Sechstes
Buch der himmlischen Offenbarungen der heiligen
Brigitta.
1.
Seite
Kapitel 1.
- Worte der Mutter Gottes zur Braut, welche von der
Schönheit Christi erzählen und wie die Juden, wenn sie
in einiger Herzensangst sich befanden, hinwandelten,
sein Antlitz zu schauen, und getröstet wurden.
Kapitel 2. - Christus redet
mit der Braut von einem, der übel gelebt, aber im Tode
den guten Willen hatte, sich zu bessern, wofern er leben
bleiben würde, und sagt, daß er wegen dieses guten
Willens nicht zur ewigen Strafe, sondern zu einem
schrecklichen Fegfeuer verurteilt werden wird.
Kapitel 3. - Wie die Braut
einen bösen Geist mit Schanden vor einem Manne fliehen
sah, der andächtig betete, und den der Teufel stark
angefochten und lange beunruhigt hatte, und wie ein
guter Engel der Braut das Gesicht erklärt.
Kapitel 4. - Christus sagt zur
Braut, es solle ein jeglicher weise und tugendhafte Mann
kühn die Worte und die Gnade Gottes predigen, welche in
diesen Büchern für die Völker enthalten ist, die danach
verlangen; ingleichen für die, welche nicht wollen, Arme
sowohl als Reiche, und wie er hiernach Gott selber zum
ewigen Lohne haben wird.
Kapitel 5. - Christus bedroht
die Ordensgeistlichen gar schwer, welche Heuchler und
voll Übermut sind, welche die Einfalt der Einfältigen
und Unschuldigen verspotten, und mit den Hörnern der
üblen Nachrede und der bösen Werke beunruhigen. Er
ermahnt dieselben aber liebevoll, daß sie sich bald den
Tugenden zuwenden mögen, weil sie sonst schwer gestraft
würden.
Kapitel 6. - Christus tadelt
die Braut in gütiger Weise wegen einiger Ungeduld,
welche sie gehabt, und lehrt sie, daß sie fürderhin
nicht in Zorn geraten, noch denen, welche sie reizen,
etwas antworten soll, bevor sie nicht ihr aufgeregtes
Gemüt beruhigt und gesehen hat, ob sie mit ihren Worten
etwas ausrichten könne.
Kapitel 7. - Christus gebietet
durch die Braut einem frommen Diakon, daß er mit
Inbrunst und Kühnheit das Wort Gottes seinen Genossen
und anderen Sündern predigen soll, indem er die
Schwachen unterweise, die Zuchtlosen strafe, und seine
Seele zu anderer Heile dem Tode aussetze.
Kapitel 8. - Christus Gibt der
Braut, welche sich fürchtet, Kühnheit ein, daß sie
zuversichtlich einige Ordensgeistliche tadelt, welche in
schweren Sünden stecken, und bei denen sie selber
Herberge genoß, indem er sagte, daß ihre Strafrede ihr
nicht zur Sünde, sondern zum Verdienste angerechnet
würde, wenn jene hieran auch Ärgernis nehmen und sich
verhärten sollten.
Kapitel 9. - Christus
offenbart hier der Braut, wie abscheulich ein Priester
vor Gott ist, welcher in einer Todsünde die Messe
feiert, und wie die Teufel beim Lesen der Messe um ihn
sind, und von seiner überaus schweren künftigen Strafe.
Kapitel 10. - Die Mutter
Gottes erzählt der Braut von ihrer Würde und den
WohlTaten, welche alle von ihr empfangen; sie meldet ihr
auch die Art und Weise, sowie die Hilfe, wodurch die
Seele eines verstorbenen Fürsten, für welchen die Braut
betete, aus den Schrecken des Fegfeuers erlöst werden
könne, - ein sehr gutes Lehrstück.
Kapitel 11. - Die Mutter
Gottes ermahnt die Braut, sie solle sich allezeit des
schmerzhaften Leidens Christi erinnern, denn in der Zeit
dieses Leidens wurde gleichsam alles bewegt, nämlich die
Gottheit und die Menschheit, und selbst seine Mutter,
die Engel und alle Elemente, sowie alle Seelen der
Lebenden und Toten, und auch die Teufel.
Kapitel 12. - Die Mutter Gottes sagt, sie sei gleich
einem Bienenkorbe, weil jene gesegnete Biene, d. h. der
Sohn Gottes, sie mit ihrem süßesten Honig, als er in
ihren Schoß herabstieg, so reichlich erfüllte, daß durch
jene Süßigkeit aller vergiftete Geschmack von uns
hinweggenommen ist.
Kapitel 13. - Christus ermahnt die Braut, daß sie alle
Zeit nach dem Willen Gottes einteilen und nichts tun
solle, als wovon sie glaubt, daß es Gott gefalle; auch
solle sie stets den Willen haben, im Dienste Gottes zu
beharren, und ihren Geist immer zum Himmlischen erheben,
ihren Leib aber in dieser Zeit so ermüden, daß derselbe
sich zur künftigen Herrlichkeit zu erheben vermöge.
Kapitel 14. - Christus Gibt der Braut zu erkennen, wie
er sie nach Art eines kleinen Kindes im geistlichen
Leben und in den Tugenden habe auferziehen lassen. Er
empfiehlt sie dem Engel von neuem. Auch meldet er, wie
er sie durch einen heiligen Betrug aus der Welt zum
Hafen der Ruhe geführt, und gebietet ihr, sie solle alle
Anfechtungen ihren geistlichen Vätern offenbaren, so
werde sie ein vollkommenes Ende haben.
Kapitel 15. - Christus sagt zur Braut, daß die Prälaten
und Gelehrten, welche sich der Wissenschaft rühmen und
reich werden, aber übel leben, den Huren und
Weintrinkern zu vergleichen sind, welche sich selber und
andere in Sünden stürzen, während sie doch tugendhafter,
als andere, sein sollten. Doch wird er mit
Barmherzigkeit jedem entgegenkommen, der sich bekehrt,
wie der Vater voll Freuden dem Sohne entgegeneilt, den
er bekommen.
Kapitel 16. - Ein Heiliger sagt der Braut, daß, wenn
schon der Mensch täglich einmal für Gott stürbe, er doch
Gott nicht genugsam für die ewige Herrlichkeit werde
danken können; er meldet auch die erschrecklichen Peinen,
welche eine verstorbene Frau für die Belustigung des
Fleisches, worin sie gelebt hatte, an allen Gliedern
erlitt.
Kapitel 17. - Die Mutter Gottes lehrt die Braut, wie sie
dem Teufel Widerstand leisten und auf seine
Einflüsterungen zur Begierlichkeit, der Freundschaft der
Welt und der Wollust antworten soll; und wie einer
Seele, welche mit Gott durch die Liebe vereinigt ist,
obwohl sie durch verschiedene Gedanken beunruhigt wird,
wenn sie dennoch widersteht, jene Gedanken nicht zur
Sünde gerechnet werden, sondern zum Verdienst und zur
Krone.
Kapitel 18. - Christus sagt zur Braut, daß die Ordens-
und andere Geistlichen, welche vom heiligen Geiste Trost
empfangen, Gott aber nicht demütig dafür danken, sondern
die Gnade gering achten, in derselben sich überheben und
an der Welt belustigen, auch des geistlichen Lebens
überdrüssig sind, einem dürstenden, undankbaren Armen
ähnlich sind, welcher, nachdem er den Trunk versucht,
denselben schmählich dem Geber in die Augen spritzt.
Kapitel 19. - Christus klagt über die Menschen, welche
sich in fleischlichen Lüsten vergnügen und die künftige
Herrlichkeit und die WohlTaten seines Leidens verachten.
Ihr Gebet wird mit der Stimme eines Rohres und dem Laute
zusammengeschlagener Steine verglichen. Solche werden
verdammt werden und alsdann die Herrlichkeit Gottes in,
über und unter dem Himmel, sowie außerhalb desselben und
aller Orten schauen zu ihrer Schande.
Kapitel 20. - Die Mutter der Barmherzigkeit spricht, daß
der Mensch, welcher Reue und den Willen hat, sich zu
bessern, gleichwohl aber kalt ist in der Andacht und
Liebe Gottes, von Gott ein Fünklein des göttlichen
Feuers mittels häufigen Nachdenkens über das Leiden
Christi zu erlangen suchen soll. Dadurch wird die Seele
mit göttlicher Glut erwärmt und gesäugt mit den Brüsten
der Jungfrau, d. h. mit der Tugend der Furcht Gottes und
des Gehorsams.
Kapitel 21. - Während die Jungfrau Maria für einen
Abgeschiedenen betet, der ihr in Andacht ergeben gewesen
war, spricht Christus, daß die WohlTaten seiner
Erbfolger, welche für seine Seele aufgewendet worden,
ihm wenig nützen, weil sie mehr aus Hoffart und zur Ehre
der Welt erfolgten, als aus liebender Hingabe an Gott,
daß ihm aber um der Gebete der Jungfrau willen die Pein
erleichtert werde.
Kapitel 22. - Christus nimmt auf Bitten seiner Mutter
einen gewissen Bischof auf, der entblößt ist von guten
Werken, aber neuerlich zur Reue und zu einem heiligen
Vorsatze des Lebens bekehrt worden, und bekleidet ihn
mit Barmherzigkeit und göttlicher Süßigkeit, indem sie
ihn lehrt, wie er demütig ohne Begierlichkeit leben, und
wie er seine Untergebenen, wenn dieselben fehlen, mit
Barmherzigkeit und Gerechtigkeit strafen soll.
Kapitel 23. - Die Jungfrau Maria erschien der Braut und
bat den Sohn für einen großen Herrn, welchen sie mit
einem Straßenräuber vergleicht. Christus erzählt ihr die
schweren Versündigungen desselben, erweist ihm aber
dennoch auf ihr Gebet dreifache Gnaden: Er Gibt ihm
einen geistlichen Meister, Erkenntnis der ewigen,
überaus schweren Pein und rechte Hoffnung der
Barmherzigkeit mit weiser Furcht.
Kapitel 24. - Christus sagt, daß, wenn der ebengedachte
Räuber die Kommunion des Altars empfangen wolle, er
zuvor Reue über die begangenen Sünden empfinden und den
Willen haben müsse, sich zu bessern und fernerhin nicht
zu sündigen, sondern im Guten zu verharren. Er lehrt
auch andere Mittel, durch welche er sich mit Gott, den
Engeln und Heiligen und seinem Nächsten versöhnen könne;
wofern er dieselben nicht anwende, werde er schwer
bestraft werden.
Kapitel 25. - Drei Jahre darauf, nachdem die Braut die
nächstvorstehende Offenbarung gehabt, sagte Christus
ihr, daß, wenn sich der vorgedachte Räuber nicht schnell
bessere, er alsbald durch ein schreckliches Urteil an
seinem Geschlechte, an seinen Gütern und an seiner Seele
wie der ärgste Räuber gestraft werden wird. Dies traf
nachher alles so ein, weil er sich nicht hatte bessern
wollen.
Kapitel 26. - Christus sagt der Braut, welche für einen
König betet, daß dieser sich bemühen solle, in seinem
Reiche mit dem Rate geistlich gesinnter, gerechter,
weiser Männer die Mauern Jerusalems, d. h. der Kirche
und des katholischen Glaubens, wieder herzustellen, da
dieselben geistlicherweise gleichsam eingestürzt seien.
Jene Mauern bedeuten die Gemeinschaft der Christen, und
die Gefäße des Tempels den Klerus und die geistlichen
Orden.
Kapitel 27. - Christus verbietet der Braut, von den
Neuigkeiten und Werken der Weltleute und den Kriegen der
Fürsten zu hören; sie soll die Werke Gottes betrachten,
welche staunenswert und wunderbar sind. Er tadelt auch
diejenigen, welche allein auf Reichtum, Ehren und
Vergnügen sehen, und sagt, daß dieselben nimmer das von
Milch und Honig triefende Land sehen, d. h. die
himmlische Herrlichkeit, wofern sie sich nicht bekehren
und gerecht leben nach ihrem Stande; die Gerechten aber
werden eingehen und erhöht werden.
Kapitel 28. - Es wird die Seele eines Verstorbenen von
Christo wegen ihrer schweren Sünden und dafür verdammt,
weil sie mit den Schmerzen und Wunden des Leidens
Christi kein Mitleid getragen. Diese Seele wird einer
vorzeitigen Geburt verglichen und verurteilt, und
merklich durch diejenigen bedeutet, welche Christo in
böser Absicht zu seinen Predigten nachfolgten, ferner
durch die Kreuziger und die Hüter seines Grabes.
Kapitel 29. - Der Braut wird geboten, daß sie häufig den
Leib Christi nehmen solle, welcher bedeutet wird durch
das Manna, welches den Vätern in der Wüste geregnet, und
durch das Mehl der Witwe, welche einen Propheten
gespeist hatte. Es werden auch große Tugenden und Gnaden
gemeldet, die für eine andächtig empfangende Seele aus
vorgedachter Kommunion hervorgehen.
Kapitel 30. - Christus schreibt der Braut vor, sie solle
ihren Willen gänzlich mit dem Willen Gottes, sowohl in
glücklichen, als in widerwärtigen Verhältnissen,
gleichförmig machen. Der Wille ist der Wurzel eines
Baumes zu vergleichen; ist diese gut, dann bringt der
Baum, d. i. die Seele, gute Frucht hervor, ist sie aber
unbeständig, dann wird sie vom Maulwurfe, d. h. dem
Teufel, zernagt und die Seele erfüllt vom Winde der
Widerwärtigkeiten, oder unter der Hitze der Sonne, d, h.
der eitlen Weltliebe, verdorren.
Kapitel 31. - Von der Braut wurde im göttlichen Gerichte
ein Teufel und eine Seele geschaut, welche der Gestalt
nach einem schrecklichen Tiere ähnlich war. Diese Seele
ward verdammt, weil sie immer im Bösen verharrt und am
Ende keine Buße getan hatte. Wie Christus liebreich und
fromm gegen die Guten, aber strenge gegen die Bösen ist,
und wie eine andere Seele hinauffuhr wie ein gar hell
leuchtender Stern.
Kapitel 32. - Worte Christi an die Braut, wie Eltern,
welche Kinder im weltlichen Wandel unterweisen, um Ehre
und weltlichen Ruhm mit Hoffart zu erlangen, auf eine
deutliche Weise durch Schlangen, welche ihre Jungen
ausziehen und sie mit dem Stachel und Gift stechen
lehren, bedeutet werden.
Kapitel 33. - Gott der Vater redet mit dem Sohne, wie
dieser einem Bräutigam ähnlich ist, welcher seine Braut
so sehr geliebt, daß er ihretwegen sich hat kreuzigen
lassen; sie aber hat einen Ehebrecher geliebt und den
Bräutigam getötet. Wie die Seele durch die Braut, das
Brautgemach durch die Kirche, die Pforten desselben
durch den Willen, der Ehebrecher aber durch die Lüste
des Leibes bedeutet werden, Er macht auch Voraussage
über eine künftige Braut, welche Christo verlobt werden
soll.
Kapitel 34. - Die Mutter Gottes erklärt der Braut
mittels eines Gleichnisses, wie sie, die Jungfrau,
selber die Worte dieses himmlischen Buches auf Bitten
aller Auserwählten der Welt von ihrem Sohne erhalten
hat. Diese Worte verheißen den Hoffärtigen den Fluch und
den Demütigen Barmherzigkeit. Es sind auch Worte
enthalten, in denen gewissen Personen die Macht gegeben
wird, Teufel auszutreiben und die Hadernden zu
vereinigen, nämlich die Könige von Frankreich und
England.
Kapitel 35. - Christus zeigt der Braut, wie die Seele
eines frommen Mönches im Leben durch Krankheiten des
Leibes gereinigt ward. Seine Verherrlichung zeigte sich
unter dem Bilde eines Sternes vor seinem Tode. Wie die
Seele eines anderen Ordensgeistlichen, welche bereits
verdammt war, von neun Teufeln vor dem Obersten der
Teufel begehrt ward. Es wird hier der Grund angedeutet,
weshalb die bösen Ordensgeistlichen von Gott geduldet
werden.
Kapitel 36. - Christus offenbart der Braut, wie um einer
dreifachen guten Anlage willen, die in den leeren und
gar reinen Herzen der Apostel sich befand, in dieselben
auf dreifache Weise ein guter Geist gesendet ward, und
wie in die Menschen, welche von Begierlichkeit,
Unkeuschheit und Hoffart sind, der heilige Geist nicht
eingeht. und wie Christus will, daß sein Wein, d. h.
seine Worte dieses Buches seinen Freunden zum Trinken
gebracht werden sollen, damit diese sie nachher anderen
offenbaren.
Kapitel 37. - Worte der Jungfrau an die Braut, wie eben
diese Jungfrau von viererlei Menschen gegrüßt wird;
nämlich von ihren wahren Freunden aus Liebe, von anderen
aus Furcht der Pein, von den anderen, welche reich
werden möchten, und von Heuchlern, welche vermessen auf
Verzeihung der Sünden hoffen. Die beiden ersten Arten
werden geistlicherweise belohnt werden, die dritte
zeitlich, die vierte ist ein Greuel.
Kapitel 38. - Christus sagt der Braut, daß zwei Geister
sind, ein guter und ein böser; die Zeichen des heiligen
Geistes aber sind Süßigkeit des Herzens und
Herrlichkeit; die Zeichen des bösen Geistes aber sind
Angst und Herzensunruhe, welche hervorgeht aus
Begierlichkeit oder Zorn.
Kapitel 39. - Die Braut erblickte einen Teufel, welcher
im Gerichte Gottes sieben Bücher hervorzog wider die
Seele eines verstorbenen Kriegsmannes; aber der gute
Engel zog für dieselbe ein Buch hervor. Diese Seele ward
aber nicht ewig verdammt, weil sie, ohne daß der Teufel
es wußte, am Ende in Gedanken innerlich Buße getan
hatte. Sie wird jedoch ihrer Sünden halber verurteilt
und soll am Reinigungsorte bis zum Tage des Gerichtes
Peinen erleiden, weil sie solange im Körper zu leben
begehrt hatte. Es werden aber von Christo drei Mittel
geoffenbart, durch welche sie vorher befreit werden
kann, und es werden ihr sofort drei von den genannten
Peinen auf Bitten der Jungfrau und der Heiligen
nachgelassen. Die Fürbitte des guten Engels jedoch wird
nicht sogleich erhört, sondern Christus verschiebt
dieselbe auf einige Zeit und nimmt sie in Erwägung.
Kapitel 40. - Im vierten Jahre, nachdem die Braut das
nächstvorhergehende Gesicht geschaut, worin eine Seele
bis zum Tage des Gerichtes zum Reinigungsorte verurteilt
worden, sah sie abermals die nämliche Seele im
göttlichen Gerichte durch einen Engel nunmehr gleichsam
halbbekleidet vorgestellt werden. Und er bat den Herrn
für sie mit den himmlischen Heerscharen. Christus
erlöste sie jetzt gänzlich von den Peinen und sendete
sie, auf die Fürbitte der Engel und Heiligen und die
Tränen und das Flehen ihrer noch lebenden Freunde, wie
einen glänzenden Stern hinüber in die Herrlichkeit.
Kapitel 41. - Christus tadelt einen König und die
Weltmenschen, welche ihrem Eifer und dem großen
Kriegsheere, sowie der leiblichen Stärke, nicht aber
Gott ihre Siege wider die Feinde zuschreiben, indem er
sagt, sie sollen in den Krieg ziehen nach dem Vorbilde
Davids wider den Riesen und ihre Hoffnung auf Gott
setzen, wiewohl auch menschliche Klugheit vorangehen
lassen, weil leicht siegt, wer Gott zum Gehilfen hat.
Kapitel 42. - Die Mutter Gottes rühmt sich des Eifers,
den sie gehabt, Gott zu gefallen. Sie sagt, daß sie sich
nicht rühme, ihr eigenes Lob zu suchen, sondern auf daß
Gott dadurch gelobt und geehrt werden möge. Sie begehrt
auch vom Sohne für die Braut die Gewänder himmlischer
Tugenden, die heilige Speise seines Leibes und einen
brünstigeren Geist. Der Sohn gesteht das zu, wenn die
Braut zuvor Demut und Furcht und Dankbarkeit haben wird.
Kapitel 43. - Die Braut ist betrübt, weil sie dem
geistlichen Vater nicht geduldig und freudig gehorcht
hat. Christus sagt ihr, daß, wenn sie den Vorsatz hat,
vollkommenen Gehorsam zu leisten, sie, wenn auch der
Wille zuweilen widerstrebt, doch so, falls sie gehorcht,
Verdienst davon hat und die vergangenen Sünden gereinigt
werden. Der Herr gewährt auch hier die Waffen zum
geistlichen Kampfe, nämlich die Tugenden, mit welchen
die Gerechten streiten und siegen. Die Ungerechten
dagegen werfen dieselben hinweg und werden überwunden.
Kapitel 44. - Christus sagt zu seiner Braut, daß er
einem Glasmacher ähnlich ist, der, wenn auch vieles
Geschirr zerbricht, nicht abläßt, von neuem anderes zu
fertigen d. i. Seelen, bis der himmlische Chor der Engel
wieder erfüllt wird; auch, daß er einer Biene ähnlich
ist, weil er sich eine neue Pflanze erwählen, d. h. die
Heiden bekehren und daraus eine große Süßigkeit ziehen
wird, nämlich viele Seelen, um den himmlischen
Bienenkorb zu füllen.
Kapitel 45. - Christus sagt zur Mutter, wie die auf
ihren .geistlichen Augen erblindeten Menschen, damit sie
imstande sind, Gott zu sehen und über alles zu lieben,
das Gesicht wieder zu erlangen vermögen, nämlich durch
Betrachtung der zeitlichen Gerechtigkeit, durch die
Güte, nämlich in der Schönheit der Geschöpfe, und durch
die Allmacht und seine Weisheit. Es irren aber alle,
welche glauben, Böses oder Gutes komme her vom Glücke,
oder durch die gegenseitige Stellung der Gestirne.
Kapitel 46. - Als die Braut die Jungfrau darum bat, daß
sie eine vollkommene Liebe zu Gott erlangen möge,
antwortete die Jungfrau, sie möge, um solches zu
erlangen, sechs hier angegebene Worte des Evangeliums
befolgen. Sie erklärt ihr auch gar schön jenes Wort:
";Gehe hin und verkaufe alles, was du hast, und Gib es
den Armen;"; sowie jenes: ";Sorget nicht für morgen.";
Auch sagt sie, daß, wer unter Beten und Lesen arbeitet,
andächtig und im Namen Jesu um die Notdurft des Lebens
bitten soll.
Kapitel 47. - Die Mutter Gottes sagt, wie die Seele des
Menschen, welcher Gottes Wort redet, wenn er darum
gescholten und geschmäht wird, glänzend schön gefärbt
wird. Wer aber seinen Leib zur Ehre Gottes ermüdet,
dessen Seele wird göttliche Süßigkeit erlangen und
geziert werden. Dem aber, welchem sein guter Ruf
geschmälert wird, und der den Verleumder nicht haßt,
wird die Seele mit kostbaren Kleidern, welche Gott
angenehm sind, geschmückt. Gottes Freunde sollen sich
daher plagen, die Seelen der Sünder zu erlösen, welche
unter dem Felsen der Sünde unterdrückt und in Gefahr
liegen.
Kapitel 48. - Christus vergleicht sich mit einem Arzte,
welcher einen heilsamen, gar süßen Trank bereitet, und
der bereit ist, den Trank der göttlichen Süßigkeit allen
zu geben, welche denselben in Liebe verlangen. Diesen
Trank versuchen diejenigen, welche gesund am Geiste
sind, und ergötzen sich daran. Die aber geistlicherweise
krank sind, finden keinen Gefallen daran, den Geist
Gottes zu kosten.
Kapitel 49. - Die Mutter Gottes Gibt die Gewißheit zu
erkennen, wie sie nach Vorschrift des göttlichen
Gehorsams von ihren Eltern ohne einige Erbsünde
empfangen ist.
Kapitel 50. - Worte der Jungfrau an die Braut, wie Gott
nichts so sehr gefüllt, als daß er von den Menschen über
alles geliebt werde. Sie zeigt dieses an dem Beispiele
einer heidnischen Frau, welche um der großen Liebe
willen, die sie zum Schöpfer trug, Gnade erlangt hat.
Kapitel 51. - Eine heilsame geistliche Lehre, wie der
Mensch dreierlei Feinden der Seele antworten soll,
nämlich: dem Teufel, der mit Hoffart, Begierlichkeit u.
s. w. versucht; zweitens den Freunden und Hausgenossen,
welche den Rat geben, der Mensch solle nicht gerecht und
demütig u. s. w. sein; und drittens den Neidern, welche
dem Menschen Schande und Schaden und ein kurzes Leben
wünschen.
Kapitel 52. - Als die Braut sich wunderte und vor
Christo der ihr gewährten Gnade, nämlich im Geiste das
zu sehen und zu hören, was im Himmel, im Reinigungsorte
und in der Hölle vorgeht, sich für unwert hält, wird
dieses von Christo und seiner Mutter am Anfange und am
Ende des Kapitels schön ausgelegt. Es wird ihr am
Beispiele dreier Weiber, deren sie selber eines im
Fegfeuer, das andere in der Hölle auf das schwerste
gepeinigt werden sah, gezeigt, wie diejenigen, welche
ihren Töchtern Lehre und Beispiel zum Vorwitz und zur
Hoffart geben, sowie ihre Töchter, welche dieses
befolgen, schrecklich verdammt werden.
Kapitel 53. - Christus tadelt die Prälaten, welche auf
ihre geistliche Vorsteherschaft stolz sind, und spricht:
";Sie sollten gegen ihre Unterthanen demütig, im Leben
und Wandel tugendhaft und in Gerechtigkeit und
Billigkeit auf ihren Nutzen bedacht sein; sie sollen
sich selber richten, auf daß sie nicht über sich selbst
sich erheben, sondern vielmehr ihre eigenen Gebrechen
kennen lernen und Mitleid tragen möchten mit den
Gebrechen ihrer Untergebenen nach demVorbilde Christi,
welcher auch eher hat handeln und leiden wollen, als
lehren, lieber dienen, als bedient werden. Sie sollen
auch ihre Untergebenen fleißig strafen, damit sie nicht
nach dem Vorgange des Priesters Heli verdammt werden.";
Kapitel 54. - Christus sagt, wie diese Welt vor seiner
Ankunft eine Wüste gewesen, worin ein trüber Brunnen, d.
h. die Liebe der Welt, sich befand, zu welchem die
gleichsam blinden Heiden und Juden auf sieben Wegen der
Sanden geführt wurden. Er selbst aber hat nach Annahme
der Menschheit die Welt erleuchtet, indem er die Wege
zum Himmel zeigte. Nachdem diese nunmehr verwüstet sind,
sendet er jetzt diese seine Worte des gegenwärtigen
Buches in die Welt. Wer dieselben angenommen und mit der
Tat gehalten haben wird, wird gerettet werden.
Kapitel 55. - Die Mutter Gottes sagt, wie jene Stunde,
in welcher sie von ihren Eltern gezeugt worden, mit
Recht die goldene genannt werden könne, welche dabei
mehr aus Gehorsam, als mit eigenem Willen thätig waren,
und wobei die Liebe Gottes wirksamer gewesen ist, als
die Lust des Fleisches. Allein Gott hat gewollt, daß die
Art ihrer Empfängnis nicht sofort allen bekannt würde,
bis die Wahrheit zur vorher verordneten Zeit deutlich
würde.
Kapitel 56. - Maria erzählt, wie ihre Geburt durch die
gemeine Pforte erfolgt und der Anfang der wahren Freuden
gewesen ist, weil damals ein Reis aufgegangen, aus
welchem eine Blume hervorgegangen, nach welcher alle
Völker verlangten, bei deren Geburt die Teufel
knirschten, die Gerechten fröhlich und die Engel erfreut
waren. Sie beklagt sich über die Weiber, welche solches
nicht mit Andacht bedenken.
Kapitel 57. - Die Jungfrau Maria redet an einem Tage der
Reinigung mit der Braut und sagt, daß sie der Reinigung
nicht bedurfte, weil sie ohne Makel und rein war. Damit
aber die Prophezeiungen erfüllt würden, habe sie in und
nach dem Gesetze leben, auch nichts Besonderes an sich
haben sehen lassen, vielmehr demütiglich wandeln wollen.
Sie sagt auch, daß das Schwert, welches Simeon
vorherverkündigt, ihre Seele im Leben mit sechs
Schmerzen durchdrungen.
Kapitel 58. - Die Mutter Gottes sagt zur Braut, wie ihr
unter den übrigen Schmerzen ein nicht geringer derjenige
gewesen, als sie vor Furcht mit ihrem Sohne nach Ägypten
floh und hörte, daß der Sohn von Herodes verfolgt und
die unschuldigen Kinder ermordet würden. Sie erzählt gar
schön, was der Sohn von seiner Kindheit und Jugend an
bis zur Zeit seines Predigens und Leidens vorgenommen.
Kapitel 59. - Die Jungfrau erzählt der Braut, was sie
sofort, nachdem sie den Sohn empfangen, gefühlt, und was
sie und Elisabeth bei ihrer gegenseitigen Umarmung .
empfunden; von ihrem heiligen Verkehre miteinander, und
wie der Engel sie tröstete, da sie sich fürchtete, und
den Joseph unterwies, als er verwundert war. Sie meldet
auch die gar heilige Weise, zu leben, welche sie selbst
und Joseph beobachteten, und von vielen bemerkenswerten
Tugenden Josephs.
Kapitel 60. - Die Mutter sagt der Braut, Hieronymus habe
nicht an der Aufnahme ihres Leibes in den Himmel
gezweifelt. Weil aber Gott die Wahrheit nicht öffentlich geoffenbart habe, wollte er lieber auf fromme Weise
zweifeln, als nicht Geoffenbartes erklügeln wollen;
deshalb schrieb er in seinem Briefe, er wisse es nicht.
Und hier fügt die Jungfrau einiges zum Lobe des
Hieronymus hinzu.
Kapitel 61. - Die Mutter Gottes sagt der Braut, wie sie
nach der Himmelfahrt des Sohnes lange Zeit in der Welt
gelebt und unter großem Leide die Orte besucht, wo er
gelitten und seine Wunder gezeigt hatte. Und dies ließ
Gott zu, damit durch das Vorbild ihres Lebens und ihrer
Tugenden viele bekehrt, die Apostel gestärkt und ihre
Krone erhöht werden möchte; sie legt auch den Grund dar,
weshalb ihre Aufnahme in den Himmel damals vielen nicht
bekannt gewesen.
Die nachfolgenden Kapitel sind auf Seite 2
Sechstes Buch der
himmlischen Offenbarungen der heiligen Brigitta.
Worte
der Mutter Gottes zur Braut, welche von der Schönheit
Christi erzählen und wie die Juden, wenn sie in einiger
Herzensangst sich befanden, hinwandelten, sein Antlitz
zu schauen, und getröstet wurden.
Die
Mutter Gottes redete zur Braut und sprach: ";Ich bin die
Königin des Himmels; mein Sohn liebt Dich von ganzem
Herzen. Deshalb rate ich Dir, daß Du nichts lieben
magst, als ihn; denn er ist so wünschenswert, daß, wenn
Du ihn hast, Du nichts anderes wirst begehren können; so
schön, daß die Schönheit der Elemente oder des Lichtes,
mit ihm verglichen, fast Schatten ist. Mein Sohn war
also, als ich denselben auferzog, mit solcher Schönheit
ausgestattet, daß jedermann, der ihn anblickte, an
Herzensschmerze, den er etwa hatte, getröstet ward.
Deshalb sprachen auch viele Juden zu einander: Lasset
uns hingehen, den Sohn Mariens zu sehen, damit wir Trost
haben mögen, und obwohl sie nicht wußten, daß er Gottes
Sohn sei, gewährte ihnen sein Anblick doch großen Trost.
Sein Leib war auch so rein, daß nie ein Ungeziefer an
ihm zu finden war, denn auch diese verächtlichen Tiere
hielten ihren Schöpfer in Ehren; auch in seinen Haaren
war keine Unreinlichkeit und Verworrenheit gefunden und
unterhalten.";
Christus redet mit der Braut von einem, der übel gelebt,
aber im Tode den guten Willen hatte, sich zu bessern,
wofern er leben bleiben würde, und sagt, daß er wegen
dieses guten Willens nicht zur ewigen Strafe, sondern zu
einem schrecklichen Fegfeuer verurteilt werden wird.
Der
Sohn redete zur Braut und sprach: ";Der, welcher jetzt
krank ist und für welchen Du betest, hat sich gegen mich
viel zu lässig gezeigt, und sein ganzes Leben war mir
entgegen. Nun laß ihm aber sagen, daß ich ihm noch Gnade
gewähren werde, wenn er, soll er dem Tode entgehen, sich
bessern will. Er werde deshalb zum Willen, sich zu
bessern, ermahnt, weil ich aus großer Barmherzigkeit und
wegen der Bitterkeit seiner Pein Mitleid mit ihm habe.";
- Und als derselbe starb, ehe die Tagzeit der Prim
gesungen wurde, erschien der Herr der Braut und sprach:
";Siehe und erwäge, wie gerecht ich in meinem Gerichte
bin. Jener, welcher mit so großer Schwachheit beladen
war, ist vor mein Gericht gekommen; aber obwohl er
seines guten Willens wegen gnädig gerichtet worden, wird
doch seine Seele, bevor er völlig gereinigt sein wird,
im Fegfeuer so bittere Pein haben, daß kein Sterblicher
ist, welcher dieselbe zu denken vermag. Was werden nun
erst diejenigen leiden, welche allen ihren Willen in der
Welt haben und von keiner Trübsal geplagt werden?";
Wie
die Braut einen bösen Geist mit Schanden vor einem Manne
fliehen sah, der andächtig betete, und den der Teufel
stark angefochten und lange beunruhigt hatte, und wie
ein guter Engel der Braut das Gesicht erklärt.
Die
Braut sah, wie ein böser Geist mit gebundenen Händen vor
einem Manne stand, welcher betete. Und als derselbe eine
Weile lang dagestanden, ließ der Teufel plötzlich mit
großem Gebrülle eine gar schreckliche und laute Stimme
vernehmen und floh mit Schanden von dannen. Darüber
sprach ein guter Engel zur Braut: ";Dieser böse Geist
hat jenen Mann auf eine Zeit lang beunruhigt, ist aber
deshalb an den Händen gebunden, weil er nicht so, wie er
den Willen hat, die Oberhand über ihn zu erhalten
vermag. Denn jener Mann hat, seitdem er vom bösen Geiste
angefochten worden, tapferen Widerstand geleistet, und
Gottes Ratschluß ist, daß der Teufel an ihm nicht tun
darf, wie er möchte. Der Teufel hatte indes immer noch
Hoffnung, daß er ihn überwältigen würde; in dieser
Stunde aber ist er über ein leichtes überwunden worden,
und wird nun nie wieder die Oberhand über ihn gewinnen.
Die Gnade Gottes jedoch wird an diesem Menschen von Tag
zu Tag gemehrt werden, und darum schreit der Teufel
nicht mit Unrecht, daß er ihn verloren, den er so oft,
um ihn zu überwinden, angegriffen hatte.";
Erklärung.
Dieser Bruder ward zwölf Jahre lang beim Sakramente des
Leides Christi und beim Namen der seligen Maria
versucht, den er niemals ohne schmutzige Gedanken
auszusprechen vermochte. Durch die Gebete der Frau
Brigitta ward er so weit befreit, daß er nie fröhlich
sein konnte, als an dem Tage, wo er den Leib Christi
empfing, und der Name der seligsten Maria ihm im Herzen
und Mund der süßeste war. -
Ebenso bat ein Priester, welcher von einer Zauberin zur
Unzucht des Fleisches verzaubert worden, die Frau
Brigitta, für ihn zu beten. Im Geiste verzückt, vernahm
diese: ";Du wunderst Dich, meine Tochter, weshalb der
Teufel in einem Menschen die Herrschaft führen kann? Das
macht die Unbeständigkeit des Willens der Menschen, wie
Du an diesem Priester ermessen kannst, der von einem
Weibe verzaubert worden. Wisse deshalb, wie das Weib
dreifach besessen ist, von Unglauben, Verhärtung und
Begierlichkeit nach Geld und Fleisch. Darum naht ihr der
Teufel und Gibt ihr zu trinken von der Hefe seiner
Bitterkeit. Wisse auch, wie die Zunge dieses Weibes ihr
Ende, ihre Hand ihr Tod, und der Teufel selber ihr
Testamentmacher ist."; Das alles traf also ein. Denn in
der dritten Nacht ward jene Zauberin wahnsinnig, ergriff
ein Messer, beschädigte sich an den Schamteilen, und
rief, daß alle es hörten: ";Komm', Teufel, folge mir!";
und sofort endigte sie unter schrecklichem Schreien ihr
Leben. Der gedachte Priester aber ward frei von der
Fleischesversuchung, trat alsbald in einen Orden, in
welchem er bis an seines Lebens Ende Gott angenehme
Frucht brachte.
Christus sagt zur Braut, es solle ein jeglicher weise
und tugendhafte Mann kühn die Worte und die Gnade Gottes
predigen, welche in diesen Büchern für die Völker
enthalten ist, die danach verlangen; ingleichen für die,
welche nicht wollen, Arme sowohl als Reiche, und wie er
hiernach Gott selber zum ewigen Lohne haben wird.
";Wer
das Gold der Weisheit seines Herrn hat, ist zu drei
Dingen verpflichtet: Erstens, dasselbe an die
auszuteilen, welche es haben wollen, und es außerdem
denen zu reichen, welche es nicht haben wollen; zweitens
muß er geduldig und mäßig sein; drittens soll er
vernünftig sein und billig im Austeilen. Ein Mensch,
welcher die genannten Tugenden besitzt, ist gerade
derjenige, welcher mein Gold, d. h. meine Weisheit
besitzt. Denn was ist unter den Metallen kostbarer, als
das Gold? So ist auch in der Schrift nichts würdiger,
als meine Weisheit. Mit dieser Weisheit habe ich den
erfüllt, für welchen Du bittest, und deshalb soll er
kühnlich, wie mein Kriegsmann, meine Worte reden nicht
nur zu denen, welche ihn zu hören begehren, sondern auch
denen, welche nicht wollen, meine Gnade verkünden.
Zweitens soll er geduldig sein um meines Namens willen,
wohl wissend, daß er einen Herrn hat, welcher alle
Schmach angehört hat. Drittens sage ich, daß er gerecht
sein soll im Austeilen, sowohl dem Armen, als dem
Reichen; er soll niemand schonen, keinen fürchten, denn
ich bin in ihm und er ist in mir. Wer wird ihm schaden,
wenn ich, der allmächtige Gott, in und außer ihm bin?
Ich werde ihm einen kostbaren Sold für seine Arbeit
geben, nichts Leibliches, nichts Irdisches, sondern mich
selber, an dem alles gut, und in dem alle Fülle ist.";
Christus bedroht die Ordensgeistlichen gar schwer,
welche Heuchler und voll Übermut sind, welche die
Einfalt der Einfältigen und Unschuldigen verspotten, und
mit den Hörnern der üblen Nachrede und der bösen Werke
beunruhigen. Er ermahnt dieselben aber liebevoll, daß
sie sich bald den Tugenden zuwenden mögen, weil sie
sonst schwer gestraft würden.
";Ich
bin der Schöpfer aller Dinge, und von niemand
erschaffen. Während einer langen Zeit habe ich wegen der
Ungerechtigkeit seiner Bewohner meine Augen
hinweggewendet von diesem Hause; denn wie die ersten
Begründer sich beeilten, von Tugend zu Tugend
hinaufzusteigen, so eilen diese Neuerer vom Bösen zum
Bösen; ein jeder sucht den anderen zu überholen, und sie
rühmen sich der Sünden. Nun bewegen mich die Bitten
meiner geliebtesten Mutter zum Erbarmen. Von einem gar
bösen Stamme sind aber noch einige Wurzeln übrig, wie Du
durch ein Gleichnis besser verstehen wirst. Gesetzt, ein
Hirte spräche also zu seinem Herrn: Herr, in Deinem
Schafstalle sind wenige sanftmütige Schafe, unter denen
sich stößige Böcke befinden, welche die Schafe
beunruhigen; ihr Kopf ist nichtsnutzig, ihr Fell ist
verdorben, ihr Fleisch faul und ihre Eingeweide stinken.
Der Herr antwortete ihm: Damit meine sanftmütigen Schafe
nicht gestört werden, will ich den Widdern mit dem
schärfsten Beile den Kopf abhauen; das Fell soll, weil
es keine Wolle trägt, abgezogen werden; die Eingeweide
und das Fleisch sollen als faul aufs Feld hinausgeworfen
und den Vögeln hingegeben werden, welche reines und
unreines nicht zu unterscheiden wissen. Dieser Herr bin
ich und habe in diesem Hause gleichsam als Schafe einige
Einfältige; es sind aber auch gehörnte Böcke darunter,
welche in einem eilenden Anlaufe die Schafe angreifen,
ihre Wolle zerzausen, sie zu Boden werfen und zerreißen.
Dies tun sie, weil sie die Einfalt der unschuldigen
verspotten und dieselben mit den Hörnern der üblen
Nachrede und der bösen Werke zu Boden werfen. Deshalb
soll ihnen ihr Kopf, d. h. der anmaßende und vermessene
Stolz ihrer Hörner durch das schärfste Schwert meines
Gerichtes abgeschnitten, ihr Fell, d. h. die Heuchelei,
welche sie in der Einfalt ihres Ordensstandes zur Schau
trugen, von ihnen hinweggenommen, und ihre Seele durch
die Teufel alles Guten beraubt werden, weil sie anders
sich zeigten, als sie waren. Sie dienten mir mit dem
Munde, in ihren Werken waren sie mir entgegen; ihr
Fleisch ist hingegeben an die Wollust; vor meinem
Angesichte Hurenfleisch, wird es ohne Erbarmen verbrannt
werden. Ihre Eingeweide, d. h. ihre Gedanken und
Neigungen, womit sie an der Welt hängen und nicht an
mir, und wodurch sie nicht meiner, sondern der Sache
meiner Feinde, der Sünde und des Teufels, förderlich
sind, werden zerschlagen werden von den Teufeln, so daß
keine böse Neigung sein wird, für welche sie nicht
gestraft werden. Deshalb soll, so lange es noch Zeit
ist, ihr Haupt, d. h. ihr verkehrter Wille und ihre
Hoffart, abgelegt werden zur Demut, angetan werden das
Fell der Einfalt, das Fleisch abgezogen werden von den
Lüsten, das Eingeweide, d. h. die Gedanken, geheilt
werden durch die Reue, auf daß ich nicht von ihnen nach
ihrem Verdienste schnelle Gerechtigkeit fordere, und sie
der bösen Geister Gewalt so unterwerfe, daß sie nichts
vermögen, als was den bösen Geistern gefällt, und daß
sie durch dieselben von einem Bösen zum anderen gestoßen
werden.";
Christus tadelt die Braut in gütiger Weise wegen einiger
Ungeduld, welche sie gehabt, und lehrt sie, daß sie
fürderhin nicht in Zorn geraten, noch denen, welche sie
reizen, etwas antworten soll, bevor sie nicht ihr
aufgeregtes Gemüt beruhigt und gesehen hat, ob sie mit
ihren Worten etwas ausrichten könne.
";Ich
bin Dein Schöpfer und Bräutigam. Du, meine neue Braut,
hast jetzt in Deinem Zorne vierfach gesündigt. Erstens,
weil Dich in Deinem Herzen Worte zur Ungeduld reizten,
während ich für Dich Schläge ertragen, und als ich vor
dem Richter stand, nicht ein Wort geantwortet habe.
Zweitens, weil Du zu Hartes geantwortet, und Deine
Stimme zu stark erhoben und getadelt hast; wogegen ich,
mit Nägeln angeheftet, gegen Himmel geschaut und meinen
Mund nicht geöffnet habe. Drittens, weil Du mich
verachtet hast, um dessenwillen Du alles geduldig
hättest ertragen sollen. Viertens, weil Du Deinem
Nächsten nicht genützt hast, der durch Deine Geduld von
seinem Irrtume zum Besseren hätte angemuntert werden
sollen. Darum will ich, daß Du fürderhin nicht mehr
zürnest. - Wenn Du künftig von einem zum Zorne gereizt
worden, so rede nicht mit ihm, so lange der Zorn aus
Deinem Herzen nicht entfernt ist; nachdem aber die
Geisteserregung gewichen, und die Ursache der Bewegung
fleißig erwogen worden, rede mit Sanftmut. War es jedoch
etwas, worin Du mit Reden nichts ausrichtest, auch durch
Schweigen nicht sündigst, so ist es um des Verdienstes
willen besser, zu schweigen.";
Christus gebietet durch die Braut einem frommen Diakon,
daß er mit Inbrunst und Kühnheit das Wort Gottes seinen
Genossen und anderen Sündern predigen soll, indem er die
Schwachen unterweise, die Zuchtlosen strafe, und seine
Seele zu anderer Heile dem Tode aussetze.
";Ich
bin Dein und aller Dinge Gott und Schöpfer, obwohl man
mich vernachlässigt und verachtet. Folgendes wirst Du
jenem sagen, für den Du bittest, und von dem Du weißt,
daß er mich liebt: Weil Dir das Amt eines Diakons
auferlegt worden, hast Du die Gewalt empfangen, zu
predigen, um die Schwachen zu unterweisen, und die
Zuchtlosen zu strafen. Das habe ich in Person zu tun
nicht unterlassen, das haben auch meine Apostel und
Jünger getan, welche, um eine Seele zu gewinnen, an
verschiedenen Orten, in Städten und Dörfern umhergingen,
und für das Heil der Seelen ihre eigenen Seelen
dahingegeben haben bis zum Tode. Weil es nun also Deines
Amtes ist, zu predigen, so ziemt es Dir nicht und ist
nicht gut, daß Du schweigst, weil um Dich her meine
ärgsten Feinde sind und Du mitten unter ihnen wandelst.
Ihre verfluchte Freßbegierde ist mir so verhaßt, als
wenn sie am Karfreitage Fleisch äßen. Sie sind wie ein
Faß, das an beiden Seiten offen ist, und das niemals
voll würde, auch wenn man das ganze Meer hinein göße;
auch werden sie selber nie gesättigt werden können, da
ihr freches Übermaß im Sündigen ihre Gefräßigkeit
befördert. Sie treiben meine Engel, ihre Hüter, von
sich, und rufen die bösen Geister herbei, welche ihnen
jetzt näher sind, als die guten; sie begeben sich zum
Chorgebet, nicht damit sie mir gefallen, sondern daß sie
von anderen nicht gescholten werden, noch ihr Mißfallen
erregen; sie geben sich den Anschein, der alten Väter
Nachfolger zu sein, sind aber vor meinen Augen wahrhaft
Lügner und Betrüger; denn sie haben mir die Treue
gebrochen, die sie mir versprochen, und betrügen die
Seelen, von deren WohlTaten sie leben, die sie ihnen
weder durch das Beispiel ihres Lebens, noch mit Gebet
vergelten! - Deshalb schwöre ich vor allen Engeln und
Heiligen, in meiner Wahrheit, der ich die Wahrheit bin,
und aus dessen Munde niemals anderes, als die Wahrheit
hervorging, daß ich ihnen, wofern sie sich nicht
gebessert haben werden, nur noch eine kurze Zeit den Weg
ihres Willens zu wandeln gestatten werde. Dann werde ich
sie einen Weg führen, welcher den Dornen und sehr
scharfen Stacheln ähnlich ist; und damit sie von
demselben nicht abweichen, werde ich ihnen zur Rechten
und Linken meine Diener stellen, welche sie verhindern,
abzuweichen, und antreiben, vorwärts zu gehen, und wie
dann der tote Leib auf die Erde fällt, so werden ihre
Seelen so tief in die Hölle hinabfahren, daß sie sich
niemals wieder erheben werden.";
Christus Gibt der Braut, welche sich fürchtet, Kühnheit
ein, daß sie zuversichtlich einige Ordensgeistliche
tadelt, welche in schweren Sünden stecken, und bei denen
sie selber Herberge genoss, indem er sagte, daß ihre
Strafrede ihr nicht zur Sünde, sondern zum Verdienste
angerechnet würde, wenn jene hieran auch Ärgernis nehmen
und sich verhärten sollten.
";Du
hast, meine Braut, oft bei Dir also gedacht: Da mein
Gott der Herr aller Dinge ist und alles vermag, auch
geduldig seinen Verräter ertragen hat, weshalb soll ich,
sein Geschöpf, nicht noch mehr diejenigen ertragen, bei
denen ich wohne, daß sie nicht etwa infolge meiner
Ermahnung und meines Tadels noch schlimmer werden? Auf
diesen Gedanken antworte ich Dir, daß derselbe teilweis
ein gottesfürchtiger war, aber nicht inbrünstig genug,
Wenn ein unter Böse versetzter Soldat seinen Herrn
beleidigt werden sieht, redet er, wenn er auch nicht
Tatsächlich bessern kann, wenigstens zu seines Herrn
Ehre und wird er darüber geschmäht, so erträgt er's
geduldig. So rede auch Du jetzt zuversichtlich von den
Ausschweifungen derer, welche mir wegen der langen Dauer
ihrer Sünde verhaßt sind; in welcher Weise sie auch
infolgedessen wider mich verhärtet werden, Dir wird es
nicht zur Sünde gerechnet werden, daß Du geredet hast,
sondern Dein Lohn wird an Größe wachsen. Denn wie die
Apostel vielen predigten, obwohl nicht alle bekehrt
wurden, und doch ihr Lohn darum nicht geringer war, so
wird es auch mit Dir sein; denn obschon nicht alle Dich
hören werden, werden doch einige sein, welche durch
Deine Worte erbaut und geheilt werden. Sage ihnen also,
daß, wenn sie sich nicht bessern, ich so schnell und mit
solcher Strenge zu ihnen kommen werde, daß alle, welche
es hören, seufzen, und alle, die es erfahren, vergehen
werden. Ich werde sie richten wie Diebe, mit
unaussprechlicher Schande vor den Engeln und allen
Heiligen, weil sie das Ordenskleid nicht genommen haben,
um sich das Verdienst eines gottseligen Lebens zu
erwerben; vor meinen Augen sind sie wie Diebe, welche
ein Gut besitzen, das nicht ihnen, sondern denen gehört,
welche gottselig leben, und wie Betrüger werde ich sie
richten mit meinem Schwerte, das alle ihre Glieder vom
Haupte bis auf die Füße zerhauen wird, Ich werde sie
auch mit aufwallendem Feuer erfüllen, das nicht abnimmt,
weil ich sie ermahnt habe, wie ein liebreicher Vater,
und sie haben nicht gehört, und weil ich ihnen die Worte
meines Mundes gezeigt habe, wie zuvor nie geschehen ist,
und sie haben dieselben verachtet. Wenn ich meine Worte
an die Heiden geschickt hätte, würden sie dieselben
vielleicht angenommen und Reue empfunden haben. Deshalb
werde ich ihrer nicht schonen, noch für sie die Gebete
meiner innigstgeliebten Mutter und meiner Heiligen
annehmen, sondern so lange ich in meiner Herrlichkeit
bin, welche ohne Ende ist, werden sie in der Pein sein.
