Steine sich gleich lösen, wenn der
Sturm kommt.
Der Haut eines Tieres, die hart wie Feuerstein ist, soll
man Hammer und Feuer zu Leibe rücken. Mit der Haut ist
Prahlsucht und Scheinheiligkeit gemeint.
Obwohl die Bösen nicht gut sein wollen, möchten sie so
scheinen, was sie gar nicht sind. Und obwohl sie
rühmenswert genannt werden möchten, aber nicht
lobenswert leben wollen, zeigen sie eine
Scheinheiligkeit und täuschen eine Gerechtigkeit vor,
die sich keineswegs in ihrem Herzen findet. So überheben
sie sich zum Schein aus ihrer vorgetäuschten Heiligkeit
und werden hart wie Feuerstein, so dass sie sich nicht
durch Zurechtweisungen oder offenbare Gründe erweichen
lassen.
Deshalb sollen Gottes Diener gegen solche Leute den
Hammer des harten Tadels und das Feuer des göttlichen
Gebots benutzen, so dass die Bösen vom Wort der Wahrheit
besiegt werden, ihre Härte allmählich verschwinden
lassen, in ihren Gebeten warm werden und entzündet
werden und sich selber kennen lernen. Das tat Stephanus.
Der sprach nämlich keine angenehmen Worte, sondern wahre
Worte, keine sanften, sondern schroffe Worte. Außerdem
betete er für sie zu Gott, und deshalb stiftete er
Nutzen, und viele haben sich seinetwegen gebessert.
Wenn jemand also die Werke seiner Hände mit Gottesfurcht
durchbohrt, das Auge der Betrachtung durch Mäßigkeit
schütz, sein Herz mit einer Stahlplatte bewehrt, sich
die Nasenlöcher zuhält und mir so das Herz des Tieres
anbietet, so werde ich Gott damit den herrlichsten
Schatz schenken, durch dessen Lieblichkeit das Schauen
nicht ermüden soll, dessen Freude das Ohr nicht
überdrüssig werden soll, durch dessen Genuss der
Geschmack nicht satt werden soll, und dessen Berührung
dem Gefühl niemals Schmerz bereitet, sondern die Seele
mit Freude und ewigem Überfluss erfüllt.
Der Fisch bezeichnet die Heiden. Dessen Schuppen sind
sehr stark, denn die Heiden sind in Sünden und Bosheit
verhärtet. Wie die dicht sitzenden Schuppen verhindern,
dass der Wind eindringt, so prahlen die Heiden mit ihren
Sünden, leben in vergeblicher Hoffnung, verschanzen sich
gegen meine Freunde und weisen sie zurück, tragen
Irrlehren vor, schüchtern andere ein und bedrohen sie.
Wer mir das Blut des Fisches anbieten will, soll also
das Netz über ihn werfen, d.h. seine Verkündigung, die
nicht aus den spröden Drähten der Philosophen und aus
den mit findiger Beredsamkeit ausgerüsteten Rednern
bestehen, sondern aus schlichten Worten und demütigen
Taten.
Die einfache Verkündigung von Gottes Wort erklingt
nämlich mit klarem Erzklang vor Gott und ist mächtig
genug, Sünder zu Gott zu führen. Daher begann und
vervollkommnet sich meine Kirche nicht durch
wortgewandte Meister, sondern durch ungebildete, aber
demütige Männer. Der Prediger soll auch darauf achten,
dass er nicht weiter als bis zu den Knien ins Wasser
hinausgeht, und dass er nur Dort den Fuß hinsetzt, wo
der Sand fest ist, denn wenn die Wellen höher als bis zu
den Knien gehen, können die Füße ausrutschen.
Was ist das gegenwärtige Leben anderes, als bewegliches
und unstetiges Wasser? Das Knie der geistlichen Stärke
soll sich dazu nicht weiter beugen, als notwendig ist.
Der Mensch soll also den Fuß seiner Sehnsucht in festen
Sand setzen, d.h. in der Beständigkeit der Gottesliebe
und in der Betrachtung des Zukünftigen. Die, welche die
Füße ihres Begehrens und ihre Kraft aus das Zeitliche
setzen, die haben nämlich nicht genügend Festigkeit und
Stetigkeit, Seelen zu werben, sondern versinken in den
Wogen der zeitlichen Sorgen.
Der Gerechte muss auch das Auge schließen, das er dem
Fisch zuwendet, denn das menschliche Auge ist teils
geistlich, teils körperlich. Das menschliche Auge wird
von Schreck ergriffen, wenn die Seele, nachdem sie die
Macht und Grausamkeit der Tyrannen gesehen hat, ihre
eigene Schwachheit einsieht und sich scheut, zu
sprechen.
Dieses Auge der Furchtsamkeit muss von der Seele durch
das Betrachten von Gottes Güte geblendet und eingedrückt
werden, indem sie bedenkt und fest glaubt, dass jeder
Mensch, der seine Hoffnung auf Gott setzt und einen
Sünder für Gott zu gewinnen sucht, Gott selber als
Beschützer hat. Der Sünder oder der, der sich zu Gott
bekehrt hat, muss mit dem Auge des Verständnisses
betrachtet werden, indem man genau berücksichtig, wie
viel er kann und welche Hemmnisse er hat, mitgezogen zu
werden, so dass er, wenn er sich an das ungewohnte (neue
Leben) macht, nicht womöglich unter den neuen Mühen
niedersinkt oder wegen seiner Bedrängnis bereut, dass er
sich eine strengere Lebensführung vorgenommen hat.
Der Gerechte soll, wer er auch ist, untersuchen, wie der
zum Glauben bekehrte Heide irdisch gesehen – gestellt
ist, so dass er nicht zu betteln braucht, durch
Knechtschaft bedrückt wird, oder seiner lobenswerten
Freiheiten und Rechte beraubt wird, und dass er
gewissenhaft dafür sorgt, dass der Neubekehrte
regelmäßig in dem heiligen katholischen Glauben
unterwiesen wird und heilige Beispiele der Tugenden zu
sehen bekommt.
Es ist mir nämlich wohlgefällig, dass die bekehrten
Heiden heilige Sitten zu sehen bekommen und Worte der
Liebe hören.
Viele Christen kommen ja mit wilden, zügellosen Sitten
zu den Heiden und rühmen sich, dass sie ihre Leiber
töten und ihre zeitlichen Güter rauben. Das gefällt mir
ebenso, wie damals, als man dem goldenen Kalb in der
Wüste opferte. Wer mir dadurch gefallen will, dass er zu
den Heiden zieht, soll sich also zuerst von dem „Auge“
der Gewinnsucht und der weltlichen Furcht befreien, aber
das Auge des Mitleids und der Einsicht offen haben, um
ihre Seelen zu gewinnen, so dass er nichts anderes mehr
begehrt, als für Gott zu sterben oder für Gottes Ehre zu
leben. Ferner muss der Gerechte einen Schild aus Stahl
besitzen, d.h. wahre Geduld und Ausdauer, so dass er
sich weder durch Worte noch durch Taten von der Liebe zu
Gott abbringen lässt und auch nicht – durch
Missgeschicke ermattet – irgendwie über Gottes Gerichte
murrt.
Denn wie der Schild seinen Träger schütz und die Schläge
auffängt, so schütz die wahre Geduld in den
Versuchungen. Sie lindert auch die Sorgen und macht den
Menschen geschickt zu allem Guten.
Dieser Schild der Geduld darf nicht aus Dingen
angefertigt sein, die von Fäulnis befallen sind, sondern
aus dem stärksten Kupfer bestehen. Die wahre Geduld muss
nämlich durch die Betrachtung meiner Geduld geschaffen
sein und bestärkt werden, denn ich war wie der stärkste
Stahl, indem ich lieber den Tod erleiden wollte, als auf
die Seelen verzichten, und lieber alle Arten von
Schmähungen hören wollte, als von Kreuz herabzusteigen.
Wenn ich unschuldig litt, ist es dann ein Wunder, wenn
der Mensch leiden muss, der das Gericht verdient hat?
Wer in dieser Weise mit Geduld gewappnet ist, sein Netz
über den Fisch wirft und es zehn Stunden über Wasser
hält, der wird das Blut des Fisches erhalten. Was
bedeuten diese zehn Stunden, wenn nicht zehn Ratschläge,
die der bekehrte Mensch befolgen muss. Der erste ist, an
meine zehn Gebote zu glauben, die ich dem Volke Israel
vorgeschrieben habe. Der zweite ist, die Sakramente
meiner Kirche anzunehmen und zu ehren. Der dritte ist,
über begangene Sünden zu trauern und den festen Willen
zu haben, sie nicht mehr zu begehen.
Der vierte Ratschlag ist, meinen Freunden zu gehorchen,
auch wenn sie ihm etwas befehlen, was gegen seinen
Willen ist. Der fünfte ist, alle täglichen Gewohnheiten
aufzugeben, die gegen Gott und die guten Sitten
verstoßen. Der sechste ist, den Wunsch zu haben, so
viele wie möglich zu Gott zu führen. Der siebente ist,
in seinen Taten wahre Demut zu zeigen und schlechten
Beispielen aus dem Wege zu gehen. Der achte ist, Geduld
bei Unglücksfällen zu haben und über Gottes Gerichte
nicht zu murren.
Der neunte ist, nicht auf solche Leute zu hören oder mit
ihnen zu verkehren, die Feinde des heiligen christlichen
Glaubens sind. Der zehnte ist, zu Gott zu beten, in
seiner Liebe zu bleiben und diese selber zu versuchen.
Jeder, der sich vom Bösen abgewandt hat und diese zehn
Ratschläge befolgt und sie einhält, der soll der Liebe
zur Welt absterben und in Gottes Liebe lebendig werden.
Aber wenn der Fisch, d.h. der Sünder, aus dem Wasser der
Lust herausgezogen ist und sich vornimmt, diese zehn
Ratschläge einzuhalten, muss er am Rücken aufgeschnitten
werden, wo er das meiste Blut hat. Was Bedeutet der
Rücken anderes, wenn nicht das vom guten Willen
eingegebene gute Handeln? Dieser Wille soll sich dem
Wunsche Gottes beugen, denn oft erscheint eine Tat den
Menschen gut, obwohl die Absicht und der Wille des
Handelnden nicht gut sind. Der Gerechte, der einen
Sünder bekehren will, muss also herausfinden, in welcher
Absicht dieser zu seiner guten Tat schreitet, und in
welcher Absicht er damit fortfahren will.
