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Höllenpredigt

Seliger Pater Rupert Mayer
(* 23.01.1876 - † 01.11.1945)

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Gehalten bei der Volksmission im Dezember 1919 in St. Ludwig in München von Pater Rupert Mayer

(geringfügig gekürzte Fassung)

„Meine lieben Männer und Frauen! An den vorigen Tagen, da wurden wir an unser letztes Ziel erinnert, an unsere ewige Bestimmung, die darin besteht, Gott zu dienen, um ewig bei ihm glücklich zu sein. Wir haben dann gehört von der Abirrung von unserem letzten Ziel, wir haben etwas gehört von der schweren Sünde. Die bitterste Frucht der schweren Sünde ist die Hölle. Und das sei der Gegenstand unserer heutigen Betrachtung. Ich kann es Euch versichern, dass es mir keine Freude macht, anderen Menschen Furcht, auch wenn es eine heilsame Furcht ist, einjagen zu müssen. Aber es geht mir hier wie einem guten Vater, der auch manchmal seinen Kindern unangenehm werden muss. Im Augenblick ist es den Kindern recht peinlich, aber später, wenn die Kinder den Verstand bekommen, dann sind sie froh, dass der Vater dann und wann unangenehm geworden ist.

Nun, meine lieben Männer und Frauen! Den Punkt wollen wir kurz miteinander erwägen.

1. Es gibt eine Hölle

 2. Was ist die Hölle?

 

1. Es gibt eine Hölle

Es gibt eine Hölle. Wer sagt uns denn das? Das sagt uns einmal die Vernunft und dann der Heiland selber. Kurz einen Gedanken, der uns das klarmachen muss. Die Stimme des Gewissens sagt es uns, dass es Gesetzte gibt, die in die Herzen der Menschen eingeschrieben sind. Und diese Gesetze Können nur vom ewigen Gesetzgeber stammen, von Gott. Also ist Gott es, der diese Gesetze dem Menschengeschlecht gegeben hat. Ein vernünftiger Gesetzgeber aber, der muss nun doch darauf bedacht sein, dass seine Gesetze auch beachtet werden. Das wäre ein trauriger Gesetzgeber, der nur Gesetze macht und dem es gleichgültig wäre, ob sie Beachtung finden oder nicht. Und deswegen, wenn Gott der Herr Gesetze gegeben hat, dann muss er auch Lohn und Strafe festsetzen für die, welche die Gesetze beobachten oder übertreten. Das nennt man die Sanktion eines Gesetzes. Ohne Sanktion hat das Gesetz absolut keinen Sinn und keinen Wert. Fehlt die Sanktion des Gesetzes, so bricht das Gesetz von selber zusammen.
Also, Gott der Herr ist der unendlich weise Gesetzgeber, und deshalb musste er eine Sanktion festlegen,
Lohn oder Strafe.

Was uns schon die Vernunft sagt, das sagt uns auch die Heilige Schrift, das Wort Gottes, in unzweideutiger Weise. Ich erinnere an das Wort des göttlichen Heilandes: „Weichet von Mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Anhängern bereitet ist!“ Nun weiß ich wohl, dass es immer Leute gegeben hat, die an diesen Wörtchen herumdrehen und herumdeuteln, und dann heißt es: „Ja, diese Wörter darf man nicht wörtlich auffassen. Dieses Wörtchen ‚ewig‘, das bedeutet zwar eine lange, schwere, aber keine endlose Strafe. Dieses Wörtchen muss im bildlichen Sinne verstanden werden.“
Aber, meine lieben Zuhörer, alles spricht gegen eine derartige Auffassung. Einmal spricht der göttliche Heiland ein Urteil.
Wir wissen, dass es eine der ersten Bedingungen ist, die man an ein Urteil stellt, dass das Urteil klar, bestimmt, präzis ausgedrückt wird. Da braucht man keine bildlichen Ausdrücke, sondern Klarheit ist das erste Erfordernis. Das verlangt man schon von einem irdischen Urteil, hier aber handelt es sich um ein Urteil des Weltenrichters, um ein Urteil von der allergrößten Tragweite für Zeit und Ewigkeit. Und deswegen konnte der göttliche Heiland, der ewige Richter, keine bildlichen Ausdrücke in dieses Urteil aufnehmen. Zweitens, und das ist noch einleuchtender: Der göttliche Heiland sagt in demselben Atemzuge:

