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Das persönliche Gebet
Das Verhältnis der Seele zum
Dreifaltigen Gott offenbart sich zunächst im Gebet!
Es ist seinem Wesen nach Hinkehr zum Jenseitigen,
also zur Übernatur, zum Göttlichen. So wurzelt es in
den Glaubensgeheimnissen, vor allem in jenem, das
sich der Mensch zum Lebensgeheimnis wählt. Dieses
bildet den Kern für das Gebet, sei es privat oder
öffentlich, innerlich oder mündlich. Ohne eine Mitte
bleibt es mehr oder weniger nur Schall und Schein,
leblose Form. Die Lebendigkeit unseres Gebetes hängt
ab vom Leben in uns, vom Mass unserer Teilnahme am
göttlichen Leben. Dieses Leben ist der Hl. Geist,
der uns gegeben ist. Von IHM heisst es, dass ER mit
«unaussprechlichen Seufzern» in uns bete
(Röm
8,26).
Sehen wir uns diese Tatsache der Abhängigkeit
unseres Geistes vom göttlichen, uns innewohnenden
Geist näher an!
Die Weitsicht des inneren Auges
Wer in Wahrheit beten will, wendet sein
inneres dem Übernatürlichen zu. Er will
Zwiesprache halten mit Personen der «anderen
Welt». Also öffnet er sein inneres Auge,
seine übernatürliche Sehfähigkeit und wendet
sich dadurch mit seinem ganzen Interesse DEM
zu, den er ansprechen will. Das aber kann
der natürliche Menschengeist unmöglich aus
sich selbst. Das menschliche Auge reicht
nicht hin, um Übernatürliches zu schauen.
Das ist eine erste Erkenntnis, wenn der
Mensch beten will. Also braucht es in
Wahrheit ein neuesAuge! Nur «der Geist
erforscht die Tiefen der Gottheit'
(1 Kor 2,10).
So ist
das neue Sehvermögen niemand
anders als eben der Geist GOTTES selbst.
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Wenn Christus sagt: «Ohne
mich könnt ihr nichts tun», ist das
buchstäblich zu nehmen. Sein Geist —der
Geist des Vaters und des Sohnes— muss die
Lust zu beten anregen, ER muss das Interesse
wecken und damit die Liebe des Herzens
entfachen, von der beispielsweise die Hl.
Theresia vom Kinde Jesu sagt: «Wir lieben
GOTT erst richtig, wenn wir IHN mit seiner
Liebe lieben.» Das haben wohl alle Heiligen
erkannt. |

«Auge ins Weltall» nennt man die
Teleskope (hier das europ. Observatorium ESO
in Chile auf 2400m). Mit grossen
,Fernrohren' wird der Himmel rund um die Uhr
erforscht. |
So geht es im Gebet nicht in
erster Linie um unser Tun. Es geht vielmehr
darum zu erkennen, dass es um die totale
Abhängigkeit vom Hl. Geiste geht. Was nützt
es, einem Blinden zu sagen: «Tu die Augen
auf?»— Ebenso unmöglich ist ein wahres Beten
ohne das neue Auge. Was aber ist es um
dieses so notwendige neue Sehorgan? Der uns
innewohnende göttliche Geist von Vater und
Sohn wird uns zum dreifachen neuen Auge
durch die Gabe der Weisheit, der Einsicht
und der Wissenschaft. |
Weisheit ist die Erkenntnis, dass
auch der HI. Geist selbst nur mit Hl. Geist zu
schauen ist. «GOTT hat uns den HI. Geist verliehen,
damit wir erkennen, was ER uns gegeben hat...» ER
ist also das Auge, das sich selber schaut im Vater
und Sohn. Welche Gabe, welches Geschenk ist ER uns
also durch seine Weisheit! «Nur in seinem Lichte
schauen wir das Licht!» Indem der Hl. Geist dem
Menschen zur Einsicht wird
(Verstand),
öffnet sich der Blick unserer Seele, indem sie
schauen kann, wo dieser Geist zu Hause ist. Sie
vermag mit IHM in das Innere GOTTES zu blicken, ja
in das Allerinnerste, soweit die übernatürliche
Sehkraft entwickelt ist. In der sichtbaren Schöpfung
durchschaut der Mensch die Hintergründigkeit aller
Dinge, wenn sich ihm das Auge der Wissenschaft als
Geistesgabe leiht. Dann werden alle Wesen, die
kleinen und die grossen, wirklich zum Gebetsanlass.