Und wenn er in einem geistlichen Werk ein weltliches
Empfinden hat, z.B. die Anhänglichkeit an Verwandte oder
den Wunsch, zeitliche Güter zu erwerben, soll er sich
beeilen, dies aus seinem Herzen zu entfernen, denn so
wie schlechtes Blut Krankheit hervorruft, den Gang
behindert, den Zufluss zum Herzen hindert und den
Appetit nimmt, so unterdrückt der böse Wille und die
verehrte Absicht, die Liebe zu Gott, ruft
Niedergeschlagenheit hervor, verschließt das Eingangstor
des Herzens für Gott und macht alles geistliche Gut für
den Menschen verabscheuungswert. Das Blut, das ich haben
möchte, ist jedoch frisch und schenkt den Gliedern
Leben. Dieses Blut ist der gute Wille und die geordnete
Liebe zu Gott. Dadurch wird der Zutritt für den Glauben
bereitet, wird der Sinn für das Verstehen und die
Glieder zum Handeln geschult und Gott um Hilfe
angerufen. Dieser Wille wird mit meiner Gnade kundgetan
und eingegeben, wird durch Gebete und meine Güte
vermehrt und wird durch das gute Handeln und meine
Süßigkeit vervollkommnet.
Sieh an, in dieser Weise soll mir das Blut des Fisches
angeboten werden. Wer es mir so anbietet, der soll den
besten Lohn erhalten, denn in seinem Mund soll der Strom
aller Lieblichkeit fließen, der ewige Strahlenglanz wird
seine Seele erleuchten, und seine Erlösung soll sich
ohne Ende erneuern.“
Erklärung
Im 4. Buch
dieser Offenbarungen, Kap. 2, fängt Christus an,
seltsame Dinge, über einen Fisch und ein Tier zu
sprechen, und in diesem Kapitel erklärt er, was sie
bedeuten.
Zusatz
Die folgende Offenbarung erfolgte in Amalfi, wo der
Evangelist Matthäus begraben liegt. „Gesegnet seist du,
heiliger Apostel Matthäus! Du hast den besten Tausch
gemacht. Du hast nämlich das Irdische eingetauscht und
hast das Ewige gefunden. Du hast dich selbst verneint
und hast Gott gewonnen, du hast die nichtige Klugheit
verlassen, du hast die Ruhe des Fleisches verschmäht und
hast schwere Arbeit auf dich genommen. Daher bist du
jetzt mit Recht in Gottes Augen ehrenreich.“
Der hl. Matthäus antwortete: „Gesegnet sei Gott, der dir
diesen Gruß eingegeben hat! Aber wenn es Gott gefällt,
werde ich dir zeigen, wie ich vor meiner Bekehrung war,
wie ich war, als ich das Evangelium schrieb, und wie ich
jetzt bin, da ich meine Belohnung genieße. Ich hatte ein
öffentliches Amt, das ich ohne offenen Verdienst nicht
ausüben konnte. Doch war es zu der Zeit mein Wille, dass
ich niemanden betrügen wollte, und ich sehnte mich
danach, den Weg zu finden, auf dem ich mich von dieser
Tätigkeit zurückziehen konnte, so dass ich mit meinem
ganzen Herzen Gott allein folgen konnte.
Als daher mein Freund Jesus Christus predigte,
entzündeten die Worte seines Rufes gleichsam ein Feuer
in meinem Herzen, und seine Worte empfand ich so
lieblich, dass ich nicht mehr an Reichtümer und
Ehrenstellungen dachten als an Streu und Spielt; ich
wollte lieber vor Freude darüber weinen, dass mein Gott
einen so großen Sünder hat zur Gnade rufen wollen. Als
ich nun an meinem Herrn festhielt, begann ich, mir seine
Worte immer brennender in meinem Herzen einzuprägen; Tag
und Nach dachte ich darüber nach, und sie schmeckten mir
wie die herrlichste Kost.
Und nachdem das Leiden vollendet war, schrieb ich das
Evangelium nach dem, was ich gesehen und gehört und
bezeugt hatte – nicht zu meinem eigenen Ruhm, sondern
zur Ehre meines Erlöser und zur Vervollkommnung der
Seelen. Als ich es schrieb, spürte ich eine solche Glut
der göttlichen Inspiration in mir, dass – wenn ich hätte
schweigen wollen, so hätte ich das wegen der starken
Glut nicht gekonnt.
Aber das, was ich liebvoll und demütig geschrieben habe,
das versuchen viele nun umzustoßen und auf bösewillige
Weise zu deuten, indem sie damit prahlen, das Hohe und
Himmlische zu kennen, wenn sie auf strittige Angaben
stoßen, und so wollen sie lieber über das Evangelium
disputieren, als nach seinem Willen leben. Deshalb
werden die Kleinen und Demütigen in den Himmel kommen,
aber die Klugen und Hochmütigen draußen bleiben.
Wie kann der vermessene und übermütige Mensch glauben,
dass der Gott aller Weisheit seine Worte nicht so hätte
abwägen können, dass die Menschen an seinen Worten nicht
Anstoß nehmen würden? Aber es ist gerecht, dass
Verführungen kommen, und dass die, die des Himmlischen
überdrüssig sind, im Irdischen verstrickt werden. Was
meine Belohnung betrifft, sollst du wissen, dass es wahr
ist, was geschrieben steht, dass das Herz sie nicht
fassen kann, und die Zunge sie nicht an den Tag bringt.“
130. Kapitel
Der Sohn (Jesus Christus) spricht: „Ich habe vorher mit
dir von sieben Tieren gesprochen, von denen eines wie
ein Elefant war, der noch an einen Baum gelehnt steht
und weder auf die Fäulnis des Baumes noch auf die Kürze
der Zeit achtet, weshalb er auch mit dem Baum umkippen
wird, wenn er glaubt, fest zu stehen. Die Mauern seiner
Kirche sollen nämlich von Hitze und Wasser aufgelöst
werden, so dass sich keiner findet, der sie aufbaut,
denn sie sind von gottlosen Menschen erbaut worden. Die
Erde soll zerstückelt werden, die Einwohner werden sich
den Tod wünschen, und er wird vor ihnen fliehen, und die
Gottlosen werden über die Gerechten herrschen (All dies
ist eingetroffen).
„Du sollst auch wissen, dass das zweite Tier, das stolz
auf den Stein der Keuschheit war, nun das Horn des
Lammes angenommen hat, und deshalb werde ich ihn lehren,
wie er über die Mauern springen muss, und wie er sich in
seiner ehrenvollen Stellung verhalten muss. Die Demut
seiner Seele gefällt mir sehr, und daher sage ich ihm,
dass seine Kirche jetzt auf die höchste Treppenstufe
gestiegen ist und lange im Hochmut verharrt hat. er soll
deshalb daran arbeiten, dass die Priesterschaft
enthaltsamer leben soll, ihr übermäßiges Trinken
vermindern soll, die Gier ablegen und Demut und
Gottesfurcht annehmen soll, denn sonst wird seine Kirche
durch Heimsuchungen gedemütigt werden, und ihr Fall wird
so groß und schwer werden, dass es auch in anderen
Ländern gehört werden wird.“
Aber nach dem Tode dieses Bischofs und der Ernennung
seines Nachfolgers sprach der Herr zu mir: „Du sollst
wissen, dass dieser Bischof, der der Nachfolger des
letztgenannten Bischofs ist, und der jetzt zur
Bischofswürde aufgestiegen ist, einer der fünf Diener
war, auf die der König nicht hören wollte, sofern sie
nicht klarere Augen bekämen.
Ja, dieser Bischof ist nun aufgestiegen, aber er soll
genau Acht geben; so wird er in meinem Gericht stehen,
wie er aufgestiegen ist. Ich warne ihn vor Joab’s Fall.
Dieser hegte nämlich Neid gegen die, die besser waren
als er; er stützte sich auf eigenen Rat, seine
Verwegenheit war groß, und daher überstieg seine
Vermessenheit seine Kräfte, und er zog den vor, den er
selber ausgewählt hatte, vor dem, den Gott auserwählte.
Aber ein Rat ist für diesen Bischof nützlich, nämlich
dass er sich klug benimmt und stets beachtet, nicht was
er kann, sondern was sich für ihn passt.
Als er wissen wollte, wie weit es zur Vergebung seiner
Sünden nützlich wäre, sich nach Rom zu begeben, befragte
er mich, und während ich betete, antwortete mir die
Mutter Gottes: „Wenn dieser Bischof in seiner Seele
spürt, dass er die Hilfe der Heiligen braucht, so mag er
nach Rom kommen, um Ablass gewinnen, denn die Zeit
kommt, da ihm dies nützen wird. Er soll auch darauf
achten, dass die Klauen der überaus gierigen Raubvögel,
die sich schon eingedrängt haben, abgeschnitten werden,
so dass sie nicht mehr auf den höchsten Klippen wohnen,
denn dann werden sie dem Volke noch mehr schaden, und er
selber wird nicht frei von Trübsal gehen.“
Deshalb sollst du wissen, dass das Tier, über das ich
mit dir gesprochen habe und das sich fürchtete, wenn es
seinen Schatten sah – das ist der, der für die Seelen
eifert und seinen Mut bei ihren Worten, die ihn tadeln,
nicht sinken lässt oder sich bei ihren Worten, die dem
zustimmen, was er sagt und ihm schmeicheln, nicht
überheblich wird. Er ist bereit, zu sterben und sich aus
der Welt zurückzuziehen, und auch bereit, zu meiner Ehre
zu leben, wenn mir das gefällt. Ich werde ihm deshalb
auf halbem Weg wie ein Vater seinem Sohn entgegeneilen
und ihn wie ein barmherziger Richter aus seinem
Gewahrsam herausnehmen, so dass er das Böse in der
Zukunft nicht zu sehen braucht.
Aber der, der in seinem Aussatz verharrt, wird mit denen
sterben, die den Bauch Vollhaben, und mit den
Aussätzigen begraben und gerichtet werden, und er wird
nicht bei denen sitzen dürfen, die die Welt richten.“
131.