„Diese werden eingehen in die ewige Pein, die Gerechten aber in das ewige Leben.“
Nun ist es aber noch keinem vernünftigen Menschen eingefallen, daran zu zweifeln, dass unter dem ewigen Leben im eigentlichen Sinne des Wortes ewige Glückseligkeit zu verstehen sei. Ja, wenn ich aber dieses Wörtchen in diesem Falle so auffassen muss, wer gibt mir dann das Recht, wenn es sich um die ewige Strafe handelt, zu sagen: „Aber diesmal muss es im bildlichen Sinne verstanden werden.“

Meine lieben Männer und Frauen! Das ist gegen die Ehrlichkeit. Das kann man mit ruhigem Gewissen nie und nimmermehr vertreten. Wer möchte an der wahren Bedeutung dieser Worte zweifeln, wenn der göttliche Heiland die Erklärung dazu selbst gibt? Ich erinnere Euch an die Worte: „Wenn dich deine Hand ärgert, so haue sie ab und wirf sie von dir, denn es ist besser, verstümmelt in das ewige Leben einzugehen, als zwei Hände zu haben und in die Hölle zu kommen, wo der Schmerz und das Feuer nicht erlischt.“ Nun aber frage ich Euch: „Was für ein Feuer ist denn das, ein unauslöschliches Feuer?“ Das ist ein Feuer, das brennt und immer brennt und gar nicht aufhört zu brennen. Aber ein Feuer, das nicht aufhört zu brennen, ist im eigentlichsten Sinne des Wortes ein ewiges Feuer.

Nach diesen klaren Worten über die Ewigkeit der Höllenstrafe, da bleibt für uns nur übrig ein Entweder-oder. Entweder ist Christus ein Lügner, oder aber, meine lieben Freunde! Wenn Christus, die ewige Wahrheit, sagt: „Es gibt eine Hölle“, was nützt es dann, wenn ein x-beliebiger Professor auf dem Katheder oder in seinen Schriften mit allen möglichen Mitteln sucht, sich und andere an der ewigen Höllenstrafe vorbeizudrücken? Was nützt dir denn das, wenn Christus, die ewige Wahrheit, sagt: „Es gibt eine Hölle!“ Oder was nützt es Dir, wenn man in der Werkstätte oder in der Fabrik oder hinter dem Bierglas seine Witze reißt über die ewige Höllenstrafe, ja, was nützt Dir denn das, wenn Christus, die ewige Wahrheit, spricht: „Es gibt eine Höllenstrafe.“ Darum, meine lieben Freunde, machen wir uns das heute klipp und klar: Christus, die ewige Wahrheit, sagt es uns mit unzweideutiger Klarheit: „Es gibt eine ewige Höllenstrafe.“

Aber man sagt: „Gott ist gerecht, und er kann doch eine Sünde, einen Fehler, eine augenblickliche Verfehlung nicht bestrafen mit einer ewigen Strafe. Die Strafe muss dem betreffenden Fehler, der Schuld angemessen sein.” Jawohl, das sagen wir auch. Die Strafe muss der Schuld angemessen sein, aber nicht der Zeitdauer der Schuld. Sonst müsste man einen Verbrecher, der mit ruhiger Überlegenheit einen Menschen über den Haufen geschossen hat, den müsste man auch nur für einige Augenblicke ins Zuchthaus sperren. Wer in aller Welt kann eine solch Rechtspflege verteidigen? Wenn ein Mensch einen anderen mordet, dann finden wir es nicht als zu schwer, wenn der Betreffende eine lebenslängliche Zuchthausstrafe über sich ergehen lassen muss, auch wenn das Verbrechen in einem Augenblick geschehen ist. Also nicht der Zeitdauer des Verbrechens muss die Strafe angemessen sein, sondern der inneren Bosheit des Verbrechens.