Sie zeigen ihr wahres Gesicht, wie es vom
übernatürlichen Licht getroffen ist. Dann wird das
Geschöpfliche, das Irdische und Vergängliche in der
Transformation zur Verklärung hin geschaut. Auch die
Bestimmung des einzelnen Schöpfungsdinges wird
offenbar, und der Mensch erkennt, dass alle Dinge
zur Hingabe da sind.
Das neue Teleskop
Der betende Mensch braucht auch ein neues
Ohr auf GOTT hin. Auch dies kann nur der Hl.
Geist verleihen. Aus sich ist der
Erdgeborene taub für die Ansprache von oben.
Ein neues Ohr wird uns in der Gabe des
Rates. Da entwickelt sich eine immer mehr
zunehmende Feinhörigkeit auf jeden Anruf der
Gnade. Die Ausgerichtetheit nach dem Willen
des Vaters gibt jeder Situation das freudige
«Ja!» Dadurch werden nicht nur die
eigentlichen Gebetszeiten Einkehr ins
Innere, sondern der ganze Tag mit allen
Augenblicken wird konsekriert. Dann erreicht
die Seele den Zustand, von dem Christus
sagt: «Ihr sollt allezeit beten und nicht
nachlassen!»
(Lk 21,36).
Vor allem ist es die Gabe der Frömmigkeit,
die Mund und Hand zum Werkzeug des Betens
macht. Sie ist eigentlich die Christliche
Tat. Sie macht den Menschen selber zum
Gebet. <6> |

«Ohr zum Weltall» heissen die
Radio-Teleskope (mit 100m
Durchmesser das grösste bei Effelsberg in
der Eifel). Man sucht mit
Milliardenaufwand auch nach ‚intelligenten'
Signalen aus dem Weltall
(seit 1960 in Green Bank/USA). |
Lobe den Herren, der alles so
herrlich regieret
Der Mund öffnet sich zum
sechsfachen Gebetsausdruck: In der Anbetung
anerkennt das Geschöpf die vollkommene
Abhängigkeit vom Schöpfer. Es weiss, dass
alles empfangen ist, das leibliche, das
geistige und vor allem das göttliche Leben.
So ist der Mensch in der Demut begründet und
weit entfernt, sich in irgendeine Weise als
Ko-Existenz neben GOTT zu setzen. Weiter
öffnet der HI. Geist den Mund des Gerechten
zum Lob. Jede Eigenschaft GOTTES ist
wahrhaft lobwürdig. Wie ein gutes Kind vom
irdischen Vater behauptet: «Mein Vater kann
alles, so erhebt sich die Seele des
Gotteskindes zum Lob aller Eigenschaften
seines Vaters. Schaut es die Auswirkungen
dieser Eigenschaften in all den sichtbaren
Schöpfungswundern, füllt sich sein Mund mit
Preis, das heisst, es besingt in einem immer
neuen «Benedicite» die Werke des Herrn. |

Lobe den
Herren,
den mächtigen
König der
Ehren...
,
Lobe den
Herren,
der alles
so herrlich
regieret...
Lobe
den Herren,
der sichtbar
Dein Leben
gesegnet
Lobe
den Herren,
was in mir ist,
lobe den
Namen... |
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Dass in all diesem staunenden Tun
ein tiefes Dankgefühl erwacht, ist
selbstverständlich. Aber auch ein stetig wachsendes
Bittgebet formt sich im Menschen, da er ja seine
eigene Unfähigkeit mehr und mehr erkennt. So wird
sein Inneres einer weitgeöffneten Schale gleich, und
ohne zu ermüden wird immer inniger die Bitte
aufsteigen, die eine grosse Bitte, wie es das
Bittevangelium allen nahelegt: «Wie viel mehr wird
der Vater seinen guten Geist denen geben, die IHN
darum bitten!»