Kapitel
Frau Birgitta sah eine Menge Engel, die auf dem Monte
Gargano Loblieder sangen und sagten: „Gesegnet seist du,
unser Gott, der ist und sein wird und ohne Anfang und
ohne Ende gewesen ist. Du hast und Geister zu deinem
Dienst geschaffen, und auch zur Freude und zum Schutz
der Menschen. Wenn wir gesandt werden, um den Menschen
zu helfen, verlieren wir doch nicht deine Süße, deinen
Trost, und dass wir dich schauen.
Aber während man von uns dachte, den Menschen gleichsam
unbekannt zu sein, hast du an diesem Ort deinen Segen
und unsere Würde zeigen wollen, die wir von dir
empfangen haben, auf dass der Mensch lernen sollte, dich
zu lieben und außerdem unsere Hilfe zu begehren. Aber
jetzt ist dieser Ort, der lange Zeit in Ehren gehalten
wurde, von vielen verachtet, und die Bewohner des Landes
nähern sich eher den unreinen Geistern als uns, denn sie
befolgen eifrig deren Einflüsterungen.“
Frau Birgitta antwortete: „O Herr, mein Schöpfer und
mein Erlöser, hilf ihnen, mit der Sünde aufzuhören und
dich von ganzem Herzen zu ersehnen!“ Gott sagte zu ihr:
„Sie sind an Schmutz gewöhnt und müssen mit Ruten
erzogen werden. O dass sie sich züchtigen ließen, so
dass sie sich selber kennen lernen und ein besseres
Leben beginnen!“
132.
Kapitel
Ich bin wie der Mann, der aus der Welt scheiden sollte,
und der das Beste, was er hatte, seinen liebsten
Freunden überließ. So übergebe ich, wenn ich aus der
Welt verscheiden werde, das, was mir am liebsten war,
nämlich meine irdische Hülle, den Priestern, die ich vor
allen Engel und Menschen ausgewählt habe, und habe ihnen
fünf gute Dinge gegeben.
Erstens meinen Glauben, zweitens zwei Schlüssel – zur
Hölle und zum Himmel, drittens, dass sie aus meinem
Gegner einen Engel machen, viertens, dass sie meinen
Leichnam weihen sollen, etwas, was kein Engel tun kann,
fünftens, dass sie mit meinem reinsten Leichnam mit den
Händen umgehen.
Jetzt dagegen handeln sie gegen mich wie die Juden, die
abstritten, dass ich Lazarus auferweckt habe und andere
Wunderwerke tat, aber mir stattdessen unterstellten,
dass ich König werden wollte, dass ich verboten habe,
Steuern zu zahlen und von mir sagten, ich könne den
Tempel in drei Tagen wieder aufbauen.
So handeln jetzt die Priester. Sie sprechen nicht von
meinen Wundertaten und verkünden nicht meine Lehre,
sondern predigen die Liebe zur Welt und zu ihrer eigenen
Wollust und rechnen das, was ich für sie getan habe, für
nichts. Zweitens haben sie den Schlüssel verloren, mit
dem sie den Elenden das Himmelreich öffnen sollten; aber
den, mit dem die Hölle geöffnet wird, den lieben sie,
und den bewahren sie in einem reinen Leinentuch.
Drittens machen sie aus dem Gerechten einen ungerechten
Mann, aus dem Einfältigen einen Teufel und aus dem, der
wohlbehalten ist, einen zerfetzten Menschen, denn jeder,
der mit drei Wunden zu ihnen kommt, bekommt von ihnen
eine vierte, und wenn man mit vieren zu ihnen kommt,
geht man mit fünfen von ihnen weg. Wenn er die
schlechten Beispiele der Priester gesehen hat, erhält
der Sünder nämlich Mut, noch mehr zu sündigen, und er
fängt an, mit der Sünde noch zu prahlen, von der er
vorher meinte, er müsse sich dafür schämen. Daher ziehen
sie sich eine größere Verdammnis zu als andere, denn sie
stürzen sich mit ihrem Lebenswandel ins Verderben und
schaden anderen mit ihrem Beispiel.
Viertens müssten sie mich ihrem Munde ehren, aber
stattdessen verkaufen sie mich. Sie sind schlimmer als
Judas. Der sah ja seine Sünde ein und bereute sie, wenn
auch zu keinem Nutzen, denn diese Leute sagen und geben
vor, gerecht zu sein. Judas brachte die Sünde zu den
Käufern zurück, aber diese Leute behalten sie zu ihrem
eigenen Gebrauch. Judas verkaufte mich, bevor ich die
Welt erlöst hatte, aber diese, nachdem ich die Welt
erlöst hatte, und sie fühlten kein Mitleid mit meinem
Blut, das lauter nach Rache schreit, als Abels Blut.
Judas verkaufte mich nur für Pfennige, aber diese für
allerlei Handelswaren, und sie treten nicht zu mir hin,
wenn sie nicht hoffen, dadurch Gewinn zu erlangen.
Fünftens gehen sie mit mir um, wie die Juden. Was haben
die Juden gemacht? Sie haben mich an den Stamm des
Kreuzes gehängt, aber diese setzen mich in eine Presse
und pressen mich grausam.
Aber jetzt könntest du mich fragen, wie das geschehen
kann, wenn meine Göttlichkeit nicht leiden kann, und
Gott keine Trauer oder Plage treffen kann. Ja, durch
ihren Willen, in der Sünde zu verharren, fügen mir die
Priester solche Trauer und Bitterkeit zu, als ob ich in
eine Folterpresse gesetzt würde, wenn das möglich wäre.
Diese Priester haben nämlich zwei Sünden an sich,
nämlich Liederlichkeit und Gewinnsucht, und zwischen
diese setzen sie mich in die Presse. Ja, die drücken
mich so hart, wie eine Folterpresse, wenn sie – nachdem
sie vielleicht bereut haben, und nachdem sie den
Gottesdienst vollendet haben, wieder den festen Willen
haben, zu sündigen.
Sie versorgen gebannte Frauen und versetzen sie an einen
sicheren Platz, damit sie ihrer Begierde frönen können,
aber mich weisen sie zurück. Die liebkosen sie, und mit
denen amüsieren sie sich, aber mich, von dem sie
stammen, wollten sie nicht sehen.
Seht, meine Freunde, wie die Priester sind! Seht, meine
Engel, wie die sind, denen ihr dient! Wenn ich vor euch
läge, so wie ich auf dem Alter vor ihnen liege, würde
keiner von euch wagen, mich zu berühren, sondern ihr
würdet erschrecken. Aber diese verraten mich wie Diebe
und Verräter; sie berühren mich wie die Dirnen. Sie sind
unreiner als Teer, und doch schämen sie sich nicht, mir
zu nahen, der ihr Gott und Herr der Ehre ist. Deshalb
werden – wie dem Volk Israel gesagt wurde: ‚Sieben
Plagen werden über euch kommen’, diese sieben Plagen
wahrhaftig über die Priester kommen.“
133.
Kapitel
Die Mutter (Maria) spricht: „So lüstern waren die Feinde
meines Sohnes nach seinem Blut, dass sie ihn sogar noch
verletzten, nachdem er tot war. Halte dich nun bereit,
denn mein Sohn kommt mit einer großen Heerschar, um mit
dir zu sprechen.“
Danach kam er und sagte: „Ich habe mich vorher in einem
Gleichnis mit Mose vergleichen. Als dieser das Volk
hinausführte, stand das Wasser zur Rechten und zur
Linken wie eine Mauer. Ich bin gewiss dieser Mose im
Gleichnis, denn ich habe das Christenvolk hinausgeführt,
d.h. ihm den Himmel aufgetan und ihm gezeigt, welchen
Weg sie gehen sollten, und habe sie vom Pharao befreit,
d.h. vom Teufel, der sie unterdrückte.
Sie gingen wie zwischen zwei Meeresmauern zur Rechten
und zur Linken, von denen die eine nicht weiter
vorrücken sollte und die andere nicht zurückweichen
sollte, sondern beide sollten in dieser Weise in einer
festen und unbeweglichen Lage bleiben. Diese beiden
Mauern waren die zwei Gesetze. Die erste war das alte
Gesetz, das nicht länger gelten sollte, die zweite war
das neue Gesetz, das nicht zurückgewiesen werden sollte.
Zwischen diesen beiden Mauern, nämlich den Gesetzen, die
fest und unbeweglich standen, ging ich zum Kreuz wie
durch das Rote Meer, denn von meinem Blut wurde mein
ganzer Körper rot gefärbt. Das Holz, das vorher weiß
war, färbte sich rot, und auch der Speer wurde rot. Ich
habe mein gefangenes Volk erlöst, damit es mich lieben
sollte. Jetzt dagegen verachtet mich Israel, d.h. die
schlechten Priester, und sie lieben einen anderen Gott.
Sie lieben nämlich, wie ich vorhin sagte, durch
Verlangen nach der Welt, die ihnen lieb ist, ein
goldenes Kalb, das ihre Wollust erweckt und die Flamme
des Begehrens in ihnen entzündet. Die steht mit den
Füßen und dem Haupt und der Gurgel der Schwelgerei fest
und unbeweglich da. Sie haben mich auch als Abgott und
schließen mich ein, so dass ich nicht hinausgehen kann.
Sie opfern mir Weihrauch, aber der gefällt mir nicht,
denn sie tun das nicht für mich, sondern für sich
selber. Sie beugen die Knie ihres Gehorsams und ihres
Willens für mich, aber doch für ihr Begehren, indem sie
wünschen, dass ich ihnen etwas von zeitlichem Gut
bescheren möge. Sie rufen auch, aber meine Ohren hören
es nicht, denn sie rufen nicht in Frömmigkeit und
rechter Absicht.
Hört nun, meine Heerschar und alle Engel! Ich habe die
Priester vor allen Engel und Gerechten auserwählt; nur
ihnen habe ich die Macht gegeben, meinen Leib mit den
Händen anzufassen. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich
sehr wohl einen Engel zu diesem Amt auswählen können,
aber ich habe die Priester so geliebt, dass ich ihnen
diese große Ehre verlieh, und ich habe angeordnet, dass
sie gleichsam in sieben Ordnungen vor mir stehen sollen.
