Gehalten bei der
Volksmission im Dezember 1919 in St. Ludwig in
München von Pater Rupert Mayer
(geringfügig
gekürzte Fassung)
„Meine lieben Männer und Frauen! An den vorigen
Tagen, da wurden wir an unser letztes Ziel erinnert,
an unsere ewige Bestimmung, die darin besteht, Gott
zu dienen, um ewig bei ihm glücklich zu sein. Wir
haben dann gehört von der Abirrung von unserem
letzten Ziel, wir haben etwas gehört von der
schweren Sünde. Die bitterste Frucht der schweren
Sünde ist die Hölle. Und das sei der Gegenstand
unserer heutigen Betrachtung. Ich kann es Euch
versichern, dass es mir keine Freude macht, anderen
Menschen Furcht, auch wenn es eine heilsame Furcht
ist, einjagen zu müssen. Aber es geht mir hier wie
einem guten Vater, der auch manchmal seinen Kindern
unangenehm werden muss. Im Augenblick ist es den
Kindern recht peinlich, aber später, wenn die Kinder
den Verstand bekommen, dann sind sie froh, dass der
Vater dann und wann unangenehm geworden ist.
Nun, meine lieben Männer und Frauen! Den Punkt
wollen wir kurz miteinander erwägen.
1. Es gibt eine Hölle
2. Was ist die Hölle?
1. Es gibt eine Hölle
Es gibt eine Hölle. Wer sagt uns denn das? Das sagt
uns einmal die Vernunft und dann der Heiland selber.
Kurz einen Gedanken, der uns das klarmachen muss.
Die Stimme des Gewissens sagt es uns, dass es
Gesetzte gibt, die in die Herzen der Menschen
eingeschrieben sind.
Und diese Gesetze Können nur
vom ewigen Gesetzgeber stammen, von Gott. Also ist
Gott es, der diese Gesetze dem Menschengeschlecht
gegeben hat. Ein vernünftiger Gesetzgeber aber, der
muss nun doch darauf bedacht sein, dass seine
Gesetze auch beachtet werden. Das wäre ein trauriger
Gesetzgeber, der nur Gesetze macht und dem es
gleichgültig wäre, ob sie Beachtung finden oder
nicht. Und deswegen, wenn Gott der Herr Gesetze
gegeben hat, dann muss er auch
Lohn und Strafe
festsetzen für die, welche die
Gesetze beobachten oder übertreten. Das nennt man
die Sanktion eines Gesetzes. Ohne Sanktion hat das
Gesetz absolut keinen Sinn und keinen Wert. Fehlt
die Sanktion des Gesetzes, so bricht das Gesetz von
selber zusammen.
Also, Gott der Herr ist der
unendlich weise Gesetzgeber, und deshalb musste er
eine Sanktion festlegen,
Lohn oder Strafe.
Was uns schon die Vernunft sagt, das sagt uns auch
die Heilige Schrift, das Wort Gottes, in
unzweideutiger Weise. Ich erinnere an das Wort des
göttlichen Heilandes:
„Weichet von Mir, ihr
Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel und
seinen Anhängern bereitet ist!“
Nun weiß ich wohl, dass es
immer Leute gegeben hat, die an diesen Wörtchen
herumdrehen und herumdeuteln, und dann heißt es:
„Ja, diese Wörter darf man
nicht wörtlich auffassen. Dieses Wörtchen ‚ewig‘,
das bedeutet zwar eine lange, schwere, aber keine
endlose Strafe. Dieses Wörtchen muss im bildlichen
Sinne verstanden werden.“
Aber, meine lieben Zuhörer, alles spricht gegen
eine derartige Auffassung. Einmal spricht der
göttliche Heiland ein Urteil.