Allein so lange die Seele im Leibe eingeschlossen ist,
so lange ist meine Barmherzigkeit ihnen geöffnet.";
Christus offenbart hier der Braut, wie abscheulich ein
Priester vor Gott ist, welcher in einer Todsünde die
Messe feiert, und wie die Teufel beim Lesen der Messe um
ihn sind, und von seiner überaus schweren künftigen
Strafe.
";Der
Priester, für welchen Du bittest, ist wie eine Zange,
durch welche das Gold meiner Tugend ausgezogen werden
wird, auch wie ein Schaf, das aus der Art schlägt, und
sich um die Stimme der Mutter nicht kümmert. Wenn er zu
meinem Altare tritt, stehen die bösen Geister zu seiner
Seite, welche in seiner Seele Wohnung genommen haben,
weil dieselbe vor mir gestorben ist. Legt er das Humeral
an, so überschatten die Teufel seine Seele, auf daß er
nicht daran denke und nicht erkenne, wie schrecklich es
ist, an meinen Altar zu treten, und wie rein derjenige
sein muß, welcher neben dem Reinsten stehen soll. Wenn
er die Alba anlegt, so bekleidet er sich mit
Herzenshärtigkeit und Gottlosigkeit, weil er denkt,
seine Sünde sei nicht schwer, die ewige Strafe werde
nicht groß sein; welcher Art aber die ewige Freude ist,
kommt nimmermehr in seinen Sinn. Wenn er sich die Stola
anlegt, legt der Teufel durch das Ergötzen der Süßigkeit
der Sünde ein schweres Joch auf seinen Hals und
beschwert seine Seele dergestalt, daß er ihn nicht
erseufzen, noch seine Sünde in Betracht ziehen läßt.
Wenn er die Manipel antut, werden ihm alle Werte für
Gott beschwerlich, lästig und verächtlich, jene für die
Welt aber leicht. Wenn er sich das Eingulum umlegt, wird
sein Wille mit dem Teufel verbunden, so daß es sein
Wille und Vorsatz wird, in der Sünde zu weilen, meine
Liebe mit ihm wird aufgelöst, weil sein Wille auf alles
gerichtet ist, was der Teufel ihm in das Herz einGibt,
wenn er nicht durch meinen geheimen Ratschluß im Zaume
gehalten würde. Bekleidet er sich mit der Casel, dann
bekleidet ihn der Teufel mit Treubruch. Wenn er aber das
Confiteor liest, antworten die bösen Geister: Du hast
gelogen; wir sind Zeugen, daß seine Beicht der des Judas
ähnlich ist, weil er etwas anderes mit dem Munde
spricht, und etwas anderes im Herzen hat. Wenn er an den
Altar tritt, wende ich mein Antlitz ab von ihm und wenn
er nun die Messe liest, sei sie von meiner Mutter, oder
von den Heiligen, so ist es mir gerade so angenehm, als
wenn eine Hure ihre Unreinigkeit einem vornehmen Herrn
in einem Gefäße zum Trinken anbieten wollte; oder als
wenn einer zu seinem Feinde sagte: Hüte dich, ich sinne
auf deinen Schaden. Wenn er aber meinen Leib konsekriert
und spricht: Das ist mein Leib! so fliehen die Teufel
von ihm, und sein Leib bleibt zurück wie ein abgehauener
Rumpf, weil seine Seele tot ist vor meinen Augen. Wenn
er aber mit jener Vermessenheit meinen Leib an seine
Lippen bringt, kehrt der ganze Schwarm der Teufel wieder
zu ihm zurück, weil er keine Liebe zu mir hat. Ich bin
aber so barmherzig, daß, wenn er mit zerknirschtem
Herzen und dem Vorsatze, sich zu bessern, spräche: Herr,
um Deines Leidens und der Liebe willen, welche Du gegen
die Menschen hast, siehe mir meine Sünden nach! so würde
ich ihn aufnehmen, und die bösen Geister würden nicht
mehr zu ihm zurückkehren. Nun aber hat er den Kot der
Welt im Munde und sein Herz wimmelt von Gewürm, deshalb
gefällt ihm die Süßigkeit meiner Worte nicht. Die
unnützen Gedanken in seinem Herzen verzehren ihn, so daß
er an mich nicht denkt. Niemals wird er deshalb zu
meinem Altare kommen, zu jenem himmlischen Tische und
jener Herrlichkeit in den Himmeln, deren sich die Engel
und Heiligen erfreuen. Diesen stellt jener steinerne
Altar in der Kirche dar, auf welchem täglich mein an das
Kreuz gehefteter Leib geopfert wird, wie vor Zeiten
unterm Gesetze die Opfer vorbildeten, was jetzt in den
Kirchen geschieht. Was bedeutet der himmlische Tisch
anderes, als den Jubel und die Freude der Engel? Diese
Freude wird er selber nie in der ewigen Herrlichkeit
erfahren. Vor diesem Altare wird er niemals stehen, noch
mein Angesicht schauen; meine Söhne aber werden mein
Antlitz erblicken. Ich bin wie der wahre Pelikan, weil
ich ihnen das eigene Blut geben werde, und sie jetzt und
in der Zukunft bis zur Sättigung erquicke. Jenen aber
wird der abscheuliche Adler speisen, der gewohnt ist,
seinen Jungen nach der Sättigung auf einige Zeit das
Notwendige zu entziehen, so daß die vom Hunger
herkommende Magerkeit die ganze Zeit ihres Lebens
hindurch ihnen angesehen wird. Also wird ihn der Teufel
eine Zeit lang mit seiner Lust speisen, damit er nachher
den Hunger nach Freude empfinde, und derselbe wird bei
ihm andauern ohne Ende. Solange er indessen lebt, ist
meine Barmherzigkeit ihm geöffnet, sobald er sich
bekehrt.";
Erklärung.
Dieser Priester war ein Advokat und Geldeintreiber, und
war auf Zureden der Frau Brigitta seines Amtes entsetzt.
Ganz voll Wut sagte er zu ihr: ";Frau, Ihr habt mich
meiner Pfründe und Ehre beraubt. Wie viel habt Ihr
gewonnen? Es wäre Euch besser gewesen, in Euerem Hause
sitzen zu bleiben, als Zwietracht zu säen."; Sie
antwortete: ";Was der König getan, das habe ich ihm zum
Heile Euerer Seele und zu Euerer Ehre geraten; denn ein
Geistlicher, welcher ein Erbteil Gottes ist, kann ein
solches Amt ohne Gefahr seiner Seele nicht führen."; Er
antwortete: Was geht Euch meine Seele an? Laßt mich in
dieser Welt durchkommen, wie ich kann, weil meine Seele
in Zukunft wohl für sich selber sorgen wird."; Ihm
entgegnete die Frau: ";Darum sage ich Dir, und es wird
ohne Zweifel eintreffen, wie ich im Ratschlusse Gottes
vernommen habe, daß Du, wenn Du nicht gar schnell Dich
besinnest und besserst, so wahr ich Brigitta heiße,
nicht dem besonderen Gerichte Gottes, noch einem
ungewöhnlichen Tode entgehen wirst."; - So ward denn
nicht lange darauf dieser Priester durch den Bischof aus
der Kirche gestoßen und starb einen schrecklichen und
unerhörten Tod. Denn als eine Glocke gegossen ward,
sprang das vor Glut wallende Erz aus der Form heraus und
verbrannte ihn um und um.
Die
Mutter Gottes erzählt der Braut von ihrer Würde und den
WohlTaten, welche alle von ihr empfangen; sie meldet ihr
auch die Art und Weise, sowie die Hilfe, wodurch die
Seele eines verstorbenen Fürsten, für welchen die Braut
betete, aus den Schrecken des Fegfeuers erlöst werden
könne, - ein sehr gutes Lehrstück.
";Ich
bin die Königin des Himmels, ich die Mutter der
Barmherzigkeit, ich der Gerechten Freude, und der Zugang
der Sünder zu Gott. Es Gibt im Brande des Fegfeuers
keine Pein, welche nicht meinethalben erträglicher und
leichter wäre, als es sonst der Fall sein würde. Niemand
ist so verflucht, daß er, so lange er lebt, meiner
Barmherzigkeit ermangelte, weil er meinetwegen weniger
von den bösen Geistern versucht wird, als er sonst
versucht werden würde. - Keiner ist von Gott so
entfremdet, falls er nicht völlig verflucht ist, daß er
nicht, wenn er mich angerufen, zu Gott zurückkehrte und
Barmherzigkeit erlangen wird. Denn ich, die ich
barmherzig bin, und von meinem Sohne Barmherzigkeit
erlangt habe, will Dir zeigen, wie Dein verstorbener
Freund, um den Du trauerst, von den sieben Plagen, wovon
Dir mein Sohn gesagt hat, gerettet werden kann. Zuerst
wird er aus dem Feuer errettet werden, das er wegen der
Unkeuschheit erleidet, wenn jemand nach den drei Ständen
der Kirche, dem ehelichen, dem Stande der Witwen und
Jungfrauen, eine Frau zur Ehe geben wollte für seine
Seele, eine andere für einen geistlichen Orden, eine
dritte, welche im Witwenstande bestehen könnte, weil er
in der Unkeuschheit schwer auch gegen die Ehe, indem er
das eigene Bett überschritten, gesündigt hat.
Zweitens, weil er in der Völlerei dreifach gesündigt
hat. Einmal hat er nämlich gar köstlich und über das Maß
hinaus gegessen und getrunken; sodann hat er aus Hochmut
und zum Prunke bei seiner Tafel mehrere Gänge zubereiten
lassen. Ferner saß er zu lange bei Tisch und unterließ
das Werk Gottes. Deshalb soll jemand zu Ehren Gottes,
welcher dreieinig und Einer ist, wegen dieser
dreifältigen Völlerei drei Arme auf ein ganzes Jahr zu
sich nehmen und ihnen solche und ebenso gute Speisen
vorsetzen, als er selber, der sie aufnimmt, persönlich
ißt; auch soll er selber nicht eher essen, .als er jene
drei essen sieht, auf daß durch dieses kurze Warten
jener lange Verzug gut gemacht werde, den Dein Freund
durch sein Sitzen bei Tafel herbeiführte. Überdies
gewähre er jenen dreien in ausreichender Weise Kleidung
und Betten, je nachdem er dieselben für jene als
notwendig oder nützlich erkannt.
Drittens soll für den Hochmut, den er vielfältig gehabt,
wer da will, sieben Armen in jeder Woche ein Jahr
hindurch, an welchem Tage er will, die Füße waschen,
indem er beim Waschen bei sich im Herzen also denkt,
beim ersten Armen: Herr Jesu Christe, der Du von den
Juden gefangen genommen worden, erbarme Dich seiner;,
beim zweiten: Herr Jesu Christe, der Du an die Säule
gebunden worden, erbarme Dich seiner; beim dritten: Herr
Jesu Christe, der Du von den Schuldigen unschuldig
gerichtet worden, erbarme Dich seiner; beim vierten:
Herr Jesu Christe, dem die eigenen Kleider ausgezogen,
und Spottkleider angelegt wurden, erbarme Dich seiner;
beim fünften: Herr Jesu Chtiste, der Du so scharf
gegeißelt worden, daß Deine Rippen zum Vorscheine kamen,
und an Dir nichts heil war, erbarme Dich seiner; beim
sechsten: Herr Jesu Christe, der Du Backenstreiche
erhalten hast und verspieen worden bist, erbarme Dich
seiner; beim siebenten: Herr Jesu Christe, der Du am
Stamme ausgestreckt worden, dessen Hände und Füße von
Nägeln durchbohrt waren, dessen Haupt unter Dornen
blutete, dessen Augen mit Tränen gefüllt, dessen Mund
und Ohren voll Blut waren, erbarme Dich seiner. Nachdem
nun die Armen gewaschen worden, soll er dieselben aufs
beste, wie er kann, und wie er sieht, daß es ihnen
nützt, erquicken. Auch soll er sie demütig bitten, für
seine Seele zu beten. -
Viertens sündigte er dreifach durch Trägheit. Er war
träge, um zur Kirche zu gehen, um Ablässe zu gewinnen,
um die Stätten der Heiligen zu besuchen. Fürs erste nun
mag, wer da will, einmal im Monat auf ein Jahr lang zur
Kirche gehen, und lasse eine Seelenmesse lesen für seine
Seele; fürs zweite gehe er, so oft er's gemächlich kann
und mag, an die Stätten, wo Ablaß gegeben wird, und wo
er hört, daß die denselben Spendenden am frömmsten sind;
fürs dritte schicke er seine Opfer durch einen gläubigen
und gerechten Mann an die Kirchen der vorzüglichsten
Heiligen in jenem Königreiche Schweden, wo das Volk aus
Frömmigkeit und wegen der Ablässe häufig
zusammenzukommen pflegt, z. B. des heiligen Erich, des
heiligen Siegfried und ähnlicher. Denjenigen aber, der
das Opfer trägt, soll er für seine Mühe treulich
belohnen. -
Fünftens, weil er in der eitlen Ehre und Freude
gesündigt, soll wer da will, in jedem Monat auf ein Jahr
einmal alle Armen versammeln, welche auf seinem Hofe
oder dessen Nachbarschaft sind, sie in ein Haus führen
und vor ihnen eine Seelenmesse lesen lassen. Und wenn
der Priester dieselbe beginnt, soll er sie bitten und
ermahnen, daß sie für seine Seele bitten mögen. Nachdem
die Messe gelesen worden, sollen alle Armen dergestalt
erquickt werden, daß sie fröhlich hinweggehen von der
Mahlzeit, damit der Verstorbene erfreut werde durch ihre
Gebete, und die Armen durch die genossene Erquickung.
Sechstens, weil er die Schuld bis auf den letzten Heller
bezahlen und unter der Strafe bleiben wird, sollst Du
wissen, daß er gegen sein Ende und bei seinem Ende,
obwohl nicht so inbrünstig, als er sollte, den Willen
gehabt, seine Schulden zu bezahlen. weshalb er unter
jenen ist, welche gerettet werden sollen und es kann
hieraus abgenommen werden, wie groß meines Sohnes
Barmherzigkeit ist, welcher für ein so geringes die Ruhe
Gibt. Wofern er aber jenen Willen nicht gehabt hätte,
würde er ohne Ende verdammt gewesen sein. Darum sollen
seine Anverwandten, welche seine Nachfolger in seinen
Gütern geworden, den Willen haben, zu bezahlen, und
seine Schulden an diejenigen bezahlen, von denen sie
wissen, daß er ihr Schuldner war; diese sollen sie auch
demütig bitten, seiner Seele zu verzeihen, wenn sie
durch das lange Warten einen Schaden erlitten haben
sollten; wollten sie aber nicht zahlen, so müssen sie
seine Sünde tragen. Sodann sollen sie jeglichem Kloster
im Königreiche ein beliebiges Opfer schicken, und im
Kloster öffentlich eine Messe lesen lassen, und bevor
die Messe beginnt, soll für seine Seele gebetet werden,
daß ihr Gott gnädig sein wolle; auch soll in jeder
Pfarrei, worin er Güter gehabt, eine Seelenmesse gelesen
werden. Dieselbe muß der Priester in Gegenwart alles
Volkes singen und bevor er zu singen beginnt, soll er
dem Volke sagen: Diese Messe soll für die Seele des . .
. . gehalten werden. Ich bitte euch um des Namens Christ
willen, daß, wofern er wider euch etwas durch Wort, Tat
oder Befehl gesündigt, es ihm zu verzeihen, und also
gehe er zum Altare.
Siebentens, weil er ein Richter gewesen, und sein
Richteramt ungerechten Stellvertretern überlassen, ist
er in den Händen der Teufel. Weil es jedoch wider seinen
Willen gewesen, daß jene ungerecht handelten, obwohl er
sich weniger darum kümmerte und acht gab, als es seine
Pflicht war, kann er, wenn er Hilfe erhält, doch befreit
werden. Aber durch welche Hilfe? Fürwahr, durch den
allerheiligsten Leib meines Sohnes, welcher täglich auf
dem Altare geopfert wird. Denn jenes Brot, das auf den
Altar gelegt wird und vor den Worten: Das ist
mein Leib! Brot ist, wird nach dem Aussprechen dieser
Worte in den Leib meines Sohnes verwandelt, den er von
mir fleckenlos angenommen, und welcher gekreuzigt
worden. Alsdann wird der Vater geehrt und im Geiste
angebetet in den Gliedern meines Sohnes; der Sohn
frohlockt in der Macht und Majestät des Vaters, seine
Mutter, die ich bin, wird vom ganzen himmlischen Heere
geehrt, alle Engel wenden sich an ihn, und beten ihn an;
die Seelen der Gerechten bringen ihren Dank dar, daß sie
durch ihn erlöst sind. Ach ! wie schrecklich ist es für
die Elenden, welche einen solchen und so höchst würdigen
Herrn mit unwürdigen Händen behandeln! Dieser Leib also,
welcher aus Liebe gestorben ist, kann ihn erlösen;
deshalb soll vor jeglichem Feste meines Sohnes eine
Messe gelesen werden, nämlich eine vor seinem
Geburtsfeste, eine am Feste der Beschneidung, eine am
Epiphaniasfeste, eine am Fronleichnamsfeste, eine von
seinem Leiden, eine am Osterfeste, eine von der
Himmelfahrt, und eine zu Pfingsten, ingleichen eine
Messe an jedem Feste, das mir zu Ehren gefeiert wird,
ferner neun Messen zu Ehren der neun Engelchöre. Wenn
diese Engelmessen gefeiert werden, soll man neun Arme
versammeln, denen Speise und Kleidung gereicht wird,
damit die Engel, denen er zur Hut übergeben war und die
er vielfach beleidigt hat, durch dieses geringe Opfer
mögen versöhnt werden können, und seine Seele Gott
darzubringen vermögen. Dann muß eine Seelenmesse
allgemein für alle Verstorbenen gelesen werden, damit
sie hierdurch die Ruhe erlangen, und seine Seele selber
der Ruhe würdig erachtet werde.";
Erklärung.
Dieser war ein Edelmann und barmherzig. Nach seinem Tode
erschien er der Frau Brigitta und sprach: ";Nichts
erhebt mich in meinen Trübsalen so, wie das Gebet der
Gerechten und das Sakrament des Altars. Aber weil ich
Richter gewesen bin, und meine Gerichte denen
ausgetragen habe, welche die Gerechtigkeit weniger
liebten, darum werde ich noch in der Verbannung
zurückgehalten, würde aber schneller befreit werden,
wenn die, welche die Meinigen sein sollten und gewesen
sind, für mein Heil etwas milder gesinnt wären. Von
demselben ist auch noch im XXI. Kapitel des
gegenwärtigen Buches die Rede.
Die
Mutter Gottes ermahnt die Braut, sie solle sich allezeit
des schmerzhaften Leidens Christi erinnern, denn in der
Zeit dieses Leidens wurde gleichsam alles bewegt,
nämlich die Gottheit und die Menschheit, und selbst
seine Mutter, die Engel und alle Elemente, sowie alle
Seelen der Lebenden und Toten, und auch die Teufel.
Die
Mutter Gottes redete mit der Braut und sprach: ";Beim
Tode meines Sohnes geriet alles in heftige Bestürzung.
Die Gottheit, welche den Sohn in den Tod gegeben hat,
und niemals, auch im Tode nicht, von ihm getrennt
worden, schien in jenem Stündlein des Todes wie
mitleidend, obwohl die Gottheit keinen Schmerz oder
keine Pein erleiden kann, weil sie unleidsam und
unwandelbar ist. Der Sohn selber litt Schmerzen an allen
Gliedern, und auch im Herzen, obwohl er der Gottheit
nach unsterblich ist; auch seine Seele, welche
unsterblich ist, litt, weil sie aus dem Leibe
hinausging. Die Engelscharen schienen gleichsam bestürzt
zu sein, als sie Gott in seiner Menschheit auf Erden
leiden sahen. Können denn aber die Engel, welche
unsterblich sind, bewegt werden? Fürwahr, wie ein
Gerechter, wenn er seinen Freund etwas leiden sieht,
wovon derselbe den größten Ruhm erlangen wird, sich zwar
über den Ruhm, den er erlangen soll, freuen, über das
Leiden aber doch in gewisser Weise betrübt sein würde,
so auch wurden die Engel gleichsam traurig über seine
Pein, obwohl sie selber dem Leiden nicht unterworfen
sind, - freuten sich aber über seine künftige
Herrlichkeit, und über den Segen, der aus seinem Leiden
hervorgehen sollte. Es wurden auch alle Elemente bewegt;
Sonne und Mond verloren ihren Schein, die Erde erbebte,
die Felsen zersprangen, die Gräber öffneten sich in der
Todesstunde meines Sohnes. Alle Heiden kamen in
Bewegung, wo immer sie auch waren, denn es ging ihnen
gleichsam ein stechender Schmerz ins Herz, obwohl sie
nicht wußten, woher derselbe kam. Bewegt wurden auch in
jener Stunde die Herzen der Kreuziger meines Sohnes,
obwohl es nicht zu ihrem Ruhme geschah. Ja sogar die
unreinen Geister gerieten in jener Stunde in Bewegung
und in ihrer Versammlung herrschte die heftigste
Bestürzung. Diejenigen aber, welche in Abrahams Schoß
waren, überkam eine solche Traurigkeit, daß sie hätten
lieber ewig in der Hölle sein mögen, als an ihrem Herrn
solche Pein sehen. Welchen Schmerz aber ich, die ich
damals neben meinem Sohne stand, Jungfrau und seine
Mutter, gelitten, vermag niemand auszudenken. Deshalb,
meine Tochter, erinnere Dich an das Leiden meines
Sohnes, fliehe die Unbeständigkeit der Welt, welche
nichts anderes, als Schein, als eine Blume ist, welche
schnell verdorrt.";
Die
Mutter Gottes sagt, sie sei gleich einem Bienenkorbe,
weil jene gesegnete Biene, d. h. der Sohn Gottes, sie
mit ihrem süßesten Honig, als er in ihren Schoß
herabstieg, so reichlich erfüllte, daß durch jene
Süßigkeit aller vergiftete Geschmack von uns
hinweggenommen ist.
Die
selige Jungfrau sprach zur Braut: ";Braut meines Sohnes,
Du hast mich gegrüßt und mit einem Bienenkorb
verglichen. Ich bin fürwahr ein Bienenkorb gewesen; denn
mein Leib ist in meiner Mutter Schoße nur wie ein Stück
Holz gewesen, bevor die Seele mit demselben verbunden
war. Mein Leib war auch nach meinem Tode wie ein Stück
Holz, nachdem die Seele davon getrennt worden, bis Gott
meine Seele im Leibe zur Gottheit erhöht hat. Dieses
Holz ist zum Bienenkorbe geworden, als jene gesegnete
Biene, der Sohn Gottes, aus dem Himmel flog, und der
lebendige Gott in meinen Leib hinabstieg. Endlich war in
mir eine gewisse, süße und feine Honigwabe, die auf alle
Weise und allerlei Zugabe zubereitet war, um den gar
süßen Honig der Gnade des heiligen Geistes zu empfangen.
Diese Honigwabe ist gefüllt worden, als der Sohn Gottes
mit Macht, Liebe und in Schönheit zu mir hineinkam. Mit
Macht ist er gekommen, weil er mein Herr und mein Gott
war; mit Liebe kam er, weil er um der Liebe willen, die
er zu den Seelen trug, das Fleisch an- und das Kreuz auf
sich genommen, in Schönheit kam er, weil alle Sünde
Adams aus mir geschieden worden. Deshalb hat auch der
schönste Sohn Gottes das schönste Fleisch angenommen.
Wie aber die Biene einen Stachel hat, mit dem sie nur
ungern sticht, so hat mein Sohn die Strenge der
Gerechtigkeit, welche er jedoch nur dann anwendet, wenn
er durch Sünden dazu aufgefordert wird. Dieser Biene ist
übel vergolten worden; denn für seine Macht ist er
dahingegeben in die Hände der Ungerechten; für seine
Liebe in die Hände der Grausamen; für seine Schönheit
ist er entblößt und unbarmherzig gegeißelt worden.
Gebenedeit sei also jene Biene, welche sich aus meinem
Holze einen Bienenkorb machte, und denselben mit ihrem
Honig so reichlich füllte, daß von der mir gegebenen
Süßigkeit jener vergiftete Geschmack vom Munde aller
hinweggenommen worden.
Christus ermahnt die Braut, daß sie alle Zeit nach dem
Willen Gottes einteilen und nichts tun solle, als wovon
sie glaubt, daß es Gott gefalle; auch solle sie stets
den Willen haben, im Dienste Gottes zu beharren, und
ihren Geist immer zum Himmlischen erheben, ihren Leib
aber in dieser Zeit so ermüden, daß derselbe sich zur
künftigen Herrlichkeit zu erheben vermöge.
Der
Sohn sprach zur Braut: ";Du mußt drei Stücke beobachten:
Erstens nur nach meinem Willen gehen, zweitens nur zu
meiner Ehre sitzen, drittens nur zum Nutzen des
Bräutigams stehen. Du gehest nach meinem Willen alsdann,
wenn Du alle Deine Zeit nach meinem Willen einrichtest,
wenn Du weder issest, noch schläfst, noch irgend etwas
auf andere Weise tuest, als wie Du erkennst, daß es Gott
gefällt; Du stehest festiglich, wenn Du den Willen hast,
in meinem Dienste zu bleiben; Du sitzest, wenn Du Dein
Herz stets gen Himmel erhebst und betrachtest, was da
sei die Herrlichkeit der Heiligen und das ewige Leben.
Diesen drei Stücken sollst Du noch drei andere
hinzufügen. Erstens sollst Du gestellt sein, wie eine
Jungfrau, welche vermählt werden soll, und bei sich also
denkt: Alles, was ich von meines Vaters Gütern, die
vergänglich sind, haben kann, will ich zusammenbringen
für meinen Bräutigam, bei dem ich sein muß in Not und
Widerwärtigkeit. So sollst auch Du tun, weil Dein Leib
gleichsam dein Vater ist; von diesem mußt Du alle
Arbeit, welche Du kannst, für die Armen, ingleichen
andere Güter heischen, so daß Du Dich mit mir gleichsam
wie mit einem Bräutigam freuen mögest, weil Dein Leib
hinfällig ist, und derselbe im gegenwärtigen Leben nicht
geschont werden darf, auf daß er künftig zu einem
besseren Leben auferstehen möge. Zweitens denke bei Dir,
wie eine gute Ehefrau bei sich gedenkt: Hat mein Mann
mich lieb, was soll ich mich bekümmern? Hält er Frieden
mit mir, wen habe ich dann zu fürchten? Damit er mir
also nicht zürne, werde ich ihm alle Ehre erweisen, und
mich allezeit nach seinem Willen richten. Drittens
bedenke bei Dir, daß Dein Bräutigam ewig und gar reich
ist, und Du bei ihm ewige Ehre und ewigen Reichtum haben
wirst; deshalb sollst Du nicht das Vergängliche lieben,
auf das Du das ewig Bleibende erhalten mögest.";
Christus Gibt der Braut zu erkennen, wie er sie nach Art
eines kleinen Kindes im geistlichen Leben und in den
Tugenden habe auferziehen lassen. Er empfiehlt sie dem
Engel von neuem. Auch meldet er, wie er sie durch einen
heiligen Betrug aus der Welt zum Hafen der Ruhe geführt,
und gebietet ihr, sie solle alle Anfechtungen ihren
geistlichen Vätern offenbaren, so werde sie ein
vollkommenes Ende haben.
Einer
von den Engeln redete mit dem Herrn und sprach: ";Preis
sei Dir, o mein Herr, von Deinem ganzen Heere für alle
Deine Liebe. Du hast meiner Hut diese hier stehende
Braut überwiesen. Siehe, ich überantworte Dir dieselbe
wieder, denn ich lockte sie, da sie fast noch ein ganz
kleines Kind war, zu Dir. Erst habe ich ihr einen Apfel
gegeben, und sodann, nachdem sie den Apfel gegessen, zu
ihr gesagt: Tochter, folge mir weiter nach, so will ich
Dir gar süßen Wein geben; denn in dem Apfel ist nur ein
wenig Wohlgeschmack, im Weine aber Süßigkeit und
Seelenjubel. Nachdem sie den Wein gekostet hatte, habe
ich wieder zu ihr gesprochen: Gehe noch weiter vorwärts,
und ich gewähre Dir, was ewig dauert, und worin
jegliches Gute ist."; Nach diesen Worten sprach der Herr
zur Braut: ";Wahr ist, was mein Diener vor Deinen Ohren
geredet; denn er lockte Dich allerdings, gleichsam durch
einen Apfel, damals an mich heran, als Du dachtest,
alles, was Du hattest, sei von mir, und als Du mir
allein dafür danktest. Wie der Apfel nur ein wenig
Wohlgeschmack und eine mäßige Sättigung gewährt, so
schmeckte Dir damals meine Liebe nicht sehr, nur daß
gleichsam einiger Wohlgeschmack des Gedankens an Gott in
Deinem Herzen war. Du bist aber noch weiter
vorgeschritten, als Du bei Dir also dachtest: Gottes
Herrlichkeit ist ewig, die Freude der Welt aber gar
kurz, und am Ende der Welt gar unnütz. Was nützt es mir,
daß ich diese zeitlichen Dinge so sehr liebe? Infolge
solchen Gedankens hast Du angefangen, Dich mänlich
[sic!] zu enthalten von den Lüsten der Welt, und so viel
Du konntest, Gutes zu tun in meinem Namen. Dann hast Du,
gleichsam von einem Verlangen nach Wein ergriffen, weit
stärkeren Durst nach mir empfunden. Und als Du gedacht
hast, ich sei der allmächtige Herr, von dem alles Gute
kömmt, und nachdem Du Deinen eigenen Willen verlassen
und den meinigen Tatest, bist Du mit Recht die Meinige
geworden, ich bin mit Dir gleichförmig geworden, und
habe Dich mein sein lassen."; Nach diesen Worten sprach
der Herr zum Engel: ";Mein Diener, Du bist reich in mir,
Deine Ehre ist ewig, das Feuer Deiner Liebe
unauslöschlich, meine Kraft unvergänglich; Du hast mir
meine Braut überantwortet, ich will aber, daß Du
dieselbe ferner behütest, bis sie zu ihrem Alter gelangt
sein wird. Behüte sie, auf daß nicht der Teufel, ohne
daß sie sich dessen versieht, ihr etwas in den Weg
werfe; versorge sie mit den Kleidern der Tugenden, mit
den Kleidern aller Schönheit, speise sie mit meinen
Worten, welche wie frisches Fleisch sind, wodurch das
Blut verbessert wird, das schwache Fleisch erstarkt, und
gutes Ergötzen in der Seele erweckt wird. Ich habe an
ihr getan, wie jemand seinem Freunde zu tun pflegt, den
er aus Liebe und zu seinem Besten gefangen nimmt; denn,
wenn er ihn gefangen nimmt, sagt er zu ihm: Freund,
komm' herein in mein Haus, und siehe, was daselbst
geschieht, und was dir zu tun obliegt. Geht jener nun
hinein, so zeigt ihm der Freund, der ihn gefangen
genommen, nicht verächtliche Schlangen, noch grimmige
Löwen, welche in dem Hause wohnen, auf daß der Freund
nicht erschrecke; sondern zum Troste seines Freundes
macht er, daß ihm die Schlangen als die sanftmütigsten
Tiere und die Löwen als schöne Schafe erscheinen und er
spricht zu ihm: Freund, wisse, ich liebe dich und habe
dich zu deinem eigenen Heile gefangen genommen, was du
nun gesehen haben wirst, das sage meinen Freunden, denn
sie werden Dich behüten und trösten, so daß dir meine
Gefangenschaft besser gefallen wird, als deine eigene
Freiheit. Auf ähnliche Art habe ich es mit Dir gemacht,
meine geliebte Tochter. Denn ich habe Dich gleichsam zur
Gefangenen gemacht, als ich Dich von Deiner Liebe zu der
meinigen gerufen habe, als ich Dich von den Gefahren der
Welt in diesen Hafen der Ruhe berief, wo diejenigen,
welche Du wegen Enthaltsamkeit für Jungfrauen hältst,
wahrhaft in ihrer Bosheit wie Löwen sind und die Du
wegen der göttlichen Betrachtung für Schafe hältst, die
kriechen als Schlangen auf dem Bauche der Gefräßigkeit
und Begierlichkeit einher. Was Du daher siehst und
hörest, erzähle niemand anderem, sondern meinen
Freunden, welche Dich behüten und unterweisen, weil der
Geist selber, welcher Dich in den Hafen führte, Dich zum
Vaterlande führen wird; der Dich geführt hat zu einem
guten Anfange, wird Dich zu einem noch besseren Ende
führen.
Christus sagt zur Braut, daß die Prälaten und Gelehrten,
welche sich der Wissenschaft rühmen und reich werden,
aber übel leben, den Huren und Weintrinkern zu
vergleichen sind, welche sich selber und andere in
Sünden stürzen, während sie doch tugendhafter, als
andere, sein sollten. Doch wird er mit Barmherzigkeit
jedem entgegenkommen, der sich bekehrt, wie der Vater
voll Freuden dem Sohne entgegeneilt, den er bekommen.
";Der
Prälat, für welchen Du betest, hat die Augen bereits
abgewendet von mir, und sich mit dem Schmucke seiner
Würde der Welt zugekehrt; denn wenn er mein sein wollte,
würde er täglich auf mich sehen, mein Buch aufmerksamer
lesen, und nicht so sorgfältig im Gesetze forschen,
welches das Gesetz der Kirche genannt wird."; Sie
antwortete: ";Mein Herr, ist nicht Dein Gesetz auch das
Gesetz der Kirche?"; Und der Herr antwortete: ";Es war
mein Gesetz, so lange die Meinigen es lasen, und es
meinetwegen gelesen ward; jetzt aber ist es nicht das
meinige, weil es im Hause der Würfelspieler gelesen
wird, welche drei Augen auf einen Würfel setzen, um für
ein geringes Recht, das sie im Kirchengesetze finden,
eine große Summe Gelbes zu erwerben, und so wird es
jetzt nicht zu meiner Ehre, sondern zu dem Ende gelesen,
wie man Geld erwerben möge. Im Hause dieser
Würfelspieler sind Huren und Weinsäufer. Solche lesen
jetzt mein Gesetz, solche werden jetzt gelehrt genannt,
sind aber fürwahr Thoren. Denn was pflegt eine Hure zu
tun? Sie ist vorlaut in Worten, leichtfertig in Sitten,
schön von Antlitz, geputzt in Kleidern. Solche Leute
sind es jetzt, welche mein Gesetz lesen und lernen.
Possenreißerei ist in ihren Worten; niemals tut sich ihr
Mund auf zu meinem Bekenntnis, niemals zu meinem Lobe.
In ihren Sitten sind sie leichtfertig, so daß selbst die
Weltleute über ihren Wandel erröten; auch stürzen sie
sich nicht allein selbst ins Verderben, sondern reißen
auch andere durch ihr Beispiel mit sich dahin. Ihr
alleiniges Streben ist darauf gerichtet, von der Welt
gesehen und gelobt zu werden, ansehnlich und geehrt in
ihren Kleidern einherzugehen, Reichtum und Ehre zu
erwerben; meine Worte und Gebote sind ihnen bitter, und
mein Weg ist ihnen verabscheuenswert. Fürwahr, ihr
Wandel und ihr Leben stinkt also vor meinen Augen, wie
eine Hure und, wie eine Hure vor anderen Weibern
niedriger und verworfener erscheint, also sind auch sie
mir vor anderen verhaßt, denn sie sagen und rühmen sich,
als wüßten sie das Gesetz, allein zur Täuschung anderer
und zu ihrem Vergnügen. In meinem Hause, wo das Gesetz
gelesen wird, sind auch Weinsäufer und Unenthaltsame,
deren Ruhm darin besteht, andere zu übertreffen und die
Natur zu Überflüssigem zu reizen. Solche sind nun die
Lehrer des Gesetzes; sie freuen sich des Überflusses,
schämen sich wenig ihrer Ausschweifungen und sind über
die Sünden anderer durchaus nicht traurig. Gleichwohl
würden sie, wenn sie mein Gesetz lesen wollten, finden,
daß sie vor anderen enthaltsamer, vor anderen demütiger,
vor anderen zum guten Wandel mehr verpflichtet sein
müßten. Ich aber bin wie ein mächtiger Herr, welcher die
Schafe vieler Städte liebt; der, obwohl er mächtig ist,
doch keiner anderen Stadt Schafe aufnimmt, als die er
durch die Gerechtigkeit zu haben verpflichtet ist, So
nehme auch ich, der ich der Schöpfer aller Dinge und der
Allermächtigste bin, gleichwohl keine auf, als die ich
aus Gerechtigkeit zu haben verpflichtet bin, und welche
aus Liebe erkennen, daß sie die meinigen sind. Dessen
ungeachtet kann, ,wer von mir abgeirrt war, und zu mir
zurückkehren und meine Stimme hören will, gerettet
werden. Läuft nicht ein Schaf, das von der eigenen Herde
abgeschweift ist und sich in eine andere gemischt hat,
wenn es das Blöken seiner Mutter vernimmt, eilends zu
derselben? Ebenso lauft [sic!] die Mutter, wenn sie die
Stimme ihres Jungen vernimmt, mit aller Anstrengung
demselben entgegen, so daß, wenn sie freie Macht hat,
keine Beschwerde, keine Pein sie verhindert, zu laufen.
So nehme ich, der Schöpfer aller Dinge, denjenigen gern
auf, der meine Stimme hört, und eile demselben voll
Freuden entgegen, freue mich wie der Vater über den
verlorenen Sohn, den er wieder bekommt, und wie eine
Mutter sich freut über die Heimkehr ihres Lammes.";
Erklärung.
Dieser, von dem der Sohn Gottes redet, war ein Propst
der Kirche des heiligen Petrus und nachher Kardinal.
Viele, die Gottes Anteil und Gottes Almosenierer sind,
sammeln für Fremde die Gaben Gottes; denn einem
Geistlichen, welcher Gottes Anteil ist, dem gehört
nichts von dem, was er über Unterhalt, Kleidung und
Notdurft hat, eigen, sondern solches gehört den Armen.
Darum ist glücklich, wer im Sommer sammelt, wovon er im
Winter leben möge. Denn wie Du siehst, verschleudern die
Verwandten, was jener gesammelt, gierig, ohne sich um
seine Seele zu kümmern. Gleichwohl ist er, weil er
selber den guten Willen hatte, seine Güter zu verteilen,
zu dem gelangt, was er verlangte. Er würde jedoch viel
glücklicher gewesen sein, wenn er das Seinige bei
Lebzeiten ausgeteilt hätte.
Ein
Heiliger sagt der Braut, daß, wenn schon der Mensch
täglich einmal für Gott stürbe, er doch Gott nicht
genugsam für die ewige Herrlichkeit werde danken können;
er meldet auch die erschrecklichen Peinen, welche eine
verstorbene Frau für die Belustigung des Fleisches,
worin sie gelebt hatte, an allen Gliedern erlitt.
Einer
von den Heiligen redete mit der Braut und sprach: ";Wenn
ich für jede Stunde, während welcher ich in der Welt
lebte, einmal den Tod für Gott ausgehalten hätte und
immer wieder aufgelebt wäre, würde ich mit dem allen
nimmermehr Gott für seine Liebe vollständig danken
können; denn sein Lob weicht niemals aus meinem Munde,
meine Freude geht nimmer aus in meiner Seele; seine
Herrlichkeit und Ehre weicht nie von meinem Angesichte
und meinem Ohre fehlt nimmer die Freude.";
Darauf sprach der Herr zu demselben Heiligen: ";Sage der
Braut, welche hier steht, was diejenigen verdienen,
welche sich um die Welt mehr kümmern, als um Gott,
welche das Geschöpf mehr lieben, als den Schöpfer, und
welche Strafe jetzt jene Frau erduldet, welche, so lange
sie in der Welt war, ganz in Wollust lebte.";
Der
Heilige antwortete; ";Ihre Strafe ist sehr hart, denn
für die Hoffart, welche sie in allen Gliedern gehabt,
werden ihr Haupt, ihre Hände, ihre Arme und Füße wie von
einem erschrecklichen Blitzstrahl in Brand gesetzt. Ihre
Brust wird mit einer Igelhaut zerstochen, deren Stacheln
sich gleichsam in ihr Fleisch hineinbohren und dasselbe
untröstlich stechen. Die Arme mit ihren übrigen
Gliedern, welche sie, um den Mann zu umfangen, so
süßiglich ausstreckte, sind wie zwei Schlangen, welche
sich um sie selber herumschlingen und sie untröstlich
zerreißen und im Zerreißen nicht müde werden. Ihr Bauch
wird so jämmerlich gepeinigt, als wenn in ihre Scham ein
sehr spitziger Pfahl hineingesteckt wäre und mit aller
Anstrengung hineingetrieben würde, um weiter
einzudringen. Ihre Schenkel und Kniee sind wie das
härteste und ganz unbeugsame Eis, und haben durchaus
keine Ruhe und Wärme. Auch ihre Füße, auf welchen sie zu
Vergnügungen sich hingetragen, und andere mit sich
gezogen, stehen gleichsam auf sehr scharfen
Schermessern, welche unaufhörlich schneiden.";
Erklärung.
Diese
Dame hatte einen großen Abscheu vor der Beicht und
folgte ihrem eigenen Willen; sie ward von einer
Halsgeschwulst überrascht und starb ohne Beicht dahin.
Sie erschien, wie sie vor dem Gerichte Gottes stand;
alle Teufel schuldigten sie an und riefen: ";Sehet da
das Weib, das sich vor Dir, Gott, verbergen wollte; uns
ober war sie bekannt."; Der Richter antwortete: ";Die
Beicht ist die beste Wäsche. Weil sie sich nun zu ihrer
Zeit nicht hat wollen waschen lassen, so wird sie fortan
geschwärzt werden mit eueren Unreinigkeiten; und weil
sie sich selbst nicht hat vor wenigen schämen wollen, so
ist es recht, daß sie vor vielen beschämt werde.";
Die
Mutter Gottes lehrt die Braut, wie sie dem Teufel
Widerstand leisten und auf seine Einflüsterungen zur
Begierlichkeit, der Freundschaft der Welt und der
Wollust antworten soll; und wie einer Seele, welche mit
Gott durch die Liebe vereinigt ist, obwohl sie durch
verschiedene Gedanken beunruhigt wird, wenn sie dennoch
widersteht, jene Gedanken nicht zur Sünde gerechnet
werden, sondern zum Verdienst und zur Krone.
Maria
sprach zur Braut: ";Wenn Dir, meine Tochter, Dein Feind
mit der Lust an zeitlichen Gütern schmeichelt, so
antworte ihm: Feind, du hast nichts erschaffen, darum
kannst du nichts geben; und selbst, wenn du könntest, so
würde es doch gar schnell fallen und ein Ende nehmen.
Wird Dir aber mit der Freundschaft der Welt
geschmeichelt, so sage ihm: Die Freundschaft der Welt
endet mit Weh. Wenn Dir aber mit der Fleischeslust
geschmeichelt wird, so Gib ihm zur Antwort: Die will ich
nicht haben, weil sie zuletzt ein Gift ist und mit
Schmerzen endet.";
In
diesem Augenblicke erschien der Teufel, zu welchem die
selige Jungfrau sprach: ";Sprich, so daß diese es hört,
was hast du erschaffen?"; Der Teufel antwortete: ";Ich
habe nichts erschaffen; ich war jedoch ein gutes
Geschöpf; aber von mir selber bös."; Darauf sprach die
selige Jungfrau weiter: ";Hat deine Feindschaft je einen
glücklichen, freudevollen Ausgang gehabt?"; Der Teufel
antwortete: ";Das war nie der Fall, und wird nie der
Fall sein."; Drittens sprach die selige Jungfrau:
";Antworte und sprich: Hat deine Wollust je ein gutes
Ende gehabt?"; Und der Teufel sprach: ";Niemals hatte
dieselbe ein gutes Ende, und wird solches auch niemals
haben, denn sie fängt an im Bösen, und zielt zum
Bösen."; Darauf fügte der Teufel an die Jungfrau hinzu:
";Du, Jungfrau, Gib mir Gewalt über jene."; Und die
Jungfrau antwortete: ";Warum nimmst du sie nicht in
deine Gewalt?"; Der Teufel sprach: ";Das vermag ich
nicht, weil ich nicht imstande bin, ein zweifaches Blut,
das in einem Gefäße vermischt worden, voneinander zu
scheiden und zu sondern; das Blut der Liebe Gottes ist
mit dem Blute der Liebe ihres Herzens vermischt.
";Darauf sprach die selige Jungfrau weiter: ";Weshalb
läßt du sie nicht in ihrer Ruhe bleiben?"; Der Teufel
entgegnete: ";Das werde ich nimmer tun, weil, wenn ich
nicht imstande sein werde, sie durch eine Todsünde zu
töten, ich dann dafür sorgen werde, daß sie für die
läßliche Sünde gegeißelt werde. und kann ich auch dies
nicht bewirken, dann will ich meinen Dorn in ihre
Haarlocken werfen; das Bemühen, denselben
herauszuziehen, wird sie vielfältig beunruhigen, d. h.
ich will ihr verschiedene Gedanken ins Herz senden, von
denen sie nach allen Seiten hin in Unruhe versetzt
werden wird."; Hierauf sprach die Jungfrau: ";Ich will
ihr helfen; denn so oft sie dieselben herauszieht und
dir ins Angesicht wirft, so oft wird ihr die Sünde
verziehen, und ihre Krone und Lohn erhöht werden.";
Erklärung.
Eines
Tages ward Frau Brigitta von einem heftigen Verlangen
nach Speise versucht. Im Geiste entrückt sah sie darauf
einen Mohren, der in der Hand etwas hatte, wie einen
Bissen Brotes, und einen Jüngling, welcher ein
vergoldetes Gefäß hielt. Der Jüngling sprach zum Mohren:
";Weshalb beunruhigst Du diejenige, welche meiner Hut
übergeben ist?"; Der Mohr erwiderte: ";Weil sie sich der
Abstinenz rühmt, welche sie nicht gehalten hatte,
deshalb reiche ich ihr meinen Bissen, auf daß ihr das
Gröbere süß werde; denn nur Christus hat eine gewisse
Zeit gefastet und nichts gegessen. Auch die Propheten
haben Brot gegessen und getrunken nach dem Maße; deshalb
haben sie hohe Dinge verdient. Wie aber soll diese
Verdienst erlangen, wenn sie beständig Sättigung
empfindet?"; Der Jüngling antwortete! ";Christus lehrte
fasten, daß der Leib nicht geschwächt werde, und sucht
nicht, was der Natur unmöglich ist, sondern Mäßigkeit.
Er fragt auch nicht, was und wie viel einer zu sich
nimmt, sondern in welcher Absicht und mit welcher Liebe
er's nimmt; denn die Gewohnheit der guten Erziehung muß
mit Danksagung festgehalten werden, damit das Fleisch
nicht zu sehr geschwächt werde."; Hierauf verschwand der
Teufel, und die Frau ward von der Versuchung frei.
Christus sagt zur Braut, daß die Ordens- und andere
Geistlichen, welche vom heiligen Geiste Trost empfangen,
Gott aber nicht demütig dafür danken, sondern die Gnade
gering achten, in derselben sich überheben und an der
Welt belustigen, auch des geistlichen Lebens überdrüssig
sind, einem dürstenden, undankbaren Armen ähnlich sind,
welcher, nachdem er den Trunk versucht, denselben
schmählich dem Geber in die Augen spritzt.
";Es
Gibt manche, die wie ein dürftiger Mensch sind, welcher
Durst leidet; ein Hausvater, der seine Stimme hört,
reicht ihm den besten Trank, den er hat. Nachdem jener
den Trunk empfangen und gekostet, spricht er: Der Trank
gefällt mir nicht, und ich danke Dir dafür nicht; und so
schleudert er dem Geber den Trank in die Augen, und
vergilt mit Schmach die Liebe. Der Hausvater, ein
sanftmütiger Mann, nimmt die Schmach hin, und denkt
also: Siehe, mein Gast hat mich schwer beleidigt; ich
will mich aber nicht an ihm rächen, bevor wir beide vor
den Richter gekommen, und die Zeit des Gerichtes sein
wird. Und damit wischt er sich den Flecken von Gesicht
und Stirn, und trocknet sich ab. So tun mir jetzt viele
Ordensgeistliche; denn in ihrer Armut und Verachtung,
und bei dem Widerspruche der Welt rufen sie zu mir, und
sprechen: Herr, von allen Seiten kommt uns Trübsal und
Verachtung, Gib uns einigen Trost. Da habe ich aus
großer Barmherzigkeit Mitleid mit ihnen, und reiche
ihnen den besten Wein, d. h. den heiligen Geist, dessen
Süßigkeit ihre Seelen erfüllt, dessen Glut sie um
Verachtung und Armut sich nicht bekümmern läßt. Wenn sie
aber den Wein meines Geistes gekostet und eine Zeit lang
gehabt haben, mißachten sie denselben und danken mir
nicht, sondern schütten mir denselben ins Antlitz, weil
sie sich vornehmen und wünschen, lieber mit der Welt zu
sein, und überheben sich wegen der Gnade, welche sie
haben. Also tut mir jetzt auch derjenige, den Du kennst.
Als derselbe arm und verlassen war, tröstete ich ihn mit
meinem Geiste, als er verachtet war und keine Freude der
Seele hatte, erquickte ich ihn mit meiner Freude; denn
obwohl ich nicht mit leiblicher Stimme rede, noch meine
Worte öffentlich gehört werden, so ermahnt doch mein
Geist in meinen Auserwählten mit innerlicher
Einsprechung, daß sie Gutes tun, und regt sie stärkend
zu noch Höherem an. Jener aber, nachdem er meinen Geist
gekostet, und die Gnade meines Trostes empfangen,
achtet, was ich ihm gegeben, gleichsam für nichts, und
überlegt sich, wie er mir meinen Trunk ins Gesicht
schütte, was er bisher noch nicht getan hat. Siehe her
und betrachte, wie geduldig und barmherzig ich bin, weil
ich ihn nicht allein geduldig ertrage, sondern ihm auch
seine Undankbarkeit mit Gutem vergelte. Denn er hat
jetzt eine größere Ehre und mehr Wohlwollen unter den
Menschen, denn zuvor, und es wird ihm reichlicher, denn
gewöhnlich, das Notwendige gespendet; gleichwohl dient
er mir dafür jetzt weniger, als zuvor. Meine Gnade hält
er für nichts, und meine Liebe keiner Ehre wert. Also
steht er wie ein Mensch, der bei sich überlegt, wie er
den Trunk dem Geber ins Angesicht werfe, und dessen Herz
die Welt, welche er verlassen, mehr ergötzt, als ich.