Sie sollen nämlich geduldig sein, wie Schafe, standhaft
wie Mauern mit festem Fundament, mutig wie Ritter, klug
wie Schlangen, keusch wie eine Jungfrau, rein wie ein
Engel, brennend vor Liebe wie die Braut nach dem Lager
ihres Gatten.
Nun haben sie sich dagegen auf niedrige Weise von mir
abgewandt. Sie sind nämlich wild wie raubgierige Wölfe,
die in ihrem Hunger und ihrer Raubgier vor niemandem
zurückweichen, auf keine Rücksicht nehmen und vor nichts
zurückscheuen. Zweitens sind sie unbeständig, wie ein
Stein in einer losen Mauer, denn sie haben kein
Vertrauen zu ihrem Fundament, d.h. zu Gott, dass er
ihnen nicht das Notwendige geben kann und sie nicht
versorgen will. Drittens wohnen sie im Dunkel wie Diebe;
sie gehen im Dunkel der Lastern umher und sind nicht
kühn wie Ritter, für Gottes Ehre zu streiten, oder ein
mannhaftes Werk in Angriff zu nehmen. Viertens stehen
sie da wie ein Esel, der seinen Kopf zu Boden senkt. Sie
sind so dumm und unklug, denn sie denken immer nur an
das Irdische und das Augenblickliche, aber niemals an
das Kommende.
Fünftens sind sie unkeusch wie Huren; sie treten mit
unzüchtiger Kleidung zu mir hin und haben alle ihre
Glieder bereit zu einem unzüchtigen Leben. Sechstens
sind sie unbedeckt mit Teer befleckt, und alle, die
ihnen nahen, werden besudelt. Siebentens sind sie
abscheulicher als Spucke, und es wäre für mich leichter
und angenehmer, an ein Gespei heranzutreten, als mit
ihnen Belustigungen zu haben.
Ja, sie sind so verabscheuenswert, dass die ganze
Heerschar des Himmels sie verabscheut. Denn was ist
abscheulicher, als wenn jemand seinen bloßen Mund an
seine unteren Glieder wendet, seinen unreinen Dreck isst
und sein unreines Wasser trinkt? So abscheulich sind sie
in meinen Augen. Wenn sie sich in die Priestergewänder
kleiden, die mit den Kleidern der Seele zu vergleichen
sind, da diese Kleider bedeuten, dass die Seele so sein
muss, so kleiden sie sich, wie es wirkliche Verräter
tun.
Es passiert ja, dass der, der dem Gegner seines Herrn
Treue gelobt hat, alle seine Waffen stumpf macht, wenn
er mit seinem Herrn gegen diesen kämpfen muss, so dass
die Waffen nicht dem Gegner schaden. So handeln diese
Priester: Wenn sie sich die Priestergewänder anziehen,
die mit den Kleidern der Seele zu vergleichen sind, und
mit denen sie sich gegen den Teufel wehren sollten, so
sind sie alle abgestumpft und kraftlos, so dass sie dem
Teufel nicht schaden können, und er sie auch nicht
fürchtet.
Aber nun kannst du fragen: Auf welche Weise? Ja, wenn
sie sich die Waffen der Enthaltsamkeit anlegen, sind
diese durch Lüsternheit abgestumpft, und deshalb
verletzen sie den Teufel nicht. Wenn sie aber die Waffen
der Liebe anlegen, schaden sie ihm damit auch nicht,
denn die sind durch Bosheit abgestumpft. Diese Waffen,
d.h. die Kleider, mit denen sie sich schmücken, dienen
nicht zur Verteidigung ihres Herrn, sondern nur zum
Anschauen, wie Verräter das eine tun und etwas anderes
zeigen.
So, meine Freunde, treten die verdammten Priester
heuchlerisch wie Verräter zu mir hin. Ich, der euer Gott
und Herr bin und Herr aller geschaffenen Wesen im Himmel
und auf Erden, ich komme doch zu ihnen und Liege vor
ihnen auf dem Altar als wahrer Gott und wahrer Mensch,
nachdem sie die Worte „Hoc est corpus meum“
ausgesprochen haben. Ich komme zu ihnen wie ein
Bräutigam, damit ich die Freude meiner Göttlichkeit mit
ihnen habe – aber ich finde den Teufel in ihnen. Deshalb
gehe ich mit meiner Göttlichkeit und meiner
Menschengestalt von ihnen fort, wenn sie mich an ihren
Mund führen, und der Teufel, der bei der Gegenwart des
Herrn erschreckt geflohen ist, wendet sich froh zurück.
Hört nun auch, meine Freunde, welche Würde ich den
Priestern vor allen Engeln und Menschen beschert habe.
Ich habe ihnen fünf Dinge gegeben. Erstens die Macht, im
Himmel und auf Erden zu binden und zu lösen. Zweitens,
dass sie aus einem schlimmsten Feinde meinen Freund
machen sollen, und aus einem Teufel einen Engel von mir.
Drittens die Macht, meine Worte zu predigen. Viertens
die Macht, meinen Leib liturgisch zu weihen, was kein
Engel tun kann. Fünftens meinen Leib mit Händen zu
berühren, was keiner von euch wagen würde, wenn ich vor
euch läge.
Aber nun klage ich darüber, dass sie fünf Dinge tun.
Erstens, dass sie denen die Hölle auftun und den Himmel
verschließen, in den sie doch kommen sollen. Zweitens,
dass sie aus meinem Freund meinen Feind machen, und dass
sie denen, die ihnen mit einer Wunde nahen, zwei Wunden
zufügen, denn wenn jemand die dreiste Lebensart der
Priester sieht, denkt er bei sich selbst: „Wenn die es
so machen, kann ich es noch mehr so machen.“
Drittens, dass sie meine Worte zunichte machen, ihre
Lüge noch befestigen und meine Wahrheit verneinen.
Viertens, dass sie mich mit ihrem Mund verkaufen, mit
dem sie mich heiligen sollten. Fünftens, dass sie mich
noch grausamer kreuzigen, als die Juden. Sieh, wie meine
Freunde, die ich auserwählt und geliebt habe, mir
vergelten. Ich habe sie mit mir, ja mit meinem Leib
vereinigt, und sie lösen unser Band. Daher sollen sie
als Verräter, nicht als Priester verurteilt werden,
sofern sie sich nicht bessern.“
134. Kapitel
Maria sagte: „Bedenk die Pein meines Sohnes. Er kommt
jetzt.“ Und siehe, der hl. Johannes der Täufer zeigte
sich und sagte zur heiligen Jungfrau Maria: „In tausend
Jahren ist Gottes Zorn auf die Welt nicht so groß wie
jetzt gewesen.“
Als der Sohn kam, sagte er zur Braut (Birgitta): „Für
mich ist die Zeit vom Anbeginn, als ob es eine Stunde
wäre, und wie lange Zeiten es für euch noch geben mag –
sind sie für mich nur wie eine Stunde. Ich sagte dir
vorher von den Priestern, dass ich sie unter allen Engel
und Menschen ausgewählt habe, und dass sie mir mehr
Schmerzen bereiten, als alle anderen.“
Und sieh, nun zeigten sich auch Teufel. Sie hatten eine
Menschenseele in Händen und sagten zueinander: „Sieh den
Kämpfer!“ Der Richter antwortete: „Da die Erdenwesen
das, was geistlich ist, nicht hören können, und kein
leibliches Auge geistliche Dinge sehen kann, sollt ihr
um ihretwillen, die hier steht und der ich das Auge des
Verstandes öffnen will, sagen, mit welchem Recht ihr
diese Seele habt.“
Sie antworteten: „Für ihre neun Übertretungen sollen wir
die Berechtigung haben, sie zu besitzen. In drei Dingen
war sie nämlich unter uns, in drei Dingen so wie wir, in
drei Dingen über uns. Das Erste, wodurch sie unter uns
stand und wodurch wir das Recht auf sie haben, bestand
darin, dass sie nach außen hin gut und ihnen schlecht
war.
Das zweite bestand darin, dass sie manchmal voll von
Lüsternheit und Schwelgerei war, und manchmal zugunsten
ihres Leibes oder wegen einer Krankheit Enthaltsamkeit
übte. Das dritte bestand darin, dass sie manchmal hart
mit Worten und in Taten war, aber dass manchmal ihre
Härte und Bosheit aus irgendeinem für sie selber
nützlichen Anlass unterschlagen wurde.
Wir dagegen sind nicht so, sondern wir sind innerlich
und äußerlich gleich, und wir sind immer hart in unserer
Bosheit und immer lüstern auf alles Böse. In drei Dingen
war er so wie wir, denn durch drei Dinge sind wir
gefallen, nämlich durch Hochmut, Lüsternheit und Neid.
Diese drei Dinge besaß er.
In drei Dingen stand er über uns und war an
Schlechtigkeit größer als wir, nachdem er Priester war
und deinen Leib in Händen hatte. Das erste bestand
darin, dass er nicht auf seinen Mund acht gab, mit dem
er deine Worte vortragen sollte, sondern so, wie ein
Hund bellt, so trug er deine Worte vor, wie ein Hund.
Als er deine Worte vortrug, zitterten wir wie der, der
irgend einen schrecklichen Laut hört, und erschreckt
gingen wir gleich von ihm fort. Er dagegen blieb ohne
Scham und Furcht stehen.
Das zweite bestand darin, dass er nicht auf seine Hände
Acht gab, mit denen er deinen reinsten Leib berührte,
sondern sie durch allerlei Lüste befleckte. Als er
deinen Leib berührte, der nach dem Aussprechen der
Einsetzungsworte derselbe ist wie der, der im Schoß der
Jungfrau war und gekreuzigt wurde, zitterten wir wie ein
Mann, dessen ganzer Leib mit Furcht vor deiner Macht und
vor der Größe deiner Kraft geschlagen war. Er dagegen
bleib unerschrocken stehen und kümmerte sich nicht
darum.
Als er sich dir mit seinem Munde näherte, der wie das
unreinste Gefäß war, voll von aller Unreinheit, da waren
wir wie die Menschen, die alle ihre Kraft verloren
haben, und wie der, dessen ganze Kraft geschwunden ist.
Ja, wir waren vor Furcht wie tot, obwohl wir unsterblich
sind, aber er fürchtete sich nicht und bebte nicht, dich
zu berühren.