Wir wissen, dass es eine der ersten Bedingungen
ist, die man an ein Urteil stellt, dass das Urteil
klar, bestimmt, präzis ausgedrückt wird. Da braucht
man keine bildlichen Ausdrücke, sondern Klarheit ist
das erste Erfordernis. Das verlangt man schon von
einem irdischen Urteil, hier aber handelt es sich um
ein Urteil des Weltenrichters, um ein Urteil von der
allergrößten Tragweite für Zeit und Ewigkeit. Und
deswegen konnte der göttliche Heiland, der ewige
Richter, keine bildlichen Ausdrücke in dieses Urteil
aufnehmen. Zweitens, und das ist noch
einleuchtender: Der göttliche Heiland sagt in
demselben Atemzuge:
„Diese werden eingehen in die ewige Pein, die
Gerechten aber in das ewige Leben.“
Nun ist es aber noch keinem
vernünftigen Menschen eingefallen, daran zu
zweifeln, dass unter dem ewigen Leben im
eigentlichen Sinne des Wortes ewige Glückseligkeit
zu verstehen sei. Ja, wenn ich aber dieses Wörtchen
in diesem Falle so auffassen muss, wer gibt mir dann
das Recht, wenn es sich um die ewige Strafe handelt,
zu sagen: „Aber diesmal muss es im bildlichen Sinne
verstanden werden.“
Meine lieben Männer und Frauen! Das ist gegen die
Ehrlichkeit. Das kann man mit ruhigem Gewissen nie
und nimmermehr vertreten. Wer möchte an der wahren
Bedeutung dieser Worte zweifeln, wenn der göttliche
Heiland die Erklärung dazu selbst gibt? Ich erinnere
Euch an die Worte:
„Wenn dich deine Hand ärgert, so haue sie ab und
wirf sie von dir, denn es ist besser, verstümmelt in
das ewige Leben einzugehen, als zwei Hände zu haben
und in die Hölle zu kommen, wo der Schmerz und das
Feuer nicht erlischt.“
Nun aber frage ich Euch: „Was
für ein Feuer ist denn das, ein unauslöschliches
Feuer?“ Das ist ein Feuer, das brennt und immer
brennt und gar nicht aufhört zu brennen. Aber ein
Feuer, das nicht aufhört zu brennen, ist im
eigentlichsten Sinne des Wortes ein ewiges Feuer.
Nach diesen klaren Worten über die Ewigkeit der
Höllenstrafe, da bleibt für uns nur übrig ein
Entweder-oder. Entweder ist Christus ein Lügner,
oder aber, meine lieben Freunde! Wenn Christus, die
ewige Wahrheit, sagt:
„Es gibt eine Hölle“,
was nützt es dann, wenn ein x-beliebiger Professor
auf dem Katheder oder in seinen Schriften mit allen
möglichen Mitteln sucht, sich und andere an der
ewigen Höllenstrafe vorbeizudrücken? Was nützt dir
denn das, wenn Christus, die ewige Wahrheit, sagt:
„Es gibt eine Hölle!“
Oder was nützt es Dir, wenn
man in der Werkstätte oder in der Fabrik oder hinter
dem Bierglas seine Witze reißt über die ewige
Höllenstrafe, ja, was nützt Dir denn das, wenn
Christus, die ewige Wahrheit, spricht:
„Es gibt eine Höllenstrafe.“
Darum, meine lieben
Freunde, machen wir uns das heute klipp und klar:
Christus, die ewige Wahrheit, sagt es uns mit unzweideutiger Klarheit:
„Es gibt eine ewige Höllenstrafe.“
Aber man sagt:
„Gott ist gerecht, und er kann doch eine Sünde,
einen Fehler, eine augenblickliche Verfehlung nicht
bestrafen mit einer ewigen Strafe. Die Strafe muss
dem betreffenden Fehler, der Schuld angemessen
sein.”
Jawohl, das sagen wir auch. Die Strafe muss der
Schuld angemessen sein, aber nicht der Zeitdauer der
Schuld. Sonst müsste man einen Verbrecher, der mit
ruhiger Überlegenheit einen Menschen über den Haufen
geschossen hat, den müsste man auch nur für einige
Augenblicke ins Zuchthaus sperren. Wer in aller Welt
kann eine solch Rechtspflege verteidigen? Wenn ein
Mensch einen anderen mordet, dann finden wir es
nicht als zu schwer, wenn der Betreffende eine
lebenslängliche Zuchthausstrafe über sich ergehen
lassen muss, auch wenn das Verbrechen in einem
Augenblick geschehen ist. Also nicht der Zeitdauer
des Verbrechens muss die Strafe angemessen sein,
sondern der inneren Bosheit des Verbrechens.
Da frage ich Euch:
„Was für eine Bosheit liegt in der Sünde? Der schwer
sündigt, übertritt in klarer Erkenntnis ein
ausgesprochenes Gesetz Gottes. Also unendlich
heilige Rechte Gottes
tritt der Sünder mit Füßen.
Er lehnt sich auf
gegen die unendliche Majestät. Das ist ein
unendliches Verbrechen.
Es liegt darin eine
unendliche Bosheit, und darum eine solche
Strafe.