Was er übernommen, dünkt ihm schwer zu sein; das
geistliche Leben ist ihm zum Überdruß. Dies besser zu
prüfen, Gibt Dir genugsam der veränderte Geruch zu
erkennen. Denn so lange er mir mit ganzem Herzen diente,
und sich inbrünstiger an mich schmiegte, ward an seinen
Gewändern ein gewisser süßer Wohlgeruch wahrgenommen. Es
ist auch kein Wunder, weil die Engel, welche voll Kraft
sind, die Freunde Gottes täglich umgeben und schützen.
Nun aber, nachdem sein Wille sich geändert hat, hat sich
auch der Geruch geändert, und es wird nun ein solcher
Geruch verspürt, wie der Wille und die Absicht des
Herzens ist. Was aber werde ich tun, wenn mir mein Trunk
ins Gesicht geschleudert wird? Fürwahr, ich werde
denselben abwischen, wie ein sanftmütiger Mensch, und
geduldig ertragen, bis die Zeit meines Gerichtes und der
allgemeine Ratschluß herbeigekommen sein wird, so daß
alsdann allen die Undankbarkeit und Vermessenheit des
Schmähers sichtbar werde, und die Geduld des leidenden
Herrn an den Tag kommt.";
Erklärung.
Dieser war ein Mönch im St. Paulskloster, welcher Buße
Tat und durch ein gutes Ende zur Ruhe ging.
Christus klagt über die Menschen, welche sich in
fleischlichen Lüsten vergnügen und die künftige
Herrlichkeit und die WohlTaten seines Leidens verachten.
Ihr Gebet wird mit der Stimme eines Rohres und dem Laute
zusammengeschlagener Steine verglichen. Solche werden
verdammt werden und alsdann die Herrlichkeit Gottes in,
über und unter dem Himmel, sowie außerhalb desselben und
aller Orten schauen zu ihrer Schande.
";Jener, den Du kennst, singt: Erlöse mich, Herr, von
den bösen Menschen! (Psalm CXXXIX.) Diese Stimme tönt in
meinen Ohren wie die Stimme einer Pfeife, wie der Klang
eines Rohres, die Stimme seiner Lippen ist wie der
Schall zweier Steine, die zusammengeschlagen werden. Wer
wird antworten können auf seinen Ton, da man nicht weiß,
was derselbe vorstellt? Sein Herz ruft gleichsam mit
drei Stimmen zu mir. Die erste spricht: Ich will meinen
Willen haben, will schlafen und aufstehen, wann es mir
gefällt; auf meinen Lippen werden die Worte sein, welche
mir gefallen. Was ergötzt und süß ist, soll in meinen
Mund eingehen. Sparsamkeit zu üben ist nicht meine
Sorge, sondern ich suche die Sättigung der Natur, und
was sie begehrt, werde ich ihr ausreichend geben. Ich
will Geld in den Beutel haben, und weiche Kleider über
den Leib; habe ich dies, dann habe ich meine Freude, und
was ich verlange, dies halte ich für Glück. Seine zweite
Stimme ruft und spricht: Der Tod ist nicht so hart, als
man sagt; das Gericht nicht so streng, wie geschrieben
steht, denn die Prediger drohen zur Warnung mit größeren
und härteren Strafen, aber um der Barmherzigkeit willen
werden sie gemindert. Mein Vergnügen und mein Bestes ist
es, in der gegenwärtigen Zeit meinen Willen zu haben,
die Seele jedoch mag gehen, wohin sie kann. Die dritte
Stimme aber ruft und spricht: Gott würde mich nicht
erschaffen haben, wollte er mir nicht das Himmelreich
geben. Er hätte nicht gelitten, wenn er mich nicht in
das Vaterland hineinführen gewollt. Weshalb aber hat er
so bittere Pein leiden wollen? Wer trieb ihn an? Oder
welchen Nutzen hat er davon? Wie ich vom Himmelreich
wissen könne, begreife ich nicht, ich kenne es nur durch
Hörensagen. Auch die Güte sehe ich nicht. Ob man glauben
muß oder nicht, ich weiß es nicht. Dagegen weiß ich, daß
es meine Freude sein würde, wenn ich meinen Willen
hätte, und das würde ich für mein Himmelreich halten.
Siehe: also sind seine Gedanken und sein Wille
beschaffen; deshalb lautet seine Stimme in meinen Ohren
wie ein Klang von Steinen. Aber auf die erste Stimme
seines Herzens antworte ich ihm: Freund, Dein Weg ist
nicht zum Himmel, und der Gedanke an mein Leiden
schmeckt Dir nicht; deshalb ist Dir die Hölle eröffnet
worden, weil Dein Leben das Niedrige sucht und in der
Tiefe sich gefällt. Auf die zweite Stimme antworte ich
Dir: Sohn, der Tod wird Dir hart ankommen, das Gericht
wird unerträglich sein und es wird Dir unmöglich sein,
zu fliehen; Du wirst eine harte Strafe erleiden, wofern
Du Dich nicht besserst. Auf die dritte Stimme Deines
Herzens antworte ich Dir: Bruder, alles, was ich aus
Liebe getan, habe ich für Dich getan, damit Du mir
ähnlich sein, Dich bekehren und wieder zu mir wenden
möchtest. Nun aber ist meine Liebe in Dir erloschen,
meine Werke sind Dir beschwerlich, meine Worte
erscheinen Dir thöricht, mein Weg schwierig; deshalb
erübrigt Dir eine bittere Strafe und die Gesellschaft
der Teufel, wenn Du Dein Herz nicht zum Bessern wendest.
Mir, Deinem liebreichsten Herrn und Schöpfer, wendest Du
nicht Dein Gesicht, sondern kehrst mir den Rücken zu; Du
liebst, um mich zu verachten, meinen Feind, Du trittst
meine Zeichen unter die Füße, und richtest kühn die
Zeichen des Feindes auf. Siehe, wie jene, welche die
Meinen zu sein scheinen, jetzt vor mir stehen, siehe,
wie sie sich abgewandt haben. Das aber sehe ich und
leide es geduldig. In ihrer Herzenshärtigkeit wollen sie
aber noch nicht merken, was ich für sie getan, und wie
ich vor ihnen gestanden. Einen dreifachen Anblick
gewährend stand ich vor ihnen: Erstens als ein Mensch,
dessen Augapfel ein scharfes Messer durchdrang; zweitens
als ein Mensch, dessen Herz von einem Schwerte
durchbohrt ward; drittens als ein Mensch, dem vor der
Bitterkeit des bevorstehenden Leidens alle Glieder
erstarrten. So befand ich mich vor ihnen. Was bedeutet
nun der Augapfel anderes, als meinen Leib, für welchen
das Leiden so bitter war, wie der Schmerz, wenn der
Augapfel durchbohrt wird und ich duldete dasselbe nichts
desto minder aus Liebe. Was aber bedeutet das Schwert
sonst, als den Schmerz meiner Mutter, der mein Herz
schwerer betrübte, als mein eigener Schmerz? Drittens
haben mein ganzes Innere und alle meine Glieder bei
meinen Leiden gezittert. So stand ich vor ihnen, und
solches litt ich für sie. Allein das alles verachten,
das alles vernachlässigen sie, wie der nachlässige Sohn
seine Mutter. Bin ich ihnen nicht wie eine Mutter
gewesen, welche, wenn sie mit einem Kinde gesegneten
Leibes ist, in der Stunde der Geburt wünscht, das Kind
möge lebend aus ihrem Schoße hervorgehen, und die, wenn
dasselbe die Taufe erlangt hat, nach dem eigenen Tode
nichts fragt? Also habe ich an dem Menschen getan. Wie
eine Mutter habe ich den Menschen aus der Finsternis der
Hölle durch mein Leiden an den ewigen Tag geboren, mit
großer Beschwerde habe ich ihn gleichsam in meinem
Schoße getragen, indem ich alles, was prophezeiet
worden, erfüllt habe, mit meiner Milch habe ich ihn
gespeist, als ich ihm heilige Worte geoffenbart und die
Gebote des Lebens gegeben habe. Der Mensch aber vergilt,
wie ein böser Sohn, welcher den Schmerz seiner Mutter
nicht beachtet, meine Liebe mit Verachtung und Härte;
für die Schmerzen des Leibes macht er mich weinen;
meinen Wunden fügt er noch Schwachheit hinzu, für meinen
Hunger reicht er mir Steine, für den Durst sättigt er
mich mit Kot. Was ist aber das für ein Schmerz, den mir
der Mensch antut, da ich doch nicht zu beunruhigen bin,
nicht leiden kann, und ewig Gott bleibe? Wahrlich,
alsdann tut mir der Mensch gleichsam Schmerz an, wenn er
sich durch die Sünde von mir trennt, nicht, als ob
einiger Schmerz auf mich fallen könnte, sondern wie
einer um des anderen Unglück zu trauern pflegt. Hat mir
der Mensch schon damals Schmerz zugefügt, als er nicht
wußte, was und wie schwer die Sünde war, da er weder die
Propheten, noch das Gesetz, noch die Worte meines Mundes
vernommen hatte, so nötigt er mich jetzt außer dem
Schmerze auch noch zu Klagen, obwohl ich unveränderlich
bin, wenn er, obgleich er meine Liebe und meinen Willen
hat kennen gelernt, wider meine Gebote handelt, und keck
wider die Vernunft seines Gewissens sündigt.
Infolgedessen fahren jetzt viele, weil sie Erkenntnis
meines Willens haben, tiefer zur Hölle hinab, als wenn
sie die Gebote nicht erhalten hätten. Ebenso brachte mir
der Mensch gewisse Wunden bei, obwohl ich, Gott, nicht
verwundet werden kann, da er Sünde zur Sünde fügte und
nun aber suchen sie außer den Wunden mich in schädlicher
Weise kraftlos zu machen, da sie nicht nur die Sünden
vervielfältigen, sondern, sich derselben rühmen, und
keine Buße darum tun. Der Mensch Gibt mir außerdem
Steine für Brot, und Kot gegen den Durst. Was anderes
ist das Brot, so ich begehre, als die Förderung der
Seelen, die Reue des Herzens, das göttliche Verlangen
und die in Liebe glühende Demut? Statt dieser Gibt mir
der Mensch Steine durch seines Herzens Härtigkeit. Er
sättigt mich mit dem Kote der Unbußfertigkeit und durch
leeres Vertrauen. Sie verachten, durch Mahnungen und
Strafen zu mir zurückzukehren; verschmähen, mich
anzublicken und meine Liebe zu erwägen. Deshalb kann ich
mich mit Fug beklagen, daß ich sie wie eine Mutter mit
dem Schmerze meines Leidens ans Licht geboren habe; sie
aber wollen lieber in der Finsternis sein. Ich habe sie
mit der Milch meiner Süßigkeit gespeist, und tue es
noch; sie aber achten es nicht. Deshalb fügen sie
freventlich zum Schmerze, den mir ihre Unwissenheit
bereitet, auch den Kot der Bosheit hinzu, sie sättigen
mich, den sie mit den Tränen der Tugenden erquicken
sollten, mit der Sünde; sie reichen mir, dem sie die
Süßigkeit ihres Wandels darbieten sollten, Steine dar.
Deshalb werde ich wie ein gerechter Richter, welcher in
seiner Gerechtigkeit Geduld, in der Gerechtigkeit
Barmherzigkeit und in der Barmherzigkeit Weisheit hat,
mich zu seiner Zeit wider sie erheben, wie sie es
verdienen, und sie werden meine Herrlichkeit in, über
und unter dem Himmel, sowie außerhalb und aller Orten,
auf allen Hügeln, in allen Thälern, sowie auch
diejenigen schauen, welche verdammt worden, selber aber
zu verdienter Beschämung zu Schanden werden.";
Erklärung.
Dieser war ein Mönch im Kloster des heiligen Laurentius.
Er ward von Feinden erschlagen, starb und wurde in der
Kirche des heiligen Laurentius begraben. Der heilige
Laurentius aber erschien, wie er mit dem Richter redete:
";Was tut dieser Landstreicher unter meinen
Auserwählten, deren Leiber ihr Blut für Dich vergossen
haben? Hat aber dieser Mönch nicht seine Wollust
geliebt?"; Und sofort wurde geschaut, wie der Leichnam
mit garstigem Gestanke und Schrecken aus dem Grabe
geworfen ward. Darauf sprach der Richter zur Seele,
welche dabeistehend erblickt ward: ";Gehe hin, Elende,
unter die Unbeschnittenen und Fehlgeborenen, denen Du
gefolgt bist, weil Du nicht Deines Vaters Stimme hast
hören wollen."; Damit verschwand die Erscheinung.
Die
Mutter der Barmherzigkeit spricht, daß der Mensch,
welcher Reue und den Willen hat, sich zu bessern,
gleichwohl aber kalt ist in der Andacht und Liebe
Gottes, von Gott ein Fünklein des göttlichen Feuers
mittels häufigen Nachdenkens über das Leiden Christi zu
erlangen suchen soll. Dadurch wird die Seele mit
göttlicher Glut erwärmt und gesäugt mit den Brüsten der
Jungfrau, d. h. mit der Tugend der Furcht Gottes und des
Gehorsams.
Die
Jungfrau Maria sprach: ";Ich bin wie eine Mutter, welche
zwei Söhne hat. Dieselben können aber ihrer Mutter
Brüste nicht erreichen, weil sie gar zu kalt sind, auch
in einem kalten Hause wohnen. Die Mutter liebt sie
jedoch so sehr, daß sie, wofern es möglich wäre, sich
zum Frommen ihrer Söhne die Brüste abschneiden möchte.
Ich bin fürwahr die Mutter der Bamherzigkeit [sic!],
weil ich mich aller Elenden erbarme, welche um
Verzeihung bitten. Ich habe gleichsam zwei Söhne; bei
den einen ist die Reue, wenn sie wider meinen Sohn
sündigen; bei den anderen der Wille, das zu bessern, was
gesündigt worden. Allein diese beiden Söhne sind gar
kalt, weil sie keine Wärme der Liebe, kein Verlangen
göttlicher Lust haben, und das Haus ihrer Seele ist so
unerwärmt von der Flamme göttlichen Trostes, daß sie
meine Brust nicht empfangen können. Ich aber bin, weil
ich barmherzig bin, zu meinem Sohne gegangen, und habe
gesagt: Mein Sohn, Lob und Ehre sei Dir für alle Liebe,
die Du mir erwiesen. Ich habe zwei Söhne; erbarme Dich
derselben, weil sie wegen ihrer Kälte die Brust der
Mutter nicht empfangen können. Da antwortete mein Sohn:
Geliebte Mutter, um Deinetwillen will ich ein Fünklein
in ihr Haus werfen, woraus ein reichliches Feuer sich
entzünden kann. Laß darum das Fünklein sich anzünden und
unterhalten, und wärme Deine Söhne, auf daß sie Deine
Brust zu empfangen vermögen."; Darauf redete die Mutter
mit der Braut, und sprach: ";Derjenige, für den Du
bittest, hat zu mir eine besondere Andacht gehabt, und
obwohl er sich in unendlich viel Elend brachte, hat er
doch immer auf meine Hilfe vertraut, und gegen mich eine
gewisse Wärme empfunden, dagegen zu meinem Sohne keine
Liebe und keine göttliche Furcht vor ihm gehabt; würde
er damals aus der Welt abberufen worden sein, so würde
er bei seinen bösen Werken ohne Ende gepeinigt werden.
Weil ich aber voll Barmherzigkeit bin, habe ich seiner
nicht vergessen und es ist in ihm um meinethalben noch
einige Hoffnung des Guten, wenn er selber sich
persönlich helfen will; denn er hat nun Reue über die
begangenen Sünden, und den Willen, sich zu bessern,
allein er ist noch zu kalt in der Liebe und Andacht, und
deshalb, damit er möge erwarmen [sic!] und meine Brust
nehmen können, muß ein Funken in das Haus seiner Seele
geworfen werden, d. h. die Betrachtung des Leidens
meines Sohnes soll ihm häufig in seinem Gedächtnisse
sein. Er soll betrachten, wie der Sohn Gottes und der
Sohn der Jungfrau, welcher mit dem Vater und dem
heiligen Geiste Ein Gott ist, gelitten hat; wie er
gefangen worden ist und Backenstreiche erhalten hat und
verspieen wurde; wie er ferner bis auf die Eingeweide
gegeißelt worden, daß das Fleisch mit den Geißeln
herabgerissen ward; wie er unter Auseinanderzerrung und
Durchbohrung aller Nerven schmerzvoll am Kreuze
gehangen, und rufend am Kreuze seinen Geist aufgegeben
hat. Bläst er dieses Fünklein häufig an, dann wird er
selber warm, und ich will ihn alsdann an meine Brüste
emporheben, d. h. zu den beiden Tugenden, welche ich
gehabt, nämlich der Furcht Gottes und dem Gehorsame.
Denn obwohl ich niemals gesündigt, habe ich doch
stündlich gefürchtet, durch Wort oder Wandel meinen Gott
zu beleidigen. Mit dieser Furcht werde ich meinen Sohn
säugen, nämlich die Reue meines vorerwähnten
Andächtigen, für welchen Du bittest, damit er nicht
allein Reue darüber empfinde, daß er böse gehandelt,
sondern auch die Strafe fürchte und fürchte, meinen Sohn
Jesum Christum wieder zu beleidigen. Ich will auch
seinen Willen an der Brust meines Gehorsams säugen, denn
ich bin die, welche Gott nie ungehorsam war. So will ich
denn über denjenigen, wenn er in der Liebe meines Sohnes
warm geworden, den Gehorsam kommen lassen, mittels
dessen er in allem, was ihm geboten worden, gehorsam
sein wird.";
Erklärung.
Dieser war ein Anverwandter der Frau Brigitta, ein
großer Weltling, der, durch göttliche Anmahnung zur Reue
bewegt, sich bekehrte. Er pflegte zu sagen: ";So lange
ich die Buße gescheut habe, fühlte ich mich wie mit
einer Kettenlast beschwert; nachdem ich angefangen, die
Beichten öfter vorzunehmen, fühle ich mich so
erleichtert und im Gemüte voll Frieden, daß ich auf die
Ehren und Schäden des Hauses nicht achte. Und nichts ist
mir süß, als von Gott zu reden und zu hören."; Als
dieser die Sakramente Gottes empfangen, Jesum im Munde
hatte, und dabei sprach: ";Süßer Jesu, erbarme Dich
meiner!"; entschlief er im Herrn.
Während die Jungfrau Maria für einen Abgeschiedenen
betet, der ihr in Andacht ergeben gewesen war, spricht
Christus, daß die WohlTaten seiner Erbfolger, welche für
seine Seele aufgewendet worden, ihm wenig nützen, weil
sie mehr aus Hoffart und zur Ehre der Welt erfolgten,
als aus liebender Hingabe an Gott, daß ihm aber um der
Gebete der Jungfrau willen die Pein erleichtert werde.
Maria
sprach: ";Gebenedeit sei Dein Name, mein Sohn, Du bist
der König der Herrlichkeit und ein mächtiger Herr, und
hast Gerechtigkeit mit Barmherzigkeit. Dein mir überaus
teurer Leib, welcher in meinem Leibe ohne Sünde geboren
und ernährt worden, ist heute für die Seele jenes
Verstorbenen in der heiligen Messe konsekriert worden.
Ich bitte Dich daher, teuerster Sohn, daß er seiner
Seele nützen möge und daß Du Dich seiner erbarmest.";
Der Sohn antwortete: ";Gebenedeit seist Du, meine
Mutter, gebenedeit von jeglichem Geschöpfe, weil Deine
Barmherzigkeit unzählbar ist. Ich bin einem Menschen
ähnlich, welcher einen kleinen Acker von ungefähr fünf
Fuß Größe um einen sehr großen Preis kaufte, weil das
beste Gold darin verborgen war. Der Acker ist dieser
Mensch mit seinen fünf Sinnen, den ich mit meinem höchst
kostbaren Blute erkauft und erlöst habe, und in welchem
kostbares Gold war, d. h. eine von meiner Gottheit
erschaffene Seele, welche jetzt vom Leibe hinweggenommen
worden, so daß die Erde allein übrig bleibt. Seine
Erbfolger sind einem mächtigen Manne ähnlich, welcher zu
Gericht geht, und dem Henker zuruft: Trenne mit dem
Schwerte sein Haupt von seinem Leibe, laß ihn nicht
lange leben, und schone seines Blutes nicht. Ebenso
machen es jene Erben, welche gleichsam ins Gericht
gehen, wenn sie, wie es sich wohl geziemte, für das
Seelenheil ihres Vaters Gutes zu tun sich den Anschein
geben. Sie rufen dem Henker zu: Haue ihm den Kopf vom
Leibe. Und wer ist dieser Henker, als der Teufel,
welcher die ihm zusagende Seele von ihrem Gott scheidet?
Sie rufen ihm zu: Trenne sein Haupt! - weil sie das Gute
ohne Demut tun und mehr aus Hoffart und um der Ehre vor
der Welt willen, als aus göttlicher Liebe. Durch die
Hoffart wird das Haupt, nämlich Gott, vom Menschen
gesondert, wie er durch Demut mit ihm verbunden wird.
Sie rufen: Laß ihn nicht länger leben! - wenn sie um
seinen Tod unbekümmert sind, damit sie seine Güter
bekommen; sie rufen: Schone sein Blut nicht! wenn sie
seine bittere Pein nicht rührt, noch wie lange er darin
sein möge, wofern sie nur ihren Willen vollbringen
können; denn ihr Gedanke ist gänzlich der Welt
zugewendet, und mein Leiden gilt ihnen für etwas
geringes."; Darauf antwortete die Jungfrau: ";Mein Sohn,
ich habe Deine strenge Gerechtigkeit gesehen. Nicht zu
dieser rede ich, sondern zu Deiner liebreichsten
Barmherzigkeit. Darum erbarme Dich seiner um meiner
Bitten willen, denn er betete täglich mir zu Ehren meine
Tageszeiten. Rechne ihm auch das hoffärtige Tun seiner
Nachkommen nicht an, das sie in Ausübung bringen, da sie
sich erfreuen, während er weint und untröstliche Strafe
erleidet."; Ihr antwortete der Sohn: ";Gebenedeit seist
Du, teuerste Mutter, Deine Worte sind voll Süßigkeit,
und süßer denn Honig; Deine Worte kommen aus meinem
Hetzen. das voll ist der Barmherzigkeit und Deiner Worte
Klang ist Barmherzigkeit. Derjenige, für welchen Du
bittest, wird um Deinetwillen dreifache Gerechtigkeit
erfahren. Erstens wird er aus den Händen der Teufel,
welche wie Raben unersättlich ihn peinigen, gerettet
werden; denn wie Vögel, welche ein schreckliches
Geräusch vernehmen,die Beute, welche sie in den Krallen
halten, aus Furcht vor dem Geräusche im Stiche lassen
und entfliehen, so werden um Deinetwillen die Teufel
seine Seele fahren lassen, und dieselbe nicht weiter
berühren, noch feindlich behandeln; zweitens wird
dieselbe aus einem größeren Feuer, in ein milderes
gebracht werden; drittens werden ihn die heiligen Engel
trösten. Doch ist er dann noch nicht ganz frei, und
bedarf noch der Hilfe; denn Du kennst und siehst in mir
alle Gerechtigkeit, daß niemand zur Seligkeit eingehen
kann, wenn er nicht wie Gold durch's Feuer gereinigt
worden. Darum wird er um Deines Gebetes willen zur
kommenden Zeit der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit
gänzlich erlöst werden.";
Christus nimmt auf Bitten seiner Mutter einen gewissen
Bischof auf, der entblößt ist von guten Werken, aber
neuerlich zur Reue und zu einem heiligen Vorsatze des
Lebens bekehrt worden, und bekleidet ihn mit
Barmherzigkeit und göttlicher Süßigkeit, indem sie ihn
lehrt, wie er demütig ohne Begierlichkeit leben, und wie
er seine Untergebenen, wenn dieselben fehlen, mit
Barmherzigkeit und Gerechtigkeit strafen soll.
Der
Sohn sprach: ";Jener Prälat, für welchen Du, meine
Braut, mich bittest, hat sich schon in dreifacher Weise
mir wieder zugewendet. Erstens wie ein nackter Mensch;
zweitens wie ein Mann, der ein Schwert in der Hand hält,
drittens wie einer, der die Hand ausstreckt und um
Verzeihung bittet. Darum wende ich mich jetzt auch um
des Gebetes meiner Mutter willen zu ihm, und werde ihm
entgegeneilen wie eine Mutter dem verloren gewesenen,
wieder gewonnenen Sohne, und obwohl meine Apostel ihre
Gebete mir für ihn aufgeopfert, aber wenig Gnade für ihn
erlangt haben, weil er, nachdem er eine hohe Würde in
meiner Kirche erhalten, mir entgegen gewesen ist, und
sich für sie nicht wie eine Prälat eingesetzt hat; so
will ich ihn jetzt dennoch kleiden, auf daß er nicht
nackt sei. Seine Nacktheit aber ist der Mangel an guten
Werken, welche seine Seele mit Tugenden hätten bekleiden
sollen. Dieselbe erscheint nun aber, obwohl sie sich
bekleidet vorkam, nackt vor meinen Augen und um des
Gebetes meiner Mutter und meiner Heiligen willen will
ich ihm jetzt Hilfe gewähren, auf daß er bedeckt und
bekleidet werden könne, weil er nackt zu mir gekommen
ist. Dann aber kommt er nackt zu mir, wenn er bei sich
also denkt: Ich habe nichts Gutes von mir, ich vermag
nichts Gutes ohne Gott, und bin keinerlei Guten würdig
und wenn ich wüßte, wie ich Gott gefallen könnte, und
was ihm gefällig wäre, würde ich es, auch wenn ich
sterben sollte, gern tun; solches denkend kommt er nackt
zu mir, und deshalb will ich ihm entgegeneilen und ihn
bekleiden. Er hatte auch ein Schwert in den Händen, als
er die Strenge meines Gerichtes betrachtete, und bei
sich sprach: Das Gericht Gottes ist unerträglich, die
Flucht aber unmöglich; deshalb will ich gern alles, was
Gott von mir will, und bin mit meinem Willen bereit zu
dem seinigen, weil ich keine guten Werke habe; es
geschehe nach seinem Willen, aber nicht nach dem
meinigen! Dieser Gedanke und dieser Wille haben von ihm
das Schwert meiner Strenge hinweggenommen, und ihm meine
Barmherzigkeit gewährt. Drittens streckte er die Hand
aus, als er bei sich folgende Betrachtung anstellte: Ich
weiß, daß ich gesündigt habe über die Maßen und des
Gerichtes würdig bin; allein auf Deine Güte vertrauend,
Herr Gott, hoffe ich auf die Hilfe, denn Du hast Deinen
Verfolger Paulus nicht verschmäht, noch die Sünderin
Magdalena verachtet; deshalb, Herr, wende ich mich zu
Dir, auf daß Du mir thust nach Deiner großen Liebe und
Barmherzigkeit. Um dieser Gedanken und dieses Verlangens
willen werde ich ihm die Hand meiner Barmherzigkeit
reichen, und ihm meine Süßigkeit vermehren, wofern er
nur folgende drei Stücke, welche ich nenne, mannhaft
erfüllt haben wird. Erstens muß er jegliche Hoffart und
Ruhmsucht von sich hinwegtun, und die wahre Demut
annehmen; zweitens soll er aus seinem Herzen alle
Begierlichkeit entfernen, auf daß er die ihm verliehenen
zeitlichen Dinge wie ein guter Haushalter haben möge,
der seinem Herrn Rechenschaft geben kann; drittens soll
er Sorge tragen, daß er weder seine, noch seiner
Untergebenen Sünde vernachlässige, sondern durch
Gerechtigkeit und Barmherzigkeit verbessere, und meiner
Werke gedenke, der ich aus Barmherzigkeit die Zöllner
und Huren um mich versammelt, die Hoffärtigen aber in
meiner Gerechtigkeit abgewiesen habe. Steht nicht
geschrieben, daß ich einem, der zu mir kam und sprach:
Meister, ich will Dir nachfolgen, wohin Du gehst!
geantwortet habe: Nein! denn die Füchse haben ihre
Höhlen u. s. w. Und weshalb habe ich ihn verschmäht,
wenn nicht, weil ich sein Herz und seinen Willen gesehen
habe, daß er Herrlichkeit und Unterhalt ohne Arbeit
haben wollte? Und deshalb ward er aus Gerechtigkeit von
mir verworfen. Also soll auch er tun. Denn wenn ein
Sünder zu ihm kommt, der sich demütigt und unter
Darlegung einer entsprechenden Besserung um Verzeihung
bittet, dem ist er schuldig, Barmherzigkeit zu erweisen.
Wen er aber auf dem Willen, im Sündigen zu verharren,
betroffen hat, und wer sich nicht bessern mag, den soll
er in angemessener Weise und klug mit Geißeln züchtigen,
oder mit Geldstrafen belegen. Er soll sich jedoch hüten,
solche Züchtigung nicht aus Begierlichkeit, sondern aus
Liebe und Gerechtigkeit zu üben; auch soll er das Geld
zu solchem Gebrauche verwenden, daß er Gott gute
Rechenschaft zu geben vermöge, so zwar, daß jenes nach
der Gerechtigkeit dem Sünder abgenommene Geld weislich
zu göttlichem Gebrauche verwendet werde. Würde aber der
einmal mit Geld Gestrafte sich nicht bessern wollen,
dann mag er ihm die Pfründe und seine höhere Würde
entziehen, damit er zu Schanden werde, wie ein Esel,
der, wenn er einen goldenen Sattel trägt, für etwas gar
Bedeutendes gehalten werde, den man aber nach Abnahme
des Sattels wie ein unvernünftiges Tier, das er früher
war, wieder laufen läßt. Also tue auch ich, der Schöpfer
aller Dinge. Denn erstlich strafe ich den Menschen durch
zeitliche Trübsal, durch Krankheit und was seinem Willen
zuwider ist; und wenn er sich alsdann nicht bessern
will, nehme ich meine Barmherzigkeit von ihm hinweg, und
übergebe ihn der Strafe, welche ihm aus Gerechtigkeit
bereitet worden.";
Die
Jungfrau Maria erschien der Braut und bat den Sohn für
einen großen Herrn, welchen sie mit einem Straßenräuber
vergleicht. Christus erzählt ihr die schweren
Versündigungen desselben, erweist ihm aber dennoch auf
ihr Gebet dreifache Gnaden: Er Gibt ihm einen
geistlichen Meister, Erkenntnis der ewigen, überaus
schweren Pein und rechte Hoffnung der Barmherzigkeit mit
weiser Furcht.
Maria
redete zum Sohne und sprach: ";Gebenedeit seist Du, mein
Sohn, ich begehre von Dir Barmherzigkeit für jenen
Räuber, für welchen Deine Braut betet und weint."; Der
Sohn antwortete: ";Weshalb, meine Mutter, betest Du für
ihn? Er hat ja einen dreifachen Raub begangen. Erstens
hat er die Engel und meine Auserwählten beraubt;
zweitens hat er die Leiber vieler Menschen beraubt, weil
er deren Seelen vor ihrer Zeit von den Leibern schied;
drittens hat er viele unschuldige Menschen ihrer Güter
beraubt. Zuerst hat er die Engel beraubt, weil er die
Seelen vieler, welche der Gemeinschaft der Engel
zugesellt werden sollten, durch leichtfertige Worte,
böse Werke und Beispiele, durch Gelegenheit und
Verleitung zum Bösen von ihnen abgesondert, auch die
Bösen in ihrer Bosheit geduldet hat, welche er billig
hätte strafen sollen. Zweitens ließ er viele unschuldige
in seinem Grimme töten. Drittens hat er die Güter der
Unschuldigen sich auf ungerechte Weise angemaßt, und den
Elenden eine unerträgliche Last auferlegt. Neben diesen
hat er auch noch drei andere böse Dinge an sich: Erstens
ein übergroßes sinnliches Verlangen nach der Welt;
zweitens ein unenthaltsames Leben, denn obwohl er durch
eine Ehe gebunden ist, hält er dieselbe doch nicht aus
göttlicher Liebe, sondern um seine Lust zu befriedigen;
drittens ist er voll Hoffart, so daß er niemand sich für
ähnlich hält. Siehe nun, von welcher Art derjenige ist,
für welchen Du bittest. In mir siehst Du alle
Gerechtigkeit, und was einem jeglichen gebührt. Habe ich
nicht, als die Mutter des Jakobus und Johannes zu mir
trat und bat, es möge einer von ihnen zu meiner Rechten
und der andere zu meiner Linken sitzen, ihr geantwortet,
daß, wer am meisten gearbeitet und sich erniedrigt haben
würde, zu meiner Rechten und meiner Linken sitzen werde?
Wie soll es nun einem gebühren, neben mir zu sitzen und
bei mir zu sein, der nicht mit mir und für mich, sondern
vielmehr gegen mich gearbeitet?"; Die Mutter antwortete:
";Gebenedeit seist Du, mein Sohn, voll Gerechtigkeit und
Barmherzigkeit. Ich sehe Deine furchtbare Gerechtigkeit
wie ein gar starkes Feuer und wie einen Berg, dem
niemand sich zu nahen wagt; dagegen sehe ich Deine
mildeste Barmherzigkeit und zu dieser, mein Sohn, rede
ich und trete ich heran. Denn obwohl ich einiges Recht
bei Dir an den Räuber beanspruche, so kann er doch um
desselben willen durchaus nicht gerettet werden, wenn
nicht Deine große Barmherzigkeit dazwischen tritt. Er
ist gleich einem Knäblein, das, obwohl es Mund, Augen,
Hände und Füße hat, doch nicht mit dem Munde reden, noch
mit seinem Gesichte zwischen dem Feuer und der Klarheit
der Sonne zu unterscheiden, noch auf den Füßen zu gehen,
noch mit den Händen zu arbeiten. So ist dieser Räuber,
denn er ist von der Geburt an aufgewachsen zu den Werken
des Teufels. Seine Ohren waren verhärtet gegen gute
Lehren, seine Augen verdunkelt für die Erkenntnis der
letzten Dinge; sein Mund war verschlossen für Dein Lob,
und die Hände waren zu verdienstlicher Arbeit für Gott
so gänzlich und so sehr geschwächt, daß jegliche Tugend
und alles Gute in ihm erstorben war. Doch zeigte sein
Fuß gleichsam zwei Spuren. Sein Fuß war sein
sehnsüchtiges Verlangen in dem Gedanken, den er bei sich
hatte: Ach, fände ich doch einen, der mir sagte, wie ich
mich bessern, wie ich meinen Gott besänftigen könnte,
denn wenn ich auch für ihn sterben müßte, würde ich es
gern tun. Die erste Spur gab er zu erkennen, da er sich
oftmals fürchtete und dachte, wie hart ihm jene ewige
Strafe werden würde; die zweite, da er Schmerz um den
Verlust des Himmelreiches empfand. Darum, mein süßester
Sohn, erbarme Dich seiner um Deiner Güte und meiner
Bitten willen."; Der Sohn antwortete: ";Gebenedeit seist
Du, süßeste Mutter, Deine Worte sind voll Weisheit und
Gerechtigkeit, und weil in mir alle Gerechtigkeit und
alle Barmherzigkeit ist, so habe ich dem Räuber schon
dreifach das Gute vergolten, das er mir dargebracht hat.
Weil er den Vorsatz gehabt hat, sich zu bessern, habe
ich ihm meinen Freund gezeigt, der ihm den Weg des
Lebens gewiesen; für die öfteren Gedanken an die ewigen
Strafe habe ich ihm eine größere Erkenntnis der ewigen
Pein als zuvor gegeben, auf daß er in seinem Herzen
einsehen möge, wie bitter die ewige Strafe ist; für den
Schmerz um den Verlust des Himmelreiches habe ich seine
Hoffnung erleuchtet, auf daß er fortan richtiger hoffe
und eine weisere und klügere Furcht hege, als zuvor.";
Darauf redete die Mutter wiederum: ";Gebenedeit seist
Du, mein Sohn, von jeglicher Kreatur im Himmel und auf
Erden, daß Du kraft Deiner Gerechtigkeit dem Räuber
diese drei Dinge vergolten hast; deshalb bitte ich, Du
wollest Dich würdigen, ihm auch Deine Barmherzigkeit zu
gewähren, weil Du nichts thust ohne Gerechtigkeit.
Gewähre ihm also vermöge Deiner Barmherzigkeit um meiner
Bitte willen eine Gnade, und eine zweite um Deines
Dieners willen, welcher mir anliegt, für den Räuber zu
bitten. Die dritte Gnade aber gewähre ihm für die Tränen
und die Gebete meiner Tochter, Deiner Braut."; Ihr
antwortete der Sohn: ";Gebenedeit seist Du, teuerste
Mutter, Gebieterin der Engel und Königin aller Geister.
Deine Worte sind mir süß wie der beste Wein, köstlich
über alles, was gedacht werden mag, und erprobt in aller
Weisheit und Gerechtigkeit. Und gebenedeit sei Dein Mund
und Deine Lippen, aus welchen alle Barmherzigkeit gegen
die elenden Sünder hervorgeht. Du wirst wahrhaftig
gepriesen als die Mutter der Barmherzigkeit, denn Du
siehst an das Elend aller, und bewegst mich zur
Barmherzigkeit. Bitte also, was Du willst, denn Deine
Liebe und Bitte können nicht vergeblich sein."; Darauf
antwortete die Mutter: ";Dieser Räuber, mein Herr und
mein Sohn, steht in großer Gefahr, wenn auch sein Fuß
noch zwei Spuren zeigt; darum Gib ihm, damit er fester
stehen könne, das, was mir das Teuerste ist, d. h.
Deinen heiligsten Leib, welchen Du von mir, ohne irgend
eine Begierlichkeit, in aller Reinigkeit zu Deiner
Gottheit angenommen hast. Dieser Dein Leib ist die
bereitwilligste Hilfe der Kranken; er Gibt den Blinden
das Gesicht, den Tauben das Gehör, den Lahmen das
Vermögen, zu gehen, den Händen das Werk, er ist ein gar
starkes und liebliches Pflaster, wovon die Kranken gar
schnell gesunden. Gewähre ihm also erstens, daß er in
sich Hilfe empfinde, und sich darin in brünstiger Liebe
erfreue. Zweitens bitte ich, Du wollest Dich
herablassen, ihm zu zeigen, was er tun soll, und wie er
Dich wird versöhnen können. Drittens bitte ich, daß ihm
Ruhe gewährt werden möge vor der Brunst seines Fleisches
um der Bitten derer willen, welche Dich für ihn
bitten."; Der Sohn antwortete wieder: ";Teuerste Mutter,
Deine Worte sind in meinen Ohren süß wie Honig, aber
weil ich gerecht bin, und Dir nichts abgeschlagen werden
kann, will ich über Deine Bitte wie ein weiser Herr bei
mir Rats pflegen, nicht darum, weil einiger Wandel bei
mir wäre, oder daß Du nicht alles weißt und siehst in
mir, sondern ich schiebe es auf um der Braut willen,
welche dasteht, damit sie meine Weisheit verstehen
möge.";
Christus sagt, daß, wenn der ebengedachte Räuber die
Kommunion des Altars empfangen wolle, er zuvor Reue über
die begangenen Sünden empfinden und den Willen haben
müsse, sich zu bessern und fernerhin nicht zu sündigen,
sondern im Guten zu verharren. Er lehrt auch andere
Mittel, durch welche er sich mit Gott, den Engeln und
Heiligen und seinem Nächsten versöhnen könne; wofern er
dieselben nicht anwende, werde er schwer bestraft
werden.
Maria
sprach: ";Gebenedeit seist Du, mein Sohn, König der
Herrlichkeit und der Engel; ich bitte Dich wiederum für
den Räuber."; Der Sohn antwortete: ";Gedenedeit seist
Du, meine teuerste Mutter! Gleichwie Deine Milch
eingegangen ist in den Leib meiner Menschheit, und alle
meine Glieder gestärkt hat, so gehen auch Deine Worte in
mein Herz und erfreuen dasselbe. Weil all Dein Bitten
mit Bescheidenheit erfolgt, und all Dein Wille auf
Barmherzigkeit gerichtet ist, deshalb will ich aus Liebe
zu Dir Barmherzigkeit üben gegen den Räuber."; Die
Mutter antwortete: ";Gib ihm also, teuerster Sohn, das,
was mir am liebsten ist, nämlich Deinen Leib und Deine
Gnade, weil jener Räuber hungrig und an allem Guten leer
ist; gewähre ihm Gnade, damit der böse Hunger gestillt,
die Schwachheit gestärkt, der Wille zum Guten entzündet
werde, der bisher für Deine Liebe ohne Empfindung war.";
Der Sohn antwortete: ";Wie ein Kind, dem die Speise
entzogen, bald dem Leibe nach stirbt, so wird jener,
welcher von seiner Kindheit an vom Teufel ernährt
worden, nicht wieder lebendig werden können, wofern er
nicht durch meine Speise genährt wird. Verlangt er aber
meinen Leib zu nehmen und durch die Süßigkeit seiner
Frucht erquickt zu werden, muß er mit drei Tugenden
geschmückt zu mir herantreten: nämlich mit wahrer Reue
über seine MisseTaten, mit dem Willen, seine Sünden zu
bessern, und mit dem Willen, nicht weiter Böses zu tun,
und im Guten zu verharren. Auf das Gebet derer aber,
welche für ihn bitten, antworte ich Dir, daß das, was
ich Dir sage, von dem Räuber getan werden muß, insofern
er sein Heil sucht. Erstens, weil er gewagt hat, dem
Könige der Herrlichkeit zu widerstehen, soll er jetzt
zur Sühne für seine Sünden, den Glauben meiner heiligen
Kirche verteidigen, und sein Leben zu deren Schutz
bereit haben bis in den Tod, daß, wie er mit allen
Kräften für die Ehre der Welt und für den Nutzen eines
zeitlichen Herrn gearbeitet, also er auch jetzt arbeite,
auf daß mein Glaube gemehrt, und die Feinde des Glaubens
der Kirche unterdrückt werden, und daß er zu mir ziehe
alle, die er ziehen kann, durch Wort und Vorbild, wie er
sie früher abgezogen, als er für die Welt arbeitete. Ich
sage Dir für gewiß, daß, wenn er auch nicht mehr getan
haben sollte, als daß er seinen Helm aufgesetzt hat für
meine Ehre und seinen Schild in der Absicht an den Arm
genommen hat, um einzustehen für den heiligen Glauben,
so wird es ihm als Tat angerechnet werden, wenn er in
demselben Augenblick abgerufen wird. Wenn sich ihm auch
die Feinde nähern sollten, kann ihm keiner schaden.
Darum soll er kühn arbeiten, weil er einen mächtigen
Herrn hat, wenn er mich hat. Männlich soll er arbeiten,
weil ihm ein köstlicher Lohn, nämlich das ewige Leben,
gegeben wird. Dafür aber, daß er die Heiligen und Engel
beleidigt und die Leiber ihrer Seelen beraubt hat, soll
er ein ganzes Jahr hindurch, wo es ihm gefallen wird,
täglich eine Messe von allen Heiligen halten lassen, und
dem Priester, welcher die Messe liest, den Lohn
gewähren, damit durch dieses Opfer die beleidigten
Heiligen und Engel versöhnt werden, und auf ihn ihre
Augen wenden können. Denn durch solches Opfer werden sie
versöhnt, wenn mein Leib, welcher das königliche Opfer
ist, aus Liebe und Demut genommen und dargebracht wird.
Danach, weil er anderer Leute Güter geraubt, und den
Witwen und Waisen unrecht getan, soll er alles, wovon er
weiß, daß er's ungerecht besitzt, demütig
zurückerstatten, und diejenigen, welche er beleidigt
hat, bitten, daß sie ihm barmherziglich verzeihen mögen.
Weil er aber nicht allen wird genugtun können, denen er
unrecht getan, soll er in einer Kirche, wo es ihm am
passendsten erscheinen wird, auf eigene Kosten einen
Altar errichten, auf welchem bis zum Ende der Welt für
diejenigen, denen er Schaden zugefügt hatte, täglich
eine Messe gehalten werden soll. Und damit dieses fest
und beständig bleibe, soll er von seinen Einkünften dem
Altare so viel widmen, daß ein Kapellan, der stets Messe
liest, davon bestehen könne. Weil die Demut von ihm fern
gewesen, soll er sich, so viel er vermag, demütigen, und
diejenigen, welche er beleidigt, um Frieden und
Einigkeit bitten, wie es auf geeignetste Weise wird
geschehen können. Desgleichen soll er auch seine
begangenen Sünden und Laster, wenn er sie von anderen
tadeln oder loben hört, nicht vermessenerweise
verteidigen, noch sich derselben erfreuen und rühmen,
sondern demütig sprechen: Wahrlich, die Sünde, welche
mir zu nichts nütze gewesen, hat mich zu sehr vergnügt;
ich bin zu sehr ausgeschritten in der Vermessenheit, und
wenn ich gewollt hätte, möchte ich mich wohl haben hüten
können; deshalb, meine Brüder, bittet den Herrn, daß er
mir nun den Geist geben möge, durch welchen ich von
solcherlei Dingen zurückkommen und die begangenen Sünden
mannhaft bessern möge. Dafür aber, daß er durch die
Ausschweifungen des Fleisches mich vielfach beleidigt,
soll er durch vernünftige Mäßigkeit seinen Leib
bezwingen. Wenn er aber diese meine Worte gehört hat,
und dieselben durch die Tat erfüllt, dann wird er Heil
und lebendiges Leben erlangen. Wo nicht, so werde ich
die Strafe für seine Sünde bis auf den letzten Heller
eintreiben, und er wird in eine schwerere Strafe fallen,
als er sonst zu leiden gehabt hätte, weil ich ihm dieses
habe sagen lassen.";
Drei
Jahre darauf, nachdem die Braut die nächstvorstehende
Offenbarung gehabt, sagte Christus ihr, daß, wenn sich
der vorgedachte Räuber nicht schnell bessere, er alsbald
durch ein schreckliches Urteil an seinem Geschlechte, an
seinen Gütern und an seiner Seele wie der ärgste Räuber
gestraft werden wird. Dies traf nachher alles so ein,
weil er sich nicht hatte bessern wollen.
Der
Sohn Gottes sprach zur Braut: ";Ich habe erst über einen
schönen Gesang, vielmehr über ein schönes Heilmittel für
den Räuber mit Dir geredet. Jetzt aber habe ich über ihn
kein Lied, sondern eine Klage zu führen, ein Wehe zu
sprechen, denn wofern er sich nicht dem besseren Teile
zuwendet, wird er meine schreckliche Gerechtigkeit
empfinden, seine Tage werden verkürzt werden, sein Samen
wird keine Frucht tragen, seinen gesammelten Reichtum
werden andere rauben, und er selber wird gerichtet
werden, wie der ärgste Räuber, wie ein ungehorsamer
Sohn, welcher des Vaters Ermahnungen verachtet.";
Christus sagt der Braut, welche für einen König betet,
daß dieser sich bemühen solle, in seinem Reiche mit dem
Rate geistlich gesinnter, gerechter, weiser Männer die
Mauern Jerusalems, d. h. der Kirche und des katholischen
Glaubens, wieder herzustellen, da dieselben
geistlicherweise gleichsam eingestürzt seien. Jene
Mauern bedeuten die Gemeinschaft der Christen, und die
Gefäße des Tempels den Klerus und die geistlichen Orden.
Der
Sohn sprach: ";Derjenige, welcher aus einem Gliede des
Teufels ein Glied von mir geworden, soll arbeiten, wie
diejenigen, welche die Mauern Jerusalems bauten, für die
Wiederherstellung des vernichteten Gesetzes arbeiteten
und die hinweggeführten Geräte des Hauses Gottes wieder
zusammenbrachten. Wahrlich, ich beklage mich über drei
Dinge: Erstens, daß die Mauer Jerusalems zerstört ist.
Was ist die Mauer Jerusalems, d. h. meiner Kirche, als
die Leiber und Seelen der Christen, aus welchen meine
Kirche erbaut werden soll? Die Mauer dieser Kirche ist
jetzt ganz zerfallen, weil alle ihren Willen, aber nicht
den meinigen zu vollbringen suchen. Sie wenden ihre
Augen ab von mir, und wollen mich nicht hören, wenn ich
rufe; meine Worte sind für sie unerträglich, meine Werke
sind ihnen eitel, an mein Leiden zu denken, ist ihnen
abscheulich, mein Leben unerträglich und die Nachfolge
desselben halten sie für unmöglich.
Zweitens beklage ich, daß die Werkzeuge meines Hauses
gen Babylon entführt sind. Was sind die Werkzeuge meiner
Kirche und die verschiedenen Gefäße derselben anderes,
als die Ordnung und der Wandel der Welt und
Ordensgeistlichen? Die gute Ordnung und der Schmuck
derselben ist von meinem Tempel hinweggeführt zur
Hoffart der Welt, zum Eigenwillen und zur
Vergnügungssucht. Meine Weisheit und Lehre sind für sie
eitel, meine Gebete lästig; das mir geleistete
Versprechen machen sie zunichte; mein Gesetz und die
Satzungen meiner Freunde, ihrer Vorgänger, haben sie
entweiht; sie machen sich selber Satzungen und erheben
dieselben zu ihrem Gesetze.
Drittens klage ich, daß mein Gesetz der zehn Gebote
abhanden gekommen ist. Liest man nicht in meinem
Evangelium, daß ich zu einem, der mich fragte: Meister,
was soll ich tun, damit ich das ewige Leben haben möge?
gesagt habe: Halte meine Gebote! (Matth. XIX.), und
jetzt sind sie vernachlässigt und vergessen.
Darum
soll der König, für welchen Du betest, geistliche Männer
versammeln, die weise sind nach meiner Weisheit, und
diejenigen, welche meinen Geist haben, fragen, auch sich
fleißig erkundigen nach ihrem Rate, wie die Mauer meiner
Kirche unter den Christen wieder aufgebaut und Gott Ehre
erwiesen werde, der rechte Glaube wieder blühe, die
göttliche Liebe wieder entzündet werde und mein Leiden
sich eindrücke in das Herz der Menschen. Er soll auch
forschen, wie die Gefäße meines Hauses wieder in den
vorigen Stand gebracht werden mögen; nämlich, daß die
Welt- und Ordensgeistlichen die Hoffart verlassen und
die Demut wieder erwählen, in Unschuld leben und die
Keuschheit lieben, daß die genußsüchtigen Weltleute von
dem allzu großen Verlangen nach der Welt sich enthalten
mögen, auf daß sie anderen leuchten können. Er soll auch
tapfer und weislich arbeiten, daß meine Gebote
aufmerksamer geliebt werden; die gerechten Christen soll
er versammeln, um mit denselben das Niedergerissene
geistlich wieder auf zu erbauen. Wahrlich, meine Kirche
ist allzuweit von mir abgewichen, so sehr, daß, wenn das
Gebet meiner Mutter nicht einträte, keine Hoffnung der
Barmherzigkeit sein würde. Aber unter allen Ständen der
Laien sind die Kriegsleute mehr abgefallen, als andere.