Da frage ich Euch: „Was für eine Bosheit liegt in der Sünde? Der schwer sündigt, übertritt in klarer Erkenntnis ein ausgesprochenes Gesetz Gottes. Also unendlich heilige Rechte Gottes tritt der Sünder mit Füßen. Er lehnt sich auf gegen die unendliche Majestät. Das ist ein unendliches Verbrechen. Es liegt darin eine unendliche Bosheit, und darum eine solche Strafe. Andere sagen: „Gott ist doch barmherzig. Wie kann denn Gott eine menschliche Seele ewig unglücklich machen?“

Meine lieben Männer und Frauen! Ich kann Euch sagen: Gott sei Lob und Dank, dass Gott barmherzig ist. Wenn ich heute Abend zu einem Schwerkranken gerufen würde und sich da herausstelle, dass dieser arme Mensch eine Sünde an die andere in seinem Leben gereiht hätte, wenn mir da klar würde, dass sein ganzes Leben eine große Sünde wäre und wenn ich aber dann sehen würde, dass es dem armen Menschen leit tut, dass es ihm weh tut, ein solch verfehltes Leben hinter sich zu haben, und wenn ich sehen würde, dass der Mensch nun kleinmütig und verzagt wird, ja meine lieben Männer und Frauen, da würde ich zu ihm sagen: „Mein lieber Freund! Haben Sie Vertrauen! Es ist Ihnen ja jetzt ernst. Traurig sieht’s ja aus, aber jetzt haben Sie aufrichtig guten Willen. Darum vertrauen sie. Gott ist barmherzig.“ Jetzt kommt die Kehrseite.

Wenn ein Mensch nicht will, wenn ein Mensch so und so oft die rettende Hand Gottes durch seine eigene große schwere Schuld von sich gestoßen hat, wenn ein Mensch so und so oft durch schwere Schuld ein Gefäß der Verdammnis Gottes geworden ist!
Ja, dann kann sich ein solcher Mensch auch nicht beklagen, wenn an ihm die Furchtbarkeit des göttlichen Gerichtes in ihrer ganzen Strenge in Erfüllung geht.
Gott ist barmherzig. Er ist aber auch unendlich gerecht.
„Gerecht bist du, o Gott, und gerecht sind deine Gerichte.“ Meine lieben Männer und Frauen, es bleibt für uns, die wir auf dem Boden unserer heiligen Religion stehen, nur eines übrig, einen Akt des Glaubens zu erwecken an diese grundlegende Wahrheit des Christentums. Wenn die Wahrheit auch schrecklich und fürchterlich ist, so ist sie doch eine Wohltat für die Menschen, da ohne diese Aussicht sie sich vor Leichtsinn und Oberflächlichkeit überhaupt gar nicht mehr auskennen würden. Es ist etwas Gedanken. Gott sei Dank, dass der Mensch eine solche Schranke hat, die er vernünftigerweise niemals übertreten kann. Darum machen wir einen Akt des Glaubens an diese Grundwahrheit unserer Religion. Ja, mein Gott, ich glaube an die Ewigkeit der Höllenstrafe, weil Du es gesagt hast, der Du die ewige unfehlbare Wahrheit bist.

 

2. Was ist denn eigentlich die Hölle?

Nun braucht ihr keine Sorge zu haben, dass ich Euch alle möglichen Bilder vor Eueren Augen entrolle. Schaut! Ich könnte das gar nicht. Selbst wenn ich es wollte. Weil ich ein viel zu nüchterner Mensch bin, um mich Phantasien überlassen zu können. Es ist auch gar nicht notwendig, derartige Phantasiebilder zu entrollen.
Die Hölle ist schrecklich genug, da braucht man nicht viel hinzuzusetzen. Was macht denn die Hölle so schrecklich?
Die Hölle ist schrecklich, denn sie ist ein Ort ohne Gott.
Ich kam einmal mit einem Herrn zusammen, der auf mich einen sehr betrübten Eindruck machte. Dieser Mann erzählte, was er auf dem Herzen hatte. Er sagte, dass er sich zu etwas ganz anderem berufen fühlte, aber die Verhältnisse seien so gelagert gewesen, dass er in diesen Beruf hineingedrängt worden ist. Und nun fühlte er sich todunglücklich. Ich suchte den Mann zu trösten. Aber ich dachte mir damals: Wenn es einem Menschen so schwer fallen kann, seinen zeitlichen Beruf verfehlt zu haben, wie mag es dann einem Menschen zumute sein, wenn sich ihm die klare unzweideutige Erkenntnis aufdrängt, dass er seinen ewigen Beruf verfehlt hat. Mein Gott! Du armer unglücklicher Mensch! Niemals sollst du deinen eigentlichen Daseinszweck erfüllt sehen.
Wer ist nun das Endziel unseres Strebens?
Das ist der liebe Gott. Denn er hat uns erschaffen. Er hat uns für sich erschaffen, und „unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in Dir“. Wenn sich die Seele vom Leibe getrennt hat, drängt es sie mit unwiderstehlicher Gewalt hin zu Gott, um sich mit ihrem letzten Ziel zu vereinigen. Und jetzt kommt das entsetzliche Wort: „Zurück! Weiche von mir!“ Mit dem Kainsmal der Verwerfung auf der Stirn, ist der Verfluchte dazu verurteilt, ruhelos umherzuirren von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Die Hölle ist ein Ort ohne Gott. Es ist einmal passiert, dass eine Familie von heute auf morgen 20 000 Mark verloren hat. Für eine kleine Familie ein großer, schwerer Verlust. Wenn aber der Tod einen unserer Lieben von der Seite reißt, oh, das ist doch etwas ganz anderes. Wenn dem Menschen ein irdischer, ein zeitlicher Verlust so zu Herzen geht, wie mag es ihm zumute sein, wenn sich ihm die Klarheit aufdrängt, dass er Gott, das einzige, höchste Gut, verloren hat. Denn Gott ist nicht eines dieser irdischen Güter, deren Verlust uns so schmerzt, er ist ja das einzige wahre Gut, das alle Vollkommenheiten in sich schließt, und was wir hienieden schon Erhabenes, Liebenswürdiges bewundern, das alles sind nur schwache Abbilder der Größe, der Schönheit, der Liebenswürdigkeit Gottes.