Andere sagen: „Gott ist doch barmherzig. Wie kann
denn Gott eine menschliche Seele ewig unglücklich
machen?“
Meine lieben Männer
und Frauen! Ich kann Euch sagen: Gott sei Lob und
Dank, dass Gott barmherzig ist. Wenn ich heute Abend
zu einem Schwerkranken gerufen würde und sich da
herausstelle, dass dieser arme Mensch eine Sünde an
die andere in seinem Leben gereiht hätte, wenn mir
da klar würde, dass sein ganzes Leben eine große
Sünde wäre und wenn ich aber dann sehen würde, dass
es dem armen Menschen leit tut, dass es ihm weh tut,
ein solch verfehltes Leben hinter sich zu haben, und
wenn ich sehen würde, dass der Mensch nun kleinmütig
und verzagt wird, ja meine lieben Männer und Frauen,
da würde ich zu ihm sagen:
„Mein lieber Freund!
Haben Sie Vertrauen! Es ist Ihnen ja jetzt ernst.
Traurig sieht’s ja aus, aber jetzt haben Sie
aufrichtig guten Willen. Darum vertrauen sie. Gott
ist barmherzig.“
Jetzt kommt die Kehrseite.
Wenn ein Mensch nicht will, wenn ein Mensch so und
so oft die rettende Hand Gottes durch seine eigene
große schwere Schuld von sich gestoßen hat, wenn ein
Mensch so und so oft durch schwere Schuld ein Gefäß
der Verdammnis Gottes geworden ist!
Ja, dann kann
sich ein solcher Mensch auch nicht beklagen, wenn an
ihm die Furchtbarkeit des göttlichen Gerichtes in
ihrer ganzen Strenge in Erfüllung geht.
Gott ist
barmherzig. Er ist aber auch unendlich gerecht.
„Gerecht bist du, o Gott, und gerecht sind deine
Gerichte.“
Meine lieben Männer und Frauen, es bleibt
für uns, die wir auf dem Boden unserer heiligen
Religion stehen, nur eines übrig, einen Akt des
Glaubens zu erwecken an diese grundlegende Wahrheit
des Christentums. Wenn die Wahrheit auch schrecklich
und fürchterlich ist, so ist sie doch eine Wohltat
für die Menschen, da ohne diese Aussicht sie sich
vor Leichtsinn und Oberflächlichkeit überhaupt gar
nicht mehr auskennen würden. Es ist etwas Gedanken.
Gott sei Dank, dass der Mensch eine solche Schranke
hat, die er vernünftigerweise niemals übertreten
kann. Darum machen wir einen Akt des Glaubens an
diese Grundwahrheit unserer Religion. Ja, mein Gott,
ich glaube an die Ewigkeit der Höllenstrafe, weil Du
es gesagt hast, der Du die ewige unfehlbare Wahrheit
bist.
2. Was ist denn eigentlich die
Hölle?
Nun braucht ihr keine Sorge zu haben, dass ich Euch
alle möglichen Bilder vor Eueren Augen entrolle.
Schaut! Ich könnte das gar nicht. Selbst wenn ich es
wollte. Weil ich ein viel zu nüchterner Mensch bin,
um mich Phantasien überlassen zu können. Es ist auch
gar nicht notwendig, derartige Phantasiebilder zu
entrollen.
Die Hölle ist schrecklich genug, da
braucht man nicht viel hinzuzusetzen. Was macht denn
die Hölle so schrecklich?
Die Hölle ist schrecklich,
denn sie ist ein Ort ohne Gott.
Ich kam einmal mit
einem Herrn zusammen, der auf mich einen sehr
betrübten Eindruck machte. Dieser Mann erzählte, was
er auf dem Herzen hatte. Er sagte, dass er sich zu
etwas ganz anderem berufen fühlte, aber die
Verhältnisse seien so gelagert gewesen, dass er in
diesen Beruf hineingedrängt worden ist. Und nun
fühlte er sich todunglücklich. Ich suchte den Mann
zu trösten. Aber ich dachte mir damals: Wenn es
einem Menschen so schwer fallen kann, seinen
zeitlichen Beruf verfehlt zu haben, wie mag es dann
einem Menschen zumute sein, wenn sich ihm die klare unzweideutige Erkenntnis aufdrängt, dass er seinen
ewigen Beruf verfehlt hat. Mein Gott! Du armer
unglücklicher Mensch! Niemals sollst du deinen
eigentlichen Daseinszweck erfüllt sehen.
Wer ist nun
das Endziel unseres Strebens?
Das ist der liebe
Gott. Denn er hat uns erschaffen.