Die Gefahr und die Strafe dieser Abtrünnigen sind Dir
früher gezeigt worden.";
Christus verbietet der Braut, von den Neuigkeiten und
Werken der Weltleute und den Kriegen der Fürsten zu
hören; sie soll die Werke Gottes betrachten, welche
staunenswert und wunderbar sind. Er tadelt auch
diejenigen, welche allein auf Reichtum, Ehren und
Vergnügen sehen, und sagt, daß dieselben nimmer das von
Milch und Honig triefende Land sehen, d. h. die
himmlische Herrlichkeit, wofern sie sich nicht bekehren
und gerecht leben nach ihrem Stande; die Gerechten aber
werden eingehen und erhöht werden.
";Warum hast Du Freude daran, von den Werken der
Weltleute und den Kriegen der Fürsten zu hören, und
weshalb beschäftigst Du Dich mit solch eitlem Anhören,
da doch ich der Herr aller Dinge bin, und ohne mich
nichts für ein Vergnügen zu achten ist? Wolltest Du aber
die Taten großer Herren hören, großartige Werke schauen,
so solltest Du wirklich meine Taten, welche für den
Verstand unbegreiflich, für den Gedanken staunenswert
und für das Gehör wunderbar sind, betrachten und
anhören. Obwohl nun aber der Teufel die Herrn der Welt
nach seinen Willen bewegt, und obwohl es ihnen nach
meiner verborgenen Gerechtigkeit glücklich ergeht, so
bin ich doch ihr Herr, und sie werden gerichtet werden
durch mein Gericht. Sie haben sich ein neues Gesetz
errichtet wider mein Gesetz, da sie alle Sorge darauf
verwenden, wie sie von der Welt möchten geehrt werden,
wie sie möchten Reichtümer erwerben, wie ihren Willen
durchsetzen, wie ihr Geschlecht erweitern können,
Deshalb schwöre ich bei meiner Gottheit und meiner
Menschheit, daß, wenn sie in solchem Zustande sterben
sollten, sie nimmermehr eingehen werden in jenes Land,
das Israel unter dem Bilde des von Honig und Milch
fließenden verheißen ward, ebensowenig als diejenigen,
welche sich nach den Fleischtöpfen sehnten und eines
plötzlichen Todes starben und wie jene eines
fleischlichen Todes starben, so werden diese den Tod der
Seele sterben. Diejenigen aber, welche meinen Willen
tun, werden eingehen in das Land, wo Milch und Honig
fließt, d. h. in die himmlische Herrlichkeit, worin
weder die Erde unten, noch der Himmel oben ist, sondern
wo ich, der Schöpfer und Herr aller Dinge, unten und
oben, außen und innen bin, weil ich alles erfülle. Ich
werde meine Freunde mit Süßigkeit sättigen, nicht mit
der Süße des Honigs, sondern sie mit der
unaussprechlichen und wunderbaren Süßigkeit erfüllen, so
daß sie nichts verlangen, als mich, nichts bedürfen, als
mich, in dem alles Gute ist. Dieses Gute werden meine
Feinde nimmer kosten, wofern sie sich nicht von ihrem
argen Wesen bekehren. Wenn sie bedächten, was ich für
sie getan, wenn sie betrachteten, was ich ihnen gegeben,
würden sie mich nimmer so zum Zorne reizen; denn ich
habe ihnen gegeben, daß sie alles Notwendige und alles
Wünschenswürdige mit Mäßigkeit haben mögen. Ich habe
ihnen erlaubt, auf gemäßigte Weise Ehren zu haben,
Freunde zu haben, und auch mäßige Belustigung der Sinne.
Wer also in Ehren sitzt und bei sich denkt: Deshalb,
weil ich in Ehren stehe, will ich mich ehrbar halten
nach meinem Stande, ich will meinem Gotte Ehrfurcht
erweisen, niemand unterdrücken, die Geringeren fördern,
alle lieben! ein solcher gefällt mir in seiner Ehre; wer
Reichtum besitzt und bei sich denkt: Weil ich Reichtum
habe, will ich keines Menschen Sache mit Unrecht nehmen,
niemand unrecht tun, mich vor der Todsünde hüten, den
Armen zu Hilfe kommen! ein solcher ist mir in seinem
Reichtum angenehm; wem sinnliche Lust gestattet ist, und
also bei sich denkt: Mein Fleisch ist schwach, und ich
hoffe nicht, daß ich werde enthaltsam sein können; darum
will ich, weil ich eine rechtmäßige Frau habe, nicht
mehrere begehren und will mich aller Unehrbarkeit und
Unordnung enthalten! auch ein solcher hat mein
Wohlgefallen. Nun aber ziehen viele ihr Gesetz meinem
Gesetze vor, denn in ihrem Ehrgeize wollen sie keine
Oberen haben, ihres Reichtums können sie niemals satt
werden, in ihrer Lust wollen sie über Maß und löbliche
Ordnung hinausgehen. Wenn sie sich daher nicht bessern,
und keinen anderen Weg einschlagen, werden sie nicht
eingehen in mein Land, in welchem geistliche Milch und
geistlicher Honig sind, d. h. Süßigkeit und Sättigung.
Jene aber, welche diese erlangen, wünschen nichts
weiter, und bedürfen nichts, als was sie schon haben.
Es
wird die Seele eines Verstorbenen von Christo wegen
ihrer schweren Sünden und dafür verdammt, weil sie mit
den Schmerzen und Wunden des Leidens Christi kein
Mitleid getragen. Diese Seele wird einer vorzeitigen
Geburt verglichen und verurteilt, und merklich durch
diejenigen bedeutet, welche Christo in böser Absicht zu
seinen Predigten nachfolgten, ferner durch die Kreuziger
und die Hüter seines Grabes.
Es
erschienen große Heerscharen, die vor Gott standen. Zu
denselben redete Gott und sprach: ";Sehet, diese Seele
ist nicht mein; denn sie hat mit der Wunde meiner Seite
und meines Herzens nicht mehr Mitleid getragen, als wenn
der Schild ihres Feindes durchbohrt worden wäre; um die
Wunden meiner Hände hat sie sich soviel bekümmert, als
wenn ein feines Tuch zerrissen würde, und die Wunden
meiner Füße sind ihr so gleichgültig gewesen, als wenn
sie einen weichen Apfel zerschneiden sähe."; Hierauf
redete Gott zu ihr selber und sprach: ";Du hast in
Deinem Leben oft gefragt, weshalb ich, Gott, am Leibe
gestorben bin. Jetzt aber frage ich Dich, weshalb Du,
arme Seele, gestorben bist?"; Sie antwortete: ";Weil ich
Dich nicht geliebt habe."; Und der Herr entgegnete der
Seele und sprach: ";Du bist mir gewesen, was ein
vorzeitig geborenes Knäblein seiner Mutter ist, welche
nicht mindern Schmerz für dasselbe leidet, als um ein
Kind, das lebendig hervorgeht aus ihrem Schoße. Also
habe ich Dich um so großen Preis und mit solcher
Bitterkeit erlöst, wie irgend einen meiner Heiligen,
obwohl Du Dich wenig darum gekümmert hast. Aber wie ein
vorzeitig geborener Knabe keine Süßigkeit empfängt von
den Brüsten seiner Mutter, auch keinen Trost durch ihre
Worte, noch Wärme von ihrer Brust, so wirst Du niemals
die unaussprechliche Süßigkeit meiner Auserwählten
erlangen, weil Dir Deine eigene Süßigkeit gefiel. Nimmer
wirst Du meine Worte zu Deiner Förderung vernehmen, weil
die Worte Deines Mundes in der Welt Dir gefielen, die
Worte meines Mundes Dir aber bitter waren. Nimmer wirst
Du meine Liebe und Güte empfinden, weil Du kalt warst
und wie Eis für das Gute. Gehe also an den Ort, wohin
die vorzeitigen Geburten hingeworfen zu werden pflegen,
wo Du in Deinem Tode leben wirst ewiglich, weil Du nicht
in meinem Lichte und Leben hast leben wollen."; Nachher
sprach Gott zu den Heerscharen: ";O meine Freunde, wenn
alle Sterne und Planeten sich in Zungen verwandelten,
wenn alle Heiligen mich bäten, könnte ich gegen diese
Seele keine Barmherzigkeit üben, welche aus schuldiger
Gerechtigkeit verdammt werden muß. Sie hat Ähnlichkeit
mit dreierlei Menschen: Erstens mit denen, welche mir
aus Bosheit zu meinen Predigten nachfolgten, um in
meinen Worten und Taten Gelegenheit zu finden, mich
anzuklagen und zu verraten. Sie sahen meine guten Werke
und Wunder, welche niemand außer Gott wirken konnte, sie
hatten meine Weisheit gehört und meinen löblichen Wandel
bewährt gefunden; aber dennoch beneideten sie mich
deshalb, und faßten im Herzen einen Groll wider mich.
Und warum? Weil meine Werke gut waren, die ihrigen aber
böse, und weil ich ihren Sünden nicht zugestimmt,
sondern sie scharf gestraft habe. So ist mir diese Seele
zwar mit ihrem Leibe gefolgt, aber nicht aus göttlicher
Liebe, sondern um des Scheines willen vor den Menschen.
Sie hörte meine Werke, schaute dieselben mit den Augen
und grollte ihnen, sie vernahm meine Gebote und
verlachte dieselben, sie empfand meine Güte und glaubte
nicht, sie sah meine Freunde fortschreiten im Guten und
beneidete dieselben. Und warum? Weil meine und meiner
Erwählten Worte ihrer Bosheit, meine Gebote und
Ermahnungen ihrer Wollust und meine Liebe und Gehorsam
ihrem Willen entgegentraten. Gleichwohl sagte ihr das
Gewissen, daß ich mehr als alle aller Ehre würdig sei.
Aus der Bewegung der Gestirne erkannte sie, daß ich der
Schöpfer aller Dinge sei. Aus der Frucht der Erde und
der Einrichtung der anderen Dinge wußte sie, daß ich der
Schöpfer sei; und obwohl sie es also wußte, war sie
dennoch zornig über meine Worte, welche ihre bösen Werke
tadelten. Zweitens war sie denen ähnlich, welche mich
töteten und zu einander sprachen: Laßt uns ihn kühn
töten, denn er wird durchaus nicht wieder auferstehen.
Ich aber hatte meinen Jüngern vorhergesagt, daß ich am
dritten Tage wieder auferstehen würde, meine Feinde
jedoch, die Liebhaber der Welt, glaubten nicht, daß ich
zum Gerichte wieder auferstehen würde, weil sie mich für
einen bloßen Menschen ansahen, die verborgene Gottheit
aber nicht erkannten. Deshalb sündigten sie auch
zuversichtlich und erhielten aus Verhängnis meiner
Gerechtigkeit gleichsam die Übermacht; denn hätten sie
es gewußt, so würden sie mich nimmer getötet. haben. So
dachte auch jene Seele: Ich tue, sprach sie, meinen
Willen, wie es mir gefällt, ich will kühn durch den
Willen und die Werke, welche mich ergötzen, ihn töten;
denn was schadet es mir, und weshalb soll ich
Enthaltsamkeit üben? Er wird ja nicht wieder
auferstehen, um zu richten. Er wird nicht urteilen nach
den Werken der Menschen; denn wenn er so strenge richten
wollte, würde er den Menschen nicht erlöst haben, und
wenn er die Sünde so sehr haßte, würde er die Sünder
nicht so gelassen ertragen. Drittens war er denen
ähnlich, welche mein Grab bewachten, sich bewaffneten
und das Grab mit Wächtern besetzten, auf daß ich nicht
auferstehen möchte, indem sie sprachen: Wir wollen
fleißig wachen, damit er nicht auferstehe und wir ihm
nicht etwa dienen müssen. Also Tat jene Seele. Sie
bewaffnete sich mit der Härte der Sünde; sie bewachte
sorgfältig das Grab, d. h. den Verkehr meiner
Auserwählten, in denen ich ruhe, und hatte fleißig acht,
daß meine Worte und ihre Ermahnungen nicht hineindringen
möchten zu ihr, wobei sie für sich also dachte: Ich will
mich vor ihnen hüten, damit ich nicht ihre Worte höre,
und etwa, von einigen göttlichen Gedanken angeregt,
anfange, die Lust, der ich mich überlassen habe, fahren
zu lassen, auch nicht etwa höre, was meinem Willen
mißfällig ist; und so entzog sie sich aus Bosheit denen,
denen sie sich aus Liebe hätte zugesellen sollen.";
Erklärung.
Dieser war einer von Adel, welcher wenig nach Gott
fragte, und als er bei Tafel die Heiligen Gottes
lästerte, während er nieste, ohne Sakramente starb.
Seine Seele ward gesehen, wie sie vor Gericht stand. Der
Richter sprach zu ihm: ";Du hast geredet, wie Du gewollt
hast, und gehandelt, wie Du gekonnt. Deshalb kömmt Dir
jetzt zu, zu schweigen und zu hören. Antworte mir also,
so daß jene es hört, obwohl ich alles weiß. Hast Du
nicht gehört, wie ich gesprochen: Ich habe keinen
Gefallen am Tode des Sünders, sondern will, daß er sich
bekehre? (Ezechiel XXXIII.) Weshalb bist Du nun nicht zu
mir zurückgekehrt, da Du gekonnt hast?"; Die Seele
antwortete: ";Ich hörte zwar, allein ich kümmerte mich
nicht darum."; Der Richter sprach weiter: ";Habe ich
nicht gesprochen: Gehet hin, ihr Vermaledeiten, in das
Feuer, und kommet, ihr Gesegneten? Warum eiltest Du nun
nicht zum Segen?"; Die Seele antwortete ihm: ";Ich habe
zwar gehört, aber nicht geglaubt."; Weiter sprach der
Richter! ";Hast Du nicht gehört, daß ich, Gott, ein
gerechter, ewiger und schrecklicher Richter gewesen bin;
warum hast Du also das künftige Gericht nicht
gefürchtet?"; Ihm antwortete die Seele: ";Ich habe zwar
gehört, aber mich selber geliebt und meine Ohren
verschlossen, um das Gericht nicht zu hören. Ich habe
mein Herz verhärtet, um nicht daran zu denken."; Darauf
der Richter: ";Darum erfordert es jetzt die
Gerechtigkeit, daß Trübsal und Schande Dir den Verstand
öffnen, weil Du, als Du gekonnt, nicht hast einsehen
wollen."; Darauf ward die Seele aus dem Gerichte
gestoßen, heulte und schrie: ";Ach, ach, welch eine
Vergeltung! aber wann wird ein Ende sein?"; Es ward
sogleich eine Stimme vernommen: ";Wie der Anfang aller
Dinge selber kein Ende hat, so wirst auch Du kein Ende
haben.";
Der
Braut wird geboten, daß sie häufig den Leib Christi
nehmen solle, welcher bedeutet wird durch das Manna,
welches den Vätern in der Wüste geregnet, und durch das
Mehl der Witwe, welche einen Propheten gespeist hatte.
Es werden auch große Tugenden und Gnaden gemeldet, die
für eine andächtig empfangende Seele aus vorgedachter
Kommunion hervorgehen.
";Ich
bin Dein Herr und Gott, dessen Stimme Moses im
Dornenstrauche und Johannes am Jordan hörte. Von diesem
Tage ab will ich, daß Du öfter meinen Leib empfängst;
denn dieser ist eine Arznei und eine Speise, durch
welche die Seele gekräftigt, der an der Seele Schwache,
der an Tugenden Kraftlose gestärkt wird. Steht nicht
geschrieben, daß ein Prophet zu einem Weibe gesendet
ward, die ihn mit wenig Mehl speiste, und dieses nahm
nicht ab, bis ein Regen über das Land kam? (III. Kön.
XVII.) Ich bin in jenem Propheten vorgebildet. Mein Leib
ist das Mehl; derselbe ist die Speise der Seele; er wird
nicht verzehrt, noch gemindert, sondern speist die Seele
und bleibt immer unverzehrt. An der leiblichen Speise
sind drei Merkmale: Erstens wird sie zermalmt und
flüssig, zweitens wird sie vernichtet, drittens speist
sie nur auf eine Zeit lang. Meine Speise aber wird
zermalmt und bleibt unzermalmt; zweitens wird sie nicht
vernichtet, sondern bleibt dieselbe; drittens speist sie
nicht auf eine Zeit, sondern ewig. Diese Speise ward
vorgebildet in dem Manna, welches die alten Väter in der
Wüste aßen. Sie ist das Fleisch, welches ich im
Evangelium versprochen, und das in Ewigkeit sättigt. Wie
also der Schwache durch körperliche Speise an
körperlicher Kraft zunimmt, so wächst jeder an
geistlicher Kraft, welcher diesen meinen Leib mit guter
Absicht zu sich nimmt. Sie ist die stärkste Arznei,
welche zur Seele eingeht und dieselbe sättigt; sie ist
dem körperlichen Sinne verborgen, aber dem Verstande der
Seele offenbar; sie ist unschmackhaft für die Bösen,
denen nichts schmeckt, als die Süßigkeit der weltlichen
Dinge; deren Augen nichts sehen, als ihre Begierde;
deren Verstand nichts unterscheidet, als ihren Willen.";
Christus schreibt der Braut vor, sie solle ihren Willen
gänzlich mit dem Willen Gottes, sowohl in glücklichen,
als in widerwärtigen Verhältnissen, gleichförmig machen.
Der Wille ist der Wurzel eines Baumes zu vergleichen;
ist diese gut, dann bringt der Baum, d. i. die Seele,
gute Frucht hervor, ist sie aber unbeständig, dann wird
sie vom Maulwurfe, d. h. dem Teufel, zernagt und die
Seele erfüllt vom Winde der Widerwärtigkeiten, oder
unter der Hitze der Sonne, d, h. der eitlen Weltliebe,
verdorren.
Der
Sohn sprach zur Braut: ";Obwohl ich alles weiß, so sage
mir doch in Deiner eigenen Sprache, was ist Dein
Wille?"; Sofort antwortete für die Braut der Engel,
welcher ihr zum Schutze gegeben worden, und sprach:
";Ihr Wille ist, wie gebetet wird: Dein Wille geschehe
im Himmel, wie auf Erden."; Der Herr antwortete: ";Das
ist es, was ich suche und will, das ist mir der
angenehmste Gehorsam. Darum, meine Braut, sollst Du sein
wie ein wohl gewurzelter Baum, welcher drei kommende
Übel nicht zu fürchten hat. Erstens, wenn der Baum fest
bewurzelt ist, wird er vom Maulwurfe nicht angenagt:
zweitens wird er nicht umgestoßen vom Andrange der
Winde; drittens verdorrt er nicht von der Hitze der
Sonne. Der Baum aber ist Deine Seele. Die Hauptwurzel
desselben ist der gute Wille nach dem Willen Gottes. Aus
dieser Wurzel des Willens gehen so viele Tugenden
hervor, als Wurzeln am Baume sind. Darum muß die
Hauptwurzel, aus welcher die übrigen hervorwachsen,
stark und kräftig, auch tief in die Erde eingewachsen
sein. Also soll Dein Wille stark sein in der Geduld,
kräftig in der göttlichen Liebe, tief eingewurzelt in
der wahren Demut und wenn er also tief gewurzelt ist,
hat er den Maulwurf nicht zu fürchten.
Was
aber bedeutet der Maulwurf, welcher unter der Erde
wühlt, anderes, als den Teufel, welcher
unsichtbarerweise um die Seele herumschleicht und
dieselbe beunruhigt? Dieser zernagt die Wurzel des
Willens, wenn derselbe unbeständig im Leiden ist, und
vernichtet sie mit seinem Gebisse, wenn er arge
Begierden und Gedanken in das Herz sendet und Deinen
Willen nach entgegengesetzten Seiten hinreißt und
bewirkt, daß Du etwas wider meinen Willen begehrst. Wenn
dann aber die Hauptwurzel verdorben ist, verderben auch
alle übrigen Wurzeln; es verdorrt der Stamm, d. h. wenn
Dein Wille und Deine Neigung verdorben waren, werden
auch die übrigen Tugenden befleckt und mißfallen mir;
ja, durch den bösen Willen selber, wofern er nicht
gebessert wird durch die Buße, wirst Du wert, unter des
Teufels Herrschaft zu geraten, wenn auch der Wille nicht
bis zur Tat kommt. Wenn aber die Wurzel des Willens
stark und kräftig war, mag der Maulwurf an derselben
wohl nagen, kann sie aber nicht vernichten, ja sein
Nagen bewirkt nur, daß die Wurzel zu einer größeren
Stärke anwächst. So kann, wenn Dein Wille in
widerwärtigen und glücklichen Lagen immer fest bleibt,
der Teufel denselben annagen, d. h. seine argen Gedanken
ihm eingeben; wenn Du aber denselben Widerstand leistest
und Dein Wille denselben nicht zustimmt, dann werden sie
Dir nicht zur Strafe gereichen, sondern Dir durch Geduld
zu einem größeren Verdienste und zur Erhöhung der
Tugenden förderlich sein. Begibt es sich etwa, daß Du
durch Ungeduld oder unversehens strauchelst, so erhebe
Dich schnell wieder durch die Buße und Reue, und alsdann
lasse ich Dir die Sünden nach, und werde Dir Geduld und
Stärke gewähren, die Eingebungen des Teufels zu
ertragen. - Zweitens, wenn der Baum gut bewurzelt ist,
hat er den Anprall der Winde nicht zu fürchten. So mußt
Du Dich, wenn Dein Wille nach meinem Willen sich
richtet, nicht bekümmern um die Widerwärtigkeiten der
Welt, welche dem Winde gleichen; gedenke bei Dir selber,
wie es Dir vielleicht also nützlich ist, nämlich
Widerwärtigkeiten zu erleiden. Du darfst Dich nicht
betrüben, wenn Du verachtet wirst und Schmach zu leiden
hast, weil ich die, welche ich will, erhöhen und
erniedrigen kann. Du darfst nicht klagen über
Körperschmerz, weil ich heilen wie schlagen kann, und
nichts ohne Ursache. Wer aber einen mir
entgegengesetzten Willen hat, wird in der Gegenwart
geängstigt, weil er nicht vollbringen kann, was er
sucht, und noch dazu wird er für seinen bösen Willen
bestraft werden. Wollte er seinen Willen mir übergeben,
so hätte er leicht alles, was ihm widerfährt, dulden
können. - Drittens braucht der Baum, wenn derselbe fest
gewurzelt ist, sich nicht vor übergroßer Hitze zu
fürchten, d. h. diejenigen, welche einen vollkommenen
Willen haben werden, verdorren nicht in der Liebe Gottes
wegen der Liebe der Welt, werden nicht von der Liebe
Gottes durch irgend einen bösen Antrieb hinweggezogen.
Diejenigen aber, welche keinen festen Bestand haben,
deren Seele wird vom guten Anfange und von der Liebe
Gottes entweder durch Eingebung des Teufels, oder durch
den Widerstand der Welt, oder von der eigenen Liebe,
indem sie unnützerweise Eiteles begehren, alsbald
abgewendet. Darum ist der Mensch, an welchen Du jetzt
denkst, kein guter Baum. Seine Hauptwurzel, nämlich:
Dein Wille geschehe im Himmel, wie aus Erden! ist
abgebrochen, denn nachdem er die Strenge eines
enthaltsamen Lebens angenommen, ist die Glut der Liebe
in ihm erkaltet. Um der Bitten meiner Mutter Maria
willen habe ich ihm geholfen, weil ich drei Dinge an ihm
bemerkte, nämlich: Armut im Reichtume, Schwäche in den
Gliedern und Mangel in der Erkenntnis. Dieses war aber
mein Wille und hätte er geduldig ausgeharrt in diesen
drei Stücken, so würde er ewigen Überfluß, ewige
Sättigung und Schönheit, er würde Erkenntnis und
Anschauung Gottes haben; und um diese zu erlangen, habe
ich ihm geholfen, indem ich ihm Stärke im Geistlichen
gab und ihm meinen Willen einhauchte. Aber sein Wille
ist dem meinigen entgegen und nur mit geringem Eifer
sucht er Hilfe; darum wird er geängstigt von der Armut,
aber nicht um meinetwillen, sondern seines Nutzens
wegen; er wird auch geängstigt von der Krankheit, weil
er keine Schmerzen leiden möchte; er wird geängstigt
durch den Mangel der Wissenschaft, weil er wegen dieses
Mangels von anderen nicht verachtet werden will. Nun hat
er aus meiner verborgenen Wissenschaft diese drei Dinge,
um derenwillen er Angst litt, nach seinem Willen
erhalten; denn er hat jetzt einen Überfluß, größer, als
was zuvor die Not des Leibes erforderte; er hat eine
größere Wissenschaft und steht in größerer Achtung; um
so mehr hat er sich jetzt, wenn der teuflische Maulwurf
ihn mit einer Versuchung berührt, vor dem Falle zu
fürchten; denn wenn die Hauptwurzel des Willens
verdorben und die Liebe zur Welt heiß geworden ist, wird
der Eifer zum Guten in ihm erkalten und die böse
Begierlichkeit in ihm wachsen. Erhebt sich dann einige
Trübsal, so wird er von allen Seiten geängstigt, wie ein
vom Winde gepeitschter Baum, ist in nichts beständig und
klagt über alles; weht ihn die Ehre an, so wird er nicht
geringere Sorge haben, wie er allen gefallen, wie er von
allen gelobt werden möge, und wie er dem, was auf ihn
eindringt, klug möge begegnen können. Siehe! wie große
Unbeständigkeit hervorgeht aus dem Mangel eines festen
Standes der verdorbenen Wurzel. Was aber soll ich tun?
Ich bin wie ein guter Gärtner, in dessen Garten viele
unfruchtbare und wenig gute Bäume sind; wenn diese guten
Bäume ganz abgeschnitten werden, wer wird alsdann
hineingehen in den Garten? Wenn aber alle unfruchtbaren
Bäume mit der Wurzel herausgerissen werden, erscheint
der Garten gar zu sehr entstellt durch die entstandenen
Löcher und den umgewühlten Erbboden. Wenn ich nun alle
Guten auf diese Weise hinausführte aus dem Fleische zu
mir, wer würde dann hineingehen in die heilige Kirche?
Nähme ich aber alle Bösen in einem Augenblicke hinweg,
dann würden gar zu häßliche Löcher im Garten sichtbar
werden, und alle mir aus Furcht vor Strafe, aber nicht
aus Liebe dienen. Darum mache ich es wie einer, der
geschickt ist in der Veredelung der Bäume, der einen
Zweig auf einen dürren Stamm pfropft, und, wenn derselbe
wächst und fest Wurzeln schlägt, das, was trocken ist,
ins Feuer wirft. So werde ich tun, denn ich will mir
anlegen eine Pflanzung der Süßigkeit und Zweige der
Tugenden, nach deren Wachsen ich abschneiden und ins
Feuer werfen werde, was dürr ist. Und ich werde meinen
Garten reinigen, damit nichts unfruchtbares übrig
bleibe, das die jungen und Frucht ansetzenden Zweige
hindern könnte.";
Erklärung.
Von
einem Prior, welcher durch die Worte Christi zur Reue
getrieben und nachher fromm geworden.
Dieser Prior erblickte Christum, wie er die Hände gegen
ihn ausstreckte und zu ihm sprach: ";Durch diesen
starken Knochen sind die Nägel hineingedrungen.";
Nachdem jener Prior gestorben war, sprach Christus;
";Jener Bruder, Dein Freund, ist nicht gestorben,
sondern er lebt, weil er mit Werken den Namen eines
Bruders erfüllt hat. Nun kannst Du aber fragen: Wer ist
mein wahrer Bruder? Ich antworte Dir: Wahrer Bruder ist
der, welcher nach dem gemeinen Sprichworte alles das
Seinige auf dem Rücken trägt; der nichts begehrt, als
Gott, und sich mit dem Notwendigen zu begnügen weiß,
welcher mich, den Fleisch gewordenen Gott, für seinen
Bruder anerkennt und wie seinen Bruder liebt.";
Noch von demselben
Bruder.
Als
eben dieser Bruder schwer an die der Frau Brigitta
gewährte Gnade glaubte, sah er die Frau in einer Ekstase
und wie Feuer vom Himmel auf sie herniederging; und da
er sich wunderte und es für eine Täuschung hielt,
erwachte er, schlief aber wiederum ein und hörte, wie
eine Stimme laut zweimal sprach: ";Niemand vermag dies
Feuer zu verhindern, daß es entbrenne; denn ich, die
Macht selber, werde dies Feuer hinaussenden gen Morgen
und Abend, gen Mitternacht und Süden, und dasselbe wird
viele entzünden."; Hierauf wurde der Bruder an die
Offenbarungen gläubig und ein Verteidiger derselben,
erfüllte mit den Werken den Namen eines Bruders und nahm
ein gutes Ende.
Noch zu demselben
Kapitel.
Ein
Bruder war drei Jahre lang krank, so daß sein Fuß
verfaulte und das Mark aus demselben herausfloß. Er
besaß eine solche Geduld, daß er Jesum immer im Herzen
und Mund hatte, indem er sprach: ";Jesu, würdigster
Gott, erbarme Dich meiner!"; Als er dem Tode nahe kam,
rief er: ";Mich verlangt, mich verlangt, mich verlangt!
O mein Verlangen, komme!"; Als er gefragt ward, was er
begehre, antwortete er: ";Gott! und im Verlangen nach
ihm und seinem Anschauen freue ich mich und jubele so
hoch, daß, wenn ich hundert Jahre leben könnte mit
dieser Krankheit, ich es gern zufrieden wäre."; Hierauf
starb eben dieser Bruder gegen Mitternacht voll Freuden.
Er starb unter den Händen seiner Brüder. Am folgenden
Sonntage vernahm die Frau, welche im Geiste entrückt
war: ";O Tochter, weil die Herren und Meister nicht
demütig zu mir kommen wollen, so sammle ich die Armen
und Unwissenden zum Himmelreiche. So hat dieser Arme und
Unwissende heute eine Weisheit gefunden über Salomos
Reichtum, die nicht veraltet, und eine Krone, welche
allezeit zunimmt und nie ein Ende nehmen wird. Sage auch
jenem Bruder, der ihn zu seiner Buße in seiner Krankheit
bediente, daß er um seines Dienstes willen von
Versuchungen befreit werden und Stärke für das
Geistliche haben, gleichfalls ein freudenvolles Ende
erlangen und in der Ruhe des Lazarus wachen wird.";
Von
der Braut wurde im göttlichen Gerichte ein Teufel und
eine Seele geschaut, welche der Gestalt nach einem
schrecklichen Tiere ähnlich war. Diese Seele ward
verdammt, weil sie immer im Bösen verharrt und am Ende
keine Buße getan hatte. Wie Christus liebreich und fromm
gegen die Guten, aber strenge gegen die Bösen ist, und
wie eine andere Seele hinauffuhr wie ein gar hell
leuchtender Stern.
Die
Braut erblickte, wie vor dem göttlichen Gerichte zwei
Teufel standen, die einander ganz gleich waren an allen
Gliedern. Ihre Rachen waren geöffnet, wie die der Wölfe;
die Augen waren glühend wie ein Glas, das innen brennt;
die Ohren hingen herab wie bei den Hunden; der Bauch war
angeschwollen und weit vorgestreckt; die Hände die eines
Greisen; die Schenkel ohne Bänder; die Füße wie
verstümmelt und wie bis zur Hälfte abgeschnitten. Nun
sprach einer von ihnen zum Richter: ";Richter, sprich
mir die Seele dieses Kriegers zu, um mit mir ehelich
verbunden zu werden, da sie mir ähnlich ist."; Der
Richter antwortete: ";Sprich, mit welchem Rechte und aus
welcher Ursache willst du sie besitzen?"; Der Teufel
antwortete: ";Ich frage Dich zuerst, weil Du gerecht
bist, pflegt man nicht von einem Tiere, das einem
anderen ähnlich ist, zu sagen, das Tier ist von
Löwenart, oder Wolfsart, oder eines ähnlichen Tieres?
Nun also frage ich, welcher Art ist diese Seele, oder
wem ähnlich, den Engeln oder den Teufeln?"; Der Richter
sprach zu ihm: ";Sie ist nicht den Engeln, sondern dir
und deinesgleichen ähnlich, wie deutlich genug zu sehen
ist."; Darauf sprach der Teufel wie in spöttischer
Weise: ";Als diese Seele aus der Hitze Deiner Salbung,
d. h. Deiner Liebe, erschaffen ward, war sie Dir
ähnlich, jetzt aber ist sie, nachdem sie Deine Süßigkeit
verachtet, mit dreifachem Rechte die meinige geworden.
Erstlich, weil wir gleichmäßig gestaltet sind; zweitens,
weil wir einen ähnlichen Geschmack haben; drittens, weil
wir beide Einen Willen haben."; Der Richter antwortete:
";Obwohl ich alles weiß, so sage mir doch um dieser
meiner Braut willen, welche hier steht, welcher Art die
gedachte Seele Dir ähnlich ist, durch die gleichmäßige
Gestaltung mit Dir?"; und der Teufel sprach: ";Wie wir
gleichförmige Glieder haben, so sind auch unsere
Handlungen gleichförmig. Wir haben offene Augen, sehen
jedoch nichts; denn ich will nichts sehen, was Dich und
Deine Liebe angeht; so wollte auch sie, als sie es
vermochte, nichts sehen, was Dich und das Heil ihrer
Seele anging, sondern hat bloß das Angenehme und
Zeitliche im Auge gehabt. Wir haben Ohren, hören aber
nicht zu unserem Nutzen; so hat auch diese nichts, was
Deine Ehre anging, hören wollen. In ähnlicher Weise ist
auch mir all das Deinige bitter, deshalb wird die Stimme
Deiner Süßigkeit und Güte niemals zu unserem Troste und
unserem Nutzen eingehen in unsere Ohren. Wir haben einen
offenen Mund und gleichwie diese ihren Mund für alle
Süßigkeiten der Welt offen, für Dich aber und Deine Ehre
verschlossen hatte, so habe auch ich meinen Mund offen,
um Dich zu beleidigen und zu betrüben, und ich würde
denselben niemals vom Bösen wider Dich abhalten, wenn es
möglich wäre, Dich zu betrüben oder Deine Herrlichkeit
zu vermindern. Ihre Hände sind wie eines Greisen, weil
sie, was sie an zeitlichen Dingen zu erhalten vermochte,
bis zum Tode festhielt, und länger festgehalten haben
würde, wenn Du ihr ferner zu leben gestattet hättest.
Also würde auch ich alle, welche in die Hände meiner
Gewalt kommen, so fest halten, daß ich sie nimmer ließe,
wenn sie nicht durch Deine Gerechtigkeit mir wider
meinen Willen abgenommen würden. Ihr Bauch ist
angeschwollen, weil ihre Begierde Maßloses verlangte, so
daß sie angefüllt aber nicht gesättigt wurde und so groß
war ihre Begierde, daß, hätte sie allein die ganze Welt
gewinnen können, sie gern sich darum bemüht haben würde;
ja, sie hätte auch noch in den Himmeln herrschen mögen.
Eine ähnliche Begierde habe ich; denn wenn ich alle
Seelen im Himmel und auf Erden und im Fegfeuer allein
erhalten könnte, so raubte ich dieselben gern; und wenn
eine einzige Seele übrig bliebe, würde ich auch diese um
meiner Begierde halber nicht frei lassen von der Qual.
Ihr Herz ist ferner überaus kalt, wie auch das meinige;
denn sie hatte keine Liebe zu Dir, und niemals waren
Deine Ermahnungen nach ihrem Geschmacke. So bin auch ich
von keiner Liebe zu Dir ergriffen; ja, ich würde bei dem
Neide, den ich gegen Dich habe, mich immerfort mit dem
bittersten Tode töten und dieselbe Pein immer an mir zu
dem Ende erneuern lassen, daß Du, wenn es möglich wäre,
selbst getötet würdest. Unsere Schenkel sind ferner ohne
Bänder, weil unser Wille einer ist. Vom Anfange meiner
Erschaffung an hat sich mein Wille sofort wider Dich
geregt, und ich habe niemals gewollt, was Du wolltest.
So war auch ihr Wille stets Deinen Geboten entgegen.
Unsere Füße sind wie verstümmelt. Wie man mit den Füßen
fortschreitet zum Nutzen des Leibes, also kömmt man
vorwärts zu Gott mit der Neigung und dem guten Werke;
aber jene Seele wollte gleich mir niemals weder mit der
Neigung, noch mit dem Werke zu Dir vorwärts kommen. So
sind wir denn in der Beschaffenheit der Glieder in allem
gleich. Wir haben auch einen ähnlichen Geschmack, weil,
obwohl wir wissen, daß Du das höchste Gut bist, wir doch
nicht kosten, wie süß und gut Du bist. Weil wir nun
ähnlich sind in allen Stücken, so sprich nun das Urteil,
das uns miteinander verbindet."; Darauf antwortete einer
der Engel vor dem Herrn: ";Herr Gott, seitdem diese
Seele mit ihrem Leibe verbunden worden, bin ich ihr
stets gefolgt, und habe mich von ihr nicht getrennt, so
lange ich etwas Gutes an ihr fand; nun aber verlasse ich
sie, wie einen an allem Guten leeren Sack, denn sie war
in dreifacher Weise böse: Erstens, daß sie Deine Worte
für Lügen nahm, zweitens, daß sie Dein Gericht für eine
Unwahrheit hielt, drittens, daß sie Deine Barmherzigkeit
für nichts achtete und diese gleichsam tot vor ihr war.
Diese Seele befand sich auch im Ehestande; sie hat zwar
nur ein Eheweib gehabt und mit einer anderen Frau sich
nicht abgegeben. Diese eheliche Treue hat sie aber nicht
gehalten aus göttlicher Liebe und Furcht, sondern weil
sie jenes Fleisch der Ehegattin so zärtlich liebte, daß
sie keine Neigung hatte sich mit fremdem Fleische zu
verbinden. Sie hörte auch Messen und wohnte dem
Gottesdienste bei, jedoch nicht aus Frömmigkeit, sondern
um nicht als Sonderling zu erscheinen, oder von anderen
Christen getadelt zu werden. Sie ging auch mit anderen
zur Kirche in der Absicht und aus dem Grunde, damit Du
ihr Gesundheit des Leibes, Reichtum und Ehre der Welt
geben, sie auch vor einem nach menschlicher Weise
betrachteten Unglücksfalle bewahren möchtest. Herr,
dieser Seele hast Du alles in der Welt und mehr gewährt,
als dieselbe verdiente. Du hast ihr hübsche Kinder,
Gesundheit des Leibes und Reichtum beschert, sie vor dem
Unglücke, das sie fürchtete, bewahrt. Du hast ihr aus
Gerechtigkeit die Erfüllung ihres Verlangens gegeben, so
daß Du Eins mit Hundert vergolten, und nichts unbelohnt
gelassen hast, und nun entlasse ich sie leer an allem
Gutem."; Darauf antwortete der Teufel: ";Wohlan denn, o
Richter, weil sie meinem Willen gefolgt ist, und Du ihr
alles, was sie von Dir haben mußte, hundertfältig
vergolten hast, darum sprich jetzt das Urteil, daß uns
miteinander verbindet. Ist nicht in Deinem Gesetze
geschrieben, daß, wo ein Wille und eine eheliche
Zusammenstimmung ist, eine rechtmäßige Ehe geschlossen
werden kann? Also ist es zwischen uns; denn ihr Wille
ist mein Wille, und meiner der ihrige. Weshalb sollen
wir also um die gegenseitige Verbindung betrogen werden?
Der Richter antwortete: ";Die Seele mag ihren Willen
eröffnen, was sie über die Verbindung mit dir denkt.";
Dieselbe antwortete dem Richter: ";Ich will lieber in
der Pein der Hölle sein, als in die Freude des Himmels
kommen, damit Du, Gott, keinen Trost an mir haben
mögest; denn Du bist mir dergestalt verhaßt, daß ich
nichts nach meiner Pein frage, wenn Du nur keinen Trost
hast."; Darauf sprach der Teufel zum Richter: ";Solchen
Willen habe auch ich; denn ich möchte lieber in Ewigkeit
gepeinigt werden, als deshalb in Deine Herrlichkeit
kommen, daß Dir dadurch eine Freude zukomme."; Darauf
sprach der Richter zur Seele: ";Dein Wille ist Dein
Richter, und nach diesem sollst Du gerichtet werden."; -
Hierauf wendete sich der Richter zu mir, die ich das
alles sah, und sagte zu mir: ";Wehe ihm, denn er war
ärger, als ein Räuber; er hat seine Seele feil gehabt,
nach der Unreinigkeit des Fleisches gedürstet und seinen
Nächsten betrogen; deshalb rufen die Menschen: Rache
über ihn! die Engel wenden ihr Antlitz ab von ihm, die
Heiligen fliehen seine Genossenschaft."; Nun nahte sich
der Teufel der Seele, welche ihm ähnlich war und sprach:
O Richter, siehe: Ich und Ich. Ich, böse durch meine
Bosheit und weder erlöst noch der Erlösung fähig und
dieser, mein anderes Ich, zwar erlöst aber mir ähnlich,
weil er mir mehr, als Dir, gefolgt ist; deshalb sprich
mir die Seele zu."; Der Richter entgegnete ihm: ";Wenn
du dich noch demütigen möchtest, so würde ich dir die
Herrlichkeit gewähren; und wenn diese Seele im letzten
Augenblicke ihres Lebens mit dem Vorsatze der Besserung
Verzeihung erbeten hätte, würde sie nimmer in deinen
Händen sein; weil sie aber, bis ans Ende ausharrend, dir
gehorsam war, deshalb erfordert es die Gerechtigkeit,
daß sie ewig dein sei; doch wird das Gute, daß sie in
ihrem Leben, sei es auch nur weniges, getan hat, deine
Bosheit beschränken, damit du sie nicht, wie du
möchtest, peinigen kannst."; Und der Teufel sprach: ";So
ist sie denn mein; deshalb wird, wie man zu sagen
pflegt, ihr Fleisch mein Fleisch sein, obwohl ich nicht
von Fleisch bin und ihr Blut wird mein Blut sein."; Und
der Teufel schien hierüber sehr erfreut zu sein und
begann in die Hände zu klatschen. Der Richter sprach zu
ihm: ";Weshalb freust du dich so sehr, und welche Freude
hast du an dem Verderben der Seele? Sprich so, daß meine
Braut, welche hier steht, es hört. Denn obwohl ich alles
weiß, so sollst du doch wegen dieser meiner Braut,
welche das Geistliche ohne Gleichnis nicht zu fassen
vermag, antworten."; Da sprach der Teufel: ";Wenn jene
Seele brennt, so brenne ich noch stärker und grausamer
und mit ihren Flammen vermehren sich die meinigen; weil
Du sie aber mit Deinem Blute erlöst und sie so sehr
geliebt hast, daß Du, Gott, Dich selber für sie
hingabst, ich sie aber dennoch habe betrügen können,
deshalb freue ich mich."; Der Richter antwortete:
";Deine Bosheit ist groß; aber schaue dich um, denn ich
gestatte dir, zu sehen."; und siehe! ein gar schöner
Stern stieg empor in des Himmels höhere Regionen und als
der Teufel denselben erblickte, verstummte er. Der Herr
sprach zu ihm: ";Wem ist dieser ähnlich?"; Der Teufel
antwortete: ";Er ist glänzender, als die Sonne, wie ich
schwärzer bin, denn Rauch; er ist voll jeglicher
Süßigkeit und göttlicher Liebe, und ich bin von
jeglicher Bosheit und Bitterkeit."; Und der Herr sprach:
";Was denkst du in deinem Herzen, und was möchtest du
wohl dafür geben, wenn er in deine Macht gegeben
würde?"; Der Teufel antwortete: ";Alle Seelen, welche in
der Hölle sind, von Adam bis auf diese Stunde, möchte
ich gern dafür hingeben und außerdem so bittere Pein
leiden, als wenn zahllose Spieße in eine Säule gestoßen
würden; Spieß an Spieß und so ganz dicht aneinander, daß
nicht Platz für eine Nadel zwischen den Spießen wäre und
von der höchsten Höhe des Himmels bis zur Hölle wollte
ich dazwischen hindurch gehen, damit jener Stern mir in
meine Gewalt gegeben werde."; Der Herr antwortete:
";Deine Bosheit ist groß gegen mich und meine
Auserwählten. Ich aber bin so liebreich., daß, wenn ich
noch einmal sterben könnte, ich gern einen solchen
Martertod für eine jegliche Seele und einen jeden
unreinen Geist dulden würde, wie ich bereits einmal für
alle Seelen am Kreuze erduldet habe, so daß nicht ein
einziger unreiner Geist übrig bleiben würde. Du aber
bist so neidisch, daß Du nicht willst, daß auch nur eine
einzige Seele zu mir käme."; Darauf sprach der Herr zu
der guten Seele, welche anzusehen war wie der Stern:
";Komm, meine Auserwählte, in die Freude, wonach Du
verlangt hast. Komm in die Süßigkeit, welche nimmer
endigen wird. Komm zu Deinem Gotte und Herrn, nach
welchem Du so oft Verlangen getragen hast. Ich werde Dir
mich selber geben, in welchem alles Gute und alles Süße
ist. Komm zu mir aus der Welt, welche dem Schmerze und
der Pein ähnlich ist, weil in ihr nichts ist, als
Elend."; Und darauf wendete sich der Herr zu mir, die
ich dieses alles im Geiste sah, und sprach zu mir:
";Siehe, Tochter, dieses ist in einem Augenblicke vor
mir geschehen. Allein weil Du ohne Gleichnis das
Geistliche nicht fassen kannst, deshalb zeige ich Dir
dieses, also daß der Mensch erkenne, wie strenge ich
gegen die Bösen und wie liebreich ich gegen die Guten
bin.";
Erklärung.
Dem
Richter ward eine Seele vorgestellt, welcher vier Mohren
folgten, die zum Richter sprachen: ";Siehe, da haben wir
eine Beute gemacht, wir haben sie verfolgt und alle ihre
Wege gemerkt; nun ist sie in unsere Hände gefallen; was
sollen wir damit machen?"; Der Richter sprach zu ihnen:
";Welche Sache habt ihr wider sie?"; Der erste Mohr
antwortete: ";Du, Gott, hast gesagt: Ich bin gerecht und
barmherzig und erhaben über die Sünden. Diese Seele aber
hat sich auf die Vorausbestimmung gestützt, als wäre sie
erschaffen zu ewiger Verdammnis."; Der zweite Mohr
sprach: ";Du, Herr, hast gesagt: Der Mensch solle
gerecht sein gegen seinen Nächsten und denselben nicht
betrügen. Dieser aber hat seinen Nächsten betrogen,
entlehnt, was er konnte, und hingenommen, was er wollte,
da er doch nicht Willen hatte, wieder zu erstatten.";
Der dritte Mohr sprach: Du hast gesagt: Der Mensch dürfe
keine Kreatur über seinen Schöpfer lieben: dieser aber
hat alles geliebt außer Dich."; Der vierte Mohr sprach:
";Niemand kann in den Himmel kommen, wer nicht mit
ganzem Herzen Gott verlangt und sucht, dieser aber hat
nichts Gutes gewünscht, noch hat irgend etwas
Geistliches ihm gefallen, sondern was er für Dich getan,
hat er allein deshalb getan, damit er nicht von den
Christen getadelt würde, als ob er kein Christ sei.";
Darauf sprach der Richter zur Seele: ";Was sagst Du von
Dir selber? Sie antwortete: ";Mein Herz ist verhärtet,
und ich wünsche Dir Böses und nichts Gutes, der Du mein
Schöpfer und Erlöser bist. Gezwungen werde ich Dir aber
die Wahrheit sagen. Ich bin wie eine unzeitige Geburt,
blind, lahm und verachte die Ermahnungen des Vaters.
Darum sagt mir mein Gericht, mein Gewissen, daß ich
denen in den Peinen folgen soll, deren Wandel und
Ratschläge ich auf Erden befolgte. Nach diesen Worten
ging die Seele unter häufigen Tränen vor dem Antlitze
des Richters hinweg und das Gesicht verschwand. Am Ende
dieser Offenbarung ist die Rede vom Bruder Algotus, dem
Prior von Skara und Magister in der Theologie, welcher
drei Jahre blind war, an der Steinplage litt und ein
ruhiges Ende nahm. Denn als die selige Brigitta für ihn
betete, daß er gesund werden möchte, vernahm sie im
Geiste eine Antwort! ";Er ist ein glänzender Stern; es
ist nicht gut, daß, wenn der Leib gesund ist, die Seele
befleckt werde; er hat schon gestritten und vollbracht,
und es bleibt nichts übrig, als daß er gekrönt werde,
und ein Zeichen dafür wird Dir sein, daß von dieser
Stunde an die Schmerzen des Fleisches sich erleichtern
und die Seele ganz von meiner Liebe entflammt werden
wird.";
Worte
Christi an die Braut, wie Eltern, welche Kinder im
weltlichen Wandel unterweisen, um Ehre und weltlichen
Ruhm mit Hoffart zu erlangen, auf eine deutliche Weise
durch Schlangen, welche ihre Jungen ausziehen und sie
mit dem Stachel und Gift stechen lehren, bedeutet
werden.
";Wenn die Schlange und ihr Weibchen sich vermischen,
haben sie im Samen der Vermischung ein Gift und von
ihrer Natur wird eine vergiftete Schlange empfangen.
Wenn aber die Schlange empfangen worden, kann sie nicht
anders lebendig werden, als durch meine Kraft, weil ohne
mich nichts ist, noch sein, noch meinen Geist empfangen
kann, als mittels meiner Kraft. Wenn aber die Schlange
geboren worden, so legt sich die Mutter, weil sie keine
Brüste hat, um ihr Junges zu säugen, über das Junge und
wärmt dasselbe so mächtig, daß es schier erstickt. Wenn
dann die junge Schlange von oben her die starke Wärme
und vom Boden her die große Kälte empfindet, wendet sie,
der Not sich fügend, den Rachen gegen die Erde und
beginnt zu saugen und aufzunehmen. Um es dann zu
unterweisen, wie das Junge sich bewegen soll, sticht sie
es in den Schwanz und beginnt es, denselben
auszustrecken, so wiederholt sie ihre Stiche, damit es
den Schwanz zurückziehe. Auf ähnliche Weise lehrt sie
es, den Kopf emporzustrecken und den Rücken zu krümmen.