Wohl weiß ich, solange der Mensch gefesselt ist an seine Sünden und Laster, macht er sich aus diesem Verlust gar wenig. Er hat ja seine liederliche Bekanntschaft, seine lasterhafte Freude. Was kümmert er sich um Gott?
Jawohl, mein Freund, so ist es vielleicht noch jetzt. Aber es kommt ein Augenblick, wo von heut auf morgen Dir alles genommen wird, was alle irdischen Hoffnungen vollständig ändert. Es kommt der Augenblick, wo von heute auf morgen Dir alles genommen wird, wo alle irdischen Hoffnungen vollständig zusammenbrechen und wo nur eines übrig bleibt, die unwiderstehliche Sehnsucht Deiner Seele nach Gott.
Denkt Euch einen Menschen, der sich verirrt hat im Hochgebirge, in den Felsen. Da treibt er sich herum im Gestein, hinauf, hinab, links, rechts, überall hält er Ausschau nach einem Trunk Wasser, er schreit, er ruft, mutlos bricht er zusammen. Du unglückseliger Mensch, wenn du umherirrst in den düsteren Räumen der Ewigkeit, rufend und schreiend nach Gott! Meine lieben Freunde! Ich möchte Euch dringend bitten, lasst diese Ausführungen in aller Stille auf Euer Herz wirken. Das ist das Wesentliche der Höllenstrafe: Die Hölle ist ein Ort ohne Gott!

All das wäre nicht so grausam, wenn nicht noch etwas dazukäme. Die Hölle ist ein Ort der Verzweiflung, weil sie ewig ist. Wenn die Hölle nicht ewig wäre, dann hörte die Hölle auf, Hölle zu sein. Was die Hölle so hoffnungslos und entsetzlich für uns macht, das ist ihre Ewigkeit! Wenn im Felde draußen an der Front ein armer Kamerad lag, fürchterlich zerrissen, unter größten Schmerzen, da habe ich neben dem religiösen Trost dem Kameraden noch das eine sagen können: „Nun schau, mein lieber Freund, so wie es jetzt ist, kann es nicht lange dauern. Entweder es wird bald besser, oder aber der liebe Gott nimmt Dich zu sich.“

Aber das ist gerade das Entsetzliche, dass die Hölle ewig ist. Verzweifeln zu müssen, ohne sterben zu können. Das ist nicht auszudenken. Umsonst! Zu spät! Wie oft ist es mir gesagt worden: „Bringe Deine Sache in Ordnung, solange es Zeit ist.”

Mein Freund!
Es ist noch nicht zu spät. Es ist noch Zeit. Wie lange, das weiß ganz allein unser Herrgott. Aber ich bitte Euch, lasst die Gnadenzeit nicht vorübergehen, ohne ernstlich in Euch zu gehen und die Rechnung zu machen mit unserem Herrgott, damit wir alle miteinander einmal zu denen gehören, die die Barmherzigkeit Gottes loben und preisen dürfen. Amen!

 

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