Aber da es sich für den Herrn der Majestät nicht zierte,
in ein so unreines Gefäß einzugehen, bist du mit deiner
Göttlichkeit und Menschengestalt von ihm gewichen, und
er bleib allein übrig. Und wir, die gerade eben
davongelaufen sind, wir sind jetzt mit großer Hast
zurückgekommen. – In all dem übertraf er uns an Bosheit,
und deshalb besitzen wir ihn mit Recht. Tu uns nun den
Gefallen und fälle ein gerechtes Urteil über ihn, da du
ein gerechter Richter bist.“
Der Richter antwortete: „Ich höre, was ihr begehrt. Aber
jetzt, du elende Seele, sag im Beisein dieser Braut,
welchen Wunsch du am Ende deines Lebens hattest, als du
noch deinen Verstand und deine Körperkräfte hattest?“
Die Seele erwiderte: „Es war mein Wille, ohne Ende
weiter zu sündigen und niemals damit aufzuhören, aber da
ich wusste, dass ich ja nicht ewig leben würde, habe ich
beschlossen, bis zum letzten Augenblick zu sündigen, und
mit dieser Absicht bin ich vom Körper geschieden.“
Da sagte der Richter: „Dein Gewissen ist dein Richter.
Sag also in deinem Gewissen, welches Urteil du
verdienst.“ Die Seele erwiderte: „Mein Urteil ist die
bitterste und schwerste Pein, die in Ewigkeit ohne alles
Erbarmen dauern wird.“ Nachdem die Teufel das Urteil
vernommen hatten, gingen sie mit der Seele weg.
Der Herr sagte nun zur Braut: „Siehe, meine Braut, was
die Priester mir antun. Ich habe sie vor allen anderen
geehrt. Aber jetzt zeigen sie mich schlimmer, als alle
Juden und Heiden, und mehr als alle Teufel.“
135.
Kapitel
Christus Spricht): „Ich bin wie ein Bräutigam, der seine
Braut mit aller Liebe in sein Haus führte. So habe ich
die Priester mit meiner leiblichen Gestalt vereinigt,
dass sie in mir und ich in ihnen sein sollte. Aber nun
antworten sie mir, wie eine Ehebrecherin ihrem Gatten
antwortet: „Deine Worte gefallen mir nicht, deine
Reichtümer sind unnütz, deine Lust wie Gift. Ich habe
drei, die ich lieber lieben und ihnen folgen will.“
Der sanftmütige Mann antwortete ihr: „Meine Braut, höre
auf mich und warte lieber, denn deine Worte müssen auch
die meinen sein, mein Wille dein Wille, meine Reichtümer
deine Reichtümer, deine Lust meine Lust.“ Aber sie will
durchaus nicht hören, sondern geht fort zu den drei
anderen.
Als sie so weit fort gegangen war, dass der Bräutigam
nicht mehr zu sehen war, sagte der erste der drei,
nämlich die Welt: „Hier ist eine Waagschale. Nun kann
ich ihr nicht länger folgen. Deshalb will ich alle ihre
Reichtümer haben.“ Der andere, nämlich der Leib, sagte:
„Ich bin sterblich und werde zum Fraß der Würmer werden,
aber sie ist unsterblich, deshalb will ich sie hier
lassen.“ Der dritte, nämlich der Teufel, sagte: „Ich bin
unsterblich und werde ewig bleiben. Da sie nicht mit
ihrem Mann zusammen sein will, soll sie mir auf ewig
folgen.“
So gehen diese verdammten Priester mit mir um. Sie
müssten meine Glieder sein und vor allem anderen so
hervorragen, wie die Finger an der Hand, aber nun sind
sie schlimmer als der Teufel. Daher sollen sie sich
nicht bessern. Ich rufe sie ja, wie ein Bräutigam ruft.
Alles, was ich kann, tue ich für sie, aber je mehr ich
rufe, umso weiter gehen sie fort.
Meine Worte gefallen ihnen nicht, meine Reichtümer sind
ihnen zu schwer, und meine liebenswürdigen Worte
verabscheuen sie wie Gift. Ich laufe ihnen nach und
ermahne sie wie ein milder Vater; Ich habe einen Vertrag
mit ihnen wie ein guter Bräutigam, aber sie wenden sich
immer weiter ab, je mehr ich sie rufe. Sie lieben drei
Freunde mehr als mich. Zwei davon sind die Welt und der
Körper. Deshalb soll der dritte, nämlich der Teufel, sie
nehmen und nie mehr loslassen. Wehe ihnen deshalb, dass
sie jemals Priester und meine Glieder geworden sind!
Der Priester, der jetzt gestorben ist, hatte drei
Eigenschaften: Erstens Hochmut, denn er kleidete sich
wie ein Bischof. Zweitens war er berühmt für seine
Weisheit. Drittens richtete er seinen Willen auf das,
was er begehrte, und was seinem Körper behagte. Er übte
Enthaltsamkeit, als seine leibliche Gesundheit es
erforderte, und tat, was ihm gefiel, aber nicht meinen
Willen. Aber was nützt ihm das jetzt? Wegen seines
Hochmuts ist er für mich wie ein halbverwester Mensch,
stinkend voller Wunden und verdorbenem Fleisch. Wegen
seines Ruhmes ist er nun für mich vergessen und
vergessen von den Menschen. Wegen seines Eigenwillens
haben die Würmer seinen Leib und die Teufel seine Seele
genommen, um sie in Ewigkeit zu peinigen.
Sieh, die Elenden, was sie lieben und tun! Wo sind nun
seine Freunde, seine Güter, seine Ehre und sein Ansehen?
Für all das hat er jetzt eine ewige Scham. Sie erwerben
eine geringe Sache, nämlich zeitliche Ehre, und
verlieren eine große Sache, nämlich ewige Freude. Wehe
solchen Menschen, dass sie jemals geboren sind! Sie
werden nämlich tiefer hinab in die Hölle fallen, als
irgendein anderer.“
136.
Kapitel
Der Sohn spricht zur Braut und sagt: „Dieser Papst
Innocentius ist aus besserem Erz als sein Vorgänger, und
er hat ein Thema, das geeignet ist, die besten Farben
anzunehmen, aber die Bosheit der Menschen fordert, dass
er sehr schnell aus ihrer Mitte fortgenommen wird. Sein
guter Wille soll ihm als Krone und zur Erhöhung seiner
Herrlichkeit angerechnet werden. Doch würde er besser
werden, wenn er auf meine Worte hören würde, die dir
gegeben sind, und die, die ihm diese Worte mitteilen,
werden ehrenvoller gekrönt werden.“
137.
Kapitel
Gottes Sohn spricht zur Braut: „Wer einen Drahtknäuel
hat, in dem das beste Gold und Silber verborgen liegt,
hört nicht auf, es aufzuwickeln, bis er das Gold
gefunden hat. Wenn er es gefunden hat, verwendet der
Besitzer es zu seiner Ehre und zu seinem Nutzen. So ist
dieser Papst Urban ein Goldstück, der zu guten Dingen
neigt, aber er ist von weltlichen Sorgen umgeben (wie
das Gold vom Drahtknäuel).
Geh deshalb hin und sage ihm in meinem Namen: „Deine
Zeit ist kurz. Steh auf und gib Acht darauf, wie die
Seelen, die dir anvertraut sind, erlöst werden sollen.
Ich habe dir die Klosterregel gesandt, die in Vadstena
in Schweden gestiftet und eingeführt werden soll, und
die aus meinem eigenen Mund hervorgegangen ist. Nun will
ich, dass du, der mein Statthalter auf Erden ist, sie
nicht nur mit deiner Autorität bekräftigst, sondern sie
auch mit deinem Segen bekräftigst. Ich habe sie diktiert
und habe dieses Kloster mit geistlichen Gaben
ausgerüstet, indem ich ihm den Ablass verliehen habe,
den man in der Kirche San Pietro in Vincoli in Rom
gewinnen kann. Du magst also vor den Menschen
bestätigen, was von meiner himmlischen Heerschar
bestimmt ist.
Aber wenn du ein Zeichen begehrst, dass ich es bin, der
dies sagt, so habe ich dir das schon gezeigt, denn als
du zuerst meine Worte (durch Birgitta) hörtest, wurde
deine Seele bei der Ankunft meiner Botschaft geistlich
getröstet. Wenn du weitere Zeichen begehrst, soll dir
das gegeben werden, aber nicht, wie dem Propheten Jona.
Aber du, meine Braut, der ich diese Gnade bewiesen habe,
sollst wissen, dass – wenn du den Brief und die Gunst
des Papstes und sein Siegel auf der Bewilligung dieses
Ablassen nicht erhalten kannst, wenn du nicht dafür
bezahlst, so soll dir meine Gnade genug sein. Ich werde
mein Wort nämlich bestätigen und bekräftigen, und alle
Heiligen sollen Zeuge dafür sein. Meine Mutter soll dir
ein Siegel sein, und mein Vater es bekräftigen, und mein
Geist wird alle die trösten, die zu deinem Kloster
kommen.“
138.
Kapitel
Als dieselbe Person nachts im Gebet wachte, schien es
ihr, als ob eine Stimme sprechen würde. Sie ging von
einer glänzenden, sonnenähnlichen Kugel aus, und sie
sprach folgende Worte zu ihr: „Ich bin Gottes Mutter,
denn so hat es ihm gefallen. Ich bin auch Mutter für
alle, die in der himmlischen Freude sind. Obwohl die
Kleinkinder nach ihrem Willen ihren notwendigen
Unterhalt haben, wird ihre Freude doch über ihre Freude
hinaus gesteigert, wenn sie das milde Antlitz ihrer
Mutter sehen. So gefällt es Gott, allen am himmlischen
Hof Freude und Jubel über meine jungfräuliche Reinheit
und die Schönheit meiner Tugenden zu schenken, obwohl
sie durch die Macht derselben Gottheit alles Gute in
unendlicher Fülle haben.
Ich bin auch Mutter für alle die, die im Fegefeuer sind,
denn all die Plagen, die sie leiden müssen, um von ihren
Sünden gereinicht zu werden, werden jede Stunde in
gewissem Ausmaß um meiner Gebete willen gemildert. Es
gefällt Gott, dass manche der Plagen, die ihnen nach der
Strenge der göttlichen Gerechtigkeit zukommen, gemildert
werden.