Nachmals sucht sich die Mutter einen Ort aus, wo die
Hitze der Sonne stärker glüht und wohin sie das Junge
mit sich fortlockt, indem sie sachte vorauskriecht,
damit es lerne zu folgen. Wenn es nun folgt und in der
Sonnenhitze schläft, so denkt die Mutter bei sich also:
Gift hat mein Junges zur Ausübung der Bosheit, nun ist
noch notwendig, daß es stechen lerne. Weil es aber noch
einen zarten Stachel hat, wird derselbe, wenn ich ihn an
etwas Hartes bringe, gar bald brechen, bevor er gewohnt
und stark genug ist zum Stechen. Darum sucht die kluge
Mutter für den Sohn etwas ganz Weiches, bringt solches
herbei und legt es vor das Junge hin, welches schläft;
dann bläst es demselben mit starkem Odem in die Ohren
und weckt es in harter Weise auf, dergestalt, daß es,
durch die Hauchbewegung gleichsam außer sich gebracht,
in jenen weichen Gegenstand hineinzustechen beginnt, der
ihm zuvor vorgelegt war. An demselben gewöhnt es seinen
Stachel so lange, bis es mit wachsender Härte desselben
und der Gewohnheit des Stechens, Steine und Holz und
jegliches Starke stechen lernt. Wenn endlich das Junge
wohl unterwiesen worden, verläßt die Mutter dasselbe.
Also ist jener Mensch, den Du kennst; denn er ist wie
ein Schlangenkind, weil er von einem Schlangenvater und
einer Schlangenmutter geboren ist. Diese beiden sind
zusammengekommen mit dem schlimmsten Gifte eines
hoffärtigen Geistes, welches der Seele viel
verdammlicher schadet, als körperliches Gift dem Leibe.
Weil dieser Schlangenvater nun eine gar große Neigung
und unauslöschliche Begierde nach fleischlicher Umarmung
hatte, so entbrannte er in Begierlichkeit gegen das Weib
und seine Klugheit, schöne Gestalt und munteres Wesen
betrachtend, entbrannte auch dieses gegen ihn in Liebe.
So sind sie in aller Hoffart, indem sie meine Furcht
verachteten, zusammengekommen, und haben aus einem
vergifteten Geschlechte eine giftige Schlange erzeugt.
In ihren Samen habe ich, weil ich barmherzig bin und die
Gerechtigkeit es also erfordert, eine aus meiner
Gottheit erschaffene Seele gegeben; weil aber die Mutter
keine Brüste der göttlichen Liebe hat, um daran ihr Kind
zu säugen, wärmt sie dasselbe unter sich, d. h. nährt es
mit der Liebe zur Welt und zu höheren Dingen, indem sie
mit ganzer Kraft danach trachtet, es unter den Adel
gezählt zu sehen. Zu seinem Verderben es anreizend,
spricht sie zu ihm: Wenn Du jene Herrschaft und jenes
Fürstentum hättest, könntest Du dem Vater gleich sein;
solche Ehre ziemt Dir, und nach solcher Ehre zu trachten
bist Du schuldig. Wenn nun das Schlangenkind durch
solche Worte von der Mutter unterwiesen und zum
Irdischen erwärmt ist, so beginnt es, in der göttlichen
Liebe erkältet, aus Verlangen nach dem Irdischen zu
genießen und durch den Genuß noch heftiger danach zu
verlangen.
Darauf wird es, um zu lernen, die Glieder zu bewegen und
das Haupt aufzurichten, von der Mutter in den Schwanz
gestochen, nämlich: unterwiesen und angeleitet, andere
mit Versprechungen an sich zu locken, andere durch Wort
und Gunst für sich zu gewinnen, das Vermögen nicht zu
sparen, um gut genannt zu werden; des Lebens nicht zu
schonen, um als Held zu gelten, sich keine Ruhe zu
gönnen, damit sein Name gefeiert werde. Die Mutter lehrt
ihr Junges auch kriechen, geht ihm voraus und führt es
in die Sonne, wenn sie selber hoffärtig und zügellos
lebt, und es zu Ähnlichem anreizt, indem sie insgeheim
und öffentlich zu ihm spricht: So lebten Dein Vater und
Deine Vorfahren. So einherzugehen geziemt sich großen
Herren; Du sollst Dich schämen, heiliger sein zu wollen,
als sie; es ist eine Schande, wolltest Du demütiger
sein, als sie, welche durch schmeichelnde Ansprache die
Gunst der Menschen erlangten, und durch den äußeren
Glanz ihres Lebens einen großen Namen sich erworben
haben. Durch diese Ermahnungen wird das Schlangenjunge
verlockt, folgt der Mutter von einer Sünde zur anderen,
bis es, wie in der Hitze der Sonne ausgebrütet, zu
fleischlichen Ausschweifungen kommt. Wenn es nun sich
anschickt zu ruhen und es beginnt die Glut des Fleisches
ihm süß zu werden, dann wird es von der Mutter belehrt,
zu stechen und den Stachel zu gebrauchen. Weil aber die
Mutter seine Schwäche im Stachel, seine Armut im
Vermögen und den Mangel an Kräften bedenkt, so rät sie
ihm den Stachel zuerst an Zeitlichem von minderem
Belange zu versuchen, daß es zuerst zu niederen Ehren
aufsteige, was alles im Anfange weich, und zum Besitzen
süß erscheint. Diesem vergifteten Rate folgend, sticht
es die Armen, welche keine Macht zum Widerstande haben,
mittels Wegnahme des Ihrigen; einige sticht es mit
Unrecht, andere mit Haß, und beraubt sie des Lebens.
Danach, wenn der Stachel der Bosheit in diesen unteren
Dingen gestärkt worden, beginnt es, von der Mutter
abermals angeblasen, zu Höherem aufzusteigen, die
Größeren zu beneiden, Verrat anzuspinnen, Hader
anzustiften, und zwar so sehr, daß es sich nicht scheut,
seinen Stachel wider das Stärkste, d. h. zur Beleidigung
der heiligen Kirche auszustrecken, wenn man nicht
sorgfältig sich vorsieht und weislich hütet. Um die
Bosheit dieses Stachels auszurotten, gibt es nur ein
einziges Mittel, d. h. daß die Zunge der Schlange
abgeschnitten wird; Sache der Weisen ist es aber, zu
entscheiden, was die Zunge ist und wie sie abgeschnitten
werden mag. Hierauf fügte der Herr hinzu: Wie ein Tuch
zerschnitten wird und nichts fühlt, und wie ein Apfel
abgeschält, aber sein Besitzer nicht verletzt wird, so
ist mein Leiden im Herzen dieses Schlangensohnes, weil
er desselben in seinem Herzen niemals aufmerksam
gedenkt. Er setzt seine Zuversicht auf die
Vorherbestimmung und spricht: Wenn Gott vorausgewußt,
daß ich verdammt werden würde, warum soll ich mich
weiter mühen? Wenn ich aber gerettet werden muß, wird er
leichtlich meine Buße annehmen. Wehe ihm, wenn er sich
nicht schleunig bessert, weil um meines Vorauswissens
halber niemand verworfen wird. Wisse auch, daß jenes
Schlangenweibchen, die Mutter, nicht erlangen wird, was
sie thörichterweise wünscht; weder die Kinder, noch das
ganze Geschlecht werden Glück haben; ja, sie selber wird
in Bitterkeit sterben und ihr Gedächtnis in
Vergessenheit sein.";
Zusatz.
Der
Sohn Gottes sprach: ";Man soll sich sehr hüten, beim
Geschlechte des Weibchens und der Schlange Hilfe und
Beständigkeit des Reiches zu suchen, denn sie nahen
bereits dem Gerichte Gottes, und ihre Tage werden nicht
verlängert werden."; -
Weiter erschien Christus abermals, und sprach: ";Wisse
für gewiß, daß diese Frau nicht erlangen wird, was sie
begehrt, auch ihre Söhne kein Glück haben werden; sie
werden auch keinen Samen erzeugen, und ihr Gedächtnis
wird nicht von Geschlecht auf Geschlecht fortgehen.";
Gott
der Vater redet mit dem Sohne, wie dieser einem
Bräutigam ähnlich ist, welcher seine Braut so sehr
geliebt, daß er ihretwegen sich hat kreuzigen lassen;
sie aber hat einen Ehebrecher geliebt und den Bräutigam
getötet. Wie die Seele durch die Braut, das Brautgemach
durch die Kirche, die Pforten desselben durch den
Willen, der Ehebrecher aber durch die Lüste des Leibes
bedeutet werden, Er macht auch Voraussage über eine
künftige Braut, welche Christo verlobt werden soll.
Der
Vater sprach zum Sohne: ";Du bist ähnlich einem
Bräutigam, welcher sich mit einer Braut vermählt hat,
die schön ist von Angesicht, ehrbar in ihrem Wandel. Er
hat dieselbe hineingeführt in sein Brautgemach und sie
geliebt wie sich selber. Also auch Du, mein Sohn! Du
hast Dich mit einer neuen Braut vermählt, als Du zu den
Seelen der Menschen in solcher Liebe entbranntest, daß
Du Dich selber für sie hast zerreißen und an einem
Stamme ausstrecken lassen wollen; Du hast sie eingeführt
in Deine heilige Kirche, welche Du mit Deinem Blute
gleichsam zu einem Brautgemache geweiht hast. Aber
fürwahr, Deine Braut ist nun eine Ehebrecherin geworden,
die Türen des Brautgemachs sind verschlossen, und an der
Stelle der Braut liegt die ärgste Ehebrecherin, welche
bei sich also denkt: Wenn mein Gatte schlafen wird und
entkleidet daliegt, werde ich wider ihn ein scharfes
Schwert ziehen und ihn töten, weil er mir nicht gefällt.
Wen anders bedeutet die Braut, als die Seelen, welche Du
mit Deinem Blute erlöst hast? Obwohl ihrer viele sind,
können sie doch wegen der Einheit des Glaubens und der
Liebe Eine genannt werden, aber viele darunter sind
jetzt Ehebrecherinnen geworden, weil sie die Welt mehr
lieben, als Dich. Sie suchen fremde Lust, nicht die
Deinige. Die Türen des Brautgemachs, d. h. Deiner
Kirche, sind verschlossen. Was bedeuten die Türen
anderes, als den guten Willen, mittels dessen Gott zur
Seele eingeht? Dieser ist verschlossen und für das Gute
gleichsam ohne Wirksamkeit, dagegen geschieht der Wille
Deines Feindes, denn alles, was dem Leibe nach gefällt
und vergnügt, das wird geliebt, wird geehrt, wird als
heilig und als gut gepriesen. Dein Wille aber, welcher
darin besteht, daß die Menschen Dich inbrünstig lieben,
Dich weise begehren, alles vernünftigerweise für Dich
hingeben sollen, ist ihnen gänzlich verborgen und von
ihnen vernachlässigt. Und wenn auch etliche vielleicht
dann und wann öffentlich eingehen zu den Türen Deines
Brautgemaches, so gehen sie nicht in der Absicht ein, um
Deinen Willen zu tun und Dich von ganzem Herzen zu
lieben, sondern aus Scheu vor den Leuten, auf daß sie
nicht als ungerecht erscheinen, und nicht öffentlich von
den Menschen für die erkannt werden, welche sie inwendig
bei Gott sind. So also ist die Türe Deiner Kammer
kläglich geschlossen, und die ehebrecherische Lust gilt
mehr, als die Freude an Dir. -
Sie
denken auch bei sich, Dich, wenn Du nackt bist und
schläfst, zu töten. Nackt wirst Du ihnen erscheinen,
wenn sie Deinen Leib, den Du aus der reinsten Jungfrau
angenommen, ohne die Gottheit zu verlieren, unter der
Gestalt des Brotes auf dem Altare sehen, daran aber
nichts wahrnehmen von der Macht Deiner Gottheit; sie
achten Dich als geringes Brot, während Du doch wahrhaft
Gott und Mensch bist, den die Augen, welche von der
Dunkelheit der Welt verfinstert sind, nicht sehen
können. Schlafend erscheinst Du ihnen alsdann, wenn Du
sie ungestraft lässest, und deshalb schreiten sie
vermessen in Deine Kammer, und denken bei sich: Ich will
hineingehen und den Leib Christi empfangen wie die
übrigen, will aber nach dem Empfange gleichwohl tun, was
mir gefällt. Was steht mir denn entgegen, ihn zu
empfangen und was nützt es mir, wenn ich ihn empfange?
Siehe! durch solche Gedanken und durch solchen Willen
töten Dich die Elenden in ihren Herzen, damit Du nicht
herrschest in ihnen, obwohl Du unsterblich bist und an
jedem Orte gegenwärtig mittels der Macht Deiner
Gottheit. Weil es sich aber nicht ziemt, mein Sohn, daß
Du ohne Braut seiest, Du auch keine andere Braut haben
darfst, als die keuscheste, deshalb werde ich meine
Freunde senden, welche für Dich eine neue Braut, schön
von Ansehen, ehrbar in ihren Sitten, lieblich zu
berühren, in Empfang nehmen und Dir ins Brautgemach
führen sollen. Meine Freunde aber werden schnell sein
wie Vögel im Fluge, weil mein Geist mit mir selbst sie
führen wird, sie werden stark sein wie diejenigen, vor
deren Händen eine Mauer niedersinkt, sie werden auch
hochherzig sein wie die, welche den Tod nicht fürchten,
und bereit sind, ihr Leben zu lassen. Sie werden Dir die
neue Braut zuführen, d. h. sie werden Dir die Seelen
meiner Erwählten mit großer Ehre und Ruhm, mit großer
Andacht und Liebe, mit mannhafter Arbeit und starker
Ausdauer erwerben. Ich, der ich jetzt rede, bin der, der
am Jordan und auf dem Berge gerufen hat: Dieser
ist mein geliebter Sohn! Meine Worte werden gar
schnell erfüllt werden.";
Die
Mutter Gottes erklärt der Braut mittels eines
Gleichnisses, wie sie, die Jungfrau, selber die Worte
dieses himmlischen Buches auf Bitten aller Auserwählten
der Welt von ihrem Sohne erhalten hat. Diese Worte
verheißen den Hoffärtigen den Fluch und den Demütigen
Barmherzigkeit. Es sind auch Worte enthalten, in denen
gewissen Personen die Macht gegeben wird, Teufel
auszutreiben und die Hadernden zu vereinigen, nämlich
die Könige von Frankreich und England.
Maria
sprach: ";Mein Sohn ist ähnlich einem Könige, welcher
ein Reich hatte, in dem siebzig Fürsten sich befanden;
in eines jeden Herrschaft fand sich aber nur einer,
welcher dem Könige treu war. Da nun die dem König
ergebenen Fürsten sahen, wie den Ungetreuen nichts
anderes bevorstehe, als Tod und Verdammnis, schrieben
sie an eine Frau, welche dem Könige sehr befreundet war,
und ersuchten dieselbe, ihn in ihrem Namen für sie zu
bitten, und ihm nahezulegen, daß er ihnen mahnende Worte
schreiben möchte, die sie von ihrer Halsstarrigkeit
zurückbrächten. Als sie nun dem Könige wegen des Heils
jener Ungetreuen anlag, antwortete ihr der König: Ihnen
übrigt nur der Tod, und diesen haben sie verdient;
allein um deiner Bitten willen, werde ich ihnen zwei
Worte schreiben. Das erste Wort enthält drei
Bedrohungen: erstens die Verdammnis, welche ihr Lohn
ist; zweitens die Armut; drittens Beschämung und
Entehrung, welche sie für ihre Taten verdienen. Das
zweite Wort sagt ihnen, daß ein jeglicher, welcher sich
demütigt, die Gnaden haben und das Leben genießen wird.
Als nun der Brief, welcher diese beiden Worte enthielt,
an jene Ungetreuen gelangt war, sprachen einige unter
ihnen: Wir sind so stark wie der König, und deshalb
wollen wir uns verteidigen. Andere sprachen: Wir kümmern
uns um Leben und Tod nicht, was weiter sich begeben
wird, macht uns keine große Sorge. Andere sprachen auch:
Was wir vernommen haben, ist erlogen und erdichtet, denn
dieser Brief ist nicht vom Munde des Königs ausgegangen.
Als die Getreuen des Königs diese Antwort vernommen
hatten, schrieben sie wiederum und abermals an jene
vertraute Freundin des Königs und sagten: Jene
Ungetreuen glauben weder den Worten des Königs, noch den
unsrigen; deshalb bitte den König, daß er ihnen irgend
ein besonderes Zeichen der Glaubwürdigkeit senden möge,
mittels dessen sie glauben, daß der Brief vom Munde des
Königs ausgegangen sei. Als der König dieses hörte,
sprach er: Einem Könige gebühren zwei Auszeichnungen:
Eine Krone und ein Schild. Die Königskrone kann außer
dem Könige selbst niemand tragen und der Königsschild
stiftet Frieden unter den Uneinigen; beides will ich
ihnen denn senden, ob sie vielleicht so meinen Worten
glauben, und sich auf ihre Bosheit besinnen und davon
zurückkommen. -
Dieser König ist niemand anders, denn mein Sohn, welcher
der König der Herrlichkeit, der Sohn Gottes, mein Sohn
ist. Derselbe hat ein Reich, d. i. die Welt, in welcher
siebzig Sprachen wie siebzig Herrschaften sind, und in
jeglicher Sprache ist ein Freund meines Sohnes, d. h. es
Gibt keine Sprache, in welcher nicht einige Freunde
meines Sohnes gefunden würden, welche wegen der Einheit
des Glaubens und der Liebe durch Einen bezeichnet
werden. Ich aber bin jene vertraute Freundin des Königs
und an mich sendeten meine Freunde, als dieselben sahen,
wie der Welt ein Unheil drohe, ihre Bitten und Boten,
daß ich meinen Sohn für die Welt milde stimmen möchte;
auf meine Bitten und der Heiligen Kniefälle schickte
derselbe der Welt diese von Ewigkeit voraus gewußten
Worte seines Mundes. Zu ihrer Glaubwürdigkeit und damit
niemand denke, sie seien anderwärtsher zusammen
erdichtet, habe ich als Zeichen die Krone und den Schild
des Königs erlangt; die Krone wegen der Gewalt, die
einem über die unreinen Geister gegeben werden wird, den
Schild um des Friedenswerkes willen, das einem anderen
gegeben werden wird, nämlich die hadernden Herzen in ein
Herz und zu gegenseitiger Liebe zu vereinigen. Die Worte
meines Sohnes sind aber mehr nicht, denn gleichsam zwei
Worte, weil in denselben allen weiter nichts ist, als
diese beiden Dinge, nämlich ein Fluch wider jene, die
sich verhärten, und Erbarmen für jene, welche sich
demütigen."; - Nach diesen Worten sprach der Sohn zur
Mutter: ";Gesegnet seist Du, Du bist wie eine Mutter,
welche ausgesandt wird, ihrem Sohne eine Gemahlin
zuzuführen. So sende ich Dich an meine Freunde, welche
die Seelen meiner Auserwählten wie zu einer geistlichen
Ehe mit mir verknüpfen sollen, wie sie Gott geziemt.
Wegen Deiner großen Barmherzigkeit und Liebe nun, womit
Du so brünstig die Seelen liebst, gebe ich Dir Gewalt
über jene Krone und jenen Schild, daß Du sie nicht
allein zweien, sondern auch anderen, denen Du willst,
mögest geben können; denn Du bist voll Barmherzigkeit,
und ziehest deshalb alle Barmherzigkeit .von mir zu den
Sündern. Gebenedeit sei ein jeglicher, der Dir dient,
weil er weder im Leben, noch im Tode verlassen werden
wird."; Darauf redete die Mutter abermals zur Braut:
";Es steht geschrieben, daß Johannes der Täufer
einhergegangen sei vor dem Antlitze meines Sohnes
(Malach. III. Matth. XI. Luk. I. u. VII.), welchen nicht
alle gesehen, weil er in der Wüste war; so gehe auch ich
vor jenem künftigen, schrecklichen Gerichte meines
Sohnes mit meiner Barmherzigkeit vor ihm einher. Sage
also von meiner Seite dem, welcher die Krone hat, daß
er, so oft er den gewohnten Geist und die Inbrunst
meines Sohnes in sich fühlt, über den Gequälten folgende
Worte lesen solle: Gott Vater, mit dem Sohne und dem
heiligen Geiste, Schöpfer aller Dinge und Richter aller
Geschöpfe, der da um unseres Heiles willen gesandt hat
seinen gedenedeiten Sohn mit sich selber in den Schoß
der Jungfrau, zu seiner Herrlichkeit und wegen des
Gebetes der Jungfrau Maria befehle ich dir, unreiner
Geist, daß Du ausfahrest aus diesem Geschöpfe Gottes im
Namen dessen, der von der Jungfrau geboren worden, Jesus
Christus Ein Gott, welcher Vater, Sohn und heiliger
Geist ist."; - Danach soll man von meiner Seite dem
anderen, welcher den Schild hat, sagen: ";Du hast mich
oft wie Deinen Boten zu Gott gesendet, und ich habe
meinen Sohn für Dich gebeten. Jetzt bitte ich, daß Du
als mein Bote hingehest zum Oberhaupte der Kirche; denn
wenn auch Lucifer an dessen Stelle säße, werden doch die
Worte meines Sohnes nach seinem Willen vollendet werden.
Wenn er aber nach Frankreich kömmt und die Fürsten vor
ihm versammelt sind, soll er ihnen folgende Worte zu
Gehör reden: Gott, welcher mit dem Vater und dem
heiligen Geiste ist, der Schöpfer aller Dinge und alles
dessen, was gemacht worden; der sich herabgelassen hat,
niederzusteigen in den jungfräulichen Schoß und seine
Gottheit mit seiner Menschheit zu vereinigen, ohne sich
jedoch von seiner Gottheit zu trennen; welcher seine
Liebe so fest auf die Menschen gerichtet hat, daß, als
er die Lanze, die spitzigen Nägel und alle Werkzeuge des
Todes vor sich erblickte, lieber hat sterben und alle
erschrecklichen Todeswerkzeuge erdulden, seine Nerven
durchschneiden, seine Hände und Füße durchbohren lassen,
als die Liebe, welche er auf den Menschen gesetzt, hat
aufgeben wollen; dieser wolle euch, die ihr bisher
entzweit waret, um seines Leidens willen in Ein Herz
vereinigen. Darauf soll er ihnen, wie mein Geist ihn
lehren wird, die Strafen der Hölle, die Freude der
Gerechten und den Lohn der Ungerechten vorstellen.";
Christus zeigt der Braut, wie die Seele eines frommen
Mönches im Leben durch Krankheiten des Leibes gereinigt
ward. Seine Verherrlichung zeigte sich unter dem Bilde
eines Sternes vor seinem Tode. Wie die Seele eines
anderen Ordensgeistlichen, welche bereits verdammt war,
von neun Teufeln vor dem Obersten der Teufel begehrt
ward. Es wird hier der Grund angedeutet, weshalb die
bösen Ordensgeistlichen von Gott geduldet werden.
Der
Sohn Gottes sprach zur Braut: ";Du hast die Seele jenes
verstorbenen Mönchs in der Gestalt eines Sterns
geschaut, und mit Recht; denn er war in seinem Leben so
klar und brennend wie ein Stern, weil er mich vor aller
Kreatur liebte, und in treuer Ausübung seines Vorsatzes
lebte. Diese Seele ward Dir auch, bevor sie starb, in
dem Stande gezeigt, in welchem sie sich befand, als sie
Dir gewiesen ward; und das war, als sie zum letzten
Augenblicke ihres Lebens gekommen war, und als die
Zeichen der Krankheit, welche den Tod anzeigten,
vorhanden waren. Als sie nun den letzten Augenblick des
Todes erreicht hatte, kam sie an den Reinigungsort, und
dieser Reinigungsort war ihr Leib, wo sie mit Schmerzen
und Krankheiten gereinigt ward. Und deshalb wurde sie
Dir wie ein Stern in einem offenen Gefäße gezeigt, und
das war, weil sie in meiner Liebe brannte, und darum ist
sie jetzt in mir, und ich bin in ihr. Wie ein Stern,
wenn derselbe in ein reicheres und helleres Feuer käme,
nicht mehr sichtbar bleiben würde, so ist er jetzt in
mir eingeschlossen und ich in ihm, und er wird sich
jener unaussprechlichen Herrlichkeit erfreuen, welche
nimmer endigen wird. Als er aber an seinem
Reinigungsorte war, brannte jener Stern noch in so
großer Liebe gegen mich und ich zu ihm, daß er die
Heftigkeit des Schmerzes an seinem Leibe gar leicht
achtete, so daß seine Freude in der Trübsal anfing und
zur ewigen Freude ausgewachsen ist. Als solches der
Teufel sah und in dieser Seele etwas suchte, was ihm an
ihr ein Recht geben möchte, hätte er um der Liebe
willen, welche sie zu mir hegte, gern auf andere Seelen
für sie verzichten wollen.
Es
ist Dir auch eine andere Seele gezeigt worden, welche
der Teufel mit neunfachem Rechte besetzt. Weil ich Dir
früher ihre Verurteilung gezeigt habe, will ich Dir nun
auch ihre Strafe zeigen. Vor Gott war alles in einem
Augenblicke, was jedoch leiblicherweise ohne
Ausführlichkeit weder dargestellt, noch gehört werden
kann. Als seine Seele zur Strafe gezogen wurde, liefen
ihr sogleich sieben Teufel, ihrem Obersten voraneilend,
entgegen und sprachen: Diese Seele ist von Rechts wegen
unser. Zuerst sprach der Teufel der Hoffart: Sie ist
mein, weil sie niemand sich ähnlich geachtet und über
alle sein wollte, so wie ich. Der zweite, der Teufel der
Begierlichkeit, sprach: Sie hat niemals erfüllt und
gesättigt werden können, wie auch ich nicht, und ist
deshalb mein. Der dritte, der Teufel des Ungehorsams,
sprach: Sie war verpflichtet zum Gehorsame und zur
Zucht, war aber Gott in allem ungehorsam und dem
Fleische gehorsam, deshalb ist sie mein. Der vierte, der
Teufel der Völlerei, sprach: Sie hat zu verbotenen
Zeiten im Essen und Trinken, wie ich ihr geraten, sich
übernommen, sie wollte sich nichts versagen und ist
deshalb mein. Der fünfte, nämlich der Teufel der eitlen
Ehrsucht, sprach: Sie hat gesungen für den eitlen Ruhm
und den eitlen Namen, und wenn ihre Stimme ein wenig
herabgedrückt und verdrossen ward, dann hob ich sie in
die Höhe, eilte ihr freudig entgegen und half ihr. Der
sechste, der Teufel des Eigentums, sprach: Sie hätte arm
sein sollen in der Welt und nichts Eigenes haben; im
Gegenteile aber hat sie wie eine Ameise, was sie haben
konnte, zusammengehäuft, und ohne ihren geistlichen
Vorsteher darum zu befragen, besessen, und deshalb ist
sie mein. Der siebente Teufel, nämlich derjenige der
Ordensverachtung, sprach: Nach der Disciplin ihrer Regel
war sie verpflichtet, in allen ihren Werken die
bestimmten Zeiten inne zu halten; weil bei ihr aber
alles in Unordnung war, trank und aß sie im Gegenteile,
wann sie wollte, schlief und wachte und redete, wenn es
ihr beliebte, und trieb alles ohne die Zucht der Regel,
und deshalb ist sie mein. Darauf sprach der Oberste der
Teufel zu einem jeden, wie durch ein Beispiel es ihm
weisend: Du Geist der Hoffart, weil Du ihn außen und
innen besessen, so fahre nun in ihn hinein und schüre
ihn so enge zusammen, als wie wenn sein Geist, wenn es
möglich wäre, Glieder hätte und mit dem Leibe
zusammenhängen würde und presse ihn so schrecklich, daß
das Gehirn samt den Augen, und das Mark aus den Fugen
hinausdringe und alle Glieder sich auflösen. Zum
zweiten, dem Geiste der Begierlichkeit, sprach er: Du
hast ihn nach deinem Willen besessen, und nimmer ist er
gesättigt worden; fahre deshalb in ihn mit einer Glut,
die schlimmer ist, als Gift, und heißer, denn glühendes
Blei, und setze ihn auf so klägliche Weise in Flammen,
daß, wie Wein in ein gläsernes Gefäß mit vielen Röhren
eingeht, alle leeren Räume einnimmt und ausfüllt, also
deine vergiftete und bleierne Glut eingehe in alle seine
Glieder, und darin brenne ohne Ende. Zum dritten, d. i.
dem Geiste des Ungehorsams, sprach er: Du hast ihn zu
allem besessen, was seinem Gelübde entgegen war, und er
hat dir mehr gehorcht, als seinem Gotte; fahre darum in
ihn, wie ein scharf schneidendes Schwert, und bleibe so
schmerzlich stecken in ihm, wie ein Schwert auf
unerträgliche Weise peinigt, das ins Herz gestoßen,
weder am unteren, noch am oberen Teile hinausdringen,
sondern unbeweglich stecken bleiben würde. Zum vierten,
dem Geiste der Völlerei, sprach er: Er stimmte dir zu in
jeglicher Unmäßigkeit, deshalb zermalme ihn mit deinen
Zähnen und zerfleische sein Herz, so daß ein jeglicher
der eben aufgezählten Geister, nämlich der Hoffart, der
Begehrlichkeit, des Ungehorsams und der Völlerei, einen
Teil seines Herzens besitze und durch seinen Besitz so
peinige, daß es immerdar zerrissen, niemals aber
verzehrt werde. Zum fünften, d. h. dem Geiste der eitlen
Ruhmsucht, sprach er: Fahre ein in ihn und laß ihn
nimmer zur Ruhe kommen, für seinen Gesang soll nur Weh
aus seinem Munde ausgehen. Jegliche Freude und
Vergnügung, die er in der Welt suchte, soll ihm in
Weinen und ewiges Elend verwandelt werden. Zum sechsten
aber, d. i. zum Geiste des Eigentums, sprach er: Fahre
ein in ihn mit Bitterkeit, laß ihn alles Annehmliche
entbehren, das er wünschte, und statt dessen
unaussprechliche Schande, unsägliche Verdammnis und
ewige Beschämung haben. Zum siebenten, dem Geiste der
Ordensverachtung, sprach er: Weil er alle seine Zeiten
unordentlich gehalten, deshalb wird ihm eine Zeit
kommen, die nimmer enden wird, in der er Kälte und Hitze
ohne Ende leiden wird.
Darauf erschienen im nämlichen Augenblicke vor dem
Obersten der Teufel zwei Geister und sprachen: Auch wir
haben teil an dieser Seele. Und der erste sprach: Er ist
ein Priester gewesen, hat aber nicht gelebt wie ein
Priester. Deshalb habe ich meinen Teil an ihm. Der
zweite Teufel sprach: Er hatte eine gewisse Stelle auf
dem Haupte, auf welcher er die Krone der Herrlichkeit
hätte haben sollen, die er nicht gehabt. Darum ist die
Seele mein. Der Oberste antwortete: Der ehrenvolle Name
des Priesters soll geändert werden und er soll Satan
heißen, statt der Krone der Herrlichkeit, welche zu
haben er verschmähte, soll ihm die Schmach des Fluches
und ewige Verwerfung aufgesetzt werden."; Sodann sprach
der Herr zur Braut: ";Siehe, meine Braut, welche
Vergeltung und wie ungleich! Diese beiden Seelen waren
einer und derselben Profeß, sind aber im Lohne gar
ungleich untereinander. Weißt Du wohl, weshalb ich Dir
dieses zeige? Fürwahr, damit die Guten gestärkt werden,
und damit die Bösen, wenn sie dieses Gericht erfahren,
vom Bösen ablassen. Wahrlich, ich sage Dir, daß jene
Ordensprofessen sich sehr von mir abgewendet haben, wie
Du aus einem Beispiele wirst sehen können. Ich bin einem
Hausvater ähnlich, der Arbeitsleute angenommen und
denselben ein Grabscheit übergeben hat, die Erde zu
graben, einen Besen, die Erde aus der Grube zu fegen,
und ein Gefäß, um dieselbe hinwegzutragen. Es
verachteten aber die Arbeiter das Gebot des Herrn,
brachten demselben die Geräte wieder und sprachen: Das
Grabscheit ist nicht scharf genug, die Erde zu trocken,
und wir vermögen nicht darin zu arbeiten; der Besen ist
zu schwach und kann die Erde nicht bewältigen; das Gefäß
ist zu schwer, deshalb ist uns das Tragen desselben eine
zu große Bürde. Solches tun mir jene Ordensleute. Ich
habe ihnen als Arbeitern ein Grabscheit anvertraut, d.
h. ich habe ihnen Gewalt gegeben, meine Worte zu
predigen, und die Macht, mit meiner Furcht die irdischen
Herzen zu graben; allein sie werfen dieses Grabscheit
jetzt hinweg und ergreifen ein neues, denn sie kehren
meine Worte und mein Werk zur Verweichlichung des Leibes
um, damit sie den Menschen gefallen und an Reichtum
wachsen, indem sie sprechen: Die Herzen der Menschen
sind jetzt hart und die Worte des Herrn nicht scharf
genug, um zur Andacht aufzumuntern, und darum legen sie
den Leuten vor, was angenehm ist, meine Gerechtigkeit
aber verbergen sie, die Sünde zu strafen, versäumen sie;
daraus nehmen die Zuhörer zuversichtlich Anlaß, in den
Sünden zu verharren und lässig zu sein in der Abbüßung
ihrer Werke. Zweitens habe ich ihnen Besen übergeben, um
damit die Erde aus der Grube hinwegzukehren, d. h. um
die Demut und Armut zu lieben. Allein derselbe ist ihnen
zu gering und sie sprechen: Wenn wir nichts haben
sollen, wovon sollen wir denn leben? Wenn uns alles
entzogen ist, wer soll uns aufnehmen? So leben sie in
der Täuschung ihres Mißtrauens und übertreffen andere
nun in dem Grade in der Hoffart, in welchem sie anderen
in der Demut voraus sein sollten. Ich habe ihnen ferner
ein Gefäß gegeben, um die Erde wegzutragen, d. h. damit
sie sich dessen enthalten möchten, was den Leib
vergnügt. Allein sie warfen mir dasselbe vor die Füße
und sprachen: Wenn wir in solcher Arbeit leben wollen,
wie die Väter gelebt haben, so werden wir von Kräften
kommen, und wenn in solcher Abstinenz, so werden wir
gänzlich verachtet werden, und wofern in solcher
Botmäßigkeit, so vermögen wir nichts. So also ist ihnen
alles Gute am Orden und an ihren Gelübden beschwerlich,
und sie tun, was ihnen gefällt. Was soll aber ich un,
dessen Werkzeuge hinweggeworfen werden und dem die
Arbeit verweigert wird? Wohlan, ich will zu ihnen
sprechen: Lebet nach euerem Willen, schafft euere eigene
Arbeit, und ihr werdet euere Frucht finden, habt die
Ehre der Welt für die ewige Ehre, den Reichtum und die
Freundschaft der Welt statt der ewigen, die Lust der
Welt statt der Süßigkeit, welche niemals endet. Ich
schwöre bei meiner Wahrheit, daß, wenn ich es nicht aus
zweifacher Ursache getan hätte, um derenwillen ich sie
dulde, nicht eines ihrer Häuser noch aufrecht stehen
würde. Die erste ist das Gebet meiner Mutter, welche mit
ihrem Beschützer unaufhörlich betet; die zweite meine
Gerechtigkeit, denn obwohl ich ihrer Bosheit wegen nicht
schuldig bin, ihnen einige Barmherzigkeit zu erweisen,
so dulde ich sie doch um der Gaben der Opfernden willen,
welche mir gefallen. Sie selber sind wie Werkzeuge,
wodurch andere gefördert werden; durch ihre Predigt und
ihren Chorgesang wachsen andere bisweilen zur Andacht
und erhalten Anlaß, Fortschritte zu machen; sich selber
aber stürzen sie in die Tiefe, weil sie wie Sklaven um
den Gewinn, nicht um die Ewigkeit dienen. Sie sind
wahrhaft Sklaven, und von anderer Art werden wenige
gefunden, und zwar so wenige, daß unter hundert kaum
einer gefunden wird.";
Erklärung.
Es
erschien eine Seele, angetan mit einem Skapulier und
wunderbar mißgestaltet an allen Gliedern. Darauf sprach
Christus: ";Einst war ein Volk, das hörte, wie die
Kinder Israel überall den Sieg hätten, und fürchtete,
ihnen unterworfen zu werden. Es schickte seine
Gesandten, welche alte Schuhe an den Füßen und
altgewordenes Brot in den Taschen hatten, um durch eine
Lüge sich zu stellen, als ob sie aus den entferntesten
Landen wären. Daher wurden sie, als die Wahrheit an den
Tag kam, in ewige Dienstbarkeit gebracht. (Josua IX.) So
werden viele Ordensleute, welche sich den Anschein
geben, zu sein, was sie nicht sind, und der Welt im
Gewande eines Ordens dienen, von jener ewigen Erbschaft
ausgeschlossen. Zu diesen gehört derjenige, dessen Seele
der Teufel mit neunfachem Rechte besitzt. Das erste ist,
daß er sich allen übrigen vorzieht und sich für einen
Bekenner der Tugenden ausGibt, während er voll Laster
ist. Das zweite ist, daß er begehrt, was er sieht, und
sich mit dem Notdürftigen nicht begnügt. Das dritte, daß
er in Stücken gehorcht, welche ihm Vergnügen machen;
dasjenige dagegen, was ihn nicht vergnügt, entweder
wider Willen tut, oder Gelegenheit sucht, sich ihm zu
entziehen. Das vierte ist, weil er einen Gefallen hat an
der Unmäßigigkeit und ein Gesell derer ist, von denen es
heißt: Ihr Bauch ist ihr Gott (Phil. III.) Das fünfte
ist, daß er von den Menschen gelobt zu werden sucht,
aber nicht von Gott, Darum predigt er hohe Dinge, singt
hoch Tönendes und wirkt Absonderliches. Das sechste ist,
daß er Ruhm sucht in überflüssigen Dingen und in fremder
Tracht, während die wahre Armut selber sein Eigentum
sein sollte. Das siebente ist, daß er die Zeit nicht
einhält, sondern sich nach der Neigung seines Fleisches
richtet. Das achte ist, daß er schamlos und frech an
meinen Altar tritt, und andere heiligt und absolviert,
während er selber die Lossprechung nicht verdient und
des Tadels würdig ist. Das neunte ist, daß er unwürdig
das Zeichen der Herrlichkeit auf seinem Haupte trägt und
einen Bund hat mit meinem Feinde; wenn er sich nicht
bessert, wird man ihm von meiner Gerechtigkeit zu
trinken geben."; - Jene antwortete: ";O mein Herr, er
liest Messen und predigt, und seine Predigt ist nach dem
Geschmacke vieler. Kann solches anders sein, als durch
Deinen Geist?"; Ihr antwortete Gott: ";Es ist von meinem
Geiste; wenn er indes nicht mit derselben Liebe und
Absicht predigt, wie ein wahrer Prediger predigen soll,
und der Kraft seiner Predigt nicht nachfolgt, dann
arbeitet ein böser Geist in ihm, weil er Stroh kaut, am
Schwanze der Schlange saugt und nach vergänglichen
Blumen sucht."; Da sprach sie: ";O Herr, ich verstehe
nicht, was gesagt wird. Darum, o Herr, geruhe, mir
auseinanderzusetzen, was es bedeutet."; Der Herr
antwortete ihr: ";Alsdann kaut er Stroh, wenn ihm das
ewige Brot nicht schmeckt, wenn in das Herz die
göttliche Weisheit nicht eingeht, welche spricht: Kommt
her zu mir, ihr Demütigen, ich will euch erquicken! Den
Schwanz der Schlange aber saugt er alsdann, wenn ihm der
Trank des göttlichen Verständnisses nicht schmeckt,
sondern die Klugheit des Teufels, welche spricht: Esset,
und euere Augen werden aufgetan. Und vergängliche Blumen
sucht er alsdann, wenn er sich um die Frucht der ewigen
Süßigkeit nicht kümmert, sondern beständig die Worte der
Welt und des Fleisches im Munde hat.";
Christus offenbart der Braut, wie um einer dreifachen
guten Anlage willen, die in den leeren und gar reinen
Herzen der Apostel sich befand, in dieselben auf
dreifache Weise ein guter Geist gesendet ward, und wie
in die Menschen, welche von Begierlichkeit, Unkeuschheit
und Hoffart sind, der heilige Geist nicht eingeht. und
wie Christus will, daß sein Wein, d. h. seine Worte
dieses Buches seinen Freunden zum Trinken gebracht
werden sollen, damit diese sie nachher anderen
offenbaren.
";Ich, der ich mit Dir rede, bin der, der ich an einem
solchen Tage, wie heute, meinen heiligen Geist in meine
Apostel gesendet habe, der in dreifacher Weise zu ihnen
kam. Erstens wie ein Gießbach, zweitens wie ein Feuer,
drittens in Gestalt von Zungen. Er kam aber zu ihnen
durch verschlossene Thüren, weil sie allein waren und
drei gute Stücke an sich hatten: Erstens hatten sie
allen Willen, die Keuschheit zu bewahren und in allen
Stücken enthaltsam zu leben; zweitens hatten sie eine
vorzügliche Demut; drittens stand ihr ganzes Verlangen
auf Gott, weil sie nichts verlangten, als ihn. Sie waren
wie drei reine, aber leere Gefäße; deshalb kam der
heilige Geist und erfüllte sie. Er kam aber wie ein
Gießbach, weil er alle ihre Glieder und Gliedmaßen mit
göttlicher Lust und göttlichem Troste erfüllte. Er kam
wie ein Feuer, weil er ihre Herzen mit dem Feuer der
göttlichen Liebe dergestalt entzündete, daß sie außer
Gott nichts liebten, außer ihm nichts fürchteten.
Drittens kam er in Gestalt von Zungen, weil, wie die
Zunge im Munde ist, und doch dem Munde nicht schadet,
sondern mehr zum Reden behilflich ist, so der heilige
Geist in ihrer Seele war, der sie nichts wünschen ließ,
als mich, und der sie auch in göttlicher Weisheit redend
machte, in deren Kraft sie gleichsam durch den Dienst
der Zunge alle Wahrheit redeten. Weil also diese Gefäße
wegen des Verlangens leer waren, so geziemte es sich,
daß der heilige Geist zu ihnen kam; denn er kann nicht
zu denen eingehen, welche voll und gefüllt sind. Wer
aber sonst ist angefüllt, als diejenigen, die aller
Sünde und jeglichen Schmutzes voll sind? Diese sind wie
drei garstige Gefäße. Das erste ist wie mit dem
stinkendsten Menschenkote angefüllt, den des üblen
Gestankes wegen niemand riechen kann. Das zweite ist
angefüllt wie mit verächtlichem Froschlaich, den niemand
wegen seiner Ekelhaftigkeit genießen kann. Das dritte
ist wie mit ganz verdorbenem Blute und Eiter gefüllt,
das wegen seines abscheulichen Anblickes niemand ansehen
kann. So sind die Bösen angefüllt mit dem Ehrgeize der
Welt und der Begierlichkeit, welche vor meinem und
meiner Heiligen Angesicht übler stinken, als der
Menschenkot. Was ist alles Zeitliche anderes, als
Menschenkot? An diesem allergarstigsten Kote, welcher
bald vergehen wird, haben die Elenden einen Gefallen. Im
zweiten Gefäße ist eine maßlose Unkeuschheit und
Unenthaltsamkeit in allen Werken; diese ist aber so
ekelhaften Geschmackes wie Froschlaich. Ich kann solche
nicht vertragen, und noch weniger durch meine Gnade
eingehen zu ihnen. Denn wie werde ich, die wahre
Reinheit, zu so Unreinen eintreten? Wie möchte ich, der
ich selber das Feuer der wahren Liebe bin, sie
entzünden, welche ein so garstiges Feuer der
Unkeuschheit entflammt? Das dritte Gefäß ist ihre
Hoffart und Vermessenheit; denn diese ist wie
verdorbenes Blut und Eiter. Sie ist es, die den Menschen
innerlich und äußerlich im Guten verdirbt, die von Gott
gegebene Gnade hinwegnimmt, und den Menschen Gott und
dem Nächsten zum Abscheu macht. Wer aber so angefüllt
ward, wird mit der Gnade des heiligen Geistes nicht
erfüllt werden können.
Ich
aber bin wie ein Mensch, welcher Wein feil hat. Wenn er
schänken will, Gibt er denselben zunächst seinen
Freunden und näheren Bekannten zum Kosten. Danach sendet
er die Seinigen aus und läßt öffentlich ausrufen: Wir
haben den Wein gekostet, derselbe ist gut; alle also,
welche wollen, mögen herankommen. So habe auch ich sehr
guten Wein, d. h. jene Süßigkeit, welche unaussprechlich
ist. Diese habe ich einigen meiner Freunde zu trinken
gegeben, da sie meine Worte gehört haben, welche aus
meinem Munde hervorgehen. Unter den Ausrufern, welche
den Wein kosteten, war dieser, der heute zu mir gekommen
und gleichsam drei Gefäße zu füllen hatte; denn er kam
und hatte den Willen, sich aller Eitelkeit zu enthalten,
den Willen zu jeglicher Demut, das Verlangen nach allem,
was mir gefällt. Deshalb habe ich seine Gefäße heute
gefüllt. Erstlich mit Weisheit in geistlichen Dingen,
welche er klarer erkennen und besser erwägen wird denn
zuvor; zweitens habe ich ihn mit meiner Liebe angefüllt,
damit er mehr denn zuvor zu jedem Guten brünstig würde;
drittens habe ich ihm eine weisere Furcht gegeben, damit
er nichts fürchten möge außer mir und was mir gefällt.
Damit er denn nun auch vor anderen die Süßigkeit meines
Weines auszurufen wisse, möge er meine Worte hören,
welche ich geredet habe und die geschrieben stehen, auf
daß er, nachdem er meine Liebe und Gerechtigkeit
vernommen, um so eifriger werde im Ausrufen, je
sorgfältiger er die Süßigkeit des Weines versucht.";
Erklärung.
Dieser Bruder begleitete die Frau Brigitta zum heiligen
Jakobus (in Compostella). Er erblickte im Geiste die
Frau Brigitta, wie mit sieben Kronen gekrönt. Und er sah
die Sonne ganz schwarz geworden; und als er sich
verwunderte, hörte er eine Stimme, welche deutlich
sprach; ";Jene verfinsterte Sonne bedeutet den Fürsten
eueres Landes; er, der wie eine Sonne geleuchtet hatte,
wird bei den Menschen in größtem Schimpf und Verachtung
stehen. Das Weib, welches Du siehst, wird die Ähre der
siebengestalteten Gnade Gottes haben, und diese bedeuten
die sieben Kronen, welche Du gesehen hast; und dieses
wird Dir ein Zeichen sein, daß Du von dieser Krankheit
genesen und zu den Deinen zurückkehren, auch zu einer
höheren Stufe wirst erhoben werden."; Nach seiner
Rückkehr ward dieser Abt und schritt von Tugend zu
Tugend weiter fort.
Worte
der Jungfrau an die Braut, wie eben diese Jungfrau von
viererlei Menschen gegrüßt wird; nämlich von ihren
wahren Freunden aus Liebe, von anderen aus Furcht der
Pein, von den anderen, welche reich werden möchten, und
von Heuchlern, welche vermessen auf Verzeihung der
Sünden hoffen. Die beiden ersten Arten werden
geistlicherweise belohnt werden, die dritte zeitlich,
die vierte ist ein Greuel.
Maria
sprach: ";Vier Arten von Menschen sind es, welche mich
grüßen. Die ersten sind, welche allen ihren Willen und
ihr Gewissen in meine Hände überantworten, und alles,
was sie tun, ganz für meine Ehre tun; der Gruß dieser
ist mir wie ein gar lieblicher und angenehmer Trank. Die
zweiten sind, welche die Strafe fürchten und sich aus
Furcht der Sünde enthalten; diesen gewähre ich, wenn sie
in meinem Lobe verharren, eine Minderung ihrer bösen
Furcht und eine Mehrung der wahren Liebe, ingleichen die
Wissenschaft, mittels dessen sie Gott auf eine
vernünftige und weise Art lieben lernen. Die dritten
sind diejenigen, welche mein Lob hoch genug erheben,
allein in keiner anderen Absicht und Neigung, als daß
ihnen zeitliche Ehre und vergänglicher Nutzen erwachsen
möge. Wie nun ein Herr, dem ein Geschenk gesendet wird,
dem Geber wieder ein am Werte gleiches Geschenk macht,
so gewähre ich, weil jene Zeitliches bitten und sich
nichts anderes wünschen, ihnen deshalb, was sie wollen,
und gebe ihnen ihren Lohn im gegenwärtigen Leben. Die
vierten sind diejenigen, welche sich stellen, als wären
sie gut, aber selbst in ihren Vergnügungen sündigen sie;
sie sündigen, wenn sie können, insgeheim, damit sie
nicht von den Menschen gesehen werden, und denken bei
sich also: Die Jungfrau Maria ist barmherzig, und sobald
sie angerufen wird, erwirkt sie Verzeihung; aber ihr
Rufen gefällt mir eben so wenig wie ein Gefäß, das
auswendig übersilbert ist, inwendig aber voll garstig
stinkenden Kotes, den niemand riechen kann und solcher
Gibt es gar manche durch ihren bösen Willen, womit sie
der Sünde anhängen.";
Christus sagt der Braut, daß zwei Geister sind, ein
guter und ein böser; die Zeichen des heiligen Geistes
aber sind Süßigkeit des Herzens und Herrlichkeit; die
Zeichen des bösen Geistes aber sind Angst und
Herzensunruhe, welche hervorgeht aus Begierlichkeit oder
Zorn.