Und endlich regt der Hl. Geist die
Seele zur Sühne an. Wer soll Ersatz leisten für
allen Undank, alle Kälte und Herzenshärte dem
unendlich liebenden Gott gegenüber, wenn nicht
Seelen, die vom guten Geist erfüllt beten? Unser
Beten wird durch die Liebe zur Hand jener Liebe, die
der HI. Paulus in seinem «Hohelied der Liebe»
besingt. Gut-sein ist wirkliches Gebet, also ein
Handeln nach dem Wort: « Im lieben Nächsten bedarf
der Geliebte gar vieler Dinge.»
Die
Gabe der Stärke ist wie die Schulter, die den
Christen befähigt, schwere Lasten zu tragen:
Verfolgung, Leiden aller Art bis zum Martyrium. Die
Hingabe des Lebens ist der höchste Gebetsakt, den
der Mensch setzen kann. Ob es die sich alltäglich
hingebende Liebe ist oder ein schmerzvolles
Lebensende für GOTT, immer ist das Mass der Liebe
entscheidend.
Beten und Leben sind eins
Die siebente Gabe, jene der Ehrfurcht
(Gottesfurcht),
bildet gleichsam das Herz im betenden Menschen. Wie
das Blut vom Herzen aus in alle Teile des Leibes
gedrängt wird, so belebt die wahre Ehrfurcht vor
GOTT jeden Pulsschlag der Andacht. Ohne sie wäre das
Beten eine leere Schale, durch sie aber wird es zum
Gefäss, das alle guten Gedanken trägt. Gut ist ja
nur GOTT und was GOTTES ist. Gut ist nur der Geist
des Vaters und des Sohnes und was ER in Gedanken,
Worte und Taten kleidet. Diese Ganzheitsidee, dass
wir nur im HI. Geiste beten können, ist also unsere
Grundlage für das lebensvolle Gebet oder das
gebetsgetragene Leben. Es darf keine Kluft bestehen
zwischen dem Beten und Leben. Der Christ steht in
der Gebetsgemeinschaft mit GOTT ebenso wie in der
Arbeitsgemeinschaft. Aus dieser Schau heraus gibt es
für den Christen nur eines: den Willen, GOTT ZU
verherrlichen. Gerade deshalb möchte der innerliche
Mensch etwas haben wie einen «goldenen Faden», der
sich durch jeden Augenblick des Tages zieht. Hier
gilt wiederum das Wort: «Ich verfolge einen
Gedanken, bis er mich verfolgt!» Dieser Satz beruht
auf einem psychologischen «Trick». Es ist nämlich
möglich, dass ein bestimmter Gedanke, immer und
immer wiederholt, sich der Seele unauslöschbar
einprägt. Auf Schritt und Tritt «verfolgt » er dann
den Menschen. Hier geht es um ein glückliches «Verfolgt-sein»,
denn dieser Gedanke huscht dann oft mitten in der
Arbeit durch die Seele und erinnert sie, wo sie
eigentlich «zu Hause» ist! Es ist klar, dass es ein
Leuchtgedanke sein muss, aus dem erwählten
Lebensgeheimnis heraus geboren! Reich beladen mit
vielen frohen Erlebnissen, wird solch ein kurzer
Gedanke ein steter Erwecker der Freude. So kann die
Seele oft in stiller Einkehr in ihren geistigen
Innenraum froh mit GOTT verkehren, und es zieht sie
immer mehr hinein. Diese Innerlichkeit, diese
inwendige Welt ist ja das einzige, was dem Menschen
ganz gehört. Aus diesem Hintergrund kommt alles...
Die
Einzelseele müht sich also um ein ganz persönliches
kurzes Gebet, das ihr zum genannten «goldenen Faden»
wird. Hat sie es gefunden, kommt eine grosse Aufgabe
für sie. Sie will mit diesem kurzen Anruf an GOTT
möglichst alles sagen, was ihr Herz erfüllt: Alle
guten Meinungen sollen darin eingeschlossen sein.
Diesen Wunsch drückte eine Seele so aus: «Oh, mein
GOTT, ich möchte Dich lieben mit den Affekten des
Weltalls und mit der Wonne der Gottheit!»