Ich bin die Mutter all der Gerechtigkeit, die es auf
Erden gibt, mein Sohn hat die Gerechtigkeit mit der
vollkommensten Liebe geliebt. Und wie die mütterliche
Hand stets bereit ist, vor Gefahren zu schützen, um das
Herz des Sohnes zu verteidigen, so bin ich ständig
bereit, die Gerechten, die auf Erden sind, zu
verteidigen und sie vor jeder geistlichen Gefahr zu
retten.
Ich bin auch Mutter für alle Sünder, die sich bessern
wollen und den Willen haben, nicht mehr gegen Gott zu
sündigen, und ich bin gewillt, den Sünder wie eine
liebevolle Mutter in meine Verteidigung aufzunehmen,
wenn sie sieht, dass ihr nackter Sohn von Feinden
angegriffen wird, die scharfe haben. Sollte eine solche
Mutter nicht gegen die Gefahren tapfer Widerstand
leisten, um ihren Sohn aus den Händen seiner Feinde zu
befreien und ihn froh in ihrem Schoß zu bewahren? So
handele ich, und so will ich es mit allen Sündern tun,
die durch meinen Sohn mit wahrer Reue und mit göttlicher
Liebe um mein Erbarmen bitten.
Nun sollst du hören und genau Acht geben auf das, was
ich dir von meinen beiden Söhnen sagen will, die ich dir
nennen werde. Der erste ist mein Sohn Jesus Christus,
der aus einem jungfräulichen Leib geboren wurde, damit
er seine Liebe offenbaren und die Seelen erlösen sollte.
Um ihretwillen hat er seinen Leib nicht vor Mühen
geschont, und sein Blut nicht davor, dass es vergossen
würde, und er hat es nicht verschmäht, Schmähungen
anzuhören und sich der Qual des Todes zu unterwerfen. Er
ist Gott selbst und ist allmächtig in der ewigen Freude.
Der zweite, den ich als meinen Sohn ansehe, ist der, der
auf dem päpstlichen Stuhl thront, nämlich Gottes Sitz in
der Welt, wenn er Gottes Gebote beachtet und ihn mit
vollkommener Liebe liebt. Ich will dir jetzt etwas über
den Papst sagen, der Urban heißt. Auf Grund meiner
Fürbitte empfing er die Eingebung des Heiligen Geistes,
dass er sich durch Italien nach Rom begeben sollte – zu
keinem anderen Zweck, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit
zu üben, den katholischen Glauben zu stärken, den
Frieden sicherzustellen und so die heilige Kirche zu
erneuern.
Wie eine Mutter ihren Sohn zu der Stelle führt, wo es
ihr gefällt, indem sie ihm ihre Brüste zeigt, so habe
ich den Papst Urban mit meiner Fürbitte und dem Wirken
des Heiligen Geistes von Avignon nach Rom geführt, ohne
irgendeine leibliche Gefahr. Aber was er gegen mich
gemacht? Er wendet mir nun den Rücken und nicht das
Gesicht zu und will mir ausweichen, und dazu veranlasst
ihn der böse Geist mit seiner Falschheit. Denn er war
mit Unlust bei göttlicher Arbeit und liebt seine
körperliche Bequemlichkeit. Weiter lockt ihn der Teufel
mit weltlichem Genuss, denn sein Vaterland ist ihm nach
Art der Weltmenschen übermäßig begehrenswert.
Außerdem wurde er vom Rat weltlicher Freunde verleitet,
die mehr auf seine Neigungen und seinen Willen als auf
Gottes Ehre und den Nutzen und die Erlösung seiner
eigenen Seele achten. Wenn es nun so geht, dass er in
das Land zurückkehrt, in dem er zum Papst gewählt wurde,
so wird er bald genug einen Schlaganfall oder einen (?Kindpust)
bekommen, so dass seine Zähne knirschen und ausfallen.
Sein Augenlicht wird trübe und dunkel werden, und die
Glieder an seinem ganzen Körper werden zittern.
Die Glut des Heiligen Geistes wird binnen kurzer Zeit
bei ihm erkalten und von ihm weichen; die Gebete aller
Freunde Gottes, die beschlossen haben, unter Tränen und
Rufen für ihn zu beten, werden ermüden, die Herzen
werden in der Liebe zu ihm erkalten, und er wird
genötigt werden, für zwei Dinge vor Gott Rechenschaft
abzulegen: Erstens dafür, was er sich auf dem
päpstlichen Thron vorgenommen hat, zweitens dafür, was
er von all dem unterlassen hat zu tun, was er zu Gottes
Ehre und seiner hohen Majestät hätte tun können.“
139.
Kapitel
Eine Person, die nicht schlief, sondern wachte und im
Gebet verharrte, wurde im Geist entrückt. Und da
schienen alle ihre Körperkräfte zu schwinden, aber ihr
Herz wurde von der Glut der Liebe entzündet und jubelte,
ihre Seele spürte Trost, ihr Geist wurde von einer
göttlichen Kraft bestärk, und ihr ganzes Bewusstsein
wurde mit geistlichem Verständnis erfüllt. Sie empfing
da folgende Offenbarung.
Sie hörte nämlich eine lieblich klingende Stimme, die zu
ihr sagte: „Ich bin die, die Gottes Sohn, den wahren
Gott Jesus Christus, geboren hat. ich habe dir früher
einige Worte gesagt, die dem Papst Urban mitgeteilt
werden sollten, und jetzt will ich dir auch ein paar
sagen, die an Papst Gregorius geschickt werden sollen.
Aber damit sie besser verstanden werden, will ich sie
dir in einem Gleichnis sagen.
Stell dir vor, dass eine sanfte Mutter ihren geliebten
Sohn nackt und kalt auf dem Boden liegen sieht, ohne die
Körperkräfte zu haben, sich zu erheben. Vor Sehnsucht
nach der Fürsorge der Mutter und der Muttermilch weint
er mit klagender und wimmernder Stimme. Sie eilt dann
aus zärtlicher Liebe und Mitleid mit ihrem Sohn dorthin,
und damit er nicht vor Kälte umkommt, hebt sie ihn
gleich mit ihrer holden mütterlichen Hand hoch,
streichelt ihn zart und erquickt ihn sanft mit der
mütterlichen Wärme ihrer Brust und nährt ihn wonnig mit
der Milch ihrer Brüste.
So will ich, die Mutter der Barmherzigkeit, mit Papst
Gregorius verfahren, wenn er nach Rom und Italien mit
dem Vorsatz zurückkehrt, dort zu bleiben und mit
Seufzern des Mitleids und mit Tränen das ewige Verderben
der Seelen der ihm anvertrauten Schafe und ihre Schäden
und schmerzlichen Verluste beweint und sich vornimmt,
mit Demut und der Liebe, wie sie für einen Hirten ziemt,
den Zustand der Kirche zu erneuern.
Dann werde ich ihn wie eine gute Mutter wie einen kalten
und nackten Sohn vom Boden aufheben, d.h. ihn und sein
ganzes Herz von aller irdischen Liebe und aller
weltlichen Neigung trennen, die gegen Gottes Willen ist,
und ihn liebevoll mit mütterlicher Wärme erquicken, d.h.
mit der Wärme der Liebe, die in meiner Brust vorhanden
ist. Ich werde ihn auch mit meiner Milch, d.h. meiner
Fürbitte sättigen, die mit Milch zu vergleichen ist.
O, wie unzählig viele gibt es doch, die von der Milch
meiner Fürbitte genährt und lieblich gesättigt werden!
Mit dieser Milch will ich ihn sättigen, denn ich will
für ihn zum Herrn, meinem Gott, der mein Sohn ist beten,
dass er geruht, sich zu erbarmen und seinen Heiligen
Geist mit dem Herzblut des Papstes Gregorius zu
vereinigen. Dann wird er von wahrer Sättigung so
vollkommen erfüllt werden, dass er für nichts anderes
auf dieser Welt mehr leben will, als mit all seinen
Kräften Gottes Ehre zu erhöhen, so lange er das vermag.
Sieh, nun habe ich ihm die mütterliche Liebe gezeigt,
die ich ihm beweisen werde, wenn er gehorcht, denn es
ist Gottes Wille, dass er in aller Demut seine Residenz
nach Rom verlegt. Und damit er sich nachher nicht mit
Unkenntnis entschuldigt, so warne ich ihn mit
mütterlicher Liebe und verkünde ihm, dass – wenn er
diesem Befehl nicht gehorcht, so wird er ohne Zweifel
die Rufe der Gerechtigkeit kennen lernen, d.h. den Zorn
meines Sohnes, denn dann soll sein Leben verkürzt
werden, und er wird vor Gottes Richterstuhl gerufen
werden.
Da wird ihm keine Macht weltlicher Herren helfen können,
und die Weisheit und das Wissen der Ärzte wird ihm
nichts nützen, und die Luft in seinem Vaterland wird
sein Leben nicht verlängern können, wie er sagt. Und
wenn er nach Rom kommen sollte, aber das oben Gesagte
nicht tut, so wird sein Leben verkürzt werden, und die
Ärzte werden ihn nicht helfen können, und er wird nicht
nach Avignon zurückkehren dürfen, wo ihm die Luft des
Vaterlandes nützen kann, sondern er wird vielmehr
sterben.“
140.
Kapitel
Lob sei Gott für all seine Liebe und seinen Dienst! Und
Ehre sei der allerheiligsten Maria, seiner teuren,
jungfräulichen Mutter, für das Mitleid, das sie für alle
empfindet, die ihr Sohn mit seinem kostbaren Blut erlöst
hat! Heiliger Vater, es geschah einem Menschen, den Ihr
gut kennt, dass sie – als sie im Gebet wach lag – ihr
ganzes Herz von göttlicher Liebesglut und von einem
Besuch des heiligen Geistes entflammt fühlte.
Sie hörte da eine Stimme, die zu ihr sagte: „Höre du,
die geistliche Dinge sieht, und trage das vor, was dir
nun befohlen wird, und schreibe dem Papst Gregorius die
Worte, die du jetzt hörst! Ich, die mit dir spricht, bin
die, der es Gott gefallen hat, sie als seine Mutter
auszuwählen; er nahm aus meinem Fleisch und Blut einen
menschlichen Leib an. Dieser mein Sohn tat an dem Papst
Gregorius ein Grosses Werk der Barmherzigkeit, als er
ihm durch mich seinen allerheiligsten Willen sagen ließ,
den ich ihm in der vorigen Offenbarungen, die ihm
geschickt wurde, deutlich verkündet habe, und das ist
eher auf Grund der Gebete und Tränen von Gottesfreunden
geschehen, als durch einige seiner Verdienste.