Der
Sohn redete zur Braut und sprach: ";Der gute Geist ist
in des Menschen Herzen. Was ist der gute Geist anderes,
als Gott? Was ist Gott, als allein die Süßigkeit und
Herrlichkeit der Heiligen? Gott selber ist in ihnen und
sie sind in ihm, und dann haben sie alles Gute, wenn sie
Gott haben, ohne welchen nichts Gutes ist. Welche also
den Geist Gottes haben, die haben Gott und das ganze
himmlische Heer und alles Gute. Ähnlicherweise haben
alle, welche den bösen Geist in sich haben, alles Böse
in sich; denn was ist der böse Geist anderes, als der
Teufel? Was aber ist der Teufel anderes, als Pein und
jegliches Böse? Wer also den Teufel hat, hat in sich
Pein und alles Böse. Wie aber der gute Mensch nicht
fühlt, woher und wie die Süßigkeit des heiligen Geistes
in sein Herz eindringt, so kann er dieselbe auch im
gegenwärtigen Leben nicht vollkommen, sondern nur
teilweise kosten. Wenn aber ein böser Mensch durch
Begierlichkeit geängstigt wird, wenn er nach Ehrgeiz
strebt, wenn er vom Zorne beunruhigt, durch Unkeuschheit
und die übrigen Laster befleckt wird, so ist das eine
Pein des Teufels, ein Anzeichen ewiger Unruhe, obwohl
dieselbe in gegenwärtiger Zeit, wie sie ist, nicht
ermessen werden kann; wehe denen, welche diesem Geiste
anhangen!";
Die
Braut erblickte einen Teufel, welcher im Gerichte Gottes
sieben Bücher hervorzog wider die Seele eines
verstorbenen Kriegsmannes; aber der gute Engel zog für
dieselbe ein Buch hervor. Diese Seele ward aber nicht
ewig verdammt, weil sie, ohne daß der Teufel es wußte,
am Ende in Gedanken innerlich Buße getan hatte. Sie wird
jedoch ihrer Sünden halber verurteilt und soll am
Reinigungsorte bis zum Tage des Gerichtes Peinen
erleiden, weil sie solange im Körper zu leben begehrt
hatte. Es werden aber von Christo drei Mittel
geoffenbart, durch welche sie vorher befreit werden
kann, und es werden ihr sofort drei von den genannten
Peinen auf Bitten der Jungfrau und der Heiligen
nachgelassen. Die Fürbitte des guten Engels jedoch wird
nicht sogleich erhört, sondern Christus verschiebt
dieselbe auf einige Zeit und nimmt sie in Erwägung.
Ein
Teufel erschien vor dem Richterstuhle Gottes und hielt
die Seele eines Verstorbenen, welche zitterte wie ein
zappelndes Herz. Dieser Teufel sprach zum Richter:
";Siehe, da ist eine Beute! Dein Engel und ich folgten
dieser Seele von ihrem Anfange bis zu ihrem Ende; er,
sie zu behüten, ich, ihr zu schaden, und beide jagten
wir sie wie Jäger. Sie ist mir jedoch noch ganz am Ende
in meine Hände gefallen und ich bin so begierig und
ungestüm, sie für mich zu gewinnen, wie ein abwärts
stürzender Gießbach, und nur ein Hindernis steht mir im
Wege - Deine Gerechtigkeit und weil diese wider diese
Seele sich noch nicht erwiesen hat, deshalb besitze ich
dieselbe noch nicht sicher. Ich habe nach ihr auch eine
so brennende Begierde, wie ein von Hunger aufgeriebenes
Tier, das aus Hunger selbst seine eigenen Glieder frißt.
Weil Du also ein gerechter Richter bist, so richte sie
nach Deinem gerechten Gerichte."; Der Richter
antwortete: ";Weshalb ist sie mehr in deine Hände
gefallen, und warum bist du ihr näher gewesen, als mein
Engel?"; Der Teufel antwortete: ";Weil ihrer Sünden mehr
gewesen, als ihrer guten Werke."; Der Richter
entgegnete: ";Zeige sie her!"; Der Teufel antwortete:
";Ich habe ein Buch, das ihrer Sünden voll ist."; Und
der Richter: ";Wie heißt das Buch?"; Der Teufel
erwiderte: ";Sein Name ist Ungehorsam. In diesem Buche
sind sieben Bücher, und jedes hat drei Spalten, jede
Spalte aber mehr denn tausend Worte, keine weniger, als
tausend, einige aber weit mehr."; Der Richter sprach:
";Sage die Namen jener Bücher. Ich weiß zwar alles;
allein damit anderen dein Wille und meine Güte bekannt
werde, will ich, daß du redest."; Der Teufel antwortete:
";Der Name des ersten Buches ist: Hoffart, und in
demselben sind drei Spalten. Die erste ist die
geistliche Hoffart in ihrem Gewissen, weil sie stolz war
auf ihr gutes Leben, das sie für besser hielt als das
Leben anderer; auch war sie stolz auf ihre Einsicht und
ihr Gewissen, worin sie an Weisheit andere zu
übertreffen glaubte. Die zweite Spalte enthält ihre
übermütige Ruhmsucht über die ihr gegebenen Güter,
Dienerschaft, Kleider und andere Dinge; die dritte ihren
Stolz auf die Schönheit der Glieder, auf edle Abkunft
und auf ihre Taten. In diesen drei Spalten waren endlose
Worte, wie Dir am besten bekannt ist. - Das zweite Buch
war seine Begierlichkeit. Dasselbe hatte drei Spalten.
Die erste geistlich, weil er dachte, seine Sünden wären
nicht so schwer, als ihm gesagt ward, und wodurch er
unwürdigerweise das Himmelreich begehrte, das nur dem
vollkommen Reinen gebührt; die zweite, daß er mehr
begehrte in der Welt, als notwendig, und sein Wille
allein dahin gerichtet war, seinen Namen und sein
Geschlecht zu dem Ende emporzubringen, um seine Erben
nicht zu Deiner Ehre, sondern zur Ehre der Welt
aufzuziehen und sie groß zu machen; die dritte war, daß
er die Ehre der Welt suchte und über andere zu sein
begehrte, und hierin sind, wie Dir besser bekannt,
unzählbare Worte, durch welche er Gunst und Wohlwollen
suchte, mittels deren er sich auch zeitliche Güter
erwarb. - Das dritte Buch ist der Neid. Dasselbe hat
drei Spalten. Die erste war im Herzen, weil er heimlich
diejenigen beneidete, welche mehr hatten und glücklicher
waren, als er; die zweite, daß er aus Neid das Vermögen
derer an sich brachte, welche weniger besaßen und
größeren Mangel litten, als er; die dritte, daß er aus
Neid dem Nächsten durch seine Ratschläge heimlich und
auch öffentlich, sowohl durch Wort, als durch Tat,
sowohl selbst, als durch die Seinigen, schadete, und
auch andere zu Ähnlichem anreizte. - Das vierte Buch ist
der Geiz, in welchem drei Spalten waren. Die erste war
der Geiz im Herzen, weil er anderen von dem nichts sagen
wollte, was er wußte, und woraus andere Trost und
Förderung geschöpft haben möchten, wobei er für sich
also dachte: Was für einen Nutzen habe ich davon, wenn
ich dem oder dem diesen Rat erteile? Welcher Lohn wird
mir, wenn ich ihm in diesem Rate oder Worte nützlich
sein werde? Und so ging der Arme betrübt wieder von ihm
hinweg, nicht erbaut, noch unterwiesen, während er von
ihm, da er es bei gutem Willen recht gut vermochte,
hätte erbaut werden können. Die zweite Spalte war, daß
er, obwohl er die Hadernden hätte friedlich vereinigen
können, solches doch nicht gewollt hat, auch da er die
Betrübten hätte trösten können, hat er sich nicht darum
gekümmert. Die dritte Spalte war der Geiz mit seinen
Gütern, wodurch ihn schon einige Pfennige, die er in
Deinem Namen hätte geben können, hart ankamen und
beschwerten, während er für die Ehre der Welt gern
hundert gegeben haben würde. In diesen Spalten sind
zahllose Worte, wie Dir am besten bekannt ist, denn Du
weißt alles, und nichts kann vor Dir verborgen bleiben,
sondern Du nötigst mich durch Deine Macht zu reden, weil
Du anderen nützen willst. - Das fünfte Buch ist die
Trägheit, und auch dieses hat drei Spalten. Erstens ist
er träge gewesen, gute Werke zu Deiner Ehre, d. h. nach
Deinen Geboten zu tun; für die Ruhe seines Leibes hat er
seine Zeit verloren, denn der Nutzen seines Leibes und
sein Vergnügen waren ihm am liebsten. Zweitens war er
träge in seinen Gedanken, denn wenn Dein guter Geist ihm
Reue, oder irgend eine geistliche Einsicht in das Herz
gab, dünkte es ihm viel zu langweilig; er zog seinen
Sinn zurück von dem geistlichen Gedanken, und alle
Freude der Welt erschien ihm vergnüglich und süß.
Drittens war er träge mit dem Munde, das ist, im Beten
und Sprechen dessen, was den Nutzen anderer und Deine
Ehre anging; eifrig aber war er in leichtfertigen
Worten. Wie viele Worte nun diese Spalte hatte, und wie
zahllos dieselben sind, ist Dir allein bekannt. - Das
sechste Buch war der Zorn. Auch dieses hatte drei
Spalten. Die erste, daß er seinem Nächsten über die
Dinge zürnte, welche ihm nichts nütze waren, die zweite
war, daß er in seinem Zorne den Nächsten im Werke
verletzte, und zuweilen ihm auch im Zorne das Seinige
nahm, die dritte, daß er aus Zorn seinen Nächsten
quälte. - Das siebente Buch war seine Wollust, welche
ebenfalls drei Spalten hatte. Die erste war, daß er
ungebührlich und unordentlich seinen Samen ausgoß, denn
obwohl er verheiratet war und sich entfernt hielt von
der Befleckung durch andere Weiber, so hat er doch durch
Umarmungen, unschickliche Worte und schamlose Gebärden
seinen Samen auf ungebührliche Weise vergoßen. Die
zweite Spalte war, daß er gar zu frech war in Worten,
denn er verführte nicht nur sein Weib zu einer größeren
Fleischesbrunst, sondern auch andere häufig durch seine
Worte zu leichtfertigen Worten und Gedanken. Die dritte
Spalte war, daß er seinen Leib zu zärtlich pflegte, und
sich zu köstliche und zu viele Speisen zur größeren Lust
des Leibes, und um Lob von den Menschen zu erlangen,
zubereiten ließ, um groß genannt zu werden. Mehr als
tausend Worte sind aber auf diesen Spalten, indem er
länger am Tische saß, als er gesollt, die ihm gewährte
Zeit nicht in acht nahm, gar Unpassendes redete und mehr
zu sich nahm, als die Natur verlangte. Siehe, o Richter,
mein Buch ist ganz gefüllt, sprich mir diese Seele zu.";
Als
hierauf der Richter schwieg, nahte die Mutter der
Barmherzigkeit, welche gleichsam von fern zu stehen
schien und sprach: ";Mein Sohn, ich will mit dem Teufel
über sein Recht streiten."; Der Sohn antwortete ihr:
";Teuerste Mutter, wenn dem Teufel die Gerechtigkeit
nicht versagt wird, wie könnte sie Dir verweigert
werden, die Du meine Mutter und die Gebieterin der Engel
bist? Du vermagst und weißt auch alles in mir. Deshalb
aber redest Du, damit auch anderen Deine Liebe bekannt
werde."; Darauf sprach die Mutter zum Teufel: ";Ich
gebiete dir, Teufel, daß du mir auf dreierlei Fragen
antwortest, welche ich dir darlege; wenn du es auch
ungern thust, so bist du doch durch die Gerechtigkeit
dazu verpflichtet, weil ich deine Gebieterin bin. Sage
mir, weißt du alle Gedanken des Menschen?"; Der Teufel
antwortete: ";Nein, nur diejenigen, welche ich aus dem
äußeren Tun und Verhalten des Menschen ermessen kann,
diejenigen, welche ich ihm persönlich ins Herz gebe,
weil, obwohl ich meine Würde verloren habe, doch von der
scharfsinnigen Beschaffenheit meines Wesens so viele
Weisheit übriggeblieben ist, daß ich aus der Haltung des
Menschen den Zustand seines Herzens erkennen kann; die
guten Gedanken des Menschen vermag ich aber nicht zu
erkennen."; Darauf sprach die liebreiche Jungfrau zum
zweiten Male zum Teufel: ";Sage mir, Teufel, wenn auch
ungern: Was ist dasjenige, das die Schrift aus deinem
Buche auszulöschen vermag?"; Der Teufel entgegnete:
";Nichts vermag dieselbe auszulöschen, als eins,
nämlich: die göttliche Liebe. Wenn einer diese ins Herz
erhalten hat, wird, in welchem Maße er auch Sünder sein
mag, sogleich ausgelöscht, was über ihn in meinem Buche
geschrieben war.";
Die
Jungfrau sprach zum dritten Male: ";Sage mir, Teufel,
ist wohl einer ein so unreiner und von meinem Sohne
abgewendeter Sünder, daß er, so lange er in der Welt
lebt, nicht zurückkehren und Verzeihung erlangen
könnte?"; Der Teufel antwortete: ";Keiner ist ein so
großer Sünder, daß er nicht, so lange er lebt, wofern er
wollte, zurückkehren könnte, denn wenn einer, ein wie
großer Sünder derselbe auch sein mag, seinen bösen
Willen in einen guten umwandelt, die göttliche Gnade
ergriffen hat und in derselben fest stehen bleiben will,
können ihn alle Teufel nicht halten.";
Nachdem dieses vernommen worden, sprach die Mutter der
Barmherzigkeit zu den Umherstehenden: ";Diese Seele hat
sich am Ende ihres Lebens zu mir gewendet und
gesprochen: Du bist die Mutter der Barmherzigkeit und
erbarmst Dich der Elenden. Ich bin nicht wert, Deinen
Sohn zu bitten, weil meine Sünden schwer und ihrer gar
zu viele sind; ich habe ihn auch vielfach zum Zorn
gereizt, indem ich meine Lust und die Welt mehr geliebt
habe, als Gott, meinen Schöpfer; deshalb bitte ich Dich,
erbarme Dich meiner, weil Du keinem, der Dich bittet,
Barmherzigkeit verweigerst. Darum wende ich mich zu Dir
und verspreche Dir, daß, wenn ich leben bleibe, ich mich
bessern und meinen Willen Deinem Sohne zuwenden, auch
weiter nichts, als ihn lieben will. Vor allen Dingen
aber ist es mir leid und preßt mir Seufzer aus, daß ich
zur Ehre Deines Sohnes, meines Schöpfers, nichts Gutes
getan habe. Deshalb bitte ich Dich, liebreichste Frau,
erbarme Dich meiner, weil ich zu niemand, als zu Dir,
meine Zuflucht zu nehmen weiß.
Mit
solchen Worten und solchen Gedanken kam jene Seele am
Ende zu mir. Mußte ich sie nicht hören? Verdient, wer so
mit ganzem Herzen und mit vollem Willen der Besserung
einen anderen bittet, nicht erhört zu werden? Um wie
viel mehr muß ich die Rufenden hören, die ich die Mutter
der Barmherzigkeit bin?"; Der Teufel antwortete: ";Von
solchem Willen habe ich nichts erfahren; war es also,
wie Du sagst, so beweise es mit offenem Grunde."; Die
Mutter entgegnete: ";Du bist unwert, daß ich dir
antworte; gleichwohl antworte ich dir, weil, was ich
gezeigt habe, zu anderer Förderung geschieht. Du,
Elender, hast vorher gesagt, daß aus deinem Buche
nichts, als die göttliche Liebe, die Schrift auslöschen
kann."; Zum Richter gewendet, sprach hierauf die
Jungfrau: ";Wohlan, mein Sohn, mag der Teufel sein Buch
auftun und lesen und zusehen, ob alles vollständig darin
geschrieben, oder einiges ausgelöscht ist."; Darauf
sprach der Richter zum Teufel: ";Wo ist dein Buch?"; Und
der Teufel erwiderte: ";In meinem Bauche."; Der Richter
sprach: ";Wo ist dein Bauch?"; Der Teufel gab zur
Antwort: ";In meinem Gedächtnis; denn wie im Bauche alle
Unreinlichkeit und aller Gestank ist, so ist in meinem
Gedächtnisse alle Bosheit und Nichtswürdigkeit, welche
wie der garstigste Kot stinken vor Deinem Angesichte.
Als ich von Dir und Deinem Lichte durch meine Hoffart
gewichen war, habe ich alle Bosheit erfunden, meine
Erinnerung an die Güter Gottes verfinsterte sich, und in
meinem Gedächtnisse ist nur mehr alle Bosheit der Sünder
aufgeschrieben."; Darauf sprach der Richter zum Teufel:
";Ich gebiete dir, Teufel, daß du genau nachsiehst und
nachsuchst in deinem Buche, was von den Sünden jener
Seele darin noch geschrieben steht, und was ausgelöscht
worden. Sage es öffentlich."; Der Teufel erwiderte:
";Siehe, ich schaue in mein Buch und sehe anderes
geschrieben, das ich nicht gedacht habe, denn ich sehe,
jene sieben Dinge sind ausgelöscht, und es ist davon in
meinem Buche nichts als Unrat zurückgeblieben."; Darauf
sprach der Richter zu dem guten Engel, welcher dabei
stand: ";Wo sind die guten Werke dieser Seele?"; Er
antwortete: ";Herr, dieselben sind alle in Deinem
Vorauswissen und Erkenntnis, das Gegenwärtige, das
Vergangene und Zukünftige. Alles wissen und sehen wir in
Dir, und Du in uns, und es ist nicht nötig, daß wir mit
Dir reden, weil Du alles weißt, aber weil Du Deine Liebe
zeigen willst, deshalb Gibst Du Deinen Willen denen zu
erkennen, denen Du willst. Ich bin allerdings vom
Anfange an, seit die Seele dieses Menschen mit dem Leibe
verbunden war, immer bei ihm gewesen und habe auch ein
Buch mit dem Guten beschrieben, das er getan hat; willst
Du dieses Buch hören, so steht es in Deiner Gewalt.";
Der Richter antwortete: ";Ich kann nicht eher urteilen,
bevor ich nicht erst das Gute und Böse erkannt habe;
wenn solches richtig erwogen worden, wie die
Gerechtigkeit es erfordert, so muß danach auch das
Urteil gefällt werden, entweder auf den Tod, oder auf
das Leben."; Der Engel antwortete: ";Mein Buch ist sein
Gehorsam, womit er Dir diente, und in demselben sind
sieben Spalten. Die erste ist die Taufe; die andere ist
seine Abstinenz beim Fasten und von unerlaubten Werken
und Sünden, und auch von der Wollust und Versuchung
seines Fleisches; die dritte Spalte war das Gebet und
der gute Vorsatz, den er auf Dich gerichtet hatte; die
vierte waren seine guten Werke im Almosengeben und in
anderen Handlungen der Barmherzigkeit; die fünfte seine
Hoffnung auf Dich; die sechste war der Glaube, den er
als Christ hatte; die siebente die göttliche Liebe.";
Nach diesen Worten sprach der Richter wieder zum guten
Engel: ";Wo ist Dein Buch?"; Er antwortete: ";In Deiner
Anschauung und Liebe, mein Herr!"; Darauf sprach Maria,
indem sie den Teufel schalt: ";Wie hast du dein Buch
verwahrt, und wie ist dasjenige daraus ausgelöscht, was
darin geschrieben war?"; Darauf sprach der Teufel:
";Wehe, wehe, daß Du mich betrogen hast!"; Darauf sprach
der Richter zu seiner gar liebreichen Mutter: ";Du hast
fürwahr auf vernünftige Weise in diesem Streite
obsiegendes Urteil erlangt und jene Seele mit Recht
gewonnen."; Darauf schrie der Teufel: ";Ich habe
verloren, ich bin überwunden; aber sage mir, Richter,
wie lange soll ich diese Seele für ihre Befleckungen
behalten?"; Der Richter antwortete: ";Das will ich dir
eröffnen; denn die Bücher sind offengelegt und gelesen.
Aber sage mir, Teufel, obwohl ich alles weiß, ob diese
Seele nach der Gerechtigkeit in den Himmel kommen muß
oder nicht? Denn siehe, ich lasse dich nun schauen und
wissen die Wahrheit der Gerechtigkeit."; Der Teufel
antwortete: ";Die Gerechtigkeit ist in Dir, daß, wenn
einer ohne Todsünde stirbt, er nicht eingehen wird in
die Pein der Hölle, und wer die göttliche Liebe hat, dem
gebührt von Rechts wegen der Besitz des Himmels. Weil
nun diese Seele nicht in einer Todsünde gestorben ist
und die göttliche Liebe hatte, so ist sie wert, nach
vorher empfangener Reinigung in den Himmel einzugehen.";
Der Richter sprach: ";Weil ich dir nun den Verstand
aufgetan und dir gestattet habe, das Licht der Wahrheit
und Gerechtigkeit zu schauen, so daß es diejenigen,
denen ich es zu hören gestatte, vernehmen, welche
Gerechtigkeit dieser Seele werden soll."; Der Teufel
antwortete: ";Daß sie so gereinigt werde, bis nicht ein
Flecken an ihr ist: denn obwohl die Gerechtigkeit sie
Dir zugesprochen hat, ist sie doch noch unrein und kann
nur erst nach vorauserlangter Reinigung zu Dir kommen.
Und weil Du, Richter, mich gefragt, so frage ich jetzt
auch Dich, wie sie gereinigt werden und wie lange sie in
meinen Händen bleiben soll?"; Der Richter antwortete:
";Dir, Teufel, wird geboten, daß du nicht in sie
fahrest, noch sie an dich reißest, sondern du sollst sie
reinigen, bis sie rein und unbefleckt wird; denn sie
wird nach dem Maße ihrer Schuld ihre Strafe bestehen.
Sie hat dreifach gesündigt mit dem Gesichte, dreifach
mit dem Gehöre und dreifach mit dem Gefühle. Deshalb muß
sie dreifach gestraft werden am Gesichte. Erstens muß
sie selber ihre Abscheulichkeiten und Sünden sehen;
zweitens muß sie dich sehen in deiner Bosheit und
schrecklichen Häßlichkeit; drittens muß sie den Jammer
und die schreckliche Pein anderer Seelen sehen. In
ähnlicher Weise soll sie dreifach gestraft werden am
Gehöre. Erstens soll sie hören ein schreckliches Weh,
weil sie ihr eigenes Lob und die Lust der Welt hat
vernehmen wollen; zweitens soll sie hören der Teufel
schreckliches Geschrei und Hohnlachen; drittens soll sie
hören Schmach und unerträglichen Jammer, weil sie lieber
und mit mehr Vergnügen auf die Liebe und Gunst der Welt
hörte, als als auf das Wohlgefallen Gottes, und weil sie
eifriger der Welt gedient, als ihrem Gott. Dreifältig
soll sie auch am Gefühle gepeinigt werden. Erstens soll
sie innerlich und auswendig brennen im glühendsten
Feuer, so daß nicht der geringste Fleck an ihr bleibt,
der nicht im Feuer gereinigt wurde; zweitens soll sie
die größte Kälte aushalten, weil sie in ihrer
Begierlichkeit brannte, in meiner Liebe aber kalt war;
drittens wird sie in den Händen der Teufel sein, so daß
nicht der geringste Gedanke, nicht das geringste Wort
bleibt, das nicht gereinigt werde, bis sie wird wie
Gold, das im Ofen nach dem Willen des Besitzers geformt
und gereinigt wird."; - Darauf sprach der Teufel wieder:
";Wie lange wird diese Seele in dieser Pein sein?"; Der
Richter antwortete: ";So lange, als es ihr Wille
gewesen, in der Welt zu leben, und weil sie so gesinnt
war, daß sie gern im Leibe gelebt hätte bis an das Ende
der Welt, so soll ihre Strafe dauern bis ans Ende der
Welt. Darin besteht meine Gerechtigkeit, daß, wer eine
göttliche Liebe zu mir trägt und mit ganzem Begehren
verlangt, mit mir zu sein und von der Welt gesondert zu
werden wünscht, ein solcher soll ohne Pein den Himmel
haben, weil in der Prüfung dieses Lebens seine Reinigung
vollzogen wird; wer wegen der bitteren Todespein und
wegen der künftigen bitteren Pein den Tod fürchtet und
deshalb länger leben möchte, um sich zu bessern, der
soll eine leichte Strafe am Reinigungsorte haben; wer
aber den Willen hat, zu leben bis an den Tag des
Gerichtes, soll, obwohl er keine Todsünde begeht, doch
wegen des Willens, den er hat, ewig zu leben,
unablässige Reinigung in der Pein haben bis an den
jüngsten Tag."; -
Darauf antwortete die gar liebreiche Mutter und sprach:
";Gebenedeit seist Du, mein Sohn, für Deine
Gerechtigkeit, welche in aller Barmherzigkeit ist; denn
obwohl wir in Dir alles sehen und wissen, so sprich doch
zur Kenntnis anderer, welches Mittel in Anwendung
gebracht werden muß, um eine so lange Zeit der Pein zu
verkürzen, und insbesonders [sic!] welches Mittel. daß
ein so grausames Feuer gelöscht werde, und endlich, wie
diese Seele auch aus den Händen der Teufel befreit
werden könne?"; Der Sohn antwortete: ";Dir kann nichts
abgeschlagen werden, weil Du die Mutter der
Barmherzigkeit bist und für Alle Barmherzigkeit und
Trost beschaffest und suchest. Dreifach ist das Mittel,
welches die so lange Zeit der Pein abkürzt, das Feuer
auslöscht und aus den Händen der Teufel befreit.
Erstens, wenn durch jemand dasjenige wieder erstattet
wird, was er anderen ungerechterweise genommen und
abgepreßt hatte, oder anderen zurückzugeben verpflichtet
war; denn das erfordert die Gerechtigkeit, daß die Seele
so lange gereinigt wird, bis das, was ungerecht von ihr
genommen war, bis auf den letzten Groschen erstattet
worden, entweder durch der Heiligen Gebet, oder durch
Almosen, oder Werke der Freunde, oder durch eine andere
hierzu geeignete Reinigung. Das zweite ist ein
reichliches Almosen; denn durch dieses wird die Sünde
ausgelöscht, wie das Feuer ausgelöscht wird durch
Wasser. Das dritte ist die Opferung meines Leibes auf
dem Altare für ihn und das Gebet meiner Freunde. Dieses
nun sind die drei Mittel, durch welche er von jenen drei
Peinen erlöst wird.";
Die
Mutter der Barmherzigkeit entgegnete: ";Welchen Wert
haben nun die guten Werke, welche er für Dich getan
hat?"; Der Sohn antwortete: ";Du fragst nicht deshalb,
weil Du es nicht weißt, denn Du siehst und weißt alles
in mir; sondern Du fragst deshalb, um anderen meine
Liebe zu erkennen zu geben. Fürwahr, nicht das geringste
Wort und auch nicht der geringste Gedanke, den er zu
meiner Ehre gedacht hat, wird ihm unvergolten bleiben,
weil alles, was er für mich getan, jetzt vor ihm ist,
und er hat in seiner Pein Erquickung und Trost davon und
empfindet die Hitze weniger, als er sie sonst empfinden
würde.";
Darauf redete die Mutter weiter zu dem Sohne und sprach:
";Woher kommt es, daß diese Seele unbeweglich steht, wie
einer, der weder Hände, noch Füße wider die Feinde
bewegt und dennoch lebt?"; Der Richter antwortete: ";Ein
Prophet (Jsaias LIII.) hat von mir geschrieben, ich sei
gewesen wie ein Lamm, das vor seinem Scheerer schweigt.
Fürwahr, ich habe geschwiegen vor meinen Feinden, und
darum fordert die Gerechtigkeit, daß, weil diese Seele
sich um meinen Tod nicht gekümmert und denselben gering
geachtet hat, sie jetzt aus Gerechtigkeit wie ein Kind
ist, das in den Händen der Mörder nicht widersprechen
kann."; Die Mutter antwortete: ";Gesegnet seist Du, mein
süßester Sohn, der Du nichts ohne Gerechtigkeit thust.
Du hast, mein Sohn, vorher gesagt, Deine Freunde könnten
jener Seele helfen, und Du weißt wohl, wie diese Seele
mir dreifältig gedient hat. Erstens durch Abstinenz,
indem sie an den Vortagen meiner Feste gefastet und an
denselben in meinem Namen Enthaltsamkeit geübt hat;
zweitens, weil sie meine Tageszeiten gebetet hat;
drittens, weil sie auch mit eigenem Munde zu meiner Ehre
gesungen hat. Also, mein Sohn, weil Du Deine auf Erden
rufenden Söhne hörst, bitte ich Dich, daß Du mich
würdigen wollest, auch mich anzuhören."; Der Sohn
antwortete: ";Wer von einem Herrn vorzugsweise geliebt
wird, dessen Bitten werden am ehesten erhört, und weil
Du mir über alle am teuersten bist, deshalb bitte, was
Du willst, und es wird Dir gegeben werden."; Die Mutter
antwortete: ";Diese Seele leidet drei Peinen am Gesicht,
drei am Gehör und drei andere am Gefühl. Ich bitte Dich
also, mein teuerster Sohn, Du wollest ihr eine von den
Peinen des Gesichtes mindern, nämlich, daß sie die
erschrecklichen Teufel nicht sehen, sondern nur die
beiden anderen Peinen aushalten müsse, weil Deine
Gerechtigkeit es also erfordert, der ich nicht
entgegentreten kann nach der Gerechtigkeit Deiner
Barmherzigkeit. Zweitens bitte ich, Du wollest ihr eine
der Peinen des Gehörs mindern, daß sie nämlich nicht
hören müsse ihre Schmach und Schande. Drittens bitte
ich, Du wollest ihr auch eine der Peinen des Gefühls
mindern, nämlich, daß sie nicht den überaus scharfen
Frost und die Kälte empfinden müsse, die sie zu erleiden
verdient, weil sie kalt war in Deiner Liebe."; Der Sohn
antwortete: ";Gebenedeit seist Du, teuerste Mutter! Dir
darf nichts versagt werden; Dein Wille geschehe; wie Du
gebeten, mag es geschehen!"; Die Mutter antwortete:
";Gebenedeit seist Du, mein süßester Sohn, für alle
Liebe und Barmherzigkeit.";
Danach erschien in demselben Augenblicke der Heiligen
einer mit einem großen Heere und sprach: ";Preis sei
Dir, Herr, Gott, Schöpfer und Richter aller. Diese Seele
hat mir im Leben andächtig gedient; denn sie fastete mir
zu Ehren und pries mich und Deine Freunde, die
umherstehen, mit ihrem Gruße. Deshalb bitte ich an
dieser wie an meiner statt, Du wollest Dich dieser Seele
erbarmen! Gib ihr um unserer Bitten willen Ruhe von der
einen Plage, nämlich, daß die Teufel keine Macht haben
mögen, ihr Gewissen zu verdunkeln; denn sie werden
vermöge ihrer Bosheit das Gewissen dieser Seele, wenn
ihnen nicht gesteuert wird, also verfinstern, daß sie
niemals auf das Ende ihres Elendes und Erlangung der
Herrlichkeit würde hoffen können, als so oft es Dir
gefallen möchte, sie in Deiner Gnade anzuschauen, und
eben das ist ihr eine größere Pein, als alle andere
Pein. Darnm, o liehreicher Herr, Gib ihr um unserer
Bitten willen, daß sie, in welcher Pein immer sie sich
befinden möge, für gewiß wissen möge, jene Pein werde
ein Ende nehmen und sie die ewige Herrlichkeit
erlangen.";
Der
Richter antwortete: ";Das ist die wahre Gerechtigkeit:
weil die Seele vielmals ihr Gewissen von geistlicher
Erwägung und Erkenntnis zu zeitlichen Dingen abgewendet
hat, und weil sie ihr Gewissen hat wollen verfinstern
und sich nicht gescheut hat, wider mich zu handeln,
darum ist es gerecht, daß jetzt die Teufel ihr Gewissen
verfinstern. Weil ihr aber, teuerste Freunde, meine
Worte gehört und dieselben durch die Tut erfüllt habt,
wäre es nicht recht, daß euch etwas versagt würde,
deshalb werde ich tun, was ihr wollt.";
Darauf antworteten alle Heiligen: ";Gebenedeit seist Du,
Gott, in aller Deiner Gerechtigkeit, der Du gerecht
richtest und nichts ungestraft lässest."; Darauf sprach
der gute Engel, welcher der Seele zum Schutz gegeben
war, zum Richter: ";Ich bin vom Anfange der Verbindung
jener Seele mit dem Körper bei ihr gewesen und folgte
ihr vermöge der Vorsehung Deiner Liebe. Sie hat auch
zuweilen meinen Willen getan, deshalb bitte ich Dich,
Herr, nun, erbarme Dich ihrer."; . Der Herr erwiderte:
";Wir wollen es erwägen."; Und nun verschwand dieses
Gesicht.
Erklärung.
Dieser war ein gutherziger Kriegsmann und ein Liebhaber
der Armen. Seine Frau spendete für ihn gar reichliche
Almosen. Dieselbe starb zu Rom, wie über sie im Geiste
vorausverkündigt war, wie aus dem XII. Kapitel des
dritten Buches erhellt.
Im
vierten Jahre, nachdem die Braut das nächstvorhergehende
Gesicht geschaut, worin eine Seele bis zum Tage des
Gerichtes zum Reinigungsorte verurteilt worden, sah sie
abermals die nämliche Seele im göttlichen Gerichte durch
einen Engel nunmehr gleichsam halbbekleidet vorgestellt
werden. Und er bat den Herrn für sie mit den himmlischen
Heerscharen. Christus erlöste sie jetzt gänzlich von den
Peinen und sendete sie, auf die Fürbitte der Engel und
Heiligen und die Tränen und das Flehen ihrer noch
lebenden Freunde, wie einen glänzenden Stern hinüber in
die Herrlichkeit.
Im
vierten Jahre nach diesem schaute ich wieder einen gar
leuchtenden Jüngling mit der eben zunächst erwähnten
Seele, welche bereits bekleidet war, jedoch noch nicht
vollständig. Derselbe sprach zu dem auf dem Throne
sitzenden Richter, vor dem tausendmal Tausend standen,
und den alle um seiner Langmut und Liebe willen
anbeteten: ";O Richter, diese ist die Seele, für welche
ich betete; Du aber antwortetest, daß Du es erwägen
wolltest. Jetzt stehen wir wieder alle hier und bitten
Dich von neuem für sie um Deine Barmherzigkeit. Und
obwohl wir in Deiner Liebe alles wissen, so reden wir
doch um Deiner Braut willen, welche geistlich dieses
anhört, auf menschliche Weise, wiewohl an uns nichts
menschliches ist."; Der Richter antwortete: ";Wenn
irgendwo ein Wagen mit Ähren, beladen wäre und viele
Leute, einer nach dem anderen, sich eine Ähre
hinwegnähmen, so würde deren Anzahl und Gewicht
gemindert werden. So ist es jetzt. Denn es sind die
vielen Tränen und Werke der Liebe für diese Seele vor
mich gekommen, und deshalb lautet das Urteil, daß sie
komme in Deine Hut und Du sie bringest hinüber zur Ruhe,
welche weder ein Auge zu sehen, noch ein Ohr zu hören
vermag, noch auch selbst die Seele im Fleische denken
konnte; wo kein Himmel oben, keine Erde unten ist, wo
eine Höhe ist, die nicht auszudenken, eine Länge, die
nicht auszusprechen, wo eine wunderbare Weite und eine
unbegreifliche Tiefe, wo Gott über, außer und in Allem
ist, alles lenkt und zusammenhält, aber von niemand
umfaßt wird."; Nach diesem aber ward gesehen, wie jene
Seele auffuhr gen Himmel, so leuchtend, wie ein hell
schimmernder Stern in seinem Glanze. Und nun redete der
Richter und sprach: ";Es wird gar bald kommen die Zeit,
wo ich meine Urteile sprechen und Gerechtigkeit üben
werde am Geschlechte des Verstorbenen, dem diese Seele
angehört; denn dieses Geschlecht ist emporgestiegen in
Hoffart, wird aber niedersteigen zur Vergeltung der
Hoffart.";
Christus tadelt einen König und die Weltmenschen, welche
ihrem Eifer und dem großen Kriegsheere, sowie der
leiblichen Stärke, nicht aber Gott ihre Siege wider die
Feinde zuschreiben, indem er sagt, sie sollen in den
Krieg ziehen nach dem Vorbilde Davids wider den Riesen
und ihre Hoffnung auf Gott setzen, wiewohl auch
menschliche Klugheit vorangehen lassen, weil leicht
siegt, wer Gott zum Gehilfen hat.
Der
Sohn redete über einen gewissen König von Schweden zur
Braut und sprach: ";Ich habe Dir gesagt, daß dieser
König ein Kind ist, und das kannst Du aus zwei Umständen
abnehmen, erstens aus seiner Regierung, sodann aus dem
zahllosen Kriegsheere. Hat nicht der Hirte David den
Riesen überwunden? Aber wie? Etwa durch Macht und
Weisheit? Nein, keineswegs; sondern durch göttliche
Kraft. Denn hätte Gott nicht den Frevelmut des Riesen
bethört, und das Herz des Knaben David ermutigt, wie
hätte dieser Knabe den Riesen angreifen mögen? Wie hätte
ein Stein einen so Starken niederwerfen und einen so
gewandten Krieger treffen können, wäre nicht im Steine
die Kraft Gottes gewesen? Deshalb siegt leicht, wer Gott
zum Gehilfen hat und der, welcher sich fest auf Gott
stützt, bedarf keiner großen Leibesstärke, sondern des
Glaubens und der Liebe. Die Weltmenschen wähnen, daß sie
durch ihre leibliche Stärke obsiegen und schreiben den
Ausgang des Streites dem Fleiße des Menschen, und wenn
sie als Sieger hervorgegangen sind, mehr dem Bemühen der
Menschen, als der Kraft Gottes zu, obschon weder Gute,
noch Böse ohne Zuwilligung Gottes und seiner
Gerechtigkeit Sieger sind. Bisweilen haben die Guten
Glück gegen die Bösen, und dann wider die Bösen im
Gegenteil wider die Guten durch eine verborgene
Zulassung Gottes. Und weil wenige Menschen aus
allgemeiner Gleichgültigkeit die Langmut und
Gerechtigkeit Gottes in Betracht ziehen wollen, wird
deshalb die Kraft Gottes geschändet, und der Mensch wie
ein Mächtiger und als Sieger durch seine eigene Kraft
gepriesen und erhöht. Ich habe nicht ohne Grund gesagt,
daß jener König ein Kind sei; denn wenn ein Kind zwei
Äpfel sieht, deren einer auswendig ganz vergoldet,
inwendig aber ganz leer und verdorben, der andere jedoch
außen minder schön, inwendig aber ganz frisch ist, so
wählt das Kind lieber den Apfel, der auswendig schön und
inwendig verdorben ist, weil es nur das betrachtet, was
es äußerlich sieht. So macht es jener König. Es dünkt
ihm schön, mit einem großen Kriegsheere aufzutreten,
aber er wußte und beachtete nicht, was für ein Elend
darin verborgen lag; er nahm nicht wahr, was für eine
große Hungersnot, was für ein Schmerz folgen würde, und
daß die Elenden hungrig ausziehen und noch weit elender
zurückkehren würden. Mit einem kleinen Heere aufzutreten
erscheint wohl verächtlich und thöricht, allein
innerlich betrachtet, führt es einen großen Nutzen mit
sich; denn wenn er also dahin zieht, nämlich in Demut
und mit einem geringen Heere, so werde ich seinen Geist
mit göttlicher Weisheit erfüllen und seinen Leib mit
göttlicher Stärke kräftigen; ich kann so aus einem
Schwachen einen Starken machen, aus einem Niedrigen
einen Hohen, einen Gelehrten aus einem Verachteten. Sage
ihm also, er solle sich nicht fürchten, sondern seine
Hoffnung auf mich setzen und tun mit göttlicher Weisheit
und menschlichem Nachdenken, was er vermag und wo es
mangeln wird an menschlicher Weisheit, werden Liebe und
guter Wille ihn entschuldigen.";
Zusatz.
Der
Sohn Gottes sprach: ";Ein jeglicher, der die Länder der
Ungläubigen besuchen will, muß fünf Stücke haben.
Erstens soll er sein Gewissen durch Reue und aufrichtige
Buße entlasten, als ob er eben sterben wolle. Zweitens
muß er alle Leichtfertigkeiten im Wandel und in der
Kleidung ablegen, und nicht achtgeben auf die neuen
Bräuche, sondern auf jene löblichen, welche von seinen
Vorfahren eingesetzt sind. Drittens muß er nichts
Zeitliches haben wollen, außer zur Notdurft und Ehre
Gottes, und wenn er erkennen sollte, daß er etwas
entweder selber, oder schon von seinen Eltern her mit
Unrecht erworben, soll er den Willen haben, es zu
erstatten, es mag so groß oder klein sein, wie es will.
Viertens soll er dahin arbeiten, daß die Ungläubigen zum
rechten Glauben kommen, aber nicht begehren ihren
Reichtum, nicht ihr Zugvieh, noch anderes, denn allein
was er zum notwendigen Unterhalt des Leibes braucht. Das
fünfte ist der Wille, gern für die Ehre Gottes zu
sterben und sich durch einen löblichen Wandel also
darauf vorzubereiten, daß man verdiene, einen köstlichen
Tod zu erlangen.";
Die
Mutter Gottes rühmt sich des Eifers, den sie gehabt,
Gott zu gefallen. Sie sagt, daß sie sich nicht rühme,
ihr eigenes Lob zu suchen, sondern auf daß Gott dadurch
gelobt und geehrt werden möge. Sie begehrt auch vom
Sohne für die Braut die Gewänder himmlischer Tugenden,
die heilige Speise seines Leibes und einen brünstigeren
Geist. Der Sohn gesteht das zu, wenn die Braut zuvor
Demut und Furcht und Dankbarkeit haben wird.
Die
Mutter sprach: ";Von meiner Jugend an habe ich stets an
die Ehre meines Sohnes gedacht, und bin immer besorgt
gewesen, wie ich ihm gefallen möchte. Obwohl aber
jegliches Preisen im eigenen Munde minder ehrenhaft ist,
so sage ich dieses doch nicht nach Art derjenigen,
welche ihr eigenes Lob suchen, sondern zur Ehre meines
Sohnes, meines Gottes und Herrn, welcher die Sonne
wunderbar gefestigt hat in den Staub, auch das Feuer,
welches nicht zehrt, sondern entflammt, eingeschlossen
hat im Trockenen, und ohne Feuchtigkeit die würdigste
und lieblichste Frucht hervorgebracht hat."; -
Darauf, zum Sohne gewendet, sprach sie: ";Gebenedeit
seist Du, mein Sohn! Ich bin wie jene Frau, welche beim
Herrn Erhörung gefunden, als sie für die Schuldigen und
Schwachen um Barmherzigkeit bat. Also bitte ich Dich für
meine Tochter, weil sie ehrfurchtsvolle Scheu trägt, d.
h. für Deine Braut, deren Seele Du mit Deinem Blute
erkauft, mit Deiner Liebe erleuchtet, durch Deine Güte
erweckt und vermöge Deiner Barmherzigkeit Dir vermählt
hast. Ich bitte Dich, Sohn, verleihe ihr drei Gaben.
Erstens kostbarere Kleider, weil sie eine Tochter und
Braut des Königs der Könige ist, denn wenn des Königs
Braut der königlichen Kleidung entbehrt, wird sie ganz
verachtet, und mit Schanden gestraft, wenn sie ohne Ehre
erfunden wird. Gib ihr darum Kleider nicht von der Erde,
sondern vom Himmel; nicht, welche da glänzen äußerlich
von Gold, sondern welche inwendig von Liebe und
Keuschheit schimmern. Gib ihr das Gewand der Tugenden,
damit sie das Äußerliche nicht müsse erbetteln, sondern
damit sie innerlich Überfluß habe, und auch vor anderen
im Kleide leuchten könne. Zweitens Gib ihr eine zartere
Speise; denn Deine Braut ist an grobe Speisen gewöhnt,
nun aber soll sie sich gewöhnen an Deine Speise; denn
diese ist eine Speise, welche berührt, aber nicht
gesehen, gehalten, aber nicht gefühlt wird, speist, aber
sinnlich nicht wahrgenommen wird, eingeht und doch
überall ist. Das ist Dein würdigster Leib, den das
geschlachtete Lamm vorgebildet hat; denn dieses hat
Deine Menschheit, welche Du von mir angenommen hast, auf
wunderbare Weise erfüllt und täglich offenbart Deine
Gottheit samt der Menschheit die glückselige Erfüllung
dieses Vorbildes. Diese Speise, mein Sohn, Gib Deiner
Braut; denn ohne dieselbe vertrocknet sie wie ein
Säugling ohne Milch, ohne dieselbe vergeht sie ganz, und
mit derselben und durch dieselbe wird sie zu allem Guten
erneuert, wie ein Kranker durch die Speise. Drittens Gib
ihr, mein Sohn, einen inbrünstigeren Geist; denn dieser
ist das Feuer, das niemals angezündet, niemals erloschen
ist. Dasselbe bewirkt, daß man verachtet, was lieblich
anzuschauen und hofft, was ewig ist; diesen Geist, mein
Sohn, Gib ihr."; Darauf antwortete der Sohn und sprach:
";Teuerste Mutter! Deine Worte sind süß. Aber, wie Du
weißt, wer da sucht, was hoch ist, muß zuvor tun, was
tapfer, und üben, was demütig ist, deshalb bedarf sie
drei Dinge: Erstens muß sie Demut besitzen; denn durch
diese wird die Hoheit erlangt, daß sie nämlich wisse,
sie habe das Gute, was sie hat, aus Gnaden und nicht aus
ihrem Verdienst; zweitens die schuldige Ehrenerweisung,
damit sie dem Spender der Gnaden wiedervergelten möge;
drittens die Furcht, damit sie die ihr zugestandene
Gnade nicht verliere. Damit sie dann die drei ersten
Stücke, welche Du begehrt, erlangen und besitzen möge,
soll sie die drei folgenden oben gedachten nicht
vergessen, denn nichts nützt es, etwas erlangt zu haben,
wenn man das Erlangte nicht zu besitzen weiß, und das
Herz wird unerträglicher gequält, wenn das Erlangte
verloren geht, als wenn es niemals gewährt wäre und man
es niemals gehabt hätte.";
Die
Braut ist betrübt, weil sie dem geistlichen Vater nicht
geduldig und freudig gehorcht hat. Christus sagt ihr,
daß, wenn sie den Vorsatz hat, vollkommenen Gehorsam zu
leisten, sie, wenn auch der Wille zuweilen widerstrebt,
doch so, falls sie gehorcht, Verdienst davon hat und die
vergangenen Sünden gereinigt werden. Der Herr gewährt
auch hier die Waffen zum geistlichen Kampfe, nämlich die
Tugenden, mit welchen die Gerechten streiten und siegen.
Die Ungerechten dagegen werfen dieselben hinweg und
werden überwunden.
Der
Sohn Gottes sprach zur Braut: ";Sage mir, weshalb bist
Du betrübt? Obwohl ich alles weiß, so will ich es doch
von Dir sagen hören, damit auch Du wissen magst, was ich
Dir antworte."; Die Braut antwortete ihm: ";Zweierlei
fürchte ich, und wegen Zweierlei bin ich betrübt.
Erstens fürchte ich, weil ich viel zu ungeduldig zum
Gehorchen, und nicht fröhlich genug zum Leiden bin;
zweitens bin ich betrübt, weil Deinen Freunden Trübsal
begegnet und Deine Feinde über sie die Oberhand
erhalten."; Der Herr antwortete: ";Ich bin in Deinem
geistlichen Führer, welchem Du zum Gehorsamen untergeben
bist, und deshalb wird Dir jede Stunde, jeder
Augenblick, wo Du mit Deinem Willen Deine Einwilligung
zum Gehorsame Gibst und mit dem Willen gehorsamen willst
wenn auch das Fleisch zuweilen widerstrebt, zur
Belohnung und zur Reinigung der Sünden angerechnet
werden. Wenn Du zweitens über die Widerwärtigkeit meiner
Freunde betrübt bist, so will ich Dir mit einem
Beispiele antworten. Wenn zwei miteinander kämpfen, und
der eine seine Waffen hinwirft, der andere aber sich
stets mit seinen Waffen deckt, wird da nicht derjenige
leichter überwunden, welcher seine Waffen hinwegwirft,
als wer Tag für Tag seine Waffen beisammen hat? So ist
es auch da; denn die Feinde werfen täglich die Waffen
hinweg. Drei Arten von Waffen sind nämlich notwendig zum
Streite; die erste das, was den Menschen fährt oder
trägt, ein Pferd oder dergleichen; zweitens das, womit
der Mensch sich verteidigt, z. B. ein Schwert; drittens
das, womit man sich den Leib deckt, z. B. ein Panzer und
ähnliches. Allein die Feinde haben erstens das Roß des
Gehorsams verloren, auf welchem sie zu allem Guten
gefördert werden sollten, denn der Gehorsam ist es, der
mit Gott Freundschaft hält und dem Herrn die
versprochene Treue bewahrt. Das Schwert der göttlichen
Furcht haben sie hinweggeworfen, mittels dessen der Leib
von der Wollust abgezogen und der Teufel von der Seele
gesondert wird, auf daß er ihr nicht nahe; den Panzer
haben sie verloren, mit welchem sie sich gegen die
Wurfgeschosse decken sollten, d. h. die göttliche Liebe,
welche in Widerwärtigkeiten erfreut, im Glücke
beschirmt, in Versuchungen Frieden und in Schmerzen
Linderung gewährt. Ihr Helm, das ist die göttliche
Weisheit, liegt im Kote, auch der Halsschutz, d. h. der
göttliche Gedanke, ist herabgefallen; denn wie mittels
des Halses das Haupt bewegt wird, so auch sollte mittels
des göttlichen Gedankens das Herz zu allem, was Gottes
ist, bewegt werden; weil ihnen aber der göttliche
Gedanke entfallen ist, liegt das Haupt in der untersten
Tiefe und wird vom Winde hin- und wiederbewegt. Auch die
Brustwaffen sind viel zu schwach, d. h. die Neigung zu
Gott ist so erkaltet, daß man dieselbe kaum sehen, noch
weniger aber empfinden kann. Die Bewaffnung der Füße ist
gleichfalls vergessen und vernachlässigt, d. h. die Reue
mit dem Vorsatze der Besserung, denn sie freuen sich in
ihren Sünden und verlangen darin so lange zu bleiben,
als sie können. Die Waffen der Arme, d. h. die guten
Werke, sind ihnen verhaßt und eitel; sie tun kühnlich,
was sie wollen, und tragen keine Scheu. Aber meine
Freunde schirmen sich täglich mit Waffen. Sie lassen
sich auf dem Rosse des Gehorsams eilends dahintragen,
verleugnen um des göttlichen Gebotes willen ihren Willen
und kämpfen wider die Laster in der Furcht des Herrn,
wie tapfere Krieger; sie ertragen in der Liebe alles,
was ihnen widerfährt, und erwarten wie tapfere Streiter
die Hilfe des Herrn; sie decken sich mit göttlicher
Weisheit und Geduld wider die Ehrabschneider und
Anschuldiger, und halten sich von der Welt fern, wie
fromme Leute, die sich eingeschlossen haben; sie sind
behende und hurtig, wenn es das Göttliche gilt, wie
bewegliche Luft; inbrünstig zu Gott, wie eine Braut nach
den Armen des Mannes; schnell und stark, durch die
Freuden der Welt hindurchzugehen, wie Hirsche;
sorgfältig im Handeln, wie eine Ameise; wachsam, wie ein
Späher. Siehe! also sind meine Freunde, und so bewaffnen
sie sich täglich mit den Waffen der Tugenden, welche die
Feinde verachten, weshalb dieselben leicht überwunden
werden. Daher ist denn der geistliche Kampf, welcher in
der Geduld und göttlichen Liebe geführt wird, weit
edler, als der körperliche, und dem Teufel viel
verhaßter, denn der Teufel arbeitet nicht daran, das
Leibliche hinwegzunehmen, sondern die Tugenden zu
verderben, und die Geduld, sowie die Beständigkeit in
den Tugenden hinwegzunehmen. Deshalb betrübe Dich nicht,
wenn den Freunden einiges Widerwärtige begegnet, weil
ihnen hieraus Belohnung erwächst.";
Christus sagt zu seiner Braut, daß er einem Glasmacher
ähnlich ist, der, wenn auch vieles Geschirr zerbricht,
nicht abläßt, von neuem anderes zu fertigen d. i.