(Hl. Gertrud).

Das 17. Johannes-Kapitel ist eines
der schönsten in der Bibel überhaupt. Es gestattet
einen Einblick in
die innerste Gesinnung Christi, des
Herrn.
1. Die Stellung
dieses Gebetes
Das Ganze ist wie eine Wiederholung
des Prologes und bringt damit das ganze Wirken des
Herrn zu einem Abschluss. Im Prolog ist Christus
dargestellt als der, der war, ehe die Welt wurde. Im
hohenpriesterlichen Gebet wird das gleiche mit
andern Worten gesagt. Es wird betont: «Du liebtest
mich, ehe die Welt wurde.» Es gibt also den
präexistenten Christus, der in der Herrlichkeit des
Vaters war und in seiner Liebe lebte, bevor irgend
etwas geschaffen wurde. Im Prolog ist die Rede von
der Menschwerdung des Logos. Dieser Gedanke kehrt
hier wieder. «Ich habe Dich auf Erden verherrlicht.»
«Ich bin von Dir ausgegangen, und sie haben
geglaubt, dass Du mich gesandt hast.» Im Prolog wird
betont, dass die Finsternis das Licht nicht
aufgenommen hat. Auch dieser Gedanke wird hier
wiederholt. «Die Welt hat sie (die Jünger) gehasst,
weil sie nicht von der Welt sind.» «Behüte sie vor
dem Bösen.» Die Scheidung der Geister wird betont.
Weiter heisst es im Prolog: «Die ihn aber aufnahmen,
denen gab er Macht, Kinder GOTTES zu werden.» Auch
das ist feinsinnig nochmals hervorgehoben: «Wie Du,
Vater, in mir bist, bin ich in Dir und so sollen sie
in uns eins sein.» Sie werden also in das Verhältnis
Vater und Sohn aufgenommen und dadurch Kinder GOTTES
im eigentlichen Sinn des Wortes. Der Prolog
schliesst: «Wir haben seine Herrlichkeit gesehen.»
Und im hohenpriesterlichen Gebet heisst es «damit
sie meine Herrlichkeit sehen». Was im Prolog mehr
als Gedanke aufgestellt war, ist hier als Gebet und
als vollendete Wirklichkeit lebendig gemacht.
2. Die Art dieses Gebetes
Wir finden bei Jesus als
erste Art sein persönliches Gebet vor dem
Vater. Es ist etwas Einmaliges, denn so kann
nur ER, der Sohn, zum Vater sprechen. So hat
ER gebetet in der Einsamkeit und in der
Nacht auf den Bergen. Aber diese Art des
Betens bleibt uns verborgen und ist von den
Schleiern des Geheimnisses überdeckt. Die
zweite Art des Betens Jesu ist ein Gebet,
das ER uns lehrt: das Vater unser. Die
grossen Herzensanliegen Jesu sind darin
offenbar. Es gestattet uns einen Einblick in
sein Denken. Das hohepriesterliche Gebet
gehört in die Mitte zwischen die erste und
zweite Art. Es ist ein wirkliches Gebet
Jesu, aber zugleich ein Gebet für uns. Man
kann es das Abendgebet des Herrn nennen,
denn es ist Rückblick auf sein Leben,
Zusammenfassung all dessen, um was es ihm
ging. Zugleich ist es eine Art Morgengebet
des Herrn, denn es ist der Beginn seiner
Herrlichkeit, der Anfang einer neuen Zeit.
Vor allem ist es das Priestergebet Jesu.
Daher auch der Name hohepriesterliches
Gebet. Jesus ist der Priester der
Menschheit, vom Vater zum Priester des
ganzen Menschengeschlechtes bestellt. Im
Priestergebet vollzieht er die Hingabe an
den Vater. So ist es ein Opfergebet. Er
weiht sich und heiligt sich für das grosse
Opfer, das er in der Passion darbringt.
Entsprechend ist die Situation:
|
Er blickt zum Vater empor.