Ich und der Teufel, sein Widersacher, haben einen
schweren Kampf um ihn gekämpft. Denn ich habe denselben
Papst Gregorius in einem anderen Brief ermahnt, dass er
sich mit Demut und göttlicher Liebe schleunigst nach Rom
oder Italien begeben soll, und dass er dort seinen Thron
errichten soll und dort immer bis zu seinem Tode bleiben
soll. Aber der Teufel und einige der eigenen Berater des
Papstes haben ihm geraten, zu zögern und in den Gegenden
zu bleiben, wo er jetzt ist, und dies auf Grund von
irdischer Liebe und auch auf Grund von weltlichem
Vergnügen und weltlicher Freude von Verwandten und
Freunden.
Und deshalb hat der Teufel jetzt ein besseres Recht und
Gelegenheit, ihn zu versuchen, denn er hat dem Rat des
Teufels und menschlicher Freunde mehr gehorcht, als dem
Willen Gottes und von mir. Aber da der Papst größere
Gewissheit über Gottes Willen haben möchte, ist es
richtig, dass dieser Wunsch von ihm befriedigt wird. Er
soll also völlig überzeugt sein, dass das, was jetzt
gesagt werden soll, Gottes Wille ist, nämlich dass er
unverzüglich selber nach Italien oder Rom kommt und das
ohne Aufschub tut, ja dass er sich beeilt zu kommen, und
dass er im bevorstehenden März oder spätestens Anfang
April persönlich in der genannt Stadt oder im Land
Italien eintrifft, sofern er mich jemals als Mutter
haben will.
Aber wenn er dieser Mahnung gehorcht, werde ich auch das
einlösen, was ich in der Offenbarung versprochen habe,
die ihm zuerst von mir geschickt wurde. Ich lasse
denselben Papst auch wissen, dass der Friede in
Frankreich nie so fest und sicher werden wird, dass
seine Bewohner sich gewissermaßen über eine vollständige
Sicherheit und Eintracht freuen können, bevor das Volk
des Landes Gott, meinen Sohn, durch ein paar große Werke
der Frömmigkeit und Demut besänftigt hat; es hat ihn ja
bisher durch seine viele bösen Taten und Kränkungen zu
Trauer uns zum Zorn gereizt.
Deshalb soll er wissen, dass die Reise oder Wallfahrt,
die diese Knappen, die aus den bösen Schichten der Bösen
stammen, zum Heiligen Grabe meines Sohnes unternehmen
wollen, meinem Sohn, dem wahren Gott, nicht mehr
gefällt, als das Gold, das das Volk Israel uns Feuer
warf, und aus dem der Teufel einen Metallstier
verfertigte, denn Hochmut und Gier sind bei ihnen zu
Hause. Wenn sie den Willen haben, zu dem erwähnten Grab
zu gehen, so ist das eher aus Hochmut und aus Geldiger,
als aus Liebe zu Gott, und um ihn zu ehren.“ Nach diesen
Worten verschwand die Vision.
Dann sagte Gottes Mutter weiter zu mir: „Sage meinem
Bischof, dem Eremiten, weiter, dass er diesen Brief
verschließt und versiegelt und dann auf ein anderes
Blatt eine Kopie für den Abt davon schreibt, der der
Nuntius des Papstes ist, und für den Grafen von Nola, so
dass sie ihn lesen und wissen, was darin steht. Wenn wie
ihn gelesen haben, soll er ihnen de genannten, mit einem
Siegel versehenen Brief geben, den sie an Papst
Gregorius senden sollen.
Aber die offene Kopie soll er ihnen nicht geben, wenn
sie sie gelesen haben, sondern ich will, dass er sie vor
ihren Augen in Stücke reißen soll. So wie der Brief, der
ein einziger ist, in viele kleine Stücke zerrissen wird,
so werden die Länder der Kirche, wenn der Papst nicht
zur angegebenen Zeit und im genannten Jahr nach Italien
kommt, die jetzt einem einzigen in Gehorsam unterworfen
sind und diesem auch gehorchen, in mehrere Teile
zerstückelt in die Hände der Feinde fallen.
Und du kannst versichert sein, dass er zur Erhöhung
seiner Trübsal nicht nur hören, sondern auch mit seinen
Augen sehen wird, dass es wahr ist, was ich sage, und er
soll nicht mit der ganzen Macht seiner Hand die
genannten Länder in den früheren Zustand von Gehorsam
und Frieden zurückführen können. Diese Worte, die ich
dir jetzt sage, sollen diesem Abt noch nicht mitgeteilt
werden, denn das Saatkorn liegt solange in der Erde
versteckt bis es als eine Ähre aufsprießen kann.“
141.
Kapitel
Christus offenbarte sich seiner Braut, Frau Birgitta,
die für den Papst Gregorius XI. bat and sagte zu ihr:
„Meine Tochter, gib Acht auf die Worte, die ich spreche.
Du sollst wissen, dass dieser Papst Gregorius wie ein
Lamm ist, das nicht die Hände rührt, um zu arbeiten,
oder die Füße, um zu gehen. Denn wie die Krankheit des
Verdammens von einem Fehler im Blut und von Nässe und
von Kälte herrührt, so ist dieser Papst sozusagen von
einem Hindernis gefesselt, nämlich einer unmäßigen Liebe
zu seinem Blut und einer Gefühlskälte für mich.
Aber du sollst wissen, dass er mit Hilfe der Fürbitte
meiner jungfräulichen Mutter Maria nun schon anfängt,
Hände und Füße zu rühren, indem er meinen Willen tun
will und mich dadurch ehren will, nach Rom zu kommen.
Deshalb kannst du gewiss sein, dass er nach Rom kommen
wird, und dort wird er ein neues Leben für etwas
künftiges Gutes beginnen, aber es nicht vollenden.“
Da antwortete Frau Birgitta: „O Herr mein Gott, die
Königin von Neapel und viele andere sagen mir, dass es
unmöglich für ihn ist, nach Rom zu kommen, weil der
König von Franreich, die Kardinäle und andere Personen
dieser Reise viele Hindernisse in den Weg legen. Und ich
habe gehört, dass viele vor ihn hintreten und angeben,
Gottes Geist und göttliche Offenbarungen und Gesichte zu
haben, was sie als Vorwand anführen, um ihm von der
Reise abzuraten. Und deshalb fürchte ich sehr, dass
seine Ankunft verhindert wird.“
Gott erwiderte: „Du hast gehört, dass man liest, dass
Jeremia einst in Israel lebte und den Geist Gottes
hatte, zu prophezeien, aber damals gab es viele, die den
Geist der Träume und der Lüge hatten, und ihnen
vertraute der böse König, weshalb er in Gefangenschaft
geriet, und das Volk mit ihm. Denn wenn der König auf
Jeremia allein vertraut hätte, so hätte ich meinen Zorn
von ihm abgewandt.
So verhält es sich auch jetzt, denn wenn auch gelehrte
Männer oder Träumer oder die, die dem Fleisch und nicht
dem Geist nach Freunde des Papstes Gregorius sind,
auftreten und ihm Entgegengesetzte Dinge raten, so bin
ich, der Herr, doch mächtiger als sie, und ich werde
diesen Papst nach Rom führen – aber nicht zu ihrem
Trost. Aber ob du selbst ihn kommen sehen darrst oder
nicht – das ist dir nicht erlebt, zu wissen.
142.
Kapitel
Heiliger Vater! Die Person, die Eure Heiligkeit gut
kennt, wachte im Gebet, und als sie in einer
ekstatischen Betrachtung war, sah sie im Geist einen
Thron. Auf dem saß ein Mann von unbeschreiblicher
Schönheit, ein Herr von unermesslicher Macht. Rund um
den Thron herum stand eine große Menge Heiliger und eine
unzählbare Schar von Engel. In einigem Abstand von dem,
der auf dem Thron saß, stand ein Bischof, in ein
bischöfliches Gewand und Schmuck gekleidet.
Der Herr, der auf dem Thron saß, redete mit mir und
sagte: „Mir ist von meinem Vater alle Macht im Himmel
und auf Erden gegeben. Und obwohl es dir vorkommt, als
ob ich mit einem einzigen Munde redete, so spreche ich
doch nicht allein, sondern der Vater spricht wie ich,
und ebenso der Heilige Geist; wir drei Personen sind
eins in der Substanz der Gottheit.“
Dann sprach er zu dem Bischof und sagte: „Höre, Papst
Gregorius XI., die Worte, die ich dir sage, und gib
genau Acht auf das, was ich dir sage. Warum hasst du
mich so? Warum ist deine Dreistigkeit und Vermessenheit
gegen mich so groß? Deine weltliche Kurie plündert ja
meine himmlische Kurie. Du Übermütiger beraubst mich
meiner Schafe, und du nimmst unrechtmäßig die
kirchlichen Güter, die meine eigenen sind, und die Güter
derer, die meiner Kirche gehorchen, um sie deinen
irdischen Freunden zu geben. Du bemächtigst dich auch in
ungerechter Weise der Güter meiner Armen und schenkst
und verteilst sie – unpassend genug – unter deine
Reichen.
Deine Dreistigkeit und Vermessenheit ist allzu groß,
wenn du so gedankenlos meinen Hof betrittst und keine
Rücksicht auf das nimmst, was mein eigen ist. Was habe
ich dir getan, Gregorius? Ich habe dich geduldig zur
höchsten Bischofswürde aufsteigen lassen, und ich habe
dir meinen Willen durch Briefe verkündet, die dir auf
göttliche Offenbarung hin aus Rom geschickt wurden, und
in denen ich dich zur Erlösung deiner Seele ermahnte und
deinen großen Verlust voraussagte.
Wie belohnst du mich jetzt für so große Wohltaten? Warum
lässt du in deiner Kurie den größten Übermut, eine
maßlose Geldgier, eine mir verhasste Geilheit und das
hässliche Verderben der abscheulichen Simonie herrschen?
Außerdem raubst du mir noch unzählige Seelen. Denn fast
alle, die an deinen Hof kommen, schickst du ins Feuer
der Hölle, weil du nicht genau darauf achtest, was zu
meinem Hof gehört – du, der du der Vorsteher und Hirte
meiner Schafe bist.