Seelen, bis der himmlische Chor der Engel wieder erfüllt
wird; auch, daß er einer Biene ähnlich ist, weil er sich
eine neue Pflanze erwählen, d. h. die Heiden bekehren
und daraus eine große Süßigkeit ziehen wird, nämlich
viele Seelen, um den himmlischen Bienenkorb zu füllen.
";Ich
bin wie ein guter Glasmacher, welcher aus Asche viele
Gefäße verfertigt, und obwohl deren viele zerbrochen
werden, doch nicht aufhört, neue anzufertigen, bis die
Anzahl der Geschirre voll geworden. Also tue auch ich,
weil ich aus unedlem Stoffe ein edles Geschöpf bilde,
nämlich den Menschen; und obwohl ihrer viele durch ihre
bösen Werke von mir abwichen, so lasse ich doch nicht
ab, andere zu bilden, bis der Chor der Engel und die
leeren Stellen im Himmel voll werden. Ich bin auch einer
guten Biene ähnlich, welche aus dem Bienenkorbe heraus
und zu einer schönen Pflanze hinfliegt, die sie von
weitem gesehen und an welcher sie die schönste Blume und
einen wohlriechenden, gar süßen und lieblichen Geruch zu
finden trachtet. Wenn sie aber zur Pflanze kommt, findet
sie die Blume verdorrt, von verdorbenem Geruch und aller
Lieblichkeit leer. Sie läßt sich nun auf einer anderen
Pflanze nieder, welche zwar rauh ist und eine
unscheinbare Blume hat, auch ohne besonderen Wohlduft
und von geringer Lieblichkeit ist; aber in dieser
Pflanze heftet die Biene ihren Fuß fest, zieht die
Süßigkeit heraus und trägt dieselbe in den Bienenkorb
heim, bis derselbe nach ihrem Willen angefüllt ist,
Diese Biene bin ich, der Schöpfer und Herr aller Dinge,
der ich aus dem Bienenkorbe ausging, als ich bei Annahme
der menschlichen Gestalt in derselben sichtbar erschien.
Ich habe eine schöne Pflanze gesucht, d. h. ich habe mir
das Geschlecht der Christen erwählt. Sie waren schön
durch Glauben, süß durch Liebe, fruchtbar durch süßen
Wandel. Jetzt aber sind sie entartet vom früheren
Stande, scheinen nur dem Namen nach schön, sind aber dem
Wandel nach häßlich, fruchtbar für die Welt und das
Fleisch, aber unfruchtbar in Bezug auf Gott und die
Seele. Sich selber sind sie süß, mir aber ganz bitter;
deshalb werden sie fallen und vernichtet werden. Ich
aber werde mir, gleich der Biene, eine andere Pflanze
erwählen, die ein wenig rauh ist, nämlich die Heiden,
welche in ihrem Wandel sehr verkehrt sind, von denen
einige eine kleine Blume und eine geringe Lieblichkeit
haben, d. h. den Willen, mit dem sie sich gern bekehren
und mir dienen möchten, wenn sie wüßten, wie es
geschehen könne und ob sie Helfer haben würden? Aus
dieser Pflanze nun will ich so viele Süßigkeit
herausziehen, bis der Bienenkorb gefüllt ist, und davon
so viel in demselben niederlegen, daß die Pflanze nicht
ohne Süßigkeit bleibt, noch die Biene der Frucht ihrer
Arbeit ermangelt. Und was rauh und gering ist, wird
wunderbar wachsen und zur höchsten Schönheit sich
entfalten. Was aber schön zu sein scheint, wird abnehmen
und häßlich werden.";
Christus sagt zur Mutter, wie die auf ihren .geistlichen
Augen erblindeten Menschen, damit sie imstande sind,
Gott zu sehen und über alles zu lieben, das Gesicht
wieder zu erlangen vermögen, nämlich durch Betrachtung
der zeitlichen Gerechtigkeit, durch die Güte, nämlich in
der Schönheit der Geschöpfe, und durch die Allmacht und
seine Weisheit. Es irren aber alle, welche glauben,
Böses oder Gutes komme her vom Glücke, oder durch die
gegenseitige Stellung der Gestirne.
Maria
sprach: ";Gebenedeit seist Du, mein Sohn und mein Herr.
Obwohl ich keine Traurigkeit empfinden kann, habe ich
doch wegen dreier Dinge Mitleid mit dem Menschen.
Erstens, daß der Mensch Augen hat und doch blind ist;
denn er sieht seine Gefangenschaft und folgt derselben;
er verspottet Deine Gerechtigkeit und lacht mit dem
Munde zu seiner Begierlichkeit; er verfällt so in einem
Augenblicke der ewigen Pein und verliert die seligste
ewige Herrlichkeit. Zweitens empfinde ich Mitleid mit
ihm, weil er begehrt und mit Freuden ansieht die Welt,
und nicht achtet auf Deine Barmherzigkeit; weil er das
Niedrige sucht und das Höchste verwirft. Drittens aber
habe ich Mitleid, weil Du, obwohl aller Gott, doch in
Deiner Ehre von den Menschen vergessen und
vernachlässigt bist und Deine Werke tot sind vor ihnen.
Darum, mein gebenedeiter Sohn, erbarme Dich ihrer."; Der
Sohn antwortete: ";Alle, die in der Welt sind und ein
Gewissen haben, sehen, daß in der Welt Gerechtigkeit
herrscht, mittels deren die Sünder gestraft werden. Wenn
nun die Frevel in der Welt von der weltlichen
Gerechtigkeit gestraft werden, um wie viel mehr
erfordert es die Gerechtigkeit, daß die unsterbliche
Seele vom unsterblichen Gotte gestraft werde? Dies
könnte der Mensch, wenn er wollte, sehen und erkennen;
weil er aber die Augen auf die Welt und seine Neigung
auf sein Vergnügen wendet, deshalb folgt der Mensch, wie
die Eule der Nacht, den flüchtigen Gütern und hasset die
bleibenden. Zweitens könnte der Mensch, wenn er wollte,
aus der Schönheit und Wünschenswürdigkeit der Planeten,
Bäume und Pflanzen sehen und in Betracht nehmen, wie
viel schöner und wünschenswürdiger, als dieser alles,
der Herr und Schöpfer ist. Und wenn diese irdische
Herrlichkeit so brünstig begehrt und geliebt wird, um
wie viel mehr muß die ewige Herrlichkeit begehrt werden?
Dieses könnte der Mensch sehen, wenn er wollte; denn er
hat soviel Verstand und Einsicht, daß dasjenige, was
größer und edler ist, mehr geliebt werden soll, als das,
was schlechter und geringer ist. Aber weil der Mensch
wie das Tier immer nach dem Untern schaut, obwohl ihm
gegeben ist, aufwärts zu blicken, so webt er gleichsam
ein Spinnengewebe, verläßt die Schönheit des Engels und
ahmt vergänglichen Geschöpfen nach; darum blüht er wie
Gras eine kurze Zeit lang, und fällt schnell wie die
Blume des Grases. Drittens könnten sie bei einem guten
Willen wohl erkennen und an den Geschöpfen wahrnehmen,
daß Einer aller Gott und Schöpfer ist, denn wofern kein
Schöpfer wäre, würde alles ungeordnet dahingehen, obwohl
nichts ungeordnet ist, als was der Mensch in Unordnung
bringt. Anders aber bedünkt es die Menschen, denen der
Lauf der Planeten und Zeiten unbekannt ist, und denen
die Ratschlüsse Gottes wegen ihrer begangenen Sünden
verborgen sind.
Wenn
denn nun ein Gott und derselbe sehr gut ist, weil von
ihm alles Gute ausgeht, weshalb ehrt ihn der Mensch
nicht vor allem und mehr als anderes, da seine Vernunft
ihm doch sagt daß der vor allen Dingen geehrt werden
müsse, von dem alles ist? Der Mensch aber hat, wie Du
gesagt hast, ein Auge und sieht nicht, ja er hat für
seine Person sein Auge in gotteslästerlicher Weise
verschlossen, weil er den Sternen beimißt, daß die
Menschen böse oder gut sind. Sie schreiben auch dem
Schicksale, d. h. dem Zufalle zu, wenn ihnen etwas
Widerwärtiges, Hartes begegnet, gleich als ob das
Schicksal etwas Göttliches wäre, um etwas zu schaffen
und zu tun, während doch Schicksal und Zufall nichts
sind, sondern die Bestimmung des Menschen und aller
Dinge von Gott unveränderlich vorausgesehen ist, und
beständig nach Bedürfnis eines jeden Dinges
vernünftigerweise für sie gesorgt wird. Es liegt auch
nicht an den Sternen, daß der Mensch gut oder böse ist,
obwohl an ihnen zu erkennen ist, wie weise sie nach
Beschaffenheit der Natur und der Zeiten eingerichtet und
geordnet sind, was die Menschen, wenn sie wollten, wohl
sehen könnten."; Die Mutter antwortete: ";Jeder Mensch,
der einen guten Willen hat, sieht wohl ein, daß Gott
mehr als irgend etwas anderes geliebt werden muß und
vollzieht dies auch Tatsächlich; weil aber den meisten
ein Fell über die Augen gezogen ist, können, obwohl der
Augapfel gesund ist, nicht alle sehen. Was aber bedeutet
dieses Fell, als die Nichtbeachtung der Zukunft, wodurch
der Verstand vieler verdunkelt ist? Deshalb bitte ich,
teuerster Sohn, Du wollest Dich würdigen, den Menschen
Deine Gerechtigkeit zu offenbaren, nicht damit ihre
Schande und ihr Elend dadurch größer werde, sondern
damit die Strafe, welche sie verdient haben, desto
gelinder und Deine Gerechtigkeit erkannt und gefürchtet
sei. Wie könnte der Mensch wissen, was in einem
gefüllten Sacke oder in einem verschlossenen Milchgefäße
wäre, wenn es nicht zuvor geöffnet und ausgeschüttet
würde? So könnte Deine obwohl große Gerechtigkeit, wenn
Du sie nicht durch ein öffentliches Gericht zeigst, nur
von wenigen gefürchtet werden, weil Deine wunderbaren
Werke durch den langen Zeitverlauf und die Größe der
Sünde in Geringschätzung gekommen sind. Zweitens bitte
ich, Du wollest Deine Barmherzigkeit durch denjenigen
offenbaren, der Dir lieb ist, nm [sic!] anderer Andacht
willen und zum Troste der Elenden. Drittens bitte ich,
daß Dein Name zu Ehren komme, damit diejenigen, welche
lieben, erkannt, und die Lauen mögen entzündet werden.";
-
Der
Sohn antwortete: ";Wo viele Freunde kommen und bitten,
ist es billig, daß sie erhört werden, um wie viel mehr,
wenn eine Frau kommend bittet, welche dem Herrn die
teuerste ist; und darum geschehe, was Du willst; denn
meine Gerechtigkeit wird klar und so weit offenbar
werden, daß jeder, an dem sie offenbar wird, sie
empfindet, daß seine Werke offenkundig und seine Glieder
erzittern werden. Ferner werde ich einer Person so viel
Barmherzigkeit gewähren, als sie fassen kann und bedarf.
Ihr Leib wird erhöht und ihre Seele zu dem Ende
verherrlichet werden, damit meine Barmherzigkeit
offenbar werde.";
Darauf sprach die Mutter: ";Diese Stätte für
Klosterleute ist abgekehrt vom Guten und auf Eis
gegründet. Ihre Grundlage war anfänglich das reinste
Gold; darunter aber ist eine entsetzliche Unordnung.
Wenn aber die Sonne anfängt, zu wärmen, wird das Eis
sich auflösen und was darauf gebaut worden, in den
Abgrund stürzen. Darum, mein gebenedeiter Sohn, erbarme
Dich ihrer. Denn schrecklich ist der Fall und der
Absturz unerträglich. Die Finsternis ist ewig und die
Pein langwierig.";
Als
die Braut die Jungfrau darum bat, daß sie eine
vollkommene Liebe zu Gott erlangen möge, antwortete die
Jungfrau, sie möge, um solches zu erlangen, sechs hier
angegebene Worte des Evangeliums befolgen. Sie erklärt
ihr auch gar schön jenes Wort: ";Gehe hin und verkaufe
alles, was du hast, und Gib es den Armen;"; sowie jenes:
";Sorget nicht für morgen."; Auch sagt sie, daß, wer
unter Beten und Lesen arbeitet, andächtig und im Namen
Jesu um die Notdurft des Lebens bitten soll.
Die
Braut redete zur Jungfrau und sprach: ";O wie süß ist
Gott der Herr! Ein jeglicher, der ihn für den süßesten
hält, wird keinen Schmerz haben, in welchem er nicht
Trost empfände. Und deshalb, o gütigste Mutter Gottes,
bitte ich Dich, Du wollest aus meinem Herzen dergestalt
die Liebe zu allen weltlichen Dingen herausziehen, daß
Dein Sohn mir über alle Dinge der Teuerste bis zum Tode
sei."; Die Mutter antwortete: ";Weil Du meinen Sohn zu
Deinem Liebsten zu haben begehrst, so befolge seine
Worte, die er selber im Evangelium in Person geredet
hat, und welche dahin gehen, daß er vor allem geliebt
werde; und deshalb rufe ich Dir sechs evangelische
Aussprüche ins Gedächtnis zurück: Der erste ist, daß er
zum Reichen sprach: Gehe hin und verkaufe alles, was du
hast, Gib es den Armen und folge mir. Der zweite ist:
Sorge nicht für den anderen Morgen. Der dritte: Sehet,
wie die Sperlinge gespeist werden, um wie viel mehr wird
der himmlische Vater die Menschen speisen? Der vierte:
Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was
Gottes ist. Der fünfte: Trachtet zuerst nach dem Reiche
Gottes. Der sechste ist: Alle, die ihr hungrig seid,
kommt her zu mir und ich will euch erquicken."; -
Derjenige aber scheint alles zu verkaufen, der nicht
mehr zu haben begehrt, als die mäßige Unterhaltung
allein des Leibes, und alles übrige an die Armen zur
Ehre Gottes und nicht zur Ehre der Welt in der Absicht
verteilt, um die Freundschaft Gottes zu erlangen. Also
ist es am heiligen Gregor und auch an vielen Königen und
Fürsten zu sehen, welche von Gott so sehr geliebt
wurden, obwohl sie Reichtum besaßen, aber anderen davon
gaben, wie die, welche alles zugleich Gott überließen
und nachher bei anderen bettelten. Viele, welche den
Reichtum der Welt allein zur Ehre Gottes hatten, hätten
desselben gern entbehren mögen, wenn es der Wille Gottes
gewesen wäre; andere haben die Armut erwählt, weil sie
zu Ehren Gottes danach verlangten. Es wird einem jeden
Menschen, welcher gerecht erworbene Güter oder
Jahresrenten in Besitz hat, gestattet, deren Früchte für
seien und seiner Hausgenossen Unterhalt zu Ehren Gottes
zu erheben; von dem, was übrig bleibt, möge er den
Freunden Gottes geben, die dessen bedürfen. Zum anderen:
Sorge nicht für den morgenden Tag; denn wenn Du auch
nichts hättest, als den nackten Leib, so hoffe auf Gott,
und er, der da speiset die Sperlinge, wird auch Dich
erhalten, den er mit seinem Blute erlöst hat."; Ihr
antwortete ich: ";O vielliebe Frau, die Du schön, reich
und tugendsam bist, schön deshalb, weil Du niemals
gesündigt hast; reich deshalb, weil Du Gottes liebste
Freundin bist; und tugendsam, weil Du in guten Werken
die vollkommenste bist, - höre, o Frau! mich jetzt, die
ich voll Sünden, aber arm bin an Tugenden. Wir haben
heute unsere notwendige Nahrung, morgen aber werden wir
Mangel leiden und ganz erliegen; wie können wir denn
ohne Sorge sein, wenn wir nichts haben? Denn obwohl die
Seele Trost hat von Gott, begehrt doch der Esel von Leib
seine Nahrung."; Die Jungfrau sprach: ";Wenn ihr etwas
übrig habt, dessen ihr entbehren könnt, so verkauft und
verpfändet es und lebt so ohne Sorge."; Ich antwortete:
";Wir haben Kleider, deren wir uns bei Nacht und bei Tag
bedienen, und nur wenig Geschirr für unseren Tisch. Der
Priester aber hat seine Bücher und für die Messe haben
wir einen Kelch und Schmuck."; Die Jungfrau antwortete:
";Der Priester darf nicht ohne Bücher und ihr dürft
nicht ohne Messe sein, und auch die Messe darf nur in
reinen Gewändern gelesen werden. Auch darf euer Leib
nicht entblößt, sondern soll der Schamhaftigkeit halber
und um der Kälte zu wehren, bekleidet sein; deshalb
bedürft ihr aller dieser Dinge."; Ich antwortete: ";Soll
ich vielleicht auf meine Bürgschaft für eine gewisse
Zeit ein Gelddarlehen aufnehmen?"; Die Mutter
antwortete: ";Bist Du gewiß, dasselbe in einer vorher
bestimmten Zeit zahlen zu können, so nimm ein Darlehen
auf, außerdem unterlasse es. Denn es ist besser für
Dich, einen Tag der Speise zu entbehren, als auf das
ungewisse Bürgschaft zu leisten."; - Und ich: ";Soll ich
vielleicht, um unseren Unterhalt zu gewinnen, mich einer
Arbeit unterziehen?"; Die Mutter antwortete: ";Was thust
Du gegenwärtig und täglich?"; Ich antwortete: ";Ich
lerne die Grammatik, bete und schreibe."; Die Mutter
sprach aber darauf: ";Es ziemt sich nicht, eine solche
Arbeit um leiblicher Arbeit willen aufzugeben."; Und
ich: ";Was haben wir aber nun morgen zu leben ?"; Die
Mutter antwortete: ";Bittet im Namen Jesu Christi, wen
ihr nichts anderes habt.";
Die
Mutter Gottes sagt, wie die Seele des Menschen, welcher
Gottes Wort redet, wenn er darum gescholten und
geschmäht wird, glänzend schön gefärbt wird. Wer aber
seinen Leib zur Ehre Gottes ermüdet, dessen Seele wird
göttliche Süßigkeit erlangen und geziert werden. Dem
aber, welchem sein guter Ruf geschmälert wird, und der
den Verleumder nicht haßt, wird die Seele mit kostbaren
Kleidern, welche Gott angenehm sind, geschmückt. Gottes
Freunde sollen sich daher plagen, die Seelen der Sünder
zu erlösen, welche unter dem Felsen der Sünde
unterdrückt und in Gefahr liegen.
Die
Mutter sprach: ";Betrübe Dich nicht, wenn Du die Worte
Gottes vor denen reden sollst, welche dieselben nicht
gern hören; denn wer der Worte Gottes halber Schmach und
Widerdersspruch [sic!] leiden muß und trägt es geduldig,
dessen Seele schmückt eine solche Schmach überaus schön,
und wenn jemand seinen Leib abmattet für die Ehre
Gottes, dessen Seele wird mit Süßigkeit erfüllt und mit
Schönheit bekleidet werden. Die Seele des Menschen,
welche vernimmt, daß man ihr den guten Ruf
abgeschnitten, aber dem Verleumder doch nichts Böses
wünscht, wird gleichsam mit den schönsten Kleidern
geschmückt, dergestalt daß der Bräutigam, welcher Ein
Gott in drei Personen ist; jene Seele für die ewige
Liebe seiner Gottheit begehrt. Deshalb sollen sich die
Freunde Gottes gern mühen, um diejenigen zu bekehren,
welche die Hoffart und die Begierlichkeit mehr lieben,
als Gott; denn sie liegen gleichsam unter einem Berge,
und deshalb muß man arbeiten, daß sie lebend
hervorgezogen werden. Gleichwie derjenige, welcher seine
Brüder unter einem abgestürzten Felsen liegen sieht,
zuweilen am Felsen schüttelt, um ihn abzubröckeln,
bisweilen aber leise abbricht, damit der darunter
Liegende nicht zu schwer niedergedrückt werde, zuweilen
aber stärker schüttelt, damit der Felsen von dem
darunter Liegenden desto schneller hinwegbewegt wird und
dabei nicht seine Mühe in Betracht zieht, wenn nur das
Leben dessen, der in Gefahr daliegt, frei wird, also
sollen auch die Freunde Gottes arbeiten, damit die
Seelen errettet werden. Wie nun wenige waren, welche den
rechten Glauben hatten, als der Sohn Gottes auffuhr zum
Himmel, so sind jetzt wenige, welche jenes Gebot
erfüllen: Du sollst Gott lieben über alle Dinge, und den
Nächsten wie dich selber. Darum sollen die Freunde
Gottes, wie ehemals zu den Heiden, so jetzt zu den
Christen gehen; denn wie es unmöglich war, daß
diejenigen den Himmel erlangten, welche den Glauben
vernommen, aber nicht gehalten hatten, so ist es
unmöglich, daß die Christen den Himmel erlangen, welche
ohne die Liebe Gottes dahinsterben.";
Christus vergleicht sich mit einem Arzte, welcher einen
heilsamen, gar süßen Trank bereitet, und der bereit ist,
den Trank der göttlichen Süßigkeit allen zu geben,
welche denselben in Liebe verlangen. Diesen Trank
versuchen diejenigen, welche gesund am Geiste sind, und
ergötzen sich daran. Die aber geistlicherweise krank
sind, finden keinen Gefallen daran, den Geist Gottes zu
kosten.
Christus sprach zur Braut: ";Ich bin wie ein guter, süße
Heilmittel bereitender Arzt, zu welchem alle hinlaufen,
welche ihn lieben, weil sie wissen, daß sein Trank süß
ist. Diejenigen aber, welche von der Süßigkeit seines
Trankes genießen und bedenken, daß er heilsam ist,
besuchen unausgesetzt das Haus des Arztes; diejenigen
aber, welche nach dem Tranke einiges Schneiden
empfinden, fliehen ihn. Ebenso ist es mit dem
geistlichen Tranke, welcher der heilige Geist ist. Denn
der Geist Gottes ist süß beim Kosten und führt zur
Stärkung aller Glieder, und läuft hinab durch das Herz,
daß es fröhlich wird wider die Anfechtungen. Ich; Gott,
bin jener Arzt und Süßigkeitsbereiter, der ich erbötig
bin, meinen Trank allen zu geben, welche denselben mit
Liebe verlangen. Derjenige aber ist gesund und geeignet,
meinen Trank zu empfangen, der nicht den Willen hat, in
der Sünde zu bleiben, sondern, nachdem er meinen Trank
gekostet, sofort seine Freude daran hat, denselben zu
trinken. Wer aber den Willen hat, in der Sünde zu
verharren, hat keine Lust daran, den Geist Gottes zu
haben.";
Die
Mutter Gottes Gibt die Gewißheit zu erkennen, wie sie
nach Vorschrift des göttlichen Gehorsams von ihren
Eltern ohne einige Erbsünde empfangen ist.
Die
Mutter Gottes sprach: ";Wenn jemand bei dem Willen zu
fasten, dennoch Lust zum Essen hätte, dieser Lust aber
Widerstand leistete und von seinem Oberen, dem er
Gehorsam schuldig, den Befehl erhielte, er solle aus
Gehorsam essen, und er äße nun aus Gehorsam wider seinen
Willen, so würde dieses Essen eines größeren Lohnes
würdig sein, als das Fasten. In ähnlicher Weise hat die
Beiwohnung meiner Eltern, mittels deren ich erzeugt
worden bin, stattgefunden. Und deshalb ist es Wahrheit,
daß ich ohne Erbsünde und in keiner Sünde empfangen
worden bin, weil, wie mein Sohn und ich niemals
gesündigt haben, so keine Ehe gewesen ist, welche
ehrbarer gewesen wäre, als diejenige, aus welcher ich
entsprossen bin.";
Worte
der Jungfrau an die Braut, wie Gott nichts so sehr
gefüllt, als daß er von den Menschen über alles geliebt
werde. Sie zeigt dieses an dem Beispiele einer
heidnischen Frau, welche um der großen Liebe willen, die
sie zum Schöpfer trug, Gnade erlangt hat.
Die
Mutter redete zur Braut und sprach: ";Nichts gefällt
Gott so sehr, als wenn der Mensch ihn über Alles liebt.
Siehe, ich will Dir ein Beispiel von einer heidnischen
Frau erzählen. Diese wußte vom katholischen Glauben
nichts und dachte bei sich also: Ich weiß, von welchem
Stoffe ich bin, und wovon ich in meiner Mutter Leib
gekommen bin. Ich glaube auch, es sei unmöglich, daß ich
einen Leib und Glieder, Eingeweide und Sinne hätte, wenn
mir dieselben nicht jemand gegeben hätte, und darum Gibt
es einen Schöpfer, der mir eine so schöne menschliche
Gestalt gegeben und mich nicht so häßlich als die Würmer
und Schlangen hat erschaffen wollen. Es scheint mir
also, daß, wenn ich auch gar viele Männer hätte und alle
mich riefen, ich mehr der einzigen Stimme meines
Schöpfers nacheilen würde, als der Stimme jener aller.
Ich habe auch gar viele Söhne und Töchter, gleichwohl
würde ich, wenn ich sähe, daß sie Speisen in der Hand
hätten und wüßte, daß mein Schöpfer Hunger empfände,
meinen Kindern die Speise aus den Händen nehmen und
dieselbe voll Freuden meinem Schöpfer darreichen. Ich
habe auch viele Besitzungen, über welche ich nach meinem
Willen verfüge; wüßte ich aber, daß es der Wille meines
Schöpfers sei, so würde ich meinem Willen entsagen und
sie zur Ehre meines Schöpfers verwenden.
Nun
siehe, meine Tochter, was Gott an dieser heidnischen
Frau getan hat! Er sendete ihr einen seiner Freunde, der
sie im heiligen Glauben unterwies. Auch hat Gott selber
ihr Herz besucht, wie Du aus des Weibes Worten wirst
abnehmen können. Denn als dieser Mann Gottes ihr
predigte, daß ein Gott sei ohne Anfang und Ende, welcher
der Schöpfer aller Dinge ist, so antwortete jene: Es ist
ganz wohl glaublich, daß derjenige, welcher mich und
alle Dinge erschaffen, keinen Schöpfer über sich habe;
und es ist sehr wahrscheinlich, daß sein Leben ewig ist,
da er mir das Leben hat geben können. Als aber das Weib
vernahm, daß derselbe Schöpfer von einer Jungfrau die
Menschheit angenommen und selber mit eigenem Munde
predigte, antwortete sie: Ja, darum ist zu allen guten
Werken der Glaube an Gott notwendig! Ader Du, Freund
Gottes, sage mir, was für Worte sind es, welche aus
Deines Schöpfers Munde hervorgegangen; denn ich will
meinem Willen entsagen und allen Worten seines Mundes
folgen. Als nun der Freund Gottes vom Leiden und Kreuze
Gottes und von seiner Auferstehung predigte, antwortete
das Weib mit Tränenerfüllten Augen und sprach:
Gebenedeit sei Gott, der so geduldiglich seine Liebe auf
Erden zu erkennen gegeben hat, die er gegen uns im
Himmel gehabt! Wenn ich ihn daher vorhin geliebt habe,
weil er mich erschaffen, so bin ich jetzt noch mehr
verpflichtet, ihn zu lieben, weil er mir den rechten Weg
gezeigt und mit seinem Blute mich erlöst hat. Ich bin
auch verpflichtet, ihm mit allen Kräften und Gliedern zu
dienen, weil er mich mit allen seinen Gliedern erlöst
hat. Außerdem bin ich schuldig, alles eigene Verlangen
von mir zu tun, das ich früher nach Besitztum, Kindern
und Verwandten gehabt, und nur meinen Schöpfer in seiner
Herrlichkeit und in jenem Leben zu begehren, das kein
Ende hat. Die Mutter Gottes sprach auch: Siehe, meine
Tochter, wie jene Frau auch einen vielfältigen Lohn für
ihre Liebe erlangt hat. So wird auch einem jeden täglich
die Belohnung nach demjenigen gewährt, wie er Gott
liebt, während er in der Welt lebt.";
Eine
heilsame geistliche Lehre, wie der Mensch dreierlei
Feinden der Seele antworten soll, nämlich: dem Teufel,
der mit Hoffart, Begierlichkeit u. s. w. versucht;
zweitens den Freunden und Hausgenossen, welche den Rat
geben, der Mensch solle nicht gerecht und demütig u. s.
w. sein; und drittens den Neidern, welche dem Menschen
Schande und Schaden und ein kurzes Leben wünschen.
";Der
Mensch, den Du kennst hat drei Feinde. Der erste ist ihm
überall nahe, wo er immer sein, ob er wachen oder
schlafen mag, er sieht ihn aber nicht. Der zweite ist
sein Hausgenosse und in seiner Nähe, wenn er wacht, aber
diesen hört er nicht. Der dritte ist außer seinem Hause,
er kennt ihn nicht, derselbe aber hasset ihn. Der erste
Gegner ist der Teufel, welcher ihn zur Hoffart und
Begierlichkeit und auf viele andere Art versucht. Wider
diesen Feind soll er eine Geißel brauchen und also bei
sich denken: O Teufel, du hast nichts Gutes gegeben,
noch erschaffen, weshalb soll ich nach deinem Willen
mich der Hoffart ergeben? Du suchst mich zu verderben,
Christus aber ruft mich zum Leben; deshalb ist es
billig, daß ich deinen Willen fliehe und dem Willen
Gottes und seinen Geboten folge. Wer nun in solcher
Absicht wacht oder schläft, der bewegt die Geißel wider
den Teufel, welcher dadurch bestürzt und verjagt wird.
Der
zweite Feind sind seine Hausgenossen und seine Diener,
welche ihm sprechen: Du wirst in Deinen Schaden rennen,
wenn Du gar zu gerecht bist; Du könntest zuweilen den
eigenen Nutzen schaffen, wenn Du zu vielem schweigen
würdest; weil Du aber gar zu demütig bist, so wirst Du
verachtet. Besitze Deinen Reichtum und mache uns mit Dir
reich, strebe nach der Welt Ehren und wir werden mit Dir
getröstet werden. Dieser Feind läßt sich täglich hören,
und darum muß gegen diesen Feind eine dicke Mauer
aufgeführt werden, damit man ihn nicht hört. Diese Mauer
aber ist der gute Wille, nämlich, daß man um der
Gerechtigkeit willen lieber Armut, als Reichtum mit
Ungerechtigkeit haben möchte, und lieber um der Demut
willen Schande, als Ehre aus Hoffart. Dem Feinde,
welcher solchen Rat Gibt, antworte also: Wenn ich etwas
wider Gott tue, so halte mich zurück und warne mich,
weil ich mich dann über Deine Worte mehr freue, als
betrübe. Der Art soll aber die Mauer zwischen ihm und
seinen Feinden sein, daß ihre Worte wie ein Wind über
die Mauer hinwegwehen und sein Herz nicht berühren, daß
es von der Liebe Gottes abgezogen werde.
Der
dritte Feind ist der, den er nicht kennt. Das sind
Leute, die ihm Schande und Schaden, und zu dem Ende ein
kurzes Leben wünschen, daß sie selbst Ehren und der Welt
Glück erlangen. Wider diesen Feind soll er sich eines
starken Strickes bedienen, d. h. der Liebe zu Gott und
dem Nächsten. daß er gern das, was Gott ihn leiden
lassen will, zu leiden begehre und niemand schaden
wolle; alsdann wird ihm die Schande, welche die Feinde
ihm zu bereiten beabsichtigen, in Ehre gewandelt werden
und der Schaden in Nutzen, das kurze Leben in ein
langes, und der Feind dadurch also gebunden werden, daß
er zu schaden außer Stande sein wird.";
Als
die Braut sich wunderte und vor Christo der ihr
gewährten Gnade, nämlich im Geiste das zu sehen und zu
hören, was im Himmel, im Reinigungsorte und in der Hölle
vorgeht, sich für unwert hält, wird dieses von Christo
und seiner Mutter am Anfange und am Ende des Kapitels
schön ausgelegt. Es wird ihr am Beispiele dreier Weiber,
deren sie selber eines im Fegfeuer, das andere in der
Hölle auf das schwerste gepeinigt werden sah, gezeigt,
wie diejenigen, welche ihren Töchtern Lehre und Beispiel
zum Vorwitz und zur Hoffart geben, sowie ihre Töchter,
welche dieses befolgen, schrecklich verdammt werden.
";Lob
sei Dir, mein Gott,"; sprach die Braut, ";für alles, was
erschaffen worden ist, und die Ehre für alle Deine
Heiligkeit; wegen Deiner Liebe möge Dir von jedermann
Verehrung erwiesen werden. Ich unwürdige und von meiner
Jugend an Sünderin, danke Dir, mein Gott, daß Du keinem
Sünder, der Dich bittet, Gnade verweigerst, sondern Dich
aller erbarmst und ihrer schonst. O süßester Gott,
wunderbar ist, was Du an mir thust; denn wenn es Dir
gefällt, so wiegest Du meinen Geist in einen geistlichen
Schlaf, und weckest dann meine Seele auf, um Geistliches
zu sehen, zu hören und zu empfinden. O mein Gott, wie
süß sind Deine Worte meiner Seele, welche dieselben wie
die süßeste Speise verschlingt, und welche mit Freuden
eingehen in mein Herz. Denn wenn ich Deine Worte höre,
bin ich gesättigt und hungrig; gesättigt, weil mich
nichts ergötzt, als Deine Worte; hungrig aber, weil ich
dieselben mit noch größerer Inbrunst zu hören begehre.
Deshalb, gebenedeiter Gott, hilf mir, allezeit Deinen
Willen zu tun.";
Christus antwortete: ";Ich bin ohne Anfang und ohne
Ende, und alles, was da ist, ist durch meine Macht
erschaffen worden. Alles wird durch meine Weisheit
geordnet und alles durch meinen Ratschluß regiert. Auch
alle meine Werke werden in Liebe geordnet, deshalb ist
mir nichts unmöglich; allein gar zu hart ist jenes Herz,
das mich weder liebt, noch fürchtet, da ich doch der
Lenker und Richter aller Dinge bin. Dagegen erfüllt der
Mensch lieber den Willen des Teufels, meines Henkers und
Verräters, der reichlich das Gift in der Welt
ausschenkt, durch welches die Seelen nicht leben können,
sondern in den Tod der Hölle versenkt werden. Dieses
Gift aber ist die Sünde, welches süß schmeckt, obwohl es
für die Seele bitter ist und täglich von des Teufels
Hand über viele ausgestreut wird. Ist so etwas erhört,
daß den Menschen das Leben angeboten wird, sie aber den
Tod erwählen? Doch bin ich, Gott aller Dinge, geduldig
und habe mit ihrem Elende Erbarmen; denn ich tue wie ein
König, welcher seinen Dienern Wein sendet und spricht:
Bringet denselben vielen zum Trinken, weil er heilsam
ist; er Gibt den Kranken Gesundheit, den Trauernden
Freude, den Gesunden ein männliches Herz; der Wein wird
aber nur in einem geeigneten Gefäße gesendet. So habe
ich meine Worte, welche mit einem Wein verglichen
werden, durch Dich, die Du mein Gefäß bist, das ich nach
meinem Willen anfüllen und ausschöpfen will, meinen
Dienern gesendet, denn mein heiliger Geist wird Dich
lehren, wohin Du gehen, was Du sprechen sollst. Deshalb
rede voll Freude und unverzagt, was ich befehle; denn
niemand wird über mich die Obergewalt erhalten.";
Darauf entgegnete ich: ";O König aller Herrlichkeit, der
Du eingießest alle Weisheit und spendest alle Tugenden,
weshalb nimmst Du mich, die ich meinen Leib in Sünden
verzehrt habe, zu solchem Deinem Werte an? Denn ich bin
wie ein unverständiger Esel, mir mangelt es an Tugenden,
und ich habe in allem gesündigt und es nicht gebüßt.";
Der Geist antwortete: ";Wer würde sich wundern, wenn ein
Herr aus den ihm geschenkten Münzen oder Metallen sich
eine Krone oder Ringe oder Becher zu seinem Gebrauche
machen lassen wollte? So ist es auch kein Wunder, wenn
ich die mir zum Geschenke dargebrachten Herzen meiner
Freunde annehme und darin meinen Willen tue, weil einer
mehr, der andere weniger Verstand hat. Also gebrauche
ich eines jeglichen Gewissen, wie es zu meiner Ehre
dient; denn das Herz des Gerechten ist meine Münze. Sei
deshalb beständig und zu meinem Willen bereit.";
Darauf redete die Mutter Gottes und sprach zu mir: ";Was
sagen die stolzen Weiber in Deinem Reiche ?"; Ich
antwortete ihr: ";Ich bin eine unter ihnen und schäme
mich deshalb, vor Deinem Angesichte zu reden."; Und die
Mutter sprach: ";Obwohl ich dies besser weiß, als Du, so
will ich es doch von Dir sagen hören."; Und ich
antwortete: ";Als uns die wahre Demut gepredigt ward,
sprachen wir: Unsere Väter haben uns weite Besitzungen
und schöne Gebräuche vererbt; weshalb sollen wir ihnen
nicht nachfolgen? Auch unsere Mutter saß unter den
ersten, war edel gekleidet, hatte sehr viele Diener und
zog uns mit Ehren auf; weshalb sollte ich dergleichen
nicht auch auf meine Tochter vererben, die ich gelehrt
habe, sich edel zu benehmen und in leiblicher Freude zu
leben, und auch mit großer Ehre der Welt zu sterben ?";
Die Mutter Gottes antwortete: ";Jegliches Weib, das
diesen Worten mit der Tat nachfolgt, geht auf dem
richtigen Wege zur Hölle, und darum ist eine solche
Antwort hart; denn was hilft es, dergleichen Worte zu
gebrauchen, während der Schöpfer aller Dinge geduldet
hat, daß sein Leib mit aller Demut, von seiner Geburt an
bis zu seinem Tode, auf Erden weilte und niemals ein
Gewand der Hoffart ihn bekleidete? Fürwahr, solche
Weiber betrachten sein Angesicht nicht, wie er lebend
und tot am Kreuze hing, blutig, bleich vor Schmerzen,
und kümmern sich auch nicht um die Schmähreden, die er
selber anhörte, noch um den verächtlichen Tod, den er
sich erwählt. Sie erinnern sich auch des Ortes nicht, wo
er den Geist aufgab, weil da, wo Diebe und Räuber
hingerichtet wurden, auch mein Sohn getötet wurde und wo
auch ich, unter allen Kreaturen ihm die liebste und die
demütigste, gegenwärtig gewesen bin. Und darum sind die,
welche solcher Hoffart und Pracht ergeben und anderen
zur Gelegenheit sind, solches nachzutun, einem
Sprengwedel ähnlich, welcher, wenn er in heiße
Flüssigkeit getaucht worden, alles verbrennt und
besudelt, was er besprengt; denn so geben die
Hoffärtigen anderen das Beispiel zur Hoffart, wodurch
sie ihren Seelen schwere Brandwunden verursachen.
Deshalb will ich nun wie eine gute Mutter handeln,
welche den Kindern Furcht einflößt, indem sie dieselben
eine Rute sehen läßt, welche auch die Diener sehen. Die
Kinder, welche dieselbe erblicken, fürchten, die Mutter
zu beleidigen, und danken ihr, daß sie ihnen nur
gedroht, jedoch nicht geschlagen hat; die Diener aber
fürchten geschlagen zu werden, wenn sie Fehler begehen,
und so tun die Kinder aus jener Furcht der Mutter mehr
Gutes, als zuvor, die Diener aber weniger Böses. Weil
ich nun die Mutter der Barmherzigkeit bin, deshalb will
ich Dir die Belohnung der Sünde zeigen, auf daß die
Freunde Gottes aus Liebe Gottes brünstiger werden, die
Sünder aber ihre Gefahr erkennen und wenigstens aus
Furcht die Sünde fliehen, und auf diese Weise erbarme
ich mich der Bösen und der Guten: der Guten, damit sie
eine schönere Krone im Himmel erlangen; der Bösen, damit
sie einer minderen Strafe verfallen; und niemand ist ein
solcher Sünder, dem ich nicht zu helfen bereit bin, und
dem mein Sohn nicht Gnade gewährte, wenn er mit Liebe um
Barmherzigkeit bittet."; -
Hierauf erschienen drei Weiber, nämlich: eine Mutter,
deren Tochter und Enkelin. Die Mutter und Enkelin
erschienen wie tot, die Tochter aber lebend. Die Mutter
schien wie aus einem finstern See und aus Kot
hervorzukriechen. Ihr Herz war abgerissen, ihre Lippen
abgeschnitten, ihr Kinn zitterte, ihre glänzend weißen
und langen Zähne klapperten. Ihre Nase war zerfressen,
die herausgerissenen Augen hingen an zwei Nerven auf die
Wangen herab. Die Stirn zeigte sich eingesenkt, und an
ihrer Stelle erschien eine ungeheuere, finstere Tiefe.
Im Haupte fehlte die Hirnschale, und das Gehirn wallte
auf wie glühendes Blei und floß hinab wie Pech. Ihr Hals
wurde herumgedreht wie Holz auf der Drehbank, das mit
einem scharfen Hobeleisen trostlos gedrechselt wird. Die
offene Brust war voll langer und kurzer Würmer, deren
jeder sich über den anderen hin und her wälzte, und ihre
Arme hatten mit den Handhaben eines Schleifsteins
Ähnlichkeit. Die Hände glichen langen und knotenvollen
Keulen, und alle Wirbel ihres Rückgrates waren lose,
einer hob sich, während der andere niederging, und
nimmer hörten sie auf sich zu bewegen. Eine große und
lange Schlange zog sich vom unteren Teile des Magens
nach dem oberen hinauf; wie ein Bogen hatte dieselbe
Kopf und Schwanz ineinandergefügt, und ging wie ein Rad
beständig um die Eingeweide herum. Die Schenkel und
Schienbeine erschienen wie zwei Dornenstecken voll sehr
spitziger Stacheln. Ihre Füße waren wie Krötenfüße.
Diese tote Mutter redete ihre lebende Tochter an und
sprach: ";Höre, Du Eidechse, Du vergiftete Tochter! Wehe
mir, daß ich jemals Deine Mutter geworden bin! Ich bin
es, die Dich hineinsetzte in das Nest der Hoffart, in
welchem Du, warm geworden, gewachsen bist, bis Du zu
Deinem Alter kamst, und dieselbe gefiel Dir so wohl, daß
Du Dein Alter darin verbracht hast. Deshalb sage ich
Dir, daß Du, so oft Du die Augen im hoffärtigen Anblick
hin und her wendest, wie ich es Dir gelehrt habe,
wallendes Gift zu unerträglicher Glut mir in die Augen
schleuderst; so oft Du die Worte der Hoffart redest,
welche Du von mir gelernt, so oft verschlinge ich den
bittersten Trank; so oft der Schwall der Hoffart, den
die Stürme vermessener Freude über das Lob Deiner
Schönheit und das Verlangen nach weltlicher Ehre
erregten, Deine Ohren erfüllt, was Du von mir gelernt
hast, - eben so oft erfüllt mit erschrecklichem Brausen
ein brennend heiß wehender Wind meine Ohren. Wehe also
mir Armen und Elenden! arm darum, weil ich nichts Gutes
habe, noch empfinde; elend, weil ich Überfluß habe an
allen Übeln. Aber Du, meine Tochter, bist ähnlich einem
Kuhschweife, welcher bei jeder Bewegung an kotigen
Stellen die Nahenden besudelt und bespritzt. Einer Kuh,
Tochter, bist Du ähnlich, weil Du keine göttliche
Weisheit hast und nach den Werken und Bewegungen Deines
Leibes gehst. So oft Du daher den Werken meiner
Gewohnheit folgst, nämlich den Sünden, welche ich Dich
gelehrt habe, so oft erneuert sich meine Pein und
entbrennt um so heftiger. Darum, meine Tochter, frage
ich Dich, weshalb bist Du stolz auf Dein Geschlecht? Ist
es eine Ehre für Dich, daß meine unflätigen Eingeweide
Dein Kissen waren, daß Du aus meiner Scham
herausgegangen bist, daß die Unreinigkeit meines Blutes
Dein Kleid war, als Du geboren wurdest? Deshalb ist mein
Schoß, in welchem Du gelegen, jetzt ganz von Würmern
zernagt. -
Allein was klage ich über Dich, meine Tochter, da ich
mich mehr über mich selbst beklagen müßte? Denn drei
Dinge sind es, welche mich jetzt gar schwer im Herzen
quälen: Erstens, daß ich von Gott für die himmlische
Freude erschaffen worden, mein Gewissen gemißbraucht und
für den höllischen Schmerz zubereitet habe. Zweitens,
daß, während Gott mich schön geschaffen wie einen Engel,
ich mich selber entstellt habe, daß ich einem Teufel
ähnlicher bin, als einem Engel Gottes. Drittens, weil
ich in der mir gewährten Zeit einen gar üblen Tausch
getroffen, und jene kurze vergängliche Lust der Sünde
erwählt habe, wofür ich jetzt ein unendliches Leib,
nämlich die Pein der Hölle empfinde.";
Hierauf redete sie mit der Braut: ";Du,"; sprach sie,
";Du, die Du mich nur mittels leiblicher Gleichnisse
siehst, würdest, wenn Du mich in meiner wirklichen
Gestalt erblicken solltest, vor Furcht sterben, weil
alle meine Glieder Teufel sind. Daher ist die Schrift
wahr, welche sagt, daß, gleichwie die Gerechten Glieder
Gottes sind, also die Sünder Glieder des Teufels sind.
So erfahre ich nun jetzt, daß die Teufel angeheftet sind
an meine Seele, weil der Wille meines Herzens mich zu so
großer Häßlichkeit umgestaltet hat. Aber höre weiter. Es
kommt Dir vor, als seien meine Füße Krötenfüße. Das hat
seinen Grund darin, daß ich fest gestanden habe in der
Sünde; deshalb stehen die Teufel jetzt fest in mir,
beißen mich und werden nimmer satt. Meine Schienbeine
und Schenkel aber sind wie Krötenstöcke, weil mein Wille
auf fleischliche Lust und Freude gerichtet war. Wenn
aber jeglicher Wirbel meines Rückens los ist, und ein
jeder gegen den anderen bewegt wird, so ist dieses
darum, weil die Freude meiner Seele zuweilen gar zu sehr
durch weltlichen Trost sich gehoben hat, zuweilen aber
durch übergroße Trauer und Zorn infolge der
Widerwärtigkeit der Welt herabgesunken ist. Wie nun der
Rücken sich nach der Bewegung des Hauptes bewegt, so
hätte ich beständig und beweglich sein sollen nach dem
Willen Gottes, der das Haupt aller Guten ist; weil ich
das jedoch nicht getan, leide ich mit Recht, was Du
siehst. Wenn aber eine Schlange sich vom unteren Teile
des Magens hinaufwindet nach dem oberen, wie ein Bogen
stehe und sich wendet wie ein Rad, so ist es deshalb,
weil meine Lust und mein Vergnügen unordentlich waren,
und mein Wille alles hat besitzen und vielfältig und
unklug hat verschleudern wollen. Darum geht jetzt die
Schlange um meine Eingeweide herum und beißt mich auf
untröstliche und unbarmherzige Weise. Daß aber die Brust
offen und von Würmern zernagt ist, das zeigt Gottes
wahre Gerechtigkeit, denn ich habe die Fäulnis mehr
geliebt, als Gott, und das Vergängliche war meines
Herzens Liebe. Wie nun aus den kleinen Würmern längere
Würmer hervorgingen, so ward meine Seele für die
Fäulnis, welche ich geliebt, mit Teufeln erfüllt. Auch
meine Arme erscheinen wie Schleifsteinstiele; das kommt
daher, weil mein Verlangen gleichsam zwei Arme hatte,
indem ich nämlich ein langes Alter gewünscht habe, um
lange in der Sünde zu leben, auch begehrt habe, das
Gericht Gottes möge milder sein, als die Schrift
spricht; allein mein Gewissen hat mir wohl gesagt, daß
meine Zeit kurz, das Gericht Gottes aber unerträglich
sein würde, während meine Begierde zu sündigen, mir
eingegeben hat, daß mein Leben lang und das Gericht
Gottes erträglich sein werde; durch solche Eingebungen
ward mein Gewissen verkehrt, und so folgten Wille und
Verstand der Lust und dem Vergnügen. Deshalb wird nun
auch der Teufel in meiner Seele wider meinen Willen
bewegt, und mein Gewissen erkennt und fühlt, daß das
Gericht Gottes gerecht sei. Meine Hände aber sind wie
lange Keulen; das ist deshalb, weil mir die Gebote
Gottes nicht angenehm gewesen, weshalb meine Hände mir
zur Last und ohne allen Nutzen sind. Wenn der Hals
jedoch herumläuft wie ein Holz, das mit einem scharfen
Eisen gedreht wird, so geschieht solches deshalb, weil
mir die Worte Gottes, um von der Liebe meines Herzens
aufgenommen zu werden, nicht süß, sondern gar zu bitter
gewesen sind, da sie meines Herzens Lust und Freude
straften, und deshalb steht mir jetzt ein scharfes
Messer an der Kehle. Meine Lippen sind mir aber darum
abgeschnitten, weil sie bereit gewesen zu leichtfertigen
und hoffärtigen Worten, aber faul und träge die Worte
Gottes zu reden. Wenn aber das Kinn zitternd erscheint
und die Zähne aneinanderschlagen, so geschieht es
deshalb, weil ich den vollständigen Willen gehabt habe,
meinem Leibe Speise zu geben, damit ich schön,
wünschenswert, gesund und stark zu allen
Ergötzlichkeiten des Leibes erscheinen möchte; darum
wackelt mein Kinn ohne Trost. Die Zähne aber klappern
gegeneinander, weil sie arbeiteten und verzehrten ohne
jegliche Frucht für die Seele. Die Nase ist wie
abgeschnitten und, wie es auch unter den Menschen zur
Schande derjenigen zu geschehen pflegt, welche sich in
ähnlicher Weise versündigen, ist auch mir das Brenneisen
der Schande für die Ewigkeit angesetzt. Wenn die Augen
ferner an zwei Nerven aus die Wangen herabhängen, so ist
es gerecht; denn wie sich die Augen an der Schönheit der
Wangen um ruhmsüchtiger Hoffart willen erfreut haben, so
sind sie jetzt vom vielen Weinen ausgerissen und hängen
zur Schande auf die Wangen herab. Gerecht auch ist es,
daß die Stirn eingesunken und an deren Stelle eine
schreckliche Finsternis ist, weil meine Stirn der
Schleier der Hoffart umhüllt hat, da ich um der
Schönheit willen gesehen und gerühmt werden wollte,
deshalb ist meine Stirn jetzt finster und häßlich.