Um ihn herum stehen die Erwählten, die in
seinem Auftrag an seinem Priestertum
teilhaben sollen. Der weitere Kreis sind die
Seinen, d. h. alle. die ihn durch den
Glauben aufnehmen. Draussen steht die
feindliche Welt. So ist er die grosse Mitte,
alles ist um ihn geschart. und er selbst
blickt zum Vater empor. |

Wie Du mich in die Welt gesandt hast, so
sende ich sie in die Welt
Joh
17, 18 |
Er ist wirklich der Priester
der Menschheit, der hier für alle betend
sich opfert. Beim Opfer zählt die innere
Gesinnung der Hingabe. Sie ist hier in
feierlichster Form ausgesprochen und
vollzogen. Die alttestamentlichen Opfer sind
zu Ende, das neutestamentliche Opfer der
Eucharistie ist gefeiert. Es hat aber seine
Kraft vom entscheidenden Opfer des Herrn am
Kreuz. |
3. Zum
Inhalt
Das Gebet entwickelt
sich inhaltlich in drei konzentrischen Kreisen: Der
1. Kreis ist Christus selbst
(er ist Mitte und
Mittler). Der
2. Kreis sind die von ihm erwählten Apostel
(sie sollen sein
Mittleramt weitertragen).
Der 3. Kreis sind die Jünger im allgemeinen
(d. h. alle, die ihn
als ihren Meister betrachten).
So reicht das Gebet, das von Christus ausgeht, immer
weiter.
Das Gebet Christi für sich selbst
«Vater, die Stunde
ist gekommen, verherrliche Deinen Sohn, damit der
Sohn dich verherrliche.» «Die Stunde ist gekommen»:
Es ist für Christus nicht in erster Linie die Stunde
des Endes seines irdischen Lebens, die Stunde des
Dunkels, des Schreckens in Leiden und Tod, sondern
es ist die Stunde der Verherrlichung. Die Stunde
seiner Erhöhung nicht nur am Kreuz, sondern in die
Herrlichkeit. Jetzt, wo sein irdisches Leben sich
abrundet, bricht seine Herrlichkeit auf. Noch ist
sie nur im Glauben sichtbar, aber deswegen ist sie
trotzdem Wirklichkeit. Es ist eine neue Zeit, die
jetzt mit dem Tod und der Auferstehung des Herrn
beginnt. Der neue Äon bricht herein, die
Herrlichkeit GOTTES leuchtet auf. Es ist die Stunde,
von der alle andern Stunden ihren letzten Sinn
bekommen. Durch das Hineingenommenwerden in die
Herrlichkeit des unendlichen GOTTES erhält alles
eine letzte Unvergänglichkeit. Es wird nicht von der
Nacht verschluckt. sondern in ein Meer von Licht
aufgenommen, ist nicht Sein zum Tode, sondern
Schreiten zum Leben. Verherrliche Deinen Sohn»: Der
Sohn hat, weil er Sohn GOTTES ist, die Herrlichkeit
in sich selbst. Aber er hat durch die Menschwerdung
die Knechtsgestalt angenommen, also sich der
sichtbaren Herrlichkeit entäussert. Nun legt er die
Knechtsgestalt ab und es wird ihm jene Herrlichkeit
gegeben, die ihm gebührt. GOTT ist der Herrliche,
der anders ist als alles andere. Er ist so herrlich,
dass der Mensch nicht imstande ist, in dieses Licht
zu schauen, weil er sich der Nichtigkeit eigener
Existenz bewusst wird. Nun wird der Vater den Sohn
verherrlichen. Es wird jetzt zum erstenmal ein
Mensch an der Herrlichkeit GOTTES Anteil haben, so
dass er selbst in dieses Licht hineingenommen ist.
Die Feuer der Herrlichkeit GOTTES verbrennen ihn
nicht, sondern durchstrahlen ihn. Der
menschgewordene GOTT, der den Glanz GOTTES verhüllt
hat, um in der Niedrigkeit des Menschlichen zu
leben, wird nun mit eben dieser Menschlichkeit in
den Glanz und die Herrlichkeit GOTTES seines Vaters
hinauf- und hineingenommen. Das ist die grosse
Stunde der Gloria Dei.