Es ist deine Schuld, dass du nicht klug darauf achtest,
was zu ihrem geistlichen Wohlergehen getan und gebessert
werden soll. Und obwohl ich dich nach dem hier Gesagten
nach meiner Gerechtigkeit verdammen könnte, so ermahne
ich dich doch noch einmal zum Wohlergehen deiner Seele,
ja ich ermahne dich, dass du sobald wie möglich an deine
Residenz in Rom kommst. Die Zeit magst du selbst näher
bestimmen. Du sollst aber wissen, dass – je länger du
zögerst – umso mehr wird deine Seele darauf verlieren
und alle deine Tugenden sich mindern. Und je schneller
du nach Rom kommst, umso schneller wirst du an Tugenden
und den Gaben des Heiligen Geistes wachsen und vom
göttlichen Feuer meiner Liebe entflammt werden.
Komm also, und zögere nicht! Komm nicht mit deinem
üblichen Hochmut und deinem weltlichen Staat, sondern
mit Demut und brennender Liebe. Und wenn du so gekommen
bist, sollst du alle Laster aus deiner Kurie ausrotten,
vertreiben und verjagen. Weise auch die Ratschläge
deiner fleischlichen und weltlichen Freund von dir ab
und befolge in Demut die geistlichen Ratschläge meiner
Freunde. Geh also voran und fürchte dich nicht, steh
mannhaft auf und kleide dich vertrauensvoll mit Stärke,
mach dich daran, meine Kirche zu erneuern, die ich mit
meinem eigenen Blut erlöst habe, so dass sie erneuert
werden mag und geistlich in ihren früheren heiligen
Zustand zurückversetzt wird, denn jetzt wird eher ein
Freudenhaus verehrt, als meine heilige Kirche.
Aber wenn du diesem meinem Willen nicht gehorchst, so
kannst du überzeugt sein, dass du vor meinem ganzen
himmlischen Hof mit einem solchen Urteil und einer
solchen geistlichen Gerechtigkeit schuldig gesprochen
wirst, mit der ein Prälat, der abgesetzt werden soll,
zeitlich verurteilt und bestraft wird, indem er
öffentlich mit Schimpf und Verdammung des heiligen,
ehrenvollen Bischofsgewandes entkleidet wird und in
Scham und Schande gehüllt wird.
So werde ich mit dir verfahren. Denn ich will dich dann
vom himmlischen Hof verweisen, und alles, was nun zu
Frieden und Ehre dein ist, wird dir zur Verdammnis und
zu ewiger Schande werden. Und ein jeder von den Teufeln
der Hölle soll ein Stück von deiner Seele packen obwohl
sie unsterblich und unzerstörbar ist, und statt mit
Segen, sollst du mit ewiger Verdammnis erfüllt werden.
So lange ich dich, der mir ungehorsam ist, ertrage, so
lange sollst du Erfolg haben. Aber, mein Sohn Gregorius,
ich ermahne dich noch einmal, dass du demütig zu mir
zurückkehrst und meinem, deines Vaters und Schöpfers
Rat, gehorchst. Denn wenn du mir in der genannten Weise
gehorsam bist, so will ich dich wie ein milder Vater
aufnehmen. Schreite also mannhaft auf dem Wege der
Gerechtigkeit vor wärts, und es wird dir gut gehen.
Verachte den nicht, der dich liebt, denn wenn du
gehorsam bist, werde ich dir Barmherzigkeit erweisen und
dich segnen, und ich werde dich auch mit den kostbaren
Bischofsgewändern des wahren Papstes bekleiden und
schmücken, ja werde dich mit mir selbst bekleiden, so
dass du in mir und ich in dir bleiben werde, und du
wirst in Ewigkeit verherrlicht werden.“
Nach diesem Gesicht und diesen Stimmen verschwand die
Vision.
143.
Kapitel
Unser Herr Jesus Christus sagte mir, o Herr Bischof,
dass ich nachstehende Werke an Euch schreiben sollte,
und dass Ihr sie dem Papst zeigen solltet. „Der Papst
begehrt ein Zeichen. Sag ihm, dass auch die Pharisäer
ein Zeichen haben wollten. Ich habe ihnen geantwortet,
dass wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des
Fisches war, so lag ich, der Sohn der Jungfrau, drei
Tage und drei Nächte tot in der Erde, bin aber von den
Toten auferstanden und zu meiner Herrlichkeit
aufgestiegen.
So soll dieser Papst meine Eramhung als Zeichen
empfangen, damit er die Seelen erlöst. Er soll also das
in die Tat umsetzen, was zu meiner Ehre dient, daran
arbeiten, dass die Seelen erlöst werden, und dass meine
Kirche in ihre frühere Gestalt zurückversetzt und in
einen besseren Zustand kommt; dann wird er das Zeichen
und die Furcht des ewigen Trostes erfahren dürfen.
Er soll auch noch ein anderes Zeichen erhalten: Wenn er
meinen Worten nicht gehorcht und nach Italien kommt, so
soll er nicht nur das Zeitliche, sondern auch das
Geistliche verlieren und Herzenstrauer empfinden, so
lange er lebt, und wenn auch sein Herz manchmal
Erleichterung zu haben scheint, so werden ihm doch
Gewissensbisse und innere Trübsal verbleiben.
Das dritte Zeichen ist, dass ich, Gott wunderbare Worte
durch eine Frau spreche – zu welchem Zweck geschieht
das, wenn nicht zur Erlösung und zum Nutzen der Seelen,
und dafür, dass die Bösen gebessert und die Guten noch
besser werden?
Was den Zwist zwischen dem Papst und Barnabo betrifft,
so antworte ich, dass er mir über die Maßen verhasst
ist, denn unendlich viele Seelen nehmen dadurch Schaden.
Denn auch wenn der Papst von seinem Papsttum vertrieben
werden sollte, so wäre es besser, wenn der Papst sich
demütigte und Eintracht zustande bringen würde, als dass
so viele Seelen zu Grunde gehen und von der ewigen
Verdammnis betroffen würden.
Darüber, was die Verbesserung des französischen
Königreichs betrifft, wird er nicht eher Bescheid
erhalten, als bis er persönlich nach Italien kommt. So
wie es sich mit einem Querbalken verhält, an dem ein
Seil hängt, an dem unzählig viele nach einer Richtung
ziehen, aber nur einer nach der anderen, so ist es mit
der Verdammnis der Seelen – sie ist ja offenbar, und
viele arbeiten daran.
Daher soll dieser Papst seinen Blick allein auf mich
richten; wenn auch alle ihm abraten, nach Rom zu kommen
und ihn behindern, soviel sie können, soll er allein auf
mich vertrauen, und ich werde ihm helfen, und niemand
soll Macht über ihn gewinnen. Aber wie die Vogeljungen
sich im Nest aufrichten, rufen und sich freuen, wenn die
Mutter naht, so werde ich ihm froh entgegenkommen, ihn
aufrichten und an Leib und Seele ehren.“
Weiter sagte der Herr: „Obwohl der Papst zweifelt, ob er
nach Rom kommen soll, um den Frieden wieder herzustellen
und meine Kirche zu reformieren, so erkläre, ich es ist
mein Wille, dass er nun bis zum Herbst kommt, und kommt,
um zu bleiben. Und er soll auch wissen, dass er nichts
tun kann, was mir lieber ist, als nach Italien zu
kommen.“
144.
Kapitel
Die Braut sah etwas wie eine Bischofsgestalt, in
Skapulier gekleidet und in einem Hause stehen, das mit
Schmutz von den Straßen bespritzt war. Das Dach dieses
Hauses drückte fast auf das Haupt dieser Person
herunter. Und schwarze Neger, mit Haken und anderen
schaden bringenden Werkzeugen versehen, umgaben das
haus, aber, sie konnten die betreffende Person nicht
berühren, obwohl sie ihm großen Schrecken einjagten.
Und da hörte ich eine Stimme, die zu mir sagte: „Dies
ist die Seele des Papstes, den du kanntest. Das Haus
bezeichnet seine geistliche Vergeltung. Denn er
behandelte ein paar weltliche Dinge, und deshalb ist
seine Vergeltung noch nicht leuchtend klar, so lange er
im Fegefeuer geläutert und durch Geistliche Gebet und
durch Gottes Liebe reingewaschen wird.
Dass das Dach beinah sein Haupt niederdrückt, das ist
ein Zeichen für ein Mysterium, denn das Dach bezeichnet
die Liebe zu Gott. Sie ist umso größer, je weiter und
mehr die Seele für das Geistliche und den Eifer für Gott
aufgeschlossen ist. Aber weil dessen Seele vor Liebe zu
einigen weltlichen Dingen brannte und am liebsten ihrem
eigenen Willen folgte, deshalb ist das Dach, das für
Gottes Auserwählte hell und hoch ist, niedrig für ihn,
bis es durch das Blut von Gottes Sohn und die
Vermittlung des himmlischen Hofes erhört wird.
Dass die Seele mit einem Skapulier bekleidet ist, das
ist ein Zeichen dafür, dass er das Leben der Mönche zu
befolgen suchte, wohin ihn seine Berufung zog, aber er
bemühte sich nicht so sehr, dass er denen als Beispiel
hätte dienen können, die sich vervollkommnen. Aber nun
ist es dir erlaubt, drei Dinge von den Taten zu wissen,
die er in seinem Leben getan hat, und für die er jetzt
Strafe leidet.
Das erste ist, dass er Gott und seinem Gewissen
gegenüber ungehorsam war, worüber er Reue und
Gewissensbisse spürte. Das Zweite ist, dass er manchen
aus weltlicher Liebe Dispens ereilte, indem er seinem
eigenen Willen folgte. Das dritte ist, dass er etwas
unterließ, um Leute nicht zu verletzen, die er gern
hatte, die er aber hätte zurechtweisen können. Du sollst
aber wissen, dass diese Seele nicht zu denen gehört, die
zur Hölle hinab gefahren sind, und auch nicht zu denen,
die von den schwersten Fegefeuerstrafen betroffen sind,
sondern zu denen, die täglich näher zur Schau der
Majestät des allmächtigen Gottes eilen, um seine Gnade
zu genießen.“
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