Ebenso ist es billig, daß das Gehirn aufwallt und
herabfließt wie gegossenes Blei und Pech, weil, wie das
Blei beweglich und nach dem Willen dessen, der dasselbe
gebraucht, biegsam ist, so sich auch mein Gewissen, das
im Gehirn lag, dem Willen meines Herzens fügte, obgleich
ich ganz wohl erkannte, was zu tun war. Aber auch das
Leiden des Sohnes Gottes haftete keineswegs in meinem
Herzen, sondern stoß heraus, obwohl ich es kannte, aber
wie eine gleichgültige Sache nicht beachtete, und so
wenig kümmerte ich mich um das Blut, das von den
Gliedern des Sohnes Gottes herabfloß, als wie um Pech;
aber wie Pech floh ich die Worte der Liebe Gottes, damit
sie mich nicht von des Leibes Ergötzlichkeit abwenden,
noch mich beunruhigen möchten. Doch hörte ich um der
Menschen willen zuweilen Gottes Worte; allein sie gingen
mit der nämlichen Leichtigkeit wieder heraus, als sie
hineingegangen waren, und darum läuft jetzt das Gehirn
heraus wie brennendes Pech, wenn es glühend aufwallt.
Meine Ohren sind mit harten Steinen verstopft, weil die
Worte der Hoffart mit Freuden hineingingen und lieblich
hinabstiegen in das Herz, aus welchem die Liebe Gottes
ausgeschlossen war. Und weil ich um der Welt und um der
Hoffart willen alles getan habe, was ich vermochte,
deshalb sind meine Ohren jetzt für die Worte ewiger
Freude verschlossen. Du kannst nun wohl fragen: ob ich
nicht auch einige verdienstliche Werke getan habe? Ich
antworte Dir: Ich habe es wie ein Wechsler gemacht,
welcher die Münze beschneidet und dieselbe ihrem Herrn
zurückGibt. Also habe ich gefastet, Almosen gegeben und
andere Werke verrichtet; das habe ich aber aus Furcht
vor der Hölle getan und um den Widerwärtigkeiten des
Leibes zu entgehen. Weil aber die Liebe Gottes von
meinen Warten wie abgeschnitten war, vermochten diese
Werke nicht, mir den Himmel zu erlangen; doch sind
dieselben nicht unbelohnt geblieben. Ferner kannst Du
fragen, wie ich inwendig meinem Willen nach bin, da
meine Häßlichkeit von außen so groß ist? Ich antworte:
Mein Wille ist wie der eines Totschlägers und
Muttermörders, der gern seine Mutter töten möchte, denn
so wünsche ich meinem Gott und Schöpfer das ärgste Übel,
obgleich er sehr gut und süß gegen mich gewesen ist."; -
Hierauf redete die tote Enkelin der eben gedachten toten
Großmutter ihre noch lebende Mutter an und sprach:
";Höre Du Skorpion von Mutter. Wehe mir, Du hast mich
betrogen; Dein Angesicht war fröhlich gegen mich, aber
in mein Herz hast Du tödlich gestochen. Du hast mir drei
Ratschläge mit Deinem Munde gegeben, dreifaches habe ich
aus Deinen Werken gelernt und in Deinem Fortgange hast
Du mir drei Wege gezeigt. Zuerst hast Du mir geraten,
fleischlich zu lieben, um fleischliche Freundschaft zu
erlangen, dann das Zeitliche um der Ehre der Welt willen
verschwenderisch auszugeben, drittens Ruhe zu haben um
der Lust des Leibes willen. Diese drei Dinge sind mir
sehr schädlich gewesen; denn weil ich fleischlich
geliebt, haßte ich das Geistliche und erwarb mir
Schande; weil ich verschwenderisch das Zeitliche
verschleudert habe, bin ich der Gnadengaben Gottes im
Leben beraubt worden und habe nach dem Tode Schande
davongetragen; weil ich im Leben an der Ruhe des
Fleisches meine Freude gefunden, deshalb bemächtigte
sich in der Stunde des Todes meiner Seele eine trostlose
Unruhe. Dreifaches habe ich auch aus Deinen Werken
gelernt, nämlich: einige gute Werke zu tun, aber nicht
von der Sünde zu lassen, die mich vergnügte; gleichwie
ein Mensch, der Gift in Honig mischt und es dem Richter
bringt, der Richter aber schüttet es mit Unwillen über
ihn aus und eben dieses erfahre ich auch mit vieler
Angst und Bestürzung. Zweitens habe ich eine wunderbare
Art gelernt, mich zu kleiden, nämlich die Augen mit
Linnentuch zu bedecken. an den Füßen Sandalen und an den
Händen Handschuhe, den ganzen Hals aber auswendig nackt
zu tragen. Das die Augen verhüllende Linnentuch bedeutet
die Schönheit meines Leibes, welche meine geistlichen
Augen also verschattete, daß ich der Schönheit meiner
Seele gar nicht achtete. Die Sandalen, welche die Füße
unten, aber nicht oberhalb schützen, bedeuten den
heiligen Glauben der Kirche, an welchem ich getreulich
gehalten habe; allein es folgten demselben keine
fruchtbaren Werke. Gleichwie die Sandalen die Bewegung
der Füße fördern, so befördert auch der Glaube das
Gewissen der Seele, - meine Seele aber war wie nackt,
weil dem Glauben keine guten Werke folgten. Die
Handschuhe an den Händen bedeuten die eitle Hoffnung,
welche ich gehabt habe, denn ich habe meine Werke,
welche durch die Hände bedeutet werden, ausgestreckt in
die weite, reichliche Barmherzigkeit Gottes, und wenn
ich an die Gerechtigkeit Gottes stieß, fühlte ich sie
nicht, noch beachtete ich sie und bin deshalb gar zu
verwegen gewesen im Sündigen. Als aber der Tod nahe kam,
fiel der Schleier von meinen Augen auf die Erde, das
ist, auf meinen Leib, und da sah und erkannte sich die
Seele, daß sie nackt war, denn meiner guten Werke waren
wenig, meiner Sünden sehr viel und vor Scham konnte ich
im Palaste des himmlischen Königs nicht stehen, weil ich
schandbar gekleidet war; darum zogen mich die Teufel in
die harte Pein, wo ich mit Schanden verspottet wurde. -
Als drittes habe ich, Mutter, von Dir gelernt, den
Knecht zu kleiden mit den Gewändern des Herrn, ihn auf
den Stuhl des Herrn zu setzen, und ihn wie den Herrn zu
ehren, und was der Knecht übrig gelassen, das
Verächtlichste, dem Herrn darzureichen. Dieser Herr aber
ist die Liebe Gottes; der Knecht jedoch der Wille, zu
sündigen. In meinem Herzen also, worin die göttliche
Liebe herrschen sollte, erhielt der Knecht einen Sitz,
d. h. die Lust und Freude an der Sünde, mit der ich mich
damals bekleidete, als ich alles Erschaffene und
Zeitliche zu meiner Lust verwendet habe. Die
Überbleibsel, den verächtlichen Abwurf habe ich Gott,
nicht aus Liebe, sondern aus Furcht gegeben, und es
ergötzte sich mein Herz an dem Erfolge der Freude meiner
Wollust, weil die Liebe Gottes und der gute Herr von mir
ausgeschlossen, der böse Knecht bei mir eingeschlossen
war. Siehe, Mutter, diese drei Dinge habe ich aus Deinen
Werken gelernt. - Ebenso hast Du mir drei Wege gezeigt
in Deinem Wandel. Der erste war leuchtend, und als ich
auf demselben einhergeschritten war, ward ich von seinem
Glanze geblendet; der andere war kurz, aber schlüpfrig
wie Eis und als ich auf demselben einen Schritt vorwärts
getan hatte, glitt ich einen Schritt rückwärts; der
dritte Weg war sehr lang, und als ich auf demselben
fortschritt, kam ein ungestümer Gießbach hinter mir
drein und führte mich hinweg in eine tiefe Grube unter
einen Berg. Unter dem ersten Wege ist der Fortschritt
meiner Hoffart zu verstehen; derselbe war gar glänzend;
denn die Ruhmsucht, welche von der Hoffart ausgeht, hat
dergestalt in meinen Augen geleuchtet, daß ich nicht an
ihr Ende gedacht habe, und deshalb bin ich blind
gewesen. Unter dem zweiten Wege wird der Ungehorsam
verstanden, denn die Zeit des Ungehorsams in diesem
Leben dauert nicht lang, weil der Mensch nach dem Tode
zum Gehorsame genötigt wird. Mir aber ist die Zeit lang
gewesen; denn als ich einen Schritt vorwärts gegangen
war, nämlich in der Demut der Beicht, glitt ich einen
Schritt rückwärts; ich hatte Verlangen nach der
Verzeihung der begangenen Sünden, aber nach abgelegter
Beicht habe ich die Sünde nicht meiden wollen, und
deshalb bin ich in dem Fußstapfen des Gehorsams nicht
fest gestanden, sondern zurückgefallen in die Sünde, wie
jemand, der auf dem Eise ausgleitet; denn der Wille war
kalt und wollte nicht ablassen von dem, was mich
erfreute. Wenn ich demnach einen Schritt dadurch
vorwärts Tat, daß ich meine Sünden beichtete, glitt ich
einen zurück, weil ich die Sünden und Vergnügungen,
welche ich gebeichtet, wiederholen wollte. Der dritte
Weg war, daß ich auf Unmöglichkeit hoffte, nämlich:
Sünde tun zu können, ohne lange Strafe zu haben; lange
leben zu können, ohne daß die Stunde des Todes schnell
herbeieilen würde. Und als ich auf diesem Wege
einhergeschritten war, kam ein ungestümer Gießbach,
nämlich der Tod, hinter mir her, der von Jahr zu Jahr
mir näher kam und meinen Füßen die Strafe der
Schwachheit brachte, so daß ich bei herannahender
Schwäche nur wenig mehr auf leibliches Wohlsein und noch
weniger auf das Heil der Seele habe achtgeben können?
Deshalb fiel ich in eine tiefe Grube, als mein Herz,
welches hoch in der Hoffart und hart in der Sünde war,
zersprang und die Seele tief hineinfiel in die Grube der
Strafe für meine Sünde. Und deshalb war dieser Weg mir
gar zu lang, weil, nachdem das Leben des Fleisches zu
Ende gegangen war, die lange Pein alsbald begann. Weh
mir daher, meine Mutter! denn alles, was ich mit Freude
von Dir erlernt, das bezahle ich jetzt mit Weinen.";
Ferner redete die nämliche tote Tochter zur Braut,
welche dieses sah und sprach: ";Höre, Du, die Du mich
siehst. Dir scheint es, als ob mein Haupt und Antlitz
wie ein nach innen und außen blitzender Donnerstreich,
und als ob Hals und Brust wie mit hartem Preßstocke voll
langer Stacheln bedeckt wäre. Du siehst, wie meine Arme
und Füße wie lange Schlangen sind und mein Bauch
geschlagen mit harten Hämmern wird, wie meine Schenkel
und Schienbeine wie Wasser sind, das aus den Dachrinnen
herabfließt und im Herabfließen gefriert. Allein eine
innerliche Strafe ist mir noch bitterer, als alles das.
Wie eine Person, der alle Luftgänge des Lebensgeistes
verstopft sind, deren Adern, alle mit Wind gefüllt, sich
nach dem Herzen pressend drängen, und deren Herz vor der
Gewalt und Stärke des Windes zu brechen anfängt, so bin
ich, aus Anlaß des Windes der Hoffart, an der ich so
großes Wohlgefallen hatte, in meinem Innern im tiefsten
Elend. Gleichwohl bin ich auf dem Wege des Erbarmens,
weil ich in meiner schweren Krankheit so gut, als ich
nur vermochte, jedoch aus Furcht, gebeichtet habe. Als
sich der Tod mir nahte, trat mir die Betrachtung des
Leidens meines Gottes vor den Sinn, und namentlich, wie
solches weit schwerer und bitterer gewesen, denn das
meinige, das ich meiner Sünden wegen zu erdulden
verdiente. Durch diese Betrachtung habe ich Tränen
erlangt und seufzte, daß die Liebe Gottes gegen mich so
groß, und die meinige gegen ihn so klein sei. Da schaute
ich ihn an mit den Augen meines Gewissens und sprach: O
Herr, ich glaube an Dich, meinen Gott! erbarme Dich
meiner, Du Sohn der Jungfrau! um Deines bitteren Leidens
willen, denn von nun an möchte ich gern mein Leben
bessern, wenn ich Zeit hätte. Im nämlichen Augenblicke
wurde mir in meinem Herzen ein Fünklein der Liebe
entzündet, daß mir das Leiden Christi bitterer schien,
als mein Tod, und so brach mir das Herz. Meine Seele
gelangte in die Hand der Teufel, um Gott im Gerichte
dargestellt zu werden. In die Hände der Teufel aber kam
ich deshalb, weil es sich nicht ziemte, daß die
Schönheit der Engel einer Seele von solcher Häßlichkeit
sich nahte. Als aber vor dem Gerichte Gottes die Teufel
riefen, meine Seele müsse zur Hölle verdammt werden,
sprach der Richter: Ich sah ein Fünklein Liebe in ihrem
Herzen; dieses darf nicht verlöscht werden, sondern muß
vor meinem Antlitze bleiben, und deshalb verurteile ich
diese Seele zur Läuterung, bis sie, würdiglich
gereinigt, Verzeihung zu erlangen verdient. Ferner wirst
Du fragen können, ob ich alles des Guten teilhaftig sein
werde, das für mich geschieht? Ich antworte Dir mittels
eines Gleichnisses. Wie, wenn Du zwei Wagschalen hängen
sähest, und in einer wäre Blei, das natürlicherweise
herunterzöge, in der anderen aber etwas Leichtes, das
hinauftriebe; mit je größerem oder mehrerem nun die
leichtbelegte Schale beschwert würde, um so schneller
würde sich die andere Wage, welche schwer und gewichtig
ist, heben; so ist es auch mit mir. Denn je tiefer ich
in der Sünde gewesen, desto schwerer bin ich abwärts
gezogen zur Pein. Alles darum, was zu Ehren Gottes für
mich geschieht, hebt mich empor aus der Pein, und
namentlich das Gebet und das Gute, das durch gerechte
Menschen und die Freunde Gottes geschieht, und die
WohlTaten, welche aus wohlerworbenen Gütern gereicht
werden, sowie die Werke der Liebe. Dies ist es, was mich
täglich Gott näher kommen läßt.";
Hierauf redete die Mutter Gottes zur Braut und sprach:
";Du wunderst Dich, wie ich, die Königin des Himmels,
und Du in der Welt, und jene Seele im Reinigungsorte und
jene in der Hölle so miteinander reden; das will ich Dir
wohl sagen. Ich entferne mich freilich niemals aus dem
Himmel, weil ich niemals vom Anschauen Gottes getrennt
werden kann; auch die Seele, welche in der Hölle ist,
kann von den Peinen nicht gesondert werden, ebensowenig
die Seele aus dem Reinigungsorte, bevor dieselbe
gereinigt worden, und auch Du wirst vor der Trennung des
leiblichen Lebens nicht zu uns kommen. Aber Deine Seele
wird mit Deiner Einsicht durch die Kraft des Geistes
Gottes emporgehoben, um die Worte Gottes im Himmel zu
hören, und es wird Dir verstattet, einige Peinen in der
Hölle und im Fegfeuer zu wissen, den Bösen zur Warnung
und den Guten zum Troste und zur Förderung. Gleichwohl
sollst Du wissen, daß Dein Leib und Deine Seele auf
Erden zusammengefügt sind, der heilige Geist aber,
welcher im Himmel ist, Gibt die Einsicht, seinen Willen
zu erkennen.";
Erklärung.
Hier
ist von drei Frauen die Rede, von denen die dritte in
ein Kloster gegangen und die übrige Zeit ihres Lebens in
großer Vollkommenheit zugebracht hat.
Christus tadelt die Prälaten, welche auf ihre geistliche
Vorsteherschaft stolz sind, und spricht: ";Sie sollten
gegen ihre Unterthanen demütig, im Leben und Wandel
tugendhaft und in Gerechtigkeit und Billigkeit auf ihren
Nutzen bedacht sein; sie sollen sich selber richten, auf
daß sie nicht über sich selbst sich erheben, sondern
vielmehr ihre eigenen Gebrechen kennen lernen und
Mitleid tragen möchten mit den Gebrechen ihrer
Untergebenen nach dem
Vorbilde Christi, welcher auch eher hat handeln und
leiden wollen, als lehren, lieber dienen, als bedient
werden. Sie sollen auch ihre Untergebenen fleißig
strafen, damit sie nicht nach dem Vorgange des Priesters
Heli verdammt werden.";
Der
Sohn redete zur Braut und sprach: ";Es ist eine große
Sache, ja ein großes Wunder, daß, wo der König der
Herrlichkeit sich gedemütigt, daselbst der zur
Rechenschaft verpflichtete Mensch mit Hoffart sich
aufblähen will. Wenn einer anderen vorgesetzt wird, darf
er deshalb nicht stolz werden, weil er ein geistlicher
Vorgesetzter ist, sondern er soll vielmehr in Furcht
sein, weil alle von gleicher Natur sind und alle Gewalt
von Gott kommt, und wenn, wer Vorgesetzter wird, gut
ist, so ist er es von Gott zum eigenen und zum Heile
anderer, ist er aber böse, so ist er es durch Zulassung
Gottes den Untergebenen zur Strafe und zum eigenen
strengeren Gerichte. Es ist auch kein Wunder, sondern
würdig und recht, daß der Mensch, welcher verschmäht
hat, sich seinem Schöpfer zu unterwerfen, die Herrschaft
eines niederen und seinesgleichen erfahre. Wenn denn nun
einer entweder gezwungen wird, oder begehrt,
Vorgesetzter zu sein, soll er sich gegen die
Untergebenen so erweisen, daß er beliebt in seinem
Wandel und Leben und durch Gerechtigkeit und Billigkeit
ihnen zum Nutzen sei. Wegen der Gleichheit von Natur
soll ein jeglicher, der Vorgesetzter ist, sich demütigen
und das Maß an sich selber nehmen, damit er sich nicht
über sich selber erhebe, und soll an sich selber lernen,
mit anderen Erbarmen zu haben. Er soll sich auch
fürchten, daß ihm nicht mit demselben Maße wieder
gemessen werde, womit er misset.
So
habe ich, Gott und Mensch, mich selber erniedrigt und
obwohl ich durch mein Wissen des Menschen Gebrechen
erkannt, so habe ich sie doch durch Erdulden der Pein
und des Kreuzes aus Erfahrung kennen gelernt. Und
deshalb, um mich anderen zum Vorbilde hinzugeben, habe
ich eher angefangen, zu tun, als zu lehren, und habe
dienen, aber nicht bedient werden wollen. So hat auch
meine Mutter, obwohl sie die Gebieterin der Apostel war,
dennoch vor allen die Demut geliebt, und ist gleichsam
eine gewesen mit den geringsten, deshalb aber auch
emporgestiegen zum höchsten Glücke. Daher soll der
geistliche Vorgesetzte in seinen eigenen Schwächen die
Gebrechen seiner Untergebenen kennen lernen, und
aufmerksam sein, daß er nicht durch Worte oder
Beispiele, oder den Mißbrauch seiner Gewalt anderen
Ursache und Anlaß zum Sündigen geben möge, weil nichts
den Zorn Gottes also hervorruft und die Menschen zur
Sünde anreizt, als die Leichtfertigkeit der Prälaten.
Wenn Heli, der Priester, in der Kraft seines
Priesterstandes verblieben wäre, wie Moses und Phinees,
und seine Söhne in geistlicher Weise lieb gehabt hätte,
so würde sein ganzes Geschlecht erhalten worden sein.
Weil er aber den Söhnen fleischlich hatte gefallen
wollen, hat er ihnen sein Gedächtnis in Trübsal und
seinen Nachkommen in Schande hinterlassen.";
Christus sagt, wie diese Welt vor seiner Ankunft eine
Wüste gewesen, worin ein trüber Brunnen, d. h. die Liebe
der Welt, sich befand, zu welchem die gleichsam blinden
Heiden und Juden auf sieben Wegen der Sanden geführt
wurden. Er selbst aber hat nach Annahme der Menschheit
die Welt erleuchtet, indem er die Wege zum Himmel
zeigte. Nachdem diese nunmehr verwüstet sind, sendet er
jetzt diese seine Worte des gegenwärtigen Buches in die
Welt. Wer dieselben angenommen und mit der Tat gehalten
haben wird, wird gerettet werden.
Maria
sprach zum Sohne: ";Gebenedeit seist Du, mein Sohn, Du
bist der Anfang, ohne Anfang der Zeit, und die Macht,
ohne welche niemand mächtig ist. Ich bitte Dich, mein
Sohn, vollende mit Macht, was Du mit Weisheit
angefangen."; Der Sohn antwortete: ";Du bist wie ein
süßer Trank dem Dürstenden, und als ein Quell, der das
Dürre tränkt, denn durch Dich fließt allen Gnade zu;
deshalb werde ich tun, um was Du bittest."; Wiederum
sprach der Sohn: ";Diese Welt war vor meiner
Menschwerdung gleichsam eine Wüste, worin sich ein
trüber und unreiner Brunnen befand, nach dessen Genusse
alle daraus Trinkenden noch heftiger dürstete, und die
triefenden Augen noch schlimmer wurden. Neben diesem
Brunnen standen zwei Männer, deren einer rief und
sprach: Trinket getrost! denn es kommt ein Arzt, welcher
alles Siechtum hinwegnimmt. Der andere aber sprach:
Trinket voll Freude; es ist Eitelkeit, das Ungewisse zu
begehren. Zu diesem Brunnen führten sieben Wege und alle
verlangten nach dem Brunnen. Mit Recht wird diese Welt
einer Wüste verglichen, worin wilde Tiere, unfruchtbare
Bäume und schmutzige Gewässer sind, weil der Mensch wie
ein Tier begierig war, das Blut seines Nächsten zu
vergießen, unfruchtbar in Werken der Gerechtigkeit, und
unrein durch Unenthaltsamkeit und Begierlichkeit. In
dieser Wüste nun wurde von den Menschen der trübe
Brunnen ausgesucht, nämlich: die Liebe der Welt und ihre
Ehre, welche sich in Hoffart erhebt, aber in der Sorge
des Fleisches im Herzen Unruhe und Sturm erregt. Der
Pfad zu demselben führt wie auf sieben Wegen der sieben
Todsünden. Die beiden am Brunnen stehenden Männer
bedeuten die Lehrer der Heiden und Juden. Die Lehrer der
Juden waren stolz auf das Gesetz, welches sie hatten,
aber nicht hielten und weil sie sehr begehrlich waren,
reizten sie das Volk durch Wort und Beispiel an, das
Zeitliche zu suchen, indem sie sprachen: Lebt ohne
Sorgen, denn der Messias wird kommen und alles wieder
herstellen. Die Lehrer der Heiden aber sprachen:
Gebrauchet die Geschöpfe, welche ihr sehet; denn die
Welt ist deshalb erschaffen, daß wir uns freuen.
Als
nun der Mensch also blind dastand, daß er weder Gott,
beachtete, noch an die Zukunft dachte, bin ich, mit dem
Vater und dem heiligen Geiste Ein Gott, in die Welt
gekommen, habe die Menschheit angenommen, öffentlich
gepredigt und gesprochen: Was Gott verheißen und Moses
geschrieben, hat sich erfüllt. Liebt also das
Himmlische; denn das Zeitliche vergeht, und ich will
euch das Ewige geben. Ich habe auch jenen siebenfachen
Weg gezeigt, auf welchem der Mensch von seiner Eitelkeit
sich abkehren sollte; denn ich habe die Armut und den
Gehorsam gezeigt und Fasten und Beten gelehrt, ich
verbarg mich zu Zeiten vor den Menschen, blieb allein im
Gebete und nahm die Schmach auf mich, ich habe Mühsal
und Schmerzen erwählt, ich habe Peinen und einen
verächtlichen Tod ausgestanden. Diesen Weg habe ich
durch mein Beispiel selber gezeigt und meine Freunde
sind auf demselben lange einhergewandelt. Jetzt aber ist
der Weg verwüstet. Die Hüter schlafen und die
Vorübergehenden ergötzen sich an eitlen und neuen
Dingen. Deshalb will ich mich erheben und nicht
schweigen. Ich will hinwegnehmen die Stimme der Freude
und meinen Weinberg an andere vergeben, welche Frucht
bringen werden zu ihrer Zeit. Doch nach dem gemeinen
Sprichworte werden unter den Feinden auch Freunde
gefunden. Deshalb will ich meinen Freunden Worte
schicken, süßer als Datteln, lieblicher als Honig,
köstlicher als Gold. Wer dieselben aufnehmen und
bewahren wird, wird den Schatz erhalten, der in
glücklicher Weise ewig ist und nicht abnimmt, sondern
gewahrt wird im ewigen Leben.";
Die
Mutter Gottes sagt, wie jene Stunde, in welcher sie von
ihren Eltern gezeugt worden, mit Recht die goldene
genannt werden könne, welche dabei mehr aus Gehorsam,
als mit eigenem Willen thätig waren, und wobei die Liebe
Gottes wirksamer gewesen ist, als die Lust des
Fleisches. Allein Gott hat gewollt, daß die Art ihrer
Empfängnis nicht sofort allen bekannt würde, bis die
Wahrheit zur vorher verordneten Zeit deutlich würde.
Die
Mutter Gottes sprach: ";Als mein Vater und meine Mutter
ehelich zusammenkamen, hat solches mehr der Gehorsam,
als der Wille getan und ist dabei mehr die göttliche
Liebe, als die Lust des Fleisches thätig gewesen. Denn
die Stunde, in welcher ich empfangen ward, kann recht
wohl die goldene und kostbare Stunde genannt werden,
weil, während andere Eheleute aus fleischlicher Lust
zusammenkommen, meine Eltern aus Gehorsam und auf das
Gebot Gottes zusammenkamen. Wohl war daher
meine
Empfängnis eine goldene Stunde, denn das war der Anfang
des Heiles aller und die Finsternis eilte gleichsam
ins Licht. Gott wollte etwas Besonderes, vor der Welt
Verborgenes in seinem Werke tun, gleichwie er an dem
dürren Stabe getan, der da blühte. Aber wisse, daß meine
Empfängnis nicht allen bekannt geworden ist; denn Gott
hat gewollt, daß, wie dem geschriebenen Gesetze das
natürliche und die freiwillige Wahl des Guten und Bösen
vorausgegangen ist, und nachher erst das geschriebene
Gesetz folgen mußte, das alle unordentlichen Regungen
beschränken sollte, also auch seine Freunde fromme
Zweifel über meine Empfängnis haben möchten, jeder aber
seinen Eifer zeigen solle,
bis die Wahrheit in der
vorausgeordneten Zeit klar werden würde."; (Pius
IX.)
Maria
erzählt, wie ihre Geburt durch die gemeine Pforte
erfolgt und der Anfang der wahren Freuden gewesen ist,
weil damals ein Reis aufgegangen, aus welchem eine Blume
hervorgegangen, nach welcher alle Völker verlangten, bei
deren Geburt die Teufel knirschten, die Gerechten
fröhlich und die Engel erfreut waren. Sie beklagt sich
über die Weiber, welche solches nicht mit Andacht
bedenken.
Maria
sprach: ";Als meine Mutter mich geboren, bin ich durch
die allgemeine Pforte herausgegangen, denn niemand hat
auf eine andere Weise geboren werden sollen, als einzig
mein Sohn, der, wie er der Natur und aller Dinge
Schöpfer ist, so auch auf wunderbare und
unaussprechliche Weise hat wollen geboren werden. Als
ich aber geboren ward, blieb es den Teufeln nicht
verborgen; sondern sie dachten, durch ein Gleichnis zu
reden, etwa also: Sehet, es ist eine Jungfrau geboren,
was sollen wir tun? denn es ist etwas Wunderbares,
anzusehen, das künftig an ihr geschehen wird. Halten wir
ihr alle Netze unserer Bosheit vor, so wird sie
dieselben wie Werg zerreißen, durchsuchen und ihr ganzes
Innere, so ist sie durch starken Schutz geschirmt, auch
wird an ihr keine Makel gefunden, so daß eine Sünde nur
von der Größe einer Nadelspitze an ihr zu bemerken wäre.
Es steht zu befürchten, daß ihre Reinigkeit uns zur
Marter sein, daß ihre Gnade, was in uns an Stärke ist,
vernichten, ihre Standhaftigkeit uns unter ihre Füße
werfen wird. Die Freunde Gottes aber, die in langer
Erwartung waren, sagten aus Eingebung Gottes: Weshalb
trauern wir länger? Wir sollen uns vielmehr freuen, daß
das Licht geboren worden, durch welches unsere
Finsternis erleuchtet, unser Verlangen vollendet werden
wird. Die Engel Gottes aber freuten sich, obwohl ihre
Freude in dem immerwährenden Anschauen Gottes war und
sprachen: Auf Erden ist etwas Angenehmes und von einer
besonderen Liebe Gottes geboren, wodurch im Himmel und
auf Erden der wahre Friede erneuert und unsere Verluste
ersetzt werden. Wahrlich, Tochter, ich sage Dir, daß
meine Geburt der Anfang der wahren Freude gewesen ist,
weil damals das Reis aufgegangen ist, aus welchem jene
Blume sproßte, nach welcher die Könige und Propheten
verlangt haben. Nachdem ich nun das Alter erreicht
hatte, in welchem ich etwas von meinem Schöpfer
verstehen konnte, ward ich von einer unaussprechlichen
Liebe zu ihm ergriffen, und verlangte nach ihm mit
ganzem Herzen. Ich bin auch durch eine wunderbare Gnade
erhalten worden, daß ich selbst im zarten Alter in keine
Sünde willigte, weil die Liebe Gottes, die Sorgfalt
meiner Eltern, die ehrbare Erziehung, der Umgang mit
Frommen und der brünstige Eifer, Gott zu kennen,
beharrlich mit mir waren. Nun aber beklage ich mich, daß
die Weiber, welche in Angst geboren, selbst in
Unreinigkeit gebären und sich an derselben erfreuen,
nicht acht haben auf meine allerreinste Geburt, sondern
ärger sind als die Tiere, da sie ohne Vernunft leben.
Sie leben durchaus nach dem Fleische; aber ihre
Wollüstigkeit wird vorübergehen, weichen wird vor ihnen
der Geist der Reinigkeit, fliehen vor ihnen die ewige
Freude, und der Geist der Unreinigkeit, dem sie folgten,
wird sie berauschen.";
Die
Jungfrau Maria redet an einem Tage der Reinigung mit der
Braut und sagt, daß sie der Reinigung nicht bedurfte,
weil sie ohne Makel und rein war. Damit aber die
Prophezeiungen erfüllt würden, habe sie in und nach dem
Gesetze leben, auch nichts Besonderes an sich haben
sehen lassen, vielmehr demütiglich wandeln wollen. Sie
sagt auch, daß das Schwert, welches Simeon
vorherverkündigt, ihre Seele im Leben mit sechs
Schmerzen durchdrungen.
Maria
redete zur Braut des Sohnes und sprach: ";Meine Tochter,
Du mußt wissen, daß ich der Reinigung nicht bedurfte,
wie andere Frauen, weil mein Sohn, der von mir geboren
ward, selber mich gereinigt hat. So habe ich auch nicht
die geringste Befleckung erhalten, da ich den
allerreinsten Sohn ohne irgend eine Unreinigkeit
geboren. Damit aber erfüllt würden das Gesetz und die
Propheten, habe ich in und nach dem Gesetze leben
wollen. Ich lebte auch nicht nach Weise weltlich
gesinnter Eltern, sondern verkehrte demütig mit
Demütigen, auch habe ich nichts Besonderes an mir
hervorheben wollen, sondern alles, was demütig war,
liebte ich. An einem Tage nun, wie heute, hat sich mein
Schmerz gemehrt; denn obwohl ich ans göttlicher
Eingebung wußte, daß mein Sohn leiden werde, so hat doch
nach den Worten Simeons, daß meine Seele ein Schwert
durchdringen und mein Sohn gesetzt werde zu einem
Zeichen, dem widersprochen würde, jener Schmerz mein
Herz noch schärfer durchbohrt, welcher bis zu meiner
Aufnahme mit Leib und Seele in den Himmel meinem Herzen
niemals gefehlt, obschon er durch den Trost . des
Geistes Gottes gemildert ward. Ich will auch, daß Du
wissest, daß seit diesem Tage mein Schmerz sechsfach
gewesen. Erstens war er in meinen Gedanken, denn so oft
ich meinen Sohn anblickte, so oft ich ihn einwickelte in
die Windeln, so oft ich seine Hände und seine Füße
anschaute, so oft ist mein Gemüt gleichsam von neuem
Schmerze verschlungen worden, weil ich gedachte, wie er
gekreuzigt werden würde. Zweitens war mein Schmerz in
meinem Gehöre; denn so oft ich die Schmachreden gegen
meinen Sohn und die Lügen, sowie die ihm gelegten
Nachstellungen vernahm, so oft ward mein Gemüt von
Schmerz erregt, so daß es sich kaum zu halten vermochte;
doch behielt mein Schmerz durch Gottes Kraft Maß und
Anständigkeit, so daß weder Ungeduld, noch
Leichtmütigkeit an mir wahrgenommen ward. Drittens
empfand mein Gesicht den Schmerz; denn als ich meinen
Sohn gebunden und gegeißelt werden und am Kreuze hängen
sah, stürzte ich wie entseelt nieder; als ich aber
meinen Geist wieder bekommen, stand ich wohl voll
Schmerzen, aber so geduldig leidend, daß weder die
Feinde, noch andere an mir etwas anderes fanden, als
Standhaftigkeit. Viertens hatte ich den Schmerz im
Gefühle; denn ich habe meinen Sohn mit anderen vom
Kreuze herabgenommen, ihn eingehüllt und in das Grab
gelegt, und so nahm damals mein Schmerz zu, daß kaum
meine Hände und Füße Kraft hatten zum Bestehen. Ach! wie
gern hätte ich mich damals mit meinem Sohne begraben
lassen. Fünftens hatte ich schmerzhaftes, heftiges
Verlangen, zu meinem Sohne zu kommen, nachdem er zum
Himmel aufgefahren war, weil der lange Verzug, den ich
nach seiner Himmelfahrt in der Welt aushielt, meinen
Schmerz vermehrte. Sechstens litt ich Schmerzen wegen
der Trübsale der Apostel und der Freunde Gottes, deren
Schmerz auch der meinige war, da ich stets in Furcht und
Betrübnis schwebte; in Furcht, sie möchten unter den
Versuchungen und Trübsalen erliegen, in Betrübnis, weil
die Worte meines Sohnes überall Widerspruch fanden. Und
wie die Gnade Gottes bei mir verharrte und mein Wille
nach dem Willen Gottes sich richtete, so war meinem
steten Schmerze auch Trost beigemischt, bis ich mit Leib
und Seele zu meinem Sohne in den Himmel aufgenommen
ward. Deshalb, meine Tochter, laß diesen Schmerz nicht
aus Deiner Seele weichen, weil, wenn keine Trübsale
wären, nur gar wenige in den Himmel kommen würden.";
Die
Mutter Gottes sagt zur Braut, wie ihr unter den übrigen
Schmerzen ein nicht geringer derjenige gewesen, als sie
vor Furcht mit ihrem Sohne nach Ägypten floh und hörte,
daß der Sohn von Herodes verfolgt und die unschuldigen
Kinder ermordet würden. Sie erzählt gar schön, was der
Sohn von seiner Kindheit und Jugend an bis zur Zeit
seines Predigens und Leidens vorgenommen.
Maria
redete mit der Braut und sprach: ";Ich habe Dir von
meinen Schmerzen erzählt. Allein jener Schmerz war nicht
der kleinste, den ich gehabt, als ich meinen Sohn trug
und nach Ägypten floh und als ich vernahm, daß die
unschuldigen Kinder getötet würden und Herodes meinen
Sohn verfolgte. Obgleich ich aber wußte, was von meinem
Sohne geschrieben worden, ward doch mein Herz wegen der
großen Liebe, die ich zu ihm hatte, mit Schmerz und
Trauer erfüllt. Nun aber wirst Du fragen können, was
mein Sohn in der ganzen Zeit seines Lebens, bevor sein
Leiden anhob, vorgenommen? Ich antworte, daß er, wie das
Evangelium spricht, seinen Eltern unterthan gewesen und
sich verhielt, wie andere Kinder, bis er zu reiferem
Alter gelangte. Auch mangelten seiner Jugend keine
Wunder. Wie haben die Geschöpfe ihm, ihrem Schöpfer,
gedient! Die Götzenbilder verstummten bei seiner Ankunft
in Ägypten und stürzten zusammen. Die Weisen haben
vorhergesagt, mein Sohn werde sein ein Zeichen großer
zukünftiger Dinge! Die Engel dienten ihm auf sichtbare
Weise. Nicht die geringste Unreinlichkeit oder
Verwirrung an seinen Haaren war zu bemerken. Das alles
zu wissen hast Du nicht nötig, da im Evangelium die
Zeichen seiner Gottheit und Menschheit vorgelegt werden,
welche Dich und andere erbauen können. Als er nun aber
zu einem erwachsenen Alter gekommen war, lag er
beständigem Gebete ob, und ging mit uns zu den
festgesetzten Festen hinauf gen Jerusalem und nach
anderen Orten. Sein Angesicht und seine Rede waren so
wunderbar und angenehm, daß viele Betrübte sagten:
Lasset uns hingehen zum Sohne Mariens; wir können von
ihm getröstet werden. Als er zunahm an Alter und
Weisheit, deren er vom Anfange an voll war, arbeitete er
mit den Händen, was schicklich war, und redete zu uns
insbesondere Trostworte und Worte der Gottheit, so daß
wir unaufhörlich mit unaussprechlicher Freude erfüllt
wurden und als wir in Furcht, in Armut und Beschwernis
waren, machte er keineswegs Gold oder Silber, sondern
ermahnte uns zur Geduld, und wir wurden wunderbarlich
vor Neidern bewahrt; was wir notwendig hatten, kam uns
bisweilen durch das Mitleid frommer Herzen zu, bisweilen
aus unserer Arbeit, so daß wir das Notwendige allein zum
Unterhalte, nicht zum Überflusse hatten, weil wir weiter
nichts suchten, als Gott allein zu dienen. Zu Hause
unterhielt er sich in traulicher Weise mit den Freunden,
welche dahin kamen, über das Gesetz, dessen Bedeutungen
und Vorbilder. Er disputierte auch öffentlich mit weisen
Männern, daß sie sich wunderten und sprachen: Sehet, der
Sohn Josephs lehrt die Schriftgelehrten, ein großer
Geist redet in ihm. Als er mich einmal, während ich über
sein Leiden nachdachte, mit tiefster Trauer erfüllt sah,
sprach er zu mir: Glaubst Du nicht, Mutter, daß ich im
Vater bin und der Vater in mir ist? Bist Du befleckt
worden durch meinen Eingang, oder hattest Du Schmerz
durch meinen Ausgang? Weshalb wirst Du eingenommen von
Trauer? Denn der Wille meines Vaters ist es, daß ich den
Tod erleide, ja, mein Wille ist mit dem Vater. Was ich
aber vom Vater habe, das kann nicht leiden, sondern das
Fleisch, das ich von Dir angenommen, wird leiden, damit
das Fleisch der anderen erlöst werde, die Geister aber
errettet werden. Er war auch so gehorsam, daß, wenn ihm
Joseph etwa sagte: Tue dieses oder das! er es sogleich
Tat; denn er verbarg die Macht seiner Gottheit
dergestalt, daß dieselbe nur von mir und zuweilen von
Joseph erkannt werden konnte, die wir sehr häufig ein
wunderbares Licht ihn umleuchten sahen und englische
Stimmen über ihm singen hörten. Wir haben auch gesehen,
wie die unreinen Geister, welche durch die nach unserem
Gesetze bewährten Verschwörer nicht ausgetrieben werden
konnten, beim Anblicke der Gegenwart meines Sohnes
ausgefahren sind. Siehe, Tochter, das soll immerdar in
Deinem Gedächtnisse sein; danke auch Gott gar
aufrichtig, daß er durch Dich seine Kindheit anderen hat
offenbaren wollen.";
Die
Jungfrau erzählt der Braut, was sie sofort, nachdem sie
den Sohn empfangen, gefühlt, und was sie und Elisabeth
bei ihrer gegenseitigen Umarmung . empfunden; von ihrem
heiligen Verkehre miteinander, und wie der Engel sie
tröstete, da sie sich fürchtete, und den Joseph
unterwies, als er verwundert war. Sie meldet auch die
gar heilige Weise, zu leben, welche sie selbst und
Joseph beobachteten, und von vielen bemerkenswerten
Tugenden Josephs.
Die
Mutter Gottes sprach: ";Als der Engel mir angekündigt
hatte, daß der Sohn Gottes von mir geboren werden solle,
empfand ich, sobald ich eingewilligt hatte, etwas
Ungewohntes und Wunderbares an mir; darüber verwunderte
ich mich sehr und ich ging sogleich hinauf zu meiner
Base Elisabeth, welche gesegneten Leibes war, um
dieselbe zu trösten und mit ihr über dasjenige zu
sprechen, was mir der Engel verkündigt hatte. Nachdem
sie mir bei einem Brunnen begegnete, und wir uns
freudenvoll einander umarmten und küßten, hüpfte auf
eine wunderbare und sichtliche Weise das Kind in ihrem
Leibe in jubelnder Bewegung auf und freute sich. Auch
ich wurde in ähnlicher Weise durch eine ungewohnte
Freude in meinem Herzen bewegt, so daß meine Zunge von
mir nicht erdachte Worte von Gott redete und meine Seele
sich da vor Freuden kaum zu fassen wußte. Als Elisabeth
die Inbrunst des Geistes bewunderte, der in mir redete,
und ich in nicht unähnlicher Weise an ihr die Gnade
Gottes bewunderte, priesen wir beide Gott und blieben
etliche Tage lang bei einander. Nun aber begann der
Gedanke an meinen Geist zu schlagen, in welcher Weise
und mit welcher Andacht ich mich nach solcher mir
widerfahrenen Gnade verhalten müsse, auch was ich
antworten solle, wenn ich gefragt würde, wie ich
empfangen habe, und wer der Vater des Sohnes sei, den
ich gebären sollte, auf daß nicht etwa Joseph auf
Betreiben des Widersachers seltsamen Argwohn wider mich
schöpfen möge. Und siehe! da ich so dachte, trat ein
Engel, demjenigen ähnlich, den ich zuvor gesehen, vor
mich hin und sprach: Unser Gott, der da ewig ist, ist
mit Dir und in Dir. Fürchte Dich also nicht, er wird Dir
zu reden geben; er selbst wird Deine Schritte und Deine
Sache lenken, er wird sein Werk an Dir mächtig und weise
vollenden. Joseph aber, dem ich anvertraut war, wunderte
sich, als er bemerkt, daß ich gesegneten Leibes war und
da er sich nicht für würdig hielt, bei mir zu wohnen,
und ängstlich wurde und nicht wußte, was er tun sollte,
sagte der Engel im Schlafe zu ihm: Weiche nicht von der
Dir vertrauten Jungfrau, weil es ganz wahr ist, wie Du
von ihr gehört hast; sie hat empfangen vom Geiste Gottes
und wird einen Sohn, den Heiland der Welt, gebären;
diene ihr also getreulich und sei ein Hüter und Zeuge
ihrer Keuschheit. Von diesem Tage an diente mir Joseph
wie seiner Gebieterin, und auch ich demütigte mich zu
seinen niedrigsten Werken. Hierauf war ich beständig im
Gebete, und mochte selten gesehen werden und sehen, ging
auch sehr selten und nur zu den hauptsächlichsten Festen
aus und lag fleißig dem Wachen und Lesen dessen ob, was
von unseren Priestern gelesen ward. Ich hatte bestimmte
Zeiten für die Handarbeiten und war maßvoll im Fasten,
wie es meine Natur im Dienste Gottes vertragen konnte.
Was uns jedoch nach dem notdürftigen Speisebedarf
übrigblieb, gaben wir den Armen, und waren mit dem, was
wir hatten, zufrieden. Joseph aber diente mir so, daß
niemals aus seinem Munde ein unanständiges Wort
vernommen wurde, auch kein mürrisches oder zürnendes;
denn er war sehr geduldig in der Armut, besorgt im
Arbeiten, wo es notwendig war, sehr sanftmütig gegen
Scheltende, sehr folgsam in meinem Gehorsame, mein sehr
emsiger Verteidiger gegen diejenigen, welche meine
Jungfräulichkeit verkleinern wollten; ein gar getreuer
Zeuge der Wunder Gottes. Er war auch der Welt und dem
Fleische so abgestorben, daß er nichts begehrte, als das
Himmlische. Er war so gläubig für die Verheißungen
Gottes, daß er beständig sagte: Ach, daß ich leben und
den Willen Gottes erfüllt sehen möchte! Er kam sehr
selten in die Gesellschaften und Beratungen der
Menschen, weil sein ganzes Verlangen darauf gerichtet
war, dem Willen Gottes zu gehorchen, darum ist jetzt
seine Herrlichkeit groß.";
Die
Mutter sagt der Braut, Hieronymus habe nicht an der
Aufnahme ihres Leibes in den Himmel gezweifelt. Weil
aber Gott die Wahrheit nicht öffentlich geoffenbart
habe, wollte er lieber auf fromme Weise zweifeln, als
nicht Geoffenbartes erklügeln wollen; deshalb schrieb er
in seinem Briefe, er wisse es nicht. Und hier fügt die
Jungfrau einiges zum Lobe des Hieronymus hinzu.
Die
Mutter sprach zur Braut: ";Was hat Dir jener kritische
Magister gesagt, daß die Epistel meines Hieronymus, in
welcher derselbe von meiner Himmelfahrt spricht, nicht
solle in der Kirche Gottes gelesen werden? weil es ihm
vorkommt, es müsse daraus gelesen werden, Hieronymus
habe an meiner Himmelfahrt gezweifelt, indem er sage, er
wisse nicht, ob ich mit dem Leibe in den Himmel
aufgenommen worden, oder nicht, noch von welcher Person
ich hinweggetragen worden. Darauf antworte ich, die
Mutter Gottes, dem Magister, daß Hieronymus an meiner
Himmelfahrt nicht gezweifelt, sondern weil Gott diese
Wahrheit nicht öffentlich enthüllt hat, hat Hieronymus
lieber frommerweise zweifeln, als von Gott nicht
Geoffenbartes behaupten wollen. Erinnere Dich aber,
meine Tochter, wie ich Dir zuvor gesagt habe, daß
Hieronymus ein Freund der Witwen, ein Nachfolger der
vollkommenen Mönche und ein Verteidiger der Wahrheit
gewesen, der Dir auch das Gebet verdient hat, womit Du
mich begrüßtest. Darum füge ich nun hinzu, daß
Hieronymus eine fügsame Posaune gewesen ist, durch
welche der heilige Geist redete, und eine von jenem
Feuer, das am Pfingsttage über mich und die Apostel kam,
entzündete Flamme. Deshalb sind diejenigen glücklich,
welche diese Posaune hören und derselben folgen.";
Die
Mutter Gottes sagt der Braut, wie sie nach der
Himmelfahrt des Sohnes lange Zeit in der Welt gelebt und
unter großem Leide die Orte besucht, wo er gelitten und
seine Wunder gezeigt hatte. Und dies ließ Gott zu, damit
durch das Vorbild ihres Lebens und ihrer Tugenden viele
bekehrt, die Apostel gestärkt und ihre Krone erhöht
werden möchte; sie legt auch den Grund dar, weshalb ihre
Aufnahme in den Himmel damals vielen nicht bekannt
gewesen.
Die
Mutter sprach: ";Erinnere Dich, meine Tochter, daß ich
einst - es sind seitdem einige Jahre verflossen - den
Hieronymus in Betracht meiner Aufnahme in den Himmel
entschuldigt habe. Nun aber will ich Dir darlegen, wie
es sich in Wahrheit mit meiner Himmelfahrt verhalten
hat. Nach der Himmelfahrt meines Sohnes habe ich noch
lange in der Welt gelebt; Gott wollte solches, damit
durch den Anblick meiner Geduld und meines Wandels noch
mehr Seelen zu ihm bekehrt, die Apostel und andere
Auserwählte Gottes aber gestärkt werden möchten. Auch
die natürliche Beschaffenheit meines Leibes erforderte,
daß ich länger lebte, damit meine Krone erhöht würde.
Die ganze Zeit hindurch, welche ich nach der Himmelfahrt
meines Sohnes gelebt, habe ich die Orte besucht, an
denen er gelitten und seine Wunder gezeigt hat. So war
auch sein Leiden so fest in mein Herz eingedrückt, daß
es, ich mochte essen oder arbeiten, gleich frisch in
meinem Gedächtnisse war. So waren auch meine Sinne
abgezogen vom Weltlichen, daß ich beständig von neuer
Sehnsucht entflammt und abwechselnd zu Leid erweckt
ward. Allein ich mäßigte meinen Schmerz und meine Freude
dergestalt, daß ich von allem, was Gott gebührte, nichts
unterließ. So bin ich auch unter den Menschen gewandelt,
daß ich außer meiner dürftigen Nahrung auf nichts acht
gab von dem, was den Menschen angenehm ist, noch
dergleichen mir aneignete. Daß aber vielen meine
Himmelfahrt nicht bekannt war, noch von mehreren
verkündigt wurde, das hat Gott, der mein Sohn ist,
deshalb gewollt, damit zunächst in den Herzen der
Menschen der Glaube an seine Auffahrt befestigt werde,
weil die Herzen der Menschen unempfänglich waren für den
Glauben an seine Auffahrt, wie viel mehr dann, wenn
sogleich im Anfange des Glaubens meine Himmelfahrt
verkündigt worden wäre.";
|