Damit
der Sohn Dich verherrliche»:
Vater und Sohn sind eins im HI. Geist. Darum ist
zwischen der Herrlichkeit des einen und des andern
kein Unterschied. Jetzt aber wird zum erstenmal der
menschgewordene Sohn in die Herrlichkeit
hinaufgenommen. So wird am verherrlichten Menschen
sichtbar, wie die Herrlichkeit GOTTES selber ist. Es
endet durch die Rückkehr des Sohnes zum Vater
letztlich alles in Gott dem Einen und Einzigen, er
ist Ursache und Ziel aller Dinge. Die Verherrlichung
eines Menschen, die nicht GOTT verherrlichen würde,
ist religiös undenkbar. Denn was nicht auf GOTT
hingeordnet ist, ist nicht herrlich, hat nicht teil
am Glanz, an der Schönheit und Grösse des allein
herrlichen GOTTES. Der verherrlichte Sohn wird also
nun den Vater verherrlichen. Das, was auf Tabor nur
einen Augenblick sichtbar wurde, wird jetzt dauernde
Wirklichkeit: der verklärte
Christus.
Du hast ihm
Macht gegeben über alles Fleisch, damit er allen, die
du ihm gegeben hast, ewiges Leben gebe.» Neben der Herrlichkeit GOTTES
steht hier auf einmal
das Fleisch des Menschlichen, d. h. das bloss
Naturhafte, Irdische. Aber nun wird der irdische
Mensch in den überirdischen hineingenommen. Der
Vater hat dem Sohn die Macht gegeben, damit dieser,
aus dieser Machtvollkommenheit heraus, den Menschen
Anteil gebe am ewigen Leben, also am Leben der
Herrlichkeit. Vom Vater geht die Herrlichkeit aus.
Sie ergreift den menschgewordenen Sohn und umfasst
durch ihn alle Menschen, die am menschgewordenen
GOTT und damit selbst an der Herrlichkeit seines
göttlichen Wesens Anteil erlangen. Jetzt, wo
menschlich gesehen die Stunde der Ohnmacht gekommen
ist, in welcher Christus der Macht der Menschen
erliegt, spricht er von der Macht über alles
Fleisch, die ihm gegeben sei. Diese Macht zeigt sich
nicht nur darin, |
dass er ein Leben gibt, das sie
weder haben noch geben können:
das ewige Leben. Sie
können ihm und andern das irdisch-menschliche
Leben nehmen, aber sie können weder sich noch andern
überirdisches, ewiges Leben geben. Sie sind an den
Raum und an die Zeit gebunden, haben also letztlich
keine Macht über das Fleisch, weil sie selbst
Fleisch sind und dem Fleischlichen verfallen. Sie
sind nicht mächtiger als die andern, über die sie
Macht zu haben scheinen, sondern sie sind alle gleichermassen der Ohnmacht verfallen, machtlos dem
Tode ausgeliefert. |

Johannes Paul II.
in
tiefer Anbetung
vor dem von ihm geweihten
Altar in Einsiedeln (15.6. 1984). |
Er dagegen, als Sohn GOTTES, hat
vom Vater wirkliche Macht über das Fleisch erlangt,
durch die Verherrlichung nach der Auferstehung ist
er nicht mehr raum- und zeitgebunden. Er hat ein
Leben, das sie ihm nicht nehmen können, und darüber
hinaus hat er die Vollmacht, anderen solches Leben
zu geben. So ist er wirklich der Lebendige und der
Lebenspender. So wie er jetzt vor der scheinbaren
Erniedrigung nur von der Herrlichkeit spricht, so
redet er jetzt und vor dem Tod in Wirklichkeit nur
vom Leben. |
Das aber ist
das ewige Leben, dass sie
Dich, den einzig wahren GOTT
erkennen und den Du gesandt
hast, Jesus Christus.» Es geht hier nicht um ein
Erkennen rein intellektueller Art, ein logisches
Nachdenken über GOTT, ein theoretisches Fragen und
Forschen nach der letzten Ursache und dem letzten
Ziel aller Dinge, um so zur Erkenntnis des Daseins
GOTTES zu gelangen. Sondern es geht um Annahme der
Offenbarung, also um eine Erkenntnis, die der
Mensch nicht aus sich selbst haben kann, sondern nur
dadurch besitzt, dass GOTT sich ihm mitgeteilt hat.
Diese Selbstmitteilung ist erfolgt durch den Sohn.
Der Sohn gibt ihnen Anteil am ewigen Leben des
Vaters, weil er ihnen den Vater kundgetan hat und
tut. Die Glaubenserkenntnis ist somit etwas Vitales,
nicht nur ein grundsätzliches theoretisches Jasagen,
sondern wirklich ein Aufnehmen der Offenbarung
GOTTES. Und damit ein Aufnehmen GOTTES selbst. GOTT
aber ist der lebendige GOTT, darum ist seine
Aufnahme im Glauben die Aufnahme des Lebens.
Selbstverständlich geht es dabei nur um den «einzig
wahren GOTT», nicht um irgendein menschliches
Begriffsgebilde oder ein Pseudoerlebnis oder ein
vages, unbestimmtes Göttliches, also um einen
vermeintlichen oder vom Menschen her konstruierten
GOTT, sondern um den wirklich wahren und einzig
wahren, lebendigen und lebenspendenden GOTT. Und
es geht weiterhin um denjenigen, der diesen GOTT in
der Fülle kundgetan hat und der dazu gesandt worden
ist. Johannes fügt von sich aus dessen Namen hinzu:
JESUS CHRISTUS. Wer also die rechte Erkenntnis Jesu
Christi hat, der hat das ewige Leben. Das heisst,
wer wirklich in GOTT und aus GOTT und für GOTT leben
will, kann es nur dadurch, dass er Jesus Christus
kennt. Dazu braucht es weder geschichtliches
Studium, noch theologische Forschung, noch
intellektuelle Begabung, sondern die schlichte, aber
ganze Aufnahme Jesu Christi als des menschgewordenen
Gotteswortes im Geist und Herzen des Menschen.
Ich habe dich
auf der Erde verherrlicht und das Werk vollbracht, das Du mir zu vollenden
aufgetragen hast.» Jesus
steht am Ende seines irdischen Lebens und kann
rückblickend feststellen, dass er den Vater
verherrlicht und dass er die Aufgabe, die ihm
übertragen wurde, gelöst hat. Ein unerhörtes
Selbstbewusstsein spricht aus diesem Wort. Im
Abschiedsgebet Christi ist nicht die leiseste Spur
von Reue oder auch von Trauer über das Unvollendete,
sondern es ist nur die Rede von Vollendung und Vollbrachthaben. Hier zeigt er sich als den ganz
andern, als den Einen und Einzigen unter den
Menschen. Sein Lebenswerk war Verherrlichung des
Vaters, durch die Verkündigung des Wortes, durch
die Werke der Liebe, durch die Schaffung des neuen
Gottesvolkes, durch die Darbringung des einen, grossen Opfers und durch Verkündigung und
Verwirklichung vom Gesetz und Geist der Liebe.
Und nun
verherrliche Du
mich, Vater, bei Dir, mit der Herrlichkeit, die ich
hatte, bevor die Welt war.»
Aus der Herrlichkeit des
Vaters ist der Sohn hervorgetreten, hat den Menschen diese Herrlichkeit
verkündet und so den Vater auf der Erde
verherrlicht. Nun kehrt er zurück in die
Herrlichkeit beim Vater. Dadurch zeigt sich Christus
als ausser und über der Welt stehend. Über dem
ersten, innersten Kreis des
hohenpriesterlichen Gebetes
stehen somit drei Gedanken: die Herrlichkeit GOTTES,
die Aufnahme in diese Herrlichkeit auch für den
menschgewordenen Sohn und die Mitteilung dieser
Herrlichkeit durch Ihn an die Seinen. So ist alles
überstrahlt von der Herrlichkeit des Herrn. Etwas
unerhört Freies, Weites, Grosses, Strahlendes liegt
im Beten Jesu. Es ist Melodie aus einer andern Welt.
Alles ist durchglüht von den Feuern GOTTES,
durchsonnt von der Liebe GOTTES, durchrauscht von
den Meeren der Freude GOTTES, geheimnisvoll erfüllt
von der Herrlichkeit GOTTES.
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