Er hat uns für
sich erschaffen, und
„unruhig ist unser Herz, bis es
ruhet in Dir“. Wenn sich die Seele vom Leibe
getrennt hat, drängt es sie mit unwiderstehlicher
Gewalt hin zu Gott, um sich mit ihrem letzten Ziel
zu vereinigen. Und jetzt kommt das entsetzliche
Wort:
„Zurück! Weiche von mir!“
Mit dem Kainsmal der Verwerfung auf der Stirn, ist
der Verfluchte dazu verurteilt,
ruhelos umherzuirren von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Die Hölle ist ein Ort ohne Gott. Es ist einmal
passiert, dass eine Familie von heute auf morgen 20
000 Mark verloren hat. Für eine kleine Familie ein
großer, schwerer Verlust. Wenn aber der Tod einen
unserer Lieben von der Seite reißt, oh, das ist doch
etwas ganz anderes. Wenn dem Menschen ein irdischer,
ein zeitlicher Verlust so zu Herzen geht, wie mag es
ihm zumute sein, wenn sich ihm die Klarheit
aufdrängt, dass er Gott, das einzige, höchste Gut,
verloren hat. Denn Gott ist nicht eines dieser
irdischen Güter, deren Verlust uns so schmerzt,
er
ist ja das einzige wahre Gut, das alle
Vollkommenheiten in sich schließt, und was wir
hienieden schon Erhabenes, Liebenswürdiges
bewundern, das alles sind nur schwache Abbilder der
Größe, der Schönheit, der Liebenswürdigkeit Gottes.
Wohl weiß ich, solange der Mensch gefesselt ist an
seine Sünden und Laster, macht er sich aus diesem
Verlust gar wenig. Er hat ja seine liederliche
Bekanntschaft, seine lasterhafte Freude. Was kümmert
er sich um Gott?
Jawohl, mein Freund, so ist es
vielleicht noch jetzt. Aber es kommt ein Augenblick,
wo von heut auf morgen Dir alles genommen wird, was
alle irdischen Hoffnungen vollständig ändert. Es
kommt der Augenblick, wo von heute auf morgen Dir
alles genommen wird, wo alle irdischen Hoffnungen
vollständig zusammenbrechen und wo nur eines übrig
bleibt, die unwiderstehliche Sehnsucht Deiner Seele
nach Gott.
Denkt Euch einen Menschen, der sich
verirrt hat im Hochgebirge, in den Felsen. Da treibt
er sich herum im Gestein, hinauf, hinab, links,
rechts, überall hält er Ausschau nach einem Trunk
Wasser, er schreit, er ruft, mutlos bricht er
zusammen. Du unglückseliger Mensch, wenn du
umherirrst in den düsteren Räumen der Ewigkeit,
rufend und schreiend nach Gott! Meine lieben
Freunde! Ich möchte Euch dringend bitten, lasst
diese Ausführungen in aller Stille auf Euer Herz
wirken. Das ist das Wesentliche der Höllenstrafe:
Die Hölle ist ein Ort ohne Gott!
All das wäre nicht so grausam, wenn nicht noch etwas
dazukäme.
Die Hölle ist ein Ort der Verzweiflung,
weil sie ewig ist.
Wenn die Hölle
nicht ewig wäre, dann hörte die Hölle auf, Hölle zu
sein. Was die Hölle so hoffnungslos und entsetzlich
für uns macht, das ist ihre Ewigkeit! Wenn im Felde
draußen an der Front ein armer Kamerad lag,
fürchterlich zerrissen, unter größten Schmerzen, da
habe ich neben dem religiösen Trost dem Kameraden
noch das eine sagen können: „Nun schau, mein lieber
Freund, so wie es jetzt ist, kann es nicht lange
dauern. Entweder es wird bald besser, oder aber der
liebe Gott nimmt Dich zu sich.“
Aber das ist gerade das Entsetzliche, dass die Hölle
ewig ist.
Verzweifeln zu müssen, ohne sterben zu
können. Das ist nicht auszudenken. Umsonst! Zu spät!
Wie oft ist es mir gesagt worden: „Bringe Deine
Sache in Ordnung, solange es Zeit ist.”
Mein Freund!
Es ist noch nicht zu
spät. Es ist noch Zeit. Wie lange, das weiß ganz
allein unser Herrgott. Aber ich bitte Euch, lasst
die Gnadenzeit nicht vorübergehen, ohne
ernstlich in Euch zu gehen und die Rechnung zu
machen mit unserem Herrgott, damit wir alle
miteinander einmal zu denen gehören, die die
Barmherzigkeit Gottes loben und preisen dürfen.
